Arbeitsbericht Allgemeiner Teil Sonderforschungsbereich 539 „Glaukome einschließlich Pseudoexfoliations-Syndrom (PEX)“ Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg in Erlangen Arbeitsbericht 1997 (2. Halbjahr) bis 2000 (1. Halbjahr) 1 Arbeitsbericht Allgemeiner Teil 1 Allgemeiner Teil Der SFB 539 „Glaukome einschließlich Pseudoexfoliations-Syndrom“ geht mit dem vorliegendem Antrag in seine zweite Förderperiode. Die Tatsache, daß keines der bisher laufenden Projekte ausscheiden möchte, sondern noch weitere beantragte Teilprojekte, auch außerhalb der Augenklinik, hinzugewonnen werden konnten, macht deutlich, wie fruchtbar die bisherige Arbeit war und wie groß das Interesse zahlreicher Wissenschaftler an der Thematik unseres SFB ist. a) Wissenschaftliche Entwicklung des Sonderforschungsbereichs Das Gesamtkonzept des SFB 539 beruht auf der Erforschung der Ätiologie, Pathogenese, Frühdiagnose und Verlaufskontrolle der chronischen Offenwinkelglaukome (Grüne Stare), einer Volkskrankheit, die als Ursache irreversibler Erblindungen in den industrialisierten Ländern zusammen mit dem Diabetes an erster Stelle steht und immense Kosten hinsichtlich Therapie, Blindengeld, Umschulung etc. verursacht. Fragen der Therapie hätten die Möglichkeiten des SFB weit überstiegen und sind deshalb bewußt ausgespart worden. Die offenen Fragen, die vom SFB 539 in der vergangenen Förderperiode behandelt wurden lassen sich gliedern in: A) Glaukomschäden an Optikus und Retina. Hierbei ging es um sinnesphysiologischfunktionelle und morphometrische glaukomatöse Sehnervenschädigungen, sowie um Fragen des molekularen Pathomechanismus des glaukomatösen Verlustes einzelner retinaler Ganglienzellen. B) Mögliche pathogenetische Faktoren. In diesem Projektbereich sollten Mechanismen der Erhöhung des intraokularen Drucks (BI) mit Hilfe kombiniert histologischmolekularbiologischer Methoden erforscht werden. Ferner gehört die Untersuchung der Störung der Blutzirkulation (BII) zu diesem Projektbereich, die mit histologischen Methoden und durch Messung der Mikrozirkulation an Sehnervenkopf und Retina die Pathogenese der primär vaskulär bedingten Glaukomvarianten erforschen sollte. Schließlich sollte in diesem Projektbereich die Funktion uvealer Ganglienzellen und ihre extrinsischen und intrinsischen Verbindungen im Tiermodell untersucht werden. C) Systemische, insbesondere genetische Einflüsse. Diese wurden durch molekulargenetische Untersuchungen und durch Modellbildungen des biometrisch arbeitenden Teilprojektes anhand des Erlanger Glaukomregisters erforscht. Die in den drei Projektbereichen genannten Teilprojekte sind aufgrund ihres gemeinsamen Interesses an der Erforschung der Ätiologie und Pathogenese der Glaukome eng miteinander verflochten. Die überwiegend klinisch orientierten, am Patienten arbeitenden Teilprojekte sind außerdem durch die weitergehenden Fragestellungen nach der Frühdiagnose und Verlaufskontrolle eng miteinander verknüpft. In diesem Zusammenhang kommt dem Projekt C.1 aufgrund seiner Funktion hinsichtlich der Dokumentation im „Erlanger Glaukomregisters“, der biometrischen Planung und Auswertung in allen Teilbereichen eine besondere Bedeutung zu. Die Konvergenz der verschiedenen medizinischen Disziplinen zu einem Verbund und die gemeinsame Verfolgung kohärenter Forschungsziele wäre ohne die Einrichtung eines Sonderforschungsbereichs nicht in der Weise möglich gewesen wie sie in den letzten drei Jahren stattgefunden hat. 2 Arbeitsbericht Allgemeiner Teil A) Glaukomschäden an Optikus und Retina: Im Projekt A.1 „Sinnesphysiologische Untersuchungen bei Glaukomen“ (Korth, Augenklinik) ging es um die Frage, welches die frühestmöglichen mit subjektiv-psychophysischen oder objektiv-elektrophysiologischen Methoden erfaßbaren sinnesphysiologischen Defekte sind und mit welchen Verfahren die weitere Verlaufsbeobachtung fortgeführt werden soll. Da der perimetrische Defekt als sinnesphysiologisches Phänomen nach dem Druckanstieg