Depression und Suizidalität bei Krebspatienten

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16.09.2013
Depression und Suizidalität
bei Krebspatienten
Prof. Dr. Horst Haltenhof
Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie
Heinrich-Braun-Klinikum Zwickau gGmbH
„Blick von Innen“
„Die Wirklichkeit ist nicht so eindeutig. Ohne überhaupt einen Befund zu haben, begreift Margot, daß
es eine Sache ist, über eine irgendwann mögliche
Krebserkrankung zu reden, und eine andere, mit der
Möglichkeit konfrontiert zu sein, tatsächlich Krebs zu
haben.“
Angelika Mechtel 1990
Fortbildungsveranstaltung der Sächsischen Krebsgesellschaft e.V., Bad Elster 13.09.2013
„Blick von Innen“
„Blick von Innen“
„Die Knoten, es sind zu Anfang mehrere kleine
Knoten in der linken Brust, entdeckt Margot Anfang
September 1987. […]
Ihr erster Gedanke ist: Das war es also! Mit >das<
meint sie ihr Leben. […] Ihre Gefühle sind panisch. Im
Gegensatz zu den Gedanken.“
„Es war jedenfalls kein Schock. Auch später nicht.
Eher das Gefühl: Pech gehabt. Kein Aufbäumen,
keine Verzweiflung. Jedoch der Tumor scheint nicht
nur den Körper, sondern auch die Gedanken zu
absorbieren. Immer ist er mit dabei, wenn auch
unbewusst.“
Angelika Mechtel 1990
Peter Noll 1987/1984
„Blick von Innen“
„Die Angst, von der Margot erst Monate später sagt:
>Sie geht wohl nie ganz weg, aber es läßt sich lernen,
damit umzugehen.<“
Angelika Mechtel 1990
„Blick von Innen“
„Diese letzte Zeitspanne fordert mehr als jede frühere.
Nicht wissen, wie es weitergeht, mit dem Beruf, der
Krankheit, dem Sterben. Und mit denjenigen, die mich
dann nicht mehr haben werden, vor allem mit Rebecca
und Sibylle. Dauernd denke ich an die beiden.
Irgendwie möchte ich eine ganz heile Welt für sie
zurücklassen.“
Peter Noll 1987/1984
1
16.09.2013
„Blick von Innen“
„Ich hätte gerne weiße Haare gehabt. Die Frau
meines Enkels kennengelernt. Die Urenkel.
Es schmerzt, zu denken, daß ich dafür wohl keine
Lebenszeit mehr zur Verfügung habe.“
Angelika Mechtel 1990
„Blick von Innen“
„Ich bin in einem Herbst gealtert, habe einen
zerschnittenen Körper, der nie wieder einen Mann
reizen wird. Nie wieder werde ich mich unbefangen
am Strand ausziehen können. Mein Körper, den ich
gern hatte, ist ausrangiert für immer. Ich kann es nicht
fassen, es ist zu grausam.“
Maxie Wander 1980
Anpassungs„aufgaben“ bei
malignen Erkrankungen (1)
Anpassungs„aufgaben“ bei
malignen Erkrankungen (2)
• Beschwerden und Einschränkungen von körperlichen,
seelischen und geistigen Funktionen
• Therapeutische Maßnahmen, deren Nebenwirkungen
und Folgen
• Hospitalisierung bzw. Pflege mit Inkaufnahme fremdbestimmter Vorgaben und Abläufe
• Angewiesensein auf Andere (Angehörige, medizinisches
Personal, Pflegedienst)
• Irreversibilität bzw. Progredienz des Verlaufs
• Abnehmende Leistungsfähigkeit und Mobilität
• Rückgang bzw. Verlust von sozialen Kontakten,
Rollen und Aktivitäten
• Sorgen um die Zukunft von Angehörigen
• Bedrohung von Selbstkonzept, emotionalem
Gleichgewicht und Körperbild
• Einschränkungen von Selbstverfügbarkeit und
Autonomie
• Begrenzte Lebenszeit und bevorstehender Tod
Krankheitsbewältigung
„Angemessene“ Krankheitsverarbeitung
Bewältigung der
Krebserkrankung
Leichte
psychische Störungen
Schwere
psychische Störungen
„Angemessene“
Krankheitsverarbeitung
Reaktivierung einer
vorbestehenden
psychischen Störung
Nicht-pathologischer Trauer-, Anpassungs- und
Verarbeitungsprozess bei begrenzter Lebenserwartung und Verlust der Zukunftsperspektive:
• wechselhafter Verlauf
• heftige und belastende Gefühle, zeitweise auch
Lebensüberdruss und suizidale Gedanken
• dysfunktionale Emotionen und Verhaltensweisen
• Begleitung durch onkologische Behandler, ggf.
psychologische Unterstützung/psychosomatische
Grundversorgung, aber meist keine Indikation für
psychiatrisch-psychotherapeutische Behandlung
2
16.09.2013
Phasenmodell emotionaler Reaktionen bei
lebensverkürzender Krankheit
Schock
Wut & Zorn
Depression
Verhandeln
Kasuistik: Erna H.
