MEMORIX AINS Memorix Notfallmedizin überarbeitet Thieme 2005 Verlag C.H. Beck im Internet: www.beck.de ISBN 978 3 13 139937 3 Zu Inhaltsverzeichnis schnell und portofrei erhältlich bei beck-shop.de DIE FACHBUCHHANDLUNG 8 Defibrillation und Kardioversion Manuelle Defibrillation 8 Defibrillation und Kardioversion yyyyy y y y y y y y y y y y y y y y y y y y y y y y y y y y y y y y y y y 8.1 Manuelle Defibrillation 8.1 Indikation In jedem Fall indiziert ist die Defibrillation bei: x Kammerflimmern/Kammerflattern, x pulsloser Kammertachykardie. ! Eine gezielte Defibrillation setzt die Kenntnis des EKG voraus (S. 73). Prinzip Bei der elektrischen Defibrillation wird ber 2 der Thoraxwand anliegende Elektroden ein Stromstoß durch den Krper des Patienten geleitet. Dieser hat zum Ziel, eine mglichst große Zahl von Myokardzellen gleichzeitig zu depolarisieren, wodurch eine bestehende Herzrhythmusstrung beseitigt werden kann und einem Schrittmacherzentrum des Herzens die Mglichkeit gegeben wird, wieder einen geordneten Erregungsablauf herzustellen. Zubehr x x x Defibrillator, EKG-Monitor mit Klebeelektroden, Elektrodenpaste. Technik Monitor-EKG ableiten. Am schnellsten ber die Paddles (nahezu bei allen Gerten mglich!), am besten ber Klebeelektroden. Defibrillatorelektroden. Defibrillatorelektroden so platzieren, dass der Stromfluss durch den Herzmuskel mglichst groß ist, also nicht zu nahe nebeneinander! Auf die Defibrillatorelektroden reichlich Elektrodenpaste aufbringen. x Anterior-anterior-Position: Beide Elektroden liegen auf der Vorderseite des Thorax, z. B. die eine rechts parasternal unter der Klavikula, die andere links thorakal ber der Herzspitze. Mller, Notfallmedizin (ISBN 3131399376), c2005 Georg Thieme Verlag KG 81 8.1 Manuelle Defibrillation x 8 Defibrillation und Kardioversion Anterior-posterior-Position: Die eine Elektrode wird unter der linken Skapula, die andere Elektrode links parasternal, ungefhr in Hhe des 4. ICR, aufgesetzt. Diese Methode ist etwas umstndlicher (Zeitverlust!), bentigt dafr aber etwas niedrigere Defibrillationsenergien (Wahl der Defibrillationsenergie erfolgt in blicher Weise). ! Prklinisch ist die Anterior-posterior-Position eigentlich nur beim Schrittmacherpatienten mit rechts parasternal liegendem Schrittmacher indiziert. Defibrillationsmodus einstellen/kontrollieren. Defibrillationsmodus asynchron muss eingestellt sein (s. a. Kap. 8.3). Dies ist normalerweise immer die Grundeinstellung! Defibrillationsenergie einstellen. Die Energiewahl ist immer wieder Gegenstand intensiver Diskussionen. Ziel ist es, die Energie zu finden, mit der bereits erfolgreich defibrilliert werden kann, ohne dabei das Myokard zu schdigen. Die gegenwrtigen Empfehlungen (ERC 2000) lauten: x Erwachsene: – initial ca. 3 Joule/kgKG, d. h. fr einen ca. 70 kg schweren Menschen ca. 200 Joule, – bei Erfolglosigkeit erneut ca. 3 Joule/kgKG (200 Joule), – bei Erfolglosigkeit Steigerung bis ca. 5 Joule/kgKG (360 Joule), – die Hchstenergie von 360 Joule sollte nicht berschritten werden, x Kinder: – initial ca. 2 Joule/kgKG, – ab der 3. Defibrillation ca. 4 Joule/kgKG, x Defibrillationsverfahren: – Defibrillation mit stufenweiser Erhhung der Energie (200 J, 200 J, 360 J, wird zurzeit als Methode der Wahl beim 1. Defibrillationszyklus empfohlen), – Defibrillation mit sofortiger Hchstenergie (360 J, wird zurzeit erst ab dem 2. Defibrillationszyklus empfohlen). 