R echtsw issensch aft heute Bayerisches Polizei

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Rechtswissenschaft heute
GALLWAS · LINDNER · WOLFF
Bayerisches Polizeiund Sicherheitsrecht
4. Auflage
REIHE
Rechtswissenschaft heute
2
Bayerisches Polizei- und
Sicherheitsrecht
Dr. Hans-Ullrich Gallwas
em. Professor an der
Ludwig-Maximilians-Universität München
Dr. Josef Franz Lindner
ord. Professor an der Universität Augsburg
Dr. Heinrich Amadeus Wolff
ord. Professor an der Universität Bayreuth
4., neu bearbeitete Auflage, 2015
3
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek | Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen
Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über
www.dnb.de abrufbar.
4. Auflage, 2015
ISBN 978-3-415-05450-9
E-ISBN 978-3-415-05459-2
E-Book-Umsetzung: Datagroup int. SRL, Timisoara
© 1990 Richard Boorberg Verlag
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Vorwort zur vierten Auflage
Die vierte Auflage dieses Lehrbuches zum Bayerischen Polizei- und Sicherheitsrecht bringt neben den notwendigen Aktualisierungen eine Veränderung
im Autorenkreis mit sich. Zu den Autoren ist Josef Franz Lindner neu hinzugetreten. Er hat gemeinsam mit Hans-Ullrich Gallwas das dritte Kapitel
(außer dem Abschnitt G.) und das vierte unter behutsamer Fortschreibung
des Textes aktualisiert und zudem ein neues Kapitel zur Fallbearbeitung hinzugefügt. Das erste, zweite und fünfte Kapitel sowie Abschnitt G des dritten
Kapitels liegen in den Händen von Heinrich Amadeus Wolff. So ist aus dem
Gallwas/Wolff mit dieser Auflage ein Gallwas/Lindner/Wolff geworden.
Unverändert geblieben sind Zielsetzung und Konzept des Lehrbuches. Es
richtet sich in erster Linie an Studierende, die mit den allgemeinen rechtsstaatlichen Grundstrukturen des Verwaltungsrechts schon vertraut und auf
ihrem Studienweg vom Allgemeinen zum Besonderen fortschreiten. Unser
Anliegen ist es, die spezifischen (auch organisationsrechtlichen) Eigenheiten
des Bayerischen Polizei- und Sicherheitsrechts, wie sie auch Gegenstand der
juristischen Staatsexamina im Freistaat Bayern sind, verständlich zu machen
und mit den allgemeinen dogmatischen Strukturen eines gemeindeutschen
Gefahrenabwehrrechts zu verknüpfen. Bei der Darstellung steht nicht die
Präsentation auswendig zu lernender Versatzstücke für die Fallbearbeitung
im Vordergrund. Zielsetzung ist vielmehr die systematischen Grundstrukturen eines rechtsstaatlichen Gefahrenabwehrrechts hervortreten zu lassen.
Den Lesern soll so ein argumentatives wie dogmatisches „Rüstzeug“ gegeben
werden, das ihnen als Wegweiser bei der Lösung (auch ungewöhnlicher)
polizei- und sicherheitsrechtlicher Fallgestaltungen hilft. Unser besonderes
Anliegen ist es, das Spannungsverhältnis zwischen rechtsstaatlicher Grundrechtsbindung und effektiver Gefahrenabwehr deutlich werden zu lassen:
„Das Handeln auf dem Gebiet der Gefahrenabwehr steht immer unter dem
doppelten Anspruch, einerseits dem Gebot höchster Effizienz, andererseits
dem Prinzip rechtsstaatlichen Handelns gerecht zu werden. Dieser Anspruch
wirkt sich indessen verschieden aus, je nachdem, ob unter Zeitdruck und
Unsicherheit Maßnahmen im Einzelfall zu treffen sind oder ob es um eher
uneilige Normsetzung geht“ (aus dem Vorwort zur ersten Auflage).
Das neu hinzugefügte sechste Kapitel soll den Stoff für die Fallbearbeitung
zusammenfassend aufbereiten und Sensibilität für typische, auch prozessuale Fallgestaltungen wecken, wie sie im Polizei- und Sicherheitsrecht auftreten und auch Gegenstand der Prüfungspraxis sind. Die angebotenen Prüfungsschemata sind keineswegs „verbindlich“ oder zum bloßen Auswendiglernen, sondern zu eigenständigem Nachvollziehen gedacht; sie wollen die
systematische Vergewisserung der bei der Fall-Lösung jeweils zu leistenden
gedanklichen Arbeit leiten.
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Vorwort zur vierten Auflage
Seit der dritten Auflage sind etliche Neuerscheinungen und Neuauflagen
zum gemeindeutschen sowie speziell zum Bayerischen Polizei- und Sicherheitsrecht erschienen. Diese zu sichten und einzuarbeiten war ebenso unser
Anliegen wie wichtige neuere Rechtsprechung, zumal des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes, zu berücksichtigen.
Ein Wort des Dankes gilt unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Frau
Franziska Huber, Frau Rauni Ahammer, Frau Diane Jahr und Herrn Victor
Struzina für die kritische Lektüre des Textes, Anregungen, Diskussionen und
tatkräftige Mithilfe bei der Aktualisierung des Textes sowie der Erstellung
des Stichwortverzeichnisses.
Anregungen und Kritik sind uns jederzeit willkommen.
München, Augsburg, Bayreuth im April 2015
Hans-Ullrich Gallwas
Josef Franz Lindner
Heinrich Amadeus Wolff
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Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis
Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Abkürzungsvereichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Kapitel 1: Grundlagen und Leitlinien des bayerischen
Polizei- und Sicherheitsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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1. Gefahrenabwehr als Aufgabe der Polizei . . . . . . . . . . . .
2. Der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung und das
Prinzip der Spezialermächtigung . . . . . . . . . . . . . . . .
3. Vom Polizeistrafrecht zur präventiven Gefahrenabwehr . . .
4. Die Verengung des Polizeibegriffs auf die Polizei im
institutionellen Sinne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
5. Die Verstaatlichung der Polizei in Bayern. . . . . . . . . . . .
6. Der Wandel der polizeilichen Aufgaben im europäischen
Verwaltungsverbund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Kapitel 2: Die verfassungsrechtlichen und unionalen Grundlagen
und Einflüsse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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A. Gesetzgebungskompetenzen im Polizei- und Sicherheitsrecht . .
1. Der Begriff Polizei- und Sicherheitsrecht . . . . . . . . . . . .
2. Die Verteilung der Gesetzgebungskompetenzen . . . . . . . .
3. Die einschlägigen Landesgesetze . . . . . . . . . . . . . . . . .
B. Die verfassungsrechtliche Bindung exekutivischer Normsetzung
im Bereich des Polizei- und Sicherheitsrechts . . . . . . . . . .
C. Die Verwaltungskompetenz im Bereich des Polizei- und
Sicherheitsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1. Die Ausführung von Gesetzen . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2. Die Verteilung der Verwaltungskompetenz . . . . . . . . . . .
3. Die Verteilung der Organisationsgewalt zwischen Exekutive
und Legislative . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4. Rechtsfehlerhafte Organisationsvorschriften . . . . . . . . . .
D. Grundrechtsbindung im Bereich des Polizei- und
Sicherheitsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1. Die Bindung durch das Auffanggrundrecht des Art. 2
Abs. 1 GG, Art. 101 BV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2. Die Achtungspflicht des Art. 1 Abs. 1 S. 2 GG, Art. 100 BV .
3. Grundrechtliche Schutzpflichten . . . . . . . . . . . . . . . . .
4. Rechtsfolgen der Nichtbeachtung grundrechtlicher Achtungsund Schutzpflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhaltsverzeichnis
E.
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Kapitel 3: Sicherheitsbehördliche und polizeiliche Maßnahmen . . .
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A. Vorbemerkungen zum Begriff der Maßnahme . . . . . . . . . . .
1. Übersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2. Die einzelnen Maßnahmen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
B. Aufgaben der Sicherheitsbehörden und der Polizei . . . . . . .
1. Zur Funktion des Aufgabenbegriffs im Polizei- und
Sicherheitsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2. Die allgemeine sicherheitsbehördliche bzw. polizeiliche
Aufgabe nach Art. 6 LStVG bzw. Art. 2 Abs. 1 PAG . . . . .
3. Die Aufgabenträger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4. Polizeiliche Aufgaben der Polizei anderer Länder, des
Bundes und des Auslandes im Freistaat Bayern . . . . . . .
5. Das Verhältnis der Aufgabenträger zueinander . . . . . . . .
6. Zusätzliche Aufgaben der Polizei (Art. 2 Abs. 3 und
Abs. 4 PAG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
7. Verwaltungsverfahrensrechtliche Aspekte der
Aufgabenzuweisung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
C. Die allgemeinen Befugnisse der Sicherheitsbehörden
und der Polizei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1. Vorbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2. Befugnisse der Sicherheitsbehörden nach Art. 7 LStVG . . .
3. Befugnisse der Polizei nach der allgemeinen Befugnisnorm
des Art. 11 PAG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4. Der Vorrang von Befugnissen der Polizei in „anderen
Rechtsvorschriften“, Art. 11 Abs. 3 mit Art. 2 Abs. 4 PAG .
5. Die Befugnisse im Rahmen polizeilicher Vollzugshilfe,
Art. 50 mit Art. 2 Abs. 3 PAG; Art. 7 Abs. 3 LStVG,
Art. 37 Abs. 2 VwZVG mit Art. 2 Abs. 4 PAG . . . . . . . .
6. Die Befugnisse zum Schutz privater Rechte . . . . . . . . . .
D. Der Adressat sicherheitsbehördlicher bzw. polizeilicher
Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1. Die Funktion des Adressatenbegriffs im Polizei- und
Sicherheitsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2. Der Adressat sicherheitsbehördlicher Maßnahmen . . . . . .