• Mit ca. 48 J. Diagnose eines Mamma-Ca: Ablatio,
Bestrahlung, Chemotherapie; Schock, Ärger, Wut
• Fortschreitende, v.a. ossäre Metastasierung
• Zunehmende Einschränkung der Mobilität
• Starke Schmerzen, palliative Behandlung
• Starkes Hadern mit dem Schicksal, Depressionen
• Schließlich lange Zeit bettlägerig
• Allmähliche Annahme des Schicksals, Akzeptanz
der abnehmenden Selbstverfügbarkeit
• Stirbt schließlich friedlich zuhause
Sturz aus Alltagswirklichkeit
Verleugnung
mit funktionalen u. dysfunktionalen Folgen
Auflehnung gegen Schicksal + Angewiesensein auf andere
feindselige Abhängigkeit
Angst und Verzweiflung
Gefahr der Vereinsamung
Wiederholte Enttäuschung unrealistischer
Erwartungen
ggf. Vertrauensverlust
„Annahme“ Akzeptanz des bevorstehenden Todes
nach Kübler-Ross 1969
Häufige psychische Störungen bei
Krebspatienten
Kasuistik: Margret H.
• Mit Anfang 30 Diagnose einer akuten Leukämie bei
Abklärung eines „grippalen Infektes“
• Erfolglosigkeit der konventionellen Therapie
• Knochenmarktransplantation
• Verbringt Wochen fern der Familie in Isolation
• Wut und Verzweiflung wegen des drohenden frühen
Todes (wenige Monate nach Stellung der Diagnose)
nach privatem und beruflichem Neuanfang
• Starke Zukunftssorgen um ihre beiden Kinder
• Hadert mit dem Schicksal bis kurz vor ihrem Tod
(Metaanalysen zahlreicher Studien; 1995-2010)
%
25
1-Monats-Prävalenz
Lebenszeitprävalenz
20
15
22,4
21,3
10
5
16,3
10,1
12,5
7,1
8,2
1,7
0
2,5
Depression Anpassungs- Somatoforme Panikstörung
störung
Störung
3,2
4,7
2,6
GAS
PTBS
Mehnert et al. 2013; Vehling et al. 2012
Ursachen depressiver Störungen
bei malignen Erkrankungen (1)
Depressive Störung als multifaktoriell bedingte
psychobiologische Endstrecke
• Metabolische Störungen (Kachexie, Elektrolytstörungen, Dehydratation u.a.)
• Endokrine Störungen (Hypo-/Hyperthyreose,
Cushing-Syndrom, NNR-Insuffizienz)
• Paraneoplastische Syndrome (Bronchial-,
Pankreas-Ca)
• ZNS-Befall (Tumor, Metastasen, Entzündung)
• Medikamente (u.a. Zytostatika, Hormone)
Ursachen depressiver Störungen
bei malignen Erkrankungen (2)
•
•
•
•
Vulnerabilität (genetisch/biographisch)
Unspezifische Stressreaktion
Kognitive Schemata
Dysfunktionale Verarbeitung realer Verluste
(aus Trauer wird objektlose Verstimmung)
• Reaktivierung unbewusster Konflikte
(v.a. Autonomie/Abhängigkeit)
• Narzisstische Kränkung
• Aggressionsumkehr
3
16.09.2013
Symptomatik depressiver Störungen
bei malignen Erkrankungen
• Höhere diagnostische Wertigkeit von affektiven und
kognitiven gegenüber somatischen und vegetativen
Symptomen:
– Niedergeschlagenheit, Dysphorie
– Hilf- und Hoffnungslosigkeit
– Selbstwertverlust, Insuffizienz- und Schuldgefühle
– Konzentrations- und Denkstörungen
