Stellungnahme Begutachtungsvorschlag LMSVG

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19/SN-518/ME XXIV. GP - Stellungnahme zu Entwurf (elektr. übermittelte Version)
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Univ.-Prof. Dr. ALOIS BIRKLBAUER
Abteilung für Praxis der Strafrechtswissenschaften und Medizinstrafrecht
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Fax: +43 732 2468-8345
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Sekretariat:
ULRIKE RAAB
DW 8342
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Linz, 31. Mai 2013
Stellungnahme zum Begutachtungsentwurf eines Bundesgesetzes, mit
dem das Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetz
geändert werden soll
Das Bundesministerium für Gesundheit hat einen Entwurf für ein Bundesgesetz, mit dem das
Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetz (LMSVG) geändert werden soll, in eine
allgemeine Begutachtung versendet. Die Begutachtungsfrist endete am 21.05.2013. Leider ist mir
der Entwurf sehr spät zur Kenntnis gelangt, sodass die vorgegebene Frist von mir nicht
eingehalten werden konnte. Ich hoffe dennoch, dass meine Überlegungen Eingang in den
Gesetzeswerdungsprozess finden können.
Zur vorgeschlagenen Änderung des LMSVG:
In Folge des so genannten „Pferdefleischskandals“ will der Entwurf, wie in den Erläuterungen
offengelegt (Seite 2), Strafverschärfungen im Lebensmittelkennzeichnungsbereich einführen.
Dabei wird die Notwendigkeit solcher Strafverschärfungen vor dem Hintergrund des Ultima-RatioGrundsatzes begründet. Die rechtspolitische Erforderlichkeit der Strafverschärfung ergibt sich
dadurch, dass eine Strafbarkeit derzeit lediglich dann besteht, wenn die falsche Kennzeichnung zu
einer Gesundheitsgefährdung (vgl § 81 Abs 1 und 2 LMSVG) führt. Wird eine solche Gefährdung
vorsätzlich herbeigeführt, besteht eine Strafbarkeit wegen vorsätzlicher Gemeingefährdung (§ 176
StGB; zum Verhältnis der Bestimmungen des LMSVG zu § 176 StGB siehe Natterer, in:
Höpfel/Ratz [Hrsg], Wiener Kommentar zum Strafgesetzbuch. 2. Auflage § 81 LMSVG Rz 40). Die
Vermögenskomponente ist vom derzeit geltenden LMSVG nicht explizit erfasst. Nun ist es für
Konsumentinnen und Konsumenten jedoch immer schwieriger geworden, hinreichende Klarheit
über den Inhalt von Lebensmitteln zu erhalten. Lebensmittelunverträglichkeiten oder ethische
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und Vollständigkeit des Inhaltes wird von der Parlamentsdirektion keine Haftung übernommen.
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Gesichtspunkte sind wesentliche Werte, die Konsumentinnen und Konsumenten bei Kauf und
Verzehr von Lebensmitteln berücksichtigen wollen. Wird von Lebensmittelproduzenten die
Falschkennzeichnung bewusst eingesetzt, um Konsumentinnen und Konsumenten zu täuschen
und in die Irre zu führen und letztlich die eigenen Chancen auf dem Markt zu verbessern, werden
gesellschaftlich
allgemein
akzeptierte
Werthaltungen
ignoriert.
Solche
Verhaltensweisen
erscheinen strafwürdig. Da das Gewinnstreben der Produzenten nicht unbedingt unter die
Vermögensdelikte des Strafgesetzbuches (insbesondere unter Betrug nach §§ 146 ff StGB)
gefasst werden kann, weil es keinen wirtschaftlich messbaren Schaden auf Seiten der
Konsumentinnen und Konsumenten gibt, besteht eine Strafbarkeitslücke, für deren Schließung der
Entwurf eine gut nachvollziehbare Begründung liefert.
Zu § 81a Entwurf-LMSVG
§ 81a Entwurf-LMSVG schlägt vor, das (vorsätzliche) irreführende Inverkehrbringen von
Lebensmitteln mit gerichtlicher Strafe zu bedrohen, wobei eine ausdrückliche Subsidiarität zum
strafbaren Betrug normiert werden soll. Das Wesen der Subsidiarität besteht generell darin, dass
das zurücktretende Gesetz auf Grund wertender (normativer) Erwägungen verdrängt wird (siehe
dazu mit Nachweisen Kienapfel/Höpfel/Kert, Strafrecht. Allgemeiner Teil. 14. Auflage E 8 Rz 26).
