Fachwissen Bewegung bringts Säure-Basen-Haushalt Bewegung beeinflusst den Säure-Basen-Haushalt. Deshalb darf beim Bekämpfen einer Übersäuerung und beim Wiederherstellen des Gleichgewichts im Körper eines nicht vergessen werden regelmässige Bewegung bis hin zum sportlichen Ausdauertraining. Bewegungsmangel wirkt säurend, da wichtige körperliche Entsäuerungssysteme ungenutzt bleiben. Regelmässige Bewegung hingegen unterstützt den Körper nachhaltig beim Abbau von Säuren und bringt einiges fürs körperliche und seelische Wohlbefinden. Betreibt man jedoch sehr intensiv Sport kann auch das Gegenteil der Fall sein – die Puffersysteme sind überlastet. Was Bewegung und Sport bewirken Bewegung bewirkt im ganzen Körper Veränderungen. Einige der Wichtigsten sind hier aufgeführt: Foto: bab.ch d-inside 07/06 22 Im Nervensystem: Das autonome oder vegetative Nervensystem setzt sich aus dem Sympathikus (Leistung), dem Parasymphatikus (Erholung) sowie dem Darmnervensystem zusammen. Bei regelmässiger sportlicher Betätigung, besonders beim Ausdauertraining, beginnt der Parasympathikus zunehmend zu dominieren. Er schaltet auf Erholung, allgemeine Stoffwechselökonomisierung und dämpft die Psyche im Sinne einer erhöhten inneren Ruhe und Ausgeglichenheit. Parallel dazu stimuliert der Sympathikus die Organsysteme wie beispielsweise das Hormonsystem mit seinen Leistungshormonen (z. B. Adrenalin, Noradrenalin) und steigert die Kapazitäten des Körpers. Im zentralen Nervensystem sind die lustauslösenden Zentren des Körpers beherbergt. Beansprucht man die Muskeln, steigt der Endorphinspiegel an. Dies besonders bei intensiv sportlichen oder langanhaltenden Belastungen. Endorphine sind Neurotransmitter (körpereigene opioide Peptide) von denen heute schon 52 unterschiedliche ermittelt wurden. Sie bewirken Stimmungsaufhellungen, sorgen dafür, dass hochgradige physische Belastungen und Schmerzen besser ertragen werden können. Im Herz: Der Sauerstoff- und Nährstoffbedarf des Organismus steigt proportional zur geleisteten Arbeit an. Damit dieser Bedarf abgedeckt werden kann, erhöht das Herz die Herzfrequenz und das Schlagvolumen. Bei intensivem, regelmässigem und längerem Trainieren wie beispielsweise beim Ausdauer- Foto: bab.ch training kommt es aufgrund der erhöhten Beanspruchung zu adaptiven Veränderungen im Bereich des Herzens sowie der Funktionsgrösse (Sportlerherz). Im Blut finden kurzfristige und längerfristige Anpassungen statt. Beginnt man sich zu bewegen kommt es durch den Wasserverlust sofort zu einer Zunahme der zellulären Bestandteile; das Blut wird dicker. Bei einem Ausdauertraining von ausreichender Dauer und Intensität nimmt der Körper längerfristige Anpassungen vor: er vergrössert das Blutvolumen. Ausdauersportler weisen ein bis um vierzig Prozent erhöhtes Blutvolumina auf. Im Lymphsystem: Die Gewebespannung und damit der Gewebsdruck müssen ständig wechseln, um die Flüssigkeit und die darin enthaltenen Partikel in die Lymphgefässe zu pumpen. Durch körperliche Aktivität werden solche periodischen Spannungsänderungen in Gang gesetzt, wodurch die Lymphbildung und ihr Abtransport gesteigert werden. Im Immunsystem: Je nach Zeitdauer und Intensität einer Belastung kommt es zu Veränderungen in der hormonellen Regulation, die wiederum das Immunsystem beeinflusst. Nach akuter körperlicher Belastung lassen sich grob zwei Reaktionsphasen unterscheiden: die Sofortreaktion und die verzögerte Immunreaktion. Bei der Sofortreaktion werden die Immunzellen mobilisiert. Im Ruhezustand bewegen sich etwa 50 Prozent aller Immunzellen mit dem Blutstrom, die anderen 50 Prozent haften an den Gefässinnenwänden. Innerhalb weniger Minuten nach Belastungsbeginn lösen sich die meisten