82 Mller, Notfallmedizin (ISBN 3131399376), c2005 Georg Thieme Verlag KG 8 Defibrillation und Kardioversion Manuelle Defibrillation 8.1 Defibrillationsenergie (monophasische Impulse) in Abhngigkeit vom Lebensalter Altersstufe Neugeborene Defibrillationsenergie (monophasischer Impuls) Initial [J] Maximal [J/kgKG] 12 – Kleinkinder 25 4 Schulkinder 50 4 Jugendliche 100–150 4 Erwachsene 200 5 (Hchstenergie 360 J) Mit der Einfhrung der sog. biphasischen Stromimpulsabgabe bei den neuen Defibrillationsgerten werden die Stromstrken nach unten korrigiert werden knnen (evtl. beginnend mit 70–90 J, Steigerung auf max. 150 J). Durchfhrung der Defibrillation. Mglichst ohne großen Zeitverlust! Bei unklaren EKG-Befunden und Kreislaufstillstand im Zweifelsfall defibrillieren! Voraussetzung fr eine erfolgreiche Defibrillation ist eine mglichst optimale Oxygenierung des Myokards, deshalb bis zur Durchfhrung der Defibrillation reanimieren! Initial werden 3 Defibrillationen in rascher Folge empfohlen, wenn das Gert zum Wiederaufladen jedoch mehr als 30 s bentigt, muss die Reanimation intermittierend fortgefhrt werden. ! Whrend des Stromstoßes drfen Patient (und ggf. Bettgestell) nicht berhrt werden! Die Defibrillationselektroden mssen zur Reduzierung des bergangswiderstands fest an den Thorax gepresst werden (Anpressdruck je Paddle ca. 10 kg!). Komplikationen Mgliche Ursachen fr eine primr erfolglose Defibrillation knnen sein: x fehlerhafte Elektrodenposition, x keine oder zu wenig Elektrodenpaste verwendet (Hautwiderstand zu hoch), x Elektroden nicht fest genug an den Thorax gepresst, x zu niedrige Defibrillationsenergie, x mangelhafte Oxygenierung des Herzens, x biologisch refraktres Kammerflimmern. Mller, Notfallmedizin (ISBN 3131399376), c2005 Georg Thieme Verlag KG 83 8.2 Halbautomatische (Frh-)Defibrillation 8.2 8 Defibrillation und Kardioversion Halbautomatische (Frh-)Defibrillation Indikation Frhdefibrillation durch Ersthelfer bei Kammerflimmern oder defibrillationspflichtiger Kammertachykardie. Kontraindikation Nicht empfohlen wird die Anwendung von AED-Gerten bei Kindern I 8 Jahre. Prinzip Das Ziel der Frhdefibrillation geht auf zwei Erfahrungen zurck: x Kammerflimmern kommt bei 40–50 % aller Patienten vor, bei denen vom Rettungsdienst ein Reanimationsversuch unternommen wird (durch Rhythmusanalyse nachgewiesen), es ist wahrscheinlich in bis zu 75 % Ursache fr den pltzlichen Herztod. x Mit jeder Minute, die spter defibrilliert wird, sinkt die berlebenswahrscheinlichkeit um ca. 10 %. Daher sollen nicht nur rzte, sondern x Mitarbeiter im Rettungsdienst, x entsprechend ausgerstete Bereitschaften und x entsprechend geschulte medizinische Laien (z. B. Sicherheitspersonal in Flughfen, Polizisten, Feuerwehrleute) defibrillieren knnen. Realisiert werden kann dieses Ziel der Frhdefibrillation nur durch entsprechend sichere halbautomatische oder voll automatisierte Defibrillatoren, die dem Ersthelfer das Problem der EKG-Analyse abnehmen und nur dann die Defibrillation frei geben, wenn das Gert mit sehr hoher Treffsicherheit (i 95 %) die Diagnose Kammerflimmern oder eine defibrillationspflichtige Kammertachykardie gestellt hat. Die einzige Feststellung, die der Anwender von AED-Gerten noch treffen muss, ist die Diagnose eines Kreislaufstillstandes. Gerte Neuere biphasische Defibrillatoren (einem positiven Stromstoß folgt ein negativer Impuls) scheinen den