ÄCME Zertifizierte Fortbildung in jeder Ausgabe 3 CME-Beiträge pro Ausgabe! www.CME.springer.de weiter zum CME-Beitrag a © [M] Wand: gregobagel/ istockphoto.com | Mann: Diego Cervo / shutterstock.com CME Dr. Christoph B. Kröger, Dr. Daniela Piontek IFT-Gesundheitsförderung München So wird der blaue Dunst zum Schnee von gestern Was hilft wirklich bei der Tabakentwöhnung? Zusammenfassung CME.springer.de/CME Kostenlos teilnehmen bis 18.01.2012 Die Teilnahme an der Fortbildungseinheit „Tabakentwöhnung“ ist bis zum 18.01.2012 kostenlos. Danach ist die CME-Teilnahme über ein Abonnement oder CME. Tickets möglich. Weitere Informationen finden Sie auf CME.springer.de/CME Rauchen ist für den Raucher selbst, aber auch für seine Umgebung schädlich. Ein Rauchstopp ist da­ her sinnvoll und wünschenswert. Verschiedene Hilfsmittel für die Tabakentwöhnung erhöhen die Erfolgsquote bei Aufhörversuchen. Die Evidenzlage für die einzelnen Hilfsmittel ist jedoch noch gering. Nach derzeitigem Wissensstand sind Medikation und mehrtägige Gruppenprogramme wirk­ sam. Generell muss beachtet werden, dass die Tabakabhängigkeit eine biopsychosoziale Störung ist. Daher sind vermutlich kombinierte Interventionen am sinnvollsten. Der vorliegende Beitrag erläu­ tert die einzelnen Hilfsmittel und ihren derzeitigen Stellenwert bei der Tabakentwöhnung. Schlüsselwörter Rauchen • Tabakabhängigkeit • Tabakentwöhnung • Rückfall CME 2011 · 8(10): 7–14 · DOI 10.1007/s11298-011-1055-3· © Sprin­ger-Ver­lag 2011 10.2011 ä CME 7 Tabakentwöhnung Bis zu 90% der Raucher sind unzufrieden damit, dass sie rauchen Weniger als 1% haben Tabak­entwöhnungs­ kurse genutzt Für Ärzte bieten die Ärztekammern ein Curriculum zur „Qualifikation Tabakentwöhnung“ an 8 CME ä 10.2011 Bis zu 90% der Raucher sind unzufrieden damit, dass sie rauchen. Die meisten haben mindestens einmal ernsthaft versucht, damit aufzuhören. Wenn sie dabei keine fremde Hilfe in Anspruch nehmen, kommt es fast immer zum Rückfall. Nur 3–5% der Aufhörversuche sind langfristig erfolgreich [8]. Trotzdem schaffen es die meisten Raucher im Laufe ihres Lebens, mit dem Rauchen aufzuhören. In der Altersgruppe der über 50-Jährigen gibt es mehr Exraucher als aktive Raucher [12]. Bei einer Erfolgschance von 5% werden rein rechnerisch mehr als zehn Aufhörversuche benötigt, bis die Hälfte der Raucher dauerhaft abstinent bleibt [8]. Es ist aber unklar, wie sich gescheiterte Aufhörversuche auf die Erfolgschancen späterer Versuche auswirken. Grundsätzlich bevorzugen Raucher, allein und ohne Hilfsmittel aufzuhören. Weniger als 9% der Exraucher haben Hilfsmittel zur Tabakentwöhnung in Anspruch genommen [13][18]. Weniger als 1% haben Tabakentwöhnungskurse genutzt. Die typischen Charakteristika für die wenigen Raucher, die Hilfsmittel verwenden, sind: weiblich, älter als Personen, die allein aufhören wollen, längerer und höherer Tabakkonsum, stärkere Tabakabhängigkeit [5]. Die Diagnose Tabakabhängigkeit wird nicht als Erkrankung anerkannt. Die gesetzlichen Krankenkassen oder Rentenversicherungen erstatten daher keine Medikamente, die zur Tabakentwöhnung verwendet werden. Dagegen werden andere Maßnahmen zur Tabakentwöhnung nach dem „Präventionsparagraph“ 20 SGB V von den Krankenkassen übernommen. Voraussetzung ist, dass sowohl der Behandler als auch die Maßnahme zertifiziert sind. Vermutlich ist die Tabakentwöhnung auch wegen fehlender finanzieller Anreize nur unzureichend im medizinischen Versorgungssystem verankert. Einzel- und Gruppentherapien führen in Deutschland vor allem Ärzte, Sozialarbeiter, Psychologen, Suchttherapeuten, Pädagogen und Angehörige der Kranken- und Pflegeberufe durch [4]. Diese Berufsgruppen sind von den gesetzlichen Krankenkassen nach § 20 SGB V zur Ausführung von Präventionsmaßnahmen anerkannt. Für Ärzte bieten die Ärztekammern ein Curriculum zur „Qualifikation Tabakentwöhnung“ an. Der 20-stündige Kurs behandelt die Hintergründe der Tabakabhängigkeit und die möglichen Therapieoptionen. In einem achtstündigen Aufbaumodul werden unter anderem Strategien für schwierige Situationen praktisch eingeübt. Die Bundesärztekammer hat zudem mit der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung einen „Leitfaden zur Kurzintervention bei Raucherinnen und Rauchern“ herausgegeben. Er enthält Praxistipps für Ärzte. Anfang 2011 wurden überarbeitete „Empfehlungen zur Therapie der Tabakabhängigkeit“ von der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft publiziert. Leitlinien Die Hilfsmittel zur Tabakentwöhnung wurden in den letzten Jahren in umfassenden Metaanalysen evaluiert. Die entsprechenden Empfehlungen sind in den Clinical Practice Guidelines des US Department of Health and Human Services zusammengefasst. Sie wurden 2008 aktualisiert [6]. Die Hilfsmittel wurden auch in mehreren Cochrane-Reviews untersucht [17][22][23]. Die deutschsprachigen Leitlinien zur Tabakentwöhnung fassen den internationalen Kenntnisstand zur Tabakentwöhnung zusammen und geben hilfreiche Praxistipps [1][2]. Hilfsmittel zur Tabakentwöhnung Die gängigsten Hilfsmittel zur Tabakentwöhnung in Deutschland sind (. Tab. 1): FF Medikation FF Selbsthilfeprogramme FF Beratung FF Kurzberatung FF Telefonische Beratung FF Hypnose FF Akupunktur FF Kurse FF Eintägige Kurse FF Mehrtätige Kurse FF Individualisierte Tabakentwöhnung Die Maßnahmen zur Tabakentwöhnung wirken kurzfristig meist gut. Bis zu 90% der Raucher schaffen es, für einen Tag rauchfrei zu sein. Die meisten werden jedoch wieder rückfällig. Nach sechs Monaten liegt die Erfolgsquote bei maximal 40%. Bei der Bewertung der Hilfsmittel zur Tabakentwöhnung zählt aber nicht nur die Effektivität. Wichtig ist auch der Impact, also die Zahl der Menschen, die mit einer Intervention erreicht werden. Ein fiktives Beispiel: Eine Maßnahme kann sehr effektiv sein, d. h. viele Raucher sind noch nach einem Jahr abstinent. Da sie aber sehr aufwendig und teuer ist, nehmen sie nur wenige Rau- Tab. 1Hilfsmittel zur Tabakentwöhnung Hilfsmittel zur Tabakentwöhnung Deutschsprachige Beispiele Empfehlung gemäß der Clinical Practice Guidelines Stärkea Medikation Nikotinpräparate Vareniclin Bupropion alle aufhörwilligen Raucher sollten ermutigt werden, eine Medikation für die Tabakentwöhnung zu nutzen (außer bei Kontraindikationen, z. B. Schwangerschaft, Nutzung rauchfreier Tabakprodukte, leichte Tabakabhängigkeit, Adoleszenz) A Selbsthilfeprogramme – Broschüren – Bücher – internet/computerbasierte Programme Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung: – Broschüre: „Ja, ich werde rauchfrei“ – Internet: http://www.rauchfrei-info.de Deutsche Krebshilfe: – Broschüre „Aufatmen“ kaum bzw. schwache Wirksamkeitsnachweise individuell auf den aufhörwilligen Raucher zugeschnittene Materialien können bei der Tabakentwöhnung wirksam sein B Kurzberatung Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung: – „Leitfaden zur Kurzintervention bei Raucherinnen und Rauchern“ kurze Interventionen ≤ 3 min erhöhen die Abstinenzquote A Telefonberatung Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung: – 01805 313131 Deutsches Krebsforschungszentrum: – 06221 424200 HelpLine Bayern: – 0800 1418141 proaktive Telefonberatung ist wirksam, sollte bei der Tabakentwöhnung eingesetzt werden A Hypnose diverse lokale Anbieter für die Wirksamkeit bei der