und nach dem papillometrischen Schaden ein ausgesprochenes Spätsymptom darstellt, mußte nach anderen Wegen gesucht werden, um eine sinnesphysiologische Verbesserung der Frühdiagnose zu erreichen. Bei der Beantwortung dieser Fragen standen Überlegungen zur Theorie des angeblich selektiven Frühverlustes magnozellulärer Ganglienzellen (M-Zellen) gegenüber parvozellulären Ganglienzellen (P-Zellen) und zur Theorie der verminderten Redundanz im Vordergrund. Im Rahmen dieser Thematik konnte ein psychophysischer screening Test entwickelt werden, der innerhalb weniger Minuten die zeitliche Kontrastempfindlichkeit des Auges mit einem flimmernden Licht in einem Ganzfeld („Erlanger Flimmertest“) bestimmt (M-Zell-Test), und dessen Ergebnis im statistischen Vergleich mit Normalprobanden bereits im okulär hypertensiven Stadium, d.h. noch vor dem Auftreten morphometrischer Papillenschäden, signifikant pathologisch ausfällt. Eine 2. kommerziell erhältliche Version dieses Tests ist inzwischen fertiggestellt worden. Da die Patienten des Erlanger Glaukomregisters bisher eine nur sehr geringe Progression zeigten, mußte auf „Verlaufsuntersuchungen“ mit Hilfe von Querschnittsanalysen zu verschiedenen Stadien der morphometrischen Papillenschädigung ausgewichen werden. Aufgrund dieser Auswertungen hätte nach dem „Erlanger Flimmertest“ als nächster Verlaufstest die örtlichzeitliche Kontrastempfindlichkeit die nächst höhere Sensitivität und erst in Spätstadien wäre die konventionelle Perimetrie (P-Zell-Test) der sensitivste Test. Als weiterer relativ sensitiver Frühtest wurde das Blau-auf-gelb-VEP entwickelt, das sich die geringe Redundanz der blauempfindlichen Ganglienzellen (P-Zellen) zunutze macht. Schließlich wurden weitere Untersuchungen zur Trennung von M- und P-Bahn unternommen (Muster-VEPs auf bewegte Reize, auf Helligkeitskontrast- und Farbkontrastreize, multifokales ERG), die noch weiter fortgeführt werden müssen. Das Projekt A.2 „Morphologie der glaukomatösen Optikusatrophie“ (Jonas, Augenklinik) zielte auf die sowohl zweidimensionale planimetrische als auch auf die dreidimensionale Frühdiagnose, Quantifizierung und Verlaufskontrolle des glaukomatösen Schadens an der Papille und im parapapillären Bereich. Im vergangenen Förderzeitraum wurden folgende Ergebnisse erarbeitet: 1. Die pathomorphologische Beurteilung der Papille erlaubt eine Unterscheidung der chronischen Glaukome in hochmyope, altersassoziierte und fokale Niedrigdruckglaukome, in Pseudoexfoliations-Glaukome, juvenile Hochdruckglaukome und Pigmentglaukome. 2. Die verschiedenen Papillenvariablen lassen sich für die Frühdiagnose der Glaukome in einer bestimmten Rangfolge anordnen, wobei die Fläche des neuroretinalen Randsaumes die sensitivste ist, gefolgt vom vertikalen E/P-Quotienten. 3. Erste Längsschnittuntersuchungen zeiten, daß die Papillengröße ohne Einfluß auf die Glaukomprogression war. 4. Ein Vergleich der Methoden der photographischen Planimetrie mit den Verfahren der Heidelberg-Retina-Tomographie (HRT) und dem GDx-Gerät zur polarimetrischen Bestimmung der Nervenfaserschichtdicke ergab, daß für eine Frühdiagnose die Planimetrie am besten geeignet ist, während das HRT-Gerät für diese Aufgabe begrenzt und das GDx-Gerät gut geeignet erscheint. Für die Verlaufsbeobachtung ist jedoch das HRT-Gerät und die Planimetrie sehr gut geeignet. Andere Vorteile für HRT- und GDx-Gerät sind ihre Unabhängigkeit vom Untersucher, was für die Planimetrie nicht zutrifft. 