Materialien zur LPM-Forbildung vom 26.11.2012: Pädagogische Innovation im Geschichtsunterricht am Beispiel der Saarfrage 1918 – 1935 Die Saarfrage (1918 – 1935) Methodenvielfalt als Motivation für ein regionalgeschichtliches Thema in Klasse 9 Grundlage: Unterrichtsreihe im Rahmen der pädagogischen Staatsexamensarbeit (02/2011) Carmen Stopp Konzeption der Unterrichtsreihe Stunde 1. Stunde 2. Stunde 3. Stunde Thema Inhalte, Medien Das Saargebiet in der Besatzungszeit 1918 – 1920 - wechselhafte politische Zugehörigkeit der Saargegend am Beispiel von Hermann Röchling (Foto) - französische Besatzungsmächte an der Saar - erstmalige Analyse und Interpretation eines politischen Plakates (methodischer Leitfaden) - Saargebiet als eigenständige, politische Völkerbundszeit: Einheit eigenständige Entwicklung - wirtschaftliche Angliederung an Frankreich des Saargebietes - Interpretation von Quellen aus dem Privatbesitz sowie Auszug aus dem Saarstatut Kulturelle Entwicklung unter der Völkerbundsverwaltung 4. Stunde Abstimmungskampf 1933 – 1935 5. Stunde 6. Stunde - deutsch-französische Beziehungen am Beispiel der Domanialschulen (Quellentext) Zuspitzung: „Schulkampf“ - Aktualitätsbezug: Händedruck Kohl – Mitterand (Foto) - Rheinische Jahrtausendfeier als nationales Ereignis an der Saar - Propagandamaßnahmen im Abstimmungskampf; unter anderem „Deutsch ist die Saar“ (historisches Lied) - Analyse und Interpretation von zwei prototypischen Plakaten des Abstimmungskampfes - Vorbereitung des Zeitzeugen-Interviews: Erstellung eines Fragenkataloges - Abstimmungsergebnis - eigene Erstellung von politischen Plakaten für die Volksabstimmung - Gründe für das eindeutige Votum - Bedeutung der Volksabstimmung für die Saarabstimmung 1935 – Saarbevölkerung (Foto) Ergebnisse und Bewertung - Präsentation der selbst erstellten Plakate - Interview mit einem Zeitzeugen (Audio-CD) 1 Übergeordnete Ziele der Unterrichtsreihe Kognitive Lernziele Die Schüler… LZ 1: … können die Situation an der Saar während der Besatzungszeit von 1918 bis 1920 beschreiben und erklären. LZ 2: … kennen in Grundzügen die wesentlichen Regelungen des Saarstatutes. LZ 3: … kennen die vom Deutschen Reich losgelöste politische Entwicklung an der Saar. LZ 4: … erkennen, inwiefern Frankreich im politischen, kulturellen und wirtschaftlichen Bereich auf das Saargebiet Einfluss genommen hat. LZ 5: …reflektieren die Vorurteile und Ressentiments der Saarbevölkerung gegenüber Frankreich kritisch. LZ 6: … gewinnen einen Einblick in die Propagandamaßnahmen im Abstimmungskampf. LZ 7: … vergleichen und charakterisieren die zentralen Argumentationen der unterschiedlichen Gruppierungen im Abstimmungskampf. LZ 8: … nehmen Stellung zu dem Ergebnis der Volksabstimmung von 1935. Methodische Lernziele Die Schüler… LZ 1: … festigen ihre Methodenkompetenz im Umgang mit schriftlichen Quellen und interpretieren handschriftliche Dokumente der untersuchten Zeit. LZ 2: … analysieren und interpretieren politische Plakate. LZ 3: … entwickeln eigenständig politische Plakate. LZ 4: … analysieren die Wirkungsmechanismen von Propagandaliedern anhand ihrer textlichen und musikalischen Gestaltung. LZ 5: … bewerten und hinterfragen die Aussagen eines Zeitzeugen kritisch. Affektive Lernziele Die Schüler… LZ 1: … können die schwierige Situation der Saarbewohner während der französischen Besatzungszeit nachempfinden. LZ 2: … können sich in die Lage der Saarbevölkerung im Abstimmungszeitraum hineinversetzen. 2 3 Sachinformationen Das Saargebiet in der Besatzungszeit 1918 – 1920 Das Saargebiet stellte bis zum Ende des Ersten Weltkrieges weder eine geographische Einheit noch einen eigenen politisch-historischen Raum dar. Lediglich aus wirtschaftlichen Gründen entstanden mit dem Aufschwung der Schwerindustrie seit dem 19. Jahrhundert an der Saar raumbildende Impulse. Der Prozess der Industrialisierung führte schließlich dazu, dass die Saarregion zu einem der wachstumsintensivsten Wirtschaftsgebiete des gesamten Deutschen Reiches wurde.1 Politisch bildete das Saargebiet bis zum Ende der Französischen Revolution ein Territorialmosaik, dem eine Vormacht fehlte. Während der erste Pariser Frieden 1814 das heutige Saarland in der Mitte teilte, wurde durch den zweiten Pariser Frieden 1815 eine Grenze gezogen, die noch heute Gültigkeit hat. Ein Großteil des Saargebietes fiel nun an Preußen und nur ein kleiner Teil im Südosten an Bayern. Daneben existierten kleinere Besitztümer wie das Fürstentum Lichtenberg um St. Wendel, die an andere Herrschaftsterritorien angegliedert wurden, welche in der vorliegenden Arbeit keine Rolle spielen. Als Vormacht lenkte Preußen die Geschicke in der Saarregion und unterstellte sie administrativ dem Regierungsbezirk Trier innerhalb der Rheinprovinz.2 Diese territoriale Zuordnung galt zunächst bis zum Ende des Ersten Weltkrieges beziehungsweise bis zum Abschluss der für das Saargebiet relevanten Friedensverhandlungen. Vom 22. November 1918 bis zum Inkrafttreten des Versailler Vertrages am 10. Januar 1920 wurde Saarbrücken von französischen Truppen besetzt und die preußischen Landkreise einer besonderen Militärverwaltung unterstellt. Für fast alle Saarbewohner war die militärische Besetzung ihrer Heimat durch französische Truppen sowie die Abtrennung ihrer Region vom Deutschen Reich die einschneidende politische Erfahrung.3 Der Kommandeur der französischen Besatzungstruppen beschloss bereits am 24. November 1918 die Auflösung der auch an der Saar entstandenen Soldaten- und Arbeiterräte. Sowohl wirtschaftlich als auch sozialpolitisch wurden wieder die Zustände hergestellt, die vor Kriegsbeginn geherrscht hatten. Dabei blieben die alten Behörden und ihre Repräsentanten die Gesprächs- und Verhandlungspartner der Besatzungsmacht. Die Einführung demokratischer Strukturen war vorerst undenkbar geworden.4 Linsmayer, Ludwig: Politische Kultur im Saargebiet 1920 – 1932. Symbolische Politik, verhinderte Demokratisierung, nationalisiertes Kulturleben in einer abgetrennten Region, St. Ingbert 1992, S.18f 2 Herrmann, Hans-Walter / Sante, Georg Wilhelm: Die Geschichte des Saarlandes, Würzburg 1972, S.26 3 Paul, Gerhard: “Deutsche Mutter – heim zu Dir!” Warum es mißlang, Hitler an der Saar zu schlagen. Der Saarkampf 1933 – 1935, Köln 1984; S.26 4 Paul, Gerhard / Schock, Ralph: Saargeschichte im Plakat 1918 – 1957, Saarbrücken 1987, S.19 1 4 Das Verhältnis zur französischen Besatzungsmacht war von Anfang an gespannt. Das Saargebiet wurde in den ersten Tagen der Besatzung von Bekanntmachungen der deutschen Kommunalbehörden sowie der französischen Streitkräfte regelrecht überflutetet. Insbesondere die Auseinandersetzungen zwischen der Arbeiterschaft und den französischen Besatzungstruppen verschärften sich in dieser Phase zunehmend. Die Androhung militärischer Gewalt sowie die Einrichtung militärischer Kontrolldienste konnten schließlich nicht verhindern, dass die Arbeiter an der Saar in Streik traten. In der Folge verhängte General Andlauer den Belagerungszustand und verbot jede Form der Versammlung. Die Streikenden wurden zum Teil mit militärischer Gewalt zu ihren Arbeitsplätzen gebracht. Ferner ließen zahlreiche Ausweisungen, aber auch die bestehende Nahrungsmittelknappheit und Hungersnot den Unmut der Saarbewohner in dieser Situation weiter ansteigen. Vor diesem Hintergrund verfestigten sich die aus der deutsch-französischen Spannungslage erwachsenen Vorurteile und Ressentiments immer stärker in der gesamten Saarbevölkerung.5 Die kritische Lage an der Saar spitzte sich schließlich zu, als die Beschäftigten der Eisenbahn und einiger Metallbetriebe am 7. Oktober 1919 zum Generalstreik aufriefen. In den Saarstädten wurden spontane Hungerdemonstrationen durchgeführt und große Warenhäuser geplündert. Die Unruhen und Tumulte breiteten sich in kürzester Zeit immer weiter aus. Daraufhin verhängte General Andlauer erneut den Belagerungszustand und installierte Kriegsgerichte, um gegen die Plünderer und Streikenden vorzugehen. Panzer und Maschinengewehrtruppen besetzten alle strategisch wichtigen Plätze und Kreuzungen, um wieder Ruhe und Ordnung an der Saar herzustellen. Durch öffentliche Aushänge und Plakate wurde die Bevölkerung immer wieder über die jeweiligen Maßnahmen informiert.6 Neben den auch im gesamten Deutschen Reich verbreiteten Arbeiterunruhen im Kampf um bessere Arbeitsbedingungen sowie gegen wirtschaftliche Belastungen wurde im Saarrevier nach Kriegsende gegen die Besetzung durch französische Truppen sowie eine befürchtete Annexion protestiert. Die drohende Abtrennung des Saargebietes erregte schon früh auch außerhalb der Saargrenzen im Deutschen Reich Aufmerksamkeit, vor allem aus wirtschaftlichen Gründen und nicht zuletzt wegen der dort lebenden Saarländer. So wurden in Berlin im Jahre 1919 nicht nur verschiedene Protest-Veranstaltungen organisiert, sondern auch ein „Saar-Verein“ gegründet. Ein ehemaliger Beamter der Saargrubenverwaltung versuchte auf diese Weise das Interesse an der Saarfrage in der Öffentlichkeit aufrecht zu erhalten sowie die im Reich lebenden, ehemaligen Saarbewohner zu organisieren. Der Verein stand ferner in regelmäßigem Kontakt zu den für die Saarfrage verantwortlichen Dienststellen im Deutschen 5 6 Ebd, S.22 Herrmann: Die Geschichte des Saarlandes, S.32 5 Reich und führte Vorträge zu dieser Thematik an Universitäten und Schulen durch. Er initiierte einen Reiseaustausch zwischen reichsdeutschen und regionalen Vereinen an der Saar, gab mit dem „Saar-Freund“ eine eigene Zeitung heraus und organisierte verschiedene Veranstaltungen.7 In diesem Kontext ist auch der bekannte Plakatgraphiker Alexander M. Kaiser alias Alexander M. Cay8 zu nennen, der bereits 1919 im Auftrag des „Werbedienstes der sozialistischen Republik“ – einer Vorläuferorganisation der „Reichszentrale für Heimatdienst“ – Protestplakate gegen die Abtrennung des Saargebietes entwarf. Das Medium des Plakates spielte bereits zu diesem Zeitpunkt als Wahl- und Protestplakat eine bedeutende Rolle in der kulturellen und politischen Propaganda für das von Deutschland isolierte Saargebiet. Der Graphiker Cay sprach mit seinem Plakat „Protest gegen den Raub des deutschen Saargebietes“ 9 noch eine weitere zentrale Thematik an, die den Alltag der Saarbewohner während der Besatzungszeit bestimmte. So wurde allein der Umstand der permanenten militärischen Präsenz nicht nur als störend, sondern vielerorts auch als Bedrohung wahrgenommen. Dabei wirkten insbesondere die von Frankreich im Saargebiet eingesetzten farbigen Soldaten aus den französischen Kolonialgebieten für viele Saarbewohner gefährlich und Furcht erregend. Die meisten von ihnen waren zuvor noch nie einem Menschen mit dunkler Hautfarbe begegnet, so dass allein die Fremdartigkeit diesen bedrohenden Effekt auslöste. Dies führte ebenfalls dazu, dass sich die negative Haltung gegenüber Frankreich immer weiter verstärkte.10 Die Völkerbundszeit ab 1920 Das Saargebiet als neue politische Einheit Bereits während des Ersten Weltkrieges wurde von Seiten Frankreichs die Annexion des Saarindustriereviers aus strategischen und ökonomischen Motiven als eines der Kriegsziele hervorgehoben. Auch der Gedanke, die Saargruben als Reparation für Kriegszerstörungen an der nordfranzösischen Industrie zu fordern, tauchte in diesem Kontext bereits auf.11 Die Friedensverhandlungen der Alliierten führten schließlich in der Saarfrage zu einem Kompromiss, da Frankreich seine weitreichenden Annexionsforderungen gegen den Widerstand des amerikanischen Präsidenten Wilson nicht durchsetzen konnte: Dabei wurde einerseits vermieden, die Saarregion einer französischen Verwaltung zu unterstellen. 7 Paul: Saargeschichte im Plakat, S.32 Zeichner, Grafiker, Karikaturist, Bühnenbildner und Architekt; Lebensdaten: 20.09.1887 – 22.06.1971 9 siehe Anhang 3 10 Paul: Saargeschichte im Plakat, S.32 11 Paul: “Deutsche Mutter – heim zu Dir!”, S.28 8 6 Andererseits galt das für die Dauer von fünfzehn Jahren übertragene Eigentumsrecht an den Kohlengruben im Saarbecken als Wiedergutmachung für die von deutschen Truppen angerichteten Kriegsschäden sowie als Ersatz für die Zerstörung der Kohlengruben in Nordfrankreich.12 Ferner einigten sich amerikanische und britische Sachverständige im Februar 1919 darauf, dass das Saargebiet ein besonderes politisches Regime erhalten sollte. Der Abschluss der Verhandlungen im April 1919 wurde im so genannten Statut für das Saarindustrierevier festgehalten und bildete einen Teil des Versailler Vertrages13. Der Saarbevölkerung wurden die zentralen Bestimmungen des Versailler Vertrages in Zeitungen sowie auf Plakaten bekannt gegeben.14 Das Saarstatut, das am 10. Januar 1920 in Kraft trat, konstituierte erstmals das Saargebiet als eigenständige politische Region. Deutschland verzichtete zugunsten des so genannten Völkerbundes auf die Regierung des Saargebietes und somit auf seine Souveränitätsrechte. Frankreich war demgegenüber mit dem Selbstbestimmungsrecht der Saarbevölkerung einverstanden, wonach diese nach Ablauf von fünfzehn Jahren in einer Volksabstimmung über ihre weitere politische Zugehörigkeit entscheiden sollte: entweder für die Beibehaltung der Völkerbundsverwaltung (Status quo), die Rückkehr zu Deutschland oder die Vereinigung mit Frankreich. Diese Abstimmung sollte frei, geheim und unbeeinflusst stattfinden.15 Bereits unmittelbar nach Bekanntwerden der im Friedensvertrag vorgesehenen Regelung erhob sich heftiger Widerspruch in der Saarbevölkerung, allein schon gegen die Begründung, dass es sich bei den Bewohnern an der Saar um eine Bevölkerung handele, die einen nicht unerheblichen französischen Anteil umfasse. Die letzte Volkszählung vor dem Krieg ergab hingegen bei 651.984 Einwohnern im preußischen Teil des Saargebietes lediglich einen Anteil von 339 Personen, die Französisch als Muttersprache angegeben hatten. Die Loslösung vom Deutschen Reich wurde daher trotz der Garantie von Rechten und Freiheiten sowie des Zugeständnisses einer freien Volksabstimmung nach fünfzehn Jahren als Unrecht empfunden. Schon frühzeitig entstand eine Front der politischen Parteien, der Gewerkschaften sowie weiterer Verbände und der freien Presse gegen die Völkerbundsidee.16 Durch die Bestimmungen des Saarstatutes war in der Saarregion zwar eine eigenständige politische Einheit entstanden, allerdings war diese sehr stark durch andere Staaten fremdbestimmt. So wurde die Regierung des Gebietes einer Kommission von fünf Mitgliedern übertragen, die der Völkerbundsrat ernannte: ein Franzose, ein aus dem Saargebiet stammender 12 Paul: Saargeschichte im Plakat, S.23 Teil III, Abschnitt 4 (Artikel 45 – 50), vgl. Labouvie, Eva (Hrsg.): Saarländische Geschichte. Ein Quellenlesebuch, Blieskastel 2001, S.356ff 14 Paul: Saargeschichte im Plakat, S.23 15 Behringer, Wolfgang / Clemens, Gabriele: Geschichte des Saarlandes, München 2009, S.94 16 Herrmann: Die Geschichte des Saarlandes, S.32ff 13 7 und dort ansässiger Nichtfranzose sowie drei Vertreter anderer Länder. Die Kommission besaß alle Befugnisse, die früher dem Deutschen Reich zugestanden hatten. Gesetze und Verordnungen blieben zunächst weiterhin in Kraft mit Ausnahme einzelner notwendiger Änderungen wie etwa im Bereich von Zöllen. Sämtliche Macht war bei dieser Kommission gebündelt, die allerdings die Saarbevölkerung nur zum Teil repräsentierte. Am 26. Februar 1920 nahm sie ihre Amtsgeschäfte unter dem Vorsitz von Victor Rault auf. Dieser kündigte zwar an, vorrangig die Situation der Industrie und Arbeiterschaft im Saargebiet verbessern zu wollen, tatsächlich verfolgte er hingegen eher die französischen Eigeninteressen.17 Erst 1922 wurde das Recht zur Bildung einer Landesregierung aus gewählten Vertretern eingeräumt. Dieser Landesrat ermöglichte dennoch keine echte Teilhabe der Parteien an der Regierungsverantwortung, da er lediglich beratende Kompetenz hatte. Die Saarbewohner blieben daher von politischer Mitbestimmung weitgehend ausgeschlossen.18 Dabei wurde dem französischen Staat durch die neuen Bestimmungen für das Saargebiet ohnehin bereits großer Einfluss eingeräumt. Nicht nur, dass mit Victor Rault ein Franzose von dem Völkerbundsrat zum Präsidenten der ersten Regierungskommission gewählt wurde, auch die Mitgliedschaft eines Dänen und eines Belgiers in der Regierung konnte als Interessenvertretung Frankreichs betrachtet werden. Die Unabhängigkeit und Objektivität der Kommission wurde von der Saarbevölkerung sehr stark angezweifelt, weshalb ihr von vornherein Ablehnung entgegen schlug. Neben den wirtschaftlichen Vorrechten Frankreichs, die im nächsten Unterkapitel noch näher erläutert werden, wurde der französische Einfluss durch weitere Maßnahmen verstärkt: die Vertretung der Saarländer im Ausland durch Frankreich sowie die Berufung von Franzosen in leitende Beamtenstellen.19 Insbesondere während der Ära Rault von 1920 bis 1925 waren die französischen Interessen an einer Annexion des Saargebietes offenkundig. Raults Politik, die darauf ausgerichtet war, im verwaltungs- und kulturpolitischen Bereich die Bindungen der Saarbewohner zum Deutschen Bereich so weit als möglich zu lockern, schadete damit nicht nur dem Ansehen der Regierungskommission, sondern auch dem des gesamten Völkerbundes. Darüber hinaus versuchte Präsident Rault, innenpolitisch kritische Stimmen der Saarbevölkerung mit den Mitteln des Polizeistaates20 zu unterdrücken. Nach seiner Abberufung und dem damit verbundenen Ende der „profranzösischen“ Mehrheit nahm die Völkerbundsregierung ab etwa 1926 eine deutlich liberalere Haltung ein und bemühte sich, deutsche und französische Interessen an der Saar auszugleichen. Das Misstrauen der Saarbewohner gegenüber der 17 Paul: Saargeschichte im Plakat, S.23 Behringer: Geschichte des Saarlandes, S.95 19 Linsmayer, Ludwig: Die Macht der Erinnerung, in: Ders. (Hrsg.): Der 13. Januar. Die Saar im Brennpunkt der Geschichte, Merzig 2004, S.25f 20 zum Beispiel: Hausdurchsuchungen, Verhaftungen, Presseverbote und Ausweisungen 18 8 internationalen Regierung war jedoch bereits so groß, dass selbst kleinere politische Krisen beinahe automatisch in Vertrauenskrisen mündeten.21 Das parteipolitische Leben wurde an der Saar von den gleichen Gruppierungen wie im Deutschen Reich bestimmt. Der Versuch, eine französisch orientierte Partei aufzustellen, scheiterte bei den Landesratswahlen 1924 mit einem Stimmenanteil von nur 2,7% eindeutig. So hatten nur solche Parteien eine nennenswerte Wählerschaft, die eine deutsche „Mutterpartei“ vorweisen konnten, mit der die organisatorischen Verbindungen bestehen blieben.22 Die Größenverhältnisse zwischen den Parteien unterschieden sich hingegen von denen des Reiches. Die parteipolitische Führungsstellung des Zentrums ist dabei auf den katholischen Bevölkerungsanteil von über 72% an der Saar zurückzuführen.23 Diese Position konnten die Linksparteien, die nach der Novemberrevolution einen enormen Zuwachs verzeichneten, nur vorübergehend in