Tabakentwöhnung gibt es keine wissenschaftlichen Belege keine Akupunktur diverse lokale Anbieter für die Wirksamkeit bei der Tabakentwöhnung gibt es keine wissenschaftlichen Belege keine Gruppentherapie eintägige Kurse Gruppentherapie ist wirksam, sollte bei der Tabakentwöhnung eingesetzt werden A mehrtägige Kurse ≥ 4 Kurseinheiten scheinen besonders wirksam zu sein, um die Abstinenzraten zu erhöhen Problemlösetraining und soziale Unterstützung ergeben höhere Abstinenzquoten, sie sollten bei der Tabakentwöhnung eingesetzt werden A individuelle Beratung ist wirksam, sollte bei der Tabakentwöhnung eingesetzt werden A Einzeltherapie B Stärke der wissenschaftlichen Beweisbarkeit nach den Clinical Practice Guidelines des US Department of Health and Human Services, eingeteilt in A, B und C: A: Empfehlungsaussage resultiert aus wissenschaftlichen Studien hoher Qualität mit konsistenter Befundlage, die für die Praxis direkt relevant sind. B: Empfehlungsaussage resultiert aus einigen hochwertigen Studien, aber die wissenschaftliche Basis ist nicht optimal. C: Empfehlungsaussage resultiert aus wichtigen und informativen Studienergebnissen, sie wurden aber nicht in randomisierten kontrollierten Untersuchungen gewonnen. a cher in Anspruch. Die Maßnahme „produziert“ also insgesamt wenig Nichtraucher. Eine weniger effektive, aber besser akzeptierte Maßnahme würde letztlich mehr Raucher zum rauchfreien Leben führen [16]. Andererseits muss bei der Bewertung auch der Schweregrad der Abhängigkeit berücksichtigt werden. Kurse in der Gruppe oder individualisierte Maßnahmen sind vermutlich vor allem bei schwer abhängigen Rauchern erfolgreich. Sie wären damit für die Gruppe dieser Raucher relevanter als Massenprogramme, die bei eher leichten, bereits aufhörbereiten Rauchern wirken. Medikation zur Tabakentwöhnung In Deutschland sind folgende Medikamente zur Behandlung der Tabakabhängigkeit zugelassen: FF nikotinhaltige Präparate, FF Vareniclin und FF Bupropion. In mehreren klinischen Studien wurden medikamentöse Hilfsmittel mit Placebo bzw. mit einer Behandlung ohne Medikation verglichen. Es zeigte sich, dass Nikotinpräparate, Vareniclin und Bupropion die Abstinenzrate in etwa verdoppeln [6]. Bei der Bewertung muss der Schweregrad der Abhängigkeit berücksichtigt werden 10.2011 ä CME 9 Tabakentwöhnung Vor allem bei starker körperlicher Abhängigkeit wird eine Kombinationstherapie empfohlen: Nikotin-Pflaster als Basisapplikation, bei Bedarf zusätzlich ein schnell wirkendes Präparat wie NikotinKaugummi, -Inhaler, -Tablette oder -Spray. Für die kombinierte Anwendung liegt allerdings noch keine Zulassung vor [6]. Nikotinhaltige Präparate werden ab dem Beginn der Abstinenz genutzt. Sie sollten innerhalb von zwölf Wochen ausgeschlichen werden. Wenn die Patienten nicht ohne Unterstützung abstinent bleiben, können die Präparate im Einzelfall auch dauerhaft genutzt werden. Vareniclin Die Tabakpflanze sieht zunächst ganz harmlos aus – für Raucher kann sie jedoch zum Verhängnis werden. Nikotinhaltige Präparate Nikotinhaltige Präparate können rezeptfrei in der Apotheke gekauft werden Der häufigste Anwendungsfehler ist eine zu geringe Dosis aus Angst vor Nebenwirkungen 10 CME ä 10.2011 Nikotinhaltige Präparate werden oft irreführend „Nikotinersatzpräparate“ genannt. Sie können rezeptfrei in der Apotheke gekauft werden. Es gibt sie in Deutschland als Pflaster, Kaugummi, Inhaler, Lutsch- oder Sublingualtablette. Über internationale Apotheken ist auch ein Nikotin-Nasenspray erhältlich. Das Nikotin-Pflaster gibt es in drei verschiedenen Stärken, den Nikotin-Kaugummi in zwei. Die Präparate versorgen den Körper mit