Eine katholische Stellungnahme - pin

Werbung
Ökumene aktuell:
Eine katholische Stellungnahme
In der vorherigen Ausgabe hatte die „PIN-WAND“ über den Inhalt des ökumenischen Dokumentes „Vom Konflikt zur Gemeinschaft“ sowie eine Analyse darüber in
einem Artikel veröffentlicht. Inzwischen gibt es mehrere offizielle Stellungnahmen
zu diesem lutherisch-katholischen Diskussionspapier. Eine davon hat der katholische Theologe und Experte für ökumenische Fragen, Prof. Dr. W. Thönissen (Paderborn) verfasst. Er verdeutlicht die gegenwärtige katholische Position zu Dr. Martin Luther und seiner Theologie. Seine Pressemitteilung ist im Internet für alle abrufbar, jedoch in englischer Sprache. Damit unsere Leser seine Worte richtig einordnen können, hier die redaktionelle Übersetzung:
„Vom Konflikt zur Gemeinschaft: Gemeinsamer
lutherisch-katholischer Gedenktag der Reformation im Jahr 2017.
Pressemitteilung:
1. 2017 werden lutherische und katholische
Christen gemeinsam Gedenken, aber mit unterschiedlichen Zugängen zu der Veröffentlichung von Martin Luthers Ablaßthesen vor 500
Jahren. Bereits der 450. Jahrestag der „Confessio Augustana“ bot Lutheranern und Katholiken die Möglichkeit, ein gemeinsames Verständnis von der Entwicklung der grundlegenden Wahrheiten des Glaubens zu entwickeln,
indem sie Jesus Christus, als den lebendigen
Mittelpunkt unseres christlichen Glaubens, hinstellte.
Anlässlich des 500. Geburtstags von Martin
Luther im Jahr 1983, wurden bereits einige
seiner Kernanliegen gemeinsam betont. Eine
intensive Arbeit an Luthers Person und seiner
Werke erlaubt es uns, ihn als Zeugen des
Evangeliums, Lehrer des Glaubens und Mahner zur spirituellen Erneuerung. zu schätzen.
Mit Blick auf 2017 haben wir heute die Möglichkeit, spirituell Luthers theologische Agenda der
Reformen als eine theologische Herausforderung wahrzunehmen.
2. Der Blick der katholischen Kirche auf Luther
wurde seit Jahrhunderten auf der Basis von
Johannes Cochlaeus, einem einflussreichen
Theologen im 16. Jahrhundert, beschränkt. Die
katholische Forschung des zwanzigsten Jahrhunderts über Luther hat den Weg für eine angemessene Diskussion über die Person und
die Theologie Luthers eröffnet. Der Durchbruch
in den katholischen Studien kam mit der These,
dass Luther sich mit einem Katholizismus
überwarf, der nicht völlig katholisch war. Übereinstimmend sind wir der Ansicht, dass Leben
und Lehre der Kirche im späten Mittelalter vor
allem als eine negative Folie für die Reformation diente. Die Krise des Katholizismus im Mittelalter ließ Luthers religiösen Protest deshalb
für einige sehr überzeugend erscheinen.
Darüber hinaus zeigt ein hermeneutischer Vergleich zwischen der Theologie des Thomas von
Aquin und Martin Luther, dass beide Theologen
auf sehr unterschiedliche Weise gedacht haben. Was sich dabei nicht unbedingt gegenseitig ausschließen muss, kann bei einigem Respekt durchaus komplementär zueinander sein.
Die „Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre“, unterzeichnet sowohl vom Lutherischen Weltbund sowie der römischkatholischen Kirche im Jahr 1999, ist auf katholischem Fundament aufgebaut. Es bestätigt
einen Konsens in den Grundwahrheiten der
Lehre von der Rechtfertigung zwischen Lutheranern und Katholiken.