Frage stellen und zusammen genommen zwischen 1924 und 1932 nur etwa ein Drittel der Wähler für sich gewinnen. Dabei verschoben sich zunehmend die Gewichte von der Sozialdemokratischen Partei (SPD) zur Kommunistischen Partei (KPD). Insgesamt repräsentierten diese drei Parteien etwa Dreiviertel der Wählerschaft in der Saarregion. Darüber hinaus ist nur noch die liberale Deutsch-Saarländische Volkspartei (DSVP) zu nennen, die durchgängig im Landesrat Sitz und Stimme besaß. Während ihr Wähleranteil von ursprünglich 15% im Laufe der Zwanziger Jahre bis auf etwa 7% sank, gelang der konservativen Deutschnationale Volkspartei (DNVP) 1928 der Einzug ins Parlament.24 Der auffälligste Unterschied der politischen Landschaft an der Saar im Vergleich zu den deutschen Parteien bestand allerdings im Fehlen des Rechtsradikalismus. Die Anfänge der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP) reichen zwar auch im Saargebiet bis in das Jahr 1923 zurück, jedoch blieb die Partei jahrelang ohne Bedeutung. Bei den Kommunalwahlen 1929 stellte sie erstmals in einigen Orten einen Kandidaten auf, der Erfolg blieb hingegen aus. Bei den Landesratswahlen 1932 erhielt sie ebenfalls nur 6,7% der Stimmen, die bei der DNVP zugleich verloren gingen. Trotzdem blieb der Durchbruch der Nationalsozialisten im Deutschen Reich für die Parteien an der Saar nicht folgenlos, sondern führte zu einer Krise des gemeinsamen politischen Bewusstseins. Die Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus fiel dabei mit dem ab 1933 beginnenden Abstimmungskampf an der Saar zusammen.25 21 Linsmayer: Politische Kultur, S.20 Herrmann: Die Geschichte des Saarlandes, S.36f 23 Zenner, Maria: Saarländischer Katholizismus in der Völkerbundzeit, in: Klimmt, Reinhard u.a. (Hrsg.): Richtig daheim waren wir nie. Entdeckungsreisen ins Saarrevier 1815 – 1955, Berlin 1987, S.143 24 Linsmayer: Politische Kultur, S.20ff 25 Herrmann: Die Geschichte des Saarlandes, S.37 22 9 Die wirtschaftliche Entwicklung in der Völkerbundszeit In wirtschaftlicher Hinsicht musste das Saargebiet in der Völkerbundszeit wie andere europäische Regionen die schwierige Umstellung von Kriegs- auf Friedenswirtschaft sowie die Weltwirtschaftskrise in den Jahren 1929/30 bewältigen. Darüber hinaus mussten neue Absatzmärkte gewonnen werden. Das Saargebiet erhielt zwischen 1920 und 1925 den Sonderstatus einer Freihandelszone. Sowohl die Kohle und Eisenerzeugnisse, die nach Deutschland exportiert wurden als auch deutsche Produkte, die importiert wurden, waren zollfrei. Mit dem Anschluss an das französische System bestand fortan gegenüber deutschen Einfuhren eine Zollschranke. Dies verursachte ähnlich wie der Währungsdualismus von Mark und Franc großen Unmut bei der Saarbevölkerung.26 Die schrittweise Einführung des französischen Franc als Zahlungsmittel, das zunächst nur von der Grubenverwaltung genutzt wurde, war ein Beleg für den immer stärkeren Einfluss Frankreichs, der auch den Wirtschaftssektor betraf. Dabei muss allerdings berücksichtigt werden, dass sowohl die Währungs- als auch die Zollunion mit Frankreich dem Saargebiet die gallopierende Inflation wie im Deutschen Reich ersparte. So verbesserten sich die wirtschaftlichen Verhältnisse an der Saar, als der Franc ab 1. Juni 1923 alleiniges Zahlungsmittel wurde. Dennoch änderte dies nichts daran, dass sich die Saarbewohner im eigenen Land von fremden Machthabern bevormundet sahen.27 Das Saarstatut hatte Frankreich im Wirtschaftsbereich darüber hinaus ein weiteres, großes Einflussgebiet zugestanden. Mit dem Eigentumsrecht an den Kohlengruben im Saarbecken hatte Deutschland auch das alleinige Ausbeutungsrecht an Frankreich abgetreten. Durch den Übergang der Saargruben in französischen Staatsbesitz gerieten die Bergarbeiter in unmittelbare Abhängigkeit vom französischen Staat und von französischen Grubenbeamten.28 Die wirtschaftlichen Interessen Frankreichs sowie die Wirtschaftsstruktur an der Saar bildeten die Grundlage der Grenzziehung. Dabei wurde ein Gebiet von 1900 km² so abgegrenzt, dass es alle Kohlengruben, die Industriewerke sowie das Wohngebiet der Industrie- und Bergarbeiter einschloss.29 Darüber hinaus entstanden zahlreiche französische Banken und Versicherungen 26 Behringer: Geschichte des Saarlandes, S.95f Linsmayer: Die Macht der Erinnerung, S.26f 28 Behringer: Geschichte des Saarlandes, S.95f 29 Paul: “Deutsche Mutter – heim zu Dir!”, S.29 27 10 sowie eine französische Handelskammer an der Saar. Vor diesem Hintergrund wurde auch das Wirtschaftsressort der Regierungskommission stets von einem Franzosen geleitet.30 Während bereits die politische Konstellation, insbesondere die französisch-geprägte Regierungskommission, von der Saarbevölkerung abgelehnt wurde, stießen die wirtschaftlichen Regelungen auf noch größeren Widerstand. Die Situation verschärfte sich schließlich durch den hunderttägigen Bergarbeiterstreik, der am 5. Februar 1923 mit Lohnforderungen der Bergleute begann und der von der französischen Grubenverwaltung mit Entlassungen und Wohnungskündigungen beendet wurde. Dadurch wurde die ohnehin bestehende sozial- und nationalpolitische Solidarität der Bergarbeiter gegen den französischen Staat als Arbeitgeber gefestigt. Das Bestreben, im Grenzland nicht mehr zwischen die Erbfeindschaft Deutschlands und Frankreichs zu geraten, war damit gescheitert. Der Streik führte ferner alle politischen Kräfte an der Saar zusammen, die im Widerstand gegen die Regierungskommission entstanden waren. Ein auf Verständigung angelegter Internationalismus hatte spätestens jetzt keine Chance mehr.31 Die kulturelle Entwicklung unter der Völkerbundsverwaltung Die Voraussetzungen für eine kulturelle Selbstbehauptung waren im Saargebiet besonders günstig, da ihm als eigenständige politische Region die kulturelle Autonomie durch den Versailler Vertrag ausdrücklich zuerkannt wurde. Der Bevölkerung an der Saar wurden ihre religiösen Freiheiten, ihre Schulen und ihre Sprache garantiert. Sowohl kommunale Bildungseinrichtungen als auch die unterschiedlichen Vereine waren somit dem reglementierenden Eingriff der Völkerbundsregierung weitestgehend entzogen.32 Dennoch wurde die kulturelle Situation im Saargebiet zum Teil sehr stark von Frankreich bestimmt. Dabei verbanden die Saarbewohner aufgrund der Besatzungszeit vor allem negative Erfahrungen mit ihrem Nachbarland. Auch den Landesherren in Paris war daher früh klar, dass sie mit Gewaltmaßnahmen und militärischem Zwang die Saarbevölkerung nicht für sich gewinnen konnten. So gastierten schon vor der Völkerbundszeit französische Musiktheater an der Saar und erste französische Schulen wurden errichtet, um die Saarbewohner kulturell zu beeinflussen.33 Auch die Regierungskommission gab mit Hilfe der Bergwerksverwaltung nach kurzer Zeit die Neutralität auf und unterstützte die französische Kulturpropaganda. Die Kultusund Schulabteilung unterstand dabei nie einem Mitglied aus der Saarbevölkerung, sondern in 30 Herrmann: Die Geschichte des Saarlandes, S.33 Mallmann, Klaus-Michael: Klassenkampf fürs Vaterland. Der Bergarbeiterstreik 1923, in: Klimmt, Reinhard u.a. (Hrsg.): Richtig daheim waren wir nie. Entdeckungsreisen ins Saarrevier 1815 – 1955, Berlin 1987, S.103 32 Linsmayer: Politische Kultur, S.306 33 Paul: Saargeschichte im Plakat, S.22 31 11 der Regel „profranzösischen“ Beamten. In einer Anlage zum Saarstatut wurden in diesem Zusammenhang verschiedene Einzelheiten geregelt: unter anderem das Recht Frankreichs, jederzeit Schulen für das Grubenpersonal und deren Kinder zu gründen sowie darin den Unterricht erteilen zu lassen. Dabei konnte der französische Staat Lehrer einstellen und den Lehrplan festlegen. Darüber hinaus konnten durch eine Verordnung der Regierungskommission von 10. Juli 1920 auch die Kinder des deutschen Grubenpersonals und sogar Kinder der nicht zum Grubenpersonal gehörenden Saareinwohner ihre gesetzliche Schulpflicht durch den Besuch dieser so genannten Domanialschulen erfüllen. Auf Widerstand sowohl bei der Lehrerschaft als auch bei der Bevölkerung stießen jedoch nicht nur diese Bergwerksschulen, sondern auch der fakultative französische Sprachunterricht an den Volksschulen. Diese Entwicklungen wurden als Gefährdung des deutschen Charakters des Schulwesens erachtet. Der Schulkampf spitzte sich zu, als die französische Grubenverwaltung die Bergleute dazu zwang, ihre Kinder in die französischen Schulen zu schicken.34 Im Hinblick auf die bevorstehende Volksabstimmung und der damit verbundenen deutschfranzösischen Rivalität war daher klar, dass sich das kulturelle Leben an der Saar nicht in einem politikfreien Raum abspielte. Insbesondere die ausgeprägte Festkultur stand sehr stark im Zeichen der Politik. So hatten in den Zwanziger Jahren viele große, in der „Masse“ erlebte Fest- und Feierstunden einen politischen Kultcharakter und waren mit politischen Zielen und Werten verknüpft. Ferner galten sie auch als politische Aktionsform, die insbesondere an der Saar die politische Teilhabebereitschaft der Menschen zum Ausdruck brachte.35 In diesem Kontext sind vor allem die kulturnationalen Feiern herauszustellen. Dass diese in den frühen Zwanziger Jahren an der Saar an Bedeutung zu verlieren schienen, lag primär an der Verbotspraxis der Regierungskommission, die alle öffentlichen Prozessionen und Veranstaltungen konsequent untersagte, die offen an das Nationalgefühl appellierten. Vor diesem Hintergrund wurde das erste große, öffentlichkeitswirksame Fest mit einer nationalen Ausrichtung, welches das Saargebiet in dieser Zeit erlebte, auf kirchlich-katholischem Boden gefeiert, der vor staatlichen Übergriffen weitgehend geschützt war. Der erste Katholikentag an der Saar entwickelte sich 1923 mit einer Teilnahme von etwa 70.000 Katholiken de facto zu einer Demonstration des bedrohten Deutschtums im abgetrennten Grenzgebiet und damit auch zum symbolischen Protest gegen die herrschende staatlich-politische Ordnung. Gleichzeitig bildete er das erste bedeutende, regionale Fest, das seit dem Weltkrieg außerhalb der sozialistischen Arbeiterbewegung zustande kam.36 34 Herrmann: Die Geschichte des Saarlandes, S.31ff Linsmayer: Politische Kultur, S.86f 36 Linsmayer, Ludwig: Kulturnationale Feiern, in: Dülmen, Richard van / Klimmt, Reinhard (Hrsg.): Saarländische Geschichte. Eine Anthologie, St. Ingbert 1995, S.273ff 35 12 Da nationalpolitische Feiern am besten realisierbar waren, wenn sie verdeckt als kulturelle und nicht als politische Veranstaltungen ausgewiesen wurden, waren neben kirchlich-nationalen Festen auch solche Feste beliebt, in denen das deutsche Liedgut, alte deutsche Sitten und Bräuche oder auch ein Anlass der deutschen Geschichte gefeiert wurden. Letzteres war bei der Rheinischen Jahrtausendfeier im Jahr 1925 der Fall, die als herausragendes Ereignis an der Saar – wie im ganzen Rheinland – ein eindrucksvolles Bekenntnis für Deutschland darstellte. Die Feierlichkeiten nahmen Bezug auf das Jahr 925, als der deutsche König Heinrich I. das selbständige Herzogtum Lotharingen, zu dem auch große Teile der späteren Rheinprovinz und somit das Land an der Saar gehörten, mit dem ostfränkischen, deutschen Reich wiedervereinigte. Der Anlass war dabei eher willkürlich gewählt und trat in dem geschickt inszenierten Massenspektakel auch in den Hintergrund. Die Jahrtausendfeier bot vielmehr die Gelegenheit, in einem großen Fest einerseits den nationalen Zusammengehörigkeitswillen der Bevölkerung aufzuzeigen und andererseits gegen die französischen Annexionsinteressen zu demonstrieren.37 Der Massenzuspruch, den die Jahrtausendfeier erfuhr, war nicht zuletzt im Verhalten der Regierungskommission begründet, die das Fest zwar nicht gänzlich untersagte, aber zahlreiche begrenzte Verbote aussprach. So wurden beispielsweise das Schmücken öffentlicher Gebäude, die Mitwirkung von Beamten und Schulen an der Feier sowie das Flaggen der alten schwarz-weiß-roten Reichsfarben nicht erlaubt. Dies führte jedoch nicht zu dem beabsichtigten Effekt, sondern geradewegs zum Gegenteil: Die Vorbereitungen wurden mit einer regelrechten Euphorie von immer mehr freiwilligen Helfern vorangetrieben und fast alle größeren Orte an der Saar versanken an den Festtagen in den schwarz-weiß-roten Fahnen. Diese Form des nationalen Protestes der Masse der Festteilnehmer war nicht überraschend. Er war letztlich ein Ausdruck gegen die aufgezwungene Fremdregierung und Fremdbesatzung sowie gegen die bereits beschriebene Regierungspraxis des Präsidenten Rault.38 Darüber hinaus spiegelt dieses – wenn auch nur einmalige – Ereignis der Jahrtausendfeier das Nationalgefühl an der Saar wider, das fortan bei allen öffentlichen Festen eine Rolle spielte, zum Beispiel auch bei schulischen und kirchlichen Jubiläums- und Einweihungsfeierlichkeiten. Kennzeichnend hierfür waren nicht nur der Volksfestcharakter sowie die kirchliche und vereinspolitische Unterstützung, sondern auch eine Klassen-, Religions- und Altersgrenzen überschreitende Massenmobilisation neben der Politisierung des Alltags.39 Ferner war dieser Nationalismus anfällig für politische Instrumentalisierungen. Daher sollte die Verbindungslinie nicht gänzlich außer Acht gelassen werden, die offensichtlich von dem nationalen Paul, Gerhard: “Schwarz-weiß-rot am Hundeschwanz”. Die Rheinische Jahrtausendfeier 1925, in: Klimmt, Reinhard u.a. (Hrsg.): Richtig daheim waren wir nie. Entdeckungsreisen ins Saarrevier 1815 – 1955, Berlin 1987, S.113 38 Linsmayer: Politische Kultur, S.138ff 39 Paul: Die Rheinische Jahrtausendfeier 1925, S.113 37 13 Festkultcharakter der Jahrtausendfeier zur nationalsozialistisch beeinflussten Abstimmungspropaganda von 1933 bis 1935 führte.40 Der Abstimmungskampf 1933 – 1935 Deutsche Front und Einheitsfront Infolge der Machtergreifung am 30. Januar 1933 verstärkten sich die Aktivitäten der NSDAP und ihrer Anhänger auch an der Saar. Überall wurde die Saarbevölkerung mit den nationalsozialistischen Symbolen, Parolen und Appellen konfrontiert, die Straßen, Plätze, Behörden, Geschäfte oder Wohnhäuser in Form von Giebelinschriften dekorierten. Die Propaganda der Nationalsozialisten bezog sich dabei insbesondere auf die regionalspezifische Thematik der anstehenden Volksabstimmung und erweckte zuweilen den Eindruck, als sei die Abstimmung bereits zugunsten Hitler-Deutschlands gelaufen.41 Darüber hinaus leitete die NSDAP die Gleichschaltung aller Verbände und Organisationen im Saargebiet ein. So wechselten bereits im April 1933 Mitglieder der bürgerlichen Parteien in die NSDAP über, wobei die Parteien an der Saar nur allmählich ihre Politik den neuen Verhältnissen im Reich anpassten. Dennoch schlossen sich die NSDAP Saar, die liberale DSVP, die DNVP, die bürgerliche Mitte und – trotz großer Kritik am Nationalsozialismus – auch das katholische Zentrum im Juli 1933 zur gemeinsamen Vorbereitung des Abstimmungskampfes in dem national-bürgerlichen Parteienbündnis der Deutschen Front zusammen.42 Die einzelnen Parteien behielten zwar zunächst ihre Selbstständigkeit innerhalb des Bündnisses bei, jedoch erfolgte parallel zu den Entwicklungen im Reich noch im gleichen Jahr die Auflösung der bürgerlichen Parteien. Der Gauleiter Alois Spaniol hatte es allerdings versäumt, die NSDAP Saar ebenfalls zur Festigung der Deutschen Front aufzulösen. Daraufhin übernahm Joseph Bürckel, der Gauleiter der Pfalz, die Verhandlungen mit der Deutschen Front und wurde damit auf deutscher Seite zur entscheidenden Gestalt im Abstimmungskampf. Als Nachfolger von Vizekanzler Franz von Papen wurde er am 10. August 1934 zum Saarbevollmächtigten des Reichskanzlers ernannt.43 40 Linsmayer: Politische Kultur, S.148 Paul: “Deutsche Mutter – heim zu Dir!”, S.102 42 Linsmayer: Die Macht der Erinnerung, S.40 43 Behringer: Geschichte des Saarlandes, S.101 41 14 Auf der anderen Seite nahm die SPD unmittelbar nach der Machtübernahme den Kampf gegen die neue Reichsregierung auf. Sie trat allerdings erst im Oktober 1933 mit einem entsprechenden Saarprogramm in der Öffentlichkeit auf. Die ersten Bemühungen des Parteivorsitzenden Max Braun richteten sich dahingehend, den Abstimmungstermin um fünf bis zehn Jahre zu verschieben, bis wieder eine freie Wahl an der Saar möglich wäre. Der Völkerbundsrat, der sich immer sehr genau an das Versailler Saarstatut hielt, sowie die französische Regierung berücksichtigten diese Vorschläge nicht. Die KPD kämpfte bis zum Sommer 1934 unabhängig von den Sozialdemokraten gegen den Nationalsozialismus im Reich und griff gleichsam Völkerbund, Regierungskommission und Frankreich an. Sogar die Ausfälle gegen die Sozialdemokratie wurden zunächst beibehalten. Erst als der Völkerbundsrat am 4. Juni 1934 endgültig den Termin für die Volksabstimmung auf den 15. Januar 1935 festlegte, bildete sich am 4. Juli 1934 die so genannte Einheitsfront der Kommunisten und Sozialdemokraten an der Saar. Sie forderte zur Beibehaltung der bestehenden Verhältnisse an der Saar auf, für den so genannten Status quo, und hoffte dabei, nach einem Sturz der Nationalsozialisten im Reich, in einer zweiten Abstimmung über den endgültigen Status des Saargebietes entscheiden zu können.44 Ablauf des Abstimmungskampfes und Propagandamaßnahmen Nach der Terminfestlegung für die Saarabstimmung setzte zugleich die intensive Wahlkampfphase ein. In allen Dörfern und Städten entlang von Saar und Blies begann ein regelrechter Plakat-, Transparenten- und Fahnenkrieg. Dabei konnte die Deutsche Front durch die Unterstützung der NSDAP auf das umfangreiche nationalsozialistische Instrumentarium zurückgreifen, so dass der Saarkampf die erste große Propagandaschlacht des Ministeriums für „Volks-aufklärung und Propaganda“ von Joseph Goebbels darstellte.45 Da das nationalsozialistische System hoffte, im Saargebiet seinen ersten großen außenpolitischen Erfolg zu feiern, stellte es große Geldsummen zur Stärkung der nationalen Rückgliederungspropaganda zur Verfügung.46 An der Saar, im Reich und selbst in Übersee wurden die dort lebenden Abstimmungsberechtigten47 zur Zielgruppe der nationalsozialistischen Propaganda. Auf riesigen Großkundgebungen warb Hitler zum Teil höchstpersönlich für die Rückgliederung zu Deutschland. Die überall gegründeten Saar-Vereine erschienen zwar als Träger dieser Kundgebungen, tatsächlich aber waren die Veranstaltungen detailliert im Paul: “Deutsche Mutter – heim zu Dir!”, S.270ff Paul: Saargeschichte im Plakat, S.61 46 Linsmayer: Die Macht der Erinnerung, S.15 47 Stimmberechtigt waren alle Menschen, die zum Zeitpunkt des Versailler Vertragsabschlusses ihren Wohnsitz im Saargebiet hatten. 