Die Saarfrage 1918 - 1935 - Landesinstitut für Pädagogik und Medien

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Materialien zur LPM-Forbildung vom 26.11.2012:
Pädagogische Innovation im Geschichtsunterricht
am Beispiel der Saarfrage 1918 – 1935
Die Saarfrage (1918 – 1935)
Methodenvielfalt als Motivation für ein
regionalgeschichtliches Thema in Klasse 9
Grundlage:
Unterrichtsreihe im Rahmen der pädagogischen Staatsexamensarbeit (02/2011)
Carmen Stopp
Konzeption der Unterrichtsreihe
Stunde
1. Stunde
2. Stunde
3. Stunde
Thema
Inhalte, Medien
Das Saargebiet in der
Besatzungszeit
1918 – 1920
- wechselhafte politische Zugehörigkeit der
Saargegend am Beispiel von Hermann
Röchling (Foto)
- französische Besatzungsmächte an der Saar
- erstmalige Analyse und Interpretation eines
politischen Plakates (methodischer Leitfaden)
- Saargebiet als eigenständige, politische
Völkerbundszeit:
Einheit
eigenständige Entwicklung - wirtschaftliche Angliederung an Frankreich
des Saargebietes
- Interpretation von Quellen aus dem
Privatbesitz sowie Auszug aus dem Saarstatut
Kulturelle Entwicklung
unter der Völkerbundsverwaltung
4. Stunde
Abstimmungskampf
1933 – 1935
5. Stunde
6. Stunde
- deutsch-französische Beziehungen am
Beispiel der Domanialschulen (Quellentext)
 Zuspitzung: „Schulkampf“
- Aktualitätsbezug: Händedruck Kohl –
Mitterand (Foto)
- Rheinische Jahrtausendfeier als nationales
Ereignis an der Saar
- Propagandamaßnahmen im
Abstimmungskampf; unter anderem „Deutsch
ist die Saar“ (historisches Lied)
- Analyse und Interpretation von zwei
prototypischen Plakaten des
Abstimmungskampfes
- Vorbereitung des Zeitzeugen-Interviews:
Erstellung eines Fragenkataloges
- Abstimmungsergebnis
- eigene Erstellung von politischen Plakaten für
die Volksabstimmung
- Gründe für das eindeutige Votum
- Bedeutung der Volksabstimmung für die
Saarabstimmung 1935 –
Saarbevölkerung (Foto)
Ergebnisse und Bewertung
- Präsentation der selbst erstellten Plakate
- Interview mit einem Zeitzeugen (Audio-CD)
1
Übergeordnete Ziele der Unterrichtsreihe
Kognitive Lernziele
Die Schüler…
LZ 1: … können die Situation an der Saar während der Besatzungszeit von 1918 bis 1920
beschreiben und erklären.
LZ 2: … kennen in Grundzügen die wesentlichen Regelungen des Saarstatutes.
LZ 3: … kennen die vom Deutschen Reich losgelöste politische Entwicklung an der Saar.
LZ 4: … erkennen, inwiefern Frankreich im politischen, kulturellen und wirtschaftlichen
Bereich auf das Saargebiet Einfluss genommen hat.
LZ 5: …reflektieren die Vorurteile und Ressentiments der Saarbevölkerung gegenüber
Frankreich kritisch.
LZ 6: … gewinnen einen Einblick in die Propagandamaßnahmen im Abstimmungskampf.
LZ 7: … vergleichen
und
charakterisieren
die
zentralen
Argumentationen
der
unterschiedlichen Gruppierungen im Abstimmungskampf.
LZ 8: … nehmen Stellung zu dem Ergebnis der Volksabstimmung von 1935.
Methodische Lernziele
Die Schüler…
LZ 1: … festigen ihre Methodenkompetenz im Umgang mit schriftlichen Quellen und
interpretieren handschriftliche Dokumente der untersuchten Zeit.
LZ 2: … analysieren und interpretieren politische Plakate.
LZ 3: … entwickeln eigenständig politische Plakate.
LZ 4: … analysieren die Wirkungsmechanismen von Propagandaliedern anhand ihrer
textlichen und musikalischen Gestaltung.
LZ 5: … bewerten und hinterfragen die Aussagen eines Zeitzeugen kritisch.
Affektive Lernziele
Die Schüler…
LZ 1: … können die schwierige Situation der Saarbewohner während der französischen
Besatzungszeit nachempfinden.
LZ 2: … können sich in die Lage der Saarbevölkerung im Abstimmungszeitraum
hineinversetzen.
2
3
Sachinformationen
Das Saargebiet in der Besatzungszeit 1918 – 1920
Das Saargebiet stellte bis zum Ende des Ersten Weltkrieges weder eine geographische Einheit
noch einen eigenen politisch-historischen Raum dar. Lediglich aus wirtschaftlichen Gründen
entstanden mit dem Aufschwung der Schwerindustrie seit dem 19. Jahrhundert an der Saar
raumbildende Impulse. Der Prozess der Industrialisierung führte schließlich dazu, dass die
Saarregion zu einem der wachstumsintensivsten Wirtschaftsgebiete des gesamten Deutschen
Reiches wurde.1 Politisch bildete das Saargebiet bis zum Ende der Französischen Revolution
ein Territorialmosaik, dem eine Vormacht fehlte. Während der erste Pariser Frieden 1814 das
heutige Saarland in der Mitte teilte, wurde durch den zweiten Pariser Frieden 1815 eine Grenze
gezogen, die noch heute Gültigkeit hat. Ein Großteil des Saargebietes fiel nun an Preußen und
nur ein kleiner Teil im Südosten an Bayern. Daneben existierten kleinere Besitztümer wie das
Fürstentum Lichtenberg um St. Wendel, die an andere Herrschaftsterritorien angegliedert
wurden, welche in der vorliegenden Arbeit keine Rolle spielen. Als Vormacht lenkte Preußen
die Geschicke in der Saarregion und unterstellte sie administrativ dem Regierungsbezirk Trier
innerhalb der Rheinprovinz.2 Diese territoriale Zuordnung galt zunächst bis zum Ende des
Ersten Weltkrieges beziehungsweise bis zum Abschluss der für das Saargebiet relevanten
Friedensverhandlungen. Vom 22. November 1918 bis zum Inkrafttreten des Versailler
Vertrages am 10. Januar 1920 wurde Saarbrücken von französischen Truppen besetzt und die
preußischen Landkreise einer besonderen Militärverwaltung unterstellt. Für fast alle
Saarbewohner war die militärische Besetzung ihrer Heimat durch französische Truppen sowie
die Abtrennung ihrer Region vom Deutschen Reich die einschneidende politische Erfahrung.3
Der Kommandeur der französischen Besatzungstruppen beschloss bereits am 24. November
1918 die Auflösung der auch an der Saar entstandenen Soldaten- und Arbeiterräte. Sowohl
wirtschaftlich als auch sozialpolitisch wurden wieder die Zustände hergestellt, die vor
Kriegsbeginn geherrscht hatten. Dabei blieben die alten Behörden und ihre Repräsentanten die
Gesprächs- und Verhandlungspartner der Besatzungsmacht. Die Einführung demokratischer
Strukturen war vorerst undenkbar geworden.4
Linsmayer, Ludwig: Politische Kultur im Saargebiet 1920 – 1932. Symbolische Politik, verhinderte
Demokratisierung, nationalisiertes Kulturleben in einer abgetrennten Region, St. Ingbert 1992, S.18f
2
Herrmann, Hans-Walter / Sante, Georg Wilhelm: Die Geschichte des Saarlandes, Würzburg 1972, S.26
3
Paul, Gerhard: “Deutsche Mutter – heim zu Dir!” Warum es mißlang, Hitler an der Saar zu schlagen. Der Saarkampf 1933 – 1935, Köln 1984; S.26
4
Paul, Gerhard / Schock, Ralph: Saargeschichte im Plakat 1918 – 1957, Saarbrücken 1987, S.19
1
4
Das Verhältnis zur französischen Besatzungsmacht war von Anfang an gespannt. Das
Saargebiet wurde in den ersten Tagen der Besatzung von Bekanntmachungen der deutschen
Kommunalbehörden sowie der französischen Streitkräfte regelrecht überflutetet. Insbesondere
die
Auseinandersetzungen
zwischen
der
Arbeiterschaft
und
den
französischen
Besatzungstruppen verschärften sich in dieser Phase zunehmend. Die Androhung militärischer
Gewalt sowie die Einrichtung militärischer Kontrolldienste konnten schließlich nicht
verhindern, dass die Arbeiter an der Saar in Streik traten. In der Folge verhängte General
Andlauer den Belagerungszustand und verbot jede Form der Versammlung. Die Streikenden
wurden zum Teil mit militärischer Gewalt zu ihren Arbeitsplätzen gebracht. Ferner ließen
zahlreiche Ausweisungen, aber auch die bestehende Nahrungsmittelknappheit und Hungersnot
den Unmut der Saarbewohner in dieser Situation weiter ansteigen. Vor diesem Hintergrund
verfestigten sich die aus der deutsch-französischen Spannungslage erwachsenen Vorurteile und
Ressentiments immer stärker in der gesamten Saarbevölkerung.5
Die kritische Lage an der Saar spitzte sich schließlich zu, als die Beschäftigten der Eisenbahn
und einiger Metallbetriebe am 7. Oktober 1919 zum Generalstreik aufriefen. In den Saarstädten
wurden spontane Hungerdemonstrationen durchgeführt und große Warenhäuser geplündert.
Die Unruhen und Tumulte breiteten sich in kürzester Zeit immer weiter aus. Daraufhin
verhängte General Andlauer erneut den Belagerungszustand und installierte Kriegsgerichte, um
gegen die Plünderer und Streikenden vorzugehen. Panzer und Maschinengewehrtruppen
besetzten alle strategisch wichtigen Plätze und Kreuzungen, um wieder Ruhe und Ordnung an
der Saar herzustellen. Durch öffentliche Aushänge und Plakate wurde die Bevölkerung immer
wieder über die jeweiligen Maßnahmen informiert.6
Neben den auch im gesamten Deutschen Reich verbreiteten Arbeiterunruhen im Kampf um
bessere Arbeitsbedingungen sowie gegen wirtschaftliche Belastungen wurde im Saarrevier
nach Kriegsende gegen die Besetzung durch französische Truppen sowie eine befürchtete
Annexion protestiert. Die drohende Abtrennung des Saargebietes erregte schon früh auch
außerhalb der Saargrenzen im Deutschen Reich Aufmerksamkeit, vor allem aus
wirtschaftlichen Gründen und nicht zuletzt wegen der dort lebenden Saarländer. So wurden in
Berlin im Jahre 1919 nicht nur verschiedene Protest-Veranstaltungen organisiert, sondern auch
ein „Saar-Verein“ gegründet. Ein ehemaliger Beamter der Saargrubenverwaltung versuchte auf
diese Weise das Interesse an der Saarfrage in der Öffentlichkeit aufrecht zu erhalten sowie die
im Reich lebenden, ehemaligen Saarbewohner zu organisieren. Der Verein stand ferner in
regelmäßigem Kontakt zu den für die Saarfrage verantwortlichen Dienststellen im Deutschen
5
6
Ebd, S.22
Herrmann: Die Geschichte des Saarlandes, S.32
5
Reich und führte Vorträge zu dieser Thematik an Universitäten und Schulen durch. Er initiierte
einen Reiseaustausch zwischen reichsdeutschen und regionalen Vereinen an der Saar, gab mit
dem
„Saar-Freund“
eine
eigene
Zeitung
heraus
und
organisierte
verschiedene
Veranstaltungen.7
In diesem Kontext ist auch der bekannte Plakatgraphiker Alexander M. Kaiser alias Alexander
M. Cay8 zu nennen, der bereits 1919 im Auftrag des „Werbedienstes der sozialistischen
Republik“ – einer Vorläuferorganisation der „Reichszentrale für Heimatdienst“ –
Protestplakate gegen die Abtrennung des Saargebietes entwarf. Das Medium des Plakates
spielte bereits zu diesem Zeitpunkt als Wahl- und Protestplakat eine bedeutende Rolle in der
kulturellen und politischen Propaganda für das von Deutschland isolierte Saargebiet. Der
Graphiker Cay sprach mit seinem Plakat „Protest gegen den Raub des deutschen Saargebietes“
9
noch eine weitere zentrale Thematik an, die den Alltag der Saarbewohner während der
Besatzungszeit bestimmte. So wurde allein der Umstand der permanenten militärischen
Präsenz nicht nur als störend, sondern vielerorts auch als Bedrohung wahrgenommen. Dabei
wirkten insbesondere die von Frankreich im Saargebiet eingesetzten farbigen Soldaten aus den
französischen Kolonialgebieten für viele Saarbewohner gefährlich und Furcht erregend. Die
meisten von ihnen waren zuvor noch nie einem Menschen mit dunkler Hautfarbe begegnet, so
dass allein die Fremdartigkeit diesen bedrohenden Effekt auslöste. Dies führte ebenfalls dazu,
dass sich die negative Haltung gegenüber Frankreich immer weiter verstärkte.10
Die Völkerbundszeit ab 1920
Das Saargebiet als neue politische Einheit
Bereits während des Ersten Weltkrieges wurde von Seiten Frankreichs die Annexion des
Saarindustriereviers aus strategischen und ökonomischen Motiven als eines der Kriegsziele
hervorgehoben. Auch der Gedanke, die Saargruben als Reparation für Kriegszerstörungen an
der nordfranzösischen Industrie zu fordern, tauchte in diesem Kontext bereits auf.11
Die Friedensverhandlungen der Alliierten führten schließlich in der Saarfrage zu einem
Kompromiss, da Frankreich seine weitreichenden Annexionsforderungen gegen den
Widerstand des amerikanischen Präsidenten Wilson nicht durchsetzen konnte: Dabei wurde
einerseits vermieden, die Saarregion einer französischen Verwaltung zu unterstellen.
7
Paul: Saargeschichte im Plakat, S.32
Zeichner, Grafiker, Karikaturist, Bühnenbildner und Architekt; Lebensdaten: 20.09.1887 – 22.06.1971
9
siehe Anhang 3
10
Paul: Saargeschichte im Plakat, S.32
11
Paul: “Deutsche Mutter – heim zu Dir!”, S.28
8
6
Andererseits galt das für die Dauer von fünfzehn Jahren übertragene Eigentumsrecht an den
Kohlengruben im Saarbecken als Wiedergutmachung für die von deutschen Truppen
angerichteten Kriegsschäden sowie als Ersatz für die Zerstörung der Kohlengruben in
Nordfrankreich.12 Ferner einigten sich amerikanische und britische Sachverständige im Februar
1919 darauf, dass das Saargebiet ein besonderes politisches Regime erhalten sollte. Der
Abschluss der Verhandlungen im April 1919 wurde im so genannten Statut für das
Saarindustrierevier festgehalten und bildete einen Teil des Versailler Vertrages13. Der
Saarbevölkerung wurden die zentralen Bestimmungen des Versailler Vertrages in Zeitungen
sowie auf Plakaten bekannt gegeben.14 Das Saarstatut, das am 10. Januar 1920 in Kraft trat,
konstituierte erstmals das Saargebiet als eigenständige politische Region. Deutschland
verzichtete zugunsten des so genannten Völkerbundes auf die Regierung des Saargebietes und
somit
auf
seine
Souveränitätsrechte.
Frankreich
war
demgegenüber
mit
dem
Selbstbestimmungsrecht der Saarbevölkerung einverstanden, wonach diese nach Ablauf von
fünfzehn Jahren in einer Volksabstimmung über ihre weitere politische Zugehörigkeit
entscheiden sollte: entweder für die Beibehaltung der Völkerbundsverwaltung (Status quo), die
Rückkehr zu Deutschland oder die Vereinigung mit Frankreich. Diese Abstimmung sollte frei,
geheim und unbeeinflusst stattfinden.15
Bereits unmittelbar nach Bekanntwerden der im Friedensvertrag vorgesehenen Regelung erhob
sich heftiger Widerspruch in der Saarbevölkerung, allein schon gegen die Begründung, dass es
sich bei den Bewohnern an der Saar um eine Bevölkerung handele, die einen nicht
unerheblichen französischen Anteil umfasse. Die letzte Volkszählung vor dem Krieg ergab
hingegen bei 651.984 Einwohnern im preußischen Teil des Saargebietes lediglich einen Anteil
von 339 Personen, die Französisch als Muttersprache angegeben hatten. Die Loslösung vom
Deutschen Reich wurde daher trotz der Garantie von Rechten und Freiheiten sowie des
Zugeständnisses einer freien Volksabstimmung nach fünfzehn Jahren als Unrecht empfunden.
Schon frühzeitig entstand eine Front der politischen Parteien, der Gewerkschaften sowie
weiterer Verbände und der freien Presse gegen die Völkerbundsidee.16
Durch die Bestimmungen des Saarstatutes war in der Saarregion zwar eine eigenständige
politische Einheit entstanden, allerdings war diese sehr stark durch andere Staaten
fremdbestimmt. So wurde die Regierung des Gebietes einer Kommission von fünf Mitgliedern
übertragen, die der Völkerbundsrat ernannte: ein Franzose, ein aus dem Saargebiet stammender
12
Paul: Saargeschichte im Plakat, S.23
Teil III, Abschnitt 4 (Artikel 45 – 50), vgl. Labouvie, Eva (Hrsg.): Saarländische Geschichte. Ein
Quellenlesebuch, Blieskastel 2001, S.356ff
14
Paul: Saargeschichte im Plakat, S.23
15
Behringer, Wolfgang / Clemens, Gabriele: Geschichte des Saarlandes, München 2009, S.94
16
Herrmann: Die Geschichte des Saarlandes, S.32ff
13
7
und dort ansässiger Nichtfranzose sowie drei Vertreter anderer Länder. Die Kommission besaß
alle Befugnisse, die früher dem Deutschen Reich zugestanden hatten. Gesetze und
Verordnungen blieben zunächst weiterhin in Kraft mit Ausnahme einzelner notwendiger
Änderungen wie etwa im Bereich von Zöllen. Sämtliche Macht war bei dieser Kommission
gebündelt, die allerdings die Saarbevölkerung nur zum Teil repräsentierte. Am 26. Februar
1920 nahm sie ihre Amtsgeschäfte unter dem Vorsitz von Victor Rault auf. Dieser kündigte
zwar an, vorrangig die Situation der Industrie und Arbeiterschaft im Saargebiet verbessern zu
wollen, tatsächlich verfolgte er hingegen eher die französischen Eigeninteressen.17 Erst 1922
wurde das Recht zur Bildung einer Landesregierung aus gewählten Vertretern eingeräumt.
Dieser Landesrat ermöglichte dennoch keine echte Teilhabe der Parteien an der
Regierungsverantwortung, da er lediglich beratende Kompetenz hatte. Die Saarbewohner
blieben daher von politischer Mitbestimmung weitgehend ausgeschlossen.18
Dabei wurde dem französischen Staat durch die neuen Bestimmungen für das Saargebiet
ohnehin bereits großer Einfluss eingeräumt. Nicht nur, dass mit Victor Rault ein Franzose von
dem Völkerbundsrat zum Präsidenten der ersten Regierungskommission gewählt wurde, auch
die Mitgliedschaft eines Dänen und eines Belgiers in der Regierung konnte als
Interessenvertretung Frankreichs betrachtet werden. Die Unabhängigkeit und Objektivität der
Kommission wurde von der Saarbevölkerung sehr stark angezweifelt, weshalb ihr von
vornherein Ablehnung entgegen schlug. Neben den wirtschaftlichen Vorrechten Frankreichs,
die im nächsten Unterkapitel noch näher erläutert werden, wurde der französische Einfluss
durch weitere Maßnahmen verstärkt: die Vertretung der Saarländer im Ausland durch
Frankreich sowie die Berufung von Franzosen in leitende Beamtenstellen.19 Insbesondere
während der Ära Rault von 1920 bis 1925 waren die französischen Interessen an einer
Annexion des Saargebietes offenkundig. Raults Politik, die darauf ausgerichtet war, im
verwaltungs- und kulturpolitischen Bereich die Bindungen der Saarbewohner zum Deutschen
Bereich so weit als möglich zu lockern, schadete damit nicht nur dem Ansehen der
Regierungskommission, sondern auch dem des gesamten Völkerbundes. Darüber hinaus
versuchte Präsident Rault, innenpolitisch kritische Stimmen der Saarbevölkerung mit den
Mitteln des Polizeistaates20 zu unterdrücken. Nach seiner Abberufung und dem damit
verbundenen Ende der „profranzösischen“ Mehrheit nahm die Völkerbundsregierung ab etwa
1926 eine deutlich liberalere Haltung ein und bemühte sich, deutsche und französische
Interessen an der Saar auszugleichen. Das Misstrauen der Saarbewohner gegenüber der
17
Paul: Saargeschichte im Plakat, S.23
Behringer: Geschichte des Saarlandes, S.95
19
Linsmayer, Ludwig: Die Macht der Erinnerung, in: Ders. (Hrsg.): Der 13. Januar. Die Saar im Brennpunkt der
Geschichte, Merzig 2004, S.25f
20
zum Beispiel: Hausdurchsuchungen, Verhaftungen, Presseverbote und Ausweisungen
18
8
internationalen Regierung war jedoch bereits so groß, dass selbst kleinere politische Krisen
beinahe automatisch in Vertrauenskrisen mündeten.21
Das parteipolitische Leben wurde an der Saar von den gleichen Gruppierungen wie im
Deutschen Reich bestimmt. Der Versuch, eine französisch orientierte Partei aufzustellen,
scheiterte bei den Landesratswahlen 1924 mit einem Stimmenanteil von nur 2,7% eindeutig.