konventionellen monophasischen Defibrillatoren (nur ein positiver Stromimpuls) insofern berlegen zu sein, dass die Defibrillationserfolge bei insgesamt niedrigerer Stromstrke (z. B. 150 J statt 200–360 J) gleich sind, das Myokard aber thermisch weniger belastet wird. 84 Mller, Notfallmedizin (ISBN 3131399376), c2005 Georg Thieme Verlag KG 8 Defibrillation und Kardioversion Halbautomatische (Frh-)Defibrillation 8.2 Gngige AED-Gerte auf dem deutschen Markt (Stand November 2004) Hersteller Technische Angaben Schiller Medizintechnik www.schillermed.de biphasischer Impuls, Energie im AED-Betrieb: 90–130–150 J, Ladezeit max. 6 s, Lithium-Batterie: 200 Schocks/8 h berwachung Laerdal Medical www.laerdal.de Heartstart FR2: biphasischer Impuls, Energie im AEDBetrieb: 150 J, Ladezeit max. 10 s, Lithium-Batterie: 300 Schocks/12 h berwachung Medtronic PhysioControl www.lifepak.de Lifepak 500: biphasischer Impuls, Energie im AEDBetrieb: 200–360 J, Ladezeit max. 9 s (200 J), LithiumBatterie: 230 Schocks/14 h berwachung Abbildung Technik Die Vorgehensweise unter Verwendung eines AED bei einem bewusstlosen Patienten ist nachfolgend im Fließdiagramm und tabellarisch dargestellt. Mller, Notfallmedizin (ISBN 3131399376), c2005 Georg Thieme Verlag KG 85 8.2 86 Halbautomatische (Frh-)Defibrillation 8 Defibrillation und Kardioversion Mller, Notfallmedizin (ISBN 3131399376), c2005 Georg Thieme Verlag KG 8 Defibrillation und Kardioversion Halbautomatische (Frh-)Defibrillation 8.2 Reanimationsmaßnahmen bei sofort verfgbarem AED Auffinden einer regungslosen Person Bewusstsein? lautes Ansprechen leichtes Rtteln an der Schulter Atmung y Atemwege frei machen Kreislauf? Notruf bereits erfolgt? Notarzt nachgefordert? y y Freimachen des Oberkrpers und Positionierung der Klebeelektroden Mller, Notfallmedizin (ISBN 3131399376), c2005 Georg Thieme Verlag KG 87 8.2 Halbautomatische (Frh-)Defibrillation 8 Defibrillation und Kardioversion Auffinden einer regungslosen Person Gert einschalten, analysieren lassen Schock empfohlen: bis zu 3 Schocks auslsen kein Schock empfohlen: Pulskontrolle: kein Puls p CPR Pulskontrolle: kein Puls 10 Zyklen CPR 15 : 2 (= ca. 1 Minute) erneute Analyse durch Gert, ggf. erneute Schockserie 88 Mller, Notfallmedizin (ISBN 3131399376), c2005 Georg Thieme Verlag KG 8 Defibrillation und Kardioversion 8.3 Elektrische Kardioversion 8.3 Elektrische Kardioversion Indikation x x hochfrequente, ventrikulre Tachykardie mit hmodynamischer Instabilitt, hochfrequente (i 150/min), supraventrikulre Tachykardie (Ausnahme: Sinustachykardie!) mit hmodynamischer Instabilitt, vor allem, wenn die Rhythmusstrung medikaments nicht gnstig zu beeinflussen ist, sofort, wenn klinische Symptome eines kardiogenen Schocks vorliegen. Prinzip Synchronisierte (R-Zacken-gesteuerte) Defibrillation als Versuch, eine tachykarde, kreislaufwirksame Herzrhythmusstrung in einen effektiveren Rhythmus zu konvertieren. Zubehr x x x Defibrillator, EKG-Monitor mit Klebeelektroden, Elektrodenpaste. Technik x x x x x Voraussetzung beim bewusstseinsklaren Patient: – Aufklrung, – Sedierung, besser Analgosedierung in Form einer Kurznarkose (z. B. mit Etomidat S Morphin), – stndige Intubations- und Reanimationsbereitschaft ist selbstverstndliche Voraussetzung, Ableitung eines Monitor-EKG, reichlich Elektrodengel auf die Paddles aufbringen, Defibrillationsmodus synchron whlen! Energie vorwhlen: – supraventrikulre