3. Um Luthers geistliche und theologische Bedeutung für die Kirche zu verstehen, ist es erforderlich, sich mit seiner Theologie zu befassen. Das neue lutherisch-katholische Dokument tut dies im Detail durch die Konzentration
auf vier Hauptthemen seiner Theologie: Rechtfertigung, Eucharistie, Amt und Schrift / Tradition. In einem ersten Schritt stellt sie Luthers
Perspektive zu diesem Thema dar und zeigt in
einem zweiten Schritt, wie es möglich ist, dieses Thema in einem ökumenischen Weg, sowie aus der Sicht der katholischen Kirche, zu
behandeln. An Luthers eigenem theologischem
Verständnis wird deutlich:
3.1 Der Konflikt, um die Theologie von Martin
Luther, konzentriert sich auf das Verständnis
der Rechtfertigung. Selbst im sechzehnten
Jahrhundert gab es signifikante Konvergenzen
zwischen lutherischen und katholischen Positi-
onen über die Notwendigkeit einer guten Gnade und der menschlichen 'Unfähigkeit zur Rettung, aus eigener Kraft’, zu erreichen.
Das Konzil von Trient hatte deutlich gelehrt,
dass der Sünder weder durch das Gesetz oder
durch menschliche Anstrengungen gerechtfertigt werden kann. Die Katholiken hatten jedoch
einige von Luthers Positionen beunruhigend
gefunden. Sie betonten, dass die Berechtigten,
an der Entfaltung der Gnade in ihrem Leben,
beteiligt werden sollten.
Heute bedeutet der Konsens in den Grundwahrheiten der Rechtfertigungslehre, dass
der Mensch durch die Gnade Gottes und allein
durch den Glauben angenommen wird und
erhält damit den Heiligen Geist, der ihn ruft und
zu guten Werken anregt.
3.2 Luthers Einwände gegen die katholische
Lehre waren nicht, um die reale Gegenwart
Christi in der Eucharistie von Sakrament her zu
leugnen, sondern gegen die damals weitverbreiteten "Geheimnisvollen Veränderungen" im
Abendmahl. Heute können Lutheraner und Katholiken gemeinsam die wirkliche Gegenwart
Jesu Christi bekennen, auch wenn sie es auf
unterschiedliche Weise tun. Ähnlich ist es mit
der Frage nach der Bedeutung des Opfers der
Eucharistie. Luthers Widerspruch bezog sich
nicht auf die Frage, ob die Eucharistie als Opfer
verstanden werden könnte, sondern, wie die
Kirche lehrte dieses Geheimnis zu verstehen.
Dem ökumenischen Dialog gelang eine Lösung
dieser umstrittenen Frage.
3.3 Luthers Einwand, zum Verständnis dieses
Dienstes in der spätmittelalterlichen Kirche,
richtete sich nicht in erster Linie gegen die
Leugnung des ordinierten Amtes, sondern gegen seine weit verbreitete Interpretation im Mittelalter. Diese Interpretation schaffte einen echten Unterschied, einen Konflikt, zwischen diesem Dienst und dem Christsein. Nach Gratian
gab es zwei Arten von Christen, Kleriker und
Laien. Mit seiner Lehre vom allgemeinen Priestertum, wollte Luther die Grundlage dieser Differenzierung beseitigen. Durch das Zweite Vatikanische Konzil wurde dieser Widerspruch
aufgelöst. Der lutherisch-katholische Dialog
beachtet diese Errungenschaft des Konzils und
verarbeitete sie.
3.4 Luthers Verständnis von der Rolle der Heiligen Schrift, bezüglich der Kirchenlehren, entwickelte sich aus seinem Umgang mit den Lehren über Gnade und Buße. Seine ehemaligen
Gegner J. Eck und S. Prierias interpretierten
Luthers Verständnis als Widerspruch zu der
Autorität der Lehre und der Autorität der Kirche.
Aber Luther betonte die ausschließliche Autorität der Heiligen Schrift nicht gegen die Autorität
der Kirche, sondern in Verbindung mit der Kirche. Die ökumenischen Dialoge haben dazu
beigetragen, zu verdeutlichen: Im Dialog betonen die Katholiken stark die Rolle der Heiligen
Schrift im Leben der Kirche.
