KIRCHEN Evangelischer Pressedienst SOZIALES GESELLSCHAFT UMWELT KULTUR ENTWICKLUNG AUSLAND Wochenspiegel AUSGABE OST Berlin | 29. August 2011 | NR. 35 Kirchen Berlin hat einen neuen katholischen Erzbischof Mit einem Pontifikalamt in der Hedwigskathedrale ist der neue Berliner Erzbischof Rainer Maria Woelki am Samstag in sein Amt eingeführt worden. Seite_2 Neuer Görlitzer Bischof Ipolt in sein Amt eingeführt Wolfgang Ipolt ist seit Sonntag offiziell neuer katholischer Bischof in Görlitz. Bei einem Gottesdienst mit mehreren Bischöfen, darunter aus Polen und Tschechien, wurde er in sein Amt eingeführt. Seite_3 Papstbesuch: Erfurter Bischof Wanke erwartet großen Ökumene-Schub Der Erfurter katholische Bischof Joachim Wanke verspricht sich vom Besuch des Papstes im September in Thüringen einen deutlichen Aufschwung für die Beziehungen zur evangelischen Kirche. Seite_4 Soziales Sächsische Aktion »Perspektivwechsel« bietet neue Einblicke Ungewöhnliche Einblicke für einen Tag: Knapp 90 Politiker sowie Mitarbeiter aus Verwaltung, Wirtschaft und Krankenkassen nehmen seit Montag an der dritten sächsischen Aktion "Perspektivwechsel" teil. Seite_21 Suchtexperten fordern Schockfotos auf Zigarettenpackungen Suchtexperten sprechen sich für Schockfotos auf Zigarettenpackungen als Mittel der Abschreckung aus. Seite_22 Auch Armenbestattungen dürfen teuer sein Armenbestattungen müssen nicht immer billig sein. Das Sozialamt muss unter Umständen auch dann die vollen Kosten übernehmen, wenn es die Beerdigungskosten für unangemessen hoch hält. Seite_24 Gesellschaft Migrantenvertreter kritisieren Berliner Integrationspolitik Die Berliner Integrationspolitik sorgt weiter für Unmut. Seite_28 Stasi-Überprüfung: Woidke sieht »keine Überraschungen« Die jüngsten Stasi-Überprüfungen bei Führungskräften der Brandenburger Polizei haben nach Angaben von Innenminister Dietmar Woidke (SPD) keine neuen Erkenntnisse ergeben. Seite_34 Kultur Kunstsammlungen zeigen Raffaels »Madonna di Foligno« Zum Deutschlandbesuch des Papstes zeigen die Dresdner Kunstsammlungen Raffaels (1483-1520) berühmte "Madonna di Foligno" zum ersten Mal außerhalb der Vatikanischen Pinakothek. Seite_43 Dresdner Kreuzchor mit erster Vesper der neuen Saison Nach der Sommerpause ist der Dresdner Kreuzchor wieder regelmäßig an Samstagen zu hören. Seite_46 Impressum Seite_57 KIRCHEN SOZIALES GESELLSCHAFT UMWELT KULTUR ENTWICKLUNG Berlin hat einen neuen katholischen Erzbischof AUSLAND KIRCHEN Pontifikalamt zur Einführung von Rainer Maria Woelki - Kirche kritisiert Wowereit Berlin (epd). Mit einem Pontifikalamt in der Hedwigskathedrale ist der neue Berliner Erzbischof Rainer Maria Woelki am Samstag in sein Amt eingeführt worden. Der 55-jährige Weihbischof aus Köln war Anfang Juli von Papst Benedikt XVI. zum Nachfolger des verstorbenen Kardinal Georg Sterzinsky ernannt worden. Woelki ist der neunte Erzbischof der erst 1930 gegründeten Diözese. Ihr gehören 390.000 Katholiken aus Berlin, Brandenburg und Vorpommern an. Bei dem Pontifikalamt wurde Woelki vom Apostolischen Nuntius in Deutschland, Erzbischof Jean-Claude Périsset, das päpstliche Ernennungsschreiben überreicht. Anschließend wurde er zum Bischofsstuhl geleitet, wo er auch den Hirtenstab entgegennahm. In seiner Predigt rief Woelki die Christen Berlins auf, sich nicht von geringen Mitgliederzahlen der Kirchen entmutigen zu lassen. Dem Gottesdienst in der vollbesetzten Kathedrale wohnten politische Würdenträger wie Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse (SPD) und 33 Bischöfe aus dem In- und Ausland bei, darunter auch mehrere aus Polen. Das Berliner Erzbistum grenzt in weiten Teilen seines Gebietes an Polen und ging in der Weimarer Republik aus dem Erzbistum Breslau (heute: Wroclaw) hervor. Im Namen der drei Bundesländer, auf die sich das Erzbistum erstreckt, hieß die Berliner Bausenatorin Ingeborg Junge-Reyer Woelki willkommen. »Als lebendiges Gemeinwesen brauchen wir Ihre Wortmeldungen« und die Bereitschaft zu einem »kritischen Dialog«, auch wenn dabei nicht immer Übereinstimmung erzielt werden könne, erklärte die SPD-Politikerin, die den Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) vertrat. Wowereit, der auch in seiner Eigenschaft als Kultursenator für den Kontakt zu den Religionsgemeinschaften zuständig ist, eröffnete parallel zu Woelkis Amtseinführung die 37. Berliner Seniorenwoche. Am Vortag hatte er »großes Verständnis« für die angekündigten Proteste gegen den Papstbesuch Ende September geäußert. Die katholische Kirche vertrete mit ihrer Sexuallehre Thesen, »die weit in die zurückliegenden Jahrtausende gehören, aber nicht in die Neuzeit«. 2001 hatte sich Wowereit, der selbst Mitglied der katholischen Kirche ist, als einer der ersten deutschen Politiker offen zu seiner Homosexualität bekannt. Beim Berliner Diözesanrat, dem höchsten Laiengremium des Erzbistums, stießen die Äußerungen Wowereits am Rande des Pontifikalamts auf entschiedene Kritik: Der neue Berliner Erzbischof Rainer Maria Woelki epd-bild / KNA-Pool / Markus Nowak »Als Regierender Bürgermeister auf diese Weise die Position der Gegendemonstranten einzunehmen, dafür fehlt mir das Verständnis«, erklärte der Vorsitzende Wolfgang Klose der »Berliner Morgenpost« (Sonntagsausgabe). In seiner Begrüßungsansprache zu Beginn des Gottesdienstes hatte Weihbischof Matthias Heinrich erklärt, Woelki werde »in Berlin auf eine kämpferische Gottvergessenheit genauso treffen wie auf einen tiefen Glauben«. Heinrich hatte seit dem Rücktritt von Kardinal Sterzinsky im Februar das Erzbistum kommissarisch geleitet. Der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, der Freiburger Erzbischof Robert Zollitsch, zeigte sich in seinem Grußwort im Rahmen des Pontifikalamtes sicher, dass Woelki »mutig für die Belange des Glaubens und der Gläubigen eintreten« werde. Wer zum Erzbischof des Hauptstadtbistums berufen werde, könne gar nicht anders als mitten in der Welt zu stehen. Woelkis evangelischer Amtskollege in Berlin, Bischof Markus Dröge, betonte die Verbundenheit der beiden großen Kirchen. Die evangelische und die katholische Kirche hätten zwar in vielen ethischen Fragen unterschiedliche Positionen, sagte Dröge dem Münchner Kirchenradio. Jedoch komme es in Berlin darauf an, »diese Spannungen nicht zu überdecken, weil es hier ein Interesse an Diskussion gibt«, sagte Dröge. Da Christen aus aller Welt und aller Konfessionen in Berlin lebten sei es wichtig, gut zusammen zu arbeiten und auch gemeinsam die Stimme als Christen zu erheben. Der evangelische Bischof betonte: »Wir haben in Berlin eine sehr gute Ökumene.« Bereits am Montag hatte Woelki auch in Mecklenburg-Vorpommern seinen Treueeid abgelegt. Mit dem Eid vor Ministerpräsident Erwin Sellering (SPD) ver- epd-Wochenspiegel | AUSGABE OST Nr. 35_2011 Seite _2 KIRCHEN SOZIALES GESELLSCHAFT sprach der frühere Kölner Weihbischof, die verfassungsmäßig gebildete Regierung zu achten und ihr nicht zu schaden, teilte die Staatskanzlei in Schwerin mit. Mitte August leistete Woelki den Eid bereits vor Berlins Regierendem Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD). Es ist den Angaben zufolge das erste Mal, dass ein katholischer Bischof den Treueeid auch in MecklenburgVorpommern leistet. Woelkis Vorgänger Georg Sterzinsky war noch vor der Wiedervereinigung und der Neubildung der ostdeutschen Länder in sein Amt eingeführt worden. UMWELT KULTUR ENTWICKLUNG Der Treueeid fußt auf dem sogenannten Reichskonkordat vom 20. Juli 1933. Das Bistum, das Woelki leiten wird, umfasst neben Berlin weite Teile Brandenburgs und Vorpommerns. Rund 390.000 Katholiken leben im Erzbistum Berlin, davon mehr als 13.000 in Vorpommern. In Potsdam wird Woelki nach Angaben des Kulturministeriums keinen Eid leisten. Die Regelung sei im Staatsvertrag ausgeschlossen worden, heißt es. AUSLAND KIRCHEN Neuer Görlitzer Bischof Ipolt in sein Amt eingeführt Görlitz (epd). Wolfgang Ipolt ist seit Sonntag offiziell neuer katholischer Bischof in Görlitz. Bei einem Gottesdienst mit mehreren Bischöfen, darunter aus Polen und Tschechien, wurde er in sein Amt eingeführt. Zu den Gästen zählte auch Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU). Mit 29.000 Katholiken ist das Bistum Görlitz die kleinste deutsche Diözese. Ipolt wurde Mitte Juni von Papst Benedikt XVI. zum neuen Bischof ernannt. Der 57-jährige Thüringer leitete zuletzt das Erfurter Priesterseminar. Die Weihe in der voll besetzten Görlitzer Jakobuskathedrale nahm der neuer Berliner Erzbischof Rainer Maria Woelki vor. Beteiligt waren auch die Bischöfe Joachim Wanke aus Erfurt und Konrad Zdarsa aus Augsburg, Ipolts Amtsvorgänger in Görlitz. Mit Blick auf die extreme Minderheitensituation von Katholiken im Bistum sagte Wanke in seiner Predigt: »Es kann schon wehtun, wenn man merkt, wie äußere Stützen und Selbstverständlichkeiten religiös-kirchlicher Tradition wegbrechen«. Das Ansehen der Kirche hänge aber nicht von ihrem »gesellschaftlichen Kurswert« ab, sondern vom selbstbewussten Bekenntnis zum Glauben und dem Einsatz für die Schwachen, so Wanke. Zu Beginn des Gottesdienstes war unter anderem das päpstliche Ernennungsschreiben verlesen worden. Bei der Weihe legten dem neuen Oberhirten alle anwesenden Bischöfe ihre Hände auf. Außerdem wurde er gesalbt und erhielt mit Bischofsmütze, Stab und Ring die Insignien. Woelki, der die Weihe leitete, wurde selbst erst am Vortag als neuer katholischer Hauptstadtbischof in sein Amt eingeführt. Ministerpräsident Tillich sicherte dem neuen Görlitzer Bischof in einem Grußwort gute Zusammenarbeit zu. Politik und Kirche stünden auf einem gemeinsamen »ethisch-christlichen Wertefundament« und begriffen Ehe und Familie als »zentrale Bausteine« der Gesellschaft, betonte er. Der evangelische Generalsuperintendent von Görlitz, Martin Herche, drückte seine Hoffnung auf eine weitere gute Zusammenarbeit zwischen den beiden großen Kirchen in der ostsächsischen Region aus. Der Gefahr neuer Entfremdung Der neue katholische zwischen den Konfessionen Bischof in Görlitz, müsse im Hinblick auf das ReWolfgang Ipolt formationsjubiläum 2017 beepd-bild / Jens Trenkler gegnet werden. Ipolt kam 1954 in Gotha als ältestes von vier Kindern zur Welt. Er studierte Theologie in Erfurt und erhielt 1979 die Priesterweihe. Nach verschiedenen Stationen als Kaplan war er von 1992 bis 2004 Pfarrer am Dom von Nordhausen. Daneben arbeitete er als Dozent am Erfurter Priesterseminar, dessen Leitung er 2004 übernahm. Vor Ipolts Ernennung war der Bischofsstuhl in Görlitz monatelang vakant. Vorgänger Konrad Zdarsa hatte 2010 das Amt des zurückgetretenen Augsburgers Bischofs Walter Mixa übernommen. Das Bistum Görlitz besteht erst seit 1994. Das Gebiet im nordöstlichen Sachsen und in der brandenburgischen Niederlausitz gehörte einst zum Erzbistum Breslau, wurde nach dem Zweiten Weltkrieg aber abgetrennt. Die Diözese zählt mit dem Erzbistum Berlin und dem Bistum Dresden-Meißen zur katholischen Kirchenprovinz Berlin. Aufgrund seiner Geschichte und Lage verweist das Bistum Görlitz immer wieder auf seine Brückenfunktion