So hatten nur solche Parteien eine nennenswerte Wählerschaft, die eine deutsche
„Mutterpartei“ vorweisen konnten, mit der die organisatorischen Verbindungen bestehen
blieben.22 Die Größenverhältnisse zwischen den Parteien unterschieden sich hingegen von
denen des Reiches. Die parteipolitische Führungsstellung des Zentrums ist dabei auf den
katholischen Bevölkerungsanteil von über 72% an der Saar zurückzuführen.23 Diese Position
konnten die Linksparteien, die nach der Novemberrevolution einen enormen Zuwachs
verzeichneten, nur vorübergehend in Frage stellen und zusammen genommen zwischen 1924
und 1932 nur etwa ein Drittel der Wähler für sich gewinnen. Dabei verschoben sich
zunehmend die Gewichte von der Sozialdemokratischen Partei (SPD) zur Kommunistischen
Partei (KPD). Insgesamt repräsentierten diese drei Parteien etwa Dreiviertel der Wählerschaft
in der Saarregion. Darüber hinaus ist nur noch die liberale Deutsch-Saarländische Volkspartei
(DSVP) zu nennen, die durchgängig im Landesrat Sitz und Stimme besaß. Während ihr
Wähleranteil von ursprünglich 15% im Laufe der Zwanziger Jahre bis auf etwa 7% sank,
gelang der konservativen Deutschnationale Volkspartei (DNVP) 1928 der Einzug ins
Parlament.24 Der auffälligste Unterschied der politischen Landschaft an der Saar im Vergleich
zu den deutschen Parteien bestand allerdings im Fehlen des Rechtsradikalismus. Die Anfänge
der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP) reichen zwar auch im
Saargebiet bis in das Jahr 1923 zurück, jedoch blieb die Partei jahrelang ohne Bedeutung. Bei
den Kommunalwahlen 1929 stellte sie erstmals in einigen Orten einen Kandidaten auf, der
Erfolg blieb hingegen aus. Bei den Landesratswahlen 1932 erhielt sie ebenfalls nur 6,7% der
Stimmen, die bei der DNVP zugleich verloren gingen. Trotzdem blieb der Durchbruch der
Nationalsozialisten im Deutschen Reich für die Parteien an der Saar nicht folgenlos, sondern
führte zu einer Krise des gemeinsamen politischen Bewusstseins. Die Auseinandersetzung mit
dem Nationalsozialismus fiel dabei mit dem ab 1933 beginnenden Abstimmungskampf an der
Saar zusammen.25
21
Linsmayer: Politische Kultur, S.20
Herrmann: Die Geschichte des Saarlandes, S.36f
23
Zenner, Maria: Saarländischer Katholizismus in der Völkerbundzeit, in: Klimmt, Reinhard u.a. (Hrsg.): Richtig
daheim waren wir nie. Entdeckungsreisen ins Saarrevier 1815 – 1955, Berlin 1987, S.143
24
Linsmayer: Politische Kultur, S.20ff
25
Herrmann: Die Geschichte des Saarlandes, S.37
22
9
Die wirtschaftliche Entwicklung in der Völkerbundszeit
In wirtschaftlicher Hinsicht musste das Saargebiet in der Völkerbundszeit wie andere
europäische Regionen die schwierige Umstellung von Kriegs- auf Friedenswirtschaft sowie die
Weltwirtschaftskrise in den Jahren 1929/30 bewältigen. Darüber hinaus mussten neue
Absatzmärkte gewonnen werden. Das Saargebiet erhielt zwischen 1920 und 1925 den
Sonderstatus einer Freihandelszone. Sowohl die Kohle und Eisenerzeugnisse, die nach
Deutschland exportiert wurden als auch deutsche Produkte, die importiert wurden, waren
zollfrei. Mit dem Anschluss an das französische System bestand fortan gegenüber deutschen
Einfuhren eine Zollschranke. Dies verursachte ähnlich wie der Währungsdualismus von Mark
und Franc großen Unmut bei der Saarbevölkerung.26 Die schrittweise Einführung des
französischen Franc als Zahlungsmittel, das zunächst nur von der Grubenverwaltung genutzt
wurde, war ein Beleg für den immer stärkeren Einfluss Frankreichs, der auch den
Wirtschaftssektor betraf. Dabei muss allerdings berücksichtigt werden, dass sowohl die
Währungs- als auch die Zollunion mit Frankreich dem Saargebiet die gallopierende Inflation
wie im Deutschen Reich ersparte. So verbesserten sich die wirtschaftlichen Verhältnisse an der
Saar, als der Franc ab 1. Juni 1923 alleiniges Zahlungsmittel wurde. Dennoch änderte dies
nichts daran, dass sich die Saarbewohner im eigenen Land von fremden Machthabern
bevormundet sahen.27
Das Saarstatut hatte Frankreich im Wirtschaftsbereich darüber hinaus ein weiteres, großes
Einflussgebiet zugestanden. Mit dem Eigentumsrecht an den Kohlengruben im Saarbecken
hatte Deutschland auch das alleinige Ausbeutungsrecht an Frankreich abgetreten. Durch den
Übergang der Saargruben in französischen Staatsbesitz gerieten die Bergarbeiter in
unmittelbare Abhängigkeit vom französischen Staat und von französischen Grubenbeamten.28
Die wirtschaftlichen Interessen Frankreichs sowie die Wirtschaftsstruktur an der Saar bildeten
die Grundlage der Grenzziehung. Dabei wurde ein Gebiet von 1900 km² so abgegrenzt, dass es
alle Kohlengruben, die Industriewerke sowie das Wohngebiet der Industrie- und Bergarbeiter
einschloss.29 Darüber hinaus entstanden zahlreiche französische Banken und Versicherungen
26
Behringer: Geschichte des Saarlandes, S.95f
Linsmayer: Die Macht der Erinnerung, S.26f
28
Behringer: Geschichte des Saarlandes, S.95f
29
Paul: “Deutsche Mutter – heim zu Dir!”, S.29
27
10
sowie eine französische Handelskammer an der Saar. Vor diesem Hintergrund wurde auch das
Wirtschaftsressort der Regierungskommission stets von einem Franzosen geleitet.30
Während bereits die politische Konstellation, insbesondere die französisch-geprägte
Regierungskommission,
von
der
Saarbevölkerung
abgelehnt
wurde,
stießen
die
wirtschaftlichen Regelungen auf noch größeren Widerstand. Die Situation verschärfte sich
schließlich durch den hunderttägigen Bergarbeiterstreik, der am 5. Februar 1923 mit
Lohnforderungen der Bergleute begann und der von der französischen Grubenverwaltung mit
Entlassungen und Wohnungskündigungen beendet wurde. Dadurch wurde die ohnehin
bestehende sozial- und nationalpolitische Solidarität der Bergarbeiter gegen den französischen
Staat als Arbeitgeber gefestigt. Das Bestreben, im Grenzland nicht mehr zwischen die
Erbfeindschaft Deutschlands und Frankreichs zu geraten, war damit gescheitert. Der Streik
führte ferner alle politischen Kräfte an der Saar zusammen, die im Widerstand gegen die
Regierungskommission
entstanden
waren.
Ein
auf
Verständigung
angelegter
Internationalismus hatte spätestens jetzt keine Chance mehr.31
Die kulturelle Entwicklung unter der Völkerbundsverwaltung
Die Voraussetzungen für eine kulturelle Selbstbehauptung waren im Saargebiet besonders
günstig, da ihm als eigenständige politische Region die kulturelle Autonomie durch den
Versailler Vertrag ausdrücklich zuerkannt wurde. Der Bevölkerung an der Saar wurden ihre
religiösen Freiheiten, ihre Schulen und ihre Sprache garantiert. Sowohl kommunale
Bildungseinrichtungen
als
auch
die
unterschiedlichen
Vereine
waren
somit
dem
reglementierenden Eingriff der Völkerbundsregierung weitestgehend entzogen.32
Dennoch wurde die kulturelle Situation im Saargebiet zum Teil sehr stark von Frankreich
bestimmt. Dabei verbanden die Saarbewohner aufgrund der Besatzungszeit vor allem negative
Erfahrungen mit ihrem Nachbarland. Auch den Landesherren in Paris war daher früh klar, dass
sie mit Gewaltmaßnahmen und militärischem Zwang die Saarbevölkerung nicht für sich
gewinnen konnten. So gastierten schon vor der Völkerbundszeit französische Musiktheater an
der Saar und erste französische Schulen wurden errichtet, um die Saarbewohner kulturell zu
beeinflussen.33 Auch die Regierungskommission gab mit Hilfe der Bergwerksverwaltung nach
kurzer Zeit die Neutralität auf und unterstützte die französische Kulturpropaganda. Die Kultusund Schulabteilung unterstand dabei nie einem Mitglied aus der Saarbevölkerung, sondern in
30
Herrmann: Die Geschichte des Saarlandes, S.33
Mallmann, Klaus-Michael: Klassenkampf fürs Vaterland. Der Bergarbeiterstreik 1923, in: Klimmt, Reinhard
u.a. (Hrsg.): Richtig daheim waren wir nie. Entdeckungsreisen ins Saarrevier 1815 – 1955, Berlin 1987, S.103
32
Linsmayer: Politische Kultur, S.306
33
Paul: Saargeschichte im Plakat, S.22
31
11
der Regel „profranzösischen“ Beamten. In einer Anlage zum Saarstatut wurden in diesem
Zusammenhang verschiedene Einzelheiten geregelt: unter anderem das Recht Frankreichs,
jederzeit Schulen für das Grubenpersonal und deren Kinder zu gründen sowie darin den
Unterricht erteilen zu lassen. Dabei konnte der französische Staat Lehrer einstellen und den
Lehrplan
festlegen.
Darüber
hinaus
konnten
durch
eine
Verordnung
der
Regierungskommission von 10. Juli 1920 auch die Kinder des deutschen Grubenpersonals und
sogar Kinder der nicht zum Grubenpersonal gehörenden Saareinwohner ihre gesetzliche
Schulpflicht durch den Besuch dieser so genannten Domanialschulen erfüllen. Auf Widerstand
sowohl bei der Lehrerschaft als auch bei der Bevölkerung stießen jedoch nicht nur diese
Bergwerksschulen, sondern auch der fakultative französische Sprachunterricht an den
Volksschulen. Diese Entwicklungen wurden als Gefährdung des deutschen Charakters des
Schulwesens erachtet. Der Schulkampf spitzte sich zu, als die französische Grubenverwaltung
die Bergleute dazu zwang, ihre Kinder in die französischen Schulen zu schicken.34
Im Hinblick auf die bevorstehende Volksabstimmung und der damit verbundenen deutschfranzösischen Rivalität war daher klar, dass sich das kulturelle Leben an der Saar nicht in
einem politikfreien Raum abspielte. Insbesondere die ausgeprägte Festkultur stand sehr stark
im Zeichen der Politik. So hatten in den Zwanziger Jahren viele große, in der „Masse“ erlebte
Fest- und Feierstunden einen politischen Kultcharakter und waren mit politischen Zielen und
Werten verknüpft. Ferner galten sie auch als politische Aktionsform, die insbesondere an der
Saar die politische Teilhabebereitschaft der Menschen zum Ausdruck brachte.35
In diesem Kontext sind vor allem die kulturnationalen Feiern herauszustellen. Dass diese in
den frühen Zwanziger Jahren an der Saar an Bedeutung zu verlieren schienen, lag primär an
der Verbotspraxis der Regierungskommission, die alle öffentlichen Prozessionen und
Veranstaltungen konsequent untersagte, die offen an das Nationalgefühl appellierten. Vor
diesem Hintergrund wurde das erste große, öffentlichkeitswirksame Fest mit einer nationalen
Ausrichtung, welches das Saargebiet in dieser Zeit erlebte, auf kirchlich-katholischem Boden
gefeiert, der vor staatlichen Übergriffen weitgehend geschützt war. Der erste Katholikentag an
der Saar entwickelte sich 1923 mit einer Teilnahme von etwa 70.000 Katholiken de facto zu
einer Demonstration des bedrohten Deutschtums im abgetrennten Grenzgebiet und damit auch
zum symbolischen Protest gegen die herrschende staatlich-politische Ordnung. Gleichzeitig
bildete er das erste bedeutende, regionale Fest, das seit dem Weltkrieg außerhalb der
sozialistischen Arbeiterbewegung zustande kam.36
34
Herrmann: Die Geschichte des Saarlandes, S.31ff
Linsmayer: Politische Kultur, S.86f
36
Linsmayer, Ludwig: Kulturnationale Feiern, in: Dülmen, Richard van / Klimmt, Reinhard (Hrsg.):
Saarländische Geschichte. Eine Anthologie, St. Ingbert 1995, S.273ff
35
12
Da nationalpolitische Feiern am besten realisierbar waren, wenn sie verdeckt als kulturelle und
nicht als politische Veranstaltungen ausgewiesen wurden, waren neben kirchlich-nationalen
Festen auch solche Feste beliebt, in denen das deutsche Liedgut, alte deutsche Sitten und
Bräuche oder auch ein Anlass der deutschen Geschichte gefeiert wurden. Letzteres war bei der
Rheinischen Jahrtausendfeier im Jahr 1925 der Fall, die als herausragendes Ereignis an der
Saar – wie im ganzen Rheinland – ein eindrucksvolles Bekenntnis für Deutschland darstellte.
Die Feierlichkeiten nahmen Bezug auf das Jahr 925, als der deutsche König Heinrich I. das
selbständige Herzogtum Lotharingen, zu dem auch große Teile der späteren Rheinprovinz und
somit das Land an der Saar gehörten, mit dem ostfränkischen, deutschen Reich
wiedervereinigte. Der Anlass war dabei eher willkürlich gewählt und trat in dem geschickt
inszenierten Massenspektakel auch in den Hintergrund. Die Jahrtausendfeier bot vielmehr die
Gelegenheit, in einem großen Fest einerseits den nationalen Zusammengehörigkeitswillen der
Bevölkerung aufzuzeigen und andererseits gegen die französischen Annexionsinteressen zu
demonstrieren.37 Der Massenzuspruch, den die Jahrtausendfeier erfuhr, war nicht zuletzt im
Verhalten der Regierungskommission begründet, die das Fest zwar nicht gänzlich untersagte,
aber zahlreiche begrenzte Verbote aussprach. So wurden beispielsweise das Schmücken
öffentlicher Gebäude, die Mitwirkung von Beamten und Schulen an der Feier sowie das
Flaggen der alten schwarz-weiß-roten Reichsfarben nicht erlaubt. Dies führte jedoch nicht zu
dem beabsichtigten Effekt, sondern geradewegs zum Gegenteil: Die Vorbereitungen wurden
mit einer regelrechten Euphorie von immer mehr freiwilligen Helfern vorangetrieben und fast
alle größeren Orte an der Saar versanken an den Festtagen in den schwarz-weiß-roten Fahnen.
Diese Form des nationalen Protestes der Masse der Festteilnehmer war nicht überraschend. Er
war letztlich ein Ausdruck gegen die aufgezwungene Fremdregierung und Fremdbesatzung
sowie gegen die bereits beschriebene Regierungspraxis des Präsidenten Rault.38 Darüber
hinaus spiegelt dieses – wenn auch nur einmalige – Ereignis der Jahrtausendfeier das
Nationalgefühl an der Saar wider, das fortan bei allen öffentlichen Festen eine Rolle spielte,
zum Beispiel auch bei schulischen und kirchlichen Jubiläums- und Einweihungsfeierlichkeiten.
Kennzeichnend hierfür waren nicht nur der Volksfestcharakter sowie die kirchliche und
vereinspolitische Unterstützung, sondern auch eine Klassen-, Religions- und Altersgrenzen
überschreitende Massenmobilisation neben der Politisierung des Alltags.39 Ferner war dieser
Nationalismus anfällig für politische Instrumentalisierungen. Daher sollte die Verbindungslinie
nicht gänzlich außer Acht gelassen werden, die offensichtlich von dem nationalen
Paul, Gerhard: “Schwarz-weiß-rot am Hundeschwanz”. Die Rheinische Jahrtausendfeier 1925, in: Klimmt,
Reinhard u.a. (Hrsg.): Richtig daheim waren wir nie. Entdeckungsreisen ins Saarrevier 1815 – 1955, Berlin 1987,
S.113
38
Linsmayer: Politische Kultur, S.138ff
39
Paul: Die Rheinische Jahrtausendfeier 1925, S.113
37
13
Festkultcharakter
der
Jahrtausendfeier
zur
nationalsozialistisch
beeinflussten
Abstimmungspropaganda von 1933 bis 1935 führte.40
Der Abstimmungskampf 1933 – 1935
Deutsche Front und Einheitsfront
Infolge der Machtergreifung am 30. Januar 1933 verstärkten sich die Aktivitäten der NSDAP
und ihrer Anhänger auch an der Saar. Überall wurde die Saarbevölkerung mit den
nationalsozialistischen Symbolen, Parolen und Appellen konfrontiert, die Straßen, Plätze,
Behörden, Geschäfte oder Wohnhäuser in Form von Giebelinschriften dekorierten. Die
Propaganda der Nationalsozialisten bezog sich dabei insbesondere auf die regionalspezifische
Thematik der anstehenden Volksabstimmung und erweckte zuweilen den Eindruck, als sei die
Abstimmung bereits zugunsten Hitler-Deutschlands gelaufen.41
Darüber hinaus leitete die NSDAP die Gleichschaltung aller Verbände und Organisationen im
Saargebiet ein. So wechselten bereits im April 1933 Mitglieder der bürgerlichen Parteien in die
NSDAP über, wobei die Parteien an der Saar nur allmählich ihre Politik den neuen
Verhältnissen im Reich anpassten. Dennoch schlossen sich die NSDAP Saar, die liberale
DSVP, die DNVP, die bürgerliche Mitte und – trotz großer Kritik am Nationalsozialismus –
auch das katholische Zentrum im Juli 1933 zur gemeinsamen Vorbereitung des
Abstimmungskampfes in dem national-bürgerlichen Parteienbündnis der Deutschen Front
zusammen.42 Die einzelnen Parteien behielten zwar zunächst ihre Selbstständigkeit innerhalb
des Bündnisses bei, jedoch erfolgte parallel zu den Entwicklungen im Reich noch im gleichen
Jahr die Auflösung der bürgerlichen Parteien. Der Gauleiter Alois Spaniol hatte es allerdings
versäumt, die NSDAP Saar ebenfalls zur Festigung der Deutschen Front aufzulösen. Daraufhin
übernahm Joseph Bürckel, der Gauleiter der Pfalz, die Verhandlungen mit der Deutschen Front
und wurde damit auf deutscher Seite zur entscheidenden Gestalt im Abstimmungskampf. Als
Nachfolger von Vizekanzler Franz von Papen wurde er am 10. August 1934 zum
Saarbevollmächtigten des Reichskanzlers ernannt.43
40
Linsmayer: Politische Kultur, S.148
Paul: “Deutsche Mutter – heim zu Dir!”, S.102
42
Linsmayer: Die Macht der Erinnerung, S.40
43
Behringer: Geschichte des Saarlandes, S.101
41
14
Auf der anderen Seite nahm die SPD unmittelbar nach der Machtübernahme den Kampf gegen
die neue Reichsregierung auf. Sie trat allerdings erst im Oktober 1933 mit einem
entsprechenden Saarprogramm in der Öffentlichkeit auf. Die ersten Bemühungen des
Parteivorsitzenden Max Braun richteten sich dahingehend, den Abstimmungstermin um fünf
bis zehn Jahre zu verschieben, bis wieder eine freie Wahl an der Saar möglich wäre. Der
Völkerbundsrat, der sich immer sehr genau an das Versailler Saarstatut hielt, sowie die
französische Regierung berücksichtigten diese Vorschläge nicht. Die KPD kämpfte bis zum
Sommer 1934 unabhängig von den Sozialdemokraten gegen den Nationalsozialismus im Reich
und griff gleichsam Völkerbund, Regierungskommission und Frankreich an. Sogar die
Ausfälle gegen die Sozialdemokratie wurden zunächst beibehalten. Erst als der Völkerbundsrat
am 4. Juni 1934 endgültig den Termin für die Volksabstimmung auf den 15. Januar 1935
festlegte, bildete sich am 4. Juli 1934 die so genannte Einheitsfront der Kommunisten und
Sozialdemokraten an der Saar. Sie forderte zur Beibehaltung der bestehenden Verhältnisse an
der Saar auf, für den so genannten Status quo, und hoffte dabei, nach einem Sturz der
Nationalsozialisten im Reich, in einer zweiten Abstimmung über den endgültigen Status des
Saargebietes entscheiden zu können.44
Ablauf des Abstimmungskampfes und Propagandamaßnahmen
Nach der Terminfestlegung für die Saarabstimmung setzte zugleich die intensive
Wahlkampfphase ein. In allen Dörfern und Städten entlang von Saar und Blies begann ein
regelrechter Plakat-, Transparenten- und Fahnenkrieg. Dabei konnte die Deutsche Front durch
die Unterstützung der NSDAP auf das umfangreiche nationalsozialistische Instrumentarium
zurückgreifen, so dass der Saarkampf die erste große Propagandaschlacht des Ministeriums für
„Volks-aufklärung
und
Propaganda“
von
Joseph
Goebbels
darstellte.45
Da
das
nationalsozialistische System hoffte, im Saargebiet seinen ersten großen außenpolitischen
Erfolg
zu
feiern,
stellte
es
große
Geldsummen
zur
Stärkung
der
nationalen
Rückgliederungspropaganda zur Verfügung.46
An
der
Saar,
im
Reich
und
selbst
in
Übersee
wurden
die
dort
lebenden
Abstimmungsberechtigten47 zur Zielgruppe der nationalsozialistischen Propaganda. Auf
riesigen Großkundgebungen warb Hitler zum Teil höchstpersönlich für die Rückgliederung zu
Deutschland. Die überall gegründeten Saar-Vereine erschienen zwar als Träger dieser
Kundgebungen,
tatsächlich
aber
waren
die
Veranstaltungen
detailliert
im
Paul: “Deutsche Mutter – heim zu Dir!”, S.270ff
Paul: Saargeschichte im Plakat, S.61
46
Linsmayer: Die Macht der Erinnerung, S.15
47
Stimmberechtigt waren alle Menschen, die zum Zeitpunkt des Versailler Vertragsabschlusses ihren Wohnsitz
im Saargebiet hatten.
44
45
15
Propagandaministerium geplant worden.48 Höhepunkt bildete die von Goebbels veranstaltete
Saargroßkundgebung am Niederwalddenkmal in Rüdesheim. Zehntausende Saarbewohner
versammelten sich hier, um Hitler zuzujubeln.49
Die zahlreichen eingesetzten Wahlplakate bildeten ein weiteres zentrales Propagandamittel, bei
dem die Deutsche Front geschickt die werbepsychologischen Erkenntnisse der modernen
Massenbeeinflussung nutzte. Dabei ging es in erster Linie um emotionale Aspekte. So
appellierten die drei Hauptplakate an das Gefühl, die Wünsche und Sehnsüchte, aber auch an
das Gewissen und den Handlungswillen des Betrachters. Beispielsweise wurde in dem von
Hans Herbert Schweitzer50 entworfenen Plakat „Deutsche Mutter – heim zur Dir“51 die
Rückgliederung des Saargebietes als Heimkehr des Sohnes in die Arme seiner deutschen
Mutter
dargestellt.
