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Hämatom 14 Wörter, 98 Zeichen
Hämatom (Blutgeschwulst), s. Blutung.
Blutung (Haemorrhagia), das Austreten von Blut aus den natürlichen Röhren und Gefäßen, welches, wenn es nur tropfenweise
geschieht, Stillicidium sanguinis, wenn es aber in kurzer Zeit in bedeutender Menge stattfindet, Blutfluß oder Blutsturz wird. Jeder
größere Blutaustritt setzt eine Verletzung der Blutgefäßwand voraus, so daß das Blut aus dem geöffneten Gefäß ausströmen kann
(Extravasation des Bluts). Indessen hat man neuerdings durch Versuche und direkte mikroskopische Beobachtung festgestellt, daß
namentlich kleinere Blutungen auch ohne Gefäßzerreißung entstehen können, nämlich auf die Art, daß die Blutkörperchen durch die
unverletzte Gefäßwand gleichsam durchsickern (Blutung per diapedesin).
Man unterscheidet arterielle, venöse und kapilläre Blutungen, je nachdem das Blut aus einer Arterie, einer Vene oder aus den
feinsten Haargefäßen austritt. Die Blutung ist im allgemeinen um so reichlicher, je größer das blutende Gefäß, je stärker der in ihm
herrschende Blutdruck, je größer die Ausflußöffnung und je geringer die Widerstände sind, welche dem Abfließen des Bluts
entgegenstehen; doch gibt es mannigfache Abweichungen. Reißt z. B. die Herzwand selbst oder eine krankhaft erweiterte Aorta, so
tritt im ersten Fall nur so viel Blut aus, als der Herzbeutel fassen kann, während im andern Fall die Menge je nach der Lage des
Durchbruchs viel reichlicher, d. h. augenblicklich tödlich, zu sein pflegt; die Verletzung einer großen Vene ist zuweilen mit weniger
Blutverlust verbunden als eine auf Durchsickern beruhende sogen. parenchymatöse Blutung des Darms, wie sie bei gewissen
Störungen im Pfortaderkreislauf oder bei Phosphorvergiftung nicht so gar selten beobachtet wird.
Praktisch wichtig ist ferner die Unterscheidung in innere (verborgene) und äußere Blutung. Bei der äußern Blutung kommt das
extravasierte Blut zum Vorschein, indem es sich auf der Haut, durch Nase, Mund, Mastdarm, Mutterscheide etc. entleert. Bei der
innern Blutung dagegen kommt das Blut nicht zum Vorschein, sondern bleibt in den natürlichen Höhlen und Kanälen des Körpers
zurück, oder es liegt in den Geweben der verschiedenen innern Organe. Das frei hervortretende Blut ist häufig gemischt mit dem
Sekret gewisser Drüsen (z. B. mit Harn) oder mit dem auf den betreffenden Schleimhäuten abgesonderten Schleim, Eiter etc. Das in
die Gewebe extravasierte Blut zeigt sich in verschiedenen Formen: entweder kommen zahlreiche ganz kleine, etwa nur
stecknadelkopfgroße Blutaustritte (sogen. Ekchymosen oder Petechien) vor, welche gelegentlich in allen möglichen Geweben und
Organen angetroffen werden;
oder es findet eine mehr flächenartige Blutunterlaufung (sogen. Suffusion, Sugillation) statt;
oder das in etwas größerer Menge ergossene Blut bildet durch Infiltration in einem weichen Gewebe sogen. Blutknoten oder
hämorrhagische Infarkte;
oder das Blut drängt die Gewebe auseinander und stellt sich als Blutgeschwulst (Hämatom) dar;
oder endlich das reichlicher ergossene Blut zertrümmert die weichen Parenchyme gewisser Organe und stellt einen sogen.
apoplektischen Herd oder eine Blutlache dar.
Das Blut, welches nach innern Blutungen in den Organen liegen bleibt, wird sehr häufig nach kürzerer oder längerer Zeit,
nachdem die Blutkörperchen zu einem feinkörnigen Fettbrei zerfallen sind, resorbiert. Indessen bleibt nicht selten etwas körniger
brauner oder kristallinischer Blutfarbstoff (Hämatoidin oder Bilirubin) an der Stelle der frühern Blutung zurück. War die Blutung größer,
so trocknet das ergossene Blut ein, gerinnt, wird blaß, nimmt eine graugelbe Farbe an und zerfällt schließlich ebenfalls zu einem
Detritus, der entweder gleichfalls resorbiert, oder mit Kalksalzen durchsetzt wird und als steinige Masse liegen bleibt.