44 45 15 Propagandaministerium geplant worden.48 Höhepunkt bildete die von Goebbels veranstaltete Saargroßkundgebung am Niederwalddenkmal in Rüdesheim. Zehntausende Saarbewohner versammelten sich hier, um Hitler zuzujubeln.49 Die zahlreichen eingesetzten Wahlplakate bildeten ein weiteres zentrales Propagandamittel, bei dem die Deutsche Front geschickt die werbepsychologischen Erkenntnisse der modernen Massenbeeinflussung nutzte. Dabei ging es in erster Linie um emotionale Aspekte. So appellierten die drei Hauptplakate an das Gefühl, die Wünsche und Sehnsüchte, aber auch an das Gewissen und den Handlungswillen des Betrachters. Beispielsweise wurde in dem von Hans Herbert Schweitzer50 entworfenen Plakat „Deutsche Mutter – heim zur Dir“51 die Rückgliederung des Saargebietes als Heimkehr des Sohnes in die Arme seiner deutschen Mutter dargestellt. Die Deutsche Front verzichtete weitgehend auf den Einsatz nationalsozialistischer Symbolik und Terminologie, um die Rückgliederung als Angelegenheit der Saarbewohner und nicht als parteipolitische Aufgabe erscheinen zu lassen.52 Die antifaschistische Einheitsfront war diesem gewaltigen Propagandaaufwand der Deutschen Front hoffnungslos unterlegen.53 Allein in den letzten Monaten des Saarkampfes wurden mit Unterstützung des Propagandaministeriums etwa 80.000 Plakate im Saargebiet aufgehängt. Gegen die mitreißende Welle des Nationalgefühls versuchten sich die Status quo-Befürworter mit nüchternen und rationalen Argumenten zu erheben, um jedem Abstimmungsberechtigen darzulegen, welches Unglück durch die nationalsozialistische Herrschaft der Saar drohen werde, und gleichzeitig die Vorteile politischer Freiheit zu betonen. Dabei verunsicherte bereits das Fremdwort „Status quo“ viele Menschen, da sie es gar nicht verstanden. Es erweckte bei ihnen das Gefühl, ein Sieg der Befürworter würde die Franzosen wieder ins Land bringen. Vor diesem Hintergrund waren umständliche Erklärungen erforderlich, weshalb in der Plakatpropaganda der Einheitsfront die Textplakate54 dominierten. Inhaltlich wurden dabei immer wieder die gleichen Schwerpunkte gesetzt: die Selbstbestimmung und Selbstverwaltung der Region, die Möglichkeit einer zweiten Abstimmung nach dem Ende der nationalsozialistischen Diktatur, die Beteiligung der Saar am Besitz der Gruben und die Beibehaltung des französischen Währungssystems. Insbesondere die wirtschaftlichen Argumente wurden immer wieder aufgegriffen. Unter anderem führten die Anhänger des Status quo in diesem Zusammenhang an, dass eine sofortige Rückgliederung den Bergbau 48 Paul: Saargeschichte im Plakat, S.61 Behringer: Geschichte des Saarlandes, S.101 50 bekannter nationalsozialistischer Grafiker, Pseudonym: Mjölnir; Lebensdaten: 25.07.1901 – 15.09.1981 51 siehe Anhang 23 52 Paul: Saargeschichte im Plakat, S.61ff 53 Behringer: Geschichte des Saarlandes, S.101 54 siehe auch Anhang 24 49 16 sowie die Hüttenindustrie stark belasten und Massenentlastungen nach sich ziehen würde.55 Auch graphisch und inhaltlich konnten sowohl die Bild- als auch die Liedproduktionen der Einheitsfront mit denen der Deutschen Front nicht konkurrieren. Ihnen fehlten nicht nur Farben oder identifizierbare Symbole, sondern vor allem eine zündende Parole.56 Außerdem verfügte die Status quo-Bewegung über keinen eigenständigen Fundus an Erinnerungen und konnte daher keine politischen Traditionen anführen, die ihre politischen Zielvorstellungen hätten legitimieren können.57 Aufgrund dieser Defensivstellung der Einheitsfront hatten sich viele Anhänger der KPD und SPD im Laufe des Abstimmungskampfes von den beiden Parteien abgewandt. Ferner wurden ganze Bevölkerungsgruppen von der Propaganda der Einheitsfront gar nicht erfasst. So tauchten Frauen weder als Subjekt noch als Adressaten des Wahlkampfes auf. Die geschilderten Schwachpunkte in der Propaganda zählten zu den Ursachen, die letztlich zum Scheitern der Status quo-Bewegung führten. Die Einheitsfront traf dabei allerdings nicht nur eine Reihe von Fehlentscheidungen im Laufe des Wahlkampfes, sondern war tatsächlich benachteiligt gegenüber der allein schon finanziell wesentlich besser aufgestellten Deutschen Front.58 Die Atmosphäre während des Abstimmungskampfes war äußerst angespannt, da die Methoden des politischen Kampfes in erster Linie von der NSDAP bestimmt wurden, obwohl diese offiziell in der Deutschen Front aufgegangen war. Die Nationalsozialisten scheuten dabei auch vor Einschüchterung, Boykott und Terror gegen Andersdenkende nicht zurück.59 Insbesondere in den letzten Tagen vor der Abstimmung spitzte sich die Lage an der Saar immer weiter zu. Plakat- und Anschlagflächen der Einheitsfront wurden umgestürzt und zerschlagen, so dass bis zum Morgen des Wahltages die Status quo-Lösung im öffentlichen Erscheinungsbild schon kaum mehr präsent war.60 Der Völkerbundskommission fiel es in dieser erhitzten Stimmung zunehmend schwerer, Recht und Ordnung im Alltag sicher zu stellen. Auch der Versuch, die Ausschreitungen mit Notverordnungen einzudämmen, blieb erfolglos. Vor diesem Hintergrund entsandte der Völkerbund im Dezember 1934 britische, italienische, niederländische und schwedische Schutztruppen mit einer Stärke von etwa 4000 Mann in die Saarregion. Diese sollten am 13. Januar 1935 den Wahlvorgang überwachen, um eine korrekte Durchführung zu gewährleisten. Entgegen einheimischer Befürchtungen erwies sich ihre Präsenz als voller Erfolg, da sie durch ihre Bewachung eine demokratische Wahl erst ermöglichten. Aufgrund 55 Paul: Saargeschichte im Plakat, S.64f Paul: “Deutsche Mutter – heim zu Dir!”, S.297f 57 Linsmayer: Die Macht der Erinnerung, S.46 58 Paul: Saargeschichte im Plakat, S.64ff 59 Herrmann: Die Geschichte des Saarlandes, S.39 60 Paul: Saargeschichte im Plakat, S.67 56 17 ihres freundlichen und korrekten Auftretens fanden sie auch viele Sympathien in der Bevölkerung.61 Ergebnis und Auswertung der Saarabstimmung Der Ausgang der Volksabstimmung hing aufgrund des bestehenden Kräfteverhältnisses zwischen den Parteien in besonderem Maße von der Haltung der bisherigen Wählerschaft des Zentrums ab. Die katholische Zentrumspartei hatte sich zwar im Oktober 1933 zugunsten der Deutschen Front aufgelöst, jedoch legten einige Mitglieder ihre Ablehnung gegenüber dem nationalsozialistischen Regime nicht ab. In diesem Kontext ist vor allem Johannes Hoffmann, damaliger Redakteur der Saarländischen Landeszeitung zu nennen, der die nationalsozialistischen Ziele und Methoden öffentlich immer wieder anklagte, weshalb er im Februar 1934 als Chefredakteur entlassen wurde. Er konnte insbesondere innerhalb der katholischen Bevölkerung und der Geistlichkeit Anhänger gewinnen, die ebenfalls die Rückkehr des Saargebietes in ein nationalsozialistisches Deutschland ablehnten.62 Nachdem jedoch der Trierer Bischof Bornewasser ausdrücklich zur Stimmabgabe für die Rückkehr zu Deutschland aufforderte, waren die Hoffnungen Hoffmanns, einen größeren Teil der Saarbevölkerung für eine Status quo-Lösung zu gewinnen, zerstört.63 Der Versuch des Katholizismus an der Saar, sowohl Kritik und Protest gegenüber der nationalsozialistischen Herrschaft auszuüben als auch das Angebot zur nationalen Zusammenarbeit zu verwirklichen, führte daher letztlich in eine nationale Solidarisierung für die Volksabstimmung.64 Insgesamt entschieden sich am 13. Januar 1935 90,76% der Abstimmungsberechtigten für die Rückgliederung zum Deutschen Reich.65 Während sich die reichsdeutsche Bevölkerung in freien Wahlen nie mehrheitlich für den Nationalsozialismus aussprach, könnte bei diesem Ergebnis der Eindruck entstehen, dass bei dem vom Völkerbund überwachten Plebiszit mehr als 90% zugleich für die nationalsozialistische Diktatur gestimmt hätten. So könnte geschlussfolgert werden, dass die Saarbevölkerung besonders anfällig gegenüber der nationalsozialistischen Propaganda und wenig demokratisch gesinnt war. Dies widerspricht jedoch den Ergebnissen der Regionalwahlen, bei denen die sich zur Weimarer Republik bekennenden Parteien (Zentrum und Sozialdemokratie) immer die Mehrheit auf sich vereinen konnten, während die NSDAP noch 1932 nur einen sehr geringen Stimmenanteil erzielte.66 Auch wenn die Anhänger der Nationalsozialisten eine sehr aktive Wählergruppe bei der 61 Burgard, Paul: Die Sprache der Bilder, in: Linsmayer, Ludwig (Hrsg.): Der 13. Januar. Die Saar im Brennpunkt der Geschichte, Merzig 2004, S.176 62 Zenner: Saarländischer Katholizismus, S.145ff 63 Behringer: Geschichte des Saarlandes, S.101 64 Zenner: Saarländischer Katholizismus, S.146 65 Herrmann: Die Geschichte des Saarlandes, S.39 66 Linsmayer: Politische Kultur, S.164 18 Abstimmung 1935 waren, so lag das Hauptanliegen der Wähler vielmehr darin, ihre Stimme für die Vereinigung mit dem angestammten Vaterland unabhängig von der dort herrschenden Partei und Staatsform abzugeben.67 Der Völkerbundsrat beschloss am 18. Januar 1935 die Vereinigung des gesamten Saargebietes mit dem Deutschen Reich zum 1. März 1935. Die Saarregion wurde unter der Bezeichnung „Saarland“ einem Reichskommissar unterstellt, wodurch endgültig die Zugehörigkeit zu Preußen und Bayern, die seit 1920 lediglich geruht hatte, beendet wurde. Reichskommissar wurde der Gauleiter Bürckel.68 Bereits wenige Monate nach dem Plebiszit erinnerte kaum noch etwas im öffentlichen Leben daran, dass zuvor ein anderes politisches System existiert hatte. Hunderte von Straßen wurden nach namhaften Nationalsozialisten umbenannt. Kurz vor dem ersten Jahrestag der Saarabstimmung gab Bürckel bekannt, dass in allen saarländischen Gemeinden eine Straße künftig „Straße des 13. Januar“69 heißen sollte. Zusätzlich gab es in vielen Orten einen „Platz der Deutschen Front“ oder einen „Befreiungsplatz“. Höhepunkt dieses nationalsozialistischen Erinnerungskultes bildete im Oktober 1938 die pompös inszenierte Einweihung des neuen „Grenzlandtheaters Saarbrücken“70, welches als Geschenk Hitlers für die nationale Treue der Saarbewohner galt.71 Didaktische Reduktion Die vorliegende Unterrichtsreihe ist chronologisch aufgebaut, so dass ein erster thematischer Schwerpunkt auf der französischen Besatzungszeit von 1918 bis 1920 liegt. Dabei sollen hauptsächlich die belastenden Faktoren durch die militärische Präsenz sowie die unklare politische Situation und die damit verbundene Angst der Annexion durch Frankreich im Vordergrund stehen. Die verschiedenen Belagerungszustände oder Streiks, die in dieser Zeit bestanden beziehungsweise durchgeführt wurden, spielen eine untergeordnete Rolle und werden nur kurz angesprochen. Auch die Gründung des „Saar-Vereins“ in Berlin wird in diesem Kontext allenfalls in Bezug auf die im Deutschen Reich lebenden Saarländer kurz erwähnt, da sich diese zum Teil sehr rege im Abstimmungskampf engagierten und 1935 auch mitstimmen durften. Im Zusammenhang mit der französischen Besatzungszeit sollen die Gründe für die antifranzösischen Ressentiments der Saarbevölkerung herausgearbeitet werden. Die negative 67 Herrmann: Die Geschichte des Saarlandes, S.39 Ebd, S.40f 69 Heute sind noch immer drei saarländische Straßen nach dem 13. Januar benannt, unter anderem in Saarbrücken (siehe auch Anhang 27). 70 heute: Saarländisches Staatstheater in Saarbrücken 71 Linsmayer: Die Macht der Erinnerung, S.16ff 68 19 Haltung gegenüber Frankreich wird darüber hinaus im Laufe der Unterrichtsreihe immer wieder aufgegriffen, insbesondere im Kontext der verstärkten Einflussnahme Frankreichs während der Völkerbundszeit in politischer, wirtschaftlicher und kultureller Hinsicht. Gerade in Bezug auf die kulturelle Entwicklung des Saargebietes wird exemplarisch die Bildung der französischen Domanialschulen an der Saar intensiv thematisiert sowie auch auf die nationale Festkultur am Beispiel der Rheinischen Jahrtausendfeier eingegangen. Auch bei der wirtschaftlichen Situation zur Zeit des Völkerbundes wird der französische Einfluss durch den Besitz der Saargruben sowie die Währung in groben Zügen behandelt. Im Zusammenhang mit der Entwicklung des Saargebietes zu einer eigenständigen politischen Einheit während der Völkerbundszeit wird anhand der Regelung im Saarstatut lediglich das Organ der Regierungskommission betrachtet. Die 1922 entstandene Landesregierung spielt im Rahmen der Unterrichtsreihe keine Rolle, da die Regierungsverantwortung weiterhin bei der dem Völkerbund unterstellten Kommission lag. Auch die politische Parteienlandschaft wird lediglich im Zusammenhang mit der Deutschen Front und der Einheitsfront angesprochen. Der Abstimmungskampf von 1933 bis 1935 wird anhand verschiedener Propagandamaßnahmen thematisiert. Exemplarisch werden dabei mit dem Saarlied „Deutsch ist die Saar“ sowie mit Wahlplakaten sehr bekannte und typische Medien herausgegriffen, um diese Sonder- aber auch Ausnahmesituation an der Saar zu veranschaulichen. Im Kontext des Abstimmungskampfes sowie bezüglich der Auswertung des Abstimmungsergebnisses kann die Bedeutung der Nationalsozialisten lediglich angesprochen werden, da die vertiefte Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus erst in der zehnten Klassenstufe erfolgt. Der Gedanke, dass das eindeutige Votum der Saarabstimmung nicht nur als nationale Entscheidung interpretiert werden kann, sondern dass dadurch auch Hitler und das nationalsozialistische Deutschland bestärkt wurden, wird zum Abschluss der Unterrichtsreihe zumindest aufgegriffen. Ein vertieftes Verständnis kann jedoch erst dann einsetzen, wenn die Saarfrage in Hitlers Konzept zur Revision des Versailler Vertrages eingeordnet werden kann. 20 Literaturverzeichnis Sekundärliteratur Behringer, Wolfgang / Clemens, Gabriele: Geschichte des Saarlandes, München 2009 Burgard, Paul: Die Sprache der Bilder, in: Linsmayer, Ludwig (Hrsg.): Der 13. Januar. Die Saar im Brennpunkt der Geschichte, Merzig 2004, S.111-217 Hannig, Jürgen: „Deutsch ist die Saar“. Das Saarlied von Hanns Maria Lux, in: Klimmt, Reinhard u.a. (Hrsg.): Richtig daheim waren wir nie. Entdeckungsreisen ins Saarrevier 1815 – 1955, Berlin 1987, S.117-122 Herrmann, Hans-Walter / Sante, Georg Wilhelm: Geschichte des Saarlandes, Würzburg 1972 Linsmayer, Ludwig: Die Macht der Erinnerung, in: Ders. (Hrsg.): Der 13. Januar. Die Saar im Brennpunkt der Geschichte, Merzig 2004, S.13-109 Linsmayer, Ludwig: Kulturnationale Feiern, in: Dülmen, Richard van / Klimmt, Reinhard (Hrsg.): Saarländische Geschichte. Eine Anthologie, St. Ingbert 1995, S.173-283 Linsmayer, Ludwig: Politische Kultur im Saargebiet 1920 – 1932. Symbolische Politik, verhinderte Demokratisierung, nationalisiertes Kulturleben in einer abgetrennten Region, St. Ingbert 1992 Mallmann, Klaus-Michael: Klassenkampf fürs Vaterland. Der Bergarbeiterstreik 1923, in: Klimmt, Reinhard u.a. (Hrsg.): Richtig daheim waren wir nie. Entdeckungsreisen ins Saarrevier 1815 – 1955, Berlin 1987, S.103-108 Paul, Gerhard: “Deutsche Mutter – heim zu Dir!” Warum es mißlang, Hitler an der Saar zu schlagen. Der Saarkampf 1933 – 1935, Köln 1984 Paul, Gerhard / Schock, Ralph: Saargeschichte im Plakat 1918 – 1957, Saarbrücken 1987 Paul, Gerhard: “Schwarz-weiß-rot am Hundeschwanz”. Die Rheinische Jahrtausendfeier 1925, in: Klimmt, Reinhard u.a. (Hrsg.): Richtig daheim waren wir nie. Entdeckungsreisen ins Saarrevier 1815 – 1955, Berlin 1987, S.113-116 Zenner, Maria: Saarländischer Katholizismus in der Völkerbundszeit, in: Klimmt, Reinhard u.a. (Hrsg.): Richtig daheim waren wir nie. Entdeckungsreisen ins Saarrevier 1815 – 1955, Berlin 1987, S.143-147 21 Quellensammlung Labouvie, Eva (Hrsg.): Saarländische Geschichte. Ein Quellenlesebuch, Blieskastel 2001 Didaktikliteratur Bauer, Volker u.a.: Methodenarbeit im Geschichtsunterricht, Berlin 1998 Gautschi, Peter: Geschichte lehren. Lernwege und Lernsituationen für Jugendliche, Mühlheim an der Ruhr 2005 Sauer, Michael: Geschichte unterrichten. Eine Einführung in die Didaktik und Methodik, Seelze-Velber 2008 Schneider, Gerhard: Das Plakat, in: Pandel, Hans-Jürgen / Schneider, Gerhard (Hrsg.): Handbuch Medien im Geschichtsunterricht, Schwalbach 2007, S.277-338 Werner, Johannes: Geschichte. Grundlagen, Arbeitstechniken und Methoden, Freising 2007 Lehrplan und Lehrwerk Saarland – Ministerium für Bildung, Kultur und Wissenschaft: Lehrplan Geschichte für die Klassenstufe 9 (achtjährigen Gymnasium), Saarbrücken 2005 Geschichte und Geschehen Bd. 4, hrsg. vom Ernst Klett-Schulbuchverlag, Leipzig 2007 Internetquellen72 http://forum.axishistory.com/files/hermann_roechling_157.jpg http://www.deuframat.de/deuframat/images/6/6_3/bredow/kap1-3b.gif http://www.landeshauptarchiv.de/index.php?id=352 http://www.memotransfront.uni-saarland.de/pdf/domanialschulen.pdf http://www.sarrelibre.de/wp-content/uploads/schild01mittel.jpg http://www.spiegel.de/img/0,1020,41493,00.jpg Musikquelle Arbeit und Kultur Saarland GmbH (Hrsg.) in Zusammenarbeit mit dem Saarländischen Rundfunk und der Universität des Saarlandes: Für und wider. Lieder und Chöre zur Saarabstimmung 1935. Eine Dokumentation, Saarbrücken 1999 72 Alle Internetseiten wurden zuletzt am 28.01.2011 gesichtet. 22 Anhang Verzeichnis Erste Stunde: Das Saargebiet in der Besatzungszeit 1918 – 1920 61 Anhang 1: Folie 1 – Foto: Hermann Röchling 62 Anhang 2: Folie 2 – Karte des Deutschen Reiches 63 Anhang 3: Folie 3 – Plakat „Raub des Saargebiets“ 64 Anhang 4: Arbeitsblatt / Folie 4 – methodischer Leitfaden 65 Anhang 5: Arbeitsblatt – methodischer Leitfaden (Erwartungshorizont) 66 Anhang 6: Hausaufgabe (Erwartungshorizont) 67 Zweite Stunde: Eigenständige Entwicklung der Saarregion unter dem Völkerbund 68 Anhang 7: Quelle 1 / Folie – Personalausweis 69 Anhang 8: Quelle 2 / Folie – Notiz 70 Anhang 9: Quelle 3 / Folie – Schulzeugnis 71 Anhang 10: Tafelbild 72 Anhang 11: Arbeitsblatt – Saarstatut 73 Anhang 12: Erwartungshorizont zum Arbeitsblatt – Saarstatut 74 Dritte Stunde: Kulturelle Entwicklung unter dem Völkerbund 75 Anhang 13: Folie – Foto: Händedruck 76 Anhang 14: Tafelbild 77 Anhang 15: Arbeitsblatt – Domanialschulen 78 Anhang 16: Erwartungshorizont zum Arbeitsblatt – Domanialschulen 79 Vierte Stunde: Gruppierungen im Abstimmungskampf 1933 – 1935 80 Anhang 17: Folie – Liedtext 81 Anhang 18: Tafelbild 82 Anhang 19: Arbeitsblatt 1 83 Anhang 20: Erwartungshorizont zum Arbeitsblatt 1 84 Anhang 21: Arbeitsblatt 2 85 Anhang 22: Erwartungshorizont zum Arbeitsblatt 2 86 Anhang 23: Plakat 1 „Deutsche Mutter“ 87 Anhang 24: Plakat 2 „Status quo“ 88 23 Fünfte Stunde: Abstimmungskampf – Erstellung eigener Plakate 89 Anhang 25: Folie – Abstimmungsergebnis 90 Anhang 26: erwartetes Tafelbild – Mindmap 91 Sechste Stunde: Saarabstimmung 1935 – Ergebnisse und Bewertung 92 Anhang 27: Folie 1 – Foto: Straße des 13. Januar 93 Anhang 28: Schüler-Plakat 1 94 Anhang 29: Schüler-Plakat 2 95 Anhang 30: Schüler-Plakat 3 96 Anhang 31: Zeitzeuge Anton Schmidt – Lebenslauf 97 Anhang 32: Folie 2 – Foto: Anton Schmidt 98 Anhang 33: Interviewleitfaden mit Schülerfragen 99 Anhang 34: Gliederung der Audio-CD (Trackliste) 100 Anhang 35: Verschriftlichung der Audio-CD 101 Anhang 36: Feedbackbogen – Formular 106 Anhang 37: Feedbackbogen 1 107 Anhang 38: Feedbackbogen 2 108 Anhang 39: Feedbackbogen 3 109 24 Erste Stunde: Das Saargebiet in der Besatzungszeit 1918 – 1920 Schwerpunktsetzung Die erste Stunde soll sowohl die Relevanz des Reihenthemas verdeutlichen als auch Interesse und Motivation für die Beschäftigung mit der Regionalgeschichte wecken. Dabei steht nicht nur die inhaltliche Betrachtung der französischen Besatzungszeit im Saargebiet im Blickpunkt. Den Schülern soll auch die allgegenwärtige, militärische Präsenz durch die fremden Besatzungsmächte bewusst werden sowie die Bedrohung, die davon für die Saarbewohner auszugehen schien. Neben dem inhaltlichen und emotionalen Aspekt wird ein methodischer Schwerpunkt gesetzt. Die Schüler beschäftigen sich erstmalig systematisch mit dem Medium des politischen Plakates, das im Laufe der Unterrichtsreihe noch einige Male zum Einsatz kommt. Stundenlernziel: Die Schüler können die territorialen und politischen Bedingungen, die das Leben an der Saar in den ersten beiden Jahren nach dem Ersten Weltkrieg bestimmt haben, erläutern und kennen Gründe für die antifranzösische Haltung vieler Saarbewohner. Ferner kennen sie eine methodische Vorgehensweise zur Analyse und Interpretation von Plakaten. 