Durch die im konkreten Begutachtungsentwurf vorgeschlagene ausdrückliche Subsidiarität soll für
hinreichende Rechtsklarheit gesorgt und das Vermögensstrafrecht mit der vorgeschlagenen
Erweiterung
des
LMSVG
keineswegs
begrenzt
werden.
Die
Zulässigkeit
solcher
Subsidiaritätsklauseln wird in den Erläuterungen (vgl Seite 3) durch einen Verweis auf die
entsprechende Judikatur von EGMR und VfGH eingehend begründet. Zur ausdrücklichen
Subsidiaritätsbestimmung gegenüber dem Betrug sei im Übrigen angemerkt, dass eine solche
Regelung – insbesondere im Verhältnis zwischen Kernstrafrecht und Nebenstrafrecht – im
österreichischen Strafrechtssystem keineswegs unüblich ist. So normiert etwa – wenn auch
umgekehrt – § 22 Abs 2 Finanzstrafgesetz (FinStrG), dass ein auf betrügerische Weise oder durch
Täuschung begangenes Finanzvergehen ausschließlich nach dem FinStrG zu ahnden ist. Die
§§ 146 ff StGB treten demgegenüber zurück.
Die rechtspolitische Notwendigkeit für die vorgeschlagene Erweiterung des LMSVG ergibt sich
– wie bereits erwähnt – letztlich dadurch, dass die Strafnorm des Betrugs relativ eng ist. Betrug
liegt nicht schon vor, wenn sich jemand (unrechtmäßig) bereichern wollte, sondern erfordert
überdies einen Vermögensschaden beim Betrugsopfer. Dazu ist ein realer Verlust an
Vermögenssubstanz erforderlich. Wird beispielsweise bei einem Kfz der Kilometerzähler vom
Täter manipuliert, der Pkw letztlich aber zu einem angemessenen Preis verkauft, scheitert nach
herrschender Meinung der Betrug am fehlenden Vermögensschaden. Dass der Getäuschte den
Pkw nur gekauft hat, um ein „Schnäppchen“ zu landen, und letztlich einen Nachteil hat, weil er bei
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Kenntnis der wahren Sachlage das Fahrzeug nicht gekauft hätte, führt zu keinem strafbaren
Betrug (siehe dazu mit Nachweisen zur herrschenden Meinung etwa Birklbauer/Hilf/Tipold,
Strafrecht Besonderer Teil I. §§ 75 – 168b StGB. 2. Auflage [im Folgenden kurz: BT I2] §§ 146 ff
Rz 28 und 30). Weiters scheitert eine Strafbarkeit wegen Betrugs häufig am fehlenden oder nicht
nachweisbaren Vorsatz. Geht beispielsweise der Täuschende davon aus, dass das von ihm in
Verkehr gesetzte Lebensmittel letztlich den Wert hat, den der Getäuschte bezahlt, kann er
mangels Schädigungsvorsatzes strafrechtlich nicht zur Verantwortung gezogen werden, auch
wenn er vorsätzlich Lebensmittel mit irreführenden Angaben in Verkehr gesetzt hat. Der
Vollständigkeit halber sei darauf hingewiesen, dass zwar allenfalls das Delikt der Täuschung nach
§ 108 StGB in Betracht käme. Sachgerechte Lösungen im Zusammenhang mit dem täuschenden
Inverkehrsetzen
von
Lebensmitteln
scheitern
aber
daran,
dass
§ 108
StGB
als
Ermächtigungsdelikt (vgl § 92 StPO) ausgestaltet ist (vgl § 108 Abs 3 StGB) und insofern eine
strafrechtliche Verfolgung die Ermächtigung des konkret in seinem Recht Verletzten voraussetzen.
Solange beispielsweise noch niemand ein solches falsch deklariertes Lebensmittel kaufen wollte,
wäre eine Strafverfolgung aus formalen Gründen unmöglich, obwohl die kriminelle Energie des
Täters durch das Inverkehrsetzen bereits voll zum Ausdruck gekommen ist.
Nun soll an dieser Auslegung des Betrugstatbestands zwar nicht generell gerüttelt werden.