– Passive und aktive Todeswünsche
• Cave „stumme“ Depression
Risikofaktoren depressiver Störungen
bei malignen Erkrankungen
• Fortgeschrittenes Krankheitsstadium
• Schwere körperliche Beeinträchtigung
• Unzureichend kontrollierte Symptome
(v.a. Schmerzen, Luftnot, Übelkeit)
• Soziale Isolation
• Belastende Lebensumstände
• Alkohol-/Drogenabhängigkeit
• Depressive/psychiatrische Erkrankungen
in der Vorgeschichte
nach Keller 2007
Behandlung depressiver Störungen bei
malignen Erkrankungen (1)
Basis der Behandlung
• Halt gebende, stützende, kontinuierliche und
verlässliche Betreuung
• „Geteilte Wirklichkeit“ (Zuhören, Zeit haben)
• Behandlungspartnerschaft
• Einbeziehung hilfreicher Angehöriger
• Wiederholte Beurteilung der Suizidalität
Behandlung depressiver Störungen bei
malignen Erkrankungen (3)
Medikamentöse Behandlung
Indikationen für antidepressive Medikation:
• Anhaltende und schwere Symptomatik
• Fehlende Erreichbarkeit des Patienten
• Ablehnung von (psychotherapeutischen)
Gesprächen durch den Patienten
• Ausbleibende Besserung auf Basisbetreuung
und spezielle Therapieverfahren
Behandlung depressiver Störungen bei
malignen Erkrankungen (2)
Spezielle Therapieverfahren
• Supportive Psychotherapie mit Fokus auf
Autonomie, Selbstwert, Körpererleben
• Entspannungs- und imaginative Verfahren
• Ergotherapie
• Gestaltungs- und Kunsttherapie
• Musiktherapie
Behandlung depressiver Störungen bei
malignen Erkrankungen (4)
Vorgehen:
• Cave Kontraindikationen, Nebenwirkungen und
ggf. Arzneimittelinteraktionen
• Cave Wirklatenz der Stimmungsaufhellung
Substanzen:
• SSRI mit wenig Interaktionen
• Mirtazapin (v.a. zur Verbesserung des Schlafs)
• Trizyklische Antidepressiva (2. Wahl)
• Psychostimulanzien (bei rasch gewünschter
Besserung)
• Ggf. Antipsychotika, Benzodiazepine
4
16.09.2013
„Blick von Innen“
„Blick von Innen“
„Ganz besonders wichtig ist die Möglichkeit, reden zu
können, erzählen, was ihr widerfährt, von der inneren
Auseinandersetzung mit sich selbst zu sprechen.“
„Ich nehme die Herausforderung an. Den Kampf auf.
Aber nicht um jeden Preis.
Jetzt muß es Schritt für Schritt weitergehen. Die
Nachtherapie.
Aber auch: Überlegungen, eine verkürzte Zukunft
einzuteilen. Außerdem: Jetzt schon Informationen
für einen einfachen Selbstmord einholen.“
Angelika Mechtel 1990
Angelika Mechtel 1990
Suizidrisiko von Krebspatienten
nach Zeitraum seit Diagnosestellung
Suizidrisiko von Krebspatienten
nach Zeitraum seit Diagnosestellung
(1969-1997; N=490.245; 589 Suizide)
SMR
4
SMR
(1973-2002; N=3.594.750; 5.838 Suizide)
8
3,09
3
6
2
2,18
1,14
1
1,17
0
0-5 Monate
6-11 Monate 12-23 Monate 24-59 Monate
Männer (N=407)
≥ 60 Monate
4
2
0
0-5 J.
Frauen (N=182)
Gesamt
5-10 J.
10-15 J.
Bronchien, Lunge
15-30 J.