zu den Katholiken in Polen. www.bistum-goerlitz.de epd-Wochenspiegel | AUSGABE OST Nr. 35_2011 Seite _3 KIRCHEN SOZIALES GESELLSCHAFT UMWELT KULTUR ENTWICKLUNG Papstbesuch: Erfurter Bischof Wanke erwartet großen Ökumene-Schub Erfurt (epd). Der Erfurter katholische Bischof Joachim Wanke verspricht sich vom Besuch des Papstes im September in Thüringen einen deutlichen Aufschwung für die Beziehungen zur evangelischen Kirche. Er sei überzeugt, dass Benedikt XVI. dem weiteren Voranschreiten zur Einheit der Kirche hin einen kräftigen Impuls geben wird, sagte Wanke am Freitag in der Landeshauptstadt. Allein mit der Wahl des Augustinerklosters in Erfurt für die Begegnung mit Vertretern der Evangelischen Kirche in Deutschland habe der Papst ein Zeichen gesetzt. Noch wichtiger sei aber, dass der Papst nicht nur mit den evangelischen Glaubensgeschwistern rede, sondern mit ihnen auch gemeinsam beten wolle. Das Evangelium Jesu sei nicht geteilt, betonte das geistliche Oberhaupt des Bistums Erfurt. Es könne nur gemeinsam gelebt und so glaubwürdig bezeugt werden. Das Augustinerkloster ist als eine Wirkungsstätte von Martin Luther (14831546) eng mit der Kirchenreformation verbunden. Die Katholiken »in der Diaspora des Ostens« wüssten, wie wichtig das ökumenische Miteinander der Kirchen sei, erklärte Wanke. Die gemeinsamen Bedrängnisse im alten politischen System hätten die geistliche Zusammengehörigkeit gestärkt. Zudem verwies Wanke darauf, dass im Konzentrationslager Buchenwald bei Weimar der evangelische Pfarrer Paul Schneider wie auch der katholische Priester Otto Neururer »für Christus in den Tod gegangen« seien. Bei dem Besuch des Papstes in Thüringen am 23. und 24. September sind auch eine Marienvesper in Etzelsbach und eine Heilige Messe auf dem Domplatz in Erfurt geplant. Zu den weiteren Stationen seiner Reise nach Deutschland vom 22. bis 25. September gehören Berlin und Freiburg. Als seine wichtigste Erwartung an den Papstbesuch nannte Bischof Wanke die »Christusverbundenheit« in den Gläubigen zu stärken, zu vertiefen und im eigenen Leben fruchtbar werden zu lassen. Mit dem Besuch eines der ostdeutschen Bundesländer würdige der Papst auch den Einsatz der Menschen hierzulande für einen politischen und gesellschaftlichen Neuanfang. So werde der Blick der Weltöffentlichkeit auf eine friedliche Revolution gelenkt, die den Deutschen im Osten Freiheit und dem ganzen Volk die Wiedervereinigung ermöglicht habe. www.papst-in-deutschland.de Papstbesuch in Thüringen ist seit Mittwoch auch eine Übersichtskarte der Pilger- Neue Onlineangebote wege, die aus allen Himmelsrichtungen sternförmig zur Wallfahrtskapelle Etzelsbach führen. Neben der Karte über die Pilgerwege finden Gottesdienstbesucher auf www.papst-in-erfurt.de auch eine Übersicht über die verschiedenen Anreisemöglichkeiten nach Etzelsbach. Stationen der Reise des Papstes nach Deutschland vom 22. bis 25. September sind auch Berlin und Freiburg. Auf dem Programm stehen neben Messen im Berliner Olympiastadion und auf dem Freiburger Flughafengelände eine Rede vor dem Deutschen Bundestag sowie eine Begegnung mit Vertretern der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) im Erfurter Augustinerkloster. Erfurt (epd). Pilger finden jetzt im Internet weitere Informationen zum Besuch von Papst Benedikt XVI. in Thüringen. Seit Mittwoch sind unter www.papst-in-erfurt.de die Pläne für die beiden Pilgerfelder zur Marianischen Vesper an der Wallfahrtskapelle Etzelsbach sowie der Eucharistiefeier auf dem Erfurter Domplatz online, wie das Bistum Erfurt mitteilte. Damit sich alle Pilger während der Gottesdienste am 23. und 24. September schnell und unkompliziert zurechtfinden können, werden die entsprechenden Pläne dann auch am Einlass ausgeteilt. Online AUSLAND KIRCHEN Der katholische Bischof von Erfurt, Joachim Wanke epd-bild / Frank Sommariva epd-Wochenspiegel | AUSGABE OST Nr. 35_2011 Seite _4 KIRCHEN SOZIALES GESELLSCHAFT UMWELT KULTUR ENTWICKLUNG Berliner Papst-Gegner suchen Motto für ihren Protest Berlin (epd). Die Organisatoren der Berliner Demonstration gegen den Deutschlandbesuch von Papst Benedikt XVI. suchen jetzt nach einem Motto für ihren Protest. Seit Freitag könne im Internet unter www.derpapstkommt.de über insgesamt 14 Sprüche abgestimmt werden, teilte der Lesben- und Schwulenverband Berlin-Brandenburg als Teil des gleichnamigen Bündnisses am Freitag in der Bundeshauptstadt mit. Zuvor seien über 100 Mottovorschläge eingegangen. Unter den vorgeschlagenen Sprüchen sind etwa »Keine Kirchensteuer für Diskriminierung!«, »Wo Benedikt ist, da ist Vergangenheit« oder »Keine Macht den Dogmen«. Auch weniger seriöse Sprüche wie »Lieber Kondom statt Petersdom« oder »Ratzi, gib Gummi!« stehen zur Auswahl. Das Bündnis »Der Papst kommt« will am 22. September gegen die aus seiner Sicht menschenfeindliche Geschlechter- und Sexualpolitik des Papstes demonstrieren. Die Proteste sollen parallel zur Rede des Papstes AUSLAND KIRCHEN im Bundestag stattfinden. Die Organisatoren erwarten mindestens 10.000 Teilnehmer. Dem Bündnis gehören mittlerweile 54 Vereine, Verbände, Parteigliederungen und Gewerkschaften an. Zuletzt hatte es Ärger um die geplante Route für die Protestkundgebung gegeben. Voraussichtlich will das Bündnis gegen ein offenbar geplantes Verbot der Kundgebung am Brandenburger Tor klagen. Nach den bisherigen Planungen soll der Protestzug vom Brandenburger Tor über Unter den Linden und Friedrichstraße bis zur katholischen St. Hedwigs-Kathedrale führen. Nach Angaben der Polizei läuft das Genehmigungsverfahren noch. Das Bündnis geht nach Gesprächen mit der Versammlungsbehörde aber nach eigenen Angaben davon aus, dass die Bannmeile zum Schutz des Papstes um den Bundestag auf das Brandenburger Tor ausgeweitet wird und damit die geplante Kundgebung dort unmöglich wird. Zollitsch erhofft sich vom Papstbesuch Impuls für Ökumene Köln/Erfurt (epd). Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Robert Zollitsch, erhofft sich vom Papstbesuch im September einen wichtigen Impuls für die Beziehung zwischen Katholiken und Protestanten in Deutschland. Er könne sich vorstellen, dass aus der Begegnung von Benedikt XVI. mit dem Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) in Erfurt ein Auftrag erwächst für die evangelische und katholische Kirche in Deutschland, »um einige Dinge noch aufzuarbeiten, die uns trennen«, sagte der katholische Freiburger Erzbischof dem Kölner Internetportal »domradio.de« zum Stand der Ökumene. Benedikt XVI. kommt im Rahmen seines viertägigen Deutschlandbesuchs am 23. September im Erfurter Augustinerkloster mit Vertretern der evangelischen Kirche zusammen. Bei der Planung seines Besuches habe der aus Deutschland stammende Papst großen Wert auf die Begegnung mit den Kirchen der Reformation gelegt, sagte Zollitsch in dem am Montag veröffentlichten Interview. Benedikt XVI. gehe es um ein Zeichen, dass katholische und evangelische Kirche »das gleiche Fundament« haben: »Und wir suchen auch von diesem Fundament aus immer mehr auch die Einheit zu verwirklichen, die Jesus Christus uns aufgetragen hat.« Zollitsch kündigte auch ein »Zeichen« des Papstes angesichts der Debatte zum Missbrauch in kirchlichen Einrichtungen an. »Da sind wir dabei, gemeinsam mit ihm zu überlegen«, sagte der Erzbischof. Entscheidend werde dabei »der Blick in die Zukunft und die Ermutigung« sein, »dass wir aus all dem lernen, was nicht gut gelaufen ist«. Bischöfe warnen vor Wahl extremistischer Parteien Schwerin/Greifswald (epd). Rund eine Woche vor der Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern haben die Bischöfe der beiden großen Kirchen im Land die Bürger zur Wahrnehmung ihres Wahlrechts aufgerufen. Zugleich warnten die Bischöfe von evangelischer und katholischer Kirche in einer am Freitag verbreiteten Erklärung vor der Wahl extremistischer Parteien. Die Wähler sollten kritisch und wachsam sein, wenn Vertreter extremistischer Ideologien versuchten, »die menschenverachtenden Wurzeln ihrer Politik durch eine vorgetäuschte Bürgernähe zu überspielen«. Die Bischöfe epd-Wochenspiegel | AUSGABE OST Nr. 35_2011 Seite _5 KIRCHEN SOZIALES GESELLSCHAFT UMWELT betonten: »Der Schein trügt.« In Wirklichkeit wollten die Vertreter extremistischer Ideologien ihr Mandat nur für ihre demokratiefeindlichen Ziele nutzen, ohne die Menschenwürde aller zu achten. Zugleich erinnerten die Bischöfe an den Sturz des SED-Regimes vor 21 Jahren und die damals errungene Freiheit und Demokratie. Zwar mache sich zuweilen Ernüchterung breit, weil die Spielräume politischen Handelns begrenzt seien oder das Vertrauen in das Gelingen der Demokratie erschüttert sei. Diese Haltung sei für die Demokratie aber gefährlich. Demokratie lebe davon, dass sich möglichst viele Menschen in die politische Wil- KULTUR ENTWICKLUNG lensbildung einbringen, unterstrichen die Bischöfe. Wer nicht zur Wahl gehe, bestrafe damit nicht die Politiker, sondern spiele Extremisten in die Hände und schwäche damit die demokratische Zivilgesellschaft. Unterzeichnet ist das am Freitag in Schwerin, Greifswald, Hamburg und Berlin verbreitete gemeinsame Wort der Kirchen vom evangelischen Bischof Andreas von Maltzahn, vom evangelischen Bischof Hans-Jürgen Abromeit, den katholischen Weihbischöfen Norbert Werbs und Matthias Heinrich sowie vom Hamburger Erzbischof Werner Thissen. AUSLAND KIRCHEN Bistum Dresden-Meißen bestürzt nach Kapellknaben-Suizid Polizei: Persönliche Gründe bestimmten Handeln Dresden (epd). Das katholische Bistum Dresden-Meißen hat mit Bestürzung auf die Selbsttötung eines 16-jährigen Kapellknaben reagiert. Der Tod des jugendlichen Sängers sei für ihn ein besonderer Schmerz, erklärte Bischof Joachim Reinelt am Dienstag in Dresden. In einem persönlichen Schreiben bot er den Eltern Unterstützung an. Der Jugendliche hatte am Montag im sogenannten Kapellknabeninstitut mit einer Schusswaffe auf sich gezielt und erlag später seinen schweren Verletzungen. Zu der Zeit hielten sich den Angaben zufolge etwa 40 bis 45 Kapellknaben im Gebäude auf. Laut Polizei hinterließ der Chorsänger, der zum »aktiven Kern« des Ensembles gehört haben soll, einen Abschiedsbrief. Demnach hätten persönliche Gründe sein Handeln bestimmt, hieß es ohne nähere Einzelheiten. Die Waffe habe er sich unerlaubt von einem rechtmäßigen Eigentümer aus dem familiären Umfeld verschafft. Ob eine Pflichtverletzung bei der Aufbewahrung vorliege, müsse noch »im Detail« geprüft werden, sagte ein Polizeisprecher auf Anfrage. Chor-Internatsleiter Michael Hirschmann sagte auf einer kurzfristig einberufenen Pressekonferenz, dass of- fenbar kein Zusammenhang zwischen Tat und Mitgliedschaft bei den Kapellknaben bestehe. Dennoch gebe es viele Fragen und keine Antworten zu dem völlig überraschenden Suizid. Seinen Angaben zufolge entdeckte ein kleiner Junge den Schwerverletzten zuerst in einer abgeschlossenen Toillettenzelle. Dort holten ihn dann Rettungskräften heraus. Nach einer Erstbehandlung sei er von der Ausbildungsstätte im Stadtteil Striesen ins Uniklinikum gebracht worden, wo er dann verstarb. Der