4. Die Tatsache, dass die westliche Kirche in
der Zeit der Reformation geteilt wurde, kann
nicht anlässlich eines ökumenischen Gedenkens vernachlässigt werden. Es gehört zur
Tragödie und der Geschichte der Schuld der
Kirche, die im Streit um die Wahrheit und das
Evangelium Unwahrheiten und Fälschungen
über ihre Gegner verbreitet hat. Das lutherischkatholische Dokument berücksichtigt die Bemühungen der Päpste, die sich mit den Bekenntnissen von Schuld beschäftigten: Bereits
in seiner Botschaft an den kaiserlichen
Reichstag in Nürnberg am 25. November 1522
beklagte Papst Hadrian VI. den Missbrauch
und die Verfehlungen, Sünden und Fehler soweit kirchliche Amtsträger sie zu verantworten
hatten.
Viel später, während des letzten Jahrhunderts,
bat auch Papst Paul VI. in seiner Eröffnungsrede zur zweiten Sitzung des Zweiten Vatikanischen Konzils, um Verzeihung von Gott und
den geteilten Brüdern im Osten. Papst Johannes Paul anerkannte ähnliche Schuld und bat
um Vergebung als Teil der Einhaltung des Heiligen Jahres 2000.
5. Luthers Theologie fordert Katholiken heute
zu einem theologischen und spirituellen Weg:
- Luther lädt uns ein zu verstehen, ein menschliches Leben vor Gott zu leben.
Daher ist die Frage nach der Beziehung zu
Gott die entscheidende Frage ("Wie finde ich
einen gnädigen Gott? ").
- Luther lädt uns ein, aus der Heiligen Schrift
die entscheidende Orientierung für das Verständnis von Gott und das Verständnis des
menschlichen Wesens zu entnehmen.
- Luther lädt uns ein, Jesus Christus als die
Mitte der Schrift zu betrachten und das Zentrum des Glaubens, der einzige Mittler zwischen
Gott und den Menschen (siehe "Dominus Jesus").
- Luther lädt uns ein, das menschliche Leben in
einer leistungsorientierten Gesellschaft zu sehen und die Worte "allein aus Gnade" ernst zu
nehmen, weil Christus der einzige Mittler ist.
Gottes Initiative ist vorrangig gegenüber der
menschlichen Antwort, aber sie sucht und
weckt diese um sie zu beantworten.
- Luther lädt uns ein, die Dimension der Wiedergeburt des Glaubens ernst zu nehmen, die
Körperlichkeit der Vermittlung des Heils und
des Evangeliums: Gott, der Mensch geworden
ist in Christus, kommt zu uns in dem hörbaren
Wort der Predigt und der Seelsorge und in der
körperlichen Form des Wortes, der Sakramente. Aus dieser Sicht ist es möglich, Vereinbarungen in den Kirchen zu treffen und gegenseitiges Verständnis darüber zu finden. Dieses
gemeinsame Zeugnis, das Grund zur Freude
und Dankbarkeit gibt, ist die Grundlage für eine
tiefere Gemeinschaft zwischen Lutheranern
und Katholiken. Sie wissen bereits, dass sie in
einer vertieften Gemeinschaft mit Christus leben und die sichtbare Einheit im Glauben in
Jesus Christus suchen.
Paderborn, 13.06.2013
Prof. Dr. Wolfgang Thönissen“
(Quelle: Internet)
Der Kommentar
Grundsätzlich ist die Absicht zu begrüßen,
lehrmäßige Unterschiede zwischen christlichen
Konfessionen durch Theologen zu diskutieren
mit dem Ziel, ein besseres Verständnis für die
unterschiedlichen Positionen zu erhalten. Wenn
jedoch die Zielsetzung darin besteht, vorrangig
einen Konsens zu suchen, in dem man versucht, die lehrmäßigen Differenzen mit einer
geschickten Rhetorik zu vernebeln, Halbwahrheiten zu verbreiten und den Rest klein zu reden, dann darf man davon ausgehen, dass
Gottes klares Wort dabei im Sumpf eines solchen theologischen Einheitsbreis untergeht.