3. Der Adressat polizeilicher Maßnahmen . . . . . . . . . . . .
4. Juristische Personen als Adressaten sicherheitsbehördlicher
oder polizeilicher Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . .
5. Die Auswahl unter mehreren Störern . . . . . . . . . . . . .
6. Der Rechtsnachfolger des Störers . . . . . . . . . . . . . . . .
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Einflüsse des Europarechts. . . . . . . . . . . . . . . . . .
1. Eigenverwaltung im Bereich des Sicherheitsrechts. .
2. Unmittelbare Harmonisierung . . . . . . . . . . . . . .
3. Anwendungsvorrang des allgemeinen Unionsrechts .
4. Einwirkung auf die Auslegung . . . . . . . . . . . . .
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Inhaltsverzeichnis
E.
Die Bestimmung des sicherheitsbehördlichen bzw. polizeilichen
Mittels zur Gefahrenabwehr im Einzelfall . . . . . . . . . . . . .
1. Vorbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2. Das verfassungsrechtliche Übermaßverbot und der
sicherheitsrechtliche bzw. polizeirechtliche Grundsatz
der Verhältnismäßigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3. Rückgriff auf die Regeln des Allgemeinen Verwaltungsrechts,
vor allem des Verwaltungsverfahrensrechts . . . . . . . . . .
4. Das sicherheitsbehördliche bzw. polizeiliche Ermessen bei
der Auswahl des Mittels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
5. Vollstreckung, unmittelbare Ausführung, unmittelbarer
Zwang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
F. Standardmaßnahmen, Art. 12 bis 29 PAG . . . . . . . . . . . . . .
1. Vorbemerkung zu den Standardmaßnahmen . . . . . . . . . .
2. Die einzelnen Standardmaßnahmen nach Art. 12 bis 29 PAG
G. Die Befugnisse der Polizei zur Datenerhebung und
Datenverarbeitung, Art. 30 bis 49 PAG . . . . . . . . . . . . . . .
1. Die Entwicklung des Datenschutzes . . . . . . . . . . . . . . .
2. Die Datenerhebung durch die Polizei, Art. 30 bis 36 PAG . .
3. Die Datenverarbeitung nach Art. 37 bis 48 PAG . . . . . . . .
4. Die Anwendung des Bayerischen Datenschutzgesetzes,
Art. 49 PAG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Kapitel 4: Das sicherheitsrechtliche bzw. polizeirechtliche
Rechtsverhältnis zwischen Aufgabenträger und
Betroffenem – Rechtsschutz des Betroffenen . . . . . . . . . 241
A. Das sicherheitsrechtliche bzw. polizeirechtliche Rechtsverhältnis
1. Veränderung bestehender Rechtsverhältnisse. . . . . . . . . . .
2. Die Begründung neuer Rechtsverhältnisse . . . . . . . . . . . .
B. Der Anspruch als maßgebliche Denkfigur . . . . . . . . . . . . . . .
1. Der öffentlich-rechtliche Anspruch . . . . . . . . . . . . . . . .
2. Primäransprüche und Reaktionsansprüche . . . . . . . . . . . .
3. Grundrechtlich begründete Ansprüche . . . . . . . . . . . . . .
4. Arten von Reaktionsansprüchen . . . . . . . . . . . . . . . . . .
C. Die einzelnen Ansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1. Der Anspruch auf sicherheitsbehördliches bzw. polizeiliches
Einschreiten oder sonstiges Handeln (Leistungsanspruch) . . .
2. Der Anspruch auf Unterlassung einer (bevorstehenden)
rechtswidrigen sicherheitsbehördlichen bzw. polizeilichen
Maßnahme (Unterlassungsanspruch) . . . . . . . . . . . . . . .
3. Der Anspruch auf Aufhebung einer rechtswidrigen
sicherheitsbehördlichen oder polizeilichen Anordnung
(Aufhebungsanspruch) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4. Folgenbeseitigungsansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
5. Schadensersatzansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhaltsverzeichnis
6. Entschädigungsansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
7. Erstattungsansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Kapitel 5: Das Landesstraf- und Verordnungsrecht . . . . . . . . . . .
259
1. Rechtsverordnungen als sicherheitsrechtliche Notwendigkeit
2. Inhalt und Systematik des Landesstraf- und
Verordnungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3. Verfassungsrechtliche Grundlagen des sicherheitsrechtlichen
Verordnungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4. Die Ermächtigungen des LStVG . . . . . . . . . . . . . . . . . .
5. Bewehrte Verordnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
6. Der Erlass von Rechtsverordnungen (Art. 42 ff. LStVG) . . . .
7. Das Regelungsinstrumentarium sicherheitsrechtlicher
Verordnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
8. Inhaltliche Anforderungen an die sicherheitsrechtliche
Rechtsverordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
9. Der Vollzug sicherheitsrechtlicher Normen . . . . . . . . . . .
10. Normsetzung und staatliche Aufsicht . . . . . . . . . . . . . .
11. Der Rechtsschutz gegen sicherheitsrechtliche Normen . . . .
12. Die Gültigkeitsprüfung in der Klausur . . . . . . . . . . . . . .
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Kapitel 6: Das Polizei- und Sicherheitsrecht in
der Fallbearbeitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
325
A. Grundschema zur Erarbeitung eines Verwaltungsrechtsfalls
B. Die Fallbearbeitung im Sicherheitsrecht . . . . . . . . . . . .
1. Die sicherheitsrechtliche Rechtsverordnung. . . . . . . .
2. Der sicherheitsbehördliche Einzelakt. . . . . . . . . . . .
C. Die Fallbearbeitung im Polizeirecht . . . . . . . . . . . . . .
1. Prüfung der Rechtmäßigkeit einer polizeirechtlichen
Maßnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2. Prüfung eines polizeirechtlichen Kostenbescheids . . . .
D. Einflüsse des Europarechts auf das allgemeine
Polizei- und Sicherheitsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1. Einflüsse des EU-Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2. Einflüsse der EMRK. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Literaturverzeichnis
Literaturverzeichnis
I. Länderübergreifende Literatur zum Polizei- und Sicherheitsrecht
Drews, Bill/Wacke, Gerhard/Vogel, Klaus/Martens, Wolfgang, Gefahrenabwehr,
Allgemeines Polizeirecht (Ordnungsrecht) des Bundes und der Länder, 9. Aufl.,
Köln, 1986.
Götz, Volkmar, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, 15. Aufl., München,
2013.
Gusy, Christoph, Polizei- und Ordnungsrecht, 9. Aufl., Tübingen, 2014.
Heise, Gerd/Riegel, Reinhard, Musterentwurf eines einheitlichen Polizeigesetzes,
2. Aufl., Stuttgart, 1978.
Knemeyer, Franz-Ludwig, Polizei- und Ordnungsrecht, 11. Aufl., München, 2007.
Kugelmann, Dieter, Polizei- und Ordnungsrecht, 2. Aufl., Berlin, 2012.
Lisken, Hans/Denninger, Erhard (Hrsg.), Handbuch des Polizeirechts, 5. Aufl.,
München, 2012.
Möstl, Markus, Die staatliche Garantie für die öffentliche Sicherheit und Ordnung,
Tübingen, 2002.
Pieroth, Bodo/Schlink, Bernhard/Kniesel, Michael, Polizei- und Ordnungsrecht
mit Versammlungsrecht, 8. Aufl., München, 2014.
Schenke, Wolf-Rüdiger, Polizei- und Ordnungsrecht, 8. Aufl., Heidelberg, 2013.
Schoch, Friedrich, Polizei- und Ordnungsrecht, in: Schoch, Friedrich (Hrsg.), Besonderes Verwaltungsrecht, 15. Aufl., Berlin, 2013, S. 125 ff.
Scholler, Heinrich/Schloer, Bernd, Grundzüge des Polizei- und Ordnungsrechts in
der Bundesrepublik Deutschland, 4. Aufl., Heidelberg, 1993.
Tettinger, Peter J./Erbguth, Wilfried/Mann, Thomas, Besonderes Verwaltungsrecht,
11. Aufl., Heidelberg, 2012.
Thiel, Markus, Polizei- und Ordnungsrecht, Baden-Baden, 2013.
Würtenberger, Thomas, Polizei- und Ordnungsrecht, in: Ehlers, Dirk/Fehling,
Michael/Pünder, Hermann, Besonderes Verwaltungsrecht, Bd. III, 3. Aufl., München, 2013, S. 398 ff.
II. Literatur zum Bayerischen Polizei- und Sicherheitsrecht
Bengl, Karl/Berner, Georg/Emmerig, Ernst, Bayerisches Landesstraf- und Verordnungsgesetz (Loseblattsammlung), 34. Ergänzungslieferung, München, 2013.
Berner, Georg/Köhler, Michael/Käß, Robert, Polizeiaufgabengesetz, 20. Auflage,
Heidelberg, 2010.
Heckmann, Dirk, Bayerisches Polizei- und Sicherheitsrecht, in: Becker, Ulrich/
Heckmann, Dirk/Kempen, Bernhard/Manssen, Gerrit, Öffentliches Recht in Bayern, 6. Aufl., München, 2014.
Honnacker, Heinz/Beinhofer, Paul/Hauser, Manfred, PAG. Gesetz über die Aufgaben und Befugnisse der Bayerischen Staatlichen Polizei, 20. Aufl., Stuttgart,
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Samper, Rudolf/Honnacker, Heinz, POG – Gesetz über die Organisation der Bayerischen Staatlichen Polizei, 7. Aufl., Stuttgart, 2008.
Schmidbauer, Wilhelm/Steiner, Udo, Bayerisches Polizeiaufgabengesetz und Polizeiorganisationsgesetz, 4. Aufl., München, 2014.
12
Abkürzungsvereichnis
Abkürzungsvereichnis
a. A.
a. a. O.
Abs.
a. E.
AEUV
a. F.
AGBGB
AGGVG
AGVereinsG
AGVwGO
ALR
Anh.
Anm.
Art.