Nikotin, die im Tabakrauch enthaltenen Schadstoffe werden vermieden. Durch die Nikotinzufuhr sollen die Entzugssymptome abgeschwächt werden. Das Rauchverlangen sinkt, gleichzeitig nehmen die Patienten nach dem Rauchstopp weniger zu. Nikotinhaltige Präparate sind gut verträglich. Die Gefahr ist gering, dass sich die Abhängigkeit nur verlagert [25]. Der häufigste Anwendungsfehler ist eine zu geringe Dosis aus Angst vor Nebenwirkungen. Für den Erfolg der Therapie ist es jedoch wichtig, dass die Präparate ausreichend lange und ausreichend hoch dosiert angewandt werden. Bisher gibt es kaum Studien dazu, wann und bei wem nikotinhaltige Präparate indiziert sind. Vermutlich eignen sie sich besonders dann, wenn bei vorangegangenen Aufhörversuchen starke Entzugssymptome, Craving, depressive Verstimmungen oder eine Gewichtszunahme auftraten. Die Präparate sind auch dann indiziert, wenn der Raucher aus bloßer Angst vor diesen Symptomen keinen Aufhörversuch startet. Vareniclin ist ein verschreibungspflichtiges Psychopharmakon. Die Substanz bindet sich an nikotinerge Acetylcholin-Rezeptoren. Das Medikament wirkt als partieller Agonist wie Nikotin. Dadurch wird das Rauchverlangen gelindert. Gleichzeitig wirkt es aber auch als Antagonist gegen Nikotin. Es tritt an dessen Stelle und reduziert die angenehmen Effekte des Rauchens, wenn weiter geraucht wird. Die US-amerikanische Arzneimittelbehörde FDA warnt allerdings seit Juli 2011, dass Vareniclin das Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse erhöht. Seit Längerem wird diskutiert, dass Vareniclin neuropsychiatrische Nebenwirkungen verursacht. Problematisiert wird vor allem eine erhöhte Suizidrate. Eine enge ärztliche Kontrolle ist daher angeraten. Bupropion Das Antidepressivum Bupropion ist ein selektiver Dopamin- und Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer. Es kann bei der Rauchentwöhnung eingesetzt werden, hat aber zahlreiche Nebenwirkungen. Bupropion wird daher in den deutschen Leitlinien zur Tabakentwöhnung nur als Medikament zweiter Wahl empfohlen [2]. Selbsthilfeprogramme Es gibt für Raucher unzählige Selbsthilfematerialien wie Bücher, Broschüren, CDs, DVDs und interaktive Aufhörprogramme. Sie können allein oder kombiniert mit anderen Hilfsmitteln genutzt werden. Die kostenlosen Angebote der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, der Deutschen Krebshilfe und der Bundesvereinigung Prävention und Gesundheitsförderung eignen sich gut für einen multimodalen Ansatz. Selbsthilfematerialien wirken nur gering [6]. Eine aktuelle Metaanalyse analysierte Internet- beziehungsweise Computerprogramme [21]. Die Ergebnisse waren allerdings in der Interventionsgruppe signifikant besser als in der Kontrollgruppe. Beratung Kurzberatung Für Kurzberatungen in der Praxis werden verschiedene Vorgehensweisen empfohlen: FF das 5-A-Prinzip, FF das ABC-Prinzip oder FF das 5-R-Prinzip. Das 5-A-Prinzip beruht auf „Ask – Advise – Assess – Assist – Arrange“: FF Abfragen des Rauchstatus, FF Anraten des Rauchverzichts, FF Ansprechen der Aufhörmotivation, FF Assistieren beim Rauchverzicht und FF Arrangieren von Folgekontakten. Das ABC-Prinzip beruht auf „Ask – Brief intervention – Cessation support“: FF Abfragen des Rauchstatus, Dokumentation, FF individuelle und motivierende Empfehlung zum Rauchstopp, FF bei Aufhörwunsch qualifizierte Unterstützung, Weiterleitung an ein anerkanntes Entwöhnungsangebot. Das 5-R-Prinzip eignet sich vor allem für unmotivierte Raucher. Es beruht auf „Relevance – Rewards – Risks – Rewards – Roadblocks – Repetition“: FF Relevanz des Rauchens aufzeigen, FF Risiken betonen, FF (An-)Reize in Aussicht