25 Stundenverlaufsplan Zeit LZ 5 min 1 6 min 2 L stellt knapp das Thema der Unterrichtsreihe vor: Saarfrage im Zeitraum von 1918 bis 1935 Erarbeitung mit integrierter Ergebnissicherung: Situation an der Saar nach Kriegsende – Methodik: Umgang mit Plakaten Überleitung: Um die Entwicklungen und Veränderungen auf dem Gebiet des heutigen Saarlandes nachvollziehen zu können, schauen wir uns zunächst das Deutsche Reich zur Geburt von Hermann Röchling an. Folie mit Karte zum Deutschen Reich (1871-1918) S kommt nach vorne und kreist das heutige Saarland auf dieser Karte ein. Begriffsklärung: Saargebiet – Saargegend – Saarland Beschreibt mit Hilfe der Karte die territoriale u. politische Besonderheit für das Saargebiet zur Zeit des Deutschen Reiches. [größter Teil preußisch (Rheinprovinz); östlicher Teil bayerisch] Schüler kommt nach vorne Erläutert die territorialen Bestimmungen des Versailler Vertrages nach dem Ersten Weltkrieg, die für die Saarregion von besonderer Bedeutung waren. [Abtretung von Elsass-Lothringen an Frankreich] Markierung Beschreibt die dadurch entstandene Veränderung der geographischpolitischen Lage des Saargebietes. [Saargebiet als Grenzregion] Lehrervortrag zur Situation an der Saar nach dem Ersten Weltkrieg: unter anderem Übernahme der Regierungsgewalt durch radikale Arbeiter und Soldaten im November 1918 in Saarstädten; Rückzug deutscher Truppen durch das Saargebiet, … 7 min AF/SF LV feUG EA feUG Folienstift LV feUG 4 6 Plakatanalyse: Folie mit Plakat aus Besatzungszeit L deckt zunächst nur die beiden Personen auf ( Overlay-Methode) Arbeitsauftrag: Beschreibt die Abbildung (in Stichworten)!, Zeitvorgabe: 3 Minuten anschließend Besprechung der Ergebnisse im Plenum und Klärung der für die Personen verwendeten Attribute Worum könnte es sich bei dieser Abbildung handeln? [Foto, Gemälde, …] Aufdecken der restlichen Folie Plakat Erläutert die Botschaft des Plakates! [Protest gegen die Besatzung des Saargebietes durch französische Truppen und eine befürchtete Annexion] L informiert kurz über den Urheber und Plakatgrafiker Alexander M. Cay sowie historischen Kontext, in dem das Plakat entstanden ist LV 18 min 7 5 8 Erstellen eines Leitfadens zum Umgang mit Plakaten Arbeitsauftrag: Formuliert sinnvolle Fragen zu den einzelnen Aspekten! Sammeln der Ergebnisse auf Folie (mit Bezug auf das vorliegende Plakat) LEK: kurze mündliche Interpretation des Plakates durch S Stellen der Hausaufgabe: ausführliche schriftliche Analyse und Interpretation des vorliegenden Wahlplakates mit Hilfe des erstellten Leitfadens! Folie 2 / Anhang 2 Folienstift EA fragend-entwickelndes Unterrichtsgespräch zur Besetzung Saargebietes durch französische Truppen und Militärverwaltung des Medien Folie 1 / Anhang 1 3 8 min 1 min Lehrerverhalten, wichtige Fragen Einstieg: stummer Impuls L legt Folie mit Foto von Hermann Röchling (1872-1955) als berühmte saarländische Persönlichkeit auf S entdecken Thematik der neuen Unterrichtsreihe: regionale Geschichte kurze Information zur Person Hermann Röchling durch L Schaut euch die Lebensdaten von Herrn Röchling an. Er hat im Laufe seines Lebens fünf verschiedene Personalausweise besessen (– ohne ein Gauner zu sein, der verschiedene Namen annimmt)!? S äußern Vermutungen: unter anderem verschiedene Staatsangehörigkeiten S wiederholen die politischen Systeme im vorgegebenen Zeitraum und erkennen drei große politische „Brüche“, die an der Saar relevant waren feUG Folie 3 / Anhang 3 EA PA feUG SV AB / Folie 4 / Anhang 4 u. 5 26 Didaktisch-methodischer Kommentar Die Unterrichtsreihe „Die Saarfrage 1918 – 1935“ startet in der ersten Stunde chronologisch mit der französischen Besatzungszeit nach Kriegsende. Als Stundeneinstieg habe ich mich für einen stummen Impuls mit einem Foto des Industriellen Hermann Röchling entschieden, der die Schüler zur regionalgeschichtlichen Unterrichtsreihe führen soll. Es ist zwar davon auszugehen, dass den Schülern Hermann Röchling nicht bekannt ist, aber zumindest den Namen „Röchling“ sollte ein Teil der Klasse mit dem Saarland in Verbindung bringen. Nach einer knappen Information über den Saarindustriellen wird in einem zweiten Schritt der Blick auf dessen Lebensdaten gelenkt und gleichzeitig die These bezüglich seiner vielen Personalausweise aufgestellt. Die Schüler entdecken selbständig den Zusammenhang zu den wechselnden politischen Systemen, die mit unterschiedlichen Staatszugehörigkeiten des Saargebietes verbunden waren. Durch diesen rätselhaften Unterrichtseinstieg soll zum einen die Neugier der Schüler sowie die Motivation für die Beschäftigung mit der Saargeschichte geweckt werden. Zu Beginn der Erarbeitungsphase findet mit Hilfe einer auf Folie projizierten Geschichtskarte des Deutschen Reiches zunächst eine geographische Einordnung statt. Ich habe mich dabei für den Einsatz einer Karte entschieden, da ich zum einen die Schüler stärker einbeziehen will und ich zum anderen davon ausgehe, dass aufgrund der farblichen Gestaltung der Karte die unterschiedliche politische Zugehörigkeit des Saargebietes zügig wiederholt werden kann. Durch die auf der Folie markierte, neue Grenzlinie nach dem Ersten Weltkrieg erkennen die Schüler darüber hinaus auch die territoriale und politische Sonderrolle des Saargebietes als neue Grenzregion. In diesem Kontext muss ferner auf die richtige Terminologie geachtet werden, da der Begriff des Saarlandes erst nach dem Zweiten Weltkrieg verwendet wird. Da in dieser Stunde die methodische Arbeit im Vordergrund stehen soll, habe ich aus zeitökonomischen Gründen beschlossen, die Situation nach Kriegsende mit ihren regionalgeschichtlichen Besonderheiten lediglich in einem kurzen Vortrag zu erläutern. In einem fragend-entwickelnden Unterrichtsgespräch zur französischen Besatzung und der allgegenwärtigen militärischen Präsenz im Saargebiet erfolgt schließlich die Überleitung zu dem politischen Plakat von Alexander M. Kaiser alias Alexander M. Cay, welches ebenfalls als Overheadfolie projiziert wird. Um die Aufmerksamkeit der Schüler auf die Bildelemente zu fokussieren, wird die Overlay-Methode angewandt und zunächst nur die Abbildung der beiden Personen sichtbar gemacht. Durch das Abdecken des Schriftzuges bleibt darüber hinaus zunächst unklar, um welche Art von Medium es sich überhaupt handelt und die Schüler können am Ende dieses Unterrichtsschrittes entsprechende Vermutungen anstellen. 27 Zuvor scheint mir jedoch ein Wechsel der Sozialform sinnvoll, da bis zu diesem Zeitpunkt der Unterricht überwiegend fragend-entwickelnd verläuft. Daher soll sich zunächst jeder Schüler selbst mit der Abbildung auseinandersetzen und diese in einer kurzen Einzelarbeit stichwortartig beschreiben. Die Ergebnisse werden im Anschluss im Plenum vorgestellt, wobei insbesondere die jeweiligen Attribute der abgebildeten Personen thematisiert werden. Die entsprechend ergänzten Notizen dienen letztendlich auch als Unterstützung für die Hausaufgabe. Nachdem die Folie vollständig aufgedeckt und damit das Medium „entschlüsselt“ wurde, erfolgt ein kurzes Unterrichtsgespräch über die Botschaft des Plakates. In einem knappen Lehrervortrag wird daraufhin der Plakatgrafiker sowie der historische Kontext erläutert, in dem das Plakat entstanden ist. In einem nächsten Unterrichtsschritt sollen sich die Schüler intensiv mit dem Plakat beschäftigen. Dazu wird ihnen mit einem vorbereiteten Leitfaden eine Struktur für die detaillierte Auseinandersetzung mit Plakaten an die Hand gegeben. Diesen sollen sie im nächsten Unterrichtsschritt um geeignete Fragestellungen zu den vorgegebenen Aspekten ergänzen, um sich dadurch ein geeignetes Hilfsmittel für die künftige Analyse und Interpretation dieses Mediums zu erstellen. An dieser Stelle ist die Sozialform der Partnerarbeit sehr sinnvoll, um möglichst viele Ideen zu sammeln und auch einen Austausch mit dem Banknachbarn zu ermöglichen. Die Ergebnisse werden anschließend im Plenum verglichen und auf einer Folie am Overheadprojektor zusammengetragen. Auf diese Weise hat jeder Schüler die Möglichkeit, fehlende Aspekte in seinem Leitfaden zu ergänzen. Ferner wird zur Veranschaulichung und zum besseren Verständnis der vorgetragenen Punkte immer wieder Bezug auf das vorliegende Plakat genommen. In einer abschließenden Betrachtung sollen die Schüler nicht nur eine erste Interpretation des Plakates mündlich formulieren, sondern dabei auch die Haltung der Saarbewohner zu den französischen Besatzungsmächten bewerten. Aufgrund der erworbenen Kenntnisse über die Besatzungszeit von 1918 bis 1920 finden die Schüler ferner Erklärungsansätze für die antifranzösischen Ressentiments an der Saar. Medien Das beim Stundeneinstieg verwendete Foto des Saarindustriellen Hermann Röchling dient in erster Linie der Illustration, um dem Namen „ein Gesicht zu geben“ und damit auch Authentizität zu verleihen. Auf das Foto selbst wird jedoch nicht weiter eingegangen. Im Mittelpunkt der Stunde steht vielmehr das Medium des Plakates. Grundsätzlich werden Textplakate von Bildplakaten unterschieden, wobei die Mischform aus beiden sicherlich am 28 häufigsten vorkommt, so auch bei dem vorliegenden Plakat, einem Protestplakat gegen die Abtrennung der Saarregion mit dem Titel „Raub des deutschen Saargebiets“. In dem Plakat des bekannten Graphikers Alexander M. Cay wird Frankreich als aggressiv wirkender farbiger Besatzungssoldat dargestellt, der den saarländischen Bergarbeiter zu erwürgen droht. Auf diese Weise knüpft der Plakatgestalter nicht zuletzt an das traumatische Erlebnis vieler Saarbewohner an, die im November 1918 aufgrund der französischen Besetzung des Saargebietes zum ersten Mal in ihrem Leben Menschen mit dunkler Hautfarbe gesehen haben. Sowohl in Erzählungen als auch in der Bildpublizistik wurde die Bedrohung durch farbige französische Besatzungssoldaten immer wieder aufgegriffen und nahm später oftmals auch rassistische Züge an. Insbesondere von der deutschnationalen Propaganda wurde die Angst vor den Andersfarbigen immer wieder mobilisiert, unter anderem im Abstimmungskampf von 1935. Ich habe gerade dieses Plakat ausgewählt, da seine Text- und graphischen Elemente den Schülern den Zugang zu diesem für sie neuen Medium erleichtern sollen. So enthält es beispielsweise keine Fachbegriffe und auch die verwendete Metapher („Raub des deutschen Saargebietes“) ist für Schüler verständlich. Ferner sollte das Bergbau-Symbol zumindest einem Teil der Klasse bekannt sein. Bei dieser erstmaligen Konfrontation mit einem politischen Plakat geht es vorrangig darum, die Lerngruppe systematisch an die Analyse und Interpretation solcher Plakate heranzuführen. Daher wird in diesem Zusammenhang ein Leitfaden zum Umgang mit Plakaten erstellt, der künftig immer wieder als Hilfsmittel verwendet werden kann. Hausaufgabe Die Schüler sollen mit Hilfe des erarbeiteten Leitfadens eine ausführliche schriftliche Analyse und Interpretation des politischen Plakates erstellen, das bereits mündlich im Unterricht besprochen wurde. Auf diese Weise können sowohl die inhaltlichen als auch die methodischen Aspekte der Stunde noch einmal gefestigt werden. 29 Anhang 1: Folie 1 – Foto: Hermann Röchling73 Hermann Röchling (* 1872, 1955) 73 http://forum.axishistory.com/files/hermann_roechling_157.jpg 30 Anhang 2: Folie 2 – Karte des Deutschen Reiches74 74 http://www.deuframat.de/deuframat/images/6/6_3/bredow/kap1-3b.gif 31 Anhang 3: Folie 3 – Plakat „Raub des deutschen Saargebiets“75 75 Paul: Saargeschichte im Plakat, S.34. Der rot eingerahmte Bereich entspricht dem Teil des Plakates, der zu Beginn des Unterrichtsschrittes sichtbar war. 32 Anhang 4: Arbeitsblatt / Folie 4 – methodischer Leitfaden Umgang mit Plakaten (methodischer Leitfaden) 1. Erster Eindruck ___________________________________________ ___________________________________________ 2. Analyse Äußere Merkmale ___________________________________________ ___________________________________________ ___________________________________________ ___________________________________________ Bildmotiv ___________________________________________ ___________________________________________ ___________________________________________ ______________________________________________________________________ ______________________________________________________________________ Bildgestaltung ______________________________________________________________________ ______________________________________________________________________ ______________________________________________________________________ Ikonographie (Symbolik) ______________________________________________________________________ ______________________________________________________________________ ______________________________________________________________________ Farbgestaltung ______________________________________________________________________ ______________________________________________________________________ ______________________________________________________________________ Text und Schrift ______________________________________________________________________ ______________________________________________________________________ ______________________________________________________________________ ______________________________________________________________________ 3. Interpretation und abschließende Beurteilung ______________________________________________________________________ ______________________________________________________________________ ______________________________________________________________________ ______________________________________________________________________ ______________________________________________________________________ ______________________________________________________________________ 33 Anhang 5: Arbeitsblatt – methodischer Leitfaden (Erwartungshorizont) Umgang mit Plakaten (methodischer Leitfaden) 1. Erster Eindruck Was springt ins Auge? Was ist der Blickfang des Plakates Welche Gefühle werden geweckt? 2. Analyse Äußere Merkmale Wer ist der Gestalter / Auftraggeber des Plakates? In welchem historischen Zusammenhang ist das Plakat entstanden? Wann wurde es produziert? Welches Thema hat das Plakat? Wer ist der Adressat des Plakates? An welchen Orten wurde es aufgehängt? Wie stark war es verbreitet? Bildmotiv Welche Personen, Figuren oder Gegenstände sind dargestellt (Anzahl; Gegner, Opfer; Feindbilder oder Heldenfiguren)? Wie sind die Personen dargestellt (als Karikatur; Gestik, Gesichtszüge, Größenverhältnisse usw.) Bildgestaltung Wie verhalten sich Größe und Proportionen der Bildelemente? Welche Perspektive wird gewählt? Welche Haltung nehmen die Personen ein? Werden sie dynamisch dargestellt? Ikonographie (Symbolik) Werden allgemeine, zeittypische oder für eine politische Richtung typische Symbole verwendet? Farbgestaltung Welche Farben sind dominierend? Werden Farben symbolhaft gebraucht? Wie werden Farbkontraste eingesetzt? Herrscht ein bestimmter Stil, eine bestimmte Technik vor (z.B. Collage)? Text und Schrift Wie lang ist der Text? Welche Schriftgröße und welche Schriftart werden verwendet? Werden besondere Stilmittel und sprachliche Figuren verwendet (Metapher, Ausruf, Abkürzungen)? Welcher Texttyp wird verwendet (Appell, Argument, These, Information, usw.)? Wie gestaltet sich die Beziehung zwischen Text und Bild (u.a. Größenverhältnis)? 3. Interpretation und abschließende Beurteilung Welches sind Botschaft, Aussage und Intention des Plakates? Welche politischen und gesellschaftlichen Einstellungen gibt das Plakat wieder? Welche Ängste oder Hoffnungen sollen beim Adressaten angesprochen werden? Wie tragen Bildaufbau und Gestaltung dazu bei, die Absicht des Plakatherstellers zu erreichen? Wie ist der Gesamtcharakter des Plakats zu beurteilen (aggressiv, dynamisch, argumentierend, karikierend usw.)? 34 Anhang 6: Hausaufgabe (Erwartungshorizont) Aufgabe: Erstelle eine schriftliche Analyse und Interpretation des Plakates „Raub des deutschen Saargebiets“. Benutze dabei den erstellten methodischen Leitfaden! Analyse Äußere Merkmale - Plakatgestalter: Alexander M. Cay; Adressat: gesamte deutsche Bevölkerung - Thema: befürchtete Annexion des Saargebietes durch Frankreich, entstanden im Jahr 1919 Bildmotiv - zwei männliche Personen: Arbeiter und Soldat in Kampfhaltung - Arbeiter: mit schwarzer Arbeitskleidung; aus dem Bergbau (Bergbausymbolik), erschreckter Gesichtsausdruck, blonde Haarfarbe typisch „germanisch“ - Soldat: blaue Uniform, mit Helm, bewaffnet; dunkle Hautfarbe aus dem französischen Kolonialgebiet stammend - Soldat scheint Arbeiter erwürgen zu wollen; Arbeiter lediglich in Verteidigungsposition Bildgestaltung - die beiden dargestellten Personen sind etwa gleich groß - feindliche Haltung der Personen: Kampf (Erwürgen) - frontale Perspektive Ikonographie (Symbolik) - Symbole des Bergbaus: Schlägel und Eisen, „schwarzer Kittel“ - Symbole des Militärs: Helm, Waffen Farbgestaltung - schwarz als dominierende Farbe im Vordergrund Ausdruck einer gefährlichen, düsteren Stimmung - Hintergrundfarbe: orange; Farbe des Soldaten: blau insgesamt: starker Farbkontrast - schwarz : symbolisch für Steinkohlebergbau im Saargebiet Text und Schrift - wenig Text: „Protestiert gegen den Raub des deutschen Saargebiets“ - in zwei verschiedenen Schriftgrößen, fett und groß: „Protestiert…Raub…Saargebiets“ - Texttyp: Appell - Bildelemente entsprechen etwa Dreiviertel des Plakates Interpretation und abschließende Beurteilung - Darstellung der drohenden Annexion des Saargebietes: Frankreich als aggressiver farbiger Besatzungssoldat personalisiert, der den saardeutschen Bergmann (Personalisierung des Saargebietes) zu erwürgen droht - Protest gegen die Besetzung des Saargebietes durch französische Truppen und eine befürchtete Annexion 35 Zweite Stunde: Eigenständige Entwicklung der Saarregion unter dem Völkerbund Schwerpunktsetzung Inhaltlich wird die vom Deutschen Reich losgelöste Entwicklung des Saargebietes nach dem Saarstatut von 1920 herausgearbeitet: sowohl aus politischer als auch aus wirtschaftlicher Perspektive. Dabei werden die zentralen Erkenntnisse zum einen aus einem Auszug des Statutes gewonnen, zum anderen aus drei Quellen aus meinem Privatbesitz. Auf diese Weise soll in der zweiten Stunde der Unterrichtsreihe erneut die Neugier für das aus Schülersicht eher unnahbare regionalgeschichtliche Thema geweckt werden sowie die Motivation an der Auseinandersetzung mit Schriftquellen – darüber hinaus gegebenenfalls auch die Suche nach entsprechenden Dokumenten und Sachquellen im eigenen Familienkreis – gefördert werden. Stundenlernziel: Die Schüler kennen die wesentlichen Inhalte des Saarstatutes sowie deren politische und wirtschaftliche Auswirkungen auf das Saargebiet. Darüber hinaus wird der methodische Umgang mit Dokumenten aus dem untersuchten Zeitraum geschult. 