Die
Deutsche
Front
verzichtete
weitgehend
auf
den
Einsatz
nationalsozialistischer Symbolik und Terminologie, um die Rückgliederung als Angelegenheit
der Saarbewohner und nicht als parteipolitische Aufgabe erscheinen zu lassen.52
Die antifaschistische Einheitsfront war diesem gewaltigen Propagandaaufwand der Deutschen
Front hoffnungslos unterlegen.53 Allein in den letzten Monaten des Saarkampfes wurden mit
Unterstützung des Propagandaministeriums etwa 80.000 Plakate im Saargebiet aufgehängt.
Gegen die mitreißende Welle des Nationalgefühls versuchten sich die Status quo-Befürworter
mit nüchternen und rationalen Argumenten zu erheben, um jedem Abstimmungsberechtigen
darzulegen, welches Unglück durch die nationalsozialistische Herrschaft der Saar drohen
werde, und gleichzeitig die Vorteile politischer Freiheit zu betonen. Dabei verunsicherte bereits
das Fremdwort „Status quo“ viele Menschen, da sie es gar nicht verstanden. Es erweckte bei
ihnen das Gefühl, ein Sieg der Befürworter würde die Franzosen wieder ins Land bringen. Vor
diesem Hintergrund waren umständliche Erklärungen erforderlich, weshalb in der
Plakatpropaganda der Einheitsfront die Textplakate54 dominierten. Inhaltlich wurden dabei
immer wieder die gleichen Schwerpunkte gesetzt: die Selbstbestimmung und Selbstverwaltung
der
Region,
die
Möglichkeit
einer
zweiten
Abstimmung
nach
dem
Ende
der
nationalsozialistischen Diktatur, die Beteiligung der Saar am Besitz der Gruben und die
Beibehaltung des französischen Währungssystems. Insbesondere die wirtschaftlichen
Argumente wurden immer wieder aufgegriffen. Unter anderem führten die Anhänger des
Status quo in diesem Zusammenhang an, dass eine sofortige Rückgliederung den Bergbau
48
Paul: Saargeschichte im Plakat, S.61
Behringer: Geschichte des Saarlandes, S.101
50
bekannter nationalsozialistischer Grafiker, Pseudonym: Mjölnir; Lebensdaten: 25.07.1901 – 15.09.1981
51
siehe Anhang 23
52
Paul: Saargeschichte im Plakat, S.61ff
53
Behringer: Geschichte des Saarlandes, S.101
54
siehe auch Anhang 24
49
16
sowie die Hüttenindustrie stark belasten und Massenentlastungen nach sich ziehen würde.55
Auch graphisch und inhaltlich konnten sowohl die Bild- als auch die Liedproduktionen der
Einheitsfront mit denen der Deutschen Front nicht konkurrieren. Ihnen fehlten nicht nur Farben
oder identifizierbare Symbole, sondern vor allem eine zündende Parole.56 Außerdem verfügte
die Status quo-Bewegung über keinen eigenständigen Fundus an Erinnerungen und konnte
daher keine politischen Traditionen anführen, die ihre politischen Zielvorstellungen hätten
legitimieren können.57 Aufgrund dieser Defensivstellung der Einheitsfront hatten sich viele
Anhänger der KPD und SPD im Laufe des Abstimmungskampfes von den beiden Parteien
abgewandt. Ferner wurden ganze Bevölkerungsgruppen von der Propaganda der Einheitsfront
gar nicht erfasst. So tauchten Frauen weder als Subjekt noch als Adressaten des Wahlkampfes
auf. Die geschilderten Schwachpunkte in der Propaganda zählten zu den Ursachen, die letztlich
zum Scheitern der Status quo-Bewegung führten. Die Einheitsfront traf dabei allerdings nicht
nur eine Reihe von Fehlentscheidungen im Laufe des Wahlkampfes, sondern war tatsächlich
benachteiligt gegenüber der allein schon finanziell wesentlich besser aufgestellten Deutschen
Front.58
Die Atmosphäre während des Abstimmungskampfes war äußerst angespannt, da die Methoden
des politischen Kampfes in erster Linie von der NSDAP bestimmt wurden, obwohl diese
offiziell in der Deutschen Front aufgegangen war. Die Nationalsozialisten scheuten dabei auch
vor Einschüchterung, Boykott und Terror gegen Andersdenkende nicht zurück.59 Insbesondere
in den letzten Tagen vor der Abstimmung spitzte sich die Lage an der Saar immer weiter zu.
Plakat- und Anschlagflächen der Einheitsfront wurden umgestürzt und zerschlagen, so dass bis
zum Morgen des Wahltages die Status quo-Lösung im öffentlichen Erscheinungsbild schon
kaum mehr präsent war.60 Der Völkerbundskommission fiel es in dieser erhitzten Stimmung
zunehmend schwerer, Recht und Ordnung im Alltag sicher zu stellen. Auch der Versuch, die
Ausschreitungen mit Notverordnungen einzudämmen, blieb erfolglos. Vor diesem Hintergrund
entsandte der Völkerbund im Dezember 1934 britische, italienische, niederländische und
schwedische Schutztruppen mit einer Stärke von etwa 4000 Mann in die Saarregion. Diese
sollten am 13. Januar 1935 den Wahlvorgang überwachen, um eine korrekte Durchführung zu
gewährleisten. Entgegen einheimischer Befürchtungen erwies sich ihre Präsenz als voller
Erfolg, da sie durch ihre Bewachung eine demokratische Wahl erst ermöglichten. Aufgrund
55
Paul: Saargeschichte im Plakat, S.64f
Paul: “Deutsche Mutter – heim zu Dir!”, S.297f
57
Linsmayer: Die Macht der Erinnerung, S.46
58
Paul: Saargeschichte im Plakat, S.64ff
59
Herrmann: Die Geschichte des Saarlandes, S.39
60
Paul: Saargeschichte im Plakat, S.67
56
17
ihres freundlichen und korrekten Auftretens fanden sie auch viele Sympathien in der
Bevölkerung.61
Ergebnis und Auswertung der Saarabstimmung
Der Ausgang der Volksabstimmung hing aufgrund des bestehenden Kräfteverhältnisses
zwischen den Parteien in besonderem Maße von der Haltung der bisherigen Wählerschaft des
Zentrums ab. Die katholische Zentrumspartei hatte sich zwar im Oktober 1933 zugunsten der
Deutschen Front aufgelöst, jedoch legten einige Mitglieder ihre Ablehnung gegenüber dem
nationalsozialistischen Regime nicht ab. In diesem Kontext ist vor allem Johannes Hoffmann,
damaliger
Redakteur
der
Saarländischen
Landeszeitung
zu
nennen,
der
die
nationalsozialistischen Ziele und Methoden öffentlich immer wieder anklagte, weshalb er im
Februar 1934 als Chefredakteur entlassen wurde. Er konnte insbesondere innerhalb der
katholischen Bevölkerung und der Geistlichkeit Anhänger gewinnen, die ebenfalls die
Rückkehr des Saargebietes in ein nationalsozialistisches Deutschland ablehnten.62 Nachdem
jedoch der Trierer Bischof Bornewasser ausdrücklich zur Stimmabgabe für die Rückkehr zu
Deutschland aufforderte, waren die Hoffnungen Hoffmanns, einen größeren Teil der
Saarbevölkerung für eine Status quo-Lösung zu gewinnen, zerstört.63 Der Versuch des
Katholizismus an der Saar, sowohl Kritik und Protest gegenüber der nationalsozialistischen
Herrschaft auszuüben als auch das Angebot zur nationalen Zusammenarbeit zu verwirklichen,
führte daher letztlich in eine nationale Solidarisierung für die Volksabstimmung.64
Insgesamt entschieden sich am 13. Januar 1935 90,76% der Abstimmungsberechtigten für die
Rückgliederung zum Deutschen Reich.65 Während sich die reichsdeutsche Bevölkerung in
freien Wahlen nie mehrheitlich für den Nationalsozialismus aussprach, könnte bei diesem
Ergebnis der Eindruck entstehen, dass bei dem vom Völkerbund überwachten Plebiszit mehr
als 90% zugleich für die nationalsozialistische Diktatur gestimmt hätten. So könnte
geschlussfolgert werden, dass die Saarbevölkerung besonders anfällig gegenüber der
nationalsozialistischen Propaganda und wenig demokratisch gesinnt war. Dies widerspricht
jedoch den Ergebnissen der Regionalwahlen, bei denen die sich zur Weimarer Republik
bekennenden Parteien (Zentrum und Sozialdemokratie) immer die Mehrheit auf sich vereinen
konnten, während die NSDAP noch 1932 nur einen sehr geringen Stimmenanteil erzielte.66
Auch wenn die Anhänger der Nationalsozialisten eine sehr aktive Wählergruppe bei der
61
Burgard, Paul: Die Sprache der Bilder, in: Linsmayer, Ludwig (Hrsg.): Der 13. Januar. Die Saar im Brennpunkt
der Geschichte, Merzig 2004, S.176
62
Zenner: Saarländischer Katholizismus, S.145ff
63
Behringer: Geschichte des Saarlandes, S.101
64
Zenner: Saarländischer Katholizismus, S.146
65
Herrmann: Die Geschichte des Saarlandes, S.39
66
Linsmayer: Politische Kultur, S.164
18
Abstimmung 1935 waren, so lag das Hauptanliegen der Wähler vielmehr darin, ihre Stimme
für die Vereinigung mit dem angestammten Vaterland unabhängig von der dort herrschenden
Partei und Staatsform abzugeben.67
Der Völkerbundsrat beschloss am 18. Januar 1935 die Vereinigung des gesamten Saargebietes
mit dem Deutschen Reich zum 1. März 1935. Die Saarregion wurde unter der Bezeichnung
„Saarland“ einem Reichskommissar unterstellt, wodurch endgültig die Zugehörigkeit zu
Preußen und Bayern, die seit 1920 lediglich geruht hatte, beendet wurde. Reichskommissar
wurde der Gauleiter Bürckel.68 Bereits wenige Monate nach dem Plebiszit erinnerte kaum noch
etwas im öffentlichen Leben daran, dass zuvor ein anderes politisches System existiert hatte.
Hunderte von Straßen wurden nach namhaften Nationalsozialisten umbenannt. Kurz vor dem
ersten Jahrestag der Saarabstimmung gab Bürckel bekannt, dass in allen saarländischen
Gemeinden eine Straße künftig „Straße des 13. Januar“69 heißen sollte. Zusätzlich gab es in
vielen Orten einen „Platz der Deutschen Front“ oder einen „Befreiungsplatz“. Höhepunkt
dieses nationalsozialistischen Erinnerungskultes bildete im Oktober 1938 die pompös
inszenierte Einweihung des neuen „Grenzlandtheaters Saarbrücken“70, welches als Geschenk
Hitlers für die nationale Treue der Saarbewohner galt.71
Didaktische Reduktion
Die vorliegende Unterrichtsreihe ist chronologisch aufgebaut, so dass ein erster thematischer
Schwerpunkt auf der französischen Besatzungszeit von 1918 bis 1920 liegt. Dabei sollen
hauptsächlich die belastenden Faktoren durch die militärische Präsenz sowie die unklare
politische Situation und die damit verbundene Angst der Annexion durch Frankreich im
Vordergrund stehen. Die verschiedenen Belagerungszustände oder Streiks, die in dieser Zeit
bestanden beziehungsweise durchgeführt wurden, spielen eine untergeordnete Rolle und
werden nur kurz angesprochen. Auch die Gründung des „Saar-Vereins“ in Berlin wird in
diesem Kontext allenfalls in Bezug auf die im Deutschen Reich lebenden Saarländer kurz
erwähnt, da sich diese zum Teil sehr rege im Abstimmungskampf engagierten und 1935 auch
mitstimmen durften.
Im Zusammenhang mit der französischen Besatzungszeit sollen die Gründe für die
antifranzösischen Ressentiments der Saarbevölkerung herausgearbeitet werden. Die negative
67
Herrmann: Die Geschichte des Saarlandes, S.39
Ebd, S.40f
69
Heute sind noch immer drei saarländische Straßen nach dem 13. Januar benannt, unter anderem in Saarbrücken
(siehe auch Anhang 27).
70
heute: Saarländisches Staatstheater in Saarbrücken
71
Linsmayer: Die Macht der Erinnerung, S.16ff
68
19
Haltung gegenüber Frankreich wird darüber hinaus im Laufe der Unterrichtsreihe immer
wieder aufgegriffen, insbesondere im Kontext der verstärkten Einflussnahme Frankreichs
während der Völkerbundszeit in politischer, wirtschaftlicher und kultureller Hinsicht. Gerade
in Bezug auf die kulturelle Entwicklung des Saargebietes wird exemplarisch die Bildung der
französischen Domanialschulen an der Saar intensiv thematisiert sowie auch auf die nationale
Festkultur am Beispiel der Rheinischen Jahrtausendfeier eingegangen. Auch bei der
wirtschaftlichen Situation zur Zeit des Völkerbundes wird der französische Einfluss durch den
Besitz der Saargruben sowie die Währung in groben Zügen behandelt.
Im Zusammenhang mit der Entwicklung des Saargebietes zu einer eigenständigen politischen
Einheit während der Völkerbundszeit wird anhand der Regelung im Saarstatut lediglich das
Organ der Regierungskommission betrachtet. Die 1922 entstandene Landesregierung spielt im
Rahmen der Unterrichtsreihe keine Rolle, da die Regierungsverantwortung weiterhin bei der
dem Völkerbund unterstellten Kommission lag. Auch die politische Parteienlandschaft wird
lediglich im Zusammenhang mit der Deutschen Front und der Einheitsfront angesprochen.
Der
Abstimmungskampf
von
1933
bis
1935
wird
anhand
verschiedener
Propagandamaßnahmen thematisiert. Exemplarisch werden dabei mit dem Saarlied „Deutsch
ist die Saar“ sowie mit Wahlplakaten sehr bekannte und typische Medien herausgegriffen, um
diese Sonder- aber auch Ausnahmesituation an der Saar zu veranschaulichen.
Im
Kontext
des
Abstimmungskampfes
sowie
bezüglich
der
Auswertung
des
Abstimmungsergebnisses kann die Bedeutung der Nationalsozialisten lediglich angesprochen
werden, da die vertiefte Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus erst in der zehnten
Klassenstufe erfolgt. Der Gedanke, dass das eindeutige Votum der Saarabstimmung nicht nur
als nationale Entscheidung interpretiert werden kann, sondern dass dadurch auch Hitler und das
nationalsozialistische Deutschland bestärkt wurden, wird zum Abschluss der Unterrichtsreihe
zumindest aufgegriffen. Ein vertieftes Verständnis kann jedoch erst dann einsetzen, wenn die
Saarfrage in Hitlers Konzept zur Revision des Versailler Vertrages eingeordnet werden kann.
20
Literaturverzeichnis
Sekundärliteratur
Behringer, Wolfgang / Clemens, Gabriele: Geschichte des Saarlandes, München 2009
Burgard, Paul: Die Sprache der Bilder, in: Linsmayer, Ludwig (Hrsg.): Der 13. Januar. Die
Saar im Brennpunkt der Geschichte, Merzig 2004, S.111-217
Hannig, Jürgen: „Deutsch ist die Saar“. Das Saarlied von Hanns Maria Lux, in: Klimmt,
Reinhard u.a. (Hrsg.): Richtig daheim waren wir nie. Entdeckungsreisen ins Saarrevier 1815 –
1955, Berlin 1987, S.117-122
Herrmann, Hans-Walter / Sante, Georg Wilhelm: Geschichte des Saarlandes, Würzburg 1972
Linsmayer, Ludwig: Die Macht der Erinnerung, in: Ders. (Hrsg.): Der 13. Januar. Die Saar im
Brennpunkt der Geschichte, Merzig 2004, S.13-109
Linsmayer, Ludwig: Kulturnationale Feiern, in: Dülmen, Richard van / Klimmt, Reinhard
(Hrsg.): Saarländische Geschichte. Eine Anthologie, St. Ingbert 1995, S.173-283
Linsmayer, Ludwig: Politische Kultur im Saargebiet 1920 – 1932. Symbolische Politik,
verhinderte Demokratisierung, nationalisiertes Kulturleben in einer abgetrennten Region,
St. Ingbert 1992
Mallmann, Klaus-Michael: Klassenkampf fürs Vaterland. Der Bergarbeiterstreik 1923, in:
Klimmt, Reinhard u.a. (Hrsg.): Richtig daheim waren wir nie. Entdeckungsreisen ins
Saarrevier 1815 – 1955, Berlin 1987, S.103-108
Paul, Gerhard: “Deutsche Mutter – heim zu Dir!” Warum es mißlang, Hitler an der Saar zu
schlagen. Der Saarkampf 1933 – 1935, Köln 1984
Paul, Gerhard / Schock, Ralph: Saargeschichte im Plakat 1918 – 1957, Saarbrücken 1987
Paul, Gerhard: “Schwarz-weiß-rot am Hundeschwanz”. Die Rheinische Jahrtausendfeier
1925, in: Klimmt, Reinhard u.a. (Hrsg.): Richtig daheim waren wir nie. Entdeckungsreisen ins
Saarrevier 1815 – 1955, Berlin 1987, S.113-116
Zenner, Maria: Saarländischer Katholizismus in der Völkerbundszeit, in: Klimmt, Reinhard
u.a. (Hrsg.): Richtig daheim waren wir nie. Entdeckungsreisen ins Saarrevier 1815 – 1955,
Berlin 1987, S.143-147
21
Quellensammlung
Labouvie, Eva (Hrsg.): Saarländische Geschichte. Ein Quellenlesebuch, Blieskastel 2001
Didaktikliteratur
Bauer, Volker u.a.: Methodenarbeit im Geschichtsunterricht, Berlin 1998
Gautschi, Peter: Geschichte lehren. Lernwege und Lernsituationen für Jugendliche, Mühlheim
an der Ruhr 2005
Sauer, Michael: Geschichte unterrichten. Eine Einführung in die Didaktik und Methodik,
Seelze-Velber 2008
Schneider, Gerhard: Das Plakat, in: Pandel, Hans-Jürgen / Schneider, Gerhard (Hrsg.):
Handbuch Medien im Geschichtsunterricht, Schwalbach 2007, S.277-338
Werner, Johannes: Geschichte. Grundlagen, Arbeitstechniken und Methoden, Freising 2007
Lehrplan und Lehrwerk
Saarland – Ministerium für Bildung, Kultur und Wissenschaft: Lehrplan Geschichte für die
Klassenstufe 9 (achtjährigen Gymnasium), Saarbrücken 2005
Geschichte und Geschehen Bd. 4, hrsg. vom Ernst Klett-Schulbuchverlag, Leipzig 2007
Internetquellen72
http://forum.axishistory.com/files/hermann_roechling_157.jpg
http://www.deuframat.de/deuframat/images/6/6_3/bredow/kap1-3b.gif
http://www.landeshauptarchiv.de/index.php?id=352
http://www.memotransfront.uni-saarland.de/pdf/domanialschulen.pdf
http://www.sarrelibre.de/wp-content/uploads/schild01mittel.jpg
http://www.spiegel.de/img/0,1020,41493,00.jpg
Musikquelle
Arbeit und Kultur Saarland GmbH (Hrsg.) in Zusammenarbeit mit dem Saarländischen
Rundfunk und der Universität des Saarlandes: Für und wider. Lieder und Chöre zur
Saarabstimmung 1935. Eine Dokumentation, Saarbrücken 1999
72
Alle Internetseiten wurden zuletzt am 28.01.2011 gesichtet.
22
Anhang
Verzeichnis
Erste Stunde: Das Saargebiet in der Besatzungszeit 1918 – 1920
61
Anhang 1:
Folie 1 – Foto: Hermann Röchling
62
Anhang 2:
Folie 2 – Karte des Deutschen Reiches
63
Anhang 3:
Folie 3 – Plakat „Raub des Saargebiets“
64
Anhang 4:
Arbeitsblatt / Folie 4 – methodischer Leitfaden
65
Anhang 5:
Arbeitsblatt – methodischer Leitfaden (Erwartungshorizont)
66
Anhang 6:
Hausaufgabe (Erwartungshorizont)
67
Zweite Stunde: Eigenständige Entwicklung der Saarregion unter dem Völkerbund
68
Anhang 7:
Quelle 1 / Folie – Personalausweis
69
Anhang 8:
Quelle 2 / Folie – Notiz
70
Anhang 9:
Quelle 3 / Folie – Schulzeugnis
71
Anhang 10: Tafelbild
72
Anhang 11: Arbeitsblatt – Saarstatut
73
Anhang 12: Erwartungshorizont zum Arbeitsblatt – Saarstatut
74
Dritte Stunde: Kulturelle Entwicklung unter dem Völkerbund
75
Anhang 13: Folie – Foto: Händedruck
76
Anhang 14: Tafelbild
77
Anhang 15: Arbeitsblatt – Domanialschulen
78
Anhang 16: Erwartungshorizont zum Arbeitsblatt – Domanialschulen
79
Vierte Stunde: Gruppierungen im Abstimmungskampf 1933 – 1935
80
Anhang 17: Folie – Liedtext
81
Anhang 18: Tafelbild
82
Anhang 19: Arbeitsblatt 1
83
Anhang 20: Erwartungshorizont zum Arbeitsblatt 1
84
Anhang 21: Arbeitsblatt 2
85
Anhang 22: Erwartungshorizont zum Arbeitsblatt 2
86
Anhang 23: Plakat 1 „Deutsche Mutter“
87
Anhang 24: Plakat 2 „Status quo“
88
23
Fünfte Stunde: Abstimmungskampf – Erstellung eigener Plakate
89
Anhang 25: Folie – Abstimmungsergebnis
90
Anhang 26: erwartetes Tafelbild – Mindmap
91
Sechste Stunde: Saarabstimmung 1935 – Ergebnisse und Bewertung
92
Anhang 27: Folie 1 – Foto: Straße des 13. Januar
93
Anhang 28: Schüler-Plakat 1
94
Anhang 29: Schüler-Plakat 2
95
Anhang 30: Schüler-Plakat 3
96
Anhang 31: Zeitzeuge Anton Schmidt – Lebenslauf
97
Anhang 32: Folie 2 – Foto: Anton Schmidt
98
Anhang 33: Interviewleitfaden mit Schülerfragen
99
Anhang 34: Gliederung der Audio-CD (Trackliste)
100
Anhang 35: Verschriftlichung der Audio-CD
101
Anhang 36: Feedbackbogen – Formular
106
Anhang 37: Feedbackbogen 1
107
Anhang 38: Feedbackbogen 2
108
Anhang 39: Feedbackbogen 3
109
24
Erste Stunde:
Das Saargebiet in der Besatzungszeit
1918 – 1920
Schwerpunktsetzung
Die erste Stunde soll sowohl die Relevanz des Reihenthemas verdeutlichen als auch Interesse
und Motivation für die Beschäftigung mit der Regionalgeschichte wecken. Dabei steht nicht
nur die inhaltliche Betrachtung der französischen Besatzungszeit im Saargebiet im
Blickpunkt. Den Schülern soll auch die allgegenwärtige, militärische Präsenz durch die
fremden Besatzungsmächte bewusst werden sowie die Bedrohung, die davon für die
Saarbewohner auszugehen schien. Neben dem inhaltlichen und emotionalen Aspekt wird ein
methodischer Schwerpunkt gesetzt. Die Schüler beschäftigen sich erstmalig systematisch mit
dem Medium des politischen Plakates, das im Laufe der Unterrichtsreihe noch einige Male
zum Einsatz kommt.