Jugendliche besuchte eine Montessorischule in Dresden. Eine Vertreterin der Schule beschrieb ihn als ruhig und zurückhaltend. Wie im Kapellknabeninstitut habe es keine Anzeichen für eine bevorstehende Selbsttötung gegeben. Die Schüler seien überrascht und entsetzt, sagte sie. Die Kapellknaben blicken auf eine über 300-jährige Tradition zurück. Heimstätte des Chors mit knapp 100 Sängern ist die katholische Kathedrale. Die Kapellknaben sind neben dem Kreuzchor der traditionsreichste Knabenchor Dresdens. epd-Wochenspiegel | AUSGABE OST Nr. 35_2011 Seite _6 KIRCHEN SOZIALES GESELLSCHAFT UMWELT KULTUR ENTWICKLUNG Historiker fordert intensivere Auseinandersetzung mit dem »Prediger von Buchenwald« Dickenschied/Weimar (epd). Der Kirchenhistoriker Thomas-Martin Schneider hat sich dafür ausgesprochen, den Nachlass des von den Nazis ermordeten Pfarrers Paul Schneider vollständig durch eine wissenschaftliche Edition zu erschließen. Angesichts der vielfach unterschiedlichen Einschätzung des »Predigers von Buchenwald« sei es wichtig, dass man »dem wirklichen Paul Schneider auf die Spur kommt«, sagte der Wissenschaftler an der Universität Koblenz-Landau am Wochenende bei einer Veranstaltung im rheinland-pfälzischen Dickenschied. »Paul Schneider passt nicht einfach so in eine Schublade, er lässt sich nicht einfach so vereinnahmen, obwohl das immer wieder versucht wurde und wird«, sagte Thomas-Martin Schneider. So werde er von der römischkatholischen Kirche als Märtyrer bezeichnet und geehrt, in der ehemaligen DDR als antifaschistischer Widerstandskämpfer, von manchen missionarischen Kirchengruppen als frommer Christ und von Historikern sowohl als politischer Theologe wie auch als unpolitischer Christ. Ein Religionspädagoge habe ihn sogar als Fanatiker bezeichnet. AUSLAND KIRCHEN Bei aller unterschiedlicher Sichtweise über die Rolle und das Wirken von Paul Schneider bleibt für ThomasMartin Schneider aber unbestritten: »Paul Schneider ist ein Leuchtturm in der Geschichte der Kirche«. Er sei seiner Sache treu geblieben und verdiene darum alle Anerkennung und Erinnerung. Als evangelischer Dorfpfarrer in Dickenschied im Hunsrück war Schneider bereits kurz nach Hitlers Machtübernahme in Konflikt mit dem neuen Regime geraten. Er wurde Mitglied der NS-kritischen Bekennenden Kirche und schließlich inhaftiert. Die letzten beiden Jahre seines Lebens verbrachte er im KZ Buchenwald, wo er schwersten Misshandlungen ausgesetzt war. Schneider hatte sich unter anderem geweigert, den Hitler-Gruß zu zeigen, er hatte mit Bibelworten gegen die nationalsozialistische Gewaltherrschaft gepredigt und den Wachleuten offen ihre Verbrechen vorgehalten. Im Juli 1939 ermordete ihn der Lagerarzt mit einer Medikamentenüberdosis. Sächsische Landeskirche startet Initiative »Erwachsen glauben« Dresden (epd). Die evangelische Landeskirche Sachsens will dem Trend sinkender Mitgliederzahlen entgegenwirken und hat die Initiative »Erwachsen glauben« gestartet. Dabei sind die Gemeinden angehalten, Glaubenskurse für Erwachsene regelmäßiger anzubieten und für bestehende Angebote mehr Werbung zu machen. In der Landeskirche gebe es etwa 1.600 Erwachsenentaufen pro Jahr, sagte Bischof Jochen Bohl zur Eröffnung der Aktion am Mittwoch in Dresden. Diese Entwicklung solle nun gestärkt werden. Die Landeskirche schließt sich damit einer Initiative der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) an. Die Kurse verstehen sich sowohl als Bildungsangebot, wollen aber auch für den Glauben werben. Angebote sind im Internet unter www.kurse-zum-glauben.de zu finden. Bohl verwies auf die jahrzehntelange Tradition von Glaubenskursen in Sachsen. Schätzungsweise 75 bis 80 Prozent der Kirchgemeinden böten sie an. Oberlandeskirchenrat Dietrich Bauer sagte, dass mit verschiedenen Werbematerialien wie Plakaten, Anzeigen und Postkarten unterschiedliche Milieus angesprochen werden sollen. Als Beispiele nannte er Glaubensskeptiker oder junge Menschen. Auf die Aktion bereiteten sich die Kirchenbezirke Dresden, Leipzig, Leipziger Land, Marienberg und das Diakonische Werk bereits modellhaft vor. In Grimma starten am 7. September acht Gesprächsabende in der Rathausgalerie. In der Leipziger Nikolaikirche ist vom 12. bis 17. September eine Themenwoche zum Jahr der Taufe 2011 geplant. Für die Initiative »Erwachsen glauben« hat die EKD ein Handbuch herausgegeben, das auch spezielle Ergänzungen für Sachsen enthält. epd-Wochenspiegel | AUSGABE OST Nr. 35_2011 Seite _7 KIRCHEN SOZIALES GESELLSCHAFT UMWELT KULTUR ENTWICKLUNG Grundstein für »Herderkirchzentrum« in Weimar gelegt Weimar (epd). Die evangelische Kirche und die Diakonie in Weimar haben den Dichter und Theologen Johann Gottfried Herder (1744-1803) zu dessen Geburtstag am Donnerstag (25. August) gewürdigt. Zum Auftakt eines Festempfangs legte die mitteldeutsche Landesbischöfin Ilse Junkermann den symbolischen Grundstein für ein neues Gemeinde- und Besucherzentrum an der Stadtkirche. Die Kirche war die Wirkungsstätte Herders, der als Generalsuperintendent die Verantwortung für das kirchliche Leben im gesamten Herzogtum hatte und zugleich als der erste Klassiker der deutschen Literatur gilt. Bei dem Empfang in der Kirche St. Peter und Paul wurde zudem erstmals der Herder-Förderpreis verliehen. Die mit 2.000 Euro dotierte Auszeichnung bekam der Kirchenmusiker Marco Lemme aus der Bachstadt Ohrdruf. Die Preisjury würdigte den 30-Jährigen für seine Hochschul-Arbeit »Kirchenmusik, Kirchenmusiker und kirchenmusikalische Ausbildung in Weimar im 19. und 20. Jahrhundert«. Die Bischöfin hielt auch die Festrede bei dem Empfang in der Kirche St. Peter und Paul, die auch als »Herderkirche« bekannt ist und zum UNESCO-Weltkulturerbe »Klassisches Weimar« gehört. Wie bei Herders zentralem Anliegen gehe es auch heute in der Zusammenarbeit von Kirche und Diakonie um die Bewährung der Theorie in der Praxis, sagte Junkermann. Region Anhalt Große Nachfrage bei evangelischen Schulen setzt sich fort Dessau-Roßlau (epd). Die vier evangelischen Grundschulen in der Region Anhalt haben weiterhin großen Zulauf. Im Schuljahr 2011/2012 werden in den Einrichtungen in Bernburg, Dessau-Roßlau, Köthen und Zerbst insgesamt 460 Kinder und damit 15 mehr als vor einem Jahr unterrichtet, teilte die anhaltische Landeskirche am Montag in Dessau-Roßlau mit. Zugleich seien sechs Lehrerinnen und eine pädagogische Mitarbeiterin neu eingestellt worden. Wegen des daraus folgenden erhöhten Raumbedarfs laufen den Angaben zufolge derzeit in den Schulen in Köthen und Zerbst Erweiterungs- und Sanierungsarbei- AUSLAND KIRCHEN Im Mittelpunkt stehe dabei die Frage, wie Menschenund Gottesliebe gewahrt werden könnten, auch wenn sich Kirche und Diakonie auf einem Markt harter Konkurrenz befinden. Eine weitere wichtige Aufgabe sei es, im gesellschaftlichen Diskurs und an einer Bildung mitzuwirken, die alle Pädagogik danach ausrichtet, dass jeder Mensch die Einzigartigkeit seiner Persönlichkeit entwickeln kann, erklärte die Bischöfin. Das vier Millionen Euro teure Bauvorhaben für das künftige »Herderkirchzentrum« umfasst die Restaurierung und Erweiterung von zwei denkmalgeschützten Gebäuden am Herderplatz und Modernisierungsarbeiten in der Stadtkirche. An den Kosten beteiligen sich Bund, Land und Stadt mit insgesamt rund drei Millionen Euro, den Rest tragen die Evangelische Kirche in Mitteldeutschland und die Kirchengemeinde Weimar. Die Fertigstellung ist für 2013 geplant. Die Herderkirche lockt jährlich 200.000 Besucher an. Herder stammte aus dem ostpreußischen Mohrungen, studierte in Königsberg und war anschließend Prediger in Riga. Von 1776 an verbrachte er die meiste Zeit seines Lebens in der Thüringer Residenz. Seine Anstellung am Weimarer Hof geht zurück auf die Freundschaft mit Johann Wolfgang Goethe, den er 1770 in Straßburg kennengelernt hatte und der ihn später nach Weimar vermittelte. Die Tradition der Geburtstagsfeier für Herder wurde 2010 begründet. ten. Solche Bauarbeiten sind auch in der Einrichtung in Dessau-Roßlau geplant, deren Träger die Diakoniegesellschaft Wohnen und Arbeiten ist. Die Zuständigkeit für die anderen drei Schulen liegt bei der Landeskirche. In einem im Obergeschoss in Zerbst geplanten Andachtsund Musikraum sollen alte Ornamente eines Tempelsaals der Freimaurerloge einbezogen werden, die Handwerker bei Abrissarbeiten entdeckt hatten. Das monatliche Schulgeld in den vier Häusern beträgt zwischen 60 und 90 Euro im Monat. Für Eltern mit geringen Einkünften sind Ermäßigungen und sogar ein vollständiger Erlass möglich. Die von der Schülerzahl her größte Einrichtung ist die 1998 gegründete Evangelische Grundschule in Köthen mit aktuell 183 Mädchen und Jungen. epd-Wochenspiegel | AUSGABE OST Nr. 35_2011 Seite _8 KIRCHEN SOZIALES GESELLSCHAFT UMWELT KULTUR ENTWICKLUNG Mitteldeutsche Länder wollen Lutherdekade international verbinden Wittenberg (epd). Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen wollen für das Lutherjubiläum 2017 auch über Deutschlands Grenzen hinaus einen Blick auf das protestantische Großereignis werfen. Das Jubiläum »gehöre nicht nur den Deutschen«, sagte der Kultusminister von Sachsen-Anhalt, Stephan Dorgerloh (SPD) am Montag bei einem Treffen in Wittenberg. Geplant sei unter anderem eine internationale Konferenz, welche die Planungen der anderen Länder unter die Lupe nehmen soll. »Wir interessieren uns dafür, was beispielsweise in südamerikanischen Ländern oder Südkorea für das Jubiläum angedacht ist«, sagte Dorgerloh. Genauso spannend sei die Frage, weshalb in Schweden das Jubiläum anscheinend keine Bedeutung hat. Der Reformationstag sei in dem fast ausschließlich protestantisch geprägten Land zum Beispiel kein Feiertag. Zudem wollen die mitteldeutschen Länder für eine bessere Koordination ihre Zusammenarbeit intensivieren. Dafür soll die Geschäftsstelle »Luther 2017« von Sachsen und Thüringen bis zum Jahresende mit jeweils 30.000 Euro gefördert werden. Die Beteiligung soll in den kommenden Jahren fortgesetzt werden. Die Geschäftsstelle, die zur Stiftung Luthergedenkstätte gehört, wird bisher ausschließlich vom Land Sachsen-Anhalt finanziert. Die bislang zwei Stellen sollen nach und nach aufgestockt werden. Auch an eine Einbindung von Bayern und Rheinland-Pfalz wird gedacht. Innerhalb der 2008 gestarteten Lutherdekade soll besonders das Jahr 2015 mit dem Motto »Bild und Bibel« gemeinsam vorbereitet werden, hieß es. Dann jährt sich der Geburtstag von Lucas Cranach dem Jüngeren zum 500. Mal. Geplant sei keine große Ausstellung, vielmehr soll Cranachs Kunst an authentischen Orten seiner Zeit zu sehen sein, erklärte Thüringens Kultusminister Christoph Matschie (SPD). Andere gemeinsame Projekte seien beispielsweise die »Denkwege zu Luther«. Dieser »praktische Philosophiekurs für Jugendliche« soll auch in anderen Ländern Anklang finden, sagte Matschie. Die Lutherdekade, die im September 2008 in Wittenberg gestartet wurde, soll auf das Reformationsjubiläum 2017 vorbereiten. Dann erinnert die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) an den 500. Jahrestag