Vor dem Hintergrund des schmalen Anwendungsbereichs des Betrugstatbestands erscheint es
aber sachgerecht, täuschende Verhaltensweisen im Bereich von Lebensmitteln, die letztlich
der
Befriedigung
der
Lebensmittelunverträglichkeiten
Grundbedürfnisse
oder
ethische
des
Menschen
Gesichtspunkte
für
dienen
und
Konsumentinnen
wo
und
Konsumenten einen wesentlichen Wert darstellen, den sie bei Kauf und Verzehr von Lebensmitteln
berücksichtigen wollen, einer Sonderregelung zu unterwerfen. Der Idee, eine Strafbarkeit bereits
für jene Fälle vorzusehen, in denen Konsumentinnen und Konsumenten letztlich zum Abschluss
eines Vertrages verleitet werden, den sie bei Kenntnis der wahren Sachlage nicht geschlossen
hätten, wie es § 81a Entwurf-LMSVG vorschlägt, ist daher grundsätzlich zuzustimmen.
Um sachgerechte Ergebnisse zu erzielen, könnte jedoch einschränkend überlegt werden,
nicht jedes vorsätzliche irreführende Inverkehrbringen von Lebensmitteln mit gerichtlicher Strafe zu
bedrohen, sondern die Strafbarkeit auf das wissentliche irreführende Inverkehrbringen von
Lebensmitteln zu beschränken, um letztlich die sich in der Wissentlichkeit ausdrückende höhere
kriminelle Energie zu sanktionieren. Wissentlich ist dabei im Sinne von § 5 Abs 3 StGB zu
verstehen. Der Täter muss es also für gewiss halten, dass die in Verkehr gesetzten Lebensmittel
mit
zur
Irreführung
geeigneten
Angaben
über
Art,
Identität,
Beschaffenheit
oder
Zusammensetzung versehen sind. Dass er dies nur für möglich hielt, sollte eine Strafbarkeit wegen
§ 81a Entwurf-LMSVG nicht ausreichen.
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Zu § 82 Abs 4 Entwurf-LMSVG
§ 82
Abs 4
Entwurf-LMSVG
ist
die
zu
§ 81a
Entwurf-LMSVG
korrespondierende
Fahrlässigkeitsbestimmung. Ziel dieser vorgeschlagenen Norm ist wohl, einem möglichst hohen
Gesundheitsstandard bei Lebensmitteln zu erreichen. Dagegen kann eingewendet werden, dass
dies überzogen ist, zumal die konkrete fahrlässige Gesundheitsgefährdung durch solche
Verhaltensweisen im Einzelfall ohnehin bereits durch die Gefährdung der körperlichen
Sicherheit (§ 89 StGB), deren fahrlässige Herbeiführung ebenso wie die vorsätzliche
Herbeiführung mit gerichtlicher Strafe bedroht ist, hinreichend abgedeckt und die Idee einer
„fahrlässigen Betrugsstrafbarkeit“ dem österreichischen Strafrecht fremd ist. Dem ist jedoch
entgegen zu halten, dass die Gefährdung der körperlichen Sicherheit nach § 89 StGB ein
qualifiziert gefährliches Verhalten im Sinne von § 81 Abs 1 StGB voraussetzt. Für diese
qualifizierte Gefährlichkeit der Handlung kommt es darauf an, ob die Tat unter Umständen
begangen wurde, die aus der Ex-Ante-Sicht eines objektiven Beobachters eine außergewöhnlich
hohe Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts begründen (siehe dazu mit Nachweisen zB
Kienapfel/Schroll, Studienbuch Strafrecht. Besonderer Teil I. 3. Auflage [im Folgenden BT I3] § 89
Rz 10). Fälle durchschnittlicher Fahrlässigkeit reichen für eine Strafbarkeit nicht aus. Darüber
hinaus muss für eine Strafbarkeit wegen § 89 StGB eine konkrete Gefahr für das Leben, die
Gesundheit oder die körperliche Sicherheit einer Person vorliegen (Kienapfel/Schroll, BT I3 § 89
Rz 12). Auf den Punkt gebracht liegt eine solche konkrete Gefährdung dann vor, wenn sich eine
bestimmte Situation bereits so bedrohlich zugespitzt hat, dass sie für den davon Betroffenen
erfahrungsgemäß nahezu zwangsläufig zu einer Beeinträchtigung von Leib oder Leben führt
(Kienapfel/Schroll, BT I3 § 89 Rz 14; Birklbauer/Hilf/Tipold, BT I2 § 89 Rz 5). Dieses Abstellen auf
die konkrete Gefahr führt dazu, dass das Delikt erst relativ spät verwirklicht ist, was für die
vorgeschlagene Sonderregelung im Bereich des LMSVG spricht.