Leukämie
Mamma
Hem et al. 2004
Misono et al. 2008
Suizidrisiko von Krebspatienten
nach Geschlecht und Zivilstand
Suizidrisiko von Krebspatienten
nach Lokalisation
(1969-1997; N=490.245; 589 Suizide)
SMR
5
4,08
4
4,11
4
3,67
3,09
3
3
2,15
2
(1969-1997; N=490.245; 589 Suizide)
SMR
5
1,55 1,35
1,33
2,5
1,55
2,4
2,2
1,88
1,75
1,99
1,3
2
2,152,06
1,551,35
1,85
1,03
1
1,231,13
1
0
Alle
0
Alle
Trachea,
Lunge
Mund,
Rachen
Speiseröhre,
Magen
Männer
Gehirn
Blut
Niere,
Harnwege
Geschieden/ Unverheiratet
getrennt
Männer (N=407)
Verwitwet
Verheiratet
Frauen (N=181)
Frauen
Hem et al. 2004
Hem et al. 2004
5
16.09.2013
Suizidraten von Krebspatienten nach Alter
Suizidrisiko von Krebspatienten 1960 – 1999
(1973-2002; N=3.594.750; 5.838 Suizide)
(10-Jahres-Zeiträume, 2-Jahres-Follow-Up)
pro 100.000 Personenjahre
SMR
120
108,4
4
3,54
100
3
3,08
80
40
20
0
2,07
2
60
28,2
8,7
8,4
15-19
25-29
20-24
35-39
30-34
45-49
40-44
US-Bevölkerung
55-59
50-54
65-69
60-64
Krebs-Patienten
75-79
70-74
20,1
1
10,0
0
1,28
1960-1970
≥ 85
80-84 Jahre
1971-1980
Männer (N=189)
Krebs-Patientinnen
1981-1990
1991-1999
Frauen (N=56)
Misono et al. 2008
Suizidmethoden von Krebspatienten
nach Geschlecht
(1969-1997; N=490.245; 589 Suizide)
%
40
(6/2003-12/2004; N=229; PHQ-9-Item 9 pos.)
22,5
34,2
33
Bezugspunkt
30,7
30
20
Einfluss von Alter, Schmerz und Stress auf das
Suizidalitätsrisiko bei Krebspatienten
OR
40
35,2
31,2
Hem et al. 2004
30
23,6
17,9
22,8
20
10
6,6
8,49,9
2,2
5,26,6
0
21,9
10,7
10
2
1
0
Vergiften Erschiessen Erhängen
Männer (N=407)
Ertränken
Springen
Anderes
5,2
mit Schmerz
mit Stress
Frauen (N=182)
< 65 Jahre
Hem et al. 2004
Einschätzen und Verhüten
von Suizidalität
„Eine stets sichere Einschätzung von Suizidalität und
des individuellen Gefährdungsgrades gibt es genauso
wenig wie eine absolut sichere Verhütung suizidaler
Handlungen.“
Hans Wedler et al. 1995
mit Schmerz
Stress
≥ 65 Jahre
und
Walker et al. 2008
Risikosignale bei Suizidalität
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
Direkte Ankündigungen und Andeutungen
Sturz-, Selbstvernichtungs-, Katastrophenträume
Gleichgültigkeit bzgl. der eigenen Gesundheit
Vorbereitungen für die Zeit „danach“
Diffuse psychosoziale Probleme
Unspezifische Befindlichkeitsstörungen
Zunahme der Konsultationsfrequenz
(Beginn der) Einnahme psychotroper Substanzen
Risikoverhalten in Alltag und Freizeit
Häufung von Unfällen aller Art
Eink & Haltenhof 2006
6
16.09.2013
Protektive Faktoren bei Suizidalität
•
•
•
•
•
•
•
•
Soziale Beziehungen und Bindungen
(Mitmenschliche) Verpflichtungen
Soziale Unterstützung (Angehörige, Freunde)
Zuversicht („sense of coherence“, Antonovsky)
Religiosität
Tragfähiger Therapeuten-Patienten-Kontakt
Selbsthilfe-, Problemlösungspotentiale
Therapiebereitschaft
Suizidprävention: Was?
Ziel der Suizidprävention ist nicht die Verhinderung
des Suizids um jeden Preis, sondern die
Wiederherstellung der Entscheidungsfreiheit durch
Aufhebung oder zumindest Minderung der die
Suizidalität begünstigenden inneren und äußeren
Zwänge.
nach Wedler, Reimer & Wolfersdorf 1995
Suizidprävention: Wie?
„Suizidprävention ist im Wesentlichen
Beziehungsarbeit: Diese geschieht durch
Menschen, nicht durch Medikamente oder
geschlossene Türen.“
Manfred Wolfersdorf et al. 2000
Umgang mit Suizidalität 2
Entlastend-stützende Strategien
• Förderung des Ausdrucks aktueller Emotionen
(v.a. Verzweiflung, Trauer, Wut)
• Weder dramatisieren noch bagatellisieren
• Stärkung von Selbstverantwortung und Selbstwertgefühl
• Erkundung von im Leben haltenden äußeren und
inneren Faktoren (cave Schuldgefühle!)
• Akzeptanz regressiver Verhaltensweisen „im Dienst
des Ich“
• Einbeziehung hilfreicher Personen im familiären und
sozialen Umfeld
Umgang mit Suizidalität 1
Fürsorglich-schützende Strategien
• Zuwendung, Geduld und Zuverlässigkeit
• Wiederholt offenes und verständnisvolles Ansprechen
von Suizidalität und Handlungsdruck
• „Sichernde Fürsorge“: hohe Beziehungsdichte, Vermeidung von Alleinsein (!)