36 Stundenverlaufsplan Zeit LZ 5 min 4 min Lehrerverhalten, wichtige Fragen Einstieg: Protestplakat „Raub des Saargebiets“ kurze Wiederholung sowie Besprechung der Hausaufgabe Schüler tragen ihre Analyse und Interpretation des Plakates vor Erarbeitung 1: Entwicklung des Saargebiets zur Zeit des Völkerbundes Überleitung: Beschreibt die Folgen, die sich durch die französische Besetzung der Grenzregion für die Saarbevölkerung ergaben. [große Unsicherheit in der Bevölkerung, Angst vor einer Annexion, durch Frankreich] Abkopplung von der Entwicklung im Reich AF/SF feUG SV Beginn des Tafelbildes 7 min 7 8 9 min 1 3 4 8 min 2 4 3 5 6 2 min 1 min Tafel / Anhang 10 knappe Vorstellung der drei mitgebrachten Dokumente durch L: - Personalausweis eines Verwandten, Johann Stopp (1922) - Notizbuch mit einer Notiz (1927) eines weitere Verwandten - Schulzeugnis der Ehefrau von Johann Stopp (1919) LV Arbeitsauftrag: Versucht zunächst den Text (u.a. Entstehungszeitpunkt) zu entschlüsseln und untersucht dann die Quelle im Hinblick auf weitere Informationen zur vom Reich losgelösten Entwicklung an der Saar! Teilung der Klasse in drei Gruppen: jede Gruppe setzt sich mit einer Quelle auseinander; S. erhalten hierfür sowohl die originale Quelle als auch Kopien der jeweiligen Quelle Ergebnissicherung 1: S. stellen Quelle der Klasse vor und erläutern ihre gewonnenen Erkenntnisse zur Entwicklung an der Saar, nach jeder Präsentation kurze Diskussion im Plenum GA Ausweis Zeugnis Notizbuch + Kopien SV 3 Folien / Anhang 7–9 Festhalten der Ergebnisse im Tafelbild Erarbeitung 2 mit integrierter Ergebnissicherung: Saarstatut als Bestandteil des Versailler Vertrages Überleitung: Wo könnten die näheren Bestimmungen zum Saargebiet festgehalten sein? [Versailler Vertrag vom 28.06.1919] Ergänzung durch L: sog. Saarstatut Austeilen des Arbeitsblattes: gemeinsames Lesen von Artikel 45 und Artikel 49 Bearbeitung des 1. Arbeitsauftrag Ergänzung des Tafelbildes, auch der Überschrift 9 min Medien Folie 3 der letzten Stunde arbeitsteilige Vorgehensweise: jeweils eine Hälfte der Klasse: Lesen des Abschnittes zur Regierung bzw. zur Volksabstimmung und Bearbeitung von Arbeitsauftrag 2 bzw. 3 (in Stichworten) S. stellen Ergebnisse vor der Klasse vor Festhalten der Ergebnisse im Tafelbild Schlussvertiefung: Welche Einstellung hatte die Saarbevölkerung zu den Bestimmungen des Saarstatuts? Begründet eure Meinung! [Ablehnung wegen wirtschaftlicher Ausbeutung durch Frankreich, keine eigene Landesvertretung, sondern internationale Regierungskommission] Erläutert die Auswirkungen des Saarstatutes auf die Haltung der Saarbevölkerung gegenüber Frankreich. [negative Haltung aufgrund immer größerer Einflussnahme Frankreichs] Stellen der Hausaufgabe: schriftliche Bearbeitung der Arbeitsaufträge 2 bis 4 des Arbeitsblattes UG Tafel EA feUG AB / Anhang 11 u. 12 PA SV feUG AB 37 Didaktisch-methodischer Kommentar Zum Einstieg in die Stunde findet eine kurze Wiederholung der französischen Besatzungszeit sowie die Besprechung der Hausaufgabe statt. Mehrere Schüler tragen ihre Analyse und Interpretation des Plakates „Raub des Saargebiets“ vor der Klasse vor. Im Anschluss daran erhält die Klasse jeweils die Gelegenheit, die Arbeit der Mitschüler auf der Basis des erstellten Leitfadens zu beurteilen. Auf diese Weise können die erworbenen Kenntnisse im Umgang mit Plakaten gefestigt sowie die methodische Vorgehensweise der letzten Stunde noch einmal rekapituliert werden. In der ersten Erarbeitungsphase werden den Schülern zunächst die mitgebrachten Dokumente meiner Familie kurz vorgestellt und in einen Kontext eingebettet, ohne dadurch bereits zu viele Informationen preis zu geben. Nachdem der allgemeine Arbeitsauftrag erteilt ist und sich die Klasse – ohne große Umbauphase – in den drei Gruppen zusammengefunden hat, werden die einzelnen Materialien zur Verfügung gestellt. Dabei erhalten die Schüler neben dem originalen Dokument auch Kopien der Quelle, um sich in der Gruppe besser austauschen zu können. Die selbständige Erarbeitung historischer Sachverhalte anhand der vorliegenden Schriftquellen wird aus mehreren Gründen durchgeführt. In der Regel erhalten die Schüler im Geschichtsunterricht nur edierte Texte, also didaktisierte Quellen. Diese werden allein schon aufgrund der besseren Lesbarkeit, aber auch zum leichteren Verständnis vereinfacht oder zumindest verkürzt. Daher soll anhand der vorliegenden Dokumente exemplarisch der methodische Umgang mit handschriftlichen Quellen gefördert werden. Während der Gruppenarbeitsphase werde ich den einzelnen Gruppen bei Bedarf verschiedene Hilfestellungen zum methodischen Vorgehen geben. In einem ersten Schritt sollen die Schüler zunächst die Sütterlinschrift entziffern, um auf diese Weise Schlüsselbegriffe zu entdecken, die ihnen Rückschlüsse über die weitere Entwicklung des Saargebietes ermöglichen. In der anschließenden Ergebnissicherung erläutern zwei Schüler aus jeder Gruppe die jeweilige, auf Folie projizierte Quelle vor der Klasse. Sie fassen ihre Ergebnisse zusammen und stellen ihre Interpretationsansätze zur Diskussion. Nach jeder Präsentation findet daher ein kurzer Meinungsaustausch im Plenum statt. Nicht zuletzt soll durch diese handlungsorientierte Auseinandersetzung mit den unterschiedlichen Originalquellen aus dem Saargebiet erneut die Motivation an dem regionalgeschichtlichen Thema gefördert werden. In der zweiten Erarbeitungsphase werden mit Hilfe des Textauszuges zum Saarstatut die gewonnenen Erkenntnisse um die rechtlichen Bestimmungen ergänzt. Nach einer kurzen Einzelarbeit zu der wirtschaftlichen Regelung im Saarstatut wird Artikel 49 im fragendentwickelnden Unterrichtsgespräch erarbeitet, da dieser aufgrund seiner schwierigen 38 Fachbegriffe wie „Treuhänder“ oder „Souveränität“ nicht einfach zu verstehen ist. Hier müssen bei Bedarf zusätzliche Erläuterungen gegeben werden. Der Rest des Vertrages wird im Anschluss arbeitsteilig untersucht. Dabei beschäftigt sich die eine Hälfte der Klasse mit der Regierung und die andere mit der Volksabstimmung sowie dem jeweils dazugehörigen Arbeitsauftrag. Die Schüler arbeiten hierfür mit ihrem Banknachbarn zusammen, um aus Zeitgründen gemeinsam möglichst schnell die zentralen Aussagen herauszufinden. Die einzelnen Ergebnisse der Stunde werden sukzessive nach den jeweiligen Unterrichtsschritten im Tafelbild festgehalten, wobei die Überschrift aufgrund des zunächst unbekannten Begriffes des Völkerbundes erst am Ende der zweiten Erarbeitungsphase ergänzt wird. In einer Schlussvertiefung vermuten die Schüler, welche Reaktionen die Bestimmungen des Saarstatutes in der Saarbevölkerung hervorriefen. Auf diese Weise wird eine Brücke zur letzten Stunde geschlagen, in der bereits die antifranzösische Haltung vieler Saarbewohner während der Besatzungszeit thematisiert wurde. Sie stellen fest, dass sich die Ressentiments gegenüber Frankreich aufgrund einer immer stärkeren Einflussnahme weiter verfestigt haben. Medien Im Zentrum der Stunde stehen drei Dokumente aus dem für die Unterrichtsreihe relevanten Zeitraum, auf die ich in meinem familiären Umfeld gestoßen bin. Bei der ersten Quelle handelt sich um einen Personalausweis eines Verwandten aus dem Jahre 1922. Johann Stopp hatte im Laufe seines Lebens wie der Saarindustrielle Hermann Röchling aufgrund der wechselnden Staatszugehörigkeit des Saargebietes mehrere Ausweise. Er war von Beruf – für das Saargebiet typisch – Bergmann und hatte die bayerische Staatsangehörigkeit, da er in Ballweiler76 und damit im östlichen Teil des Saargebietes geboren war und wohnte. Die Schüler müssen zunächst diese Daten aus dem handschriftlich geschriebenen und dadurch schwer lesbaren Ausweis entschlüsseln und können daraus erste Rückschlüsse auf die Entwicklung des Saargebietes in den Zwanziger Jahren ziehen: unter anderem die offensichtlich noch aus der Kaiserzeit unveränderte Staatsangehörigkeit trotz augenscheinlicher politischer Veränderungen im Saargebiet. Letztere können durch die weitere Untersuchung der Quelle geschlussfolgert werden. So verrät beispielsweise die Aufschrift „Regierungs-Kommission des Saargebiets“ auf dem Personalausweis, dass an der Saar ein vom Deutschen Reich losgelöstes politisches System entstanden sein muss. Der starke französische Einfluss kommt dabei nicht zuletzt durch die französische Übersetzung auf dem Papier zum Ausdruck. 76 heute: Stadtteil von Blieskastel im Saar-Pfalz-Kreis 39 Auch die zweite Quelle, ein kleines Notizbuch, bietet Informationen zur Völkerbundszeit. Es handelt sich dabei nicht um ein Tagebuch, sondern lediglich um ein kleines Buch mit unterschiedlichsten Bemerkungen von einem weiteren Verwandten aus meiner Familie. Da es leider sehr beschädigt ist, wird es zwar den Schülern gezeigt, jedoch wird für die Gruppenarbeit nur ein Auszug aus dem Notizbuch als Kopie zur Verfügung gestellt. Diese Notiz aus dem Jahre 1927 ist eine kurze Bemerkung zu den Kosten für künstliche Zähne. Dabei geht es in erster Linie darum, zu erkennen, dass die gültige Währung zu diesem Zeitpunkt der französische Franc war. Darüber hinaus stellt auch hier die schwer zu entziffernde Handschrift eine zusätzliche Herausforderung dar. Die Auseinandersetzung mit dieser Art von Quellen soll den Schülern daher nicht nur einen Eindruck der Arbeit von Historikern vermitteln, sondern auch den Spaß am Rätselraten und Knobeln zur Entschlüsselung der Quellen hervorrufen. Die dritte Quelle, ein Schulzeugnis der Ehefrau des oben genannten Johann Stopp, die bereits mit ihrem Mädchennamen Stopp hieß, stammt aus dem Jahr 1919 und steht damit nicht in direkter Verbindung zur Völkerbundszeit. Dennoch können dem Entlassungszeugnis aus der Volksfortbildungsschule weitere, insbesondere mentalitätsgeschichtliche Informationen der Zeit entnommen werden: unter anderem Art und Bedeutung der Schulfächer, Leistungserwartung und Benotung, besondere Zielsetzungen des Unterrichts, aber auch die Ästhetik, mit der das Zeugnis überhaupt gestaltet wurde. Ferner sollen die Schüler durch die Arbeit mit diesen Quellen auch mit dem Vokabular der Zeit vertraut gemacht werden. Zuletzt kommt ein Auszug aus dem Saarstatut zum Einsatz, der weitere Hinweise zum politischen System in der Völkerbundsverwaltung und den wirtschaftlichen Bestimmungen der Friedensvereinbarung liefert. Dabei wird auch der Begriff des Völkerbundes erarbeitet. Darüber hinaus kann mit Hilfe der Textquelle die Regelung zur geplanten Abstimmung und damit zum weiteren politischen Verbleib des Saargebietes erschlossen werden. Hausaufgabe Die Schüler sollen den zweiten bis vierten Arbeitsauftrag auf dem in der Stunde ausgeteilten Arbeitsblatt zum Saarstatut schriftlich bearbeiten. Dadurch können einerseits die zum Ende der Stunde nur noch kurz besprochenen Unterrichtsinhalte zur Regierungsorganisation und zur Volksabstimmung wiederholt und gefestigt werden. Andererseits dient eine solche Hausaufgabe der kontinuierlichen Verbesserung der schriftlichen Ausdrucksfähigkeit der Schüler. Im letzten Arbeitsauftrag können die Ergebnisse der Stunde noch einmal zusammengefasst werden, um dann in einer Transferleistung diese erstmalige, vertragliche Regelung für die Saarregion als „Geburtsstunde des Saarlandes“ zu interpretieren. 40 41 Anhang 7: Quelle 1 / Folie – Personalausweis 42 Anhang 8: Quelle 2 / Folie – Notiz Eintrag aus einem privaten Notizbuch von 1927 Übersetzung: Am 16.4.1927 10.000 ffr77 auf die Zähne anbezahlt. Rest 14.000 Den Rest von 14.000 bezahlt am 10.5.19 7. 77 ffr: französische Franc 43 Anhang 9: Quelle 3 /Folie – Schulzeugnis 44 Anhang 10: Tafelbild Das Saargebiet zur Zeit des Völkerbundes (1920 – 1935) nach dem Ersten Weltkrieg: Besetzung des Saargebietes durch französische Truppen eigenständige, vom Deutschen Reich losgelöste Entwicklung: Saarstatut vom 10.01.1920 (Teil des Versailler Vertrages) Saargebiet erstmals als politische Einheit internationale Regierungskommission des Saargebietes wirtschaftliche Angliederung an Frankreich französische Währung Kohlengruben im Besitz Frankreichs Saargebiet für 15 Jahre dem Völkerbund unterstellt danach: Volksabstimmung und Entscheidung über die weitere politische Zugehörigkeit 45 Anhang 11: Arbeitsblatt – Saarstatut Das Saarstatut als Bestandteil des Versailler Vertrages (in Kraft getreten am 10.01.1920) Schon kurz nach Beginn des Ersten Weltkrieges hatte Frankreich aufgrund der engen Verflechtung zwischen saarländischer und lothringischer Wirtschaft das Saarindustrierevier für sich beansprucht. Ziel war daher die Annexion dieser Region, welche jedoch in den Versailler Friedensverhandlungen hauptsächlich am Einspruch des amerikanischen Präsidenten Wilson scheiterte. Der schließlich zwischen den Siegermächten gefundene Kompromiss ist in Teil III, Abschnitt 4 des Versailler Vertrages, im so genannten „Saarstatut“, festgeschrieben. Artikel 45: Als Ersatz für die Zerstörung der Kohlengruben in Nordfrankreich und als Anzahlung auf die von Deutschland geschuldete völlige Wiedergutmachung der Kriegsschäden tritt Deutschland das völlig schulden- und lastenfreie Eigentum an den Kohlegruben im Saarbecken, wie es im Artikel 48 abgegrenzt ist, mit dem ausschließlichen Ausbeutungsrecht an Frankreich ab. Artikel 49: Deutschland verzichtet zugunsten des Völkerbundes, der insoweit als Treuhänder gilt, auf die Regierung des oben bezeichneten Gebietes. Nach Ablauf einer Frist von fünfzehn Jahren nach Inkrafttreten des gegenwärtigen Vertrages wird die Bevölkerung dieses Gebietes zu einer Äußerung darüber berufen, unter welche Souveränität sie zu treten wünscht. Anlage zum Vertrag: Kapitel II: Regierung des Saarbeckengebiets § 16. Die Regierung des Saarbeckengebiets wird einem den Völkerbund vertretenden Ausschuss übertragen. § 17. Der im § 16 vorgesehene Regierungsausschuss besteht aus fünf Mitgliedern, die vom Rate des Völkerbunds ernannt werden. Ihm gehören an ein Franzose, ein aus dem Saarbeckengebiet stammender und dort ansässiger Nichtfranzose und 3 Mitglieder, die drei anderen Ländern als Frankreich und Deutschland angehören. Die Mitglieder des Regierungsausschusses werden auf ein Jahr ernannt; ihr Auftrag kann erneuert werden. […] Kapitel III: Volksabstimmung § 34. Nach Ablauf einer Frist von fünfzehn Jahren nach Inkrafttreten des gegenwärtigen Vertrages wird die Bevölkerung des Saarbeckengebiets berufen, ihren Willen wie folgt zu äußern: Eine Abstimmung findet gemeinde- oder bezirksweise über folgende drei Fragen statt: a) Beibehaltung der durch den gegenwärtigen Vertrag und diese Anlage geschaffenen Rechtsordnung, b) Vereinigung mit Frankreich, c) Vereinigung mit Deutschland. aus: Labouvie, Eva (Hrsg.): Saarländische Geschichte. Ein Quellenlesebuch, Blieskastel 2001, S.356ff Arbeitsaufträge: 1. Erläutere die wirtschaftliche Bestimmung im Saarstatut sowie deren Rechtfertigung. 2. Beschreibe die Organisation der Regierung des Saargebietes. 3. Beschreibe die Regelung, die zum weiteren politischen Verbleib des Saargebietes getroffen wurde. 46 4. Das Inkrafttreten des Saarstatuts wird auch als „Geburtsstunde des Saarlandes“ bezeichnet. Erläutere diese Aussage. 47 Anhang 12: Erwartungshorizont zum Arbeitsblatt – Saarstatut Arbeitsaufträge: 1. Erläutere die wirtschaftliche Bestimmung im Saarstatut sowie deren Rechtfertigung. - Kohlengruben gehen in den Besitz Frankreichs über, inklusive dem Ausbeutungsrecht - Rechtfertigung: Wiedergutmachung der Kriegsschäden, die von Deutschland verschuldet wurden 2. Beschreibe die Organisation der Regierung des Saargebietes. - Regierung durch einen internationalen Ausschuss, der den Völkerbund vertritt - Regierungsausschuss aus fünf Mitgliedern bestehend: ein Franzose, ein aus dem Saargebiet stammender und dort ansässiger Nichtfranzose sowie drei Mitglieder aus anderen Ländern (als Deutschland oder Frankreich) - Ernennung der Mitglieder durch den Rat des Völkerbundes auf ein Jahr 3. Beschreibe die Regelung, die zum weiteren politischen Verbleib des Saargebietes getroffen wurde. - Volksabstimmung nach einer Frist von fünfzehn Jahren nach Inkrafttreten des Saarstatutes (10.01.1920), die über den weiteren politischen Verbleib der Saarregion entscheidet - drei Optionen: Angliederung an Frankreich, Rückgliederung an Deutschland oder Beibehaltung der durch das Saarstatut festgelegten Regelung 4. Das Inkrafttreten des Saarstatuts wird auch als „Geburtsstunde des Saarlandes“ bezeichnet. - eigenständige, vom Deutschen Reich losgelöste Entwicklung des Saargebietes: erstmals Saarregion als politische Einheit - Saarstatut als erste, schriftliche Vertragsregelung der Bestimmungen, die das Gebiet betreffen, das etwa dem heutigen Saarland entspricht daher Bezeichnung des Inkrafttretens dieser Regelung als „Geburtsstunde des Saarlandes“ 48 Dritte Stunde: Kulturelle Entwicklung unter dem Völkerbund Stundenlernziel Die Schüler kennen die Domanialschulen als Beispiel für die französische Einflussnahme auf die kulturelle Entwicklung des Saargebietes während der Völkerbundszeit und bewerten diese als weiteren Grund für die antifranzösische Haltung der Saarbewohner. 