AVOVGemMGem
Aufl.
BauGB
BayBG
BayBO
BayDSG
BayEUG
BayHSchG
BayImSchG
BayRS
BayStrWG
BayVBl.
BayVerfGH
BayVersG
BayVGH
BayVwVfG
BayWG
Bd.
BDSG
BeamtStG
BezO
BGB
anderer Ansicht
am angegebenen Ort
Absatz
am Ende
Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union
alte Fassung
Gesetz zur Ausführung des Bürgerlichen Gesetzbuchs
und anderer Gesetze (Bayern)
Gesetz zur Ausführung des Gerichtsverfassungsgesetzes
und von Verfahrensgesetzen des Bundes (Bayern)
Gesetz zur Ausführung des Vereinsgesetzes (Bayern)
Ausführungsgesetz zur Verwaltungsgerichtsordnung
(Bayern)
Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten
Anhang
Anmerkung
Artikel
Verordnung über Aufgaben der Mitgliedsgemeinden
von Verwaltungsgemeinschaften (Bayern)
Auflage
Baugesetzbuch
Bayerisches Beamtengesetz
Bayerische Bauordnung
Gesetz zum Schutz vor Missbrauch personenbezogener
Daten bei der Datenverarbeitung – Bayerisches Datenschutzgesetz
Bayerisches Gesetz über das Erziehungs- und Unterrichtswesen
Bayerisches Hochschulgesetz
Bayerisches Immissionsschutzgesetz
Bayerische Rechtssammlung Bd. I–V München 1985
Bayerisches Straßen- und Wegegesetz
Bayerische Verwaltungsblätter
Bayerischer Verfassungsgerichtshof, Entscheidungen
des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs
Bayerisches Versammlungsgesetz
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Entscheidungen
des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs
Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz
Bayerisches Wassergesetz
Band
Gesetz zum Schutz vor Missbrauch personenbezogener
Daten bei der Datenverarbeitung – Bundesdatenschutzgesetz
Gesetz zur Regelung des Statusrechts der Beamtinnen
und Beamten in den Ländern – Beamtenstatusgesetz
Bezirksordnung für den Freistaat Bayern
Bürgerliches Gesetzbuch
13
Abkürzungsvereichnis
BGBl.
BGH
BGHZ
BPolG
BImSchG
BJG
BV
BVerfG
BVerwG
DÖV
DVBl.
DVPOG
EGBGB
EGGVG
EGMR
EGStGB
EMRK
Erl.
EUV
F.
FamFG
FN.
FreihEntzG
GastG
GastV
GBl.
GemPOlG
GerOrgG
GewO
GewV
GG
GmbH
GO
GVBl
GVG
Halbs.
Hrsg.
IFSG
i. d. F.
i. S. v.
i. V. m.
JA
JuS
KG
KommZG
LKrO
14
Bundesgesetzblatt
Bundesgerichtshof
Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen
Gesetz über die Bundespolizei
Bundesimmissionsschutzgesetz
Bundesjagdgesetz
Verfassung des Freistaates Bayern
Bundesverfassungsgericht
Bundesverwaltungsgericht
Die Öffentliche Verwaltung
Deutsches Verwaltungsblatt
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Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch
Einführungsgesetz zum Gerichtsverfassungsgesetz
Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte
Einführungsgesetz zum Strafgesetzbuch
Konvention zum Schutze der Menschenrechte und
Grundfreiheiten
Erläuterung
Vertrag über die Europäische Union
Folge
Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den
Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit
Fortführungsnachweis
Gesetz über das gerichtliche Verfahren bei Freiheitsentziehungen – Freiheitsentziehungsgesetz
Gaststättengesetz
Verordnung zur Ausführung des Gaststättengesetzes
(Bayern)
Gesetzesblatt
Gesetz über die Gemeindepolizei (Bayern)
Gerichtsorganisationsgesetz (Bayern)
Gewerbeordnung
Verordnung zur Durchführung der Gewerbeordnung
(Bayern)
Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland
Gesellschaft mit beschränkter Haftung
Gemeindeordnung für den Freistaat Bayern
Gesetz- und Verordnungsblatt
Gerichtsverfassungsgesetz
Halbsatz
Herausgeber
Infektionsschutzgesetz
in der Fassung
im Sinne von
in Verbindung mit
Juristische Arbeitsblätter
Juristische Schulung
Kostengesetz (Bayern)
Gesetz über kommunale Zusammenarbeit (Bayern)
Landkreisordnung für den Freistaat Bayern
Abkürzungsvereichnis
LStVG
LT-Drs.
LuftVG
LÜG
MABl.
m. (w.) N.
n. F.
NJW
NVwZ
OVG
OVGE
OWiG
PAG
POG
PolKV
PrOVG
Rdnr.
S.
StGB
StMI
StPO
StRGVV
StVG
StVO
StVollstrO
StVZO
SWG
UnterbrG
UZwG
u. U.
VBlBW
VereinsG
VersammlG
VerwArch
VG
vgl.
VGemO
VGH
VO
VollzBek
VwGemO
Gesetz über das Landesstrafrecht und das Verordnungsrecht auf dem Gebiet der öffentlichen Sicherheit und Ordnung – Landesstraf- und Verordnungsgesetz – (Bayern)
Landtags-Drucksache
Luftverkehrsgesetz
Lebensmittelüberwachungsgesetz
Ministerialamtsblatt der bayerischen inneren Verwaltung
mit (weiteren) Nachweisen
neue Folge/Fassung
Neue Juristische Wochenschrift
Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht
Oberverwaltungsgericht
Entscheidungen der Oberverwaltungsgerichte
Gesetz über Ordnungswidrigkeiten
Gesetz über die Aufgaben und Befugnisse der Bayerischen Staatlichen Polizei – Polizeiaufgabengesetz
Gesetz über die Organisation der Bayerischen Staatlichen
Polizei – Polizeiorganisationsgesetz
Polizeikostenverordnung (Bayern)
Preußisches Oberverwaltungsgericht, Entscheidungen
des Preußischen Oberverwaltungsgerichts
Randnummer/n
Satz, Seite
Strafgesetzbuch
Staatsministerium des Innern
Strafprozessordnung
Verordnung über die Geschäftsverteilung der Bayerischen
Staatsregierung
Straßenverkehrsgesetz
Straßenverkehrs-Ordnung
Strafvollstreckungsordnung
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Gesetz über die Sicherheitswacht in Bayern
Gesetz über die Unterbringung psychisch Kranker und
deren Betreuung – Unterbringungsgesetz – (Bayern)
Gesetz über den unmittelbaren Zwang bei Ausübung
öffentlicher Gewalt durch Vollzugsbeamte des Bundes
unter Umständen
Verwaltungsblätter für Baden-Württemberg
Gesetz zur Regelung des öffentlichen Vereinsrechts –
Vereinsgesetz
Gesetz über Versammlungen und Aufzüge – Versammlungsgesetz
Verwaltungsarchiv
Verwaltungsgericht
vergleiche
Verwaltungsgemeinschaftsordnung für den Freistaat
Bayern
Verwaltungsgerichtshof
Verordnung
Vollzugsbekanntmachung
Verwaltungsgemeinschaftsordnung für den Freistaat
Bayern
15
Abkürzungsvereichnis
VwGO
VwVfG
VwVG
VwZVG
WRV
ZPO
ZuVOWiG
16
Verwaltungsgerichtsordnung
Verwaltungsverfahrensgesetz
Verwaltungsvollstreckungsgesetz
Bayerisches Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetz
Weimarer Reichsverfassung
Zivilprozessordnung
Verordnung über Zuständigkeiten im Ordnungswidrigkeitenrecht (Bayern)
Abkürzungsvereichnis
Kapitel 1:
Grundlagen und Leitlinien des bayerischen Polizeiund Sicherheitsrechts
1.
Gefahrenabwehr als Aufgabe der Polizei
Das moderne bayerische Sicherheits- und Polizeirecht hat seine Wurzeln im 1
Gedankengut der Aufklärung und der in ihrem Gefolge entwickelten Vorstellungen der bürgerlichen Gesellschaft von den Aufgaben des Staates. Dazu
gehörte insbesondere die der liberalen Staatsidee verpflichtete Auffassung,
primärer Zweck des Staates sei nicht die Sorge für die Wohlfahrt und das
Glück der Untertanen, sondern die Garantie der inneren und äußeren
Sicherheit durch Polizei und Militär sowie die Wahrung von Recht und Ordnung durch eine unparteiische Rechtspflege.1
Diese Einschränkung des Staatszwecks führte in erster Linie zu einer Reduzierung der Aufgaben der Polizei, die ihren Niederschlag in der klassischen
Definition des § 10 Teil II Titel 17 (§ 10 II 17) des Allgemeinen Landrechts für
die Preußischen Staaten vom 1.6.1794 gefunden hat. Danach war es das „Amt
der Polizey“, „die nöthigen Anstalten zur Erhaltung der öffentlichen Ruhe,
Sicherheit und Ordnung und zur Abwendung der dem Publico oder einzelnen Mitgliedern desselben bevorstehenden Gefahren zu treffen“. Nicht mehr
zu den Aufgaben der Polizei gehörte die Vermehrung des allgemeinen Wohls,
die sog. „Wohlfahrtspolizei“. Hinter dem Begriff „Wohlfahrtspolizei“ steht
der Gedanke, die gute Ordnung des Gemeinwesens festzulegen und ihre
Gewährleistung sicherzustellen.