Unter gewissen Umständen tritt Verjauchung, d. h. Fäulnis des ergossenen Bluts, und infolge davon später gewöhnlich der Tod
ein. An der Stelle eines in ein Parenchym eingetretenen Blutergusses bleibt nach der Aufsaugung des letztern häufig eine Narbe oder
ein cystenähnlicher, mit klarer, wässeriger Flüssigkeit erfüllter Hohlraum (sogen. apoplektische Cysten) zurück. Die meisten Formen
der Blutung werden schon durch ihren Namen unterschieden: Blutbrechen, Bluthusten, Nasenbluten, Hämorrhoidalblutung,
Blutharnen, Mutterblutfluß etc.
Was die Ursachen der Blutung anbetrifft, so sind es am häufigsten äußere, auf die Blutgefäße einwirkende Schädlichkeiten,
welche dazu Veranlassung geben: vor allen Dingen Wunden und Verletzungen jeder Art, sodann Wegnahme des äußern Luftdrucks
von den Gefäßen, z. B. beim Aufsetzen der trocknen Schröpfköpfe oder beim Besteigen sehr hoher Berge, weiterhin starke und
plötzliche Muskelbewegungen beim Husten, Niesen, Stuhlgang etc., endlich die Eröffnung der Gefäße durch benachbarte
Geschwüre, welche die Gefäßwand anfressen, etc. In andern Fällen liegt die Ursache der Blutung darin, daß die Blutgefäßwände
krankhafte Texturveränderungen erlitten haben und daher dem Druck des in ihnen strömenden Bluts nicht den
forlaufend nötigen Widerstand entgegensetzen können, also einreißen müssen. Namentlich die spontane Zerreißung des Herzens
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und der großen Arterien beruht gewöhnlich aus fettiger Erweichung der genannten Organe. Aus demselben Grunde treten zur
Gehirnerweichung gern Blutungen hinzu. Eine andre Ursache der Blutung beruht in der krankhaften Steigerung des Blutdrucks bei
sonst gesunden Blutgefäßen, z. B. bei Herzkranken. Jede Blutüberfüllung einer Gefäßprovinz, mag dieselbe auf vermehrtem Zufluß
oder auf verhindertem Abfluß des Bluts beruhen, kann zur Blutung führen.
Für manche Blutungen suchen wir die Ursache in einer krankhaften Beschaffenheit bald der Blutmischung, bald der
Gefäßwände, ohne dieselbe genauer bezeichnen zu können. Wir sagen in solchen Fällen, es bestehe eine Neigung zur Blutung, eine
hämorrhagische Diathese. Eine solche Krankheitsanlage besteht bei der Bluterkrankheit (s. d.), beim Skorbut, bei Typhus, Pocken,
Scharlach, Masern, Leukämie etc. Die Anzeichen, welche eine Blutung erkennen lassen, sind bei äußerer Blutung zunächst das Blut
selbst, welches bei arteriellem Ursprung oder bei Lungenblutung hellrot, bei Venenblutung dunkelrot und bei längerm Verweilen im
Magen schokoladenbraun bis schwarz aussieht.
Bei geringfügigem Erguß hat eine äußere Blutung keine weitere Bedeutung, während bei innerer Blutung weit weniger auf die
Menge als auf den Sitz und die Lebenswichtigkeit des betroffenen Organs ankommt. Eine linsengroße in der Netzhaut des Auges
kann Blindheit, eine kirschgroße Blutung im Streifenhügel des Gehirns Lähmung einer Körperhälfte, eine solche an der linken
Stirnwindung Verlust der Sprache bedingen, während eine faustgroße in den Eierstock oft ganz symptomlos verläuft.
Bei sehr reichlichen innern wie äußern Hämorrhagien treten allgemeine Zeichen ein, welche als Verblutungssymptome zu
betrachten sind: Blässe der Haut, namentlich des Gesichts, große Schwäche, leichtes Zittern der Glieder;
der Puls wird klein und weich, aber sehr frequent, der Kranke atmet schneller, er klagt über heftigen Durst und Übelkeit, es wird
ihm schwarz vor den Augen, die Ohren klingen ihm, endlich wird er ohnmächtig und stürzt bewußtlos zusammen.