• Entlastung, aber Vorsicht mit völliger Entpflichtung
• Feste Vereinbarungen bei ambulanter Therapie
• Frühzeitig stationäre Behandlung erwägen
• Ggf. Unterbringung nach Betreuungsgesetz
Umgang mit Suizidalität 3
Medikamentöse Strategien
• Bei Angst und Unruhe: Benzodiazepine oder niedrigpotente Antipsychotika
• Bei Depressivität: Antidepressiva (SSRI bzw. Mirtazapin
zur Unterstützung des Nachtschlafs)
• Bei Wahn und Halluzinationen: hochpotente Antipsychotika, ggf. Benzodiazepine
7
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„Derjenige, der ein „Warum“ zum Leben hat,
kann fast jedes „Wie“ ertragen.“
Friedrich Nietzsche
Aber gilt nicht ebenso:
„Uns steht kein Urteil darüber zu, was ein
Mensch zu ertragen in der Lage sein muss.“
Keller & Wechsnung 2005
„Blick von Innen“
„Lieber Schur, Sie erinnern sich wohl an unser erstes
Gespräch. Sie haben mir damals versprochen, mich
nicht im Stich zu lassen, wenn es soweit ist. Das ist
jetzt nur noch Quälerei und hat keinen Sinn mehr.“
Sigmund Freud 21.09.1939
Gibt es nicht-krankheitsdeterminierte Motive
für den Sterbe-/Suizidwunsch?
• Geringe verbleibende Lebensqualität
• (Angst vor) Verlust der Kontrolle über die Körperfunktionen
• (Angst vor) Verlust von Autonomie und Selbstverfügbarkeit (u.a. Mobilität)
• (Angst vor) Abhängigkeit von anderen Menschen
• Angst vor unwürdigem Sterben
• Wunsch, Anderen nicht zur Last zu fallen
• Wirtschaftliche Belastungen (für die Angehörigen)
Zusammenfassung 1
• Menschen mit Krebserkrankungen sind mit zahlreichen
Beeinträchtigungen und „Herausforderungen“ in körperlicher, psychischer und sozialer Hinsicht konfrontiert.
• Die Verarbeitung einer malignen Erkrankung erfolgt
innerhalb eines breiten Spektrums von Möglichkeiten.
• Psychische Störungen sind bei Krebspatienten nur geringfügig häufiger als in der Allgemeinbevölkerung.
• Die häufigsten psychischen Störungen bei Krebspatienten
sind depressive und Angststörungen.
Zusammenfassung 2
Zusammenfassung 3
• Depressive Störungen bei Krebspatienten haben vielfältige
Ursachen.
• Zahlreiche körperliche und vegetative Symptome können
sowohl Ausdruck einer Depression als auch Anzeichen der
malignen Grunderkrankung sein.
• Bedeutende Risikofaktoren einer Depression bei Krebspatienten sind fortgeschrittene Krankheit, unzureichend
kontrollierte quälende Symptome und soziale Isolation.
• Basis der Behandlung depressiver Störungen bei Krebspatienten ist eine stützende und verlässliche Betreuung.
• Die psychiatrische Behandlung i.e.S. erfolgt in der Regel
kombiniert psycho- und pharmakotherapeutisch.
• Das Suizidrisiko von Krebspatienten ist gegenüber der Allgemeinbevölkerung nur gering bis mäßig erhöht.
• Schmerz und Stress erhöhen – besonders in Kombination –
das Suizidalitätsrisiko bei Krebspatienten deutlich.
• Das Suizidrisiko ist am höchsten in den ersten Monaten
nach der Krebsdiagnose; nach 5 Jahren entspricht es dem
der Allgemeinbevölkerung.
• Ein hohes Suizidrisiko haben Männer mit Bronchial-, Frauen
mit Mund- und Rachenkarzinom sowie beide Geschlechter
mit malignen Erkrankungen von Speiseröhre, Magen,
Gehirn und Blut.
• Das Suizidrisiko von Krebspatienten hat von den 60er bis
zu den 90er Jahren des 20. Jahrhunderts abgenommen.
8
16.09.2013
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
„Wir fühlen, dass selbst, wenn alle möglichen
wissenschaftlichen Fragen beantwortet sind,
unsere Lebensprobleme noch gar nicht berührt
sind.“
Ludwig Wittgenstein 1918
[email protected]
9
Zugehörige Unterlagen
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