Stundenlernziel:
Die Schüler können die territorialen und politischen Bedingungen, die das Leben an der Saar
in den ersten beiden Jahren nach dem Ersten Weltkrieg bestimmt haben, erläutern und kennen
Gründe für die antifranzösische Haltung vieler Saarbewohner. Ferner kennen sie eine
methodische Vorgehensweise zur Analyse und Interpretation von Plakaten.
25
Stundenverlaufsplan
Zeit
LZ
5 min
1
6 min
2
 L stellt knapp das Thema der Unterrichtsreihe vor: Saarfrage im Zeitraum
von 1918 bis 1935
Erarbeitung mit integrierter Ergebnissicherung: Situation an der Saar
nach Kriegsende – Methodik: Umgang mit Plakaten
Überleitung: Um die Entwicklungen und Veränderungen auf dem Gebiet des
heutigen Saarlandes nachvollziehen zu können, schauen wir uns zunächst das
Deutsche Reich zur Geburt von Hermann Röchling an.
 Folie mit Karte zum Deutschen Reich (1871-1918) S kommt nach
vorne und kreist das heutige Saarland auf dieser Karte ein.
 Begriffsklärung: Saargebiet – Saargegend – Saarland
 Beschreibt mit Hilfe der Karte die territoriale u. politische Besonderheit
für das Saargebiet zur Zeit des Deutschen Reiches. [größter Teil preußisch
(Rheinprovinz); östlicher Teil bayerisch]  Schüler kommt nach vorne
 Erläutert die territorialen Bestimmungen des Versailler Vertrages nach
dem Ersten Weltkrieg, die für die Saarregion von besonderer Bedeutung
waren. [Abtretung von Elsass-Lothringen an Frankreich]  Markierung
 Beschreibt die dadurch entstandene Veränderung der geographischpolitischen Lage des Saargebietes. [Saargebiet als Grenzregion]
 Lehrervortrag zur Situation an der Saar nach dem Ersten Weltkrieg:
unter anderem Übernahme der Regierungsgewalt durch radikale Arbeiter
und Soldaten im November 1918 in Saarstädten; Rückzug deutscher
Truppen durch das Saargebiet, …
7 min
AF/SF
LV
feUG
EA
feUG
Folienstift
LV
feUG
4
6
Plakatanalyse: Folie mit Plakat aus Besatzungszeit
 L deckt zunächst nur die beiden Personen auf ( Overlay-Methode)
 Arbeitsauftrag: Beschreibt die Abbildung (in Stichworten)!, Zeitvorgabe:
3 Minuten  anschließend Besprechung der Ergebnisse im Plenum und
Klärung der für die Personen verwendeten Attribute
 Worum könnte es sich bei dieser Abbildung handeln? [Foto, Gemälde, …]
 Aufdecken der restlichen Folie  Plakat
 Erläutert die Botschaft des Plakates! [Protest gegen die Besatzung des
Saargebietes durch französische Truppen und eine befürchtete Annexion]
 L informiert kurz über den Urheber und Plakatgrafiker Alexander M. Cay
sowie historischen Kontext, in dem das Plakat entstanden ist
LV
18
min
7
5
8
Erstellen eines Leitfadens zum Umgang mit Plakaten
 Arbeitsauftrag: Formuliert sinnvolle Fragen zu den einzelnen Aspekten!
 Sammeln der Ergebnisse auf Folie (mit Bezug auf das vorliegende Plakat)
LEK: kurze mündliche Interpretation des Plakates durch S
Stellen der Hausaufgabe:
ausführliche schriftliche Analyse und Interpretation des vorliegenden
Wahlplakates mit Hilfe des erstellten Leitfadens!
Folie 2 /
Anhang 2
Folienstift
EA
 fragend-entwickelndes Unterrichtsgespräch zur Besetzung
Saargebietes durch französische Truppen und Militärverwaltung
des
Medien
Folie 1 /
Anhang 1
3
8 min
1 min
Lehrerverhalten, wichtige Fragen
Einstieg: stummer Impuls
 L legt Folie mit Foto von Hermann Röchling (1872-1955) als berühmte
saarländische Persönlichkeit auf  S entdecken Thematik der neuen
Unterrichtsreihe: regionale Geschichte
 kurze Information zur Person Hermann Röchling durch L
 Schaut euch die Lebensdaten von Herrn Röchling an. Er hat im Laufe
seines Lebens fünf verschiedene Personalausweise besessen (– ohne ein
Gauner zu sein, der verschiedene Namen annimmt)!?  S äußern
Vermutungen: unter anderem verschiedene Staatsangehörigkeiten
 S wiederholen die politischen Systeme im vorgegebenen Zeitraum und
erkennen drei große politische „Brüche“, die an der Saar relevant waren
feUG
Folie 3 /
Anhang 3
EA
PA
feUG
SV
AB /
Folie 4 /
Anhang 4
u. 5
26
Didaktisch-methodischer Kommentar
Die Unterrichtsreihe „Die Saarfrage 1918 – 1935“ startet in der ersten Stunde chronologisch
mit der französischen Besatzungszeit nach Kriegsende.
Als Stundeneinstieg habe ich mich für einen stummen Impuls mit einem Foto des
Industriellen Hermann Röchling entschieden, der die Schüler zur regionalgeschichtlichen
Unterrichtsreihe führen soll. Es ist zwar davon auszugehen, dass den Schülern Hermann
Röchling nicht bekannt ist, aber zumindest den Namen „Röchling“ sollte ein Teil der Klasse
mit dem Saarland in Verbindung bringen. Nach einer knappen Information über den
Saarindustriellen wird in einem zweiten Schritt der Blick auf dessen Lebensdaten gelenkt und
gleichzeitig die These bezüglich seiner vielen Personalausweise aufgestellt. Die Schüler
entdecken selbständig den Zusammenhang zu den wechselnden politischen Systemen, die mit
unterschiedlichen Staatszugehörigkeiten des Saargebietes verbunden waren. Durch diesen
rätselhaften Unterrichtseinstieg soll zum einen die Neugier der Schüler sowie die Motivation
für die Beschäftigung mit der Saargeschichte geweckt werden.
Zu Beginn der Erarbeitungsphase findet mit Hilfe einer auf Folie projizierten Geschichtskarte
des Deutschen Reiches zunächst eine geographische Einordnung statt. Ich habe mich dabei
für den Einsatz einer Karte entschieden, da ich zum einen die Schüler stärker einbeziehen will
und ich zum anderen davon ausgehe, dass aufgrund der farblichen Gestaltung der Karte die
unterschiedliche politische Zugehörigkeit des Saargebietes zügig wiederholt werden kann.
Durch die auf der Folie markierte, neue Grenzlinie nach dem Ersten Weltkrieg erkennen die
Schüler darüber hinaus auch die territoriale und politische Sonderrolle des Saargebietes als
neue Grenzregion. In diesem Kontext muss ferner auf die richtige Terminologie geachtet
werden, da der Begriff des Saarlandes erst nach dem Zweiten Weltkrieg verwendet wird.
Da in dieser Stunde die methodische Arbeit im Vordergrund stehen soll, habe ich aus
zeitökonomischen Gründen beschlossen, die Situation nach Kriegsende mit ihren
regionalgeschichtlichen Besonderheiten lediglich in einem kurzen Vortrag zu erläutern. In
einem fragend-entwickelnden Unterrichtsgespräch zur französischen Besatzung und der
allgegenwärtigen militärischen Präsenz im Saargebiet erfolgt schließlich die Überleitung zu
dem politischen Plakat von Alexander M. Kaiser alias Alexander M. Cay, welches ebenfalls
als Overheadfolie projiziert wird. Um die Aufmerksamkeit der Schüler auf die Bildelemente
zu fokussieren, wird die Overlay-Methode angewandt und zunächst nur die Abbildung der
beiden Personen sichtbar gemacht. Durch das Abdecken des Schriftzuges bleibt darüber
hinaus zunächst unklar, um welche Art von Medium es sich überhaupt handelt und die
Schüler können am Ende dieses Unterrichtsschrittes entsprechende Vermutungen anstellen.
27
Zuvor scheint mir jedoch ein Wechsel der Sozialform sinnvoll, da bis zu diesem Zeitpunkt der
Unterricht überwiegend fragend-entwickelnd verläuft. Daher soll sich zunächst jeder Schüler
selbst mit der Abbildung auseinandersetzen und diese in einer kurzen Einzelarbeit
stichwortartig beschreiben. Die Ergebnisse werden im Anschluss im Plenum vorgestellt,
wobei insbesondere die jeweiligen Attribute der abgebildeten Personen thematisiert werden.
Die entsprechend ergänzten Notizen dienen letztendlich auch als Unterstützung für die
Hausaufgabe.
Nachdem die Folie vollständig aufgedeckt und damit das Medium „entschlüsselt“ wurde,
erfolgt ein kurzes Unterrichtsgespräch über die Botschaft des Plakates. In einem knappen
Lehrervortrag wird daraufhin der Plakatgrafiker sowie der historische Kontext erläutert, in
dem das Plakat entstanden ist.
In einem nächsten Unterrichtsschritt sollen sich die Schüler intensiv mit dem Plakat
beschäftigen. Dazu wird ihnen mit einem vorbereiteten Leitfaden eine Struktur für die
detaillierte Auseinandersetzung mit Plakaten an die Hand gegeben. Diesen sollen sie im
nächsten Unterrichtsschritt um geeignete Fragestellungen zu den vorgegebenen Aspekten
ergänzen, um sich dadurch ein geeignetes Hilfsmittel für die künftige Analyse und
Interpretation dieses Mediums zu erstellen. An dieser Stelle ist die Sozialform der
Partnerarbeit sehr sinnvoll, um möglichst viele Ideen zu sammeln und auch einen Austausch
mit dem Banknachbarn zu ermöglichen. Die Ergebnisse werden anschließend im Plenum
verglichen und auf einer Folie am Overheadprojektor zusammengetragen. Auf diese Weise
hat jeder Schüler die Möglichkeit, fehlende Aspekte in seinem Leitfaden zu ergänzen. Ferner
wird zur Veranschaulichung und zum besseren Verständnis der vorgetragenen Punkte immer
wieder Bezug auf das vorliegende Plakat genommen.
In einer abschließenden Betrachtung sollen die Schüler nicht nur eine erste Interpretation des
Plakates mündlich formulieren, sondern dabei auch die Haltung der Saarbewohner zu den
französischen Besatzungsmächten bewerten. Aufgrund der erworbenen Kenntnisse über die
Besatzungszeit von 1918 bis 1920 finden die Schüler ferner Erklärungsansätze für die
antifranzösischen Ressentiments an der Saar.
Medien
Das beim Stundeneinstieg verwendete Foto des Saarindustriellen Hermann Röchling dient in
erster Linie der Illustration, um dem Namen „ein Gesicht zu geben“ und damit auch
Authentizität zu verleihen. Auf das Foto selbst wird jedoch nicht weiter eingegangen.
Im Mittelpunkt der Stunde steht vielmehr das Medium des Plakates. Grundsätzlich werden
Textplakate von Bildplakaten unterschieden, wobei die Mischform aus beiden sicherlich am
28
häufigsten vorkommt, so auch bei dem vorliegenden Plakat, einem Protestplakat gegen die
Abtrennung der Saarregion mit dem Titel „Raub des deutschen Saargebiets“. In dem Plakat
des bekannten Graphikers Alexander M. Cay wird Frankreich als aggressiv wirkender
farbiger Besatzungssoldat dargestellt, der den saarländischen Bergarbeiter zu erwürgen droht.
Auf diese Weise knüpft der Plakatgestalter nicht zuletzt an das traumatische Erlebnis vieler
Saarbewohner an, die im November 1918 aufgrund der französischen Besetzung des
Saargebietes zum ersten Mal in ihrem Leben Menschen mit dunkler Hautfarbe gesehen haben.
Sowohl in Erzählungen als auch in der Bildpublizistik wurde die Bedrohung durch farbige
französische Besatzungssoldaten immer wieder aufgegriffen und nahm später oftmals auch
rassistische Züge an. Insbesondere von der deutschnationalen Propaganda wurde die Angst
vor den Andersfarbigen immer wieder mobilisiert, unter anderem im Abstimmungskampf von
1935.
Ich habe gerade dieses Plakat ausgewählt, da seine Text- und graphischen Elemente den
Schülern den Zugang zu diesem für sie neuen Medium erleichtern sollen. So enthält es
beispielsweise keine Fachbegriffe und auch die verwendete Metapher („Raub des deutschen
Saargebietes“) ist für Schüler verständlich. Ferner sollte das Bergbau-Symbol zumindest
einem Teil der Klasse bekannt sein. Bei dieser erstmaligen Konfrontation mit einem
politischen Plakat geht es vorrangig darum, die Lerngruppe systematisch an die Analyse und
Interpretation solcher Plakate heranzuführen. Daher wird in diesem Zusammenhang ein
Leitfaden zum Umgang mit Plakaten erstellt, der künftig immer wieder als Hilfsmittel
verwendet werden kann.
Hausaufgabe
Die Schüler sollen mit Hilfe des erarbeiteten Leitfadens eine ausführliche schriftliche Analyse
und Interpretation des politischen Plakates erstellen, das bereits mündlich im Unterricht
besprochen wurde. Auf diese Weise können sowohl die inhaltlichen als auch die
methodischen Aspekte der Stunde noch einmal gefestigt werden.
29
Anhang 1: Folie 1 – Foto: Hermann Röchling73
Hermann Röchling
(* 1872,  1955)
73
http://forum.axishistory.com/files/hermann_roechling_157.jpg
30
Anhang 2: Folie 2 – Karte des Deutschen Reiches74
74
http://www.deuframat.de/deuframat/images/6/6_3/bredow/kap1-3b.gif
31
Anhang 3: Folie 3 – Plakat „Raub des deutschen Saargebiets“75
75
Paul: Saargeschichte im Plakat, S.34. Der rot eingerahmte Bereich entspricht dem Teil des Plakates, der zu
Beginn des Unterrichtsschrittes sichtbar war.
32
Anhang 4: Arbeitsblatt / Folie 4 – methodischer Leitfaden
Umgang mit Plakaten (methodischer Leitfaden)
1. Erster Eindruck
___________________________________________
___________________________________________
2. Analyse
Äußere Merkmale
___________________________________________
___________________________________________
___________________________________________
___________________________________________
Bildmotiv
___________________________________________
___________________________________________
___________________________________________
______________________________________________________________________
______________________________________________________________________
Bildgestaltung
______________________________________________________________________
______________________________________________________________________
______________________________________________________________________
Ikonographie (Symbolik)
______________________________________________________________________
______________________________________________________________________
______________________________________________________________________
Farbgestaltung
______________________________________________________________________
______________________________________________________________________
______________________________________________________________________
Text und Schrift
______________________________________________________________________
______________________________________________________________________
______________________________________________________________________
______________________________________________________________________
3. Interpretation und abschließende Beurteilung
______________________________________________________________________
______________________________________________________________________
______________________________________________________________________
______________________________________________________________________
______________________________________________________________________
______________________________________________________________________
33
Anhang 5: Arbeitsblatt – methodischer Leitfaden (Erwartungshorizont)
Umgang mit Plakaten (methodischer Leitfaden)
1. Erster Eindruck
Was springt ins Auge? Was ist der Blickfang des Plakates
Welche Gefühle werden geweckt?
2. Analyse
Äußere Merkmale
Wer ist der Gestalter / Auftraggeber des Plakates?
In welchem historischen Zusammenhang ist das Plakat
entstanden? Wann wurde es produziert?
Welches Thema hat das Plakat?
Wer ist der Adressat des Plakates? An welchen Orten wurde
es aufgehängt? Wie stark war es verbreitet?
Bildmotiv
Welche Personen, Figuren oder Gegenstände sind dargestellt
(Anzahl; Gegner, Opfer; Feindbilder oder Heldenfiguren)?
Wie sind die Personen dargestellt (als Karikatur; Gestik, Gesichtszüge, Größenverhältnisse usw.)
Bildgestaltung
Wie verhalten sich Größe und Proportionen der Bildelemente? Welche Perspektive wird gewählt?
Welche Haltung nehmen die Personen ein? Werden sie dynamisch dargestellt?
Ikonographie (Symbolik)
Werden allgemeine, zeittypische oder für eine politische Richtung typische Symbole verwendet?
Farbgestaltung
Welche Farben sind dominierend? Werden Farben symbolhaft gebraucht?
Wie werden Farbkontraste eingesetzt?
Herrscht ein bestimmter Stil, eine bestimmte Technik vor (z.B. Collage)?
Text und Schrift
Wie lang ist der Text? Welche Schriftgröße und welche Schriftart werden verwendet?
Werden besondere Stilmittel und sprachliche Figuren verwendet (Metapher, Ausruf, Abkürzungen)?
Welcher Texttyp wird verwendet (Appell, Argument, These, Information, usw.)?
Wie gestaltet sich die Beziehung zwischen Text und Bild (u.a. Größenverhältnis)?
3. Interpretation und abschließende Beurteilung
Welches sind Botschaft, Aussage und Intention des Plakates?
Welche politischen und gesellschaftlichen Einstellungen gibt das Plakat wieder?
Welche Ängste oder Hoffnungen sollen beim Adressaten angesprochen werden?
Wie tragen Bildaufbau und Gestaltung dazu bei, die Absicht des Plakatherstellers zu erreichen?
Wie ist der Gesamtcharakter des Plakats zu beurteilen (aggressiv, dynamisch, argumentierend,
karikierend usw.)?
34
Anhang 6: Hausaufgabe (Erwartungshorizont)
Aufgabe:
Erstelle eine schriftliche Analyse und Interpretation des Plakates „Raub des deutschen
Saargebiets“. Benutze dabei den erstellten methodischen Leitfaden!
Analyse
Äußere Merkmale
- Plakatgestalter: Alexander M. Cay; Adressat: gesamte deutsche Bevölkerung
- Thema: befürchtete Annexion des Saargebietes durch Frankreich, entstanden im Jahr 1919
Bildmotiv
- zwei männliche Personen: Arbeiter und Soldat in Kampfhaltung
- Arbeiter: mit schwarzer Arbeitskleidung; aus dem Bergbau (Bergbausymbolik),
erschreckter Gesichtsausdruck, blonde Haarfarbe  typisch „germanisch“
- Soldat: blaue Uniform, mit Helm, bewaffnet; dunkle Hautfarbe  aus dem französischen
Kolonialgebiet stammend
- Soldat scheint Arbeiter erwürgen zu wollen; Arbeiter lediglich in Verteidigungsposition
Bildgestaltung
- die beiden dargestellten Personen sind etwa gleich groß
- feindliche Haltung der Personen: Kampf (Erwürgen)
- frontale Perspektive
Ikonographie (Symbolik)
- Symbole des Bergbaus: Schlägel und Eisen, „schwarzer Kittel“
- Symbole des Militärs: Helm, Waffen
Farbgestaltung
- schwarz als dominierende Farbe im Vordergrund  Ausdruck einer gefährlichen, düsteren
Stimmung
- Hintergrundfarbe: orange; Farbe des Soldaten: blau  insgesamt: starker Farbkontrast
- schwarz : symbolisch für Steinkohlebergbau im Saargebiet
Text und Schrift
- wenig Text: „Protestiert gegen den Raub des deutschen Saargebiets“
- in zwei verschiedenen Schriftgrößen, fett und groß: „Protestiert…Raub…Saargebiets“
- Texttyp: Appell
- Bildelemente entsprechen etwa Dreiviertel des Plakates
Interpretation und abschließende Beurteilung
- Darstellung der drohenden Annexion des Saargebietes: Frankreich als aggressiver
farbiger Besatzungssoldat personalisiert, der den saardeutschen Bergmann
(Personalisierung des Saargebietes) zu erwürgen droht
- Protest gegen die Besetzung des Saargebietes durch französische Truppen und eine
befürchtete Annexion
35
Zweite Stunde:
Eigenständige Entwicklung der
Saarregion unter dem Völkerbund
Schwerpunktsetzung
Inhaltlich wird die vom Deutschen Reich losgelöste Entwicklung des Saargebietes nach dem
Saarstatut von 1920 herausgearbeitet: sowohl aus politischer als auch aus wirtschaftlicher
Perspektive. Dabei werden die zentralen Erkenntnisse zum einen aus einem Auszug des
Statutes gewonnen, zum anderen aus drei Quellen aus meinem Privatbesitz. Auf diese Weise
soll in der zweiten Stunde der Unterrichtsreihe erneut die Neugier für das aus Schülersicht
eher unnahbare regionalgeschichtliche Thema geweckt werden sowie die Motivation an der
Auseinandersetzung mit Schriftquellen – darüber hinaus gegebenenfalls auch die Suche nach
entsprechenden Dokumenten und Sachquellen im eigenen Familienkreis – gefördert werden.
Stundenlernziel:
Die Schüler kennen die wesentlichen Inhalte des Saarstatutes sowie deren politische und
wirtschaftliche Auswirkungen auf das Saargebiet. Darüber hinaus wird der methodische
Umgang mit Dokumenten aus dem untersuchten Zeitraum geschult.
