Elektrochemische Doppelschichten

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Vorlesung: Grundlagen und Prozesse der Verfahrenstechnik
Seminar: Elektrochemische Doppelschichten
Wiederholung:
1. Wie ist die elektrochemische Doppelschicht um ein Partikel aufgebaut?
Das Modell der elektrochemischen Doppelschicht beschreibt den Aufbau der ionenreichen
Schicht, die ein auf der Oberfläche geladenes Partikel in einer Dispersion umgibt. Diese
Schicht kann als eine geladene, das Partikel umschließende, Atmosphäre gesehen werden.
Dieses Modell ist Grundlage für die Erklärung der Effekte interpartikulärer elektrostatischer
Abstoßung in Dispersionen. Die Ursachen für die Entstehung elektrischer Ladungen auf der
Oberfläche von Partikeln sind vielseitig. Zu ihnen zählen unter anderem Defekte, verursacht
durch substituierte Ionen, die Adsorption von Ionen an der Oberfläche oder auch SäureBase-Reaktionen. Die so entstandenen Ladungen an der Partikeloberfläche ziehen entgegen
geladene Ionen aus der Dispersion an. Durch ihre Anhäufung im Partikel umgebenden Raum
werden diese Oberflächenladungen kompensiert, was das Partikel aus ausreichender
Entfernung neutral erscheinen lässt.
In direkter Umgebung der Oberfläche herrscht eine sehr hohe Konzentration an, entgegen
zur Oberfläche geladener, Ionen vor. Das durch die Ladungsunterschiede zwischen der
Partikeloberfläche und der Suspension entstehende elektrische Potential sinkt innerhalb
dieser ersten Schicht mit zunehmendem Abstand von der Partikeloberfläche linear auf einen
bestimmten Wert ab. Dieser wird als Stern-Potential bezeichnet. Die sich anschließende
diffuse Schicht besteht mehrheitlich aus Gegen-Ionen, wobei mit zunehmendem Abstand
von der Oberfläche ihre Konzentration expotentiell sinkt und die Konzentration der Ionen mit
gleicher Ladung wie die Partikeloberfläche (Co-Ionen) zunimmt. In dieser Schicht herrscht
ein dynamisches Gleichgewicht. Das Ende dieser Schicht markiert der Punkt, an dem die
Ionenkonzentrationen denen in der Dispersion entsprechen. Beide Schichten zusammen
werden als Doppelschicht bezeichnet. Ihre Dicke ist abhängig von Art und Konzentration der
Ionen in der Lösung.
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Prof. Dr.-Ing. habil. Jürgen Tomas
1
Abbildung 1: Darstellung des Models der elektrochemischen Doppelschicht um ein an der
Oberfläche
negativ geladenes Partikel; links: Darstellung der Ladungsdichte; rechts: Darstellung der
Ionen-verteilung
Die Abschwächung der Konzentration der Gegen-Ionen erklärt sich aus der Abstoßung
zwischen den Gegen-Ionen der starren Stern-Schicht und denen in der diffusen Schicht, wie
auch durch die Abschwächung des elektrischen Feldes der Oberflächenladung durch die
Ionen der Stern-Schicht. Zudem herrscht eine Konkurrenz zwischen den Gegen-Ionen, die
von der Oberflächenladung angezogen, aber von anderen Gegen-Ionen abgestoßen werden.
Das elektrische Feld und das damit verbundene Potential fallen expotentiell zur Entfernung
von der Partikeloberfläche bis auf das 1/e-fache des ursprünglichen Wertes ab. Die Differenz
der Konzentrationen an Gegen- und Co-Ionen wird als Ladungsdichte bezeichnet. Sie sinkt
mit zunehmender Entfernung von der Oberfläche des Partikels.
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Abbildung 2: Schematische Darstellung der Verlaufskurven der Ionenkonzentration (links)
und des
elektrischen Potentials (rechts) in Abhängigkeit vom Abstand von der Partikeloberfläche
Die Dicke der diffusen Schicht aus Gegen- und Co-Ionen um ein geladenes Partikel in einer
Suspension entspricht der Debye-Länge des Systems.