49 Stundenverlaufsplan Zeit 6 min 11 min 20 min Lehrerverhalten, wichtige Fragen Einstieg: Das Saarstatut – die „Geburtsstunde“ des Saarlandes!? Impuls wird im Vorfeld als Diskussionsgrundlage für ein Wechselgespräch der S an die Tafel geschrieben damit Besprechung der Hausaufgabe (Arbeitsauftrag 4) S tragen restliche Hausaufgaben (Arbeitsaufträge 2 und 3) vor der Klasse vor Erarbeitung: Domanialschulen L fasst Ergebnisse zur negativen Haltung der Saarbevölkerung gegenüber Frankreich (vor allem durch politische und wirtschaftliche Einflussnahme) zusammen und leitet zu kulturellen Auswirkungen über Austeilen des Arbeitsblattes zu den Domanialschulen lautes Vorlesen des Info- und Quellentextes sowie Begriffsklärung S bearbeiten schriftlich die beiden Arbeitsaufträge Ergebnissicherung: Besprechung der Ergebnisse der Einzelarbeit: Kritik und Forderungen Vertiefung zur Einstellung der Saarbevölkerung gegenüber Franzosen und Entwicklung der deutsch-französischen Beziehungen [bisher Erbfeindschaft, v.a. durch Kriege: 1870/71, 1.Weltkrieg; jetzt weitere Verschlechterung der Beziehungen] Welches Ziel hat Frankreich mit der sog. „Französisierungspolitik“ im Saargebiet verfolgt? [„profranzösische“ Entscheidung bei der Volksabstimmung] Welche Reaktion könnte diese verstärkte Einflussnahme Frankreichs bei der Saarbevölkerung hervorgerufen haben? [ablehnende Haltung; immer stärkere Verbreitung eines antifranzösischen Nationalismus an der Saar] Ergänzung durch L: Höhepunkt dieser nationalen Erhebung an der Saar: Jahrtausendfeier 1925 Stellen der Hausaufgabe sukzessives Festhalten der Ergebnisse im Tafelbild Schlussvertiefung: Foto vom Händedruck (1984) Aufdecken eines Bildausschnittes ( Overlay-Methode) sowie kurze Information durch L: berühmtes Foto, das für die deutsch-französische Beziehung steht Wer sind die Personen auf dem Foto? [Francois Mitterand, (ehemaliger frz. Staatspräsident) und Helmut Kohl (ehemaliger Bundeskanzler)] Nehmt Stellung zu diesem Foto! 8 min Zu welchem Anlass und wo könnte das Foto entstanden sein? Aufdecken des kompletten Fotos S vermuten L informiert über das Foto: bereits ein Jahr nach Amtsübernahme (22.09.1984) Treffen von Helmut Kohl mit dem französischen Staatspräsident François Mitterrand am Ort der Schlacht um Verdun; erster deutscher Bundeskanzler, der an der Gedenkfeier für die Opfer der beiden Weltkriege teilnahm; Händedruck, der minutenlang andauerte, als das Symbol der deutsch-französischen. Aussöhnung Vergleich zur heutigen deutsch-französischen Beziehung S ziehen Fazit zu deutsch-französischen Beziehungen [Beziehungen verändern sich, nicht statisch] solche Veränderungen besonders gut im Grenzraum beobachtbar Hausaufgabe: Internetrecherche zur rheinischen Jahrtausendfeier 192578 78 AF/SF Medien Tafel UG SV LV EA AB / Anhang 15 u. 16 SV feUG Tafel / Anhang 14 feUG Folie / Anhang 13 LV SV Hinweis auf mögliche Internetquelle an Schüler: http://www.landeshauptarchiv.de/index.php?id=352 50 Anhang 13: Folie – Foto: Händedruck79 79 http://www.spiegel.de/img/0,1020,41493,00.jpg. Der rot eingerahmte Ausschnitt entspricht dem Teil des Fotos, der zu Beginn des Unterrichtsschrittes sichtbar war. 51 Anhang 14: Tafelbild Kulturelle Entwicklung in der Völkerbundszeit verstärkte Einflussnahme auf politischem, wirtschaftlichem, aber auch kulturellem Gebiet durch Frankreich (Gründung von Domanialschulen) „Französisierungspolitik“ (Ziel: „profranzösische“ Entscheidung bei der Volksabstimmung 1935) aber: immer stärkerer antifranzösischer Nationalismus an der Saar Beispiel: Rheinische Jahrtausendfeier 1925 in Saarbrücken weitere Verschlechterung der ohnehin spannungsgeladenen deutsch-französischen Beziehungen im Saargebiet 52 Anhang 15: Arbeitsblatt – Domanialschulen Die französischen Domanialschulen 1 5 10 Das Saarstatut im Versailler Friedensvertrag erlaubte dem französischen Staat die Gründung von Schulen für die Kinder des französischen Grubenpersonals, in denen Unterricht in französischer Sprache erteilt werden sollte. Darüber hinaus ermöglichte die Regierungskommission durch Verordnung vom 10. Juli 1920, dass auch Kinder des deutschen Grubenpersonals und sogar Kinder der nicht zum Grubenpersonal gehörigen Saareinwohner ihrer gesetzlichen Schulpflicht durch den Besuch dieser so genannten Domanialschulen genügen konnten. Die Diskussion über die Domanialschulen entwickelte sich in den Folgejahren zu einem der brisantesten Themen der Saarpolitik. Viele deutsche Lehrer und Lehrerinnen empfanden die französischen Kollegen zunehmend als Konkurrenz und sahen sich als Speerspitzen im Kampf gegen eine erzwungene „Französisierung“ der Kinder. Als deutsche Beamte wollten sie daher für die deutsche Sprache und Kultur eintreten.80 Stellungnahme der Lehrerschaft des Saargebietes zu den Domanialschulen der französischen Grubenverwaltung 1 Mit steigender Entrüstung muss die gesamte Lehrerschaft des Saargebietes weiterhin erfahren, dass ausländische und einige abtrünnige einheimische Elemente fortfahren, für die Domanialschule der französischen Grubenverwaltung mit Mitteln zu werben, die den einfachsten Menschenrechten Hohn sprechen. In aller Öffentlichkeit sei festgestellt, dass 5 Gruben- und Domanialschulangestellte nach wie vor die unmoralischsten Lock- und Druckmaßnahmen gegen die bergmännische Bevölkerung anwenden, die ohnedies zunehmender wirtschaftlicher Not ausgesetzt ist. Es ist eine unleugbare Tatsache, dass die land- und volksfremden Domanialschulen keine Stätte der Bildung und Erziehung für deutsche Kinder sein können, dass sie sogar der im Friedensvertrag gewährleisteten 10 deutschen Volksschule und Sprache Schaden zufügen. Sie sind nach eigenem Urteil der Franzosen lediglich ein Mittel, für französische Gesinnung im Saargebiet bedenkenlos zu werben. Die Versammlung legt schärfste Verwahrung ein: 1. gegen jede Einschulung deutscher Kinder in die Domanialschulen, (…) gegen die wahllos von der Regierung erteilten 15 Genehmigungen zu Übertritten von Nichtbergmannskindern; 2. gegen die Werbemethoden zur Füllung der Domanialschulen, die durch Versprechungen und Drohungen in unverantwortlicher Weise die Not der Bevölkerung missbrauchen. (…) Die Versammlung bittet mit aller Dringlichkeit den Völkerbund, seinen Zielen und Weisungen hier Geltung zu verschaffen und weist mit Bedauern darauf hin, dass nichts 20 mehr der Völkerbundidee schaden muss als die skandalösen Zustände in den Domanialschulen. Jeder Edelgesinnte, jeder Friedens- und Menschenfreund wird um Beistand gegen die Vergewaltigung gedrückter Eltern und Kinder gebeten. Die Versammlung dankt den bergmännischen Volksgenossen für ihr treues Ausharren, (…); sie ruft alle Eltern auf, sich nicht verführen oder schrecken zu lassen, sondern ihre Kinder, ihr teuerstes Gut, vor dauerndem Schaden zu bewahren. Die Lehrerschaft am 14. März 1930 aus: Labouvie, Eva (Hrsg.): Saarländische Geschichte. Ein Quellenlesebuch, Blieskastel 2001, S.390 Arbeitsaufträge: 1. Erläutere die Kritik der deutschen Lehrerschaft an den französischen Domanialschulen. vergleiche Aufsatz „Domanialschulen im Saargebiet (1920-1935)“ von Gerhild Krebs, einsehbar unter: http://www.memotransfront.uni-saarland.de/pdf/domanialschulen.pdf 80 53 2. Nenne die Forderungen der deutschen Lehrer und Lehrerinnen an den Völkerbund. 54 Anhang 16: Erwartungshorizont zum Arbeitsblatt – Domanialschulen 1. Erläutere die Kritik der deutschen Lehrerschaft an den französischen Domanialschulen. - menschenverachtende Vorgehensweise von Domanialschulen zum Anwerben von Schülern, insbesondere Zwangsmaßnahmen - Anpassung der Domanialschulen an das französische Volksschulsystem - Umerziehung deutscher Schüler: französische Sprache und Kultur - schlechte Zustände in den Domanialschulen, Unterdrückung von Kindern und Eltern - Missbrauch der Notsituation vieler Arbeiter Abhängigkeit der Bergarbeiter von dem Monopolarbeitgeber 2. Nenne die Forderungen der deutschen Lehrer und Lehrerinnen an den Völkerbund. - keine Einschulung deutscher Kinder in die Domanialschulen - keine wahllos von der Regierung erteilten Genehmigung zum Besuch der Domanialschulen durch Nichtbergarbeiterkinder - Verbot der von den Domanialschulen praktizierten Werbemethoden 55 Vierte Stunde: Gruppierungen im Abstimmungskampf 1933 – 1935 Schwerpunktsetzung Inhaltlicher Schwerpunkt der Stunde bildet die Auseinandersetzung mit den beiden im Abstimmungskampf entstandenen politischen Organisationen Deutsche Front und Einheitsfront sowie deren jeweiligen Wahlkampfinhalten. Methodisch soll sowohl der Umgang mit Propagandaliedern geschult als auch die Analyse und Interpretation von politischen Plakaten vertieft werden. Stundenlernziel: Die Schüler kennen die Deutsche Front sowie die Einheitsfront als zwei zentrale Organisationen, die im Kontext der Saarabstimmung von 1935 gegeneinander angetreten sind, und deren jeweilige Argumentationsgrundlage. 56 Stundenverlaufsplan Zeit 12 min LZ 6 2 12 min 1 5 6 2 3 13 min 2 7 4 1 min 7 min Lehrerverhalten, wichtige Fragen Einstieg: Saarlied: „Deutsch ist die Saar“ L bettet Saarlied in den historischen Kontext ein: Lied auf einer Klassenfahrt entstanden, von einem Lehrer (Hanns Maria Lux) auf bekannte Melodie des Steigerliedes verfasst Abspielen der ersten beiden Strophen, parallel: Text auf Folie Hörauftrag: Achtet auf besondere textliche und musikalische Gestaltungselemente. S machen sich Notizen Schildert euren Eindruck! / Nennt besondere Gestaltungsmittel! Begründet, warum in diesem Lied die Zugehörigkeit des Saargebietes zu Deutschland so hervorgehoben wird! [antifranzösische Haltung aufgrund verstärkter Einflussnahme Frankreichs auf polit., wirtschaftl. und kulturellem Gebiet Verschlechterung der deutsch-französischen Beziehungen] L informiert über den Einsatz von Saarliedern als nationales Bekenntnis L liest Zitat aus der Zeitung (Erlebnisschilderung eines Schulkindes) vor: „Bei de Johrdausendfeier wolle mer de Franzose emol weise, daß mer deitsch sinn unn noch zu Deitschland geheere.“ Besprechung der Hausaufgaben: rheinische Jahrtausendfeier 1925 Herausarbeitung des Kultcharakters, auch in Saarbrücken Erarbeitung mit integrierter Ergebnissicherung: Propaganda im Abstimmungskampf Überleitung: Eine der im Saarstatut festgelegten Optionen können wir bei der Volksabstimmung 1935 inzwischen ausschließen. [Angliederung an Frankreich] L erläutert kurz die Entstehung überparteilicher Gruppen im Abstimmungskampf: Deutsche Front und Einheitsfront Aufbau des Tafelbildes Begriffsklärung: Propaganda Identifizierung des gehörten Saarliedes „Deutsch ist die Saar“ als Propagandamittel der Deutschen Front Fortsetzung Saarlied (Abspielen: 3. und 4. Strophe), parallel: Folie Hörauftrag: Findet heraus, welche Wirkung die Deutsche Front mit dieser Art von Liedern erzielen wollte. [mobilisierend; Formierung des eigenen Lagers und Waffe im Kampf gegen Gegner, Aufforderung zum Handeln] S entdecken (mit ihrem Banknachbarn) metaphorische Begriffe wie „Mutter“ (3.Strophe) oder „Knechte“ (4.Strophe) Problematisierung im Plenum Markierung der Begriffe auf Folie Erarbeitung weiterer Propagandamittel: unter anderem Flugblätter, Plakate LEK: Zuklappen der Tafel zwei Plakate werden sichtbar Schaut euch die Plakate zunächst kurz an und versucht sie der jeweiligen Gruppe bzw. Option zuzuordnen. Begründe! Analyse der Wahlplakate (arbeitsteilige Vorgehensweise) (jeweils Hälfte der Klasse ein Plakat) Austeilen der Arbeitsblätter und Hinweis zur stichwortartigen Bearbeitung der Arbeitsaufträge mit Hilfe des Leitfadens S stellen Ergebnisse vor der Klasse vor Vergleicht die beiden Plakate miteinander. Welches spricht euch mehr an? Begründe! [Status quo: sehr textlastig, umständliche Erklärungen genaues Durchlesen erforderlich, um die Botschaft zu verstehen; Rückgliederung: auffallendes Bild, viele Symbole, Parole in großer Schrift daher schnell zu verstehen, auch im Vorbeigehen] Charakterisiert die Art der Argumentation, die verwendet wird! [Status quo: sachliche, rationale Argumente, schlichte Fakten, Appell an die Vernunft; Rückgliederung: emotional, patriotisch, nationalistisch] Festhalten eines Fazits im Tafelbild Stellen der Hausaufgabe: schriftliche Analyse und Interpretation des Plakates Abschluss: Vorbereitung des Interviews mit Zeitzeugen S formulieren mit dem Banknachbar Fragen, die dem Zeitzeugen gestellt AF/SF Medien LV EA CD, Folie / Anhang 17 feUG LV SV feUG feUG LV feUG Tafel / Anhang 18 CD, Folie / Anhang 17 PA feUG Plakate / Anhang 23 u. 24 PA SV AB 1 und 2 / Anhang 19 – 22 feUG PA Anhang 57 werden sollen Entwicklung eines Fragenkataloges 33 Didaktisch-methodischer Kommentar Durch das Saarlied „Deutsch ist die Saar“ zum Stundeneinstieg erhoffe ich mir nicht nur einen erneuten Motivationsschub bei den Schülern, sondern aufgrund der besonderen Wirkung dieses Mediums sollen auch bewusst die Gefühle der Schüler angesprochen werden. Gerade am Beispiel dieses Propagandaliedes der Deutschen Front kann das Verständnis der Schüler für den sehr emotionsgeladenen Abstimmungskampf besonders gefördert werden. Durch den erteilten Hörauftrag vor dem Abspielen der ersten beiden Strophen soll die Aufmerksamkeit der Schüler auf einzelne zentrale Gestaltungsmittel des Liedes konzentriert werden, um anschließend eine sowohl musikalische als auch textliche Kurzanalyse zu ermöglichen. Als zusätzliche Hilfestellung und zum besseren Verständnis wird der Text parallel auf einer Folie visualisiert. Das kurze Zitat aus der Saarbrücker Zeitung81 unterstreicht das bereits festgestellte Nationalbewusstsein der Saarbewohner und leitet gleichzeitig zur Hausaufgabe und damit zur Rheinischen Jahrtausendfeier über, die als Höhepunkt dieser nationalen Bewegung an der Saar gilt. Die Schüler erhalten dadurch nicht nur einen ersten Eindruck vom Charakter des Abstimmungskampfes, sondern erkennen auch die tief greifende Verwurzelung der Saarbevölkerung in Deutschland. Dadurch sollte es ihnen im nächsten Schritt nicht schwer fallen, die Angliederung an Frankreich als aussichtslose Option der Volksabstimmung auszuschließen. Aus Gründen der Zeitökonomie wird im folgenden Unterrichtsschritt das reine Faktenwissen zu den beiden verbleibenden Abstimmungsalternativen und den in diesem Zusammenhang entstandenen Gruppierungen durch einen Lehrervortrag kurz und prägnant dargestellt. Das Hauptaugenmerk soll vielmehr auf der intensiven Auseinandersetzung mit den Begründungen der Deutschen Front und der Einheitsfront sowie deren eingesetzten Propagandamitteln liegen. Darüber hinaus ist es in dieser Stunde wichtig, im Sinne einer kontinuierlichen Förderung der Begriffsbildung auch zentrale Begriffe wie „Propaganda“ oder „Status quo“ einzuführen. Zur detaillierten Erarbeitung der unterschiedlichen Argumentationen und derer Wirkungsweise werden sowohl die beiden weiteren Strophen des Saarliedes als auch das bereits bekannte Medium des Plakates eingesetzt. Bei letzterem kann dabei auf die im Rahmen der Unterrichtsreihe erarbeitete Vorgehensweise zurückgegriffen werden. Der vorhandene Leitfaden für Plakate soll bewusst noch einmal eingesetzt werden, auch um den 81 siehe Stundenverlauf; Linsmayer: Politische Kultur, S.139 58 Schülern noch einmal die erforderliche Systematik bei der Analyse und Interpretation solcher Medien bewusst zu machen. Da die Schüler jedoch lediglich zu Beginn der Unterrichtsreihe erste Erfahrungen im Umgang mit Plakaten gesammelt haben, erachte ich an dieser Stelle die Sozialform der Partnerarbeit für sehr sinnvoll. Gerade bei der ersten Auseinandersetzung mit einem neuen Plakat profitieren die Schüler von dem gemeinsamen Austausch und können produktiver die einzelnen Gestaltungsmittel zusammentragen. Aus zeitökonomischen Gründen beschäftigt sich jeweils die Hälfte der Klasse mit einem typischen Plakat der Deutschen Front für die Rückgliederung an Deutschland beziehungsweise mit einem der Einheitsfront für die Beibehaltung des Status quo. Nachdem die Schüler ihre Ergebnisse vor der Klasse präsentiert haben, kann auf dieser Basis im fragend-entwickelnden Unterrichtsgespräch ein Vergleich der beiden Plakate gezogen und die unterschiedliche Wirkungsweise charakterisiert werden. Vor diesem Hintergrund habe ich mich auch dazu entschieden, das jeweilige Abbild den Schülern nicht nur in Miniatur auf dem Arbeitsblatt zur Verfügung zu stellen, sondern zusätzlich DIN A3-Ausdrucke an der Tafel zu befestigen. Auf diese Weise ist ein authentischerer Blick auf die Wahlplakate möglich und ihre jeweilige Wirkung auf Adressaten deutlicher zu erkennen. Zum Ende dieser Stunde soll das geplante Interview mit dem Zeitzeugen Anton Schmidt vorbereitet werden. Wie bereits erwähnt hat er nicht nur die Geschehnisse an der Saar, die im Rahmen der Unterrichtsreihe untersucht werden, hautnah miterlebt, sondern er ist auch ein politisch interessierter Mensch, der sich vor allem im Vereinsleben (insbesondere im örtlichen Turnverein) immer sehr stark engagiert hat. Trotz seines hohen Alters82 ist er geistig noch voll und ganz auf der Höhe. In einem Vorgespräch konnte ich sowohl einige wichtige Informationen zu seiner Person83 erfahren, aber auch feststellen, wie weit seine Erinnerungen im untersuchten Zeitraum der Saargeschichte reichen. Schnell war klar, dass er auch über diese frühen Jahre seines Lebens noch detailliert berichten kann. Leider hat Herr Schmidt eine sehr starke Sehschwäche, weshalb ein Transport an das Gymnasium am Rotenbühl nicht möglich ist. Vor diesem Hintergrund habe ich mich dazu entschlossen, das eigentliche Interview mit Herrn Schmidt alleine in seiner gewohnten Umgebung bei ihm zu Hause durchzuführen. Um die Schüler dennoch möglichst stark einzubinden und auf ihre Interessen einzugehen, sollten die entsprechenden Fragen an den Zeitzeugen von ihnen selbst erstellt werden. Da zum Ende der vierten Stunde die Reihe inhaltlich größtenteils behandelt ist, verfügen die Schüler bereits über ausreichende Vorkenntnisse, um themenbezogene Fragestellungen formulieren zu 82 83 Zum Zeitpunkt des Interviews war Anton Schmidt 96 Jahre alt. siehe Anhang 31 59 können. In Partnerarbeit sollen dabei mindestens vier Fragen notiert werden. Diese werden eingesammelt und von mir zusammengefasst. Auf dieser Grundlage erstelle ich einen Interviewleitfaden, um das Gespräch mit dem Zeitzeugen zu strukturieren und sicherzustellen, dass alle Fragen der Schüler Berücksichtigung finden. Die Ergebnisse des Interviews werden den Schülern dann in der sechsten und letzten Stunde der Unterrichtsreihe vorgestellt. Medien Das sowohl zum Einstieg als auch in der Erarbeitungsphase eingesetzte Propagandalied „Deutsch ist die Saar“ gilt als bekanntestes unter den Saarliedern, die gerade in dieser Zeit, als sich die Saarbevölkerung sehr stark auf ihre deutschen Wurzeln besann, in großer Anzahl entstanden sind. Das vorliegende Lied gilt bis heute als eine Art Nationalhymne der Saarländer, die als bergmännisches Steigerlied mit dem Titel „Glück auf“ auch aktuell im Saarland vielfach im Rahmen unterschiedlicher Veranstaltungen gespielt und gesungen wird. Der zur damaligen Zeit verwendete Text stammt aus der Feder des Lehrers Hanns Maria Lux, der diesen auf einer Klassenfahrt 1920 auf die damals bereits bekannte Melodie des Steigerliedes verfasst hatte. In der Folge wurde es nicht nur in Schulen gesungen, sondern auch von Gesangsvereinen auf Kundgebungen und Konzertveranstaltungen verbreitet. In den Dreißiger Jahren war es regelrecht ein Ritual auf nahezu jeder Feierlichkeit, gemeinsam dieses Lied zu singen. Es galt als das nationale Bekenntnis zu Deutschland.84 Das Saarlied nimmt im Laufe dieser Stunde einen großen Raum ein, da an ihm exemplarisch nicht nur der Geist der Zeit nachempfunden werden kann, sondern auch weitere inhaltliche Aspekte wie die von der Deutschen Front verwendeten Argumente erarbeitet werden können. In diesem Kontext lassen sich die prägnanten musikalischen Gestaltungsmittel wie der marschmäßige Rhythmus oder die kraftvolle Bläserinstrumentation auch als Laie zügig herausarbeiten. Ferner bietet auch der Text – aufgrund zahlreicher Signalwörter und Wortwiederholungen – trotz der für Schüler eher ungewohnten Sprache einen Zugang, um entsprechende Interpretationsansätze aufzustellen. Weiterhin wird erneut die Auseinandersetzung mit dem Medium Plakat genutzt, um tiefere Einblicke in die Argumentationsgrundlagen der beiden Parteiorganisationen zu gewinnen. Dieser Einsatz ist allein schon deshalb im Geschichtsunterricht unabdingbar, da sich der Abstimmungskampf an der Saar zu einem regelrechten „Plakatkrieg“ entwickelt hatte. Mit den beiden vorliegenden, auch als Hauptplakate der jeweiligen Gruppierungen bezeichneten Wahlplakaten wurden solche ausgewählt, die eine Typisierung des Mediums 84 Hannig: „Deutsch ist die Saar“, S.117f 60 ermöglichen. Der unterschiedliche Charakter beider Plakate war nicht zuletzt für den Erfolg beziehungsweise Misserfolg der entsprechenden Abstimmungsalternative verantwortlich. Während vor dem Zweiten Weltkrieg das reine Textplakat grundsätzlich noch dominierte, nutzte die Deutsche Front bereits die besondere Wirkungskraft von Bildplakaten. Das Plakat „Deutsche Mutter“ der Deutschen Front ist prototypisch für die Art ihrer Propaganda, bei der die Wahlkampfinhalte vorwiegend auf einer emotionalen Ebene ausgetragen wurden. Das Wahlplakat der Status quo-Anhänger ist dagegen ein reines Textplakat, das auf der sachlichen Ebene argumentiert, dessen Botschaft das vorbeilaufende Publikum aber kaum wahrnehmen kann. Zudem wirkte gerade das Fremdwort Status quo auf viele Saarbewohner abschreckend, da sie es häufig gar nicht verstanden. Hausaufgabe Die Schüler analysieren und interpretieren schriftlich das Wahlplakat, mit dem sie sich bereits in der Stunde intensiv beschäftigt haben. Sie orientieren sich dabei an den Arbeitsaufträgen des Arbeitsblattes und ihren eigenen Notizen sowie an dem Leitfaden für Plakate. Zusätzlich sollen auch die erworbenen Kenntnisse bezüglich der verschiedenen Plakattypen sowie deren jeweilige Wirkung auf den Adressaten integriert werden. Dadurch wird auf der einen Seite die Methodenkompetenz im Umgang mit diesem Medium gefestigt und auf der anderen Seite die schriftliche Ausdrucksfähigkeit der Schüler weiter geschult, was ein übergeordnetes Lernziel bis hin zum Abitur darstellt. 