3 Arbeitsbericht Allgemeiner Teil Projekt A.3 „Rezeptormechanismen der retinalen Degeneration“ (Herkert, Becker; Institut für Biochemie LST I). Zahlreiche Untersuchungen der letzten Jahre haben gezeigt, daß der NMDA-Rezeptor unter ischämischen Bedingungen eine entscheidende Rolle bei neurodegenerativen Prozessen spielt. Infolge erhöhter extrazellulärer Glutamatkonzentration kommt es dabei zur chronischen Übererregung der Neurone, die schließlich zum Zelltod führt (Exzitotoxozität). In der vergangenen Förderperiode wurde (1.) die entwicklungsregulierte Expression aller Untereinheiten der Rezeptoren für NMDA, AMPA- und Kainat in der Rattenretina untersucht und die prae- und postnatale teils transiente Expression von Rezeptoruntereinheiten beschrieben. Die Zusammensetzung der NMDA-Rezeptorkomplexe verändert sich also, wie im ZNS auch, entwicklungsabhängig, was Konsequenzen für neuroprotektive Maßnahmen und für die Synaptogenese der sich entwickelnden Retina hat. (2.) Die Lokalisation einer bestimmten NMDARezeptor-Untereinheit in retinalen Ganglienzellen und bestimmten amakrinen Zellen spricht dafür, daß bei Glaukomen ein selektiver Verlust von Ganglienzellen und eines Teiles amakriner Zellen unter Vermittlung von NMDA-Rezeptoren eintreten könnte. (3.) Da Untereinheiten des NMDA-Rezeptors auch bei der Maus, dem Kaninchen und beim Menschen nachgewiesen werden konnten, sind die am Tiermodell erarbeiteten exzitotoxischen Mechanismen möglicherweise auch auf den Menschen übertragbar. Schließlich konnten durch die Einrichtung eines LaserscanCytometers erste Ergebnisse zur Korrelation von retinalem Zelltod und NMDARezeptorverteilung gewonnen werden. B) Mögliche pathogenetische Faktoren BI Druck- und Widerstandserhöhung im Kammerwinkel-Abflußsystem BI.1 „Untersuchungen zur Entstehung der Druckerhöhung bei primär chronischen, juvenilen und Steroid-induzierten Glaukomen“ (E.Lütjen-Drecoll, Institut für Anatomie LST II). Die morphologischen und physiologischen Grundlagen der intraokularen Druckregulation sind immer noch nicht eindeutig geklärt. Durch die Möglichkeit, Spenderaugen von Patienten mit verschiedenen Stadien der Glaukomerkrankung zu untersuchen, ergab sich die Möglichkeit, Entstehung und Verlauf der Abflußbehinderung genauer zu analysieren. Darüber hinaus konnten auch an isolierten Zellen der Kammerwinkelregion die für das pathologische Verhalten der Zellen verantwortlichen Faktoren mit molekularbiologischen Methoden untersucht werden. In der vergangenen Förderperiode konnte 1. an Glaukomspenderaugen eine signifikante Korrelation zwischen dem Sehnervenfaserverlust und der Menge an extrazellulärem Material unter der Innenwand des Schlemm’schen Kanals nachgewiesen werden. Bei juvenilen Glaukomen sind sowohl „plaques“, ähnlich dem POWG, als auch fibrilläres Material, ähnlich den SteroidGlaukomen, vermehrt. 2. Bei vielen POWG- und PEX- Glaukomen konnte eine erhöhte Expression von aB-Crystallin und Myocilin/TIGR im Trabekelwerk nachgewiesen werden. TGFb2 war im Kammerwasser beim POWG , nicht aber beim PEX-Glaukom erhöht. 3. In Zellkulturen wird von TGFb2 das αB-Crystallin induziert, die Synthese von Fibronektin erhöht und die Bildung von Transglutaminasen induziert, welche Fibronektin in unlösliche Verbindungen aggregieren. Somit könnte die Vermehrung von Plaques im Trabekelwerk durch eine vermehrte Bildung und Vernetzung unlöslicher Verbindungen entstehen. BI.3 „Modell Pseudoexfoliations-Syndrom: Zellbiologische Analyse der Pathogenese und der Glaukomentwicklung“ (Schlötzer-Schrehardt, Augenklinik; von der Mark, Inst. für exp.Medizin und Bindegewebsforschung). Das PEX-Syndrom ist eine wahrscheinlich genetisch determinierte generalisierte Störung in der extrazellulären Matrixsynthese, die durch lokale Produktion und Akkumulation eines aberranten Matrixprodukts im Trabekelwerk bei etwa 50% der 4 Arbeitsbericht Allgemeiner Teil Patienten zur Glaukomentwicklung führt. Das PEX-Syndrom ist für ca. 25% aller Glaukome verantwortlich und stellt z.Zt. die häufigste identifizierbare Ursache der Glaukome dar. Neben zahlreichen klinischen Befunden, wie z.B. der Neubeschreibung einer PEX-Keratopathie, konnten in der vergangenen Förderperiode folgende Ergebnisse zur Pathogenese erarbeitet werden: 1. Immunhistochemisch konnten einige elastische Mikrofibrillenkomponenten als Bestandteile der PEX-Fibrillen identifiziert werden, so daß mit LTBP-1 nun ein relativ spezifischer Marker für intra- und extraokuläre PEX-Ablagerungen zur Verfügung steht. 