stellen, FF Riegel/Hemmnisse für einen Rauchstopp herausfinden, FF Repetition der Motivation. Diese leicht eingängigen Interventionen benötigen nur wenig Zeit. Ziel ist es, jeden rauchenden Patienten zu identifizieren, Hilfe anzubieten und den Rauchverzicht einzuleiten. Der Raucher fragt allerdings nicht selbst nach dieser Hilfe, sondern bekommt sie angeboten. Telefonische Beratung Rauchertelefone sind ein niederschwelliges Hilfsangebot. Der Raucher kann je nach Bedarf ein- oder mehrmals anrufen. Er wird von geschulten Fachkräften beraten. Die Gespräche folgen häufig einem standardisierten Vorgehen, richten sich aber nach den individuellen Bedürfnissen des Rauchers. Der erste Anruf geht meist vom Raucher aus. Danach kann auch der Berater anrufen, wenn der Betroffene damit einverstanden ist. Am bekanntesten ist die telefonische Beratung zur Raucherentwöhnung der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung. Die Telefonnummer findet sich auf den Warnhinweisen der Zigarettenschachteln. Metaanalysen zeigten, dass die telefonische Raucherberatung wirksam ist. Dies gilt vor allem, wenn sie eine proaktive Komponente enthält, wenn also der Berater nach dem Erstgespräch von sich aus den Raucher kontaktiert [22]. Rauchertelefone sind ein niederschwelliges Hilfsangebot Hypnose Hypnose ist eine meist suggestive Therapietechnik, die zur Tabakentwöhnung angeboten wird. Während der Hypnose sollen Botschaften vermittelt werden, die das Rauchen mit negativen bzw. das rauchfreie Leben mit positiven Assoziationen verknüpfen. Es gibt jedoch auch die selbstorganisatorische Hypnotherapie. Dabei werden bestehende Konflikte in Bezug auf das Rauchen identifiziert, ohne dass der Therapeut suggestiv auf den Klienten einwirkt. Die Ziele können sein, die Motivation zum Rauchstopp zu erhöhen, das Verlangen nach einer Zigarette zu verringern oder in bestimmten Situationen der Versuchung zu rauchen zu widerstehen. Die Hypnose erfolgt einzeln oder in der Gruppe. Sie kann eine oder mehrere Sitzungen umfassen. Hypnose kann mit kognitiv-verhaltenstherapeutischen Verfahren kombiniert werden [10]. Für die Wirksamkeit der Hypnosetherapie gibt es bisher keine wissenschaftlichen Belege. Es fehlen randomisierte, kontrollierte Studien dazu [6]. Hypnose ist eine meist suggestive Therapietechnik, die zur Tabakentwöhnung angeboten wird Akupunktur Auch Akupunktur wird zur Tabakentwöhnung angeboten. Dabei werden feine Nadeln in sogenannte Akupunkturpunkte gestochen, vorwiegend am Ohr. Die Behandlung soll Entzugserscheinungen reduzieren. Die Wirkungsweise der Akupunktur ist nicht gesichert. Möglicherweise werden Endorphine Die Wirkungsweise der Akupunktur ist nicht gesichert 10.2011 ä CME 11 Tabakentwöhnung Bei der Akupressur werden bestimmte Körperpunkte leicht massiert freigesetzt, die das Aufhören erleichtern. Verwandte Verfahren sind die Luxo- und die Elektroakupunktur sowie die Akupressur. Bei der Luxoakupunktur werden Lichtreize gesetzt, bei der Elektroakupunktur schwache Stromreize. Bei der Akupressur werden bestimmte Körperpunkte leicht massiert. Dies kann auch selbst durchgeführt werden, z. B. durch Reiben des Ohrläppchens. In der Regel werden zur Tabakentwöhnung mehrere Einzelsitzungen durchgeführt. Die Behandlung kann mit allen anderen Hilfsangeboten kombiniert werden. Für die Wirksamkeit der Akupunktur gibt es bisher keine wissenschaftlichen Belege. Es fehlen randomisierte, kontrollierte Studien dazu [6]. Gruppentherapie Eintägige Tabakentwöhnungskurse Die Gruppengröße schwankt zwischen zehn und mehreren Hundert Teilnehmern Am häufigsten werden kognitiv-verhaltens­ therapeutische Methoden verwendet Es gibt