36
Stundenverlaufsplan
Zeit
LZ
5 min
4 min
Lehrerverhalten, wichtige Fragen
Einstieg: Protestplakat „Raub des Saargebiets“
kurze Wiederholung sowie Besprechung der Hausaufgabe
 Schüler tragen ihre Analyse und Interpretation des Plakates vor
Erarbeitung 1: Entwicklung des Saargebiets zur Zeit des Völkerbundes
Überleitung: Beschreibt die Folgen, die sich durch die französische Besetzung
der Grenzregion für die Saarbevölkerung ergaben. [große Unsicherheit in der
Bevölkerung, Angst vor einer Annexion, durch Frankreich]  Abkopplung
von der Entwicklung im Reich
AF/SF
feUG
SV
 Beginn des Tafelbildes
7 min
7
8
9 min
1
3
4
8 min
2
4
3
5
6
2 min
1 min
Tafel /
Anhang
10
 knappe Vorstellung der drei mitgebrachten Dokumente durch L:
- Personalausweis eines Verwandten, Johann Stopp (1922)
- Notizbuch mit einer Notiz (1927) eines weitere Verwandten
- Schulzeugnis der Ehefrau von Johann Stopp (1919)
LV
 Arbeitsauftrag: Versucht zunächst den Text (u.a. Entstehungszeitpunkt) zu
entschlüsseln und untersucht dann die Quelle im Hinblick auf weitere
Informationen zur vom Reich losgelösten Entwicklung an der Saar!
 Teilung der Klasse in drei Gruppen: jede Gruppe setzt sich mit einer
Quelle auseinander; S. erhalten hierfür sowohl die originale Quelle als
auch Kopien der jeweiligen Quelle
Ergebnissicherung 1:
 S. stellen Quelle der Klasse vor und erläutern ihre gewonnenen
Erkenntnisse zur Entwicklung an der Saar, nach jeder Präsentation kurze
Diskussion im Plenum
GA
Ausweis
Zeugnis
Notizbuch
+ Kopien
SV
3 Folien /
Anhang
7–9
 Festhalten der Ergebnisse im Tafelbild
Erarbeitung 2 mit integrierter Ergebnissicherung: Saarstatut als
Bestandteil des Versailler Vertrages
Überleitung: Wo könnten die näheren Bestimmungen zum Saargebiet
festgehalten sein? [Versailler Vertrag vom 28.06.1919]
 Ergänzung durch L: sog. Saarstatut
 Austeilen des Arbeitsblattes: gemeinsames Lesen von Artikel 45 und
Artikel 49  Bearbeitung des 1. Arbeitsauftrag
 Ergänzung des Tafelbildes, auch der Überschrift
9 min
Medien
Folie 3
der letzten
Stunde
 arbeitsteilige Vorgehensweise: jeweils eine Hälfte der Klasse: Lesen des
Abschnittes zur Regierung bzw. zur Volksabstimmung und Bearbeitung
von Arbeitsauftrag 2 bzw. 3 (in Stichworten)
 S. stellen Ergebnisse vor der Klasse vor
 Festhalten der Ergebnisse im Tafelbild
Schlussvertiefung:
 Welche Einstellung hatte die Saarbevölkerung zu den Bestimmungen des
Saarstatuts? Begründet eure Meinung! [Ablehnung wegen wirtschaftlicher
Ausbeutung durch Frankreich, keine eigene Landesvertretung, sondern
internationale Regierungskommission]
 Erläutert die Auswirkungen des Saarstatutes auf die Haltung der
Saarbevölkerung gegenüber Frankreich. [negative Haltung aufgrund
immer größerer Einflussnahme Frankreichs]
Stellen der Hausaufgabe:
schriftliche Bearbeitung der Arbeitsaufträge 2 bis 4 des Arbeitsblattes
UG
Tafel
EA
feUG
AB /
Anhang
11 u. 12
PA
SV
feUG
AB
37
Didaktisch-methodischer Kommentar
Zum Einstieg in die Stunde findet eine kurze Wiederholung der französischen Besatzungszeit
sowie die Besprechung der Hausaufgabe statt. Mehrere Schüler tragen ihre Analyse und
Interpretation des Plakates „Raub des Saargebiets“ vor der Klasse vor. Im Anschluss daran
erhält die Klasse jeweils die Gelegenheit, die Arbeit der Mitschüler auf der Basis des
erstellten Leitfadens zu beurteilen. Auf diese Weise können die erworbenen Kenntnisse im
Umgang mit Plakaten gefestigt sowie die methodische Vorgehensweise der letzten Stunde
noch einmal rekapituliert werden.
In der ersten Erarbeitungsphase werden den Schülern zunächst die mitgebrachten Dokumente
meiner Familie kurz vorgestellt und in einen Kontext eingebettet, ohne dadurch bereits zu
viele Informationen preis zu geben. Nachdem der allgemeine Arbeitsauftrag erteilt ist und
sich die Klasse – ohne große Umbauphase – in den drei Gruppen zusammengefunden hat,
werden die einzelnen Materialien zur Verfügung gestellt. Dabei erhalten die Schüler neben
dem originalen Dokument auch Kopien der Quelle, um sich in der Gruppe besser austauschen
zu können. Die selbständige Erarbeitung historischer Sachverhalte anhand der vorliegenden
Schriftquellen wird aus mehreren Gründen durchgeführt. In der Regel erhalten die Schüler im
Geschichtsunterricht nur edierte Texte, also didaktisierte Quellen. Diese werden allein schon
aufgrund der besseren Lesbarkeit, aber auch zum leichteren Verständnis vereinfacht oder
zumindest verkürzt. Daher soll anhand der vorliegenden Dokumente exemplarisch der
methodische Umgang mit handschriftlichen Quellen gefördert werden. Während der
Gruppenarbeitsphase werde ich den einzelnen Gruppen bei Bedarf verschiedene
Hilfestellungen zum methodischen Vorgehen geben. In einem ersten Schritt sollen die Schüler
zunächst die Sütterlinschrift entziffern, um auf diese Weise Schlüsselbegriffe zu entdecken,
die ihnen Rückschlüsse über die weitere Entwicklung des Saargebietes ermöglichen. In der
anschließenden Ergebnissicherung erläutern zwei Schüler aus jeder Gruppe die jeweilige, auf
Folie projizierte Quelle vor der Klasse. Sie fassen ihre Ergebnisse zusammen und stellen ihre
Interpretationsansätze zur Diskussion. Nach jeder Präsentation findet daher ein kurzer
Meinungsaustausch im Plenum statt. Nicht zuletzt soll durch diese handlungsorientierte
Auseinandersetzung mit den unterschiedlichen Originalquellen aus dem Saargebiet erneut die
Motivation an dem regionalgeschichtlichen Thema gefördert werden.
In der zweiten Erarbeitungsphase werden mit Hilfe des Textauszuges zum Saarstatut die
gewonnenen Erkenntnisse um die rechtlichen Bestimmungen ergänzt. Nach einer kurzen
Einzelarbeit zu der wirtschaftlichen Regelung im Saarstatut wird Artikel 49 im fragendentwickelnden Unterrichtsgespräch erarbeitet, da dieser aufgrund seiner schwierigen
38
Fachbegriffe wie „Treuhänder“ oder „Souveränität“ nicht einfach zu verstehen ist. Hier
müssen bei Bedarf zusätzliche Erläuterungen gegeben werden. Der Rest des Vertrages wird
im Anschluss arbeitsteilig untersucht. Dabei beschäftigt sich die eine Hälfte der Klasse mit
der Regierung und die andere mit der Volksabstimmung sowie dem jeweils dazugehörigen
Arbeitsauftrag. Die Schüler arbeiten hierfür mit ihrem Banknachbarn zusammen, um aus
Zeitgründen gemeinsam möglichst schnell die zentralen Aussagen herauszufinden. Die
einzelnen Ergebnisse der Stunde werden sukzessive nach den jeweiligen Unterrichtsschritten
im Tafelbild festgehalten, wobei die Überschrift aufgrund des zunächst unbekannten
Begriffes des Völkerbundes erst am Ende der zweiten Erarbeitungsphase ergänzt wird.
In einer Schlussvertiefung vermuten die Schüler, welche Reaktionen die Bestimmungen des
Saarstatutes in der Saarbevölkerung hervorriefen. Auf diese Weise wird eine Brücke zur
letzten Stunde geschlagen, in der bereits die antifranzösische Haltung vieler Saarbewohner
während der Besatzungszeit thematisiert wurde. Sie stellen fest, dass sich die Ressentiments
gegenüber Frankreich aufgrund einer immer stärkeren Einflussnahme weiter verfestigt haben.
Medien
Im Zentrum der Stunde stehen drei Dokumente aus dem für die Unterrichtsreihe relevanten
Zeitraum, auf die ich in meinem familiären Umfeld gestoßen bin.
Bei der ersten Quelle handelt sich um einen Personalausweis eines Verwandten aus dem Jahre
1922. Johann Stopp hatte im Laufe seines Lebens wie der Saarindustrielle Hermann Röchling
aufgrund der wechselnden Staatszugehörigkeit des Saargebietes mehrere Ausweise. Er war
von Beruf – für das Saargebiet typisch – Bergmann und hatte die bayerische
Staatsangehörigkeit, da er in Ballweiler76 und damit im östlichen Teil des Saargebietes
geboren war und wohnte. Die Schüler müssen zunächst diese Daten aus dem handschriftlich
geschriebenen und dadurch schwer lesbaren Ausweis entschlüsseln und können daraus erste
Rückschlüsse auf die Entwicklung des Saargebietes in den Zwanziger Jahren ziehen: unter
anderem die offensichtlich noch aus der Kaiserzeit unveränderte Staatsangehörigkeit trotz
augenscheinlicher politischer Veränderungen im Saargebiet. Letztere können durch die
weitere Untersuchung der Quelle geschlussfolgert werden. So verrät beispielsweise die
Aufschrift „Regierungs-Kommission des Saargebiets“ auf dem Personalausweis, dass an der
Saar ein vom Deutschen Reich losgelöstes politisches System entstanden sein muss. Der
starke französische Einfluss kommt dabei nicht zuletzt durch die französische Übersetzung
auf dem Papier zum Ausdruck.
76
heute: Stadtteil von Blieskastel im Saar-Pfalz-Kreis
39
Auch die zweite Quelle, ein kleines Notizbuch, bietet Informationen zur Völkerbundszeit. Es
handelt sich dabei nicht um ein Tagebuch, sondern lediglich um ein kleines Buch mit
unterschiedlichsten Bemerkungen von einem weiteren Verwandten aus meiner Familie. Da es
leider sehr beschädigt ist, wird es zwar den Schülern gezeigt, jedoch wird für die
Gruppenarbeit nur ein Auszug aus dem Notizbuch als Kopie zur Verfügung gestellt. Diese
Notiz aus dem Jahre 1927 ist eine kurze Bemerkung zu den Kosten für künstliche Zähne.
Dabei geht es in erster Linie darum, zu erkennen, dass die gültige Währung zu diesem
Zeitpunkt der französische Franc war. Darüber hinaus stellt auch hier die schwer zu
entziffernde Handschrift eine zusätzliche Herausforderung dar. Die Auseinandersetzung mit
dieser Art von Quellen soll den Schülern daher nicht nur einen Eindruck der Arbeit von
Historikern vermitteln, sondern auch den Spaß am Rätselraten und Knobeln zur
Entschlüsselung der Quellen hervorrufen.
Die dritte Quelle, ein Schulzeugnis der Ehefrau des oben genannten Johann Stopp, die bereits
mit ihrem Mädchennamen Stopp hieß, stammt aus dem Jahr 1919 und steht damit nicht in
direkter Verbindung zur Völkerbundszeit. Dennoch können dem Entlassungszeugnis aus der
Volksfortbildungsschule weitere, insbesondere mentalitätsgeschichtliche Informationen der
Zeit
entnommen
werden:
unter
anderem
Art
und
Bedeutung
der
Schulfächer,
Leistungserwartung und Benotung, besondere Zielsetzungen des Unterrichts, aber auch die
Ästhetik, mit der das Zeugnis überhaupt gestaltet wurde. Ferner sollen die Schüler durch die
Arbeit mit diesen Quellen auch mit dem Vokabular der Zeit vertraut gemacht werden.
Zuletzt kommt ein Auszug aus dem Saarstatut zum Einsatz, der weitere Hinweise zum
politischen System in der Völkerbundsverwaltung und den wirtschaftlichen Bestimmungen
der Friedensvereinbarung liefert. Dabei wird auch der Begriff des Völkerbundes erarbeitet.
Darüber hinaus kann mit Hilfe der Textquelle die Regelung zur geplanten Abstimmung und
damit zum weiteren politischen Verbleib des Saargebietes erschlossen werden.
Hausaufgabe
Die Schüler sollen den zweiten bis vierten Arbeitsauftrag auf dem in der Stunde ausgeteilten
Arbeitsblatt zum Saarstatut schriftlich bearbeiten. Dadurch können einerseits die zum Ende
der Stunde nur noch kurz besprochenen Unterrichtsinhalte zur Regierungsorganisation und
zur Volksabstimmung wiederholt und gefestigt werden. Andererseits dient eine solche
Hausaufgabe der kontinuierlichen Verbesserung der schriftlichen Ausdrucksfähigkeit der
Schüler. Im letzten Arbeitsauftrag können die Ergebnisse der Stunde noch einmal
zusammengefasst werden, um dann in einer Transferleistung diese erstmalige, vertragliche
Regelung für die Saarregion als „Geburtsstunde des Saarlandes“ zu interpretieren.
40
41
Anhang 7: Quelle 1 / Folie – Personalausweis
42
Anhang 8: Quelle 2 / Folie – Notiz
Eintrag aus einem privaten Notizbuch von 1927
Übersetzung:
Am 16.4.1927
10.000 ffr77 auf die
Zähne anbezahlt.
Rest 14.000
Den Rest von 14.000
bezahlt am 10.5.19 7.
77
ffr: französische Franc
43
Anhang 9: Quelle 3 /Folie – Schulzeugnis
44
Anhang 10: Tafelbild
Das Saargebiet zur Zeit des Völkerbundes (1920 – 1935)
nach dem Ersten Weltkrieg: Besetzung des Saargebietes durch französische Truppen
eigenständige, vom Deutschen Reich losgelöste Entwicklung:
Saarstatut vom 10.01.1920
(Teil des Versailler Vertrages)
Saargebiet erstmals als politische Einheit
internationale Regierungskommission
des Saargebietes
wirtschaftliche Angliederung an Frankreich


französische Währung
Kohlengruben im Besitz
Frankreichs
Saargebiet für 15 Jahre dem Völkerbund unterstellt
danach: Volksabstimmung und Entscheidung über die
weitere politische Zugehörigkeit
45
Anhang 11: Arbeitsblatt – Saarstatut
Das Saarstatut als Bestandteil des Versailler Vertrages
(in Kraft getreten am 10.01.1920)
Schon kurz nach Beginn des Ersten Weltkrieges hatte Frankreich aufgrund der engen
Verflechtung zwischen saarländischer und lothringischer Wirtschaft das
Saarindustrierevier für sich beansprucht. Ziel war daher die Annexion dieser Region,
welche jedoch in den Versailler Friedensverhandlungen hauptsächlich am Einspruch des
amerikanischen Präsidenten Wilson scheiterte. Der schließlich zwischen den Siegermächten
gefundene Kompromiss ist in Teil III, Abschnitt 4 des Versailler Vertrages, im so genannten
„Saarstatut“, festgeschrieben.
Artikel 45:
Als Ersatz für die Zerstörung der Kohlengruben in Nordfrankreich und als Anzahlung auf die
von Deutschland geschuldete völlige Wiedergutmachung der Kriegsschäden tritt Deutschland
das völlig schulden- und lastenfreie Eigentum an den Kohlegruben im Saarbecken, wie es im
Artikel 48 abgegrenzt ist, mit dem ausschließlichen Ausbeutungsrecht an Frankreich ab.
Artikel 49:
Deutschland verzichtet zugunsten des Völkerbundes, der insoweit als Treuhänder gilt, auf die
Regierung des oben bezeichneten Gebietes. Nach Ablauf einer Frist von fünfzehn Jahren nach
Inkrafttreten des gegenwärtigen Vertrages wird die Bevölkerung dieses Gebietes zu einer
Äußerung darüber berufen, unter welche Souveränität sie zu treten wünscht.
Anlage zum Vertrag:
Kapitel II: Regierung des Saarbeckengebiets
§ 16. Die Regierung des Saarbeckengebiets wird einem den Völkerbund vertretenden
Ausschuss übertragen.
§ 17. Der im § 16 vorgesehene Regierungsausschuss besteht aus fünf Mitgliedern, die vom
Rate des Völkerbunds ernannt werden. Ihm gehören an ein Franzose, ein aus dem
Saarbeckengebiet stammender und dort ansässiger Nichtfranzose und 3 Mitglieder, die drei
anderen Ländern als Frankreich und Deutschland angehören. Die Mitglieder des
Regierungsausschusses werden auf ein Jahr ernannt; ihr Auftrag kann erneuert werden. […]
Kapitel III: Volksabstimmung
§ 34. Nach Ablauf einer Frist von fünfzehn Jahren nach Inkrafttreten des gegenwärtigen
Vertrages wird die Bevölkerung des Saarbeckengebiets berufen, ihren Willen wie folgt zu
äußern:
Eine Abstimmung findet gemeinde- oder bezirksweise über folgende drei Fragen statt:
a) Beibehaltung der durch den gegenwärtigen Vertrag und diese Anlage geschaffenen
Rechtsordnung,
b) Vereinigung mit Frankreich,
c) Vereinigung mit Deutschland.
aus: Labouvie, Eva (Hrsg.): Saarländische Geschichte. Ein Quellenlesebuch, Blieskastel 2001, S.356ff
Arbeitsaufträge:
1. Erläutere die wirtschaftliche Bestimmung im Saarstatut sowie deren Rechtfertigung.
2. Beschreibe die Organisation der Regierung des Saargebietes.
3. Beschreibe die Regelung, die zum weiteren politischen Verbleib des Saargebietes
getroffen wurde.
46
4. Das Inkrafttreten des Saarstatuts wird auch als „Geburtsstunde des Saarlandes“
bezeichnet. Erläutere diese Aussage.
47
Anhang 12: Erwartungshorizont zum Arbeitsblatt – Saarstatut
Arbeitsaufträge:
1. Erläutere die wirtschaftliche Bestimmung im Saarstatut sowie deren Rechtfertigung.
- Kohlengruben gehen in den Besitz Frankreichs über, inklusive dem Ausbeutungsrecht
- Rechtfertigung: Wiedergutmachung der Kriegsschäden, die von Deutschland
verschuldet wurden
2. Beschreibe die Organisation der Regierung des Saargebietes.
- Regierung durch einen internationalen Ausschuss, der den Völkerbund vertritt
- Regierungsausschuss aus fünf Mitgliedern bestehend: ein Franzose, ein aus dem
Saargebiet stammender und dort ansässiger Nichtfranzose sowie drei Mitglieder aus
anderen Ländern (als Deutschland oder Frankreich)
- Ernennung der Mitglieder durch den Rat des Völkerbundes auf ein Jahr
3. Beschreibe die Regelung, die zum weiteren politischen Verbleib des Saargebietes
getroffen wurde.
- Volksabstimmung nach einer Frist von fünfzehn Jahren nach Inkrafttreten des
Saarstatutes (10.01.1920), die über den weiteren politischen Verbleib der Saarregion
entscheidet
- drei Optionen: Angliederung an Frankreich, Rückgliederung an Deutschland oder
Beibehaltung der durch das Saarstatut festgelegten Regelung
4. Das Inkrafttreten des Saarstatuts wird auch als „Geburtsstunde des Saarlandes“
bezeichnet.
- eigenständige, vom Deutschen Reich losgelöste Entwicklung des Saargebietes:
erstmals Saarregion als politische Einheit
- Saarstatut als erste, schriftliche Vertragsregelung der Bestimmungen, die das Gebiet
betreffen, das etwa dem heutigen Saarland entspricht  daher Bezeichnung des
Inkrafttretens dieser Regelung als „Geburtsstunde des Saarlandes“
48
Dritte Stunde:
Kulturelle Entwicklung unter dem
Völkerbund
Stundenlernziel
Die Schüler kennen die Domanialschulen als Beispiel für die französische Einflussnahme auf
die kulturelle Entwicklung des Saargebietes während der Völkerbundszeit und bewerten diese
als weiteren Grund für die antifranzösische Haltung der Saarbewohner.
49
Stundenverlaufsplan
Zeit
6 min
11
min
20
min
Lehrerverhalten, wichtige Fragen
Einstieg: Das Saarstatut – die „Geburtsstunde“ des Saarlandes!?  Impuls wird
im Vorfeld als Diskussionsgrundlage für ein Wechselgespräch der S an die Tafel
geschrieben  damit Besprechung der Hausaufgabe (Arbeitsauftrag 4)
 S tragen restliche Hausaufgaben (Arbeitsaufträge 2 und 3) vor der Klasse vor
Erarbeitung: Domanialschulen
 L fasst Ergebnisse zur negativen Haltung der Saarbevölkerung gegenüber
Frankreich (vor allem durch politische und wirtschaftliche Einflussnahme)
zusammen und leitet zu kulturellen Auswirkungen über
 Austeilen des Arbeitsblattes zu den Domanialschulen
 lautes Vorlesen des Info- und Quellentextes sowie Begriffsklärung
 S bearbeiten schriftlich die beiden Arbeitsaufträge
Ergebnissicherung:
 Besprechung der Ergebnisse der Einzelarbeit: Kritik und Forderungen
 Vertiefung zur Einstellung der Saarbevölkerung gegenüber Franzosen und
Entwicklung der deutsch-französischen Beziehungen [bisher Erbfeindschaft, v.a.
durch Kriege: 1870/71, 1.Weltkrieg; jetzt weitere Verschlechterung der
Beziehungen]
 Welches Ziel hat Frankreich mit der sog. „Französisierungspolitik“ im Saargebiet
verfolgt? [„profranzösische“ Entscheidung bei der Volksabstimmung]
 Welche Reaktion könnte diese verstärkte Einflussnahme Frankreichs bei der
Saarbevölkerung hervorgerufen haben? [ablehnende Haltung; immer stärkere
Verbreitung eines antifranzösischen Nationalismus an der Saar]
 Ergänzung durch L: Höhepunkt dieser nationalen Erhebung an der Saar:
Jahrtausendfeier 1925  Stellen der Hausaufgabe
 sukzessives Festhalten der Ergebnisse im Tafelbild
Schlussvertiefung: Foto vom Händedruck (1984)
 Aufdecken eines Bildausschnittes ( Overlay-Methode) sowie kurze Information
durch L: berühmtes Foto, das für die deutsch-französische Beziehung steht
 Wer sind die Personen auf dem Foto? [Francois Mitterand, (ehemaliger frz.