Wenn jetzt die Blutung noch gestillt wird, so kann der Kranke wieder zur Besinnung kommen und am Leben erhalten bleiben.
Hört die aber nicht auf, so schließt sich unmittelbar der Tod an. Der Blutende gewährt das Bild eines Sterbenden, sein Antlitz ist
verfallen, äußerst bleich, es stellen sich krampfartige Zuckungen der Glieder ein, der Kranke thut einen Schrei, und im nächsten
Moment ist er tot. Die Gesamtmenge des Bluts beträgt etwa 1/13 des Körpergewichts; hiernach richtet sich das Maß dessen, was für
jedes Individuum gefährlich ist, denn 1 kg wird von einem robusten Mann von 100 kg ohne allen Schaden ertragen, während es für
eine Person von 50-60 kg schon höchst bedrohliche Erscheinungen der Verblutung hervorrufen würde; ein Verlust von der Hälfte des
Gesamtbluts im Körper ist unter allen Umständen tödlich.
Kleine Kinder und Greise vertragen Blutverluste schlecht. Bei Neugebornen ist ein Blutverlust von 60-70 g mit Lebensgefahr
verbunden, ebenso bei einem einjährigen Kind ein Blutverlust von 250 g. Frauen ertragen große Blutverluste besser als Männer.
Wenn die Blutungen nach und nach, also in größern Pausen, erfolgen, so vermindert sich die Gefahr derselben, weil inzwischen
immer ein Wiederersatz des Bluts im Körper stattfindet. Es ist übrigens nicht zu leugnen, daß die Blutungen zuweilen einen günstigen
Einfluß auf den zeitweiligen Körperzustand ausüben, daß z. B. eine eintretende Hämorrhoidalblutung die vorausgegangenen
unangenehmen Gefühle von Spannung und Druck im Unterleib, von Ziehen im Rücken etc. heben, daß ein Nasenbluten zuweilen
einen heftigen Kopfschmerz rasch verschwinden machen kann.
Insofern solche Blutungen diese Wirkung äußern, kann man sie wohl mit allem Recht, wie von Hippokrates' Zeiten an schon
geschehen, als kritische bezeichnen. Es muß aber doch nachdrücklich davor gewarnt werden, in der ein Bestreben der Natur mit der
Tendenz zu heilen sehen zu wollen. Denn dergleichen Blutungen werden häufig habituell, wiederholen sich periodisch, und oft leidet
dann die Ernährung des Körpers unter dem Einfluß ihrer häufigen Wiederkehr.
Das Aufhören oder Stehen der Blutung findet bei parenchymatösen oder venösen Ergüssen in der Regel ohne Kunsthilfe durch
Gerinnung und dadurch bedingten Verschluß der Gefäße statt. Schwieriger ist dies schon bei kleinern Arterien, sofern nicht durch
Ansammlung des ausgetretenen Bluts im umliegenden Gewebe ein mechanischer Widerstand gegen den innern Blutdruck
geschaffen wird. Bis zur Unmöglichkeit erschwert wird das freiwillige Stehen des Bluts bei Verletzung größerer Arterien oder solcher
Gefäße, deren Wandungen durch Kalkeinlagerung starr geworden oder in starrem, knorpelhartem Gewebe eingebettet sind.
Ohne Blutgerinnung ist eine Blutstillung absolut unmöglich. Durch gewisse Einrichtungen des Körpers wird die Blutstillung
unterstützt, z. B. dadurch, daß der Blutdruck innerhalb der Gefäße mit der wachsenden Größe des Blutverlustes abnimmt, sowie
dadurch, daß das Blut um so schneller gerinnt, je mehr Blut der Mensch bereits verloren hat. Andre Umstände erschweren die
Blutstillung und müssen daher vermieden werden. Der blutende Teil darf nicht herabhängen, sondern muß horizontal liegen;
der Blutende darf nicht gehen und stehen, sondern muß ruhig liegen;
er darf nicht tief atmen;
der blutende Teil darf nicht warm, sondern muß kühl gehalten werden etc.