Tachykardie bzw. schmale Kammerkomplexe (mit Ausnahme Vorhofflimmern): zunchst 50 J, bei Versagen 100 J p 200 J p 300 J p 360 J, – ventrikulre Tachykardie bzw. breite Kammerkomplexe und Vorhofflimmern: zunchst 100 J, bei Versagen 200 J p 300 J p 360 J. Info Defibrillationsmodus Synchroner Modus: Wenn noch geordnete, abgrenzbare Kammerkomplexe zu erkennen sind, wird die Kardioversion synchronisiert durchgefhrt, da sonst Kammerflimmern ausgelst werden kann. Der Stromstoß wird automatisch etwa 20 ms nach einer R-Zacke – außerhalb der vulnerablen Phase – abgegeben. x Asynchroner Modus (bei der Defibrillation, Kap. 8.1): Bei Kammerflimmern sind keine geordneten R-Zacken zu erkennen, eine Synchronisation ist also nicht mglich, die Defibrillation erfolgt asynchron. Auch bei Kammerflattern und pulsloser Kammertachykardie sollte asynchron defibrilliert werden, um keine Zeit mit der R-Zacken-Erkennung zu verlieren. x Mller, Notfallmedizin (ISBN 3131399376), c2005 Georg Thieme Verlag KG 89 9 9 Elektrische Stimulation 9 Elektrische Stimulation yy y y y y y y y y y y y y y y y y y y y y y y y y y y y y y y y y y y y y y y y y y y y y y y y y y y y y y y y y y y y y y y y y (passagere Stimulation, passagerer externer Schrittmacher) Indikationen (bei entsprechender Klinik und nach EKG-Diagnostik mit Mehrkanal schreiben) x bradykarde Herzrhythmusstrungen, wie z. B. – AV-Block 2. und 3. Grades, – bradykardes Vorhofflimmern, – Syndrom des kranken Sinusknotens, – Syndrom des berempfindlichen Karotissinus. x tachykarde Herzrhythmusstrungen, wie z. B. – Vorhofflattern, – paroxysmale supraventrikulre Tachykardien einschließlich WPW-Syndrom, – sonstige Kammertachykardien, x Asystolie. Prinzip Mithilfe von extern an die Thoraxwand angelegten großflchigen Klebeelektroden (unter stationren Bedingungen auch ber transsophageal eingefhrte Elektroden) soll der Herzmuskel mit einer adquaten Frequenz (70–80/min) stimuliert werden. Bei den tachykarden Strungen sollen dabei die vorhandenen Erregungskreislufe unterbrochen werden, wobei die elektrische Stimulation gegenber der Defibrillation zwar sanfter, aber auch entschieden weniger effektiv ist. Das Schrittmachermodul fr die externe elektrische Stimulation ist in aller Regel als Zusatzmodul im Defibrillator des Notarztes integriert. Technik x x x x x 90 Aufklrung des Patienten, vorsichtige (Analgo-)Sedierung, z. B. mit Midazolam, Haut des Patienten mit Wasser reinigen, Klebeelektroden anbringen: – negative Elektrode anterior an der linken Thoraxseite (entsprechend EKG-Ableitung V2–V3) anbringen, – positive Elektrode posterior an der linken Thoraxseite unter der Skapula anbringen, gewnschte Stimulationsfrequenz (z. B. 70) whlen und Stromstrke langsam steigern (0–200 mA), bis die elektrischen Impulse vom Ventrikel bernommen werden und das Herz wieder auswirft. Kontrolle durch Pulstastung an der A. femoralis, – + Mller, Notfallmedizin (ISBN 3131399376), c2005 Georg Thieme Verlag KG 9 Elektrische Stimulation x x 9 Reizschwelle bestimmen (normalerweise i 40 mA), danach Impulsamplitude (ca. 10 % hher als die Reizschwelle) einstellen, Erfolgskontrolle ber Monitor und periphere Pulse. Nebenwirkungen x x x Gelegentlich „Mitkontraktionen“ der Thoraxmuskulatur mit unangenehmen Sensationen fr den Patienten, Reizung der Haut, Auslsung von Kammerflimmern mglich. Mller, Notfallmedizin (ISBN 3131399376), c2005 Georg Thieme Verlag KG 91