Staatspräsident) und Helmut Kohl (ehemaliger Bundeskanzler)]
 Nehmt Stellung zu diesem Foto!
8 min
 Zu welchem Anlass und wo könnte das Foto entstanden sein?  Aufdecken des
kompletten Fotos  S vermuten
 L informiert über das Foto: bereits ein Jahr nach Amtsübernahme (22.09.1984)
Treffen von Helmut Kohl mit dem französischen Staatspräsident François
Mitterrand am Ort der Schlacht um Verdun; erster deutscher Bundeskanzler, der
an der Gedenkfeier für die Opfer der beiden Weltkriege teilnahm; Händedruck, der
minutenlang andauerte, als das Symbol der deutsch-französischen. Aussöhnung
 Vergleich zur heutigen deutsch-französischen Beziehung
 S ziehen Fazit zu deutsch-französischen Beziehungen [Beziehungen verändern sich,
nicht statisch]  solche Veränderungen besonders gut im Grenzraum beobachtbar
Hausaufgabe:
Internetrecherche zur rheinischen Jahrtausendfeier 192578
78
AF/SF
Medien
Tafel
UG
SV
LV
EA
AB /
Anhang
15 u. 16
SV
feUG
Tafel /
Anhang
14
feUG
Folie /
Anhang
13
LV
SV
Hinweis auf mögliche Internetquelle an Schüler: http://www.landeshauptarchiv.de/index.php?id=352
50
Anhang 13: Folie – Foto: Händedruck79
79
http://www.spiegel.de/img/0,1020,41493,00.jpg. Der rot eingerahmte Ausschnitt entspricht dem Teil des Fotos, der zu Beginn des Unterrichtsschrittes sichtbar war.
51
Anhang 14: Tafelbild
Kulturelle Entwicklung in der Völkerbundszeit
verstärkte Einflussnahme auf politischem,
wirtschaftlichem, aber auch kulturellem
Gebiet durch Frankreich
(Gründung von Domanialschulen)
 „Französisierungspolitik“
(Ziel: „profranzösische“ Entscheidung
bei der Volksabstimmung 1935)
aber:
immer stärkerer antifranzösischer
Nationalismus an der Saar
Beispiel:
Rheinische Jahrtausendfeier
1925 in Saarbrücken
weitere Verschlechterung der ohnehin
spannungsgeladenen deutsch-französischen
Beziehungen im Saargebiet
52
Anhang 15: Arbeitsblatt – Domanialschulen
Die französischen Domanialschulen
1
5
10
Das Saarstatut im Versailler Friedensvertrag erlaubte dem französischen Staat die
Gründung von Schulen für die Kinder des französischen Grubenpersonals, in denen Unterricht in
französischer Sprache erteilt werden sollte. Darüber hinaus ermöglichte die
Regierungskommission durch Verordnung vom 10. Juli 1920, dass auch Kinder des deutschen
Grubenpersonals und sogar Kinder der nicht zum Grubenpersonal gehörigen Saareinwohner ihrer
gesetzlichen Schulpflicht durch den Besuch dieser so genannten Domanialschulen genügen
konnten.
Die Diskussion über die Domanialschulen entwickelte sich in den Folgejahren zu einem der
brisantesten Themen der Saarpolitik. Viele deutsche Lehrer und Lehrerinnen empfanden die
französischen Kollegen zunehmend als Konkurrenz und sahen sich als Speerspitzen im Kampf
gegen eine erzwungene „Französisierung“ der Kinder. Als deutsche Beamte wollten sie daher für
die deutsche Sprache und Kultur eintreten.80
Stellungnahme der Lehrerschaft des Saargebietes zu den Domanialschulen der
französischen Grubenverwaltung
1
Mit steigender Entrüstung muss die gesamte Lehrerschaft des Saargebietes weiterhin
erfahren, dass ausländische und einige abtrünnige einheimische Elemente fortfahren, für
die Domanialschule der französischen Grubenverwaltung mit Mitteln zu werben, die den
einfachsten Menschenrechten Hohn sprechen. In aller Öffentlichkeit sei festgestellt, dass
5 Gruben- und Domanialschulangestellte nach wie vor die unmoralischsten Lock- und
Druckmaßnahmen gegen die bergmännische Bevölkerung anwenden, die ohnedies
zunehmender wirtschaftlicher Not ausgesetzt ist. Es ist eine unleugbare Tatsache, dass
die land- und volksfremden Domanialschulen keine Stätte der Bildung und Erziehung für
deutsche Kinder sein können, dass sie sogar der im Friedensvertrag gewährleisteten
10 deutschen Volksschule und Sprache Schaden zufügen. Sie sind nach eigenem Urteil der
Franzosen lediglich ein Mittel, für französische Gesinnung im Saargebiet bedenkenlos zu
werben.
Die Versammlung legt schärfste Verwahrung ein: 1. gegen jede Einschulung deutscher
Kinder in die Domanialschulen, (…) gegen die wahllos von der Regierung erteilten
15 Genehmigungen zu Übertritten von Nichtbergmannskindern; 2. gegen die
Werbemethoden zur Füllung der Domanialschulen, die durch Versprechungen und
Drohungen in unverantwortlicher Weise die Not der Bevölkerung missbrauchen. (…) Die
Versammlung bittet mit aller Dringlichkeit den Völkerbund, seinen Zielen und
Weisungen hier Geltung zu verschaffen und weist mit Bedauern darauf hin, dass nichts
20 mehr der Völkerbundidee schaden muss als die skandalösen Zustände in den
Domanialschulen. Jeder Edelgesinnte, jeder Friedens- und Menschenfreund wird um
Beistand gegen die Vergewaltigung gedrückter Eltern und Kinder gebeten.
Die Versammlung dankt den bergmännischen Volksgenossen für ihr treues Ausharren,
(…); sie ruft alle Eltern auf, sich nicht verführen oder schrecken zu lassen, sondern ihre
Kinder, ihr teuerstes Gut, vor dauerndem Schaden zu bewahren.
Die Lehrerschaft am 14. März 1930
aus: Labouvie, Eva (Hrsg.): Saarländische Geschichte. Ein Quellenlesebuch, Blieskastel 2001, S.390
Arbeitsaufträge:
1. Erläutere die Kritik der deutschen Lehrerschaft an den französischen Domanialschulen.
vergleiche Aufsatz „Domanialschulen im Saargebiet (1920-1935)“ von Gerhild Krebs, einsehbar unter:
http://www.memotransfront.uni-saarland.de/pdf/domanialschulen.pdf
80
53
2. Nenne die Forderungen der deutschen Lehrer und Lehrerinnen an den Völkerbund.
54
Anhang 16: Erwartungshorizont zum Arbeitsblatt – Domanialschulen
1. Erläutere die Kritik der deutschen Lehrerschaft an den französischen Domanialschulen.
- menschenverachtende Vorgehensweise von Domanialschulen zum Anwerben von
Schülern, insbesondere Zwangsmaßnahmen
- Anpassung der Domanialschulen an das französische Volksschulsystem
- Umerziehung deutscher Schüler: französische Sprache und Kultur
- schlechte Zustände in den Domanialschulen, Unterdrückung von Kindern und Eltern
- Missbrauch der Notsituation vieler Arbeiter  Abhängigkeit der Bergarbeiter von
dem Monopolarbeitgeber
2. Nenne die Forderungen der deutschen Lehrer und Lehrerinnen an den Völkerbund.
- keine Einschulung deutscher Kinder in die Domanialschulen
- keine wahllos von der Regierung erteilten Genehmigung zum Besuch der
Domanialschulen durch Nichtbergarbeiterkinder
- Verbot der von den Domanialschulen praktizierten Werbemethoden
55
Vierte Stunde:
Gruppierungen im
Abstimmungskampf 1933 – 1935
Schwerpunktsetzung
Inhaltlicher Schwerpunkt der Stunde bildet die Auseinandersetzung mit den beiden im
Abstimmungskampf
entstandenen
politischen
Organisationen
Deutsche
Front
und
Einheitsfront sowie deren jeweiligen Wahlkampfinhalten.
Methodisch soll sowohl der Umgang mit Propagandaliedern geschult als auch die Analyse
und Interpretation von politischen Plakaten vertieft werden.
Stundenlernziel:
Die Schüler kennen die Deutsche Front sowie die Einheitsfront als zwei zentrale
Organisationen, die im Kontext der Saarabstimmung von 1935 gegeneinander angetreten sind,
und deren jeweilige Argumentationsgrundlage.
56
Stundenverlaufsplan
Zeit
12
min
LZ
6
2
12
min
1
5
6
2
3
13
min
2
7
4
1 min
7 min
Lehrerverhalten, wichtige Fragen
Einstieg: Saarlied: „Deutsch ist die Saar“
 L bettet Saarlied in den historischen Kontext ein: Lied auf einer
Klassenfahrt entstanden, von einem Lehrer (Hanns Maria Lux) auf
bekannte Melodie des Steigerliedes verfasst
 Abspielen der ersten beiden Strophen, parallel: Text auf Folie
 Hörauftrag: Achtet auf besondere textliche und musikalische
Gestaltungselemente.  S machen sich Notizen
 Schildert euren Eindruck! / Nennt besondere Gestaltungsmittel!
 Begründet, warum in diesem Lied die Zugehörigkeit des Saargebietes zu
Deutschland so hervorgehoben wird! [antifranzösische Haltung aufgrund
verstärkter Einflussnahme Frankreichs auf polit., wirtschaftl. und
kulturellem Gebiet  Verschlechterung der deutsch-französischen
Beziehungen]
 L informiert über den Einsatz von Saarliedern als nationales Bekenntnis
 L liest Zitat aus der Zeitung (Erlebnisschilderung eines Schulkindes) vor:
„Bei de Johrdausendfeier wolle mer de Franzose emol weise, daß mer
deitsch sinn unn noch zu Deitschland geheere.“
 Besprechung der Hausaufgaben: rheinische Jahrtausendfeier 1925
 Herausarbeitung des Kultcharakters, auch in Saarbrücken
Erarbeitung mit integrierter Ergebnissicherung: Propaganda im
Abstimmungskampf
Überleitung: Eine der im Saarstatut festgelegten Optionen können wir bei der
Volksabstimmung 1935 inzwischen ausschließen. [Angliederung an Frankreich]
 L erläutert kurz die Entstehung überparteilicher Gruppen im
Abstimmungskampf: Deutsche Front und Einheitsfront  Aufbau des
Tafelbildes
 Begriffsklärung: Propaganda  Identifizierung des gehörten Saarliedes
„Deutsch ist die Saar“ als Propagandamittel der Deutschen Front
Fortsetzung Saarlied (Abspielen: 3. und 4. Strophe), parallel: Folie
 Hörauftrag: Findet heraus, welche Wirkung die Deutsche Front mit dieser
Art von Liedern erzielen wollte. [mobilisierend; Formierung des eigenen
Lagers und Waffe im Kampf gegen Gegner, Aufforderung zum Handeln]
 S entdecken (mit ihrem Banknachbarn) metaphorische Begriffe wie
„Mutter“ (3.Strophe) oder „Knechte“ (4.Strophe)
 Problematisierung im Plenum  Markierung der Begriffe auf Folie
Erarbeitung weiterer Propagandamittel: unter anderem Flugblätter, Plakate
LEK: Zuklappen der Tafel  zwei Plakate werden sichtbar
 Schaut euch die Plakate zunächst kurz an und versucht sie der jeweiligen
Gruppe bzw. Option zuzuordnen. Begründe!
Analyse der Wahlplakate (arbeitsteilige Vorgehensweise)
 (jeweils Hälfte der Klasse ein Plakat)  Austeilen der Arbeitsblätter und
Hinweis zur stichwortartigen Bearbeitung der Arbeitsaufträge mit Hilfe des
Leitfadens
 S stellen Ergebnisse vor der Klasse vor
 Vergleicht die beiden Plakate miteinander. Welches spricht euch mehr an?
Begründe! [Status quo: sehr textlastig, umständliche Erklärungen 
genaues Durchlesen erforderlich, um die Botschaft zu verstehen;
Rückgliederung: auffallendes Bild, viele Symbole, Parole in großer Schrift
 daher schnell zu verstehen, auch im Vorbeigehen]
 Charakterisiert die Art der Argumentation, die verwendet wird! [Status quo:
sachliche, rationale Argumente, schlichte Fakten, Appell an die Vernunft;
Rückgliederung: emotional, patriotisch, nationalistisch]
 Festhalten eines Fazits im Tafelbild
Stellen der Hausaufgabe: schriftliche Analyse und Interpretation des Plakates
Abschluss: Vorbereitung des Interviews mit Zeitzeugen
S formulieren mit dem Banknachbar Fragen, die dem Zeitzeugen gestellt
AF/SF
Medien
LV
EA
CD,
Folie /
Anhang
17
feUG
LV
SV
feUG
feUG
LV
feUG
Tafel /
Anhang
18
CD,
Folie /
Anhang
17
PA
feUG
Plakate /
Anhang
23 u. 24
PA
SV
AB 1
und 2 /
Anhang
19 – 22
feUG
PA
Anhang
57
werden sollen  Entwicklung eines Fragenkataloges
33
Didaktisch-methodischer Kommentar
Durch das Saarlied „Deutsch ist die Saar“ zum Stundeneinstieg erhoffe ich mir nicht nur
einen erneuten Motivationsschub bei den Schülern, sondern aufgrund der besonderen
Wirkung dieses Mediums sollen auch bewusst die Gefühle der Schüler angesprochen werden.
Gerade am Beispiel dieses Propagandaliedes der Deutschen Front kann das Verständnis der
Schüler für den sehr emotionsgeladenen Abstimmungskampf besonders gefördert werden.
Durch den erteilten Hörauftrag vor dem Abspielen der ersten beiden Strophen soll die
Aufmerksamkeit der Schüler auf einzelne zentrale Gestaltungsmittel des Liedes konzentriert
werden, um anschließend eine sowohl musikalische als auch textliche Kurzanalyse zu
ermöglichen. Als zusätzliche Hilfestellung und zum besseren Verständnis wird der Text
parallel auf einer Folie visualisiert.
Das kurze Zitat aus der Saarbrücker Zeitung81 unterstreicht das bereits festgestellte
Nationalbewusstsein der Saarbewohner und leitet gleichzeitig zur Hausaufgabe und damit zur
Rheinischen Jahrtausendfeier über, die als Höhepunkt dieser nationalen Bewegung an der
Saar gilt. Die Schüler erhalten dadurch nicht nur einen ersten Eindruck vom Charakter des
Abstimmungskampfes, sondern erkennen auch die tief greifende Verwurzelung der
Saarbevölkerung in Deutschland. Dadurch sollte es ihnen im nächsten Schritt nicht schwer
fallen, die Angliederung an Frankreich als aussichtslose Option der Volksabstimmung
auszuschließen.
Aus Gründen der Zeitökonomie wird im folgenden Unterrichtsschritt das reine Faktenwissen
zu den beiden verbleibenden Abstimmungsalternativen und den in diesem Zusammenhang
entstandenen Gruppierungen durch einen Lehrervortrag kurz und prägnant dargestellt. Das
Hauptaugenmerk soll vielmehr auf der intensiven Auseinandersetzung mit den Begründungen
der Deutschen Front und der Einheitsfront sowie deren eingesetzten Propagandamitteln
liegen. Darüber hinaus ist es in dieser Stunde wichtig, im Sinne einer kontinuierlichen
Förderung der Begriffsbildung auch zentrale Begriffe wie „Propaganda“ oder „Status quo“
einzuführen.
Zur
detaillierten
Erarbeitung
der
unterschiedlichen
Argumentationen
und
derer
Wirkungsweise werden sowohl die beiden weiteren Strophen des Saarliedes als auch das
bereits bekannte Medium des Plakates eingesetzt. Bei letzterem kann dabei auf die im
Rahmen der Unterrichtsreihe erarbeitete Vorgehensweise zurückgegriffen werden. Der
vorhandene Leitfaden für Plakate soll bewusst noch einmal eingesetzt werden, auch um den
81
siehe Stundenverlauf; Linsmayer: Politische Kultur, S.139
58
Schülern noch einmal die erforderliche Systematik bei der Analyse und Interpretation solcher
Medien bewusst zu machen. Da die Schüler jedoch lediglich zu Beginn der Unterrichtsreihe
erste Erfahrungen im Umgang mit Plakaten gesammelt haben, erachte ich an dieser Stelle die
Sozialform der Partnerarbeit für sehr sinnvoll. Gerade bei der ersten Auseinandersetzung mit
einem neuen Plakat profitieren die Schüler von dem gemeinsamen Austausch und können
produktiver die einzelnen Gestaltungsmittel zusammentragen. Aus zeitökonomischen
Gründen beschäftigt sich jeweils die Hälfte der Klasse mit einem typischen Plakat der
Deutschen Front für die Rückgliederung an Deutschland beziehungsweise mit einem der
Einheitsfront für die Beibehaltung des Status quo. Nachdem die Schüler ihre Ergebnisse vor
der Klasse präsentiert haben, kann auf dieser Basis im fragend-entwickelnden
Unterrichtsgespräch ein Vergleich der beiden Plakate gezogen und die unterschiedliche
Wirkungsweise charakterisiert werden. Vor diesem Hintergrund habe ich mich auch dazu
entschieden, das jeweilige Abbild den Schülern nicht nur in Miniatur auf dem Arbeitsblatt zur
Verfügung zu stellen, sondern zusätzlich DIN A3-Ausdrucke an der Tafel zu befestigen. Auf
diese Weise ist ein authentischerer Blick auf die Wahlplakate möglich und ihre jeweilige
Wirkung auf Adressaten deutlicher zu erkennen.
Zum Ende dieser Stunde soll das geplante Interview mit dem Zeitzeugen Anton Schmidt
vorbereitet werden. Wie bereits erwähnt hat er nicht nur die Geschehnisse an der Saar, die im
Rahmen der Unterrichtsreihe untersucht werden, hautnah miterlebt, sondern er ist auch ein
politisch interessierter Mensch, der sich vor allem im Vereinsleben (insbesondere im örtlichen
Turnverein) immer sehr stark engagiert hat. Trotz seines hohen Alters82 ist er geistig noch voll
und ganz auf der Höhe. In einem Vorgespräch konnte ich sowohl einige wichtige
Informationen zu seiner Person83 erfahren, aber auch feststellen, wie weit seine Erinnerungen
im untersuchten Zeitraum der Saargeschichte reichen. Schnell war klar, dass er auch über
diese frühen Jahre seines Lebens noch detailliert berichten kann. Leider hat Herr Schmidt eine
sehr starke Sehschwäche, weshalb ein Transport an das Gymnasium am Rotenbühl nicht
möglich ist. Vor diesem Hintergrund habe ich mich dazu entschlossen, das eigentliche
Interview mit Herrn Schmidt alleine in seiner gewohnten Umgebung bei ihm zu Hause
durchzuführen.
Um die Schüler dennoch möglichst stark einzubinden und auf ihre Interessen einzugehen,
sollten die entsprechenden Fragen an den Zeitzeugen von ihnen selbst erstellt werden. Da zum
Ende der vierten Stunde die Reihe inhaltlich größtenteils behandelt ist, verfügen die Schüler
bereits über ausreichende Vorkenntnisse, um themenbezogene Fragestellungen formulieren zu
82
83
Zum Zeitpunkt des Interviews war Anton Schmidt 96 Jahre alt.
siehe Anhang 31
59
können. In Partnerarbeit sollen dabei mindestens vier Fragen notiert werden. Diese werden
eingesammelt und von mir zusammengefasst. Auf dieser Grundlage erstelle ich einen
Interviewleitfaden, um das Gespräch mit dem Zeitzeugen zu strukturieren und sicherzustellen,
dass alle Fragen der Schüler Berücksichtigung finden. Die Ergebnisse des Interviews werden
den Schülern dann in der sechsten und letzten Stunde der Unterrichtsreihe vorgestellt.
Medien
Das sowohl zum Einstieg als auch in der Erarbeitungsphase eingesetzte Propagandalied
„Deutsch ist die Saar“ gilt als bekanntestes unter den Saarliedern, die gerade in dieser Zeit, als
sich die Saarbevölkerung sehr stark auf ihre deutschen Wurzeln besann, in großer Anzahl
entstanden sind. Das vorliegende Lied gilt bis heute als eine Art Nationalhymne der
Saarländer, die als bergmännisches Steigerlied mit dem Titel „Glück auf“ auch aktuell im
Saarland vielfach im Rahmen unterschiedlicher Veranstaltungen gespielt und gesungen wird.
Der zur damaligen Zeit verwendete Text stammt aus der Feder des Lehrers Hanns Maria Lux,
der diesen auf einer Klassenfahrt 1920 auf die damals bereits bekannte Melodie des
Steigerliedes verfasst hatte. In der Folge wurde es nicht nur in Schulen gesungen, sondern
auch von Gesangsvereinen auf Kundgebungen und Konzertveranstaltungen verbreitet. In den
Dreißiger Jahren war es regelrecht ein Ritual auf nahezu jeder Feierlichkeit, gemeinsam
dieses Lied zu singen. Es galt als das nationale Bekenntnis zu Deutschland.84
Das Saarlied nimmt im Laufe dieser Stunde einen großen Raum ein, da an ihm exemplarisch
nicht nur der Geist der Zeit nachempfunden werden kann, sondern auch weitere inhaltliche
Aspekte wie die von der Deutschen Front verwendeten Argumente erarbeitet werden können.
In diesem Kontext lassen sich die prägnanten musikalischen Gestaltungsmittel wie der
marschmäßige Rhythmus oder die kraftvolle Bläserinstrumentation auch als Laie zügig
herausarbeiten. Ferner bietet auch der Text – aufgrund zahlreicher Signalwörter und
Wortwiederholungen – trotz der für Schüler eher ungewohnten Sprache einen Zugang, um
entsprechende Interpretationsansätze aufzustellen.
Weiterhin wird erneut die Auseinandersetzung mit dem Medium Plakat genutzt, um tiefere
Einblicke in die Argumentationsgrundlagen der beiden Parteiorganisationen zu gewinnen.
Dieser Einsatz ist allein schon deshalb im Geschichtsunterricht unabdingbar, da sich der
Abstimmungskampf an der Saar zu einem regelrechten „Plakatkrieg“ entwickelt hatte.
Mit den beiden vorliegenden, auch als Hauptplakate der jeweiligen Gruppierungen
bezeichneten Wahlplakaten wurden solche ausgewählt, die eine Typisierung des Mediums
84
Hannig: „Deutsch ist die Saar“, S.117f
60
ermöglichen. Der unterschiedliche Charakter beider Plakate war nicht zuletzt für den Erfolg
beziehungsweise Misserfolg der entsprechenden Abstimmungsalternative verantwortlich.