des Thesenanschlags Martin Luthers (1483-1546) an die Schlosskirche in Wittenberg. Unter dem Motto »Luther 2017 - 500 Jahre Reformation« rückt die Lutherdekade Jahr für Jahr elementare Kreis Nordwestmecklenburg Klang erhielt. Für die Innenrenovierung der Kirche kamen 40.000 Euro aus Patronatsmitteln des Landes. Die restli- Kirche im mecklenburgischen Diedrichshagen renoviert Grevesmühlen (epd). Mit Gottesdienst und Gemeindefest ist am Sonntag die Dorfkirche von Diedrichshagen (Kreis Nordwestmecklenburg) wieder eingeweiht worden. Das Innere des Sakralbaus war zuvor für rund 130.000 Euro renoviert worden. Mit der Sanierung einher gingen auch Arbeiten an der Friese-Orgel von 1861, die durch den Rückbau eines Registers wieder ihren alten AUSLAND KIRCHEN Thesen des Reformators in den Mittelpunkt. Während 2011 das Thema »Reformation und Freiheit« beleuchtet wird, soll 2012 an die Bedeutung der Reformation für die Musik erinnert werden. Die folgenden Jahre stehen unter den Themen Toleranz, Politik, Bild und Bibel sowie »die eine Welt«. Der Schwerpunkt der Veranstaltungen wird auf den mitteldeutschen Lutherstädten Wittenberg, Eisleben, Erfurt und Eisenach liegen. Auch die Tourismuswirtschaft hat das Ereignis mit internationaler Ausstrahlung im Blick. Im Jubiläumsjahr selbst sind unter anderem drei große Ausstellungen in Wittenberg, Berlin und auf der Wartburg bei Eisenach geplant. che Summe wurde von der evangelischen Kirchgemeinde finanziert. Die Kirche in Diedrichshagen ist ein Backsteinbau aus dem 15. Jahrhundert. Das Kirchenschiff war Ende der fünfziger Jahre des 19. Jahrhunderts wegen Baufälligkeit abgerissen worden. Das neugotische neue Kirchenschiff wurde vor 150 Jahren in Anwesenheit des mecklenburgischen Großherzogs Friedrich Franz II. eingeweiht. epd-Wochenspiegel | AUSGABE OST Nr. 35_2011 Seite _9 KIRCHEN SOZIALES GESELLSCHAFT UMWELT KULTUR ENTWICKLUNG Kirchliche Initiative Escola Popular hilft in Brasilien Weimar/Erfurt (epd). Die Sozial- und Bildungsinitiative Escola Popular der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland (EKM) startet ihr erstes Kooperationsvorhaben zur Direkthilfe im Ausland. Dazu werde am Freitag Isabell Le Blanc aus Berka für ein Jahr nach Brasilien in die Gemeinde Cristo Redentor entsendet, teilte das Landeskirchenamt am Dienstag in Erfurt mit. Die 20-Jährige solle als Praktikantin an einem sozialen Projekt der Evangelischen-Lutherischen Kirche in Paraná mitwirken und die Bildungsmethoden aus der EKM-Initiative einbringen. Ziel des Vorhabens »Brücken bauen. Gemeinschaft fördert Veränderung« der Escola Popular sei, den Menschen in einer Krisenregion bei der Verbesserung ihrer Lebensumstände zu helfen und ihnen neue Perspektiven zu eröffnen, hieß es. Dabei habe die Escola Popular aus Elementen der brasilianischen Kultur wie etwa Capoeira und Samba einen eigenen Bildungsansatz entwickelt. Die Gemeinde Cristo Redentor gehöre zum Einzugsgebiet der Metropole Curitiba, in der der Alltag der Kinder von Armut, Gewalt, Drogen, Prostitution und Kriminalität geprägt sei. Das Hilfsprogramm der Gemeinde umfasst unter anderem Nachhilfeunterricht, Sport, warme Mahlzeiten und eine »tragende Gemeinschaft«. Hauptsitz der 1994 gegründeten Escola Popular (etwa Schule von unten) ist Weimar. Von dort aus werden überregional tätige Gruppen unter anderem in Arnstadt, Erfurt, Eisenach und Pößneck koordiniert. Capoeira und Samba sind als eine vor allem Gemeinschaft stiftende Tanz- und Musikkultur in den brasilianischen Elendsvierteln, den Favelas entstanden. Sächsischer Lutherweg Anhalt gibt es bereits einen 410 Kilometer langen Lutherweg, in Thüringen ist er streckenweise fertig. Geplant ist ein gemeinsamer mitteldeutscher Lutherweg, für den die drei Länder seit Anfang 2011 verstärkt kooperierten, hieß es. 2017 erinnert die evangelische Kirche an das 500-jährige Jubiläum der Reformation. Erster Abschnitt wird eröffnet Torgau/Dresden (epd). Am 6. September wird in Torgau der erste Abschnitt des sächsischen Lutherwegs eröffnet. Dies sei die »Grenzöffnung« zum bereits bestehenden Lutherweg in Sachsen-Anhalt, teilte die evangelischen Landeskirche am Freitag in Dresden mit. Der ausgeschilderte Pfad ist rund 20 Kilometer lang. Er führt jeweils von Torgau aus Richtung Westen bis Dreiheide und Richtung Süden bis nach Schildau. Bis 2013 sollen auch die anderen Abschnitte in Sachsen ausgewiesen werden, hieß es. Der sächsische Lutherweg verbindet Orte, die Martin Luther (1483-1546) und andere Reformatoren persönlich besucht haben, wie beispielsweise Eilenburg, Grimma, Leipzig, Torgau oder Zwickau. Dazu kommen Orte wie das Kloster Nimbschen bei Grimma und das Gut Zöllsdorf. Insgesamt soll der Pfad zu 22 sächsischen Dörfern und Städten mit Bezug zu Luther und zur Reformation führen. Der Freistaat Sachsen unterstützt das Vorhaben mit 660.000 Euro. Träger des insgesamt rund 800.000 Euro teuren Lutherweges ist der Tourismusverband »Sächsisches Burgen- und Heideland«. Er koordiniert die Etappenorte, die Beteiligung aus Kirche und Tourismus sowie die Vermarktung. Das Fördergeld soll unter anderem für die Beschilderung, die Erstellung touristischer Angebote sowie für Werbung ausgegeben werden. Die Touristenroute in Sachsen soll Anschluss an die Lutherwege in den Nachbarländern bieten. In Sachsen- AUSLAND KIRCHEN Evangelischer Sektenbeauftragter Gandow geht in Ruhestand Berlin (epd). Nach 33-jähriger Amtszeit geht der Berliner Sektenbeauftragte der evangelischen Kirche, Thomas Gandow, Ende August in den Ruhestand. Bei einem Gottesdienst in der Zehlendorfer »Kirche zur Heimat« wurde er am Samstag offiziell verabschiedet. Hinsichtlich Gandows Nachfolge werde gegenwärtig zusammen mit der anhaltischen Landeskirche ein neues Modell geprüft, um die wichtige Auseinandersetzung mit Sekten- und Weltanschauungsfragen fortzuführen, teilte die Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EKBO) mit. Pfarrer Gandow gelte weit über die Landeskirche hinaus als anerkannter Experte in Fragen der Sektenund Weltanschauungen, hieß es. Er arbeitete bundesweit in verschiedensten Gremien der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) mit und wirkte als Autor unter anderem an der Erstellung des Handbuches »Religiöse Gemeinschaften und Weltanschauungen« mit. Gandow hatte sich gerade auch in der Auseinandersetzung mit der umstrittenen Organisation Scientology einen Namen gemacht. epd-Wochenspiegel | AUSGABE OST Nr. 35_2011 Seite _10 KIRCHEN SOZIALES GESELLSCHAFT UMWELT KULTUR ENTWICKLUNG Chemnitz AUSLAND KIRCHEN Dritter sächsischer Pfarrertag am 1. September 11. September Kirchen: Am Jahrestag neu aufeinander zugehen Berlin (epd). Die beiden großen Kirchen in Berlin und Brandenburg erhoffen sich vom Jahrestag der Anschläge des 11. September 2001 einen Neuanfang im Dialog der Religionen. In einer am Donnerstag veröffentlichten Grußbotschaft an die muslimischen Gemeinschaften Ende des Ramadan erklärten der evangelische Bischof Markus Dröge und der künftige katholische Erzbischof Rainer Maria Woelki, die zahlreichen Einladungen zum Fastenbrechen könnten Anknüpfungspunkt für weitere Kontakte und gemeinsame Projekte werden. Beide Kirchen wünschten diese ausdrücklich. Die Anschläge vom 11. September 2001 hätten die Beziehungen zwischen den Muslimen und der übrigen Welt stark belastet, schreiben die Bischöfe in ihrer Grußbotschaft. Der zehnte Jahrestag solle ein Anlass sein, »erneut aufeinander zuzugehen und gemeinsam für Gerechtigkeit und Frieden, gegen Extremismus und Terrorismus die Stimme zu erheben«. Dröge und Woelki unterstrichen: »Im Vertrauen auf die Hilfe Gottes wird es gelingen, in eine neue Phase des Dialoges einzutreten und noch bestehende Hindernisse auf dem Weg zu einem respektvollen Zusammenleben zu überwinden.« Dresden/Chemnitz (epd). Sachsens evangelische Landeskirche versammelt ihre Pfarrer und Superintendenten am 1. September in Chemnitz. Landesbischof Jochen Bohl hat sie dort zum dritten Pfarrertag in die Stadthalle eingeladen, wie das Landeskirchenamt am Freitag in Dresden mitteilte. Es sei mit fast allen der knapp 700 aktiven Pfarrer zu rechnen und zusätzlich mit gut 100 Ruheständlern. Als Gäste werden auch Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) und Oberbürgermeisterin Barbara Ludwig (SPD) Grußworte sprechen. Thema des Tages ist das Verhältnis von Theologie und Naturwissenschaft. Den Hauptvortrag dazu hält der Heidelberger Theologieprofessor Michael Welker. Versammeln wollen sich die Theologen außerdem zu einem Gottesdienst in der Chemnitzer Petrikirche. Dort wird der bisherige Dresdner Superintendent, Peter Meis, als neuer Dezernent für theologische Grundsatzfragen im Landeskirchenamt eingeführt. Nordkirche Klimaschutz-Pastor fordert neue Sitzungskultur Kiel (epd). Nordelbiens Klimaschutzbeauftragter Jan Christensen hat eine neue Sitzungskultur für die künftige Nordkirche angemahnt. »So wie jetzt geht es nicht«, sagte der Pastor der »Evangelischen Zeitung«. Er verwies auf die Auswahl von Tagungszeiten und Orten zwischen Oder und Nordsee. Oft werde von den Gremien ein beliebiger Ort festgelegt, die Anreise erfolge dann mit dem Auto. Künftig seien häufigere Telefonkonferenzen und längere Sitzungszeiten notwendig. Nach Angaben von Christensen erarbeiten die drei Landeskirchen derzeit ein »integriertes Klimaschutzkonzept«. Erste Zwischenergebnisse sollen im März 2012 vorgestellt werden. »Spannend wird dann die Umsetzung«, sagte er. Nordelbische, Mecklenburgische und Pommersche Kirche wollen sich Pfingsten 2012 zur Nordkirche zusammenschließen. Die 2,3 Millionen Mitglieder starke Kirche wird die fünftgrößte evangelische Landeskirche in Deutschland. epd-Wochenspiegel | AUSGABE OST Nr. 35_2011 Seite _11 KIRCHEN SOZIALES GESELLSCHAFT UMWELT KULTUR ENTWICKLUNG Länder planen internationale Konferenz zur Lutherdekade AUSLAND KIRCHEN Dorgerloh: Protestantisches Großereignis gehört nicht nur den Deutschen Wittenberg (epd). Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen planen eine internationale Konferenz, die die weltweiten Vorbereitungen auf das Reformationsjubiläum 2017 in den Blick nehmen soll. Das protestantische Großereignis »gehöre nicht nur den Deutschen«, sagte der Kultusminister von Sachsen-Anhalt, Stephan Dorgerloh (SPD), am 22. August in Wittenberg. »Wir interessieren uns dafür, was beispielsweise in südamerikanischen Ländern oder Südkorea für das Jubiläum angedacht ist.