der anhaftenden Zellen von der Gefässwand ab und gehen in den Blutstrom über. Nach einer intensiven Belastung kommt es zuerst zu einem Konzentrationsabfall der natürlichen Killerzellen, was für den Moment ein geschwächtes Immunsystem bedeutet.Trainiert man die Ausdauer regelmässig und moderat, stärkt man die Abwehrmechanismen durch das Stimulieren der Makrophagen, Lymphozyten oder durch ein Auslösen einer Akut-Phase-Reaktion. Im Atmungssystem: Durch Ausdauertraining kommt es zu funktionellen und teilweise auch zu morphologischen Veränderungen im Atmungssystem. Dass Atmungssystem von Trainierten hat grössere Atmungsreserven und ist insgesamt zu einer höheren Leistung befähigt. Es ist bei Belastungen schneller auf Leistung umgestellt und kann deshalb bei Engpässen in der Sauerstoffversorgung in wirksamerer Weise überbrücken als der Untrainierte. In Knochen, Knorpel, Sehnen und Bänder: Knochen, Knorpel, Sehnen und Bänder passen sich funktionell und strukturell an sportliche Belastungen an. Allerdings brauchen diese Strukturen im Vergleich zu Muskeln etwas länger, das heisst, mehrere Wochen bis Monate. Der Knochen reagiert auf mechanische Beanspruchungen mit zweckmässigen Änderungen seiner Architektonik, was zu einer erhöhten Widerstandskraft in der Hauptbeanspruchungsrichtung führt. Im Knorpel kommt es zu einer Hypertrophie des Knorpels, wobei sich die Knorpelzellen und die Chondrone vergrössern, die Zahl der Zellen innerhalb der Chondrone zunimmt und die Stoffwechselaktivität der Knorpelzellen erhöht wird – alles Mechanismen, die den hyalinen Knorpel befähigen, erhöhte mechanische Belastungen ohne Gelenkschädigung zu bewältigen. Die Sehnen werden dicker und ihre Zug-, bzw. Reissfestigkeit nimmt durch Training zu. Dies weil sich die Sehnenfibrillen verfestigen, aber auch die Anzahl der Fibrillen zunimmt. Vergleichbar sind die Adaptionsmechanismen bei den Bändern. Auch hier führt Training zu einer qualitativen und quantitativen Strukturverbesserung. Dreiteilige Serie Wissen Sie Bescheid? Wenn Sie die folgenden fünf Fragen beantworten können, sind Sie – zumindest was Bewegung und den Säure-Basenhaushalt anbelangt – auf dem aktuellen Stand. Testen Sie sich jetzt: Wo wird die Energie bei der aeroben Oxidation erzeugt? Welcher Stoff ist für die Muskeln lebensnotwendig? Was ist die Folge einer erhöhten Konzentration von Laktat im Blut? Was ist nach intensivem Sport wichtig? Welche Nebenwirkungen können Puffersubstanzen haben? Erfahren Sie in einer dreiteiligen Serie mehr über den SäureBasen-Haushalt. Parallel dazu läuft eine Serie im Drogistenstern. Die vollständige Serie können Sie im Internet herunterladen. d-inside Mai: Alles rund um die pH-Werte im Organismus, die Azidose und Alkalose http://flash.drogoserver.ch/d-inside/5.pdf d-inside Juni: Auswirkungen der latenten Azidose sowie der Einfluss von Nahrungsmitteln auf den Säure-Basen-Haushalt http://flash.drogoserver.ch/d-inside/6.pdf d-inside Juli: Welche Auswirkungen Bewegung und Sport haben, insbesondere die Laktatbelastung http://flash.drogoserver.ch/d-inside/7.pdf 23 d-inside 07/06 Die Antworten finden Sie im Text oder im Kasten auf der Seite 30 d-inside 07/06 24 Fachwissen In der Muskulatur Adenosintriphosphat (ATP) ist für die Muskeln lebensnotwendig. Ohne ATP könnten sich die Muskeln beispielsweise nicht kontraktieren oder Membraneigenschaften wie die Natrium-Kalium-Pumpe nicht aufrechterhalten werden. Die im Muskel vorhandene Menge an ATP reicht bei einer Kontraktion nur für Sekundenbruchteile. Um bei Bewegung Engpässe an ATP zu verhindern, kann die Muskelfaser ATP auf verschiedene Arten synthetisieren. Dabei unterscheidet man die anaerobe oder antioxidative (ohne Sauerstoff) und