Bei der fahrlässigen Gemeingefährdung (§ 177 StGB) geht es darum, dass der Täter mit
seinem Verhalten eine konkrete Gemeingefahr herbeiführt (reines Verursachungsdelikt), weil er
zB eine Gefahr für Leib oder Leben einer größeren Zahl von Menschen verursacht. Dabei muss
er auf Grund konkreter Anhaltspunkte ernstlich mit dem Eintritt einer Verletzung einer größeren
Zahl von Menschen rechnen, wofür als Richtwert für die größere Zahl von Menschen der Wert
zehn gilt (siehe dazu mit Nachweisen Hinterhofer/Rosbaud, Strafrecht Besonderer Teil II. §§ 169 –
321 StGB. 5. Auflage [im Folgenden kurz: BT II5] §§ 176, 177 Rz 5 f). Weiters muss diese größere
Zahl von Personen gleichzeitig gefährdet sein. Eine bloße Ketten- oder Sukzessivgefährdung von
Personen ist keine Gemeingefährdung; sie fällt vielmehr ausschließlich unter die Gefährdung nach
§ 89
StGB
mit
seinem
-
bereits
erwähnten
–
eingeschränkten
Anwendungsbereich
(Hinterhofer/Rosbaud, BT II5 §§ 176, 177 Rz 9). Aufgrund dieser engen Voraussetzungen des
§ 177 StGB wird offenkundig, dass durchaus eine Notwendigkeit besteht, das fahrlässige
Inverkehrsetzen gesundheitsschädlicher Lebensmittel mit gerichtlicher Strafe zu bedrohen.
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Um gegenüber der fahrlässigen Gemeingefährdung nach § 177 StGB hinreichend abzugrenzen,
wäre es im Übrigen überlegenswert, durch eine ausdrückliche Subsidiaritätsvorschrift der
Strafbestimmung des § 177 StGB Vorrang eingeräumt werden. Die angedrohte Freiheitsstrafe von
bis zu sechs Monaten steht im Übrigen in Relation zu § 177 StGB.
Eine Ausweitung der Strafbarkeit gleichsam auf „fahrlässigen Betrug“ sollte jedoch nicht
erfolgen, zumal eine solche Konstruktion dem österreichischen Strafrechtssystem fremd ist.
Insofern wäre es angebracht, § 82 Abs 4 Entwurf-LMSVG auf fahrlässig verursachte
Gesundheitsbeeinträchtigungen zu beschränken. Sollte die in der vorliegenden Stellungnahme
vorgeschlagene
Begrenzung
des
§ 81a
Entwurf-LMSVG
auf
Fälle
des
wissentlichen
Inverkehrbringens von Lebensmitteln mit irreführenden Angaben verwirklicht werden, wäre § 82
Abs 4 Entwurf-LMSVG auch auf die Fälle von vorsätzlichen Verhaltensweisen, die zu einer
Gesundheitsbeeinträchtigung führen und nicht unter § 81a Entwurf-LMSVG fallen, zu ergänzen.
Gesamtbewertung:
Verstärktes Gesundheitsbewusstsein und geänderte ethische Prinzipien wie auch eine steigende
Nahrungsmittelunverträglichkeit lassen es sachgerecht erscheinen, die Strafbestimmungen im
Zusammenhang mit dem Inverkehrsetzen von Lebensmitteln zu verschärfen. Um eine Lücke
zu schließen, ist es auch angebracht, eine entsprechende gerichtliche Strafbestimmung für das
fahrlässige
Inverkehrsetzen
Inkonsistenzen
mit
dem
gesundheitsschädlicher
geltenden
StGB
sollten
Lebensmittel
hier
durch
eine
zu
schaffen.
ausdrückliche
Subsidiaritätsregelung gegenüber § 177 StGB ausgeglichen werden.
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