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Die Behandlung, das Stillen der Blutung, bezieht sich nach dem Gesagten also in der Regel auf ausgiebige Blutungen. Das erste
und naturgemäß Mittel ist der Verschluß der zerrissenen Gefäße, sei es, daß man sie zudrückt oder mit einem Tuch verbindet,
Feuerschwamm auflegt, das Glied oberhalb der verletzten Stelle umschnürt oder in blutende Höhlen, z. B. Nase oder Scheide, bis
zum festen Verschluß Pfröpfe von Scharpie und Watte einstopft. Diese einfache Vorschrift wird von Laien, die bei heftiger Blutung
den Kopf verlieren, in kaum glaublicher Weise außer acht gelassen.
Alle Mittel, welche durch Zusammenzieht kleiner Gefäße blutstillend wirken, wie Kälte in Form von Umschlägen, Eisblasen,
Eispillen oder heißes Wasser bei Blutung nach Entbindung oder wie die adstringierenden Mittel, Tannin, Bleizucker, Liquor ferri
sesquichlorati, oder Mutterkorn und das wirksame Ergotin, sind zur Mithilfe oder für Fälle, in denen die Blutung nicht direkt zugänglich
ist, gewiß höchst schätzenswert, aber sie sind eben nur ein Ersatz für den mechanischen Verschluß.
Wenn eine Pulsader spritzt, so soll man zunächst den Daumen auf die Stelle fest aufdrücken und, bis der Arzt kommt, vor allem
sorgen, daß das Blut nicht heraus kann. Ist jemand zur Hilfe da, so umgreift er das Bein oder den Arm dicht oberhalb der blutenden
Stelle und übt hier und womöglich noch außerdem in der Schenkelbeuge, bez. in der Achselhöhle einen dauernden, möglichst
kräftigen Druck aus. Mit Kälte und Hoffmanns Tropfen ist dabei nichts gethan! Der Arzt
forlaufend unterbindet später das Gefäß, wenn irgend möglich. Im äußersten Notfall, namentlich bei sogen. parenchymatösen
Blutungen und bei den unstillbaren Blutungen der sogen. Bluter, macht man von dem Glüheisen Gebrauch. In diesem Fall ist es der
Brandschorf, welcher die Quelle der Blutung verschließt. Wenn Verdacht einer innern Blutung vorliegt, so hat man zunächst für
größte Ruhe und kühles Verhalten des Patienten zu sorgen. Alles Weitere überlasse man dem Arzte. Treten Erscheinungen von
Verblutung auf, oder verfällt der Kranke in Ohnmacht, so lagere man ihn sofort horizontal, gebe ihm einige Tropfen Äther oder
Hoffmanns Tropfen auf einem Stückchen Zucker oder einige Löffel voll Wein, spritze ihn mit kaltem Wasser an, lasse ihn an
Salmiakgeist, Kölnischem Wasser u. dgl. riechen.
Bei hochgradiger Blutleere, wo der Tod einzutreten droht, ist die sogen. Transfusion (s. d.) schleunigst vorzunehmen. Die nach
größerer Blutung zurückbleibende Blutarmut erfordert eine kräftige, gut nährende Diät: Fleisch, Eier, Milch, Fleischbrühe etc.
Daneben kann man noch die stärkenden Arzneimittel, namentlich die China- und Eisenpräparate, reichen. Individuen, welche an
Blutung litten und überhaupt zu Blutung hinneigen, müssen eine gut geregelte Lebensweise beobachten. Sie sollen zwar eine
kräftige, aber reizlose und leichtverdauliche Nahrung genießen, dagegen der aufregenden Getränke, des Thees, des Kaffees, Weins
etc., sich enthalten, sich angemessene, aber nicht übertriebene körperliche Bewegung machen, geistige Anstrengungen und
Gemütserregungen jeder Art möglichst vermeiden sowie für regelmäßigen, leichten Stuhlgang sorgen.
Ende Blutung
Quelle: Meyers Konversations-Lexikon, 1888; Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte
Auflage, 1885-1892;3. Band, Seite 89 im Internet seit 2005; Text geprüft am 24.7.2007; publiziert von Peter Hug; Abruf am 2.11.2017
mit URL:
Weiter: https://peter-hug.ch/03_0090?Typ=PDF
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