Während vor dem Zweiten Weltkrieg das reine Textplakat grundsätzlich noch dominierte,
nutzte die Deutsche Front bereits die besondere Wirkungskraft von Bildplakaten. Das Plakat
„Deutsche Mutter“ der Deutschen Front ist prototypisch für die Art ihrer Propaganda, bei der
die Wahlkampfinhalte vorwiegend auf einer emotionalen Ebene ausgetragen wurden.
Das Wahlplakat der Status quo-Anhänger ist dagegen ein reines Textplakat, das auf der
sachlichen Ebene argumentiert, dessen Botschaft das vorbeilaufende Publikum aber kaum
wahrnehmen kann. Zudem wirkte gerade das Fremdwort Status quo auf viele Saarbewohner
abschreckend, da sie es häufig gar nicht verstanden.
Hausaufgabe
Die Schüler analysieren und interpretieren schriftlich das Wahlplakat, mit dem sie sich bereits
in der Stunde intensiv beschäftigt haben. Sie orientieren sich dabei an den Arbeitsaufträgen
des Arbeitsblattes und ihren eigenen Notizen sowie an dem Leitfaden für Plakate. Zusätzlich
sollen auch die erworbenen Kenntnisse bezüglich der verschiedenen Plakattypen sowie deren
jeweilige Wirkung auf den Adressaten integriert werden. Dadurch wird auf der einen Seite die
Methodenkompetenz im Umgang mit diesem Medium gefestigt und auf der anderen Seite die
schriftliche Ausdrucksfähigkeit der Schüler weiter geschult, was ein übergeordnetes Lernziel
bis hin zum Abitur darstellt.
61
Anhang 17: Folie – Liedtext85
„Deutsch ist die Saar“
Das Saarlied von Hanns Maria Lux
Deutsch ist die Saar, deutsch immerdar!
Und deutsch ist unsres Flusses Strand
und ewig deutsch mein Heimatland,
mein Heimatland, mein Heimatland.
Deutsch schlägt das Herz – stets himmelwärts,
deutsch schlug`s, als uns das Glück gelacht,
deutsch schlägt es auch in Leid und Nacht,
in Leid und Nacht, in Leid und Nacht.
Reicht euch die Hand, schlinget ein Band,
um junges Volk, das deutsch sich nennt,
in dem die heiße Sehnsucht brennt nach dir,
o Mutter, nach dir, nach dir.
Ihr Himmel hört, ganz Saarvolk schwört,
lasset uns es in den Himmel schrei`n:
wir wollen niemals Knechte sein,
wir wollen ewig Deutsche sein!
Hannig: „Deutsch ist die Saar“, S.117; verkürzt um die zweite Strophe, da bei der verwendeten Aufnahme
lediglich vier Strophen gesungen wurden und diese für den geplanten Einsatz im Unterricht ausreichend waren.
85
62
Anhang 18: Tafelbild
Abstimmungskampf 1933 – 1935
EINHEITSFRONT
aus linksgerichteten
Parteien:
SPD, KPD
- für die Beibehaltung des
aktuellen Zustandes
(Eigenständigkeit des
Saargebietes unter dem
Völkerbund): Status quo
- sachliche Argumentation
DEUTSCHE FRONT
aus konservativen und
rechtsgerichteten Parteien:
Deutsch-Saarländische
Volkspartei (DSVP),
DNVP, NSDAP und Zentrum
- für die Rückgliederung
an Deutschland
- emotionale
Argumentation
Die Bevölkerung an der Saar muss sich zwischen einer
internationalen (Völkerbund) und einer nationaler Lösung
(Rückkehr zu den deutschen Wurzeln) entscheiden
 Spaltung der Gesellschaft
63
Anhang 19: Arbeitsblatt 1
ARBEITSBLATT: Gruppe 1
Der Abstimmungskampf 1933 – 1935
Wahlplakat der Deutschen Front
 überparteilicher Zusammenschluss aus NSDAP,
Zentrum, Deutsch-Saarländische Volkspartei,
Deutschnationale Partei
Arbeitsaufträge:
1. Beschreibe und analysiere zunächst das
Plakat (u.a. den Bildaufbau, die einzelnen
Bildelemente und deren Bedeutung)!
2. Interpretiere das Plakat und erstelle eine
zusammenfassende Beurteilung (u.a.
Welche politische Einstellung gibt das
Plakat wieder?, Was sind Botschaft und
Intention?, Welche Ängste oder
Hoffnungen sollen beim Adressaten
geweckt werden?)!
64
Anhang 20: Erwartungshorizont zum Arbeitsblatt 1
1. Beschreibe und analysiere zunächst das Plakat (u.a. den Bildaufbau, die einzelnen
Bildelemente und deren Bedeutung)!
- im Zentrum des Plakates: junger Mann, der in den Armen seiner Mutter liegt;
Großteil der Plakatfläche wird durch diese Darstellung ausgefüllt
- ober- und unterhalb davon: Textbotschaft „Deutsche Mutter – heim zu Dir!“ in
Sütterlin-Schrift, in großen Buchstaben
- Mann steht auf einem zerbrochenen Grenzpfahl mit der Aufschrift „Sarre“ und auf
einer Kette
- links im Hintergrund: rauchende Schlote eines Hüttenwerkes
- rechts im Hintergrund: Häuser und Kirche einer Stadt  idyllische Kulisse als
Symbol für die Heimat (Kirche: Trierer Dom)
- Mann in Arbeitskleidung als typischer Arbeiter an der Saar; wirkt erschöpft, da er
wohl im Hüttenwerk gearbeitet hat, das seit 1920 in französischem Besitz war
- Mutter: mit Schürze und grauen Haaren dargestellt, vermittelt Wärme und
Geborgenheit und nimmt den Sohn liebevoll und voller Erleichterung in den Arm 
Symbol für die deutsche Heimat
- Kette: Symbol dafür, dass sich Arbeiter als Knecht fühlt
- Grenzpfahl mit französischer Aufschrift: Zeichen dafür, dass das Saargebiet seit dem
Inkrafttreten des Saarstatutes unter französischem Einfluss steht
- Grenzpfahl liegt am Boden: Ausdruck dafür, dass die Bestimmungen des Saarstatutes
nicht mehr Gültig sind
- Mann macht außerdem einen Schritt über den Grenzpfahl hinweg und bewegt sich auf
seine Mutter und damit auf die Seite seiner Heimat zu
2. Interpretiere das Plakat und erstelle eine zusammenfassende Beurteilung (u.a. Welche
politische Einstellung gibt das Plakat wieder?, Was sind Botschaft und Intention?, Welche
Ängste oder Hoffnungen sollen beim Adressaten geweckt werden?)!
- Saargebiet, versinnbildlicht durch den jungen Mann kehrt zu seiner Mutter, die
Deutschland verkörpert zurück
- Mutter-Sohn-Verhältnis als naturgegebene Zugehörigkeit des Saargebietes zur
deutschen Nation
- Saargebiet muss sich aus seiner französischen „Knechtschaft“ befreien, um dorthin
zurückzukehren, wo es herkommt und auch hingehört  Sprengung der nationalen
und sozialen Fessel
- Trierer Dom im Hintergrund als Symbol dafür, dass der größte Teil des Saargebietes
zur Diözese Trier gehörte  großer Anteil an Katholiken im Saargebiet
- Deutsche Front tritt für eine bedingungslose Rückgliederung des Saargebiets an
Deutschland ein
65
Anhang 21: Arbeitsblatt 2
ARBEITSBLATT: Gruppe 2
Der Abstimmungskampf 1933 – 1935
Wahlplakat der Einheitsfront
 überparteilicher Zusammenschluss aus SPD
und Kommunistischer Partei (KPD)
Arbeitsaufträge:
1. Beschreibe und analysiere zunächst das
Plakat (u.a. den Aufbau, die einzelnen
Textelemente, auch fehlende Elemente)!
2. Interpretiere das Plakat und erstelle eine
zusammenfassende Beurteilung (u.a.
Welche politische Einstellung gibt das
Plakat wieder?, Was sind Botschaft und
Intention?, Welche Ängste oder
Hoffnungen sollen beim Adressaten
geweckt werden?)!
66
Anhang 22: Erwartungshorizont zum Arbeitsblatt 2
1. Beschreibe und analysiere zunächst das Plakat (u.a. den Aufbau, die einzelnen
Textelemente, auch fehlende Elemente)!
- reines Textplakat
- unterschiedliche Schriftgrößen
- größte Textbotschaft am oberen Plakatrand: „Rückgliederung bedeutet:“, ergänzt
wird diese durch das Wort „Sofortige“ in kleinerer Schrift
- größte Textbotschaft am unteren Plakatrand: „Status quo!“
- unterhalb der Überschrift Auflistung von Aspekten, die bei einer Rückgliederung
eintreten würden: „Schließung der Gruben“, „Hüttenindustrie stirbt ab“,
„Massenarbeitslosigkeit“, „Ruin des Mittelstandes“, „Der Bauer geht zugrunde“,
„Marktinflation, Rentenverlust“  mittlere Schriftgröße
- zu jedem Aspekt: Erläuterungen in einer kleineren Schriftgröße
- Aneinanderreihung von Fakten, und zwar von Gegenargumenten: ausschließlich
wirtschaftliche Argumente, die gegen eine Rückgliederung sprechen, aber keine
Argumente für den Status quo
- größte Buchstaben bei dem Fremdwort „Status quo“
- fehlende Elemente: Farben, identifizierbare Symbole, zündende Parole
2. Interpretiere das Plakat und erstelle eine zusammenfassende Beurteilung (u.a. Welche
politische Einstellung gibt das Plakat wieder?, Was sind Botschaft und Intention?, Welche
Ängste oder Hoffnungen sollen beim Adressaten geweckt werden?)!
- rein sachliche Argumentation, weshalb die Rückgliederung verhindert werden muss
- Zusammenbruch des Wirtschafts- und Sozialsystem bei einer Rückkehr zu
Deutschland: sofortige Rückgliederung würde den Bergbau, die Eisenindustrie, aber
auch die Landwirtschaft sehr stark treffen; Währung, Sozialversicherung
- nur durch die Beibehaltung des bestehenden politischen und wirtschaftlichen Systems
weiterhin positive Entwicklung des Saargebietes möglich
67
Anhang 23: Plakat 1 „Deutsche Mutter“86
86
Paul, Gerhard / Schock, Ralph: Saargeschichte im Plakat 1918 – 1957, Saarbrücken 1987, S.69
68
Anhang 24: Plakat 2 „Status quo“87
87
Paul, Gerhard / Schock, Ralph: Saargeschichte im Plakat 1918 – 1957, Saarbrücken 1987, S.78
69
Fünfte Stunde:
Abstimmungskampf –
Erstellung eigener Plakate
Stundenlernziel
Die Schüler entwickeln unter Beachtung der erarbeiteten Analyse- und Interpretationskriterien
für politische Plakate ein eigenes Plakat mit einer politischen Botschaft.
Darüber
hinaus
kennen
sie
typische
Symbole
sowie
Schlüsselbegriffe,
die
im
Abstimmungskampf von 1933 bis 1935 von den jeweiligen Gruppierungen verwendet
wurden.
70
Stundenverlaufsplan
Zeit
6 min
6 min
Lehrerverhalten, wichtige Fragen
Vorbereitungen vor der Stunde:
- Aufhängen der beiden Plakate für die Besprechung der Hausaufgabe
- Umstellen der Tische und Stühle für die Gruppenarbeit
Einstieg: stummer Impuls  Ergebnis Saarabstimmung
 S erkennen Kuchendiagramm als Ergebnis der Saarabstimmung und ordnen die
Wahloptionen den Prozentangaben zu
 Begründet eure Entscheidung!
 Wiederholung und Besprechung der Hausaufgaben: Analyse und
Interpretation der beiden Wahlplakate zur Volksabstimmung
 Schüler stellen die beiden Plakate vor der Klasse vor
Erarbeitung mit integrierter Ergebnissicherung: Erstellung von eigenen
Plakaten
Überleitung: Status quo-Anhänger hatten größte Schwierigkeiten gegen diese Welle
des Nationalgefühls im Saargebiet anzukommen und versuchten mit der Stimme der
Vernunft das Unglück sichtbar zu machen, das die Saarländer mit der
Rückgliederung an das inzwischen nationalsozialistische Deutschland erwartete.
Dabei hatte allein der Ausdruck Status quo eine negative Wirkung!?
[Verunsicherung der Menschen aufgrund des Fremdwortes; viele verstanden es nicht
einmal; Angst, Sieg des Status quo würde wieder die Franzosen ins Land bringen]
 Feststellung: Mängel in Plakatgestaltung als ein Grund für den Misserfolg der
Einheitsfront bei der Volksabstimmung  eigene Erstellung von Plakaten für die
Volksabstimmung
AF/SF
Medien
feUG
Folie /
Anhang
25
SV
Plakate /
Anhang
23 u. 24
LV
feUG
 Brainstorming zur Vorbereitung der Plakaterstellung: Sammeln weiterer
typischer Symbole und Schlagwörter für: Saargebiet, Rückgliederung zu
Deutschland und Status quo
 Sicherung der Ergebnisse an der Tafel (Mindmap: Saargebiet in der Mitte, links:
Status quo, rechts: Rückgliederung zu Deutschland)
32
min
1 min
 S erstellen in 5 Gruppen88 eigene Plakate: 2 beziehungsweise 3 Plakate pro
Option im Abstimmungskampf (Status quo und Rückgliederung)
 Hinweise zur Vorgehensweise:
- erst Ideen sammeln
- Konzept / Struktur erstellen
- innerhalb der Gruppe klären, wer welchen Part bei der Präsentation
übernimmt und wer Plakat gegebenenfalls graphisch fertig gestaltet
Stellen der Hausaufgabe:
Fertigstellung der Plakate und Vorbereitung der Präsentation der eigenen Plakate
Tafel /
Anhang
26
GA
u.a. Tonpapier,
Filzstifte,
Kleber,
Scheren
88
In der Stunde waren aufgrund einer parallelen Schulveranstaltung von 22 Schülern nur dreizehn anwesend.
Daher wurden lediglich drei Gruppen gebildet und damit insgesamt nur drei Plakate erstellt.
71
Anhang 25: Folie – Abstimmungsergebnis89
Ergebnis der Saarabstimmung vom
13. Januar 1935
8,8%
0,4%
Rückgliederung zu
Deutschland
Status quo
Angliederung an
Frankreich
90,8%
89
Die vorliegende Grafik wurde von mir selbst erstellt.
72
Anhang 26: erwartetes Tafelbild – Mindmap
Schlagwörter
mehr
Mitbestimmung
der Saarbevölkerung
Unabhängigkeit
des Saargebietes
Frieden
international
deutsch
Reich
Schutz des
Völkerbundes
Saar
Heimat
Heimkehr
Fluss
Händedruck
Taube
durchgestrichenes
Hakenkreuz
Hüttenw
erk
Kohle
Förderturm /
Grube
Befreiung
Rückgliederung
Saargebiet
Status quo
Mutter
Arbeiter
idyllisches
Dorf /
Stadt
Hausfrau /
Mutter
Saarschleife
Hakenkreuz
Flagge
entfernter
Grenzzaun
starker
Mann
Symbole
73
Sechste Stunde:
Saarabstimmung 1935 –
Ergebnis und Bewertung
Schwerpunktsetzung
Basierend auf den Analysen der beiden für den Abstimmungskampf prototypischen Plakate
sowie
auf
den
bisher
erworbenen
Kenntnissen
interpretieren
die
Schüler
die
Abstimmungsergebnisse. Im Zentrum der Stunde steht jedoch das Interview mit einem
Zeitzeugen. Dieses gibt einerseits tiefere Einblicke in weitere Propagandamaßnahmen
während des Abstimmungskampfes sowie in den Ablauf der Volksabstimmung. Andererseits
dient es am Ende der Unterrichtsreihe der Festigung sowie Ergänzung zum Teil bereits
behandelter Aspekte, um abschließend einen Gesamteindruck zur Saargeschichte von 1918
bis
1935
zu
bekommen.
Dabei
muss
beachtet
werden,
dass
die
subjektiven
Zeitzeugenaussagen nicht überbewertet, sondern gegebenenfalls in einzelnen Punkten
relativiert werden müssen.
Stundenlernziel:
Die Schüler kennen Gründe für den eindeutigen Ausgang der Volksabstimmung von 1935
und dessen Bedeutung für die Saarbewohner.
Ferner nehmen sie Stellung zu den Aussagen eines Zeitzeugen zur Saarfrage (1918 – 1935).
74
Stundenverlaufsplan
Zeit
LZ
1
12
min
2
3
25
min
4
5
5 min
3 min
Lehrerverhalten, wichtige Fragen
Einstieg: stummer Impuls
 L legt Folie mit Foto des Straßenschildes auf  S vermuten
Zusammenhang zur Volksabstimmung: 13.01.1935 = Termin der
Volksabstimmung
 Erklärt, warum diese Saarbrücker Straße sowie weitere Straßen in
anderen saarländischen Städten auf diese Weise umbenannt wurden.
[große Bedeutung der Volksabstimmung für die Saarbewohner; mehr als
90% stimmten für eine Rückgliederung  Erfolg, auch gegenüber dem
verfeindeten Frankreich]
 Erläutert Gründe dafür, dass die überwältigende Mehrheit der
Saarbevölkerung im Januar 1935 für die Rückgliederung zu Deutschland
stimmte! [unter anderem stärkere und erfolgreiche Propaganda der
Deutschen Front, unterstützt durch die NSDAP; nationales Bewusstsein
der Bewohner an der Saar, Zustimmung zu Hitler und der NSDAP]
AF/SF
 Vorstellung und Präsentation der drei selbst erstellten Plakate
(2x Rückgliederung und 1x Status quo)
 Klasse beurteilt die erstellten Plakate kritisch im Hinblick auf die
eingesetzte Symbolik sowie die Aussagekraft ihrer politischen Botschaft
Erarbeitung mit integrierter Ergebnissicherung: Interview mit einem
Zeitzeugen
 kurze Vorstellung des Zeitzeugen Anton Schmidt durch L; zusätzlich Foto
auf Folie
- Geburtsdatum (unmittelbar vor dem 1. Weltkrieg)
- Wohnort mit Hinweis: direkt an der frz. Grenze (bei Sarreguemines)
- berufliche Tätigkeit
- familiäre Situation
SV
Untersuchung ausgewählter Interview-Aussagen:
 L spielt ausgewählte Tracks der CD-Aufnahme ab: 1. – 9. Track
(Abspielzeit dieser Tracks: 9:22 min); zuvor jeweils Wiederholung der
entsprechenden Fragestellung der S und Einbettung des Beitrages in den
jeweiligen Kontext
 Klärung möglicher Verständnisfragen
 ggf. wiederholtes Abspielen einzelner Tracks, wenn sie akustisch nicht
verstanden werden
 S beurteilen Aussagekraft der einzelnen Aussagen, ggf. Richtigstellung
falscher Aussagen
 Rückmeldung der S zum Interview: Welche Aussagen des Zeitzeugen
haben dich am meisten überrascht / interessiert / berührt?
Schlussvertiefung:
Formuliert ein Fazit für die Saargeschichte von 1918 bis 1935! [Teil der
Saargeschichte, in dem die Bevölkerung von fremden Machthabern bestimmt
wurde (Frieden ohne Freiheit), vor allem sehr starke Beeinflussung durch
Frankreich auf kulturellem, wirtschaftlichem und politischem Gebiet; dadurch
starkes Nationalgefühl, Abstimmung im Januar 1935 als „Befreiung“ und
Rückkehr zu den nationalen Wurzeln]
Abschluss / Verabschiedung
S füllen einen Feedbackbogen zur Unterrichtsreihe aus (Hinweis zur
Auswertung der Rückmeldung im Rahmen der Pädagogischen Arbeit)
Medien
Folie 1 /
Anhang
27
feUG
Plakate /
Anhang
28 – 30
Folie 2 /
Anhang
31 u. 32
LV
feUG
Audio-CD
(siehe
auch
Anhang
34 und
35)
feUG
EA
AB /
Anhang
36
75
Didaktisch-methodischer Kommentar
Als stummer Impuls wird das Foto des Straßenschildes genutzt, um die Schüler noch einmal
auf die Thematik der Volksabstimmung zu lenken. Motivationsfördernd wirkt sich dabei nicht
zuletzt der Umstand aus, dass einigen Schülern die „Straße des 13. Januar“ in Saarbrücken
sicherlich bekannt ist, sie aber nun deren Bedeutung erkennen und damit auch die Bedeutung
dieser Abstimmung vor über siebzig Jahren für die Saarbevölkerung. Auf diese Weise kann
auch die Erinnerungskultur zumindest kurz thematisiert werden.
Im Anschluss daran erhalten die Schüler die Möglichkeit, ihre selbst erstellten Plakate zur
Volksabstimmung
vor
der
Klasse
vorzustellen,
wodurch
ihre
Ausdrucks-
und
Präsentationsfähigkeit geschult werden soll. Die Mitschüler werden im Anschluss
aufgefordert, diese kritisch zu bewerten und in Bezug auf ihre Symbolik und politische
Botschaft zu hinterfragen. Auf diese Weise wird einerseits die Arbeit der Plakathersteller
honoriert, andererseits wird die Klasse darin geschult, nach möglichst objektiven Kriterien
eine aussagekräftige und realistische Stellungnahme zu formulieren. Eine solche qualitative
Rückmeldung erfordert dabei auch die inhaltliche Durchdringung des Themas.
Kern der Stunde stellt die Vorstellung und Auseinandersetzung mit dem Zeitzeugen-Interview
dar. Während eine Folie90 mit einem Foto von Anton Schmidt aufgelegt wird, erhalten die
Schüler einige wichtige Informationen zur Person91 (unter anderem Familienstand, berufliche
Tätigkeit). Durch das Foto soll zum einen die Aufmerksamkeit der Schüler geweckt werden,
zum anderen bringt es eindrucksvoll die überaus sympathische und aufgeschlossene Art von
Herrn Schmidt zum Ausdruck. Mit den Beiträgen des Zeitzeugen können einzelne, bereits
behandelte Aspekte der Saargeschichte von 1918 bis 1935 noch mal aufgegriffen und vertieft,
aber auch einige ergänzende Informationen thematisiert werden. Dabei dürfen die einzelnen
Interviewausschnitte nicht unkommentiert im Raum stehen bleiben, sondern nach jeder
Sequenz müssen die Aussagen des Zeitzeugen bewertet und kritisch hinterfragt werden.