61 Anhang 17: Folie – Liedtext85 „Deutsch ist die Saar“ Das Saarlied von Hanns Maria Lux Deutsch ist die Saar, deutsch immerdar! Und deutsch ist unsres Flusses Strand und ewig deutsch mein Heimatland, mein Heimatland, mein Heimatland. Deutsch schlägt das Herz – stets himmelwärts, deutsch schlug`s, als uns das Glück gelacht, deutsch schlägt es auch in Leid und Nacht, in Leid und Nacht, in Leid und Nacht. Reicht euch die Hand, schlinget ein Band, um junges Volk, das deutsch sich nennt, in dem die heiße Sehnsucht brennt nach dir, o Mutter, nach dir, nach dir. Ihr Himmel hört, ganz Saarvolk schwört, lasset uns es in den Himmel schrei`n: wir wollen niemals Knechte sein, wir wollen ewig Deutsche sein! Hannig: „Deutsch ist die Saar“, S.117; verkürzt um die zweite Strophe, da bei der verwendeten Aufnahme lediglich vier Strophen gesungen wurden und diese für den geplanten Einsatz im Unterricht ausreichend waren. 85 62 Anhang 18: Tafelbild Abstimmungskampf 1933 – 1935 EINHEITSFRONT aus linksgerichteten Parteien: SPD, KPD - für die Beibehaltung des aktuellen Zustandes (Eigenständigkeit des Saargebietes unter dem Völkerbund): Status quo - sachliche Argumentation DEUTSCHE FRONT aus konservativen und rechtsgerichteten Parteien: Deutsch-Saarländische Volkspartei (DSVP), DNVP, NSDAP und Zentrum - für die Rückgliederung an Deutschland - emotionale Argumentation Die Bevölkerung an der Saar muss sich zwischen einer internationalen (Völkerbund) und einer nationaler Lösung (Rückkehr zu den deutschen Wurzeln) entscheiden Spaltung der Gesellschaft 63 Anhang 19: Arbeitsblatt 1 ARBEITSBLATT: Gruppe 1 Der Abstimmungskampf 1933 – 1935 Wahlplakat der Deutschen Front überparteilicher Zusammenschluss aus NSDAP, Zentrum, Deutsch-Saarländische Volkspartei, Deutschnationale Partei Arbeitsaufträge: 1. Beschreibe und analysiere zunächst das Plakat (u.a. den Bildaufbau, die einzelnen Bildelemente und deren Bedeutung)! 2. Interpretiere das Plakat und erstelle eine zusammenfassende Beurteilung (u.a. Welche politische Einstellung gibt das Plakat wieder?, Was sind Botschaft und Intention?, Welche Ängste oder Hoffnungen sollen beim Adressaten geweckt werden?)! 64 Anhang 20: Erwartungshorizont zum Arbeitsblatt 1 1. Beschreibe und analysiere zunächst das Plakat (u.a. den Bildaufbau, die einzelnen Bildelemente und deren Bedeutung)! - im Zentrum des Plakates: junger Mann, der in den Armen seiner Mutter liegt; Großteil der Plakatfläche wird durch diese Darstellung ausgefüllt - ober- und unterhalb davon: Textbotschaft „Deutsche Mutter – heim zu Dir!“ in Sütterlin-Schrift, in großen Buchstaben - Mann steht auf einem zerbrochenen Grenzpfahl mit der Aufschrift „Sarre“ und auf einer Kette - links im Hintergrund: rauchende Schlote eines Hüttenwerkes - rechts im Hintergrund: Häuser und Kirche einer Stadt idyllische Kulisse als Symbol für die Heimat (Kirche: Trierer Dom) - Mann in Arbeitskleidung als typischer Arbeiter an der Saar; wirkt erschöpft, da er wohl im Hüttenwerk gearbeitet hat, das seit 1920 in französischem Besitz war - Mutter: mit Schürze und grauen Haaren dargestellt, vermittelt Wärme und Geborgenheit und nimmt den Sohn liebevoll und voller Erleichterung in den Arm Symbol für die deutsche Heimat - Kette: Symbol dafür, dass sich Arbeiter als Knecht fühlt - Grenzpfahl mit französischer Aufschrift: Zeichen dafür, dass das Saargebiet seit dem Inkrafttreten des Saarstatutes unter französischem Einfluss steht - Grenzpfahl liegt am Boden: Ausdruck dafür, dass die Bestimmungen des Saarstatutes nicht mehr Gültig sind - Mann macht außerdem einen Schritt über den Grenzpfahl hinweg und bewegt sich auf seine Mutter und damit auf die Seite seiner Heimat zu 2. Interpretiere das Plakat und erstelle eine zusammenfassende Beurteilung (u.a. Welche politische Einstellung gibt das Plakat wieder?, Was sind Botschaft und Intention?, Welche Ängste oder Hoffnungen sollen beim Adressaten geweckt werden?)! - Saargebiet, versinnbildlicht durch den jungen Mann kehrt zu seiner Mutter, die Deutschland verkörpert zurück - Mutter-Sohn-Verhältnis als naturgegebene Zugehörigkeit des Saargebietes zur deutschen Nation - Saargebiet muss sich aus seiner französischen „Knechtschaft“ befreien, um dorthin zurückzukehren, wo es herkommt und auch hingehört Sprengung der nationalen und sozialen Fessel - Trierer Dom im Hintergrund als Symbol dafür, dass der größte Teil des Saargebietes zur Diözese Trier gehörte großer Anteil an Katholiken im Saargebiet - Deutsche Front tritt für eine bedingungslose Rückgliederung des Saargebiets an Deutschland ein 65 Anhang 21: Arbeitsblatt 2 ARBEITSBLATT: Gruppe 2 Der Abstimmungskampf 1933 – 1935 Wahlplakat der Einheitsfront überparteilicher Zusammenschluss aus SPD und Kommunistischer Partei (KPD) Arbeitsaufträge: 1. Beschreibe und analysiere zunächst das Plakat (u.a. den Aufbau, die einzelnen Textelemente, auch fehlende Elemente)! 2. Interpretiere das Plakat und erstelle eine zusammenfassende Beurteilung (u.a. Welche politische Einstellung gibt das Plakat wieder?, Was sind Botschaft und Intention?, Welche Ängste oder Hoffnungen sollen beim Adressaten geweckt werden?)! 66 Anhang 22: Erwartungshorizont zum Arbeitsblatt 2 1. Beschreibe und analysiere zunächst das Plakat (u.a. den Aufbau, die einzelnen Textelemente, auch fehlende Elemente)! - reines Textplakat - unterschiedliche Schriftgrößen - größte Textbotschaft am oberen Plakatrand: „Rückgliederung bedeutet:“, ergänzt wird diese durch das Wort „Sofortige“ in kleinerer Schrift - größte Textbotschaft am unteren Plakatrand: „Status quo!“ - unterhalb der Überschrift Auflistung von Aspekten, die bei einer Rückgliederung eintreten würden: „Schließung der Gruben“, „Hüttenindustrie stirbt ab“, „Massenarbeitslosigkeit“, „Ruin des Mittelstandes“, „Der Bauer geht zugrunde“, „Marktinflation, Rentenverlust“ mittlere Schriftgröße - zu jedem Aspekt: Erläuterungen in einer kleineren Schriftgröße - Aneinanderreihung von Fakten, und zwar von Gegenargumenten: ausschließlich wirtschaftliche Argumente, die gegen eine Rückgliederung sprechen, aber keine Argumente für den Status quo - größte Buchstaben bei dem Fremdwort „Status quo“ - fehlende Elemente: Farben, identifizierbare Symbole, zündende Parole 2. Interpretiere das Plakat und erstelle eine zusammenfassende Beurteilung (u.a. Welche politische Einstellung gibt das Plakat wieder?, Was sind Botschaft und Intention?, Welche Ängste oder Hoffnungen sollen beim Adressaten geweckt werden?)! - rein sachliche Argumentation, weshalb die Rückgliederung verhindert werden muss - Zusammenbruch des Wirtschafts- und Sozialsystem bei einer Rückkehr zu Deutschland: sofortige Rückgliederung würde den Bergbau, die Eisenindustrie, aber auch die Landwirtschaft sehr stark treffen; Währung, Sozialversicherung - nur durch die Beibehaltung des bestehenden politischen und wirtschaftlichen Systems weiterhin positive Entwicklung des Saargebietes möglich 67 Anhang 23: Plakat 1 „Deutsche Mutter“86 86 Paul, Gerhard / Schock, Ralph: Saargeschichte im Plakat 1918 – 1957, Saarbrücken 1987, S.69 68 Anhang 24: Plakat 2 „Status quo“87 87 Paul, Gerhard / Schock, Ralph: Saargeschichte im Plakat 1918 – 1957, Saarbrücken 1987, S.78 69 Fünfte Stunde: Abstimmungskampf – Erstellung eigener Plakate Stundenlernziel Die Schüler entwickeln unter Beachtung der erarbeiteten Analyse- und Interpretationskriterien für politische Plakate ein eigenes Plakat mit einer politischen Botschaft. Darüber hinaus kennen sie typische Symbole sowie Schlüsselbegriffe, die im Abstimmungskampf von 1933 bis 1935 von den jeweiligen Gruppierungen verwendet wurden. 70 Stundenverlaufsplan Zeit 6 min 6 min Lehrerverhalten, wichtige Fragen Vorbereitungen vor der Stunde: - Aufhängen der beiden Plakate für die Besprechung der Hausaufgabe - Umstellen der Tische und Stühle für die Gruppenarbeit Einstieg: stummer Impuls Ergebnis Saarabstimmung S erkennen Kuchendiagramm als Ergebnis der Saarabstimmung und ordnen die Wahloptionen den Prozentangaben zu Begründet eure Entscheidung! Wiederholung und Besprechung der Hausaufgaben: Analyse und Interpretation der beiden Wahlplakate zur Volksabstimmung Schüler stellen die beiden Plakate vor der Klasse vor Erarbeitung mit integrierter Ergebnissicherung: Erstellung von eigenen Plakaten Überleitung: Status quo-Anhänger hatten größte Schwierigkeiten gegen diese Welle des Nationalgefühls im Saargebiet anzukommen und versuchten mit der Stimme der Vernunft das Unglück sichtbar zu machen, das die Saarländer mit der Rückgliederung an das inzwischen nationalsozialistische Deutschland erwartete. Dabei hatte allein der Ausdruck Status quo eine negative Wirkung!? [Verunsicherung der Menschen aufgrund des Fremdwortes; viele verstanden es nicht einmal; Angst, Sieg des Status quo würde wieder die Franzosen ins Land bringen] Feststellung: Mängel in Plakatgestaltung als ein Grund für den Misserfolg der Einheitsfront bei der Volksabstimmung eigene Erstellung von Plakaten für die Volksabstimmung AF/SF Medien feUG Folie / Anhang 25 SV Plakate / Anhang 23 u. 24 LV feUG Brainstorming zur Vorbereitung der Plakaterstellung: Sammeln weiterer typischer Symbole und Schlagwörter für: Saargebiet, Rückgliederung zu Deutschland und Status quo Sicherung der Ergebnisse an der Tafel (Mindmap: Saargebiet in der Mitte, links: Status quo, rechts: Rückgliederung zu Deutschland) 32 min 1 min S erstellen in 5 Gruppen88 eigene Plakate: 2 beziehungsweise 3 Plakate pro Option im Abstimmungskampf (Status quo und Rückgliederung) Hinweise zur Vorgehensweise: - erst Ideen sammeln - Konzept / Struktur erstellen - innerhalb der Gruppe klären, wer welchen Part bei der Präsentation übernimmt und wer Plakat gegebenenfalls graphisch fertig gestaltet Stellen der Hausaufgabe: Fertigstellung der Plakate und Vorbereitung der Präsentation der eigenen Plakate Tafel / Anhang 26 GA u.a. Tonpapier, Filzstifte, Kleber, Scheren 88 In der Stunde waren aufgrund einer parallelen Schulveranstaltung von 22 Schülern nur dreizehn anwesend. Daher wurden lediglich drei Gruppen gebildet und damit insgesamt nur drei Plakate erstellt. 71 Anhang 25: Folie – Abstimmungsergebnis89 Ergebnis der Saarabstimmung vom 13. Januar 1935 8,8% 0,4% Rückgliederung zu Deutschland Status quo Angliederung an Frankreich 90,8% 89 Die vorliegende Grafik wurde von mir selbst erstellt. 72 Anhang 26: erwartetes Tafelbild – Mindmap Schlagwörter mehr Mitbestimmung der Saarbevölkerung Unabhängigkeit des Saargebietes Frieden international deutsch Reich Schutz des Völkerbundes Saar Heimat Heimkehr Fluss Händedruck Taube durchgestrichenes Hakenkreuz Hüttenw erk Kohle Förderturm / Grube Befreiung Rückgliederung Saargebiet Status quo Mutter Arbeiter idyllisches Dorf / Stadt Hausfrau / Mutter Saarschleife Hakenkreuz Flagge entfernter Grenzzaun starker Mann Symbole 73 Sechste Stunde: Saarabstimmung 1935 – Ergebnis und Bewertung Schwerpunktsetzung Basierend auf den Analysen der beiden für den Abstimmungskampf prototypischen Plakate sowie auf den bisher erworbenen Kenntnissen interpretieren die Schüler die Abstimmungsergebnisse. Im Zentrum der Stunde steht jedoch das Interview mit einem Zeitzeugen. Dieses gibt einerseits tiefere Einblicke in weitere Propagandamaßnahmen während des Abstimmungskampfes sowie in den Ablauf der Volksabstimmung. Andererseits dient es am Ende der Unterrichtsreihe der Festigung sowie Ergänzung zum Teil bereits behandelter Aspekte, um abschließend einen Gesamteindruck zur Saargeschichte von 1918 bis 1935 zu bekommen. Dabei muss beachtet werden, dass die subjektiven Zeitzeugenaussagen nicht überbewertet, sondern gegebenenfalls in einzelnen Punkten relativiert werden müssen. Stundenlernziel: Die Schüler kennen Gründe für den eindeutigen Ausgang der Volksabstimmung von 1935 und dessen Bedeutung für die Saarbewohner. Ferner nehmen sie Stellung zu den Aussagen eines Zeitzeugen zur Saarfrage (1918 – 1935). 74 Stundenverlaufsplan Zeit LZ 1 12 min 2 3 25 min 4 5 5 min 3 min Lehrerverhalten, wichtige Fragen Einstieg: stummer Impuls L legt Folie mit Foto des Straßenschildes auf S vermuten Zusammenhang zur Volksabstimmung: 13.01.1935 = Termin der Volksabstimmung Erklärt, warum diese Saarbrücker Straße sowie weitere Straßen in anderen saarländischen Städten auf diese Weise umbenannt wurden. [große Bedeutung der Volksabstimmung für die Saarbewohner; mehr als 90% stimmten für eine Rückgliederung Erfolg, auch gegenüber dem verfeindeten Frankreich] Erläutert Gründe dafür, dass die überwältigende Mehrheit der Saarbevölkerung im Januar 1935 für die Rückgliederung zu Deutschland stimmte! [unter anderem stärkere und erfolgreiche Propaganda der Deutschen Front, unterstützt durch die NSDAP; nationales Bewusstsein der Bewohner an der Saar, Zustimmung zu Hitler und der NSDAP] AF/SF Vorstellung und Präsentation der drei selbst erstellten Plakate (2x Rückgliederung und 1x Status quo) Klasse beurteilt die erstellten Plakate kritisch im Hinblick auf die eingesetzte Symbolik sowie die Aussagekraft ihrer politischen Botschaft Erarbeitung mit integrierter Ergebnissicherung: Interview mit einem Zeitzeugen kurze Vorstellung des Zeitzeugen Anton Schmidt durch L; zusätzlich Foto auf Folie - Geburtsdatum (unmittelbar vor dem 1. Weltkrieg) - Wohnort mit Hinweis: direkt an der frz. Grenze (bei Sarreguemines) - berufliche Tätigkeit - familiäre Situation SV Untersuchung ausgewählter Interview-Aussagen: L spielt ausgewählte Tracks der CD-Aufnahme ab: 1. – 9. Track (Abspielzeit dieser Tracks: 9:22 min); zuvor jeweils Wiederholung der entsprechenden Fragestellung der S und Einbettung des Beitrages in den jeweiligen Kontext Klärung möglicher Verständnisfragen ggf. wiederholtes Abspielen einzelner Tracks, wenn sie akustisch nicht verstanden werden S beurteilen Aussagekraft der einzelnen Aussagen, ggf. Richtigstellung falscher Aussagen Rückmeldung der S zum Interview: Welche Aussagen des Zeitzeugen haben dich am meisten überrascht / interessiert / berührt? Schlussvertiefung: Formuliert ein Fazit für die Saargeschichte von 1918 bis 1935! [Teil der Saargeschichte, in dem die Bevölkerung von fremden Machthabern bestimmt wurde (Frieden ohne Freiheit), vor allem sehr starke Beeinflussung durch Frankreich auf kulturellem, wirtschaftlichem und politischem Gebiet; dadurch starkes Nationalgefühl, Abstimmung im Januar 1935 als „Befreiung“ und Rückkehr zu den nationalen Wurzeln] Abschluss / Verabschiedung S füllen einen Feedbackbogen zur Unterrichtsreihe aus (Hinweis zur Auswertung der Rückmeldung im Rahmen der Pädagogischen Arbeit) Medien Folie 1 / Anhang 27 feUG Plakate / Anhang 28 – 30 Folie 2 / Anhang 31 u. 32 LV feUG Audio-CD (siehe auch Anhang 34 und 35) feUG EA AB / Anhang 36 75 Didaktisch-methodischer Kommentar Als stummer Impuls wird das Foto des Straßenschildes genutzt, um die Schüler noch einmal auf die Thematik der Volksabstimmung zu lenken. Motivationsfördernd wirkt sich dabei nicht zuletzt der Umstand aus, dass einigen Schülern die „Straße des 13. Januar“ in Saarbrücken sicherlich bekannt ist, sie aber nun deren Bedeutung erkennen und damit auch die Bedeutung dieser Abstimmung vor über siebzig Jahren für die Saarbevölkerung. Auf diese Weise kann auch die Erinnerungskultur zumindest kurz thematisiert werden. Im Anschluss daran erhalten die Schüler die Möglichkeit, ihre selbst erstellten Plakate zur Volksabstimmung vor der Klasse vorzustellen, wodurch ihre Ausdrucks- und Präsentationsfähigkeit geschult werden soll. Die Mitschüler werden im Anschluss aufgefordert, diese kritisch zu bewerten und in Bezug auf ihre Symbolik und politische Botschaft zu hinterfragen. Auf diese Weise wird einerseits die Arbeit der Plakathersteller honoriert, andererseits wird die Klasse darin geschult, nach möglichst objektiven Kriterien eine aussagekräftige und realistische Stellungnahme zu formulieren. Eine solche qualitative Rückmeldung erfordert dabei auch die inhaltliche Durchdringung des Themas. Kern der Stunde stellt die Vorstellung und Auseinandersetzung mit dem Zeitzeugen-Interview dar. Während eine Folie90 mit einem Foto von Anton Schmidt aufgelegt wird, erhalten die Schüler einige wichtige Informationen zur Person91 (unter anderem Familienstand, berufliche Tätigkeit). Durch das Foto soll zum einen die Aufmerksamkeit der Schüler geweckt werden, zum anderen bringt es eindrucksvoll die überaus sympathische und aufgeschlossene Art von Herrn Schmidt zum Ausdruck. Mit den Beiträgen des Zeitzeugen können einzelne, bereits behandelte Aspekte der Saargeschichte von 1918 bis 1935 noch mal aufgegriffen und vertieft, aber auch einige ergänzende Informationen thematisiert werden. Dabei dürfen die einzelnen Interviewausschnitte nicht unkommentiert im Raum stehen bleiben, sondern nach jeder Sequenz müssen die Aussagen des Zeitzeugen bewertet und kritisch hinterfragt werden. Ferner muss im Vorfeld jeder Beitrag kurz situativ eingebettet werden, damit die Schüler den jeweiligen Kontext verstehen können. Insgesamt habe ich für die Unterrichtsstunde neun kurze Tracks92 vorgesehen. Die vorliegende Audio-CD habe ich hingegen bewusst um einige Ausschnitte aus dem Interview ergänzt, damit ich im Unterricht flexibel reagieren und im Falle eines Zeitpuffers oder bei besonderem Interesse zusätzliche Beiträge vorstellen kann. In einer abschließenden Vertiefung sollen die Schüler ein eigenes Fazit zur Saargeschichte im Zeitraum von 1918 bis 1935 ziehen. Dadurch müssen sie noch einmal die einzelnen 90 siehe Anhang 32 siehe auch Anhang 31 92 siehe Anhang 34 91 76 Unterrichtsinhalte reflektieren und in einen Gesamtzusammenhang bringen. Auf diese Weise kann auch der Lernerfolg überprüft werden. Medien In der letzten Stunde der Unterrichtsreihe kommen neben den in der vorangegangenen Stunde von den Schülern erstellten Plakaten zwei Fotos sowie die von mir erstellte Audio-CD mit zentralen Inhalten des Interviews mit Anton Schmidt zum Einsatz. Drei Schülergruppen haben in der letzten Stunde zwei Plakate zur Rückgliederung an Deutschland und eines für die Status quo-Regelung angefertigt und zu Hause fertig gestellt. Auf diese Weise können die Schüler zum Ende sowohl ihre erworbenen methodischen Kenntnisse im Umgang mit Plakaten als auch inhaltliche Kenntnisse bezüglich der unterschiedlichen Begründungen der gegenüberstehenden Fronten vertiefen. Das Foto von Anton Schmidt wird lediglich zur Visualisierung während des Interviews genutzt, damit die Schüler eine bessere Vorstellung von dem Zeitzeugen bekommen. Das Foto des Straßenschildes soll dagegen sowohl die Bedeutung der Volksabstimmung an der Saar veranschaulichen als auch einen Eindruck von der Erinnerungskultur zu diesem Ereignis geben. Um den Schülern Ausschnitte aus dem Interview mit Anton Schmidt vorstellen zu können, habe ich – wie bereits erwähnt – eine Audio-CD erstellt. Dabei habe ich aus dem mehr als vierstündigen Tonmaterial insgesamt dreizehn Tracks mit jeweils maximal etwa zwei Minuten geschnitten, so dass im Unterricht problemlos einzelne Sequenzen ausgewählt und im Anschluss besprochen werden können. 