Die Unterscheidung zwischen der Gefahrenabwehr als Aufgabe der Polizei 2
und der Fürsorge für die öffentliche Wohlfahrt spielte fast ein Jahrhundert
später eine ausschlaggebende Rolle in den sog. Kreuzberg-Entscheidungen
des Preußischen OVG aus dem Jahr 1880 und 1882.2 In beiden Fällen ging es
um die Erteilung einer Baugenehmigung, die dem Kläger unter Hinweis auf
die „Polizeiverordnung zum Schutze des auf dem Kreuzberg bei Berlin zur
Erinnerung an die Siege der Freiheitskriege errichteten, im Jahre 1878 erhöhten Nationaldenkmals“ verweigert worden war. Nach der Polizeiverordnung
war in dem Bauviertel in der Umgebung des Siegesdenkmals auf dem Kreuzberg eine Bebauung nur so weit zulässig, wie dadurch nicht die Aussicht vom
Denkmal auf die Stadt und die Ansicht des Denkmals behindert wurde. Das
Gericht bestritt dem Berliner Polizeipräsidenten das Recht, eine Verordnung
zum Denkmalschutz auf § 10 II 17 ALR zu stützen. Die genannte Vorschrift
ermächtige nicht zu Verordnungen, welche die öffentliche Wohlfahrt zum
1 Vgl. Zippelius, Allgemeine Staatslehre, 16. Aufl. 2010, § 29 II, S. 229 f.
2 Erneut abgedruckt in DVBl. 1985, 216 ff. und 219 ff.
Wolff
17
Kapitel 1: Grundlagen und Leitlinien des bayerischen Polizei- und Sicherheitsrechts
Gegenstand hätten. Die mit der Verordnung beabsichtigte Erhaltung der freien
Aussicht stehe in keinem Zusammenhang mit der Aufrechterhaltung der
öffentlichen Sicherheit und Ordnung und diene auch nicht zur Abwendung
einer Gefahr für das Publikum. Da der Erlass der Verordnung von keiner
Rechtsgrundlage gedeckt war, verneinte das OVG ihre Rechtsgültigkeit.3
Damit wurde ein zweites Prinzip zur Geltung gebracht, dem – neben der
Reduzierung der Polizeiaufgaben auf die Gefahrenabwehr – ausschlaggebende Bedeutung für die Entwicklung des modernen Polizeirechts zukommt:4
Gemeint ist der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung.
2.
Der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung und das Prinzip
der Spezialermächtigung
3 Der rechtsstaatliche Anspruch der bürgerlichen Gesellschaft verlangte, dass
die Aufgabe, für die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu sorgen, nicht
dem ausschließlich an der Effizienz der polizeilichen Maßnahmen orientierten Ermessen der Verwaltung überlassen blieb, sondern an gesetzliche
Maßstäbe gebunden wurde. In der Bayerischen Verfassung von 1818 war dem
Landtag das Recht zugestanden worden, dass ohne seinen „Beyrath“ und seine Zustimmung kein Gesetz erlassen werden konnte, „welches die Freiheit
und das Eigentum der Staatsangehörigen betrifft“.5 Gebote und Verbote
bedurften als Maßnahmen der in Freiheit und Eigentum eingreifenden Verwaltung einer gesetzlichen Rechtsgrundlage, die nur im Einvernehmen mit
dem Landtag geschaffen werden konnte.6
4 Das Mitwirkungsrecht des Parlaments an der Gesetzgebung beleuchtet gleichzeitig die politische Seite des Grundsatzes der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung. Die dem Bürgertum eröffnete Möglichkeit, Einfluss auf die Gesellschaftsordnung zu nehmen, veranlasste den Bayerischen Landtag schon bald
nach dem Inkrafttreten der Verfassung, die Einführung eines „Polizeigesetzbuches“ zu fordern, „das eine möglichst vollständige Codifizierung des geltenden Polizeistrafrechts in der Beschränkung derselben auf wirkliche Polizeiübertretungen“ sein sollte. Das neue Gesetz sollte den Staatsbürger über
den Umfang seiner durch Strafe erzwingbaren Pflichten, den Polizeibeamten
über Inhalt und Umfang seiner Befugnisse und den Richter über die von ihm
anzuwendenden Rechtsgrundsätze belehren und „eine richtige Gränzlinie
3 Soweit in der Literatur vom „Kreuzberg-Urteil“ des Preuß. OVG die Rede ist, ist regelmäßig die
zweite Entscheidung vom 14.06.1882 gemeint.
4 Vgl. dazu auch Schiedermair, Dem Polizeigesetzbuch zum 100. Geburtstag, BayVBl. 1962, 200 ff.
5 Tit. VII § 2 der Verfassungsurkunde für das Königreich Bayern vom 26. Mai 1818.
6 Man hat diesem Zustimmungsrecht später den weitergehenden Grundgedanken abgewonnen, der
Einzelne brauche nur solche Einschränkungen seiner persönlichen Bewegungsfreiheit zu dulden,
„an deren Festlegung er selbst indirekt durch die unter seiner Mitwirkung gewählte Volksvertretung beteiligt war“; vgl. Nawiasky, Die allgemeine Rechtsstellung der Polizei, BayVBl. 1926, 388.
18
Wolff
2. Der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung
zwischen dem Erlaubten und jener Handlungsweise (ziehen), die aus polizeilichen Rücksichten verboten ist oder verboten werden kann“.7
Obwohl das neue Polizeistrafrecht immer wieder und im Revolutionsjahr
1848 mit großem Nachdruck gefordert wurde, ließ es sich erst zu Anfang der
60er Jahre, ein gutes Jahrzehnt nach dem Preußischen Polizeiverwaltungsgesetz vom 11.3.1850, durchsetzen. Ein von der Regierung im Jahr 1856 vorgelegter Entwurf war vom Landtag abgelehnt worden, weil er im Wesentlichen
die Absicht verfolgte, die bisherige Verordnungspraxis der Polizei zu legalisieren, womit Bayern, einem zeitgenössischen Urteil zufolge, „wirklich das
Gelobte Land der Bureaukratie und des Polizeidespotismus geworden“8 wäre.
Die Bedenken des Landtags richteten sich vor allem dagegen, dass der Entwurf die Polizeibehörden zur eigenmächtigen Verhängung von Strafen und
zur Schaffung neuer Übertretungstatbestände ermächtigte und ihnen dadurch
die Möglichkeit einräumte, Handlungen, die bisher nicht verboten waren,
durch polizeiliche Verordnung bei Strafe zu verbieten.9 Demgegenüber war es
das erklärte Ziel des Landtags, das Polizeistrafrecht selbst und definitiv
gesetzlich zu regeln und, wo immer es möglich war, einen Tatbestand
abschließend und dauerhaft zu bestimmen. Gleichwohl musste man einsehen, dass es unmöglich war, jede denkbare Situation, die Gegenstand polizeilicher Maßnahmen werden konnte, im Voraus gesetzlich zu normieren. Man
einigte sich schließlich auf ein gesetzgebungstechnisch neues Prinzip, um das
„mit dem gesetzlichen Zeichen versehene Material in Scheidemünze nach
dem täglichen Bedarfe“10 zu prägen. Im Unterschied zur preußischen Volksvertretung, die die Polizei mit einer Ermächtigung zur Regelung aller vom
Gesetzgeber nicht vorhergesehener polizeilicher Situationen – also mit einer
polizeilichen Generalklausel – ausgestattet hatte, erteilte der bayerische
Landtag nur tatbestandlich beschränkte (spezielle) Ermächtigungen und gab
überdies auch den Strafrahmen vor, in dem sich die polizeilichen Sanktionen
im Einzelfall zu bewegen hatten.11
Der Weg der Ermächtigung anstelle einer unmittelbaren gesetzlichen Regelung wurde in all den Fällen eingeschlagen, wo die zu erlassenden Gebote
oder Verbote dem Wechsel unterliegen, wo sie noch nicht abschließend feststehende Erfahrungen zur Grundlage hatten, wo unterschiedliche regionale
7 Edel, Das Polizeistrafgesetzbuch für das Königreich Bayern vom 10. November 1861, 1862, S. 20.
8 Edel, Das Polizeistrafgesetzbuch für das Königreich Bayern vom 10. November 1861, 1862,
S. 172.
9 Eichner, Die Rechtsgrundlagen der Präventivpolizei, insbesondere der Präventivpolizeihaft,
nach der bayerischen Rechtsentwicklung, 1927, S. 10.
10 Vgl. Das Polizeistrafgesetzbuch für das Königreich Bayern vom 10. November 1861, 1862, S. 159,
174: „Zwar haben auch andere Gesetzbücher diesen Weg bereits eingeschlagen. Allein in wesentlichen Punkten hat das PStGB zum erstenmale die Durchführung eines neuen Prinzips versucht.“
11 Fremuth, Der Vorbehalt des Gesetzes in der Bayerischen Verfassungsurkunde vom 26.5.1818 und
seine Auswirkungen auf die Rechtsentwicklung im Bayerischen Frühkonstitutionalismus, 1970,
S. 134 ff.; vgl. auch Groebe, Erneuerung des Landesstrafrechts, Rechtsbereinigung und Stärkung
der Selbstverwaltung in Bayern, DVBl. 1957, 158; Schiedermair, Dem Polizeigesetzbuch zum
100. Geburtstag, BayVBl. 1962, 202.
Wolff
19
Kapitel 1: Grundlagen und Leitlinien des bayerischen Polizei- und Sicherheitsrechts
und örtliche Verhältnisse und Bedürfnisse eine unterschiedliche Behandlung
erforderten oder wo ihr Erlass „sich wegen Veränderlichkeit der Verhältnisse
und Bedürfnisse nicht zu einer dauerhaften und schwer umzugestaltenden
gesetzlichen Regelung“ eignete.12
5 Diese Technik der sog. Blankettermächtigungen13 wurde zum spezifischen
Kennzeichen des bayerischen und, in seinem Gefolge, des süddeutschen Polizeistrafrechts:
„Während man sich in anderen Gesetzgebungen, namentlich im französischen Gesetz vom 16./24. August 1790 Tit. XI Art. 3 und im preußischen
Gesetze vom 11. Mai 1850 § 6 begnügt hat, die Gegenstände, welche die
Aufgabe besonderer polizeilicher Vorschriften bilden, in einer Reihe sehr
allgemeiner Rubriken zu bezeichnen, welche so weit greifend sind, dass
fast alle Aufgaben der Sicherheitspolizei darunter subsumiert werden können, hat man im PStG die Gegenstände der zulässigen Anordnungen spezialisiert und dadurch ungeachtet der scheinbar großen Zahl der aufgestellten Spezialfälle dem Anordnungsrecht engere Schranken gezogen als
es durch jene generalisierenden Gesetze geschehen ist.“14
Damit entstanden um die Mitte des 19. Jahrhunderts in Deutschland zwei
unterschiedliche Polizeirechtssysteme, die nicht nur den Untergang des
konstitutionellen Obrigkeitsstaates überlebten, sondern sich zudem relativ
problemlos den demokratischen Verfassungsverhältnissen nach dem Ersten
und Zweiten Weltkrieg anpassen ließen. Die norddeutsche „Generalklausel“
erfuhr ihre Bestätigung in der klassisch gewordenen Formulierung des § 14
des Preußischen Polizeiverwaltungsgesetzes von 1931. Es bestimmte:
(1) Die Polizeibehörden haben im Rahmen der geltenden Gesetze die nach
pflichtgemäßem Ermessen notwendigen Maßnahmen zu treffen, um von
der Allgemeinheit oder dem Einzelnen Gefahren abzuwehren, durch die
die öffentliche Sicherheit und Ordnung bedroht wird.