2. Molekularbiologische Experimente bestätigten eine verstärkte Expression von Fibrillin-1 mRNA in Geweben von PEXPatienten. 3. PEX-Fibrillen werden offensichtlich durch Transglutaminase II enzymatisch quervernetzt, so daß diese nicht degradiert werden und in den Geweben akkumulieren. 4. TGF-ß1 war im Kammerwasser von PEX-Patienten signifikant erhöht und scheint die abnormalen Matrixprozesse zu modulieren. 5. Die Analyse der differentiellen Genexpression ergab bislang über 30 in PEX-Geweben differentiell exprimierte Gene, die teilweise identifiziert werden konnten. 6. Die 2D-Elektrophorese der Kammerwasserproteine ergab einige spezifische Spots bei PEXPatienten im Vergleich zu Kontrollen. Projekt BII.1 „Messung der Mikrozirkulation von Retina und Papille bei Glaukomen“ (Michelson, Augenklinik). Glaukome sind mit systemischen, orbitalen und okulären Veränderungen der Durchblutung verbunden. Eigene Beobachtungen zeigen, daß in Frühformen von Offenwinkelglaukomen ein signifikant erniedrigter retinaler kapillärer Blutfluß vorlagen, der nicht mit Verlust neuronalen Gewebes zu erklären war. Bei Niedrigdruck-Glaukomen korrelierte die Abnahme der visuellen Funktion mit der Abnahme der Mikrozirkulation. Als Ursachen könnten in Betracht kommen: Abnahme des Kapillarendothels oder der Perizytenzahl und eine insuffiziente Perfusion durch systemische und lokale Regulationsstörungen. Veränderungen der okulären Makrozirkulation (Aa carotis int., ophthalmica, centr. ret.) arteriosklerotischer Art fanden sich bei Niedrigdruckglaukomen, nicht jedoch bei barotraumatischen Offenwinkelglaukomen. Ferner zeigten letztere im Kälteprovokations-Test keine Veränderung der Gefäßelastizität der a. ophthalmica, während eine solche bei Niedrigdruckglaukomen zu beobachten war. Schließlich waren glaukomatöse Optikusatrophien mit einer signifikant verminderten Sauerstoffsättigung der retinalen Arterien verbunden. BII.2 „Morphologische Untersuchungen über die pathogenetischen Veränderungen des intraokulären Gefäßsystems und der Innervation bei verschiedenen Glaukomformen und Tiermodellen“ (Lütjen-Drecoll, May, Inst. für Anatomie LST II). Die wichtigsten Ergebnisse dieses Projektes sind: 1. Nachweis von NOS-IR und VACHT-IR Nervenfasern im Trabekelwerk von Primatenaugen, die die Kontraktion von Trabekelzellen induzieren könnten. SP-IRNervenendigungen an elastischen Fasern des Schlemm’schen Kanals könnten als Mechanorezeptoren Druckänderungen registrieren. 2. Quantifizierung von arteriovenösen Anastomosen der Episklera und der Außenwand des Schlemm’schen Kanals und deren Innervation. 3. Die Existenz choroidaler Ganglienzellen und choroidaler Muskelzellen, die mit der Elastika der Aderhaut ein elastisch-muskulöses System bilden und bei höheren Primaten mit Fovea centralis vorkommen, spricht dafür, daß die Aderhaut ein potentieller Schwellkörper ist. 4. Verlust von retinalem Pigmentepithel führt zu einem Verlust der angrenzenden Choriocapillaris. 5. In experimentellen Affenglaukomen führte die Druckerhöhung zu einer Verminderung der choroidalen Ganglienzellen und des choroidalen Gefäßsystems. 6. Schließlich war in diesen Affenaugen die Form der Degeneration des Sehnerven mit der Anzahl verschlossener Kapillaren korreliert und die Astrozyten des Sehnerven exprimierten aB-Crystallin. BII.3 „Uveale Ganglienzellen: Morphologische und immuncytochemische Klassifizierung, intrinsische und extrinsische Verbindungen“ (Neuhuber, Inst. für Anatomie LST I). Intrinsi5 Arbeitsbericht Allgemeiner Teil sche choroidale Neurone sind eine Besonderheit bei höheren Primaten und Vögeln und wurden in der vergangenen Antragsperiode bei Ente, Wachtel, in wesentlichen Punkten vergleichend auch beim Menschen, hinsichtlich ihrer Morphologie, des neurochemischen Phänotyps und ihrer Verbindungen charakterisiert. Folgende Ergebnisse wurden bei der Ente erarbeitet: 1. Über die Innervation der Blutgefäße und des glattmuskulären lymphatischen Schwammwerkes bestimmen intrinsische choroidale Neurone (ICN) die Dicke der Choroidea und damit auch die Position der Retina. 