die aerobe oder oxidative (mit Sauerstoff) Energiegewinnung. Die Muskeln enthalten rote und weisse Muskelfasern, deren Anteil sich je nach Muskel unterscheidet. Die roten Fasern haben einen aeroben Stoffwechsel und sind von einer ausreichenden Sauerstoffzufuhr abhängig. Sie eignen sich deshalb für Dauerleistungen. Im Gegenteil dazu können die weissen Fasern auch bei Sauerstoffmangel genügend ATP bilden und eignen sich somit für schnelle, starke Kontraktionen. Mit einem speziellen sportlichen Training lassen sich die Anteile der Fasertypen jedoch verändern und passen sich den physiologischen Erfordernissen an. Die roten Fasern decken ihren ATP-Bedarf weitgehend aus Fettsäuren, die über ß-Oxidation, Citratzyklus und Atmungskette abgebaut werden (siehe rechter Grafikteil). Ihre rote Farbe haben sie dank des monomeren HämProteins Myoglobin, das ihnen als Sauerstoffreserve dient. Die weissen Fasern müssen sehr schnell Energie liefern können. Sie gewinnen ATP deshalb vor allem durch anaerobe Glycolyse aus ihrem Glycogenvorrat (siehe linker Grafikteil). Das in der Glycolyse gebildete NADH+H+ muss zu NAD+ reoxidiert werden, damit der Glucoseabbau und somit die ATP-Bildung aufrechterhalten werden kann. Fehlt der Sauerstoff für die Oxidation, geschieht diese durch die Bildung von Laktat, das danach ins Blut abgegeben und in der Leber wieder zu Glucose aufgebaut wird. A. Energie-Stoffwechsel weißer und roter Muskelfasern weiße (schnelle) Fasern anaerob Glycogen ADP rote (langsame) Fasern aerob Kreatinphosphat Myoglobin ADP Fettsäuren 2+ Glucose Glucose O2 Kreatin b-Oxidation NAD + N A Glycolyse Cori-Zyklus A Lactat 1 2 ATP H2 O A Pyruvat A Acetyl-CoA O2 ADP Atmungskette P P N 1 Adenlyat-Kinase 2.7.4.3 AMP-Desaminase 3.5.4.6 Ketonkörper 2+ Kontraktion NADH + H + N P P P CitratZyklus A NADH + H + A AMP P 2 I P NH3 IMP CO2 CO2 Quelle:Taschenatlas der Biochemie, Georg Thieme Verlag, Stuttgart. 2003 Wenn Laktat entsteht Das Salz der Milchsäure, Laktat, entsteht beispielsweise bei intensiven muskulären Belastungen als Endprodukt der anaeroben Glykolyse. Bis zu einem bestimmten Mass ist der Körper in der Lage das anfallende Laktat durch die Leber, Herz, Nieren und die Muskulatur selbst abzubauen. Steigt der Energiebedarf jedoch weiter an, kommt es zu einer wachsenden Anhäufung von Laktat im Blut. Die erhöhte Konzentration von Laktat im Blut hat eine metabolische Azidose, in diesem Fall eine Laktatazidose zur Folge. Die Laktatkonzentration kann aber auch nur lokal erhöht sein, wie sie es beispielsweise bei einer rheumatoiden Arthritis in der Gelenkflüssigkeit ist. Hier wird das Laktat durch die Entzündungszellen im Gelenk produziert und kann über verschiedene Mechanismen zur Schädigung von Bindegewebe führen. Die pH-Werte im Muskelgewebe und im arteriellen Blut werden durch die Azidose stark herabgesetzt. Dadurch werden lokal die Enzyme gehemmt und die glykolytischen Stoffwechselprozesse kommen zum Erliegen. Diese Hemmung der Enzyme stellt eine Art Selbstschutz gegenüber einer zu starken Übersäuerung mit nachfolgender Zerstörung intrazellulärer Eiweissstrukturen dar. Zwei Arten von Laktatazidosen: Typ A entsteht, wenn zuwenig Sauerstoff aufgenommen wird, wie beispielsweise bei Lungenkrankheiten, wenn das Gewebe ungenügend mit Sauerstoff versorgt wird, bei einer Blutarmut oder verengten Blutgefässen. Typ B bezeichnet eine Überproduktion von Laktat, die beispielsweise bei Muskelarbeit oder beim Fasten verursacht wird. Die Ursachen können auch Krankheiten wie Diabetes mellitus, Niereninsuffizienz, Lebererkrankungen, Infektionskrankheiten, Blutvergiftung, Tumore oder Blutkrankheiten sein. Laktat ausscheiden Nach einer Belastung möchte der Organismus in