(2) Daneben haben die Polizeibehörden diejenigen Aufgaben zu erfüllen,
die ihnen durch Gesetz besonders übertragen sind.
Im Unterschied zur Generalermächtigung, die sich weitgehend an der Erfüllung der polizeilichen Aufgaben orientierte, beruhte das Prinzip der spezialgesetzlichen Ermächtigung auf der Einsicht, dass der Landtag – wenn Eingriffe in Freiheit und Eigentum der Staatsangehörigen nur mit seiner
Zustimmung zulässig waren – zumindest über das Ausmaß befinden musste,
12 Edel, Das Polizeistrafgesetzbuch für das Königreich Bayern vom 10. Dezember 1861, 1862, S. 22,
23.
13 Groebe, Erneuerung des Landesstrafrechts, Rechtsbereinigung und Stärkung der Selbstverwaltung in Bayern, DVBl. 1957, 158 bezeichnet die Blankettvorschriften als wesentliches Kennzeichen des PStG; vgl. dazu unten Rdnr. 863 ff.
14 Edel, Das Polizeistrafgesetzbuch für das Königreich Bayern vom 10. November 1861, 1862,
S. 174; v. Stengel, Das System der vorbehaltenen Polizeivorschriften oder der Strafpolizeivorschriften, Zeitschr. für Gesetzgebung und Rechtspflege des Königreichs Bayern, 1862, S. 319.
20
Wolff
3. Vom Polizeistrafrecht zur präventiven Gefahrenabwehr
in dem ein solcher Eingriff erlaubt war, wenn er sein Zustimmungsrecht im
Übrigen delegierte. Nur der Landtag konnte darüber befinden, was als Gebot
und Verbot zu betrachten war und bei einer Zuwiderhandlung mit Strafe
bedroht werden durfte.15 Er nahm damit gleichzeitig auch die Definitionskompetenz dafür in Anspruch, ob ein bestimmter Sachverhalt als Gefahr für
die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu betrachten war. Wurde eine
Ermächtigung zum Erlass einer Polizeiverordnung erteilt, dann stand damit
gleichzeitig fest, dass der Gesetzgeber den der Ermächtigung zugrunde liegenden Lebenssachverhalt als potentielle öffentliche Gefahr oder Störung
betrachtete;16 lediglich die Formulierung und Konkretisierung der einzelnen
strafbewehrten Tatbestände blieb dem Ermächtigungsadressaten überlassen.
3.
Vom Polizeistrafrecht zur präventiven Gefahrenabwehr
Seiner Konzeption und Intention nach war das bayerische Polizeistrafgesetz- 6
buch am Kriminalstrafrecht orientiert. Ansatzpunkt für das polizeiliche
Tätigwerden war das strafbare oder wenigstens sonst verbotene Verhalten von
Menschen, das unterbunden und verfolgt werden sollte.17 Wie das Kriminalstrafrecht zu dieser Zeit beruhte auch das Polizeistrafgesetzbuch auf dem
Gedanken der Generalprävention und verfolgte das Ziel der repressiven –
noch nicht der präventiven – Gefahrenabwehr. Folgerichtig waren die Befugnisse der Polizei für Maßnahmen im Einzelfall in erster Linie in der Strafprozessordnung geregelt. Den für das moderne Sicherheitsrecht ausschlaggebenden Gedanken der vorbeugenden Gefahrenabwehr gab es zunächst nur in
Ansätzen; im Jahr 1879 fand er Ausdruck im bayerischen Polizeirecht. In
Art. 102 AGStPO hieß es:
„Die Behörden und Beamten des Sicherheitsdienstes sind verpflichtet,
durch Aufsicht und Anstalten den Übertretungen der Strafgesetze möglichst zuvorkommen und dieselben in ihrem Laufe zu unterdrücken.“
Damit wurde – im Wesentlichen – der Teil der Gefahrenabwehr umschrieben,
der bis heute in Art. 11 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 PAG und in Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 LStVG
erfasst ist. Die „sog. kleine Generalklausel“ in Art. 11 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 PAG
und Art. 7 Abs. 2 Nr. 3 LStVG ist daher traditionell mit dem Polizeistrafrecht
verbunden.
Das bayerische Polizeistrafrecht hatte – seiner grundsätzlichen Intention nach 7
– nur die Beseitigung solcher Gefahren zum Gegenstand, die auf das verbotswidrige Verhalten von Menschen zurückgingen.18 Im Unterschied dazu zähl15 Vgl. dazu unter der Herrschaft des GG die Ausführungen des BVerfG in BVerfGE 14, 245 (251 f.).
16 Schiedermair, Einführung in das bayerische Polizeirecht, 1961, S. 40.
17 Schiedermair, Dem Polizeistrafgesetzbuch zum 100. Geburtstag, BayVBl. 1962, 200 (201 f.); Sommer, Ein neues Sicherheitsgesetz für Bayern, Diss. Würzburg, 1995, S. 13 ff.
18 Vgl. v. Grassmann, Bayerisches Staatsrecht, Bd. 2: Die Staatsverwaltung, 1913, S. 218: „Die Polizei ist diejenige Zwangsgewalt, durch welche der Staat sich und seine Verwaltung sowohl wie
Wolff
21
Kapitel 1: Grundlagen und Leitlinien des bayerischen Polizei- und Sicherheitsrechts
te das norddeutsche Polizeirecht mit seiner Generalklausel auch die Abwehr
derjenigen Gefahren zu den Aufgaben der Polizei, die ihren Entstehungsgrund nicht in der Verwirklichung von Straf- und anderen Verbotstatbeständen hatten, sondern beispielsweise auf Naturereignisse zurückzuführen
waren. In all diesen Fällen wurde die Frage, ob eine Gefahr für die öffentliche
Sicherheit und Ordnung vorlag, nicht schon vom Gesetzgeber selbst beantwortet, sondern blieb dem Ermessen der Polizei überlassen.
Das moderne bayerische Sicherheitsrecht hat beide Systeme miteinander
kombiniert. Es stützt sich in Art. 11 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 und 2 PAG sowie Art. 7
Abs. 2 Nr. 1 und 2 LStVG auf das traditionelle bayerische Konzept, bei dem
die Frage, ob eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung vorliegt,
bereits durch den Gesetzgeber durch die Formulierung von Straftat- und Ordnungswidrigkeitentatbeständen vorweggenommen wird. Art. 11 Abs. 2 S. 1
Nr. 3 PAG und Art. 7 Abs. 2 Nr. 3 LStVG stellen mit Hilfe einer Generalklausel
eine gesetzlich geregelte Eingriffsbefugnis für die von den in den jeweiligen
Nrn. 1 und 2 noch nicht erfassten sicherheitsrechtlich relevanten Tatbestände
zur Verfügung.
4.
Die Verengung des Polizeibegriffs auf die Polizei
im institutionellen Sinne
8 Ein vierter ausschlaggebender Grundzug des modernen bayerischen Polizeirechts ist nach der gegenständlichen Verengung des polizeilichen Aufgabenbereichs, der Bindung der polizeilichen Maßnahmen an den Grundsatz der
Gesetzmäßigkeit der Verwaltung und nach der Vorverlagerung des polizeilichen Handelns in den Bereich der präventiven Gefahrenabwehr die
Beschränkung des Polizeibegriffs. Bis nach dem Zweiten Weltkrieg beruhte
auch in Bayern das Recht der Gefahrenabwehr auf dem sog. materiellen Polizeibegriff. Dieser Begriff der Polizei unterscheidet nicht zwischen den Behörden der allgemeinen inneren Verwaltung auf der einen und der Polizei im
institutionellen Sinne auf der anderen Seite. Er stellt ausschließlich auf die
„polizeilichen“ Funktionen ab: Handelt eine Behörde zur Abwehr von Gefahren, also im Rahmen der polizeilichen Aufgaben, so ist sie auch „Polizeibehörde“. Die Behörden der allgemeinen inneren Verwaltung wurden daher als
„Gewerbe-, Bau- und Lebensmittelpolizei“ tätig, soweit ihre Maßnahmen und
Anordnungen der Gefahrenabwehr dienten.