δk =
εr ε 0 kT
2
e NA
∑
c i,∞ z i
(1)
2
mit
δk
Debye-Länge
k
Boltzmannkonstante
T
absolute Temperatur
[K]
NA
Avogardokonstante
[1/mol]
ci,∞
Konzentration der Ionenklasse i in der Suspension
[1/mol]
zi
Ladungszahl der Ionenklasse i
e
Elementarladung
εr
relative Dielektrizitätszahl
ε0
absolute Dielektrizitätszahl/ el. Feldkonstante
[m]
1,380658·10-23
[J/K]
[-]
-19
1,602177·10
[C]
[-]
8,854188·10-12
[As/Vm]
Der DLVO-Theorie nach errechnet sich das Potential zwischen zwei Partikeln in einer
Suspension aus der Differenz der Anziehungs- und Abstoßungspotentiale. Für die
Anziehung der Partikel untereinander sollen lediglich die van-der-Waals-Wechselwirkungen
betrachtet werden. Nach Hamaker können diese für zwei ideal sphärische und auf der
Oberfläche glatte Partikel wie folgt berechnet werden:
φ vdW (a) =
CH r
12 a
(2)
mit
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3
CH
Hamaker-Konstante
[J]
r
Partikelradius
[m]
a
Kontaktabstand
[m]
Das Abstoßungspotential durch die Überlappung der beiden Doppelschichten kannn
errechnet werden zu:
φ el (a) =
64 π r
∑c
i,∞
N A k T Γ0
2
κ2
⋅ e (− κ ⋅ a )
(3)
mit den beiden Funktionen:
e2 NA
1
κ=
=
δk
∑c
zi
i
2
(4)
ε0 εr k T
und
⎡
exp ⎢
⎢⎣
Γ0 =
⎡
exp ⎢
⎢⎣
∑z
∑
e ΨS ⎤
⎥ −1
2 kT ⎥
⎡
⎦
= tanh ⎢
⎢⎣
zi e ψ S ⎤
⎥ +1
2 kT ⎥
⎦
i
∑z
e ψS ⎤
⎥
4 kT ⎥
⎦
i
(5)
mit
ψS
Stern-Potential [mV] (kann gleich dem Zeta-Potential angenommen werden)
Die dabei wirksamen Kräfte ergeben sich aus der 1. Ableitung der jeweiligen Potentiale nach
dem Kontaktabstand a.
F(a) =
d φ(a)
da
(6)
Das Gesamtpotential ergibt sich dann zu:
φ(a) =
C H r 64 π r
−
12 a
∑c
i,∞ N A
k T Γ0
κ2
2
⋅ exp (− κ ⋅ a )
Die Gesamtkraft ergibt sich zu:
F(a) = −
CH r
12 a 2
+κ
64 π r
∑c
i,∞
κ2
N A k T Γ0
2
⋅ e (− κ ⋅ a )
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2. Einfache Berechnungen
Aufgabenstellung:
Die Debye-Länge ist abhängig von mehreren Variablen. Einige davon können leicht
verändert werden. Dazu gehören die Konzentration der Ionen und ihre Valenz (z.B. Zugabe
von Salzen). Dies verändert unter anderem auch das elektrische Potential der
Doppelschicht. Für die Betrachtung der Stabilität ist vor allem das Maximum dieses
Potentials von Bedeutung. Der Abstand kann angenommen werden als a = 1/κ. Die
Dispersion soll als stabil angenommen werden, wenn dieses Maximum (φmax(a)) größer ist
als 15·kT.
Titan (VI)-oxid-Nanopartikel (d = 60 nm) werden in einer Lösung aus Wasser und
Salpetersäure ausgefällt. Die Lösung soll 0,1 M bzw. 1,0 M sein.
a) Berechnen Sie die Schichtdicke der diffusen Schicht für 0,1 und 1,0 M .
b) Berechnen Sie ob die Lösungen stabil ist. Dabei soll angenommen werden, dass sie stabil
ist, wenn φ(a) > 15·kT.