unzählige Angebote für drei- bis sechsstündige Tabakentwöhnungskurse. Die Gruppengröße schwankt zwischen zehn und mehreren Hundert Teilnehmern. In der Regel sind es Motivationskurse. Zunächst nutzt der Kursleiter emotional-kognitive Techniken. Er baut damit eine positive Beziehung zur Gruppe auf, verringert Angst und Schamgefühle, weckt Neugierde und Hoffnung. Dann wird der Raucher gezielt angeregt, neue Sichtweisen zu entwickeln, indem das eigene Wertesystem und die eigenen Einstellungen zum Rauchen in Ungleichgewicht gebracht werden. Diese Ambivalenz zwingt ihn zu einer Neuorientierung. Oft wird kurz vor Kursende demonstrativ die letzte Zigarette geraucht und so das rauchfreie Leben begonnen. Nach Kursende erhält der Raucher keine weiteren Hilfsangebote. Er kann laut diesem Konzept allein durch die Motivierung abstinent bleiben. Die Kurse versprechen ausdrücklich einen leichten, schmerzlosen Weg zum Nichtraucher ohne Entzugserscheinungen oder Gewichtszunahme. Der zeitliche Aufwand für die Kurse ist gering, daher werden sie z. B. auch von Betrieben viel nachgefragt. Neben größeren, überregional tätigen Anbietern für eintägige Tabakentwöhnungskurse gibt es regional auch Einzelanbieter. Mehrtägige Tabakentwöhnungskurse Mehrtägige Tabakentwöhnungskurse sind in der Regel multimodale, kognitiv-verhaltenstherapeutische Programme. Die Gruppengröße liegt meist bei sechs bis zwölf Teilnehmern. Es gibt zwei bis 12 CME ä 10.2011 zehn Sitzungen mit ein bis drei Terminen pro Woche. Die Kurse berücksichtigen emotional-kognitive und physiologische Faktoren ebenso wie das Verhalten des Rauchers. Das Konzept setzt an zwei Punkten an. Zum einen unterstützt es die Motivation und die Entscheidung für einen Rauchstopp. Zum anderen hilft es dabei, das rauchfreie Leben vorzubereiten und zu stabilisieren. Dazu werden verschiedene Methoden verwendet, z. B. Psychoedukation, kognitive Umstrukturierung, Stimuluskontrolle, Stressbewältigung, Rückfallprophylaxe und Medikation [11][19]. Ein Ziel ist es, das Rauchverhalten durch ein adäquateres Verhalten zu ersetzen. Die positiv empfundene entspannende, stressreduzierende und aufmerksamkeitssteigernde Wirkung des Rauchens soll anders erreicht werden. In Deutschland sind die Kurse „Das Rauchfrei-Programm“ [14] und „Rauchfrei in 6 Wochen“ [3] am weitesten verbreitet. Kognitiv-verhaltenstherapeutische Programme sind wissenschaftlich gut untersucht. Die Ergebnisse sind auch langfristig gut, sie werden daher vielfach empfohlen [6][7][9][20][24]. Psychotherapeutische Einzelbehandlungen und Gruppenprogramme sind vergleichbar wirksam [6]. Die Kombination verschiedener, möglichst intensiver Maßnahmen verbessert in der Regel die Erfolgsaussichten [6]. Einzeltherapie Die individuelle Beratung zur Tabakentwöhnung nutzt die gleichen Methoden wie die Kurse in Gruppen [15]. Gruppeninterventionen sind allerdings ökonomischer und daher weiter verbreitet. Die Gruppendynamik selbst trägt vor allem bei mehrtägigen Kursen zum Behandlungserfolg bei, z. B. durch die soziale Unterstützung, aber auch durch kompetitive Aspekte. Die individuelle Beratung ist dagegen intensiver und flexibler. Am häufigsten werden kognitiv-verhaltenstherapeutische Methoden verwendet. Gerade die negativen Folgen des Rauchstopps können besser wahrgenommen und behandelt werden, z. B. depressive Verstimmungen. Fazit Die meisten Raucher versuchen mindestens ein­ mal im Leben, mit dem Rauchen aufzuhören. Sie bevorzugen dabei Aufhörversuche allein und ohne Hilfsmittel. Dies reduziert aber die Erfolgs­ quote. Die gängigsten Hilfsmittel zur Tabakent­ wöhnung sind in Deutschland Medikation, Selbst­ hilfeprogramme, Kurzberatung, telefonische Beratung, Hypnose, Akupunktur, ein- oder mehr­ tägige Kurse und die individualisierte Tabakent­ wöhnung. In Deutschland sind nikotinhaltige Prä­ parate, Vareniclin und Bupropion zur Behandlung der Tabakabhängigkeit zugelassen. Die nikotin­ haltigen Präparate gibt es als Pflaster, Kaugum­ mi, Inhaler, Lutsch- oder Sublingualtablette und Nasenspray. Die Präparate versorgen den Kör­ per mit Nikotin, dadurch werden die Entzugssym­ ptome abgeschwächt. Für den Erfolg der Thera­ pie ist es wichtig, dass die Präparate ausreichend lange und ausreichend hoch dosiert angewandt werden. Vor allem bei starker körperlicher Ab­ hängigkeit wird eine Kombinationstherapie aus Nikotin-Pflaster plus schnell wirkendem Präparat empfohlen. Vareniclin lindert das Rauchverlangen und reduziert die angenehmen Effekte des Rau­ chens, wenn weiter geraucht wird. Bupropion hat zahlreiche Nebenwirkungen und wird nur als Me­ dikament zweiter Wahl empfohlen. Es gibt unzäh­ lige Selbsthilfematerialien für die Tabakentwöh­ nung. Ihre Wirksamkeit ist fraglich. Am ehesten sind individuell zugeschnittene Materialien sinn­ voll. Kurzberatungen sind einfach durchzuführen, benötigen nur wenig Zeit und erhöhen die Absti­ nenzquote. Die telefonische Beratung wirkt vor al­ lem, wenn sie nach dem Erstkontakt proaktiv wei­ tergeführt wird. Für die Wirksamkeit der Hypnose und Akupunktur zur Tabakentwöhnung gibt es bisher keine wissenschaftlichen Belege. Die Grup­ pentherapie kann in ein- oder mehrtägigen Kur­ sen durchgeführt werden. Kognitiv-verhaltensthe­ rapeutische Programme sind wissenschaftlich gut untersucht. Die Ergebnisse sind auch langfristig gut. Die individuelle Beratung zur Tabakentwöh­ nung ist intensiver und flexibler. Auch hier werden kognitiv-verhaltenstherapeutische Methoden ver­ wendet. Die Beratung ist wirksam und sollte bei der Tabakentwöhnung eingesetzt werden. Korrespondenzadresse Dr. Christoph B. Kröger IFT Institut für Therapieforschung München Parzivalstr. 25 ­ 80804 München E-Mail: [email protected] Dr. Christoph B. Kröger, Diplom-Psychologe, geboren 1954, studierte 1973 bis 1979 Psychologie an der Universität Münster. Danach sammelte er Berufserfahrung als wissenschaftlicher Mitarbeiter der Universität Münster (1979), als Research Assistent am National Institut on Aging (NIA) und an der Johns Hopkins Universität, Baltimore, Maryland, USA (1980 – 1981) und am Max-Planck-Institut für Psychiatrie, psychologische Abteilung, München (Professor Dr. J. C. Brengelmann) (1981 – 1986). Er promovierte an der Universität Tübingen (Prof. Dr. N. Birbaumer) zum Dr. rer. soc. Seit 1996 arbeitet er als wissenschaftlicher Mitarbeiter im IFT Institut für Therapieforschung in München und leitet hier Projekte zur Prävention und Tabakentwöhnung. Seit 2008 ist er fachlicher Leiter der IFT-Gesundheitsförderung in München, einem staatlich anerkannten Institut für die Ausbildung zum Psychologischen Psychotherapeuten. Herr Kröger hat mehrere Programme zur Tabakentwöhnung entwickelt, evaluiert und deutschlandweit implementiert. Derzeit ist er Mitglied der Arbeitsgruppe zur AWMF ­S3-Leitlinienentwicklung Tabak. Interessenkonflikt Der Autor ist Autor eines mehrtägigen Gruppenprogramms, des Rauchfrei Programms, das in diesem Artikel bewertet wird, und arbeitet in einem Institut, das dieses Programm wirtschaftlich vermarktet. Er hat von der Pharmaindustrie Referentenhonorar und Reisekostenübernahme erhalten. Redaktionell bearbeitet von cognomedic GmbH 10.2011 ä CME 13 Tabakentwöhnung CME-Fragebogen Wie viele Exraucher haben Kurse zur ­Tabakentwöhnung besucht? oo weniger 1% oo weniger 9% oo weniger 