Der auch dem bereits erwähnten § 14 PrPVG zugrunde liegende materielle
Polizeibegriff wurde in den Ländern der amerikanischen Besatzungszone, zu
der Bayern gehörte, durch Anordnung der Militärregierung beseitigt. In der
einschlägigen Bestimmung hieß es:
auch seine Angehörigen vor Gefährdungen durch Menschen schützt. Nicht zutreffend ist es dagegen, Sicherungsmaßregeln gegen natürliche Gefahren unter den Begriff der Polizei zu stellen. Einer solchen Zusammenfassung würde kein innerer Zusammenhang entsprechen.“
22
Wolff
4. Die Verengung des Polizeibegriffs auf die Polizei im institutionellen Sinne
„Alle früher von der deutschen Polizei wahrgenommenen Aufgaben, die
nicht unmittelbar im Zusammenhang mit dem Schutz von Leben und
Eigentum, der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und der Verhütung und Entdeckung von Straftaten stehen, werden dem polizeilichen
Tätigkeitsbereich entzogen. Derartige Pflichten können von anderen geeigneten behördlichen Stellen wahrgenommen werden, doch ist die Bezeichnung „Polizei“ für derartige Funktionen oder für die sie ausübenden
Dienststellen oder Personen nicht zu benutzen.“19
Damit wurde in Bayern der sog. institutionelle Polizeibegriff eingeführt. Die
Verordnung über die Wahrnehmung von Aufgaben und Befugnissen der
„Polizeibehörden“ durch die Polizei20 bestimmt in § 1, dass die in früheren
Gesetzen den „Polizeibehörden“ übertragenen Aufgaben ausschließlich von
der Polizei i. S. d. Art. 1 des PAG wahrzunehmen sind.
Eine zwangsläufige Folge der Beschränkung des Polizeibegriffs war die 9
Herausnahme derjenigen Aufgaben aus dem Bereich polizeilicher Tätigkeit,
die mit Mitteln der Verwaltung zu erfüllen waren. Dazu gehörten insbesondere
– der Erlass von Rechtsvorschriften (sog. Polizeiverordnungen) und
– die Erteilung von Erlaubnissen und Genehmigungen.
Folgerichtig hieß es in Art. 13 Abs. 3 des PAG aus dem Jahre 1954 noch: „Allgemein verbindliche Anordnungen, die ein Gebot oder Verbot für eine unbestimmte Anzahl von Fällen enthalten (Verordnungen) dürfen von der Polizei
nicht erlassen werden.“
Die Polizei wurde beschränkt auf Maßnahmen, die unaufschiebbar und an
Ort und Stelle zu treffen waren, sowie auf die Erfüllung von Aufgaben, die ihr
durch Gesetz besonders zugewiesen waren, insbesondere die Mitwirkung bei
der Strafverfolgung sowie Vollzugshilfeaufgaben.
Mit der Beschränkung des Polizeibegriffs im Sinne der volkstümlichen Vor- 10
stellungen von der Polizei,21 nämlich auf die uniformierten Polizeiverbände
und die Kriminalpolizei, war eine Neuordnung des gesamten sicherheitsrechtlichen Bereichs notwendig geworden. Das Recht der Polizei sollte künftig nur noch das Recht der Polizei im institutionellen Sinne umfassen und
vom Recht der Sicherheitsbehörden getrennt werden. Das POG von 1952
regelte die organisatorische Verselbstständigung der Polizei, das PAG von
1954 stellte ihre Aufgaben und Befugnisse auf eine neue gesetzliche Grundlage und bestimmte den Polizeibegriff in Art. 1 PAG als „die im Vollzugsdienst tätigen Dienstkräfte der Polizei des Staates und der Gemeinden“. Seither sind in Bayern im Bereich der Gefahrenabwehr sowohl die Polizei (im
19 Titel 9 – Öffentliches Sicherheitswesen, Nr. 235 der Bestimmungen der Militärregierung vom
22.5.1947; vgl. dazu auch Schiedermair, Einführung in das bayerische Polizeirecht, 1961, S. 47 ff.
20 Verordnung über die Wahrnehmung von Aufgaben und Befugnissen der „Polizeibehörden“
durch die Polizei vom 20.01.2010 (Ziegler-Tremel Nr. 575).
21 Mang, Verwaltungsrecht in Bayern, Bd. 2, 1952, S. 82.
Wolff
23
Kapitel 1: Grundlagen und Leitlinien des bayerischen Polizei- und Sicherheitsrechts
institutionellen Sinne)21a als auch Sicherheitsbehörden aufgrund jeweils
unterschiedlicher Rechtsgrundlagen tätig.
11 Eine vergleichbare Kodifizierung des Rechts der Sicherheitsbehörden wurde
zwar mehrfach in Angriff genommen,22 scheiterte jedoch immer wieder. Das
„Gesetz über das Landesstrafrecht und das Verordnungsrecht auf dem
Gebiet der öffentlichen Sicherheit und Ordnung“, das im Jahre 1956 das Polizeistrafgesetzbuch von 1871 ablöste, regelte zwar das Recht zum Erlass von
Rechtsverordnungen, nicht aber von Anordnungen für den Einzelfall. Die
Rechtsgrundlage dafür fand sich, systematisch wenig naheliegend, in Art. 5
AGStPO.23 Erst nach dem endgültigen Scheitern eines „Gesetzes über allgemeine Anordnungsbefugnisse auf dem Gebiet der öffentlichen Sicherheit und
Ordnung“24 wurde Art. 5 AGStPO inhaltlich im Jahr 1974 als neuer Abschnitt
in das LStVG übernommen. Seitdem sind sowohl die Befugnisse zum Erlass
von Anordnungen für den Einzelfall wie die Ermächtigungen zum Erlass von
Rechtsverordnungen einheitlich im LStVG zusammengefasst (näher unten
Rdnr. 824 ff.).
5.
Die Verstaatlichung der Polizei in Bayern
12 Neben der institutionellen Verselbstständigung von Polizei und Sicherheitsbehörden ist die Entwicklung in Bayern insbesondere durch den Prozess der
Verstaatlichung der Vollzugspolizei gekennzeichnet.
13 Der organisatorische Neuaufbau der Vollzugspolizei nach dem Zweiten Weltkrieg hatte nicht zuletzt historische Gründe. Bis zur Weimarer Republik existierten staatliche Polizeiverbände und die Gemeindepolizei in Bayern nebeneinander. Ab 1923 begann sich das Verhältnis zu Gunsten der staatlichen
Polizei zu ändern: Nicht zuletzt um politischen Unruhen (Hitler-Putsch)
wirksam begegnen zu können, wurden in den größeren Städten Polizeipräsidien und Polizeidirektionen eingerichtet und die Gemeindepolizei verstaatlicht.25 Im sog. „Dritten Reich“ schließlich wurde die gesamte staatliche Polizei durch das harmlos betitelte „Gesetz über Finanzmaßnahmen auf dem
21a Allerdings deckt sich der Polizeibegriff des Art. 1 PAG nicht gänzlich mit dem des POG. Polizei
i. S. d. Art. 1 PAG sind die „im Vollzugsdienst tätigen“ Polizeibeamten („eingeschränkt-institutioneller“ Polizeibegriff; dazu gehören auch die Vollzugsbeamten der Bereitschaftspolizei nach
Art. 6 POG und des LKA nach Art. 7 POG; das LKA hat überwiegend repressive Funktion).
Polizei i. S. d. POG sind sämtliche Polizeibeamten, also nicht nur die im Vollzugsdienst, sondern auch die im „Innendienst“ Tätigen (Art. 1 Abs. 1 POG: „gesamte Polizei des Freistaates
Bayern“; „uneingeschränkt-institutioneller“ Polizeibegriff):
22 Bengl/Berner/Emmerig, Bayerisches Landesstraf- und Verordnungsgesetz, 1987, Einführung,
S. 8 ff.
23 Zum Text s. Rdnr. 824 Fn. 15.
24 Vgl. Schiedermair, Einführung in das bayerische Polizeirecht, 1961, S. 10.
25 Mang, Verwaltungsrecht in Bayern, Bd. 2, 1952, S. 85 f.
24
Wolff
5. Die Verstaatlichung der Polizei in Bayern
Gebiet der Polizei“ vom Reich übernommen und die verbliebenen kommunalen Polizeien Staat und Partei untergeordnet.26
Die amerikanische Militärregierung beseitigte nach Kriegsende die gesamte 14
Polizeiorganisation und ordnete die Gründung einer Landpolizei als staatliche Polizei und einer Gemeindepolizei an.27 Jede Gemeinde mit mehr als
5000 Einwohnern hatte eine eigene Polizei einzurichten, zu deren Unterhaltung ein jährlicher staatlicher Zuschuss gewährt wurde. Art. 9 des POG von
1952 bestimmte, insoweit der Intention des Art. 83 Abs. 1 BV folgend, jede
Gemeinde habe „das Recht und die Pflicht, zur Wahrnehmung des ständigen
polizeilichen Vollzugsdienstes (Einzeldienstes) innerhalb des Gemeindegebietes eine eigene Polizei zu errichten“. Lediglich die kreisangehörigen
Gemeinden konnten im Hinblick auf ihre Leistungsfähigkeit eine Übernahme
der gemeindlichen Aufgaben durch die – staatliche – Landpolizei beantragen.
Die funktionelle Beschränkung durch den institutionellen Polizeibegriff wurde also, nach der ursprünglichen Intention, ergänzt durch die Dezentralisierung und Kommunalisierung der Polizei.