Ferner muss im Vorfeld jeder Beitrag kurz situativ eingebettet werden, damit die Schüler den
jeweiligen Kontext verstehen können. Insgesamt habe ich für die Unterrichtsstunde neun
kurze Tracks92 vorgesehen. Die vorliegende Audio-CD habe ich hingegen bewusst um einige
Ausschnitte aus dem Interview ergänzt, damit ich im Unterricht flexibel reagieren und im
Falle eines Zeitpuffers oder bei besonderem Interesse zusätzliche Beiträge vorstellen kann.
In einer abschließenden Vertiefung sollen die Schüler ein eigenes Fazit zur Saargeschichte im
Zeitraum von 1918 bis 1935 ziehen. Dadurch müssen sie noch einmal die einzelnen
90
siehe Anhang 32
siehe auch Anhang 31
92
siehe Anhang 34
91
76
Unterrichtsinhalte reflektieren und in einen Gesamtzusammenhang bringen. Auf diese Weise
kann auch der Lernerfolg überprüft werden.
Medien
In der letzten Stunde der Unterrichtsreihe kommen neben den in der vorangegangenen Stunde
von den Schülern erstellten Plakaten zwei Fotos sowie die von mir erstellte Audio-CD mit
zentralen Inhalten des Interviews mit Anton Schmidt zum Einsatz.
Drei Schülergruppen haben in der letzten Stunde zwei Plakate zur Rückgliederung an
Deutschland und eines für die Status quo-Regelung angefertigt und zu Hause fertig gestellt.
Auf diese Weise können die Schüler zum Ende sowohl ihre erworbenen methodischen
Kenntnisse im Umgang mit Plakaten als auch inhaltliche Kenntnisse bezüglich der
unterschiedlichen Begründungen der gegenüberstehenden Fronten vertiefen.
Das Foto von Anton Schmidt wird lediglich zur Visualisierung während des Interviews
genutzt, damit die Schüler eine bessere Vorstellung von dem Zeitzeugen bekommen. Das
Foto des Straßenschildes soll dagegen sowohl die Bedeutung der Volksabstimmung an der
Saar veranschaulichen als auch einen Eindruck von der Erinnerungskultur zu diesem Ereignis
geben.
Um den Schülern Ausschnitte aus dem Interview mit Anton Schmidt vorstellen zu können,
habe ich – wie bereits erwähnt – eine Audio-CD erstellt. Dabei habe ich aus dem mehr als
vierstündigen Tonmaterial insgesamt dreizehn Tracks mit jeweils maximal etwa zwei
Minuten geschnitten, so dass im Unterricht problemlos einzelne Sequenzen ausgewählt und
im Anschluss besprochen werden können.
77
Anhang 27: Folie 1 – Foto: Straße des 13. Januar93
93
http://www.sarrelibre.de/wp-content/uploads/schild01mittel.jpg
78
Anhang 28: Schüler-Plakat 1
79
Anhang 29: Schüler-Plakat 2
80
Anhang 30: Schüler-Plakat 3
81
Anhang 31: Zeitzeuge Anton Schmidt – Lebenslauf94
Name
Anton Schmidt
Eltern
Jakob Schmidt (geboren in Schloßböckelheim bei
Bad Kreuznach) und Agnes Schmidt (geboren in
Auersmacher)
Geburtsdatum
02.12.1913
Geburtsort
Auersmacher
Staatsangehörigkeit
deutsch
Familienstand
verwitwet; 1940 Heirat mit Maria Schmidt (geb. Brach)
in Schloßböckelheim (Evakuierung), 3 Kinder: Gerd
(1942), Manfred (1943, bereits verstorben), Doris (1951)
Konfession
römisch-katholisch
Wohnort
Schwarzwaldstraße 9, 66271 Auersmacher
Schul- und Berufsbildung
1920 – 1928 Volksschule Auersmacher
1928 – 1931 Ausbildung als Maler bei Firma Mader
in Saarbrücken
berufliche Tätigkeit
1931 – 1936
mehrere Tätigkeiten als Maler und Bauarbeiter bei
verschiedenen Arbeitgebern in Kleinblittersdorf,
Saarbrücken und in Sarreguemines (Frankreich)
1936 – 1973
Beschäftigung bei der Bundesbahn in Kleinblittersdorf
und Saarbrücken als Gleisarbeiter, Rangierarbeiter,
Betriebsassistent und Sekretär
(vor der Pensionierung: Obersekretär)
Wehrdienst im 2. Weltkrieg
1943 – 1945
Ausbildung in Koblenz und Speyer
Einsatz in Holland und Russland
1946: Rückkehr nach Auersmacher
außerberufliches Engagement
langjähriges Mitglied (seit 1919, aktiv bis 1993) und
Ehrenmitglied im Turnverein Auersmacher, Teilnahme
an zahlreichen Deutschen Turnfesten (u.a. Stuttgart,
München, Frankfurt, Hamburg, Berlin)
94
Anton Schmidt hat mir die Zustimmung erteilt, diese persönlichen Daten, das nachfolgende Foto sowie die
Informationen aus dem Interview zum Zwecke der Pädagogischen Arbeit nutzen zu dürfen.
82
Anhang 32: Folie – Foto: Anton Schmidt
Anton Schmidt
( 02.12.1913)
83
Anhang 33: Interviewleitfaden mit Schülerfragen95
Nachkriegszeit (nach dem Ersten Weltkrieg):
1. Haben Sie beziehungsweise Ihre Familie viele Verluste durch den Ersten Weltkrieg und
seine Folgen gemacht?
2. Hat Sie auch die Inflation betroffen?
Französische Besatzungszeit nach dem 1. Weltkrieg:
3. Wie machte sich der Hass auf Frankreich im Alltag bemerkbar?
4. Wie haben die Franzosen Sie während der Besatzungszeit behandelt?
5. Welche Vor- und Nachteile bestanden für Sie als Saarländer während der Zeit des
Völkerbundes unter französischem Einfluss?
6. Wie haben die anderen Länder, insbesondere Frankreich, auf Wünsche Deutschlands / des
Saargebietes reagiert?
7. Welche Einstellung hatten Sie gegenüber den Franzosen? / Wie stehen Sie heute zu den
Franzosen?
Saarabstimmung:
8. Waren Sie für die Rückgliederung zu Deutschland oder dagegen? Warum?96
9. Wurde von den jeweiligen Parteien Druck auf die Bürger ausgeübt, damit sie für den
Status quo oder die Rückgliederung stimmen?
10. Wie stark konnten Sie die Propaganda spüren?
11. Welche Einstellung hatten die Menschen zu der Propaganda?
12. Wie liefen die Wahlen damals ab?
13. Gab es nach der Rückgliederung viele Vorteile für das Saargebiet?
14. Welche Rolle hat Hitler in der Zeit (der Abstimmung) gespielt?
95
Es handelt sich hierbei um eine Zusammenfassung der einzelnen Schülerfragen, die sich zum Teil sehr stark
ähnelten. Sie wurden zwar alle mit Anton Schmidt besprochen, konnten jedoch nicht vollständig
beziehungsweise nicht immer gewinnbringend für den Unterricht von ihm beantwortet werden.
96
Dies war die am häufigsten gestellte Frage.
84
Anhang 34: Gliederung der Audio-CD (Trackliste)97
1. Kriegsende und Völkerbund (0:53 min)
2. Verhältnis zu Frankreich (1:24 min)
3. Behandlung durch französische Besatzungssoldaten (0:21 min)
4. Begründung für die Rückgliederung (1:28 min)  Abschluss: Status quo
5. Propaganda: Giebelschrift am Haus (1:20 min)
6. Kreide-Technik zum Entfernen des „Hauswandplakates“ (0:33 min)
7. Entfernung mit Schlauch (0:15 min)
8. Ablauf der Abstimmung (2:13 min)
9. Fußballspiel mit Besatzungssoldaten (0:55 min)
10. Kundgebungen am Kieselhumes und am Befreiungsfeld (1:23 min)
11. Propaganda in Auersmacher (0:15 min)
12. Rolle Hitlers im Abstimmungskampf (0:15 min)
13. Vorteile nach der Rückgliederung (1:11 min)
97
Die kursiv geschriebenen Titel wurden in der letzten Stunde der Unterrichtsreihe vorgespielt. Die Beiträge
wurden, basierend auf den von den Schülern gestellten Fragen, zusammen geschnitten. Darüber hinaus wurden
einige interessante zusätzliche Aspekte ergänzt. So habe ich beispielsweise im Rahmen des Interviews erfahren, dass
Herr Schmidt selbst als junger Mann an Propagandamaßnahmen der Deutschen Front beteiligt war. Als gelernter
Maler zeichnete er in seinem Heimtatort großflächige Wandplakate an die Giebel von Wohnhäusern und berichtet
noch heute ausführlich und mit großer Begeisterung von dieser verbotenen Aktion. Neben solchen besonderen
Interviewausschnitten habe ich auch einen Track zu der am häufigsten von den Schülern gestellten Frage nach der
persönlichen Einstellung und dem Abstimmungsverhalten in die Unterrichtsstunde integriert.
85
Anhang 35: Verschriftlichung der Audio-CD98
1. Kriegsende und Völkerbund (0:53 min)
Ja 18, 18 ist der Erste Weltkrieg herum gegangen und da haben wir – das Saargebiet war ja
abgetrennt – und da haben wir unter französischer Herrschaft Franken gehabt.
Das ist durch den Völkerbund, ist das geregelt worden: Das Gebiet ist abgetrennt worden,
unter Verwaltung von französischer Regierung.
Wir haben ja den Krieg verloren gehabt und die haben den Krieg so gesagt gewonnen. Wenn
es nach dem Kampf nach gegangen wäre, hätten wir ja gewonnen. Aber, das zählt ja nicht.
Der Schluss – die haben dann alle Hilfe: da ist – Ami hat müssen helfen, der Engländer hat
müssen helfen – und so, so ist das gegangen. Und da war für uns der Krieg dann verloren.
2. Verhältnis zu Frankreich (1:24 min)
Nach dem Ersten Weltkrieg – es war gar nicht so schlimm, dass man sagt – Todfeind – nichts.
Das war nicht der Fall. Es war nicht mehr das Normale, aber so, dass man sagt – Todfeind,
nein, das war nicht der Fall.
Also man konnte sich schon verständigen. Wir haben ja keinen – keinen Pass gebraucht für da
rüber nach Sarreguemines. Und das ist daher gekommen, weil das vorher war ja Deutsch.
Elsass und Lothringen war ja früher Deutsch. Und daher ist das auch gekommen, weil die
Familie da doch miteinander war – verheiratet und, und Kinder und alles. Was alles, wie –
wie sich das alles im, im Laufe der Zeit ergibt. Da hat man noch nicht an die Rückgliederung
gedacht. Da sind welche – hier, wo noch Familie oder die Frau, wo von drüben war, oder der
Mann, wo von drüben – wenn da irgendwie ein Fest war, die sind auf, ab, da rüber – Fest
gefeiert und – mit, mit denen – und so war es umgekehrt dasselbe.
Früher war es umgekehrt. Da ist alles nach Saarbrücken – und nachher sind die Saarbrücker
nach Sarreguemines gekommen: Einkaufen, einkaufen!
3. Behandlung durch französische Besatzungssoldaten (0:21 min)
Also – man kann sagen: menschlich. Sicher, Ausnahmen gibt es immer – überall. Auch im
eigenen Land. Da braucht man gar nicht ins Ausland zu gehen.
Da gilt das Sprichwort: Hilf dir selbst, dann hilft dir Gott.
98
Beim Verschriftlichen der Audio-CD wurden die überwiegend im Dialekt gesprochenen Interviewbeiträge von
Anton Schmidt zum besseren Verständnis weitestgehend in die hochdeutsche Sprache umgewandelt. Allerdings
wurden Satzbau, Grammatik oder auch Wortwiederholungen und Ähnliches nicht verändert, sondern an das
Original angelehnt.
86
4. Begründung für die Rückgliederung (1:28 min)  Abschluss: Status quo
Jeder hat ja gesagt: „Das ist unser Heimatland – Deutschland. Und dort gehören wir hin.“ Das
war der Grundsatz! Wenn ich nur schon mal hole, mein Vater war ja auch nicht aus dem
Saarland und nicht von Auersmacher. Er war ein Rheinländer. Das ist schon mal ein Punkt. Ei
da gehöre ich doch hin.
Die Eltern und Großeltern, das waren alles deutsche Soldaten – unter der Führung von Kaiser
Wilhelm, dem „zwoten“. Und meines Erachtens hätte der brauchen gar nicht wegzugehen.
Wir haben damals – habe ich mir auch schon gesagt: „Warum, warum geht der weg?“
Auf jeden Fall haben sie ihm im Nacken gesessen. Nachher sind ja die Kommunisten – und
das ist ja da alles nachher gekommen, und die Monarchie, die soll weg, wir brauchen das
nicht. Das ist unnötiges Geld, wo bezahlt wird. – Sie wissen, wie das geht. – Und – meines
Erachtens hat der um sein Leben gebangt – von dieser Seite aus, aber im Allgemeinen war das
nicht der Fall.
Und wie gesagt, die zwei Prozent, wo dagegen waren, das war damals noch der – eine –
Status wo – Quo. Also die haben ja gar nicht gewusst, wohin.
5. Propaganda: Giebelschrift am Haus (1:20 min)
… Kundgebungen, da waren die Redner da – und an einem schönen Tag kommt einer. Der
war nachher auch, äh, Vorsteher: „Anton, wie wär es denn, wir könnten doch da Plakate auf –
auf die Häuser malen mit Schrift und so. Kannst du das machen?“
Und da war da unten – habe ich zwei so Dinger gemacht. Da war der ganze Giebel – war ein
Plakat! Der Rand drum herum: schwarz, weiß, rot. Und das Feld an sich war weiß – und die
Schrift war dann schwarz. Und da habe ich die Blockschrift gemacht. Das waren dann große
Buchstaben. Auf dem einen hat gestanden: „Deutscher, tue deine Pflicht – verrate 35 dein
Deutschland nicht!“
Ich habe die aber so gemacht, dass sie nicht so schnell ausgehen. Ich habe Kalk geholt, den
angerührt und zu gleicher Zeit direkt Leinöl drunter gerührt. Also der Kalk wird an sich ja
schon hart, und – geht nicht so schnell ab. Und wenn das Leinöl wird er noch viel stärker, ne.
Das sind ja so Sachen, wo – wo ich noch aus meinem, aus meinem Handwerk gehabt habe,
ne.
87
6. Kreide-Technik zum Entfernen des „Hauswandplakates“ (0:33 min)
Die Kreide, das war die, wo normalerweise der Maler braucht, für wenn ein Zimmer tapeziert
wird, oder gestrichen wird. Da kommt aber Leim drunter. Und da habe ich die Kreide nur mit
Wasser angerührt, da kommt nichts drunter. Und – tatsächlich – es hat paar Mal darauf
geregnet – und die ist immer mehr – immer mehr durchgekommen – die Schrift! – Alles ist
immer klarer geworden, immer klarer. Zum Schluss war – war sie wieder ganz da, so wie ich
sie gemacht habe!
7. Entfernung mit Schlauch (0:15 min)
Da war da unten ein Mann – lebt wohl nicht mehr – und der eine von den Söhnen – und
damals hat er den Schlauch geholt – und hat angefangen zu spritzen! Haha – der hat gewusst,
dass es – dass alles herunter läuft. Dass unten drunter das wieder herauskommt!
8. Ablauf der Abstimmung (2:13 min)
Also jeder hat persönlich einen Bescheid gekriegt, also schriftlichen Bescheid. Eine
Abstimmungskarte. Und die hat er müssen bei sich haben. Und die ist auch dort geblieben
nachher.
Da haben die vom Ordnungsdienst, haben vor dem Wahllokal – auch schon gestanden. Einer
oder zwei. Und jeden aufmerksam gemacht, wenn er da rein geht: „Kein Wort sprechen! –
Still!“ – Kein Wort. Stumm rein – sein Kreuz gemacht – und wieder stumm heraus.
Und – ich weiß von einer Frau, die hat dort angefangen zu sprechen. Und dann wurde der
Stimmzettel geholt – weggeschmissen. Sie hat können gar nicht wählen. Und draußen hat die
dann geheult. Ja! – Und vorher ist sie aufmerksam gemacht worden. Und alles hat sich daran
gehalten. Und nachher wie die anderen – was alles nachher gekommen ist – da haben wir das
erwähnt. „Nicht dass es euch geht wie der Frau da!“
Da haben die vom Völkerbund – nur vom Völkerbund – an der Abstimmung gesessen. Das
waren Franzosen, Engländer, Schweden. Und die Italiener waren nicht dabei, denn äh –
wahrscheinlich haben sie bei denen nicht gewusst, wie die eingestellt sind. Denn die waren ja
zuerst auf unserer Seite, haben mit uns gekämpft, ne. Zum Schluss haben sie ja ihre Waffen
weggeworfen und haben – auf der anderen Seite mitgemacht. Dass sie die überhaupt noch bei
den Besatzungstruppen noch gehabt haben, das hat mich gewundert.
Saarländer auch nicht – und Deutsche auch nicht. – Also nur von fremden Mächten. Aber da
haben wir ja nicht drüber können bestimmen. Das hat ja der Völkerbund, hat das ja geregelt.
88
9. Fußballspiel mit Besatzungssoldaten (0:55 min)
Wir haben ja Besatzung gehabt bei der Abstimmung. Das war schon vor der Abstimmung –
schon eine Zeit lang vor der Abstimmung, schon ein ganzes Jahr vorher.
Die Engländer waren hier, die Schweden waren hier, die Italiener waren hier – Besatzung,
dass wenn irgendwie Krawalle oder irgendwas – und was das Schönste war –: Wir haben mit
den Engländern Fußball gespielt, da oben, wo jetzt die Barbarahöhe steht! Da war der
Sportplatz. Haben wir mit den Engländern Fußball gespielt! So war – so war unsere
Feindschaft! Haha – umgekehrt, ne.
Hauptsächlich schon weil, weil wir wussten, England ist halt auch im Fußball gut, ne, und so.
Und, haben wir mit den Engländern auch gespielt – also die mit uns, so!
10. Kundgebungen am Kieselhumes und am Befreiungsfeld (1:23 min)
Die Kundgebungen – also, wir sagen mal – die haben ja meistens die Parteien gemacht. Die
SPD, die hat die große Kundgebung gemacht – für selbstständig zu machen – auf dem
Kieselhumes.
Und während dieser Zeit hat im Befreiungsfeld, unten an der Saar, da wo heute der
Schlachthof von Schröder – und alles, was sich da alles angesiedelt hat – das war ja ein
großes Feld. Da haben die CD – nicht CDU – wie hat die – die noch geheißen – die…?
Zentrum! Jo, jetzt sind wir da! Ah, und da hat es noch die deutsche – was deutsch gesinnt war
– die haben da auch noch mitgewirkt. Die haben dann gesagt: „Selbstständig? Wie wollen die
mit den Betrieben und, und mit der Wirtschaft? Das klappt doch gar nicht. Das kleine Land.“
Und die waren da unten an dem Befreiungsfeld – vor der Abstimmung. Und da waren
Himmel und Leute, also noch und noch.
Und da oben auf dem Kieselhumes, da war fast niemand. Das war ein Zeichen, dass die Leute
das nicht wollen – das Selbstständige oder zu Frankreich. Dass sie das nicht wollen.
11. Propaganda in Auersmacher (0:15 min)
Ei ja, das waren auch verschiedene Versammlungen und so. Wo das genau dasselbe war, nur
im kleineren Stil, wie da das im großen Stil war. Genau dasselbe!
12. Rolle Hitlers im Abstimmungskampf (0:15 min)
Naaa – der Hitler der hat schon – aber er selbst konnte ja hier nicht persönlich irgendetwas
Propaganda machen, ne. Das Ausland hätte den ja direkt schon weg gemacht!
89
13. Vorteile nach der Rückgliederung (1:11 min)
Na sagen wir mal – von Kriegsschäden und so – ist ihnen schon geholfen worden. Also haben
sie schon, doch schon was gekriegt. Und was dann – da hat es ja auch Leute gegeben, wo gar
nichts gehabt haben. Die haben Kleider und alles gekriegt – also kostenlos – natürlich nicht äh
Berge – das haben die schon gekriegt von – vom Deutschen.
Und dann vor allen Dingen – äh wenn – ist den Betrieben ist dann mehr geholfen worden
noch, da sind schon mehr die Arbeitslose weggekommen. Und – wie der Tag war bis zur
Rückgliederung, wie der herum war, da sind massenweise, sind die Betriebe hochgegangen –
vom deutschen Staat natürlich unterstützt. Von der anderen Seite haben wir ja brauchen nichts
zu erhoffen, denn der Franzose – an für sich hat der nachher weniger noch gehabt wie wir,
trotzdem die bei den Gewinnern waren – und waren noch armseliger dran wie wir!
90
Anhang 36: Feedbackbogen – Formular
Feedback zur Unterrichtsreihe
DAS „SAARGEBIET“ UNTER DER VERWALTUNG DES VÖLKERBUNDES
Wir haben uns in den letzten 6 Stunden mit der saarländischen Geschichte in der
Zeit von 1918 bis 1935 beschäftigt. Im Vordergrund standen die französische Besatzungszeit
an der Saar, die politische und kulturelle Entwicklung unter dem Völkerbund, die
Volksabstimmung im Jahr 1935 sowie der vorangegangene Abstimmungskampf.
Nun hast du die Möglichkeit diese Unterrichtsreihe zu bewerten. Du brauchst keinen Namen
anzugeben und darfst ehrlich schreiben, was du denkst!
Beziehe dich bei der Beantwortung der Fragen bitte nur auf die letzten 6 Stunden!
1. Was hat dir an der Reihe am besten gefallen? Gab es Themen, Materialien
oder Methoden, die du besonders gut fandest?
2. Was hat dir in den letzten 6 Stunden weniger gut gefallen? Gab es Themen
oder Methoden, die uninteressant, langweilig oder auch zu scher waren?
3. Hast du Tipps oder Ideen, wie man die Reihe eventuell noch besser,
interessanter oder lehrreicher gestalten könnte?
4. Welche Note würdest du der Reihe abschließend geben? Begründe bitte kurz!
91
Anhang 37: Feedbackbogen 1
92
Anhang 38: Feedbackbogen 2
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Anhang 39: Feedbackbogen 3
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