Z. B.: Wenn Thönissen Papst Hadrian VI. als
Zeugen aufruft, dass die Kirche sich schon
1522 ausführlich zu ihrer Schuld bekannt hat,
sollte er auch die gleichzeitige Forderung dieses Papstes, dass der Kaiser endlich die Verhaftung und Hinrichtung des Ketzers Luther
veranlassen sollte, nicht verschweigen. Doch
diese Wahrheit wird tunlichst ignoriert.
Ähnliches gilt auch für Luthers theologische
Position in Sachen Eucharistie. Er lehnte es ab,
dass durch die magischen Worte eines geweihten Priesters sich Wein und Brot in den realen
Leib Christi und in sein reales Blut verwandelten. Er sah darin einen Götzendienst. Thönissen erweckt jedoch den Eindruck, als hätte die
lutherisch-katholische Studiengruppe, die bis
heute bestehenden Differenzen gelöst. Und
das, obwohl sich an der katholischen Lehre und
Praxis zur Eucharistie nichts verändert hat.
Und wenn der Theologe aus Paderborn behauptet, das 2. Vatikanische Konzil hätte den
Widerspruch Luthers zum katholischen Amtsverständnis aufgelöst, dann wirft er eine rhetorische Nebelkerze. Das Konzil hat die Vorrangstellung des Papstes und der Bischöfe gegenüber den Laien weder eingeschränkt noch aufgehoben, sondern viel mehr bekräftigt. Es hat
ausdrücklich die „Unfehlbarkeit des Papstes in
Fragen der Lehre“ bestätigt und damit den Widerspruch Luthers de facto verstärkt!
Auch seine geschickten Formulierungen, über
die Rolle der Heiligen Schrift in der römischkatholischen Kirche, täuschen über die Tatsache hinweg, dass Luther die Autorität der Bibel
als höchste Instanz lehrte und damit auch
Papst und Kirche dem Wort gehorsam schuldeten. Thönissen sollte es auch bekannt sein,
dass Martin Luther auf dem Reichstag zu
Worms sehr wohl die Autorität der Heiligen
Schrift gegen die Autorität des ordinierten Amtes (Papst und Bischöfe) gestellt hatte.
Und was die Rolle Christi, als der einzige Mittler zwischen Gott und den Menschen betrifft,
benutzen zwar Lutheraner und Katholiken die
gleichen Worte, meinen jedoch grundsätzlich
etwas Verschiedenes. Für die Lutheraner bedeutet es, dass der Laie keinen Priester
braucht, um die Vergebung seiner Schuld bei
Gott zu erlangen. Der Katholizismus besteht
weiter darauf, dass der Mensch nur durch die
Freisprechung eines Priesters von seiner Sündenschuld befreit ist.
Dass Thönissen, als Vertreter der päpstlichen
Kirche, versucht das Dokument „Vom Konflikt
zur Gemeinschaft“ nach katholischer Sicht zu
interpretieren war zu erwarten. Doch dabei darf
die Wahrheit nicht auf der Strecke bleiben.
Denn die wichtigsten theologischen Differenzen
zwischen Luther und der päpstlichen Kirche
bestehen nach wie vor.
Alle Versuche, sie zu minimieren, sind, ohne
eine Veränderung der katholischen Lehren,
einfach nicht möglich. Daher sind die theologischen Klimmzüge in dem ökumenischen Papier
nicht einmal die Druckerfarbe wert, mit der sie
gedruckt wurden.
Daran ändert auch nicht seine Beharrlichkeit,
die Lutheraner in die „sichtbare Einheit“ mit
Rom zu führen. Denn nach seiner Auffassung
besteht die wirklich „vertiefte Gemeinschaft mit
Christus“ in ihrer Vollkommenheit einzig und
allein in der christlichen Kirche, die von den
selbsternannten Stellvertretern Christi geleitet
wird.
Herunterladen