2. ICN wirken als lokale Integratoren sympathischer, parasympathischer und trigeminalafferenter Signale. 3. ICN stehen möglicherweise untereinander in Verbindung und bilden ein lokales Netzwerk. 4. ICN der Ente, die durch die Expression von Galanin, nNOS und VIP gekennzeichnet sind, teilen mit den choroidalen Neuronen des Menschen neurochemische Charakteristika und wahrscheinlich auch die Art der neuronalen Verbindungen. C) Klinische Biometrie und genetische Untersuchungen Projekt C.1 „Dokumentation, biometrische Planung, Modellbildung und Auswertung in allen Teilbereichen des SFB“ (Martus, Inst. Medizininformatik, Biometrie und Epidemiologie). Das Teilprojekt betreibt methodische Forschung, die der Modellbildung für unterschiedliche Fragestellungen der Glaukomerkrankungen (Pathogenese, Diagnose, Prognose, Verlauf) dient. Das Teilprojekt unterstützt die anderen Teilprojekte, insbesondere A.1 (Korth), A.2 (Jonas), BII.1 (Michelson) und BII.2 (Lütjen-Drecoll), in der Planung, Dokumentation, Auswertung und Präsentation der dort durchgeführten Teilstudien. Durch die Betreuung des “Erlanger Glaukomregisters”,das inzwischen von der PC Plattform (PARADOX) auf einen SQL-Server als ADABAS Datenbanksystem transferiert wurde, wird die Datenbasis für Quer- und Längsschnittstudien der klinischen Teilprojekte sichergestellt. Die methodische Forschung des Teilprojekts betrafen multivariate, insbesondere diskriminanz- und faktoranalytische Modelle für Fragestellungen, die durch die Glaukomerkrankungen motiviert sind. Es wurde ein multivariantes Diagnosemodell und ein faktoranalytisches Modell für den Schweregrad der Glaukomerkrankung publiziert. Ein verwandter Forschungsinhalt war die Entwicklung statistischer Methoden speziell für paarige Daten. Eine Verallgemeinerung des RosnerModells wurde entwickelt, Bezüge zur Diskriminanzanalyse und polytomen logistischen Regression nachgewiesen, sowie ein Methodenvergleich zwischen marginalen (GEE-) Modellen und den eigenen Modellentwicklungen publiziert. Ein zweiter Forschungsschwerpunkt betraf die Entwicklung von sequentiellen Diagnosestrategien, die durch Übertragung von Methoden gruppensequentieller Designs konstruiert wurden. Hier wurde bereits ein, auf sinnesphysiologische Verfahren beschränktes Modell konstruiert. Schliesslich wurden im Teilprojekt statistische Methoden für die Analyse hochdimensionaler diagnostischer Daten untersucht. Ein durch die Perimetrie motiviertes aber allgemein einsetzbares interaktives Dokumentations- und Auswertungssystem wurde entwickelt. Dieses System steht der klinischen Forschung zur Verfügung, kann aber auch für die Implementierung von Ergebnissen der methodischen Forschung verwendet werden. Die enge Kooperation des Teilprojekts mit den oben genannten klinischen und nicht-klinischen Projekten wurde durch eine Vielzahl gemeinsamer Arbeiten dokumentiert. Projekt C.2 „Identifizierung von Genorten und Kandidatengenen im Zusammenhang mit erblich bedingten Glaukomkrankheiten“ (Rautenstrauß, Inst. für Humangenetik; Mardin, Naumann, Augenklinik). Molekulargenetische Analysen von erblichen Glaukomen versprechen 6 Arbeitsbericht Allgemeiner Teil ganz neue Einsichten in deren Natur. Im Projekt C.2, das sich erst mit 1 ½ jähriger Verspätung dem SFB anschließen durfte, wurden folgende Gene untersucht: Das TIGR oder Myocilin (MYOC)- Gen wurde feinlokalisiert. Dabei konnte für 5% von 550 Patienten des Erlanger Glaukomregisters eine Mutation gefunden werden. Für das kongenitale Glaukom (Buphthalmus) wurden bei Prüfung von 18 Patienten und deren Angehörigen 2 Mutationen des CYP1B1- Gens sowie 5 Polymorphismen in Verbindung mit einer möglicherweise pathogenen Mutation gefunden. Erste Ergebnisse eines Mutations-screenings des Kandidaten-Gens PGSH-2 an 300 Patienten zeigten intronische Mutationen, die evtl. das Splice-Verhalten