« Genauso spannend sei die Frage, weshalb in Schweden das Jubiläum anscheinend keine Bedeutung hat, erklärte Dorgerloh. Der Reformationstag sei in dem fast ausschließlich protestantisch geprägten Land zum Beispiel kein Feiertag. Ein Datum für die Konferenz steht noch nicht fest. Die mitteldeutschen Länder wollen zudem ihre Zusammenarbeit bei der Vorbereitung des Jubiläums intensivieren. Dafür soll die Geschäftsstelle »Luther 2017« von Sachsen und Thüringen bis zum Jahresende mit jeweils 30.000 Euro gefördert werden. Die Beteiligung soll in den kommenden Jahren fortgesetzt werden. Die Geschäftsstelle, die zur Stiftung Luthergedenkstätten gehört, wird bisher ausschließlich vom Land Sachsen-Anhalt finanziert. Die bislang zwei Stellen sollen nach und nach aufgestockt werden. Auch an eine Einbindung von Bayern und Rheinland-Pfalz wird gedacht. Cranach-Ausstellung im Jahr 2015 Innerhalb der 2008 gestarteten Lutherdekade soll besonders das Jahr 2015 mit dem Motto »Bild und Bibel« gemeinsam vorbereitet werden, hieß es. Dann jährt sich der Geburtstag von Lucas Cranach dem Jüngeren zum 500. Mal. Geplant sei keine große Ausstellung, vielmehr soll Cranachs Kunst an authentischen Orten seiner Mit der 2008 eröffneten Lutherdekade bereitet die evangelische Kirche das 500. Reformationsjubiläum 2017 vor. epd-bild / Oliver Hauptstock Zeit zu sehen sein, erklärte Thüringens Kultusminister Christoph Matschie (SPD). Andere gemeinsame Projekte seien beispielsweise die »Denkwege zu Luther«. Dieser »praktische Philosophiekurs für Jugendliche« soll auch in anderen Ländern Anklang finden, sagte Matschie. Die Lutherdekade, die im September 2008 in Wittenberg gestartet wurde, soll auf das Reformationsjubiläum 2017 vorbereiten. Dann erinnert die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) an den 500. Jahrestag des Thesenanschlags Martin Luthers (1483-1546) an die Schlosskirche in Wittenberg. Unter dem Motto »Luther 2017 - 500 Jahre Reformation« rückt die Lutherdekade Jahr für Jahr elementare Thesen des Reformators in den Mittelpunkt. Während 2011 das Thema »Reformation und Freiheit« beleuchtet wird, soll 2012 an die Bedeutung der Reformation für die Musik erinnert werden. Die folgenden Jahre stehen unter den Themen Toleranz, Politik, Bild und Bibel sowie »die eine Welt«. epd-Wochenspiegel | AUSGABE OST Nr. 35_2011 Seite _12 KIRCHEN SOZIALES GESELLSCHAFT Kritik Christlich-jüdische Gesellschaften rügen Beitrag im Pfarrerblatt Bad Nauheim (epd). Die Gesellschaften für christlichjüdische Zusammenarbeit haben einen Beitrag im »Deutschen Pfarrerblatt« als »juden- und israelfeindlich« gerügt. Vom Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Nikolaus Schneider, erwarte man eine »klärende Stellungnahme«, teilte der Dachverband von mehr als 80 christlich-jüdischen Gesellschaften am Dienstag in Bad Nauheim mit. In einem Schreiben an Schneider sprechen Präsidium und Vorstand des Deutschen Koordinierungsrates von »schwerwiegenden Bedenken und ernsten Rückfragen«, die der Beitrag im Pfarrerblatt hervorrufe. Der Aufsatz im Pfarrerblatt plädiere mit »vorgeblich christlich-theologischen Argumenten« für eine Absage an UMWELT KULTUR ENTWICKLUNG die theologisch begründete Solidarität mit Israel, heißt es in der Stellungnahme des Koordinierungsrates. Überdies werde die Rechtmäßigkeit der Gründung Israels bezweifelt sowie der Vorwurf erhoben, vor der Staatsgründung habe Israel palästinensisches Land »geraubt«. In dem Beitrag des Pfarrerblattes werde zudem der rheinische Synodenbeschluss zum Verhältnis von Christen und Juden aus dem Jahr 1980 als »theologisch fragwürdiger Versuch, Schuld zu kompensieren« gewertet, kritisieren die Gesellschaften. In der Erklärung der rheinischen Synode hieß es: »Wir glauben die bleibende Erwählung des jüdischen Volkes als Gottes Volk und erkennen, daß die Kirche durch Jesus Christus in den Bund Gottes mit seinem Volk hineingenommen ist.« Der Beschluss der rheinischen Landessynode gilt als Meilenstein für den christlich-jüdischen Dialog. Mehrere Landeskirchen beschlossen ähnlichen Erklärungen oder änderten ihre Verfassungen. AUSLAND KIRCHEN Selbst an Heiligabend kommen nur 25 Prozent der Mitglieder Evangelischer Theologe ruft die Kirche zur Überwindung ihrer Milieugrenzen auf Stuttgart (epd). Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) will sich nicht damit abfinden, dass sie schrumpft und viele ihrer Mitglieder kaum erreicht. Deshalb hat sie im Zuge eines 2006 gestarteten Reformprogramms das Zentrum »Mission in der Region« mit Standorten in Dortmund, Greifswald und Stuttgart eingerichtet. Heinzpeter Hempelmann, Theologischer Referent des Zentrums in Stuttgart und Honorarprofessor an der Evangelischen Hochschule Tabor (Marburg), spricht in einem epd-Gespräch darüber, wie die Kirche die Grenzen ihrer eigenen Milieus überschreiten kann. epd: Herr Professor Hempelmann, laut der SinusMilieu-Studie erreicht die Kirche in Deutschland mit ihren Angeboten von zehn gesellschaftlichen Milieus lediglich zweieinhalb. Kümmert sie sich zu wenig um die anderen siebeneinhalb Milieus? Hempelmann: Das können wir nicht mit Gewissheit sagen, weil die Studie die katholische Kirche untersucht hat. Für die evangelische fehlen genaue Zahlen. Aber es gibt Indizien dafür, dass auch die evangelische Kirche einen Großteil ihrer personellen und finanziellen Ressourcen für eine Minderheit ihrer Kirchenmitglieder einsetzt. epd: Da Kirche für alle da sein will - was sollte sie denn tun, um auch wirklich alle zu erreichen? Hempelmann: Bevor sie hier etwas tut, sollte sie sich intensiv mit der Frage beschäftigen: In welchen Le- Gottesdienst in der evangelisch-lutherischen Gartenkirche St. Marien in Hannover. epd-bild / Jens Schulze benswelten sind die Menschen, die zur Kirche gehören, aber nicht sonntagmorgens in den Gottesdienst kommen? Wir müssen wahrnehmen, dass die Mehrheit der Kirchenmitglieder überhaupt nicht an den Regelveranstaltungen der Gemeinde teilnimmt. Der Hauptgottesdienst am Sonntag ist im Grunde eine Submilieu-Veranstaltung, auch wenn er für alle gedacht ist. Die Kirche müsste sich also intensiv mit anderen Lebenswelten befassen, um sich den Menschen darin zuwenden zu können. epd: Wird die Situation nicht manchmal schlechtgeredet? An Heiligabend sind die Kirchen nach wie vor brechend voll. epd-Wochenspiegel | AUSGABE OST Nr. 35_2011 Seite _13 KIRCHEN SOZIALES GESELLSCHAFT Hempelmann: Ja, aber selbst an Heiligabend erreichen wir im Durchschnitt nur rund 25 Prozent der Mitglieder. Das heißt, sogar an dieser kirchlichen Feier nimmt die große Mehrheit der Mitglieder nicht teil. Wir sind demnach mit unseren Angeboten nicht nahe genug an den Menschen. Und selbst höhere Teilnehmerzahlen an Heiligabend könnten uns als Kirche nicht genügen, da die christliche Botschaft von ihrem eigenen Anspruch her nicht nur an einem Tag im Jahr bei den Menschen präsent sein will. epd: Pfarrerinnen und Pfarrer entstammen fast alle dem Bildungsbürgertum. Sind sie von ihrer Mentalität her überhaupt geeignet, etwa Hartz-IV-Familien angemessen anzusprechen? Hempelmann: Manche von ihnen bestimmt, die Mehrzahl vermutlich nicht. Aber die Pfarrerin oder der Pfarrer müssen es ja auch nicht alleine machen. Vielleicht können andere Menschen aus der Kirchengemeinde eine Art »Pfadfinder« in ganz unterschiedliche Milieus werden. Pfarrer hätten dann die Aufgabe, diese »Pfadfinder« zu begleiten und zu unterstützen, wenn diese Menschen die christliche Botschaft ins Fitnessstudio oder in Hartz-IVFamilien bringen. UMWELT KULTUR ENTWICKLUNG epd: Sollte man das Pfarramt auch für Menschen öffnen, die kein Abitur haben? Hempelmann: Es hat schon seinen Sinn, dass für hauptamtliche Verkündiger des Evangeliums in unserer Kirche ein akademisches Studium vorgeschrieben ist. Wir brauchen hervorragend ausgebildete Theologen. Gleichzeitig könnten wir wieder mehr Menschen, die zum Beispiel in der Industrie oder einer Behörde arbeiten, über einen zweiten Bildungsweg ins Pfarramt bringen. Diese Möglichkeit sollte stärker genutzt werden, um andere Lebenserfahrungen besser für die kirchliche Arbeit zu nutzen. epd: Pfarrer kümmern sich im Religionsunterricht um die Kinder und machen nachmittags Altenbesuche. Wo aber werden die 20- bis 60-Jährigen angesprochen? Hempelmann: Das ist tatsächlich ein Problem, dass wir zu wenig die Menschen in der Mitte ihres Lebens im Blick haben. In diesem Alter sind laut Untersuchungen übrigens insbesondere Männer am stärksten geneigt, aus der Kirche auszutreten. In diese Personengruppe sollten wir also besonders intensiv investieren – zum Beispiel durch Besuche zum 30. und 40. Geburtstag. Internet: www.zmir.de epd-Gespräch: Marcus Mockler AUSLAND KIRCHEN Hilfswerk: Christen an manchen Orten bereits Minderheit Hannover/Leipzig (epd). Evangelische Christen in Deutschland sind nach Expertenangaben inzwischen an manchen Orten zur Minderheit geworden. »Im Grunde gehören viele Kirchen in Deutschland mittlerweile zur Diaspora«, sagte der Generalsekretär des Gustav-AdolfWerks, Enno Haaks, dem epd in Hannover. So gebe es in Leipzig nur noch zwölf Prozent Christen, und auch im Hamburger Stadtteil Veddel seien Christen nur zu 15 Prozent vertreten. Vor diesem Hintergrund fördert das Hilfswerk für protestantische Minderheiten in diesem Jahr erstmals Projekte von bundesdeutschen Kirchengemeinden mit bis zu 4.000 Euro. In den neuen Bundesländern unterstützt das Werk besonders die Gründung von evangelischen Schulen, die zunächst keine staatlichen Zuschüsse erhalten, sagte Haaks. Der Schwerpunkt der Arbeit liege jedoch im Ausland, wo evangelische Minderheiten in Lateinamerika sowie Süd- und Osteuropa gefördert werden. Das Werk mit Sitz in Leipzig verfügt über einen Jahresetat von drei Millionen Euro. Weltweit werden damit 130 Projekte von 40 Partnerkirchen in 35 Ländern unterstützt. Die Zusammenarbeit mit kleineren Partnerkirchen sei oft schwierig. »In Kroatien haben wir die Unterstützung abgebrochen, weil dort scheinbar der Balkankrieg zwischen den Kirchen fortgesetzt wird«, sagte Haaks. Zudem orientierten sich die evangelischen Kirchen in Osteuropa lieber in Richtung der eher konservativen USA. »Gerade bei der Frage, ob Frauen zu Pastorinnen ordiniert werden dürfen, ist ihnen die Evangelische Kirche in Deutschland zu liberal«, sagte der Generalsekretär. Das Gustav-Adolf-Werk wurde 1832 in Leipzig gegründet und ist eine Einrichtung der Evangelischen Kirche in Deutschland. Es unterstützt evangelische Minderheiten in Europa, Lateinamerika und Zentralasien. Mit seinem Namen erinnert das Werk an den schwedischen König Gustav II. Adolf (1594-1632), der im 30-jährigen Krieg für die Protestanten eintrat. Internet: www.gustav-adolf-werk.de epd-Gespräch: Charlotte Morgenthal epd-Wochenspiegel | AUSGABE OST Nr. 35_2011 Seite _14 KIRCHEN SOZIALES GESELLSCHAFT DDR-Geschichte Dröge: Stolpe war Mann der Kirche Berlin/Potsdam (epd). In der Diskussion um die Rolle Manfred Stolpes hat Bischof Markus Dröge den früheren brandenburgischen MinisterpräsiMarkus Dröge epd-bild / Schoelzel denten gegen Kritik verteidigt. In einem Gastbeitrag für den Berliner »Tagesspiegel« (Donnerstagsausgabe) nannte der Berliner Bischof die Frage »abstrus«, ob sich Stolpe für seinen Glauben kreuzigen lassen würde. Diese Frage habe »die Gefühle zahlreicher Mitglieder der evangelischen Kirche« verletzt, ergänzte Dröge. Er weise die Frage des Münchner Historikers Michael Wolffsohn »in aller Entschiedenheit zurück«. Dröge sagte: »Es ist abstrus zu behaupten, dass nur eine Märtyrerexistenz ein glaubwürdiges Christsein darstellt.