möglichst kurzer Zeit wieder das Optimum des funktionellen Zustandes herstellen, also alle betroffenen Funktionssysteme wie beispielsweise das Herz-Kreislaufsystem, das Säure-Basen-Gleichgewicht oder das neuromuskuläre System wieder normalisieren. Erst wenn sich diese Systeme wieder erholt haben, ist der Körper für eine neue Belastung und mehr Leistung bereit. Unterstützt man diese Erholungsphase aktiv, ist sie umso kürzer. Das heisst, wer nach intensivem Sport nicht gleich aufhört, sondern ein geeignetes «Cool down» (Auslaufen, Ausschwimmen) macht, erholt sich schneller. Denn bei einer aktiven Erholung ist die Laktateliminationszeit gegenüber passiver Erholung auf ein Drittel verringert. Ermüdungsstoffe werden schneller eliminiert. Puffern mit Citrat und Bikarbonat Natrium-Bikarbonat (supplementiert als Puffersubstanz) soll Untersuchungen zufolge die Blutbikarbonatkonzentration und somit die Natrium- und Chloridausscheidung erhöhen, wodurch die Pufferkapazität des Blutes verbessert wird. Die verbesserte Pufferkapazität soll dabei zu einem erhöhten Wasserstoffionen- und Laktatabtransport aus dem Zellinnern führen, den intrazellulären pH stabilisieren und die körperliche Leistungsfähigkeit verbessern. Ebenso soll Natrium-Citrat über die verstärkte Natrium induzierte Chloridausscheidung die Bikarbonatspiegel im Blut erhöhen und dem Natrium-Bikarbonat identisch die Leistungsfähigkeit verbessern. Theo- retisch könnte eine Einnahme von Citrat zu erhöhten intrazellulären Citratspiegeln führen. Dadurch würde die Aktivität von Enzymen, die Bereitstellung von ATP und somit die Leistungsfähigkeit reduziert werden. Werden Natrium-Bikarbonat und Natrium-Citrat bei hochintensiven anaeroben Belastungen von einer bis zehn Minuten in der Praxis eingesetzt, können zumindest unter Laborbedingungen Leistungsverbesserungen erwartet werden. Die Leistungsverbesserungen scheinen umso deutlicher auszufallen, je stärker die belastungsinduzierte, metabolische Azidose ausgeprägt ist. In neueren Studien wurde Bikarbonat über mehrere Tage eingenommen. Erstaunlicherweise hat bei dieser mehrtägigen Einnahme die leistungsfördernde Wirkung des Natrium-Bikarbonats bis zu zwei Tage nach Absetzen der Supplemente angehalten. Nebenwirkungen Die Einnahme von Puffersubstanzen als Supplement kann zu Nebenwirkungen wie Magen-Darm-Problemen oder seltener zu Störungen im Elektrolytstoffwechsel, Störungen des peripheren und zentralen Nervensystems führen. Salzsensitive Bluthochdruckpatienten und Personen mit eingeschränkter Nierenfunktion sollen weder Natrium-Bikarbonat noch Natrium-Citrat einnehmen. Ebenso sollten die Substanzen nicht mit Milch eingenommen werden, da sie zum Milch-Alkali-Syndrom mit erhöhten Blutcalciumwerten und Calciumablagerungen in den Nieren führen. Flavia Kunz Quelle: J. Koolman, K.-H. Röhm: Taschenatlas der Biochemie, Thieme Verlag, 3. Auflage (2003) J. Weineck: Sportbiologie, Spitta Verlag 9. Auflage 2004 Allsan Scientific Notes, Informationen über Vitalstoffe, Ernährung und Phytotherapie, Nr. 7 (2002) www.dopinginfo.ch (Supplemente/Faktenblätter Natrium-Bikarbonat, Natrium-Citrat, 2003) www.saeure-basen-forum.de Prozess Aerobe Oxidation Mit Sauerstoff Anaerobe Oxidation Ohne Sauerstoff Energiemenge 36 mol ATP/mol Glukose 2 mol ATP/mol Glukose Ort der Energieerzeugung Mitochondrien Zytoplasma Laktatbildung Nein Ja Energiebereitstellung Eher langsam Relativ schnell Gespeicherte Gesamtenergiemenge im Organismus Relativ gross Eher klein, schnelle Resynthese von ATP, Speicher aber nach wenigen Sekunden leer. Speicherort Glykogenspeicher des Muskels und der Leber, Fettspeicher des Muskels und der Leber. Muskelzelle 25 d-inside 07/06 Die Energiegewinnung in Kürze