beeinflussen können. b) Entwicklung der Kooperation im Sonderforschungsbereich Am SFB 539 haben sich im vergangenen Förderzeitraum folgende universitäre Einrichtungen beteiligt: - Augenklinik mit Poliklinik - Institut für Anatomie LST I und II - Institut für Biochemie, LST I - Institut für Experimentelle Medizin - Institut für Humangenetik - Institut für Medizininformatik, Biometrie und Epidemiologie Wechselwirkungen der einzelnen Teilprojekte untereinander, ihre Zusammenarbeit und der wissenschaftliche Erfahrungsaustausch innerhalb des Sonderforschungsbereichs werden deutlich in einer Reihe von wissenschaftlichen Veranstaltungen, die entweder gemeinsam von verschiedenen Projekten in Form von internationalen Symposien abgehalten wurden, oder in Form von einmal monatlich durchgeführten Kolloquien („SFB aktuell“) stattfanden, zu denen auch auswärtige Redner eingeladen wurden. Auch die im Rahmen der regelmäßig stattfindenden Erlanger Fortbildungsveranstaltungen für niedergelassene Augenärzte einmal jährlich durchgeführten „Erlanger Glaukomtage“, an denen sich alle Projekte mit praxisrelevanten Beiträgen beteiligen, wären hier zu nennen. Im einzelnen wurden folgende Veranstaltungen durchgeführt: Internationale Workshops und Seminare: 26.-27.2.1999 Workshop: Autonomic Innervation and Microcirculation in the Eye - Implication for Glaucoma Pathophysiology (Hilz M.-J, Lütjen-Drecoll E, Michelson G, Naumann GOH, Neuhuber W.L.) 24.-27.3.1999 Satellite Symposion on Ophthalmogenetics im Rahmen der 11. Jahrestagung der Deutschen Ges. für Humangenetik, gemeinsam mit der Österreichischen Gesellschaft für Humangenetik Société Francaise de la Génétique Humaine, Nürnberg) (Rautenstrauß B, Mardin CY) 28.06.1999 Lindberg Symposium: Clinical Significance of Exfoliation Syndrome. Satellite Symposium des XII Congress of the European Society of Ophthalmology, Stockholm (Naumann, Ringvold, Tarkkanen, Schlötzer-Schrehardt) 10.-12.12.1999 Workshop: Neuroprotection in the Eye: Implications for Glaucoma (Becker C.M., Herkert M, Jünemann A, Michelson G, Naumann GOH) 28.-29.1.2000 9. Workshop: Okuläre Mikro- und Makrozirkulation – Y2K G. Michelson 7 Arbeitsbericht Allgemeiner Teil Erlanger Augenärztliche Fortbildung („Erlanger Glaukomtag“ 1 x im Jahr; siehe Jahresberichte): 11.01.1997 95. Erlanger Augenärztliche Fortbildung Neue Aspekte zur Pathogenese, Diagnostik und Therapie der Glaukome (DFGSonderforschungsbereich SFB 539) 10.01.1998 101. Erlanger Augenärztliche Fortbildung Neue Aspekte zur Pathogenese, Diagnostik und Therapie der Glaukome (DFGSonderforschungsbereich SFB 539) 16.01.1999 107. Erlanger Augenärztlilche Fortbildung: Neue Aspekte zur Pathogenese, Diagnostik und Therapie der Glaukome (DFGSonderforschungsbereich SFB 539) 15.01.2000 111. Erlanger Augenärztliche Fortbildung: Neue Aspekte zur Pathogenese, Diagnostik und Therapie der Glaukome (DFGSonderforschungsbereich SFB 539) Seminare (1 x im Monat, „SFB-Aktuell“; siehe Jahresberichte): 14.01.1998 Prof. Dr. Bernd Ehinger, Dept. of Ophthalmology University of Lund/Sweden: Neurotransmitters in the retina: Localization, release and receptors. 04.02.1998 Prof. Dr. Karl Meßlinger, Inst. für Physiologie und Pathophysiologie der Friedrich-Alexander-Universität (FAU): Pathophysiologische Grundlagen des Migräne-Schmerzes - Experimentelle Zugangswege und Hypothesen. 04.03.1998 PD Dr. Peter Martus: Pfadanalytische Methoden zur Bewertung von Verlaufsparametern der Glaukomerkrankung. 01.04.1998 Dr. rer. nat. K. Michels-Rautenstrauß: Genetik der Glaukome. 06.05.1998 Dr. rer. nat. Matthias Herkert: Glutamat-Rezeptoren der Retina: Verteilung und Funktion. 10.06.1998 PD Dr. med. Georg Michelson: Okuläre Perfusion bei Glaukomen. 08.07.1998 SS Hayreh MD PhD DSc, Department of Ophthalmology University of Iowa Hospitals and Clinics/Iowa City/Iowa/USA: Optic nerve head circulation and its role in glaucoma and other ischemic disorders. 14.10.1998 Prof. Dr. med. M. Korth: Sinnesphysiologische Untersuchungen bei Glaukomen. 