19% oo weniger 29% oo weniger 39% Wie viele Exraucher haben ­Hilfsmittel zur Tabakentwöhnung in Anspruch genommen? oo weniger 1% oo weniger 9% oo weniger 19% oo weniger 29% oo weniger 39% Was ist der häufigste Anwendungs­fehler bei nikotinhaltigen Präparaten ­ zur Tabakentwöhnung? oo zu hohe Dosis oo zu geringe Dosis oo zu lange Anwendungsdauer oo zu kurze Anwendungsdauer oo Kombination mit anderen Hilfsmitteln In welchem Zeitraum sollten nikotin­ haltige Präparate zur Tabakentwöhnung ­ausgeschlichen werden? oo innerhalb von 3 Wochen oo innerhalb von 6 Wochen oo innerhalb von 9 Wochen oo innerhalb von 12 Wochen oo innerhalb von 15 Wochen Mehr Infos online! Das Literaturverzeichnis finden Sie in der PDF-Version unter: CME.springer.de/cme Welche Applikationsform nikotinhaltiger Präparate ist am besten dazu geeignet, den Basisbedarf bei der Tabakentwöhnung zu sichern? oo Nikotin-Kaugummi oo Nikotin-Inhaler oo Nikotin-Sublingualtabletten oo Nikotin-Nasenspray oo Nikotin-Pflaster Welche Aussage zu dem nikotinhaltigen Präparat Vareniclin stimmt nicht? oo Vareniclin ist verschreibungspflichtig. oo Vareniclin wirkt als partieller Agonist wie Nikotin. oo Vareniclin erhöht das Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse. oo Vareniclin erhöht die Suizidrate. oo Vareniclin ist in Deutschland nur Medikament der zweiten Wahl. Welches Hilfsmittel zur Tabakentwöhnung hat nach den Clinical Practice Guidelines des US Department of Health and ­Human Services die höchste wissenschaftliche Beweisstärke? oo Kurzberatung oo Hypnose oo internetbasierte Selbsthilfeprogramme oo Broschüren oo Akupunktur Welche Behandlungsmethode wird in mehrtägigen Tabakentwöhnungskursen am häufigsten verwendet? oo interpersonale Psychotherapie oo dialektische Verhaltenstherapie oo kognitive Verhaltenstherapie oo psychodynamische Verfahren oo Psychotherapie Welcher Schritt gehört nicht zu dem klassi­ schen „5-A-Prinzip“ bei der Kurzberatung zur Tabakentwöhnung? oo Abfragen des Rauchstatus oo Anreize in Aussicht stellen oo Ansprechen der Aufhörmotivation oo Assistieren beim Rauchverzicht oo Arrangieren von Folgekontakten Welche Akupunkturform zur Tabak­ entwöhnung ist wissenschaftlich ­ gesichert wirksam? oo Ohrakupunktur oo Elektroakupunktur oo Luxakupunktur oo Akupressur oo keine Bitte beachten Sie: 7 Antwortmöglichkeit nur online unter: CME.springer.de/CME. 7 Die Frage-Antwort-Kombinationen werden online individuell zusammengestellt. 7 Es ist immer nur eine Antwort möglich. 7 Diese Fortbildungseinheit ist 12 Monate auf CME.springer.de verfügbar. 7 Den genauen Einsendeschluss erfahren Sie unter CME.springer.de/CME. Tabakentwöhnung Komplementärmedizin in der Onkologie Literatur [1] A ndreas S, Batra A, Behr J et al (2008) Guidelines for smoking cessation in patients with COPD issued by the Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin. Pneumologie 62(5):255–272 [2] B atra A, Schütz CG, Lindinger P (2006) Tabakabhängigkeit. In: Schmidt LG, Gastpar M, Falkai P, Gaebel W (Hrsg) Evidenzbasierte Suchtmedizin. Behandlungsleitlinie Substanzbezogene Störungen. Deutscher Ärzte-Verlag, Köln, S 91–142 [3] B atra A, Buchkremer G (2004) Tabakentwöhnung – ein Leitfaden für Therapeuten. Kohlhammer, Stuttgart [4] E tzel M, Mons U, Schmitt S et al (2008) Raucherentwöhnung in Deutschland 2007. Struktur der ambulanten Therapieangebote zur Tabakentwöhnung und Raucherberatung. Bundesgesundheitsbl Gesundheitsfor Gesundheitsschutz 51:1453–1461 [5] F iore MC, Novotny TE, Pierce JP et al (1990) Methods used to quit smoking in the United States. Do cessation programs help? 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