« Der Historiker Wolffsohn von der Münchner Bundeswehruniversität hatte in einem Zeitungsbeitrag die Stolpe-Politik der »Aussöhnung« für Brandenburg nach 1989 scharf kritisiert und gefragt, ob sich der SPDPolitiker für seinen Glauben kreuzigen lassen würde. In einem Leserbrief hatte Stolpe daraufhin geantwortet: UMWELT KULTUR ENTWICKLUNG »Vieles kann ich ertragen, aber meinen Glauben hat noch niemand in Frage gestellt.« Selbst in der DDR-Diktatur sei seine christlichen Bindung nur selten als unnormal und dumm bezeichnet worden. Bischof Dröge sagte dazu: »Manfred Stolpe war stets ein Mann der evangelischen Kirche«, die maßgeblich zum friedlichen Zusammenbruch des SED-Regimes beigetragen habe. Er fügte hinzu: »Mir persönlich sind keine Menschen bekannt, die unter den Folgen des Handelns von Manfred Stolpe gelitten haben.« Vielmehr sei das Gegenteil der Fall. Dröge unterstrich zudem, es gebe keine institutionelle Kontinuität zwischen dem Land Brandenburg und der DDR. Wer dies unerwähnt lasse und die fundamentalen Unterschiede zwischen Demokratie und Diktatur übergehe, der verletze die Bürger Brandenburgs, denen der Aufbau eines demokratischen Gemeinwesens einiges abverlangt habe. 20 Jahre nach dem Ende des DDR-Regimes seien »unaufgeregte Gespräche mit der Bereitschaft zur Differenzierung« nötig. »IM - ja oder nein, kann nicht die einzige Frage sein«, betonte Dröge. Vielmehr brauche es neue Fragestellungen und »nicht effektheischende Antworten«, AUSLAND KIRCHEN unterstrich der leitende Geistliche der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz. Bischofskonferenz dämpft Ökumene-Hoffnungen Sekretär Langendörfer: Papst wird Reformation würdigen Erfurt (epd). Der Sekretär der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Pater Hans Langendörfer, hat Erwartungen gedämpft, der Papstbesuch könne große Fortschritte in der Ökumene bringen. Ein »ganz großes Ding« sei schon der geplante Besuch von Benedikt XVI. im Erfurter Augustinerkloster, in dem der spätere Reformator Martin Luther lebte. »Der Besuch dieser Stätte ist etwas Außerordentliches, ja Ungeheuerliches«, sagte Langendörfer in einem Interview des Nachrichtenmagazins »Focus«. Der Papst wird nach seinen Worten die Rolle Luthers (1483-1546) und der Reformation würdigen, die zum Entstehen der evangelischen Kirchen führte. Die Betonung der Heiligen Schrift und der Volksfrömmigkeit seien wichtige Anliegen, die die katholische Kirche teile. »Und natürlich wird der Papst eine Position auch zu den schwierigen Seiten der Reformation beziehen«, sagte Langendörfer. Der Theologe trat der Hoffnung entgegen, der Papst »könnte den Evangelischen nun einen neuen Status verleihen« und die Regeln für das Abendmahl ändern. »Das funktioniert so nicht«, sagte er: »Es gibt offene Fragen und keine Spielräume für rasche, publikumswirksame Entscheidungen.« Bisher ist aus Sicht der katholischen Kirche kein gemeinsames Abendmahl mit Evangelischen möglich. Nach Überzeugung Langendörfers wird der Papst einen Weg in der Ökumene vorgeben: So könnte es sein, dass die Katholiken »noch stärker von der Idee wegkommen, die evangelische Kirche sei vor allem spalterisch«. Langendörfer: »Die Reformation war nicht nur die Geburt des Protestantismus, sondern auch eine für die Katholische Kirche wichtige Zäsur.« Im Blick auf das Jubiläum der Reformation 2017 wäre eine solche Wahrnehmung der Geschichte des Christentums befruchtend. epd-Wochenspiegel | AUSGABE OST Nr. 35_2011 Seite _15 KIRCHEN SOZIALES GESELLSCHAFT UMWELT KULTUR ENTWICKLUNG Benedikt XVI. besucht Deutschland vom 22. bis 25. September. Stationen seiner Reise sind Berlin, das Bistum Erfurt und Freiburg. Im Erfurter Augustinerkloster ist für den 23. September eine Begegnung mit Spitzenvertretern der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) geplant. Die viertägige Reise ist der erste offizielle Besuch Benedikts in seiner deutschen Heimat. Im Erfurter Mariendom werden zum Papst-Besuch die Heiligen Adalar und Eoban aufgebahrt. Der Papst werde vor ihrem Schrein beten, sagte Martin Hoffmeier vom Bistum Erfurt dem MDR Thüringen. Adalar und Eoban, die einstigen Gefährten des Bistumsgründers Bonifatius liegen in einem Sarkophag in der Krypta des Domes. Zuletzt waren die Reliquien 1954 nach oben in den Dom gebracht worden. Ökumene 75-jährige Frieling. Die gesamte Christenheit würde es Frieling zufolge begrüßen, wenn angesichts der realen Größen- und Einflussverhältnisse der Bischof von Rom wirklich allen dient. Frieling äußerte die Hoffnung auf »einen Diener der Einheit«, der eine versöhnte Verschiedenheit der Kirchen anerkennt und mehr Dialoge »führt und versöhnt, als dass er Audienzen gewährt«. So könne der Papst auch gemeinsam mit den Oberhäuptern der anderen Kirchen Initiativen zu einem gemeinsamen universalen ökumenischen »panchristlichen« Welt-Kirchentag oder Konzil ergreifen. epd-Gespräch: Stephan Cezanne Frieling: Papst nur im Ausnahmefall Sprecher der Christenheit Frankfurt a.M (epd). Der Papst kann nach Ansicht des evangelischen Ökumene-Experten Reinhard Frieling in außergewöhnlichen Situationen im Namen der gesamten Christenheit sprechen. Dies dürfe aber nur in Absprache mit den anderen christlichen Kirchen erfolgen. Zugleich müsse der Papst auf historisch gewachsene Rechte verzichten, sagte Frieling dem epd knapp vier Wochen vor dem Besuch von Benedikt XVI. in Deutschland. Der langjährige Leiter des Konfessionskundlichen Instituts der evangelischen Kirche im hessischen Bensheim präzisierte damit frühere Medienberichte. Er hoffe auf eine Gemeinschaft »mit, aber nicht unter dem Papst«, betonte Frieling. »Der Papst kann um der Einheit der Kirche willen auf historisch gewachsene Rechte verzichten«, forderte der emeritierte Marburger Theologieprofessor. Mit einem gemeinsamen Ehrenoberhaupt würde das Christentum seine Botschaft glaubwürdiger vertreten »als eine in Tausende Kirchen gespaltete Religion«, sagte Frieling. So müsse der Papst als »Diener der Einheit« erlauben, dass sich Protestanten und Katholiken gegenseitig zum Abendmahl einladen. Frieling: »Meine zentrale Voraussetzung für eine Sprecherrolle des Bischofs von Rom ist ja die Forderung, der Papst müsse feierlich erklären, dass die Dogmen des I. Vatikanum über die Unfehlbarkeit und den Jurisdiktionsprimat nicht für die anderen Christen und Kirchen gelten.« Die Dogmen wurden am 18. Juli 1870 während des Ersten Vatikanischen Konzils in Rom verkündet. Danach hat der Papst die höchste Rechtsgewalt in der Kirche. Wenn diese Voraussetzungen gegeben sind, könne der Papst »als Oberhaupt der großen römischkatholischen Kirche und mit dem Selbstverständnis, für die Einheit der Kirche besonders verantwortlich zu sein, Initiativen für die Gesamtkirche ergreifen«, sagte der AUSLAND KIRCHEN Papstbesuch Priester laden in Berlin zum Abendmahl für alle Berlin (epd). Vor dem Besuch von Papst Benedikt XVI. am 22. September in Berlin lädt die evangelische St. ThomasKirchengemeinde in Kreuzberg zu einem katholischen Abendmahlsgottesdienst mit Priestern ein. Zu der Feier am Vorabend des Besuchs seien anders als sonst bei katholischen Messen Christen aller Konfessionen zum Abendmahl eingeladen, teilte die Gemeinde am Freitag in Berlin mit. Es werde keine ökumenische Abendmahlsfeier geben, sagte Superintendent Bertold Höcker vom evangelischen Kirchenkreis Berlin-Stadtmitte: »Wir als Protestanten gewähren einer katholischen Gruppe Gastrecht in einer unserer Kirchen, damit sie hier eine nach ihrem Verständnis gültige Eucharistiefeier begehen kann.« Der katholische Priester Christoph Schmidt, der zusammen mit seinem Lebenspartner Priester Norbert Reicherts den Gottesdienst leiten wird, sagte: »Wir glauben, dass wir in der ökumenischen Diskussion leben müssen.« Zur Feier seien deshalb alle Getauften eingeladen, »auch die Amtsträger der katholischen Kirche«. Die beiden katholischen Geistlichen haben nach eigenen Angaben ihr Amtspriestertum 1998 aufgegeben, epd-Wochenspiegel | AUSGABE OST Nr. 35_2011 Seite _16 KIRCHEN SOZIALES GESELLSCHAFT UMWELT KULTUR ENTWICKLUNG verstehen sich aber weiterhin als freiberuflich tätige Priester. Die evangelische Kirchengemeinde St. Thomas tritt als Gastgeber für die katholische Abendmahlsfeier auf. Buchhinweis: Hans-Gert Pöttering (Hg.): Politik und Religion. Der Papst in Deutschland. Bonn 2011. Internet: www.kas.de/papstbesuch Papstbesuch Papstbesuch Merkel hofft auf Orientierungspunkte Wanke: Station in Thüringen ist »besonderes Zeichen« Berlin (epd). Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) erhofft sich vom bevorstehenden Papstbesuch ein ermutigendes Signal für die Ökumene und die Geschlossenheit der Christen. In einer Zeit, in der die Grundlagen der kulturellen Werte und Traditionen in Vergessenheit zu geraten drohten, bedürfe es gemeinsamer Orientierungspunkte, schreibt Merkel in einem Vorwort zu einem Sammelband der Konrad-Adenauer-Stiftung zum Papstbesuch, der am Dienstag in Berlin vorgestellt wurde. Sie hoffe, dass der Aufenthalt von Papst Benedikt XVI. in Deutschland dazu beitrage, den Geist der Gemeinsamkeit im Konfessionellen wie im Politischen zu stärken, so die Kanzlerin. Der Papst besucht vom 22. bis 25. September Deutschland. Stationen seiner Reise sind Berlin, das Bistum Erfurt und Freiburg. Neben Messen sind eine Rede vor dem Bundestag sowie eine Begegnung mit Vertretern der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) im Erfurter Augustinerkloster geplant. Der ehemalige Präsident des Zentralkomitees der Deutschen Katholiken (ZdK), Hans Joachim Meyer, erwartet vom Papstbesuch vor allem Ermutigung für die Katholiken in Deutschland. Aus der Deutschland-Visite könne eine angemessenere Art des Umgangs mit Problemen als der lange in der Kirche praktizierte erwachsen, sagte Meyer mit Blick auf den Missbrauchsskandal im vergangenen Jahr und den daraufhin begonnenen DialogProzess der deutschen Bischöfe. Die katholische Kirche in Deutschland sei in einer guten Ausgangsposition, um neuen Mut zu schöpfen, sagte der frühere ZdK-Chef. Er hoffe, dass der Papstbesuch ähnlich verlaufe wie in Großbritannien oder in Spanien. Dort sei Benedikt auch in einer schwierigen Situation gekommen und habe es durch seine Klarheit und Nachdenklichkeit geschafft, dass ihm auch Menschen außerhalb der Kirche zugehört hätten. Mit Blick auf das geplante ökumenische Treffen in Erfurt warnte Meyer davor, Unterschiede zwischen katholischer und evangelischer Kirche zu verwischen. Die Unterschiede müssten ausgehalten werden. Er hoffe auf ein »besseres Aufeinanderhören und Aufeinanderzugehen«. Erfurt (epd). Der katholische Bischof von Erfurt, Joachim Wanke, sieht im Papstbesuch an historischen Stätten der Reformation in Thüringen »ein besonderes Zeichen« für die Ökumene. Die Begegnung von Benedikt XVI. mit der evangelischen Kirche im Erfurter Augustinerkloster »könnte einen Impuls geben für den ökumenischen Dialog«, sagte Wanke dem epd. Zugleich dämpfte er die Erwartungen an schnelle Ergebnisse des Gesprächsprozesses. Papst Benedikt XVI. kommt bei seinem bevorstehenden Deutschland-Besuch am 23. September in das Bistum Erfurt. Nach einem Treffen mit Vertretern der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) ist in der Kirche des Augustinerklosters ein Gottesdienst geplant, zu dem auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) erwartet wird. Das Kloster in der Thüringer Landeshauptstadt ist als Wirkungsstätte des Augustinermönchs Martin Luther (1483-1546) eng mit der Reformation verbunden. Vor diesem Hintergrund erwarte er von der Begegnung im Augustinerkloster eine »Ermutigung« zur Verständigung über grundsätzliche Fragen, sagte Wanke. Als Beispiele nannte er Konsequenzen aus der gegenseitigen Anerkennung der Taufe sowie das jeweilige Kirchen- und Amtsverständnis. Nach »500 Jahren Spaltung« müssten beide Seiten »nach vorn schauen«, um den Herausforderungen in der modernen Gesellschaft zu genügen. »Bevor wir jedoch gemeinsam Abendmahl feiern können, werden wir uns in Grundfragen einigen müssen«, ergänzte der Bischof. epd-Gespräch: Thomas Bickelhaupt AUSLAND KIRCHEN Militär EKD-Ratsvorsitzender: Über Rolle der Bundeswehr debattieren Berlin (epd). Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Nikolaus Schneider, hat eine breite gesellschaftliche Debatte über die Rolle der Bundeswehr gefordert. Diese befinde sich in einem schleichenden Übergang zu einer Einsatzarmee, sagte Schneider am Donnerstagabend in Berlin: »Wir haben eine andere Bundeswehr als früher und das müssen wir diskutieren.« epd-Wochenspiegel | AUSGABE OST Nr. 35_2011 Seite _17 KIRCHEN SOZIALES GESELLSCHAFT Dabei gehe es auch um einen fairen Umgang mit den Soldaten. Schneider äußerte sich bei einer Diskussion anlässlich einer Vorführung der ZDF-Krimireihe »Unter Verdacht«, in der ein traumatisierter Afghanistan-Rückkehrer eine tragende Rolle spielt. Der EKD-Ratsvorsitzende sprach von einer »Riesenaufgabe« der Helfer, Polizisten und Soldaten am Hindukusch. Trotz einiger Fortschritte könne die Situation in Afghanistan »kippen« und der Einsatz zu einem Fehlschlag werden. Schneider sagte weiter, es gebe keine Alternative zu einem Aufbau der afghanischen Armee und Polizei. Diese müssten soweit für Sicherheit sorgen können, dass sich ziviles Leben im Land entwickeln könne. Reinhard Erös, Begründer der »Kinderhilfe Afghanistan«, bezeichnete den Nato-Einsatz in Afghanistan hingegen als »Unsinn«, der nie zu einem Erfolg führen werde. Noch nie sei in so kurzer Zeit so viel Geld in ein so kleines Land geflossen, ohne dass es sichtbare Fortschritte gebe. Stattdessen verschlechtere sich die Sicherheit immer mehr und Afghanistan sei zum korruptesten Land der Welt geworden, sagte Erös. Ökonomie Präses Schneider kritisiert einseitiges Menschenbild Schwerte (epd). Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche Deutschland (EKD), Nikolaus Schneider, hat von den Wirtschaftswissenschaften mehr gesellschaftliche Verantwortung eingefordert. Auf viele Fragen gebe die Ökonomie keine oder nur unzureichende Artworten, sagte Schneider am Donnerstag im Evangelischen Studienwerk Villigst in Schwerte. Der rheinische Präses warf den Ökonomen ein einseitiges Menschenbild vor. »Für die Ökonomie gibt es nur die Habgier«, sagte Schneider. Wer immer nur die Habgier betone, trage dazu bei, dass Solidarität und Mitmenschlichkeit immer weniger zählten. Die Wirtschaftswissenschaftler müssten Wohlfahrt für alle als wichtiges Ziel definieren, unterstrich der evangelische Theologe. In der gegenwärtigen Finanzmarkt- und Eurokrise leiste die Ökonomie keine Aufklärung, sondern verneble durch Begriffe wie »Finanzmärkte« die Zusammenhänge, sagte Schneider weiter. Dahinter stünden jedoch handelnde Personen. »Es ist höchste Zeit, die Sprache der Wirtschaft zu entmythologisieren.« UMWELT KULTUR ENTWICKLUNG AUSLAND KIRCHEN Islam Katholische Kirche will Dialog mit Muslimen ausbauen Bonn (epd). Die katholische Kirche will den Dialog mit den Muslimen verstärken. Der Papst und die Deutsche Bischofskonferenz seien entschlossen, den Dialog mit dem Islam zu vertiefen und auszubauen, schreibt der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Robert Zollitsch, in seiner am Dienstag veröffentlichten Grußbotschaft zum Ende des muslimischen Fastenmonats Ramadans. Gemeinsam mit den Muslimen wolle die katholische Kirche »gegen die Dämonen dieser Welt, gegen Unrecht, Gewalt und Intoleranz, das Wort ergreifen und weiter den Weg des Dialogs und der gegenseitigen Verständigung gehen«, sagte der Freiburger Erzbischof, der zugleich auf das friedliche Miteinander von Christen und Muslimen in Deutschland verwies. In seiner Grußbotschaft zum Ramadan übermittelt Zollitsch an die Muslime seine Segenswünsche: »Möge Gott Ihr Fasten und Beten segnen und Ihnen durch seine Zuwendung Frieden schenken.« Zugleich äußerte Zollitsch Anteilnahme an den Entwicklungen in der arabischen Welt. »Wir sehen selbstbewusste, vor allem junge Menschen, die nicht mehr bereit sind, Willkür hinzunehmen und Diktaturen zu gehorchen.« Er hoffe, dass der mutige Einsatz für mehr Gerechtigkeit und Freiheit dazu beitrage, dass Hass und Gewalt überwunden würden. Der Fastenmonat Ramadan hat in diesem Jahr am 1. August begonnen. Er wird bis 29. August gefeiert, am 30. folgt das Fest des Fastenbrechens. Seemannsmission UN-Mandat für Kampf gegen Piraterie gefordert Hamburg (epd). Die Deutsche Seemannsmission hat ein UN-Mandat für den Kampf gegen die internationale Piraterie gefordert. Vor allem »rund um Kap Horn und in Somalia« müsse die Staatengemeinschaft endlich für eine Infrastruktur sorgen, die Piratenüberfälle überflüssig mache, sagte Generalsekretärin Heike Proske zum Abschluss der Weltkonferenz der Seemannsmissionen am Dienstag in Hamburg. Der von der Bundesregierung erwogene Einsatz privater Sicherheitsdienste an Bord sei lediglich eine »Notlösung«, sagte Proske. Der Schutz deutscher Handelsschiffe und ihrer Besatzungen sei eine staatliche Angelegenheit und dürfe daher nicht aus der Hand gegeben epd-Wochenspiegel | AUSGABE OST Nr. 35_2011 Seite _18 KIRCHEN SOZIALES GESELLSCHAFT UMWELT KULTUR ENTWICKLUNG werden. Private Sicherheitsdienste müssten daher zumindest »staatliche Zertifikate« nachweisen. Die Weltkonferenz der Seemannsmissionen hat Proske zufolge Vorschläge abgelehnt, die Besatzungen selbst zu bewaffnen. »Seeleute sind nicht für den Kampf mit der Waffe ausgebildet«, sagte Proske. Empfohlen würden allerdings Trainings, um die Besatzungen auch psychologisch auf Überfälle vorzubereiten. Vier Tage lang hatten in Hamburg rund 200 Vertreter aus 49 Ländern und insgesamt 77 Hafenstädten Chancen und Probleme der christlichen Seefahrt diskutiert. Allein die Deutsche Seemannsmission mit Sitz in Bremen unterhält 17 Auslandsstationen und 16 Anlaufstellen in Deutschland. Zum Weltverband gehören 28 christliche Organisationen in 128 Ländern. Internet: www.icma.as; www.seemannsmission.org »Zeit«-Beilage »Christ und Welt«. »Die Kirchen können die Verkündigung des Wortes Gottes durchaus noch etwas intensivieren.« Jede Organisation müsse sich doch fragen, woran es liege, wenn ihr Zuspruch geringer werde. Das gelte für Parteien, aber auch für die Kirchen, sagte der CDUPolitiker. Zugleich verwies Kauder auf den Grundsatz der Glaubensfreiheit: »Wir sollten uns nicht darüber aufregen, dass so viele Muslime in die Moschee gehen, sondern darüber, dass so wenige Christen in die Kirche gehen.« Zur Diskussion um das christliche Profil seiner Partei sagte er: »Das C ist in unserer Gesellschaft leider auf dem Rückzug.« Das habe auch Auswirkungen auf die Union. Allerdings seien CDU und CSU nicht »die Institution, die das Christentum in erster Linie fördern kann«, sagte Kauder. Gedenktag Prozess 11. September: Friedensfest am Brandenburger Tor Gericht wirft Ex-Bibliotheksdirektor schuldhaftes Verhalten vor Berlin (epd). Zehn Jahre nach den Anschlägen vom 11. September 2001 in New York wollen Religionsgemeinschaften am Brandenburger Tor ein Zeichen des Friedens setzen. Von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang laden Christen, Muslime, Juden, Buddhisten und Bahai am 11. September auf östlicher und westlicher Seite des Berliner Wahrzeichens zu Diskussionen, Gebeten und Musik ein. Organisator ist die überkonfessionelle und interreligiöse Initiative »Religionen auf dem Weg des Friedens«, die das Gedenken seit 2009 vorbereitet. Beteiligt sind Christen unterschiedlichster Couleur wie die American Church Berlin ebenso wie Vertreter des türkisch-staatlichen Islamverbandes (DITIB), der Islamischen Föderation, der jüdischen Gemeinde und der Berliner Bahai-Gemeinden. Unter anderen ist um 14.46 Uhr, dem Moment des ersten Einschlags eines der Passagierflugzeuge in die Twin-Tower, eine Schweigeminute vorgesehen. Internet: www.religionenaufdemwegdesfriedens.de Aurich (epd). Das Auricher Landgericht hat dem früheren Direktor der Emder Johannes-a-Lasco-Bibliothek, Walter Schulz, im laufenden Schadensersatzprozess schuldhaftes Verhalten vorgeworfen. Schulz habe sich auf verlustreiche riskante Aktiengeschäfte eingelassen und ohne Absprache für einen Millionenbetrag Ankäufe getätigt, sagte der Vorsitzende Richter Joachim Herbst am Dienstag. Nicht vorzuwerfen seien Schulz hingegen Verluste, die durch den Betrieb der Bibliothek entstanden sind. (AZ: 5 O 636/10) In dem zivilrechtlichen Verfahren klagt die »Stiftung Große Kirche Johannes a Lasco Bibliothek« auf einen Schadensersatz von rund 1,8 Millionen Euro, die Schulz zurückzahlen soll. Die Evangelisch-reformierte Kirche hatte als Stiftungsaufsicht Schulz 2008 fristlos entlassen, weil das Stiftungskapital unter seiner Leitung von 8,5 Millionen auf weniger als 1,6 Millionen Euro abgeschmolzen war. Ein neuer Verhandlungstermin steht noch nicht fest. Trotz der Warnung einer Bank habe Schulz sich mit dem Stiftungskapital in den Jahren 2001 bis 2003 auf riskante Aktiengeschäfte eingelassen und dabei erhebliche Verluste gemacht, erläuterte der Richter. Diese seien auch in späteren Jahren nicht mehr einzuholen gewesen. Dafür könnte Schulz im Falle eines Urteils wahrscheinlich haftbar gemacht werden. Für Aktienverluste nach 2003 müsse Schulz dagegen nicht geradestehen: Das Kuratorium habe es versäumt, die Aktien in sicherere Anlagen umzuschichten. Parteien Kauder fordert Kirchen zu mehr Mission auf Bonn (epd). Der Vorsitzende der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag, Volker KauderParteien, vermisst missionarische Anstrengungen der Kirchen in Deutschland. »Die Kirche hat doch einen Missionsauftrag, davon ist aber zu wenig zu sehen«, sagte Kauder der aktuellen Ausgabe der epd-Wochenspiegel | AUSGABE OST Nr. 35_2011 AUSLAND KIRCHEN Seite _19 KIRCHEN SOZIALES GESELLSCHAFT Als »schuldhafte Pflichtverletzung« ist nach Ansicht des Gerichts vermutlich auch der Kauf von Archiven ostdeutscher Adelsfamilien in den Jahren 2006 und 2007 zu werten. Obwohl die Kassen der Bibliothek leer waren, habe Schulz mehr als eine Million Euro gezahlt. Das Gericht forderte beide Seiten auf, binnen vier Wochen zu seinen Einschätzungen Stellung zu nehmen. Versammlung Nordische Bischofskonferenz tagt in Paderborn Paderborn (epd). Die Herbstvollversammlung der Nordischen Bischofskonferenz tagt vom 16. bis 21. September zum ersten Mal in Paderborn. Auf