04.11.1998 Frau Dr. med. Maria Egle De Stefano, Dipartimento di Biologia Cellulare e dello Sviluppo, Università „La Sapienza“, Rom/Italien: Axotomy-induced neuroplasticity in the avian ciliary ganglion. 02.12.1998 Prof. Dr. med. J. Jonas: Morphologische Aspekte der glaukomatösen OptikusNeuropathie. 13.01.1999 Dr. med. F. Schrödl: Intrinsische Neurone in der Choroidea der Ente: Motor, Sensor und Integrator. 03.02.1999 Dr. R. Enz: Molekulare Charakterisierung des GABAC-Rezeptors im Auge. 03.03.1999 Dr. M. Kreutz, Institut für Medizinische Psychologie, Magdeburg: Genregulation in retinalen Ganglienzellen nach axonaler Verletzung 14.04.1999 Prof. Dr. med. J. Draeger, Univ.-Augenklinik Hamburg-Eppendorf: Neuere Methoden der Messung des Augeninnendruckes. und Frau PD Dr. med. U. Schlötzer-Schrehardt: Pathobiologie des Pseudoexfoliations-Syndrom. 8 Arbeitsbericht Allgemeiner Teil 19.05.1999 15.06.1999 28.07.1999 und 03.11.1999 23.11.1999 08.12.1999 14.12.1999 15.12.1999 14.01.2000 Prof. A.B. Safran, Hopitaux Universitaires de Genève: Cortical reorganization following lesions in the anterior visual pathways, and clinical implications for perception of field. R. Nickells M.D., Dept. Ophthalmology Visual Science, University of Wisconsin/USA: Molecular regulation of cell death in proliferative and degenerative ocular disease. Rainer Berendes (Doktorand Prof. Michelson): Pulswellenanalyse der okulären Makro- und Mikrozirkulation. Physiologische Grundlagen und Pathophysiologie. PD Dr. P. Martus: Reduktion der Untersuchungszeit in der Perimetrie durch optimierte Auswahl der Meßpunkte. Dr. A. Stroux und PD Dr. P. Martus: Sequentielle Strategien in der Glaukomdiagnostik. Prof. Paul L. Kaufmann MD, Dept. Ophthalmology, University of Wisconsin/Madison/USA: Glaucoma therapy beyond the millenium. B. Lausen PhD, Dept. Medical Statistics & Evaluation, Imperial College of Science, Technolgy and Medicine, Hammersmith Hospital Campus, London/UK: Tree structures for prognosis and decision making in clinical and epidemiological research. Prof. Paul Lichter MD, Dept Ophthalmology, University of Michigan, Ann Arbor/Michigan/USA: Genetics and Glaucoma Prof. Terete Borras Ph.D., Duke University Medical Center, Dept Ophthalmology, Durham/North Carolina/USA: Identification of genes up-regulated by intraocular pressure. The potential of their delivery to the trabecular meshwork by adenoviral gene transfer. Konzepte für Fortbildungsantrag (11 alte und 5 neue Teilprojekte) Schließlich sollen an dieser Stelle noch die einmal wöchentlich (Dienstags abends) zwischen den klinisch arbeitenden Projekten A.1, A.2, BII.1 und dem biometrisch arbeitenden Projekt C.1 stattfindenden Konferenzen erwähnt werden, auf denen sowohl wissenschaftliche Fragestellungen und gemeinsame Studienplanungen als auch praktische Probleme erörtert werden, die die Führung des Glaukomregisters und die Durchführung der Glaukomsprechstunde betreffen. c) Stellung innerhalb der Hochschule Der SFB 539 ist Teil einer Reihe anderer biomedizinischer Sonderforschungbereiche in Erlangen. So bestehen neben dem SFB 539 sechs weitere Sonderforschungbereiche, an der die Medizinische Fakultät entweder ausschließlich oder zusammen mit anderen Fakultäten beteiligt ist: - SFB 263 Immunologische Mechanismen bei Infektion, Entzündung und Autoimmunität - SFB 353 Pathobiologie der Schmerzentstehung und Schmerzverarbeitung - SFB 466 Lymphoproliferation und virale Immundefizienz - SFB 423 Nierenschäden: Pathogenese und regenerative Mechanismen - SFB 473 Schaltvorgänge der Transkription - SFB 603 Modellbasierte Analyse und Visualisierung komplexer Szenen und Sensordaten Außerdem bestehen in Erlangen sechs Graduiertenkollegs, die entweder rein medizinisch oder interdisziplinär ausgelegt sind: - Kulturtransfer im Europäischen Mittelalter 9 Arbeitsbericht Allgemeiner Teil - Pathobiologie der Schmerzentstehung, Schmerzverarbeitung und Schmerzbekämpfung - Kontrolle der RNA-Synthese - Vielfalt der Strategien bei Bakterien und Eukaryonthen - Immunologische Mechanismen bei Infektion, Entzündung und Autoimmunität - Dreidimensionale Bildanalyse- und synthese - Lymphozyten: Differenzierung, Aktivierung und Deviation Schließlich besteht in Erlangen seit drei Jahren ein Interdisziplinäres Zentrum für Klinische Forschung (IZKF), das sich als Rahmenthema „Entzündungsprozesse: Genese, Diagnostik und Therapie“ gestellt hat und aus 37 Teilprojekten und 2 Nachwuchsgruppen besteht. Zwischen dem SFB 539 einerseits und anderen Sonderforschungsbereichen sowie dem IZKF bestehen insofern enge Kontakte, als einige Antragsteller des SFB 539 auch Projektleiter in einem anderen SFB und im IZKF sind. Durch die Einrichtung des Sonderforschungsbereichs 539 hat sich die Grundausstattung im Bereich der beteiligten Institutionen erheblich verbessert. Hier ist vor allem ein Elektronenmikroskop zu erwähnen, dessen Anschaffung mit Hilfe von HBFG-Mitteln ohne die Etablierung unseres SFB nicht möglich gewesen wäre. Schließlich hat die Existenz unseres SFB einen entscheidenden Einfluß auf die Neubesetzung des Lehrstuhls für Humangenetik gehabt (Nachfolge Prof. Pfeiffer). Prof. Andre Reis vom Mikrosatellitenzentrum des Max Dellbrück-Zentrums in Berlin, der den Ruf angenommen hat, hat sein großes Interesse an der Teilnahme unseres SFBs bekundet und ist im Folgeantrag Mitantragsteller für das Genetik-Projekt (C.2). Damit bestehen nunmehr die Voraussetzungen für eine feste Etablierung dieses Projektes auf längere Sicht in unserem SFB. d) Förderung der Lehre und des wissenschaftlichen Nachwuchses Die Einrichtung des SFB 539 hat auf folgende Weise zur Erweiterung und Differenzierung des Lehrangebotes sowie zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses an unserer Universität geführt: 1. Die unter b genannten - internationalen workshops - Erlanger Augenärztliche Fortbildungen („Erlanger Glaukomtage“) - monatlich stattfindenden Seminare („SFB Aktuell“) werden als Fortbildungsveranstaltungen für das an den beteiligten Institutionen arbeitende Personal und für Medizinstudenten angeboten. 2. Durch die Einrichtung des SFB 539 hat sich das Lehrangebot für Medizinstudenten in den verschiedenen beteiligten Institutionen durch verschiedene Praktika und Kurse erweitert. 3. Im Rahmen des SFB 539 werden (wurden) insgesamt 44 Doktoranden beschäftigt (s. detaillierte Liste im allgemeinen Teil des Fortsetzungsantrages). 4. Im Berichtszeitraum sind drei Habilitationen mit Bezug zum SFB abgeschlossen oder im Verfahren: Mit einem Thema zum Pseudoexfoliations-Syndrom hat sich Frau Dr. U. SchlötzerSchrehardt, Leiterin des Projektes BI.3 („Modell“ Pseudoexfoliations-Syndrom) habilitiert. Noch im Verfahren sind die Habilitationen von Herrn Dr. A. Jünemann zum Thema "Hierachie psychophysischer und elektrophysischer Tests bei der Frühdiagnose chronischer Glaukome" und von Herrn Dr. C.Y. Mardin zum Thema "Morphometrie der glaukomatösen Atrophie des Nervus opticus im Methodenvergleich". 10 Arbeitsbericht Allgemeiner Teil 5. Durch das an der Augenklinik in den Projekten A.1 und A.2 mit je einer Assistentstelle etablierte Rotationssystem bekommen wissenschaftliche Assistenten der Augenklinik die Gelegenheit, im jährlichen Wechsel sich unbelastet von der Klinik-Routine der Glaukomforschung zu widmen. Die bisherige Erfahrung hat gezeigt, daß die bisher beteiligten Assistenten(innen) sich auf diese Weise in ein bestimmtes Forschungsthema einarbeiten, mit dem sie auch nach der Rückkehr in die Klinik-Routine weiter wissenschaftlich aktiv bleiben. 6. Die Berufung von Herrn Professor Jost Jonas, Leiter des Projekts A.2 (Biomorphometrie des nervus opticus), auf den Lehrstuhl für Augenheilkunde der Fakultät Klinische Medizin der Universität Heidelberg in Mannheim zum 1. April 2000 ist so gut wie sicher. Bei dieser Berufung dürfte auch die Mitgliedschaft von Herrn Prof. Jonas in unserem SFB eine Rolle gespielt haben. 11