Demgegenüber vollzog sich im Laufe der 70er Jahre eine Verstaatlichung der 15
Polizei. Diese war einerseits eine Folge der finanziellen Belastungen der
Kommunen, andererseits eine Konsequenz des etwa seit dem Ende der 60er
Jahre in Erscheinung tretenden Wandels der polizeilichen Aufgaben und
ihrer Erfüllung.28
Die finanzielle Belastung durch die gemeindeeigene Polizei, die von sämtli- 16
chen kreisfreien Städten eingeführt worden war, führte in den 60er Jahren zu
einer Novellierung des POG, die diesen Städten die Möglichkeit einer Verstaatlichung ihrer Polizei eröffnete. Diese Novellierung kam auf der einen
Seite dem staatlichen Interesse an einer einheitlichen Organisation der Polizei im gesamten Staatsgebiet und dem Interesse an einer Verstärkung der
staatlichen Machtbefugnisse insbesondere im Bereich der Verbrechensbekämpfung, aber auch dem Großteil der bayerischen Städte entgegen, die sich
zunehmend vor die Alternative gestellt sahen, entweder auf dringende Investitionen oder die eigene Polizei zu verzichten. Nachdem sich zwischen 1969
und 1971 bereits ein Viertel der Städte von ihrer Polizei getrennt hatte, erfolgte im Jahr 1971 die politische Weichenstellung für die Verstaatlichung der
restlichen Kommunalpolizei, die im Jahr 1975 mit der Übernahme der
Münchner Stadtpolizei29 abgeschlossen wurde. Mit dem POG vom 10.8.1976
wurde die Neuorganisation der Polizei gesetzgeberisch auf eine neue Grund-
26 Götz, Deutsche Verwaltungsgeschichte, Bd. 4, 1985, S. 1024 ff.
27 Vgl. dazu Götz, Deutsche Verwaltungsgeschichte, Bd. 5, 1987, S. 427 ff.
28 Vgl. Riegel, Polizei- und Ordnungsrecht in der Bundesrepublik Deutschland, 1981, S. 40 f.;
Scholler/Schloer, Grundzüge des Polizei- und Ordnungsrechts in der Bundesrepublik Deutschland, 4. Aufl. 1993, S. 11 ff.
29 Für die Stadt München ging es um eine finanzielle Belastung, die von ca. 9 Mio. Euro im Jahr
1959 auf 30 Mio. Euro im Jahr 1971 angewachsen war.
Wolff
25
Kapitel 1: Grundlagen und Leitlinien des bayerischen Polizei- und Sicherheitsrechts
lage gestellt. Art. 13 Abs. 2 POG 1976 dieses Gesetzes regelte die Umformung
des POG aus dem Jahr 1952.
17 Großeinsätze der versammelten Polizeikräfte mehrerer Länder (bei Massendemonstrationen gegen den Vietnamkrieg, die Notstandsgesetze oder gegen
technische Großvorhaben) und die Notwendigkeit grenzüberschreitender
Gefahrenbekämpfung seit den 60er Jahren waren Ursache für den Wunsch der
Innenministerkonferenz, das materielle Polizeirecht des Bundes und der Länder auf der Grundlage eines Musterentwurfs30 zu vereinheitlichen. Der Musterentwurf stellt insoweit einen Kompromiss zwischen der Polizeihoheit der
Länder und der unverzichtbaren Effizienz polizeilicher Aufgabenerfüllung
dar. Die inhaltliche und systematische Harmonisierung des materiellen Polizeirechts sollte die Voraussetzungen dafür schaffen, dass die Verbände der
Polizei, ungeachtet ihrer föderalistischen Organisation, im gesamten Bundesgebiet eingesetzt werden können. Bayern hat als erstes Bundesland sein Polizeiaufgabengesetz am 24.8.1978 dem 1977 verabschiedeten Musterentwurf
angepasst.31
6.
Der Wandel der polizeilichen Aufgaben im europäischen
Verwaltungsverbund
18 Die jüngere Entwicklung der Polizeiaufgaben kann zu vier Gesichtspunkten
zusammengefasst werden: dem Dienstleistungsgedanken, den Privatisierungsbestrebungen im Bereich der inneren Sicherheit, der Hochzonung von
Polizeiaufgaben und der Stärkung der Gefahrermittlung.
19 Die Polizei ist im Wohlfahrtsstaat, wie andere Bereiche der Verwaltung auch,
sachlich zu einer Art Dienstleistungsunternehmen geworden, bei dem die an
sich sekundäre Aufgabe des Schutzes privater Rechte immer stärker in den
Vordergrund rückt. Deutlich wird dies etwa bei der Erteilung von Verkehrsunterricht in den Schulen oder sonstigen Tätigkeiten zur Vorbeugung von
Gefahren und Störungen der öffentlichen Sicherheit (wie etwa Beratung),
aber auch bei der Aufgabe, den einzelnen Staatsbürgern die Ausübung ihrer
Rechte, speziell des Grundrechts auf Demonstrationsfreiheit, zu gewährleisten. Der Blick auf diesen Charakter der polizeilichen Arbeit ist Ursache dafür,
dass das Interesse an der Abwälzung der Kosten für das polizeiliche Tätigwerden auf die von den Handlungen Begünstigten deutlich zugenommen hat.
19a An der Abwehr von Gefahren haben auch die einzelnen Privaten ein ureigenes Interesse, sofern es um ihre Rechtsgüter geht. Es liegt daher nahe, Private
einzubinden.32 Teilweise wurden Kooperationsabkommen zwischen priva30 Als Anhang abgedruckt bei Knemeyer, Polizei- und Ordnungsrecht, 11. Aufl. 2007, Rdnr. 549 und
Riegel, Polizei- und Ordnungsrecht, 1981, S. 225 ff.
31 GVBl. S. 561.
32 S. dazu etwa Beinhofer, Brauchen wir ein Gesetz über private Sicherheitsdienste?, BayVBl. 1997,
481 ff.
26
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6. Der Wandel der polizeilichen Aufgaben im europäischen Verwaltungsverbund
ten Unternehmen und öffentlichen Sicherheitsträgern geschlossen. Mitunter
hat die öffentliche Hand Teile von Aufgaben ausgegliedert, entweder nur auf
eine juristische Person des Privatrechts, die aber in öffentlicher Hand verblieb
(formelle Privatisierung), oder auch ganz aus der Hand gegeben (materielle
Privatisierung). Die Grenzen der Privatisierung ergeben sich aus Art. 33 Abs. 4
GG, den grundrechtlichen Schutzpflichten, Folgewirkungen aus grundgesetzlichen Staatsaufgaben und Kompetenzzuweisungen oder aus dem Rechtsstaats- und Demokratieprinzip und sind erstens sehr umstritten und zweitens
sehr schwierig.33 Aber auch außerhalb des Raums der Privatisierung besteht
ausreichend Entfaltungsraum für private Sicherheitsgewährleistung. Vor
allem aus Gründen der Entlastung der öffentlichen Haushalte billigte der
Staat vor allem in der Zeit ab 1995 wohlwollend das Anwachsen der privaten
Sicherungsdienste. Die Anzahl der Beschäftigten in diesem Bereich ist in
jenen Jahren signifikant gestiegen. Die Tätigkeit des Bewachungsgewerbes hat
in § 34a GewO eine Rechtsgrundlage erhalten. Die rechtlichen Befugnisse privater Unternehmen gegenüber Dritten müssen von den Hoheitsbefugnissen
der Polizeibeamten deutlich unterschieden werden. Ihnen steht materiellrechtlich nur das Hausrecht zu. Innerhalb des „Vollzuges“ stehen ihnen vor
allem die „Jedermanns-Befugnisse“ der strafrechtlichen Rechtfertigungsgründe §§ 32, 34 StGB, das vorläufige Festnahmerecht des § 127 StPO, die zivilen
Notstands- und Selbsthilferechte nach §§ 228, 229–231, 904 BGB zu. Bewegen sich diese Privatisierungserscheinungen mehr im tatsächlichen als im
rechtlichen Bereich, so relativieren sie rein tatsächlich das Gewaltmonopol
des Staates. Sie führen aufgrund des vergleichbaren Erscheinungsbildes zu
einer scheinbaren Verquickung von privater Interessenswahrung und öffentlicher Gefahrenabwehr, die nicht im Sinne des Gemeinwesens liegen kann.
Jeder Bürger muss nicht nur rechtlich, sondern auch faktisch Anweisungen
anderer befolgen, wenn er deren Bestimmungsrecht im Wege des Vertrages
zugestimmt hat oder wenn diese Befugnis von der Staatsgewalt abgeleitet ist.
Die Rechtskonstruktion, nach welcher jeder, der eine Straßenbahn benutzt,
sich einer privat begründeten Sicherheitsgewalt unterwirft, die im räumlichen Bereich der Bahn faktisch mit der Polizeigewalt vergleichbar ist, verändert das Staatswesen ganz erheblich.
Mit dem Begriff der Hochzonung sind zwei Tendenzen gemeint. Zum einen 20
hat sich der Bund seit 1990 mit mäßigem Erfolg bemüht, auf dem Gebiet des
Polizeirechts präsenter zu werden. Diesen Bemühungen sind allerdings enge
Grenzen gesetzt, da das Grundgesetz keine allgemeine Bundespolizei kennt
und das BVerfG streng darüber wacht, ob der Bund seine polizeilichen Befugnisse überschreitet. Infolge dieser Bestrebungen wurden die Einzelkompetenzen der Grenzpolizei, der Bahnpolizei und der Luftfahrt einer Bundespolizei
zugewiesen. Ein weiteres Beispiel bildet die neue Aufgabe des Bundeskriminalamts, länderübergreifende Gefahren des internationalen Terrorismus
abzuwehren (Art. 73 Abs. 1 Nr. 9a GG).
33 S. dazu Brekow, Öffentliches Wirtschaftsrecht, 3. Aufl. 2013, S. 159.
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27
Kapitel 1: Grundlagen und Leitlinien des bayerischen Polizei- und Sicherheitsrechts
21 Zu einer weiteren Hochzonung kommt es durch die Europäisierung der polizeilichen Zusammenarbeit. Den Beginn machten die Bereiche Justiz- und
Innenpolitik, die, govermental organisiert, ursprünglich die „dritte Säule“ der
damaligen Union bildeten. Daneben traten die auf selbstständigen völkerrechtlichen Verträgen gegründeten sog. Schengener Abkommen.34 Beide
Bereiche wurden teilweise durch den Vertrag von Amsterdam in das Gemeinschaftsrecht integriert (Art. 61–69 EG). Der Vertrag von Lissabon hat dies dann
weitergeführt. Polizeirecht ist Teil des Raums der Freiheit, der Sicherheit
und des Rechts, dessen Gewährleistung in Art. 3 Abs. 2 EUV als Unionsziel
formuliert ist und in Art. 67 ff. AEUV näher ausgeführt wird. Trotz dieses Unionsziels bleibt die Gewährleistung der inneren Sicherheit primär Aufgabe der
Mitgliedstaaten, was an Art. 72, Art. 68–71 AEUV sehr deutlich wird. Die
Union hat vor allem Koordinationsfunktion (Art. 68, Art. 71, Art. 74 AEUV).