der Tagung soll es unter anderem um die Priesterseminare in Nordeuropa und die Bischofssynode zur Neuevangelisierung 2012 in Rom gehen, teilte das Bonifatiuswerk der deutschen Katholiken am Mittwoch in Paderborn mit. Auch der Umgang der katholischen Kirche mit dem Attentat von Oslo steht auf dem Programm. Die katholische Kirche in Nordeuropa ist eine Diasporakirche. Der Katholikenanteil liegt nach Angaben des Bonifatiuswerkes in den Ländern Schweden, Norwegen, Island, Dänemark und Finnland nur zwischen 0,2 und drei Prozent der Bevölkerung. Das Bonifatiuswerk unterstützt Katholiken in extremen Minderheitssituationen. An der Tagung nehmen alle sechs Bischöfe der Nordischen Bischofskonferenz und der Altbischof von Oslo, Gerhard Schwenzer, teil. Internet: www.bonifatiuswerk.de UMWELT KULTUR ENTWICKLUNG AUSLAND KIRCHEN Urteil Gericht verbietet orthodoxe Begräbnisstätte in Industriegebiet Mannheim (epd). Die syrisch-orthodoxe Kirchengemeinde in Heilbronn darf für ihre toten Priester in einem Industriegebiet keine Krypta bauen. Das Schutzbedürfnis einer Begräbnisstätte vor Lärm sei höher als das einer reinen Kirche, heißt es in einem am Donnerstag veröffentlichten Urteil des baden-württembergischen Verwaltungsgerichtshofes (VGH) Mannheim. Damit blieb die Klage der Kirchengemeinde, die einen Kellerraum ihres Kirchengebäudes umbauen wollte, ohne Erfolg. Nach herrschenden kulturellen Vorstellungen verlange die Totenruhe ein ruhiges pietätvolles Umfeld und ausreichend Abstand zu industriellen Nutzungen. Das fehle im konkreten Fall, argumentierte das Gericht. Bereits 2009 hatte der Verwaltungsgerichtshof entschieden, dass die Krypta gebietsunverträglich und deswegen unzulässig ist. Als die Kirchengemeinde in Revision ging, forderte das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig den VGH auf, die örtlichen Gegebenheiten näher zu prüfen, weil dort bereits eine Kirche existiere. Die Krypta sollte als Begräbnisstätte mit zehn Grabkammern für verstorbene Pfarrer der Gemeinde dienen. Im Jahr 2005 hatte die Kirchengemeinde einen Bauantrag gestellt und zur Begründung auf die verbindliche Tradition verwiesen, wonach syrisch-orthodoxe Geistliche nicht auf öffentlichen Friedhöfen, sondern möglichst unter dem Altar der eigenen Kirche begraben werden müssten. Es handelt sich nach Angaben des Mannheimer Gerichts um den ersten Fall dieser Art in Deutschland. Andere syrisch-orthodoxe Gemeinden bestatten ihre Pfarrer in einem der syrisch-orthodoxen Klöster. epd-Wochenspiegel | AUSGABE OST Nr. 35_2011 Seite _20 KIRCHEN SOZIALES GESELLSCHAFT UMWELT KULTUR ENTWICKLUNG Sächsische Aktion »Perspektivwechsel« bietet neue Einblicke Dresden (epd). Ungewöhnliche Einblicke für einen Tag: Knapp 90 Politiker sowie Mitarbeiter aus Verwaltung, Wirtschaft und Krankenkassen nehmen seit Montag an der dritten sächsischen Aktion »Perspektivwechsel« teil. Sie arbeiten in sozialen Einrichtungen und werden dort in die Arbeit eingebunden, wie die Liga der Freien Wohlfahrtspflege in Dresden mitteilte. Zum Eröffnungstag fand sich unter anderem die stellvertretende Bundesvorsitzende der Linkspartei, Katja Kipping, in einem Dresdner Seniorenzentrum ein. Sachsens CDU-Fraktionsvorsitzender Steffen Flath war zu Gast in einem Bärensteiner Altenheim (Erzgebirgskreis). Die Beteiligten sollen sehen, wie sich politische Entscheidungen in der Sozialpolitik auswirken, sagte Liga-Vorsitzender Rüdiger Unger. Gleichzeitig solle auf den absehbaren Mangel von Fachkräften in der Pflege aufmerksam gemacht werden. Zumeist für diese Woche haben sich allein 58 Abgeordnete des sächsischen Landtags angemeldet, außerdem Mitglieder des Bundestags sowie der Präsident des Sächsischen Städte- und Gemeindetags, Christian Schramm. Gestaffelt für jeweils einen Tag verlassen sie das Büro und erleben den Alltag in Kindergärten, Behindertenwerkstätten- und Wohnheimen, Begegnungsstätten, Familienzentren oder in einem Hospizverein. Es seien dort keine »protokollarischen Veranstaltungen« geplant, sagte Unger. Soweit möglich arbeiteten die Teilnehmer dort praktisch. Mit Kassenvertretern könne anhand der Erfahrungen zum Beispiel darüber gesprochen werden, ob eine ausreichende ambulante Pflege im »Sekundentakt« möglich sei, betonte er mit Blick auf die engen Vorgaben bei der Kostenerstattung. Unger verwies zudem auf das steigende Interesse am »Perspektivwechsel«. 2009 wurden 35 Teilnehmer gewonnen, 2010 waren es bereits 48. Der parlamentarische Geschäftsführer der CDULandtagsfraktion, Christian Piwarz, regte eine Aktion in der »Gegenrichtung« mit einem Tag Arbeit bei Berufspolitikern an. Es gebe viele Klischees und Vorurteile über deren Alltag auszuräumen. Konkrete Pläne für eine Aktion existierten noch nicht. Unter seinen Kollegen sei aber der Wille dafür vorhanden, betonte er. Die Liga der Freien Wohlfahrtspflege ist ein Zusammenschluss mehrerer Verbände, darunter des Deutschen Roten Kreuzes, der Diakonie, des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes und der Caritas. Nach Liga-Angaben arbeiten in Sachsen rund 80.000 Fach- und Hilfskräfte in der Wohlfahrtspflege. Gesundheit von Kindern Leipziger Forscher beginnen Langzeit-Studie mit sozialer Interaktion stehen, herausgefiltert werden, erklärte Hiemisch. Psychische Gewalt, Hänseleien und körperliche Auseinandersetzungen gelten als wichtige Faktoren bei der Entstehung von Übergewicht oder psy- Halle/Leipzig (epd). Die Universität Leipzig will in einer breit angelegten Studie mit rund 15.000 Kindern und Jugendlichen die Ursachen von Zivilisationskrankheiten erforschen. Der Leiter der LIFE-Child Studienambulanz der Universität, Andreas Hiemisch, sagte dem epd am Donnerstag, dass die geplante Studie deutschlandweit einmalig sei. »Es gibt viele Untersuchungen über die Zunahme von Zivilisationskrankheiten, aber nur wenige über deren Entstehung und keine, die sich über einen so langen Zeitraum erstreckt«, sagte er. Komplette Schulklassen sollen innerhalb von zehn Jahren mehrfach erfasst werden. Mit der Einbindung ganzer Klassenverbände sollen Informationen über Krankheiten, die im Zusammenhang chischen Störungen. Anderseits wirke eine gefestigte soziale Position eines Schülers im Klassenverband wie ein Schutz bei seiner psychischen und körperlichen Entwicklung. Auch der Gebrauch von elektronischen Medien soll untersucht werden. Kinder und Jugendliche lebten im Internet andere Persönlichkeiten aus und verließen zunehmend die „normale" Sozialisation, sagte Hiemisch. Die Folgen dieser Entwicklung seien weitgehend unbekannt. Laut Hiemisch sind mittlerweile rund 20 bis 30 Prozent der Jungen und Mädchen übergewichtig. Etwa eben so viele zeigten psychische Auffälligkeiten, wie zum Beispiel Depressionen. Der Anteil der Allergiker liege bei rund 10 Prozent. epd-Wochenspiegel | AUSGABE OST Nr. 35_2011 AUSLAND SOZIALES Seite _21 KIRCHEN SOZIALES GESELLSCHAFT UMWELT KULTUR ENTWICKLUNG Suchtexperten fordern Schockfotos auf Zigarettenpackungen Berlin/Heidelberg (epd). Suchtexperten sprechen sich für Schockfotos auf Zigarettenpackungen als Mittel der Abschreckung aus. »Die Politik muss endlich handeln«, sagte die Heidelberger Krebsforscherin Martina PötschkeLanger dem Berliner »Tagesspiegel am Sonntag«. Es sei wissenschaftlich nachgewiesen, dass bildgestützte Warnungen effektiv seien und insbesondere Jugendliche vom Rauchen abhalten könnten. Dass Deutschland immer noch auf EU-Vorgaben warte, während andere europäische Staaten längst reagiert und die Fotos auf ihren Zigarettenpackungen hätten, sei nicht nachvollziehbar, kritisierte die Medizinerin und Präventionsexpertin. Die Fotos zeigen beispielsweise Raucherlungen, angefaulte Zähne oder Leichen mit zugenähtem Brustkorb. Nach Angaben des Deutschen Krebsforschungszentrums gibt es sie bereits auf Zigarettenpackungen in mindestens sechs EU-Ländern, darunter Belgien, Großbritannien und Frankreich. In einem halben Dutzend weiterer Länder seien sie in Vorbereitung. Die Drogenexpertin der SPD-Fraktion, Angelika Graf, unterstützte die Forderung. Sie würde sich wünschen, »dass Deutschland endlich auch den Weg geht, den andere Länder gehen«, sagte sie derselben Zeitung. Leider lasse die Drogenbeauftragte der Regierung, Mechthild Dyckmans, entsprechendes Engagement vermissen. Die FDP-Politikerin plädiere für freiwillige Regelungen, »wo man längst die Keule auspacken muss«. Für die Einführung von Schockfotos in Deutschland gebe es bislang keine konkreten Pläne, hieß es laut Zeitungsbericht im Büro der Bundesdrogenbeauftragten. Man warte noch auf entsprechende Evaluationen und Richtlinien aus Brüssel. Dyckmans Vorgängerin Sabine Bätzing (SPD) hatte abschreckende Bilder auf Zigarettenpackungen den Angaben zufolge bereits für 2010 in Aussicht gestellt. Schriftliche Warnhinweise sind den Zigarettenherstellern in Deutschland bereits seit Juli 2004 vorgeschrieben. Sächsische Diakonie Studien belegten. Zugleich forderte der evangelische Wohlfahrtsverband einen »Richtungswechsel«. Neben regulären Jobs müssten bei Langzeitarbeitslosen auch der Vor Einschnitten bei Langzeitarbeitslosen gewarnt Radebeul (epd). Die Diakonie Sachsen hat vor Einschnitten bei der Förderung von Langzeitarbeitslosen und EinEuro-Jobbern gewarnt. Die von der Bundesregierung geplante »Instrumentenreform« und weitere Einsparungen schränkten die Möglichkeiten für Arbeitsgelegenheiten »dramatisch« ein, heißt es in einer am Donnerstag in Radebeul verbreiteten Erklärung. Direktor Christian Schönfeld sprach von »sozialem Sprengstoff«. Der Diakonie zufolge sollen die Hilfen zur Eingliederung um 40 Prozent sinken und nur noch jenen mit schnellen Vermittlungschancen zur Verfügung stehen. »Alle anderen fallen durchs Raster.« Gerade schwer Vermittelbare bräuchten aber eine qualifizierte fachliche und sozialpädagogische Betreuung. Die Diakonie verwies darauf, dass es für die Beschäftigung von Ein-Euro-Jobbern zukünftig deutlich weniger Zuschüsse gebe. Diakonie-Direktor Christian Schönfeld warnte davor, Langzeitarbeitslose weiter an den Rand zu drängen. Dauerhafte Beschäftigungslosigkeit mache krank, wie viele AUSLAND SOZIALES Erhalt ihrer Beschäftigungsfähigkeit und soziale Teilhabe als Grundziel im Sozialgesetzbuch II festgelegt werden. Lebenshilfe Geschäftsführer Lachwitz tritt in Ruhestand Marburg/Berlin (epd). Der Geschäftsführer der Bundesvereinigung Lebenshilfe für Menschen mit geistiger Behinderung, Klaus Lachwitz, ist in den Ruhestand verabschiedet worden. Die neue Doppelspitze in der Bundesgeschäftsführung der Lebenshilfe bilden jetzt Ulrich Bauch und die Medizinerin Jeanne Nicklas-Faust, teilte die Lebenshilfe am Montag in Berlin mit. Der 65-jährige Lachwitz aus Rauischholzhausen bei Marburg werde sich als ehrenamtlicher Präsident des Weltverbandes Inclusion International weiterhin für behinderte Menschen einsetzen. Die Organisation hat ihren Sitz in London und vertritt mehr als 200 Mitgliedsverbände in 115 Ländern. epd-Wochenspiegel | AUSGABE OST Nr. 35_2011 Seite _22 KIRCHEN SOZIALES GESELLSCHAFT UMWELT KULTUR ENTWICKLUNG AUSLAND SOZIALES Kampf dem Menschenhandel