Gegeben:
Gesucht:
ΨS= 70 mV
d = 60 nm
T = 293.15 K
CH = 16 kT
Surface potential:
Mean particle size:
Temperature:
Hamaker constant:
Boltzmann constant:
Dielectrical constant of vacuum:
Relative dielectrical constant of water:
Elementary electrical charge:
Avogadro constant:
δk
φ(a)
k = 1.3807 10-23 J/K
ε0 = 8.8542 10-12 C/Vm
εr (H2O) = 78
e = 1.60220 10-19 C
NA = 6.020 1023 mol-1
Lösung:
Salpetersäure:
HNO3 ↔ H+ +NO3- : 0,1 mol/l ↔ 0,1 mol/l + 0,1 mol/l : z = 1
Lösungsmittel: Einfluss der Salpetersäure auf die Permeativität ist vernachlässigbar. ε r = 78
0,1M = 0,1
mol
mol
= 100 3
l
m
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5
δκ =
As
J
⋅ 78 ⋅ 1,380658 ⋅ 10 −23 ⋅ 298,15 K
Vm
K
= 9,589 ⋅ 10 −10 m ≈ 1nm
2
1
mol
1,602177 ⋅ 10 −19 C ⋅ 6,022136 ⋅ 10 23
⋅ 200 3
mol
m
8,854188 ⋅ 10 −12
(
)
J
⎛
⎞
16 ⋅ ⎜1,380658 ⋅ 10 −23 ⋅ 298,15 K ⎟ ⋅ 30 ⋅ 10 −9 m
K
⎝
⎠
φ(a) = −
+
−9
12 ⋅ 1⋅ 10 m
mol
J
2
64 ⋅ π ⋅ 30 ⋅ 10 −9 m ⋅ 200
⋅ 1,380658 ⋅ 10 −23 ⋅ 298,15 K ⋅ Γ0
m³
K
exp ( −1)
2
⎡
⎤
1
⎢
⎥
−9
⎣ 1⋅ 10 m ⎦
⎤
⎡
⎢ 2 ⋅ 1,6022 ⋅ 10 −19 C ⋅ 70 ⋅ 10 −3 V ⎥
2
Γ0 = tanh ⎢
⎥
⎢ 4 ⋅ 1,380658 ⋅ 10 −23 J ⋅ 298,15 K ⎥
⎥⎦
⎢⎣
K
(
)
φ(a) = 1,75 ⋅ 10 −19 J
1,0 M = 1,0
δκ =
mol
mol
= 1000
l
m³
As
J
⋅ 78 ⋅ 1,380658 ⋅ 10 −23 ⋅ 298,15 K
Vm
K
= 3,07099 10-10 m ≈ 0,3 nm
2
1
mol
1,602177 ⋅ 10 −19 C ⋅ 6,022136 ⋅ 10 23
⋅ 2000 3
mol
m
8,854188 ⋅ 10 −12
(
)
J
⎛
⎞
16 ⋅ ⎜1,380658 ⋅ 10 −23 ⋅ 298,15 K ⎟ ⋅ 30 ⋅ 10 −9 m
K
⎝
⎠
φ(a) = −
+
−9
12 ⋅ 0,3 ⋅ 10 m
J
mol
2
⋅ 1,380658 ⋅ 10 −23 ⋅ 298,15 K ⋅ Γ0
64 ⋅ π ⋅ 30 ⋅ 10 −9 m ⋅ 2000
K
m³
exp( − 1)
1
(0,3 ⋅ 10
Γ0
2
−9
m
)
2
⎡
⎤
⎢ 2 ⋅ 1,6022 ⋅ 10 −19 C ⋅ 70 ⋅ 10 −3 V ⎥
= tanh ⎢
⎥
⎢ 4 ⋅ 1,380658 ⋅ 10 −23 J ⋅ 298,15 K ⎥
⎢⎣
⎥⎦
K
φ(a) = −5,49 ⋅ 10 −20 J
15 ⋅ 1,380658 ⋅ 10 −23
J
⋅ 298,15 K = 6,17 ⋅ 10 −20 J
K
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Durch eine Erhöhung der Ionenkonzentration um das 10 fache ( von 0,1 M auf 1,0 M ) wird
die Dicke der elektrischen Doppelschicht reduziert. Gleichzeitig fällt das Gesamtpotential
derart ab, dass die Anziehung gegenüber der Abstoßung dominiert und das System nicht
mehr als stabil angenommen werden kann.
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