77 Anhang 27: Folie 1 – Foto: Straße des 13. Januar93 93 http://www.sarrelibre.de/wp-content/uploads/schild01mittel.jpg 78 Anhang 28: Schüler-Plakat 1 79 Anhang 29: Schüler-Plakat 2 80 Anhang 30: Schüler-Plakat 3 81 Anhang 31: Zeitzeuge Anton Schmidt – Lebenslauf94 Name Anton Schmidt Eltern Jakob Schmidt (geboren in Schloßböckelheim bei Bad Kreuznach) und Agnes Schmidt (geboren in Auersmacher) Geburtsdatum 02.12.1913 Geburtsort Auersmacher Staatsangehörigkeit deutsch Familienstand verwitwet; 1940 Heirat mit Maria Schmidt (geb. Brach) in Schloßböckelheim (Evakuierung), 3 Kinder: Gerd (1942), Manfred (1943, bereits verstorben), Doris (1951) Konfession römisch-katholisch Wohnort Schwarzwaldstraße 9, 66271 Auersmacher Schul- und Berufsbildung 1920 – 1928 Volksschule Auersmacher 1928 – 1931 Ausbildung als Maler bei Firma Mader in Saarbrücken berufliche Tätigkeit 1931 – 1936 mehrere Tätigkeiten als Maler und Bauarbeiter bei verschiedenen Arbeitgebern in Kleinblittersdorf, Saarbrücken und in Sarreguemines (Frankreich) 1936 – 1973 Beschäftigung bei der Bundesbahn in Kleinblittersdorf und Saarbrücken als Gleisarbeiter, Rangierarbeiter, Betriebsassistent und Sekretär (vor der Pensionierung: Obersekretär) Wehrdienst im 2. Weltkrieg 1943 – 1945 Ausbildung in Koblenz und Speyer Einsatz in Holland und Russland 1946: Rückkehr nach Auersmacher außerberufliches Engagement langjähriges Mitglied (seit 1919, aktiv bis 1993) und Ehrenmitglied im Turnverein Auersmacher, Teilnahme an zahlreichen Deutschen Turnfesten (u.a. Stuttgart, München, Frankfurt, Hamburg, Berlin) 94 Anton Schmidt hat mir die Zustimmung erteilt, diese persönlichen Daten, das nachfolgende Foto sowie die Informationen aus dem Interview zum Zwecke der Pädagogischen Arbeit nutzen zu dürfen. 82 Anhang 32: Folie – Foto: Anton Schmidt Anton Schmidt ( 02.12.1913) 83 Anhang 33: Interviewleitfaden mit Schülerfragen95 Nachkriegszeit (nach dem Ersten Weltkrieg): 1. Haben Sie beziehungsweise Ihre Familie viele Verluste durch den Ersten Weltkrieg und seine Folgen gemacht? 2. Hat Sie auch die Inflation betroffen? Französische Besatzungszeit nach dem 1. Weltkrieg: 3. Wie machte sich der Hass auf Frankreich im Alltag bemerkbar? 4. Wie haben die Franzosen Sie während der Besatzungszeit behandelt? 5. Welche Vor- und Nachteile bestanden für Sie als Saarländer während der Zeit des Völkerbundes unter französischem Einfluss? 6. Wie haben die anderen Länder, insbesondere Frankreich, auf Wünsche Deutschlands / des Saargebietes reagiert? 7. Welche Einstellung hatten Sie gegenüber den Franzosen? / Wie stehen Sie heute zu den Franzosen? Saarabstimmung: 8. Waren Sie für die Rückgliederung zu Deutschland oder dagegen? Warum?96 9. Wurde von den jeweiligen Parteien Druck auf die Bürger ausgeübt, damit sie für den Status quo oder die Rückgliederung stimmen? 10. Wie stark konnten Sie die Propaganda spüren? 11. Welche Einstellung hatten die Menschen zu der Propaganda? 12. Wie liefen die Wahlen damals ab? 13. Gab es nach der Rückgliederung viele Vorteile für das Saargebiet? 14. Welche Rolle hat Hitler in der Zeit (der Abstimmung) gespielt? 95 Es handelt sich hierbei um eine Zusammenfassung der einzelnen Schülerfragen, die sich zum Teil sehr stark ähnelten. Sie wurden zwar alle mit Anton Schmidt besprochen, konnten jedoch nicht vollständig beziehungsweise nicht immer gewinnbringend für den Unterricht von ihm beantwortet werden. 96 Dies war die am häufigsten gestellte Frage. 84 Anhang 34: Gliederung der Audio-CD (Trackliste)97 1. Kriegsende und Völkerbund (0:53 min) 2. Verhältnis zu Frankreich (1:24 min) 3. Behandlung durch französische Besatzungssoldaten (0:21 min) 4. Begründung für die Rückgliederung (1:28 min) Abschluss: Status quo 5. Propaganda: Giebelschrift am Haus (1:20 min) 6. Kreide-Technik zum Entfernen des „Hauswandplakates“ (0:33 min) 7. Entfernung mit Schlauch (0:15 min) 8. Ablauf der Abstimmung (2:13 min) 9. Fußballspiel mit Besatzungssoldaten (0:55 min) 10. Kundgebungen am Kieselhumes und am Befreiungsfeld (1:23 min) 11. Propaganda in Auersmacher (0:15 min) 12. Rolle Hitlers im Abstimmungskampf (0:15 min) 13. Vorteile nach der Rückgliederung (1:11 min) 97 Die kursiv geschriebenen Titel wurden in der letzten Stunde der Unterrichtsreihe vorgespielt. Die Beiträge wurden, basierend auf den von den Schülern gestellten Fragen, zusammen geschnitten. Darüber hinaus wurden einige interessante zusätzliche Aspekte ergänzt. So habe ich beispielsweise im Rahmen des Interviews erfahren, dass Herr Schmidt selbst als junger Mann an Propagandamaßnahmen der Deutschen Front beteiligt war. Als gelernter Maler zeichnete er in seinem Heimtatort großflächige Wandplakate an die Giebel von Wohnhäusern und berichtet noch heute ausführlich und mit großer Begeisterung von dieser verbotenen Aktion. Neben solchen besonderen Interviewausschnitten habe ich auch einen Track zu der am häufigsten von den Schülern gestellten Frage nach der persönlichen Einstellung und dem Abstimmungsverhalten in die Unterrichtsstunde integriert. 85 Anhang 35: Verschriftlichung der Audio-CD98 1. Kriegsende und Völkerbund (0:53 min) Ja 18, 18 ist der Erste Weltkrieg herum gegangen und da haben wir – das Saargebiet war ja abgetrennt – und da haben wir unter französischer Herrschaft Franken gehabt. Das ist durch den Völkerbund, ist das geregelt worden: Das Gebiet ist abgetrennt worden, unter Verwaltung von französischer Regierung. Wir haben ja den Krieg verloren gehabt und die haben den Krieg so gesagt gewonnen. Wenn es nach dem Kampf nach gegangen wäre, hätten wir ja gewonnen. Aber, das zählt ja nicht. Der Schluss – die haben dann alle Hilfe: da ist – Ami hat müssen helfen, der Engländer hat müssen helfen – und so, so ist das gegangen. Und da war für uns der Krieg dann verloren. 2. Verhältnis zu Frankreich (1:24 min) Nach dem Ersten Weltkrieg – es war gar nicht so schlimm, dass man sagt – Todfeind – nichts. Das war nicht der Fall. Es war nicht mehr das Normale, aber so, dass man sagt – Todfeind, nein, das war nicht der Fall. Also man konnte sich schon verständigen. Wir haben ja keinen – keinen Pass gebraucht für da rüber nach Sarreguemines. Und das ist daher gekommen, weil das vorher war ja Deutsch. Elsass und Lothringen war ja früher Deutsch. Und daher ist das auch gekommen, weil die Familie da doch miteinander war – verheiratet und, und Kinder und alles. Was alles, wie – wie sich das alles im, im Laufe der Zeit ergibt. Da hat man noch nicht an die Rückgliederung gedacht. Da sind welche – hier, wo noch Familie oder die Frau, wo von drüben war, oder der Mann, wo von drüben – wenn da irgendwie ein Fest war, die sind auf, ab, da rüber – Fest gefeiert und – mit, mit denen – und so war es umgekehrt dasselbe. Früher war es umgekehrt. Da ist alles nach Saarbrücken – und nachher sind die Saarbrücker nach Sarreguemines gekommen: Einkaufen, einkaufen! 3. Behandlung durch französische Besatzungssoldaten (0:21 min) Also – man kann sagen: menschlich. Sicher, Ausnahmen gibt es immer – überall. Auch im eigenen Land. Da braucht man gar nicht ins Ausland zu gehen. Da gilt das Sprichwort: Hilf dir selbst, dann hilft dir Gott. 98 Beim Verschriftlichen der Audio-CD wurden die überwiegend im Dialekt gesprochenen Interviewbeiträge von Anton Schmidt zum besseren Verständnis weitestgehend in die hochdeutsche Sprache umgewandelt. Allerdings wurden Satzbau, Grammatik oder auch Wortwiederholungen und Ähnliches nicht verändert, sondern an das Original angelehnt. 86 4. Begründung für die Rückgliederung (1:28 min) Abschluss: Status quo Jeder hat ja gesagt: „Das ist unser Heimatland – Deutschland. Und dort gehören wir hin.“ Das war der Grundsatz! Wenn ich nur schon mal hole, mein Vater war ja auch nicht aus dem Saarland und nicht von Auersmacher. Er war ein Rheinländer. Das ist schon mal ein Punkt. Ei da gehöre ich doch hin. Die Eltern und Großeltern, das waren alles deutsche Soldaten – unter der Führung von Kaiser Wilhelm, dem „zwoten“. Und meines Erachtens hätte der brauchen gar nicht wegzugehen. Wir haben damals – habe ich mir auch schon gesagt: „Warum, warum geht der weg?“ Auf jeden Fall haben sie ihm im Nacken gesessen. Nachher sind ja die Kommunisten – und das ist ja da alles nachher gekommen, und die Monarchie, die soll weg, wir brauchen das nicht. Das ist unnötiges Geld, wo bezahlt wird. – Sie wissen, wie das geht. – Und – meines Erachtens hat der um sein Leben gebangt – von dieser Seite aus, aber im Allgemeinen war das nicht der Fall. Und wie gesagt, die zwei Prozent, wo dagegen waren, das war damals noch der – eine – Status wo – Quo. Also die haben ja gar nicht gewusst, wohin. 5. Propaganda: Giebelschrift am Haus (1:20 min) … Kundgebungen, da waren die Redner da – und an einem schönen Tag kommt einer. Der war nachher auch, äh, Vorsteher: „Anton, wie wär es denn, wir könnten doch da Plakate auf – auf die Häuser malen mit Schrift und so. Kannst du das machen?“ Und da war da unten – habe ich zwei so Dinger gemacht. Da war der ganze Giebel – war ein Plakat! Der Rand drum herum: schwarz, weiß, rot. Und das Feld an sich war weiß – und die Schrift war dann schwarz. Und da habe ich die Blockschrift gemacht. Das waren dann große Buchstaben. Auf dem einen hat gestanden: „Deutscher, tue deine Pflicht – verrate 35 dein Deutschland nicht!“ Ich habe die aber so gemacht, dass sie nicht so schnell ausgehen. Ich habe Kalk geholt, den angerührt und zu gleicher Zeit direkt Leinöl drunter gerührt. Also der Kalk wird an sich ja schon hart, und – geht nicht so schnell ab. Und wenn das Leinöl wird er noch viel stärker, ne. Das sind ja so Sachen, wo – wo ich noch aus meinem, aus meinem Handwerk gehabt habe, ne. 87 6. Kreide-Technik zum Entfernen des „Hauswandplakates“ (0:33 min) Die Kreide, das war die, wo normalerweise der Maler braucht, für wenn ein Zimmer tapeziert wird, oder gestrichen wird. Da kommt aber Leim drunter. Und da habe ich die Kreide nur mit Wasser angerührt, da kommt nichts drunter. Und – tatsächlich – es hat paar Mal darauf geregnet – und die ist immer mehr – immer mehr durchgekommen – die Schrift! – Alles ist immer klarer geworden, immer klarer. Zum Schluss war – war sie wieder ganz da, so wie ich sie gemacht habe! 7. Entfernung mit Schlauch (0:15 min) Da war da unten ein Mann – lebt wohl nicht mehr – und der eine von den Söhnen – und damals hat er den Schlauch geholt – und hat angefangen zu spritzen! Haha – der hat gewusst, dass es – dass alles herunter läuft. Dass unten drunter das wieder herauskommt! 8. Ablauf der Abstimmung (2:13 min) Also jeder hat persönlich einen Bescheid gekriegt, also schriftlichen Bescheid. Eine Abstimmungskarte. Und die hat er müssen bei sich haben. Und die ist auch dort geblieben nachher. Da haben die vom Ordnungsdienst, haben vor dem Wahllokal – auch schon gestanden. Einer oder zwei. Und jeden aufmerksam gemacht, wenn er da rein geht: „Kein Wort sprechen! – Still!“ – Kein Wort. Stumm rein – sein Kreuz gemacht – und wieder stumm heraus. Und – ich weiß von einer Frau, die hat dort angefangen zu sprechen. Und dann wurde der Stimmzettel geholt – weggeschmissen. Sie hat können gar nicht wählen. Und draußen hat die dann geheult. Ja! – Und vorher ist sie aufmerksam gemacht worden. Und alles hat sich daran gehalten. Und nachher wie die anderen – was alles nachher gekommen ist – da haben wir das erwähnt. „Nicht dass es euch geht wie der Frau da!“ Da haben die vom Völkerbund – nur vom Völkerbund – an der Abstimmung gesessen. Das waren Franzosen, Engländer, Schweden. Und die Italiener waren nicht dabei, denn äh – wahrscheinlich haben sie bei denen nicht gewusst, wie die eingestellt sind. Denn die waren ja zuerst auf unserer Seite, haben mit uns gekämpft, ne. Zum Schluss haben sie ja ihre Waffen weggeworfen und haben – auf der anderen Seite mitgemacht. Dass sie die überhaupt noch bei den Besatzungstruppen noch gehabt haben, das hat mich gewundert. Saarländer auch nicht – und Deutsche auch nicht. – Also nur von fremden Mächten. Aber da haben wir ja nicht drüber können bestimmen. Das hat ja der Völkerbund, hat das ja geregelt. 88 9. Fußballspiel mit Besatzungssoldaten (0:55 min) Wir haben ja Besatzung gehabt bei der Abstimmung. Das war schon vor der Abstimmung – schon eine Zeit lang vor der Abstimmung, schon ein ganzes Jahr vorher. Die Engländer waren hier, die Schweden waren hier, die Italiener waren hier – Besatzung, dass wenn irgendwie Krawalle oder irgendwas – und was das Schönste war –: Wir haben mit den Engländern Fußball gespielt, da oben, wo jetzt die Barbarahöhe steht! Da war der Sportplatz. Haben wir mit den Engländern Fußball gespielt! So war – so war unsere Feindschaft! Haha – umgekehrt, ne. Hauptsächlich schon weil, weil wir wussten, England ist halt auch im Fußball gut, ne, und so. Und, haben wir mit den Engländern auch gespielt – also die mit uns, so! 10. Kundgebungen am Kieselhumes und am Befreiungsfeld (1:23 min) Die Kundgebungen – also, wir sagen mal – die haben ja meistens die Parteien gemacht. Die SPD, die hat die große Kundgebung gemacht – für selbstständig zu machen – auf dem Kieselhumes. Und während dieser Zeit hat im Befreiungsfeld, unten an der Saar, da wo heute der Schlachthof von Schröder – und alles, was sich da alles angesiedelt hat – das war ja ein großes Feld. Da haben die CD – nicht CDU – wie hat die – die noch geheißen – die…? Zentrum! Jo, jetzt sind wir da! Ah, und da hat es noch die deutsche – was deutsch gesinnt war – die haben da auch noch mitgewirkt. Die haben dann gesagt: „Selbstständig? Wie wollen die mit den Betrieben und, und mit der Wirtschaft? Das klappt doch gar nicht. Das kleine Land.“ Und die waren da unten an dem Befreiungsfeld – vor der Abstimmung. Und da waren Himmel und Leute, also noch und noch. Und da oben auf dem Kieselhumes, da war fast niemand. Das war ein Zeichen, dass die Leute das nicht wollen – das Selbstständige oder zu Frankreich. Dass sie das nicht wollen. 11. Propaganda in Auersmacher (0:15 min) Ei ja, das waren auch verschiedene Versammlungen und so. Wo das genau dasselbe war, nur im kleineren Stil, wie da das im großen Stil war. Genau dasselbe! 12. Rolle Hitlers im Abstimmungskampf (0:15 min) Naaa – der Hitler der hat schon – aber er selbst konnte ja hier nicht persönlich irgendetwas Propaganda machen, ne. Das Ausland hätte den ja direkt schon weg gemacht! 89 13. Vorteile nach der Rückgliederung (1:11 min) Na sagen wir mal – von Kriegsschäden und so – ist ihnen schon geholfen worden. Also haben sie schon, doch schon was gekriegt. Und was dann – da hat es ja auch Leute gegeben, wo gar nichts gehabt haben. Die haben Kleider und alles gekriegt – also kostenlos – natürlich nicht äh Berge – das haben die schon gekriegt von – vom Deutschen. Und dann vor allen Dingen – äh wenn – ist den Betrieben ist dann mehr geholfen worden noch, da sind schon mehr die Arbeitslose weggekommen. Und – wie der Tag war bis zur Rückgliederung, wie der herum war, da sind massenweise, sind die Betriebe hochgegangen – vom deutschen Staat natürlich unterstützt. Von der anderen Seite haben wir ja brauchen nichts zu erhoffen, denn der Franzose – an für sich hat der nachher weniger noch gehabt wie wir, trotzdem die bei den Gewinnern waren – und waren noch armseliger dran wie wir! 90 Anhang 36: Feedbackbogen – Formular Feedback zur Unterrichtsreihe DAS „SAARGEBIET“ UNTER DER VERWALTUNG DES VÖLKERBUNDES Wir haben uns in den letzten 6 Stunden mit der saarländischen Geschichte in der Zeit von 1918 bis 1935 beschäftigt. Im Vordergrund standen die französische Besatzungszeit an der Saar, die politische und kulturelle Entwicklung unter dem Völkerbund, die Volksabstimmung im Jahr 1935 sowie der vorangegangene Abstimmungskampf. Nun hast du die Möglichkeit diese Unterrichtsreihe zu bewerten. Du brauchst keinen Namen anzugeben und darfst ehrlich schreiben, was du denkst! Beziehe dich bei der Beantwortung der Fragen bitte nur auf die letzten 6 Stunden! 1. Was hat dir an der Reihe am besten gefallen? Gab es Themen, Materialien oder Methoden, die du besonders gut fandest? 2. Was hat dir in den letzten 6 Stunden weniger gut gefallen? Gab es Themen oder Methoden, die uninteressant, langweilig oder auch zu scher waren? 3. Hast du Tipps oder Ideen, wie man die Reihe eventuell noch besser, interessanter oder lehrreicher gestalten könnte? 4. Welche Note würdest du der Reihe abschließend geben? Begründe bitte kurz! 91 Anhang 37: Feedbackbogen 1 92 Anhang 38: Feedbackbogen 2 93 Anhang 39: Feedbackbogen 3 94