Verstärkte Kompetenzen hat die Union im Bereich der Grenzkontrollen, im
Asylbereich (Art. 77 ff. AEUV) und im Bereich der polizeilichen (Art. 87–89
AEUV) sowie der justiziellen Zusammenarbeit im Strafrecht (Art. 82–86
AEUV). Im polizeilichen Bereich erstrecken sich die Befugnisse vor allem auf
die Koordination des Informationsaustauschs und der Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten.
21a Die vierte Neuakzentuierung des Polizeirechts begann sachlich mit dem
Umweltschutz. Es erfolgte eine stärkere Betonung und Verlagerung nach „vorne“ in die Phasen der Gefahrenerforschung und des Gefahrenverdachts. Die
Frage, ob eine Gefahr vorliegt oder sich entwickeln könnte, besitzt im
Umweltrecht eine besondere Bedeutung. Die Vorverlagerung besteht v. a. in
zwei Erscheinungsformen. Zum einen geht es um die Frage, ob überhaupt
eine Gefahr oder Störung vorliegt (Gefahrerforschungseingriff – s. etwa § 9
Abs. 2 S. 1 BBodSchG für die Frage, ob eine Bodenkontamination vorliegt).
Zum anderen geht es um Tätigkeiten v. a. in Form von Informationssammlungen, die dazu dienen, später evtl. auftretende Gefahren leichter abzuwehren
(Gefahrenvorsorge). Weiter hat die Entdeckung des Datenschutzes und die
Anerkennung, dass grundsätzlich schon jede Erhebung personenbezogener
Daten einen Grundrechtseingriff bildet, dazu geführt, dass Vorfeldbereiche,
die früher schon Gegenstand des Polizeirechts waren, gesetzlich neu normiert
wurden. Neben das Umweltrecht sind weitere Bereiche getreten. Insbesondere neue Formen der organisierten internationalen Kriminalität legen eine Vorverlagerung der Verbrechensbekämpfung und -verfolgung nahe. Beispiele für
diese Erweiterung sind die Befugnisse im Grenzkontrollbereich, v. a. in Form
von verdachtsunabhängigen Kontrollen.35
34 S. dazu nur Di Fabio, Die „Dritte Säule“ der Union, DÖV 1997, 89 ff.
35 Vgl. z. B. Art. 13 Abs. 1 Nr. 5 PAG.
28
Wolff
A. Gesetzgebungskompetenzen im Polizei- und Sicherheitsrecht
Kapitel 2:
Die verfassungsrechtlichen und unionalen Grundlagen
und Einflüsse
A.
Gesetzgebungskompetenzen im Polizei- und Sicherheitsrecht
1.
Der Begriff Polizei- und Sicherheitsrecht
Der Begriff des Polizei- und Sicherheitsrechts umfasst alle Rechtsvorschrif- 22
ten, die sich auf die staatliche Aufgabe, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu wahren, beziehen.1 Dabei handelt es sich vor allem um Normen, die
diese Aufgabe näher umschreiben2 und regeln, welche Mittel der Staat zur
Erfüllung dieser Aufgaben einsetzen darf3 und welche Stelle jeweils für welchen Teil der Aufgabe zuständig ist.4
2.
Die Verteilung der Gesetzgebungskompetenzen
Auf Grund der Kompetenzverteilung in der Bundesrepublik Deutschland 23
sind die maßgeblichen Rechtsgrundlagen teils bundes-, teils landesrechtlicher Natur.
Im Zuge der Entwicklung der Europäischen Union entsteht zudem eine weitere Regelungsebene.5
a)
Die enumerative Aufzählung der Bundeskompetenzen
Nach dem Kompetenzverteilungsschema des Grundgesetzes ist die Ausübung 24
der staatlichen Befugnisse und die Erfüllung der staatlichen Aufgaben Sache
der Länder, soweit das Grundgesetz keine andere Regelung trifft oder zulässt;
Art. 30 GG. Art. 70 Abs. 1 GG wiederholt diesen verfassungsrechtlichen
Grundgedanken für die Gesetzgebung.
25
(unbesetzt)
1 Allgemein zum Begriff des Polizei- und Ordnungsrechts Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht,
8. Aufl., 2013, § 2 Rdnr. 17 ff.; Schoch, Grundfälle zum Polizei- und Ordnungsrecht, JuS 1994,
391 ff.
2 Wie z. B. Art. 54 Abs. 2 BayBO.
3 Wie z. B. Art. 7 Abs. 2 LStVG.
4 Wie z. B. die in Art. 6 LStVG genannten Sicherheitsbehörden.
5 Vgl. Art. 23 GG, Art. 82 ff. AEUV; zur Entwicklung der europäischen Ebene Schmidbauer, in:
Schmidbauer/Steiner, Bayerisches Polizeiaufgabengesetz, PAG, 3. Aufl. 2011, Art. 1 Rdnr. 64 ff.;
Mokros, Polizeihandeln auf Ebene der Europäischen Union, in: Lisken/Denninger, Handbuch des
Polizeirechts, 5. Aufl. 2012, Kapitel O, Rdnr. 1 ff.; Möstl, Die staatliche Garantie für die öffentliche
Sicherheit und Ordnung, 2002, S. 509 ff.
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29
Kapitel 2: Die verfassungsrechtlichen und unionalen Grundlagen und Einflüsse
26 Weder der Gesetzgebungskatalog für die ausschließliche Gesetzgebung,
Art. 73 GG, noch der für die konkurrierende, Art. 74 GG, geben dem Bund
eine umfassende Gesetzgebungskompetenz für das Polizei- und Sicherheitsrecht. Daher kann es nach geltendem Verfassungsrecht kein „Allgemeines
Polizei- und Sicherheitsrecht des Bundes“ geben.6
27 Die in den Gesetzgebungskatalogen des Bundes genannten Angelegenheiten
umfassen allerdings vielfach auch sicherheitsrechtliche Aspekte;7 die Erstreckung einer Sachmaterie auf den Aspekt der Gefahrenabwehr ist der Hauptanwendungsfall der sog. Annexkompetenz des Bundes.
So gehören zur ausschließlichen Gesetzgebung des Bundes nach Art. 73 Nr. 6 GG für
den Luftverkehr auch Rechtssätze zur Bekämpfung und Verhütung von Flugzeugentführungen und Sabotageakten8 oder zu der Materie Eisenbahnen des Bundes nach
Art. 73 Nr. 6a GG Vorschriften für die Aufgaben und die Organisation der Bahnpolizei.9
Der Bund hat diese Kompetenzen im Bundespolizeigesetz zusammengeführt und der
Bundespolizei neben Unterstützungsaufgaben die Bereich Grenzschutz, Bahnpolizei,
Luftsicherheit, Sicherheitsmaßnahmen an Bord von Luftfahrzeugen, Schutz von Bundesorganen und Aufgaben auf hoher See und im Ausland zugewiesen. Daneben gibt es
noch potentielle Bundeskompetenzen, von denen der Bund noch kein Gebrauch
gemacht hat (Art. 89 Abs. 2 GG, Polizei auf den Bundeswasserstraßen).
Neben der Bundespolizei ist noch das Bundeskriminalamt als wesentliche Bundespolizeibehörde zu nennen, das vor allem im Bereich als Zentralstelle für den Informationsaustausch, als Ermittlungsbehörde im Strafrecht für den Generalbundesanwalt tätig
wird und wegen Art. 73 Abs. 1 Nr. 9a GG nun auch im präventiven Bereich eine
Zuständigkeit besitzt (für die Abwehr der länderübergreifende Gefahren des interantionalen Terrorismus).
Neben den Polizeikompetenzen besitzt der Bund Gesetzgebungs- und Verwaltungskompetenzen für die Nachrichtendienste, d. h. der Aufklärung von Gefahrenlage für
den Staat und seine Grundordnung. Relevant ist hier der Bundesnachrichtendienst
(BNDG – Art. 73 Abs. 1 Nr. 1 GG bzw. Art. 87 Abs. 1 S. 1 GG/Militärischer Abschirmdienst – Art. Art. 73 Abs. 1 Nr. 1 bzw. Art. 87a, Art. 87b GG) und das Bundesamt für Verfassungsschutz, Art. 73 Abs. 1 Nr. 10 b) und c) bzw. Art. 87 Abs. 1 S. 2 GG.
b)
Konsequenzen eines Kompetenzmangels
28 In dem Maße, wie die Regelung sicherheitsrechtlicher Fragen dem Bunde vorbehalten ist, Art. 71 GG, bzw. der Bund von seiner konkurrierenden Gesetzgebung Gebrauch gemacht hat, Art. 72 Abs. 1 GG, sind die Länder von einer
eigenen Gesetzgebung auf den entsprechenden Gebieten ausgeschlossen.
6 Zum Polizei- und Ordnungsrecht im Bundesstaat vgl. Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht,
8. Aufl. 2013, § 2 Rdnr. 23 ff.; Schoch, Grundfälle zum Polizei- und Ordnungsrecht, JuS 1994,
394 ff.; Denninger/Poscher, in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 5. Aufl. 2012, Kapitel B, Rdnr. 1 ff.
7 Vgl. dazu schon BVerfGE 8, 143 (148 ff.). Zu den bundesrechtlichen Rechtsquellen Pieroth/
Schlink/Kniesel, Polizei- und Ordnungsrecht, 7. Aufl. 2012, § 2 Rdnr. 37.
8 Vgl. § 29 Abs. 1 S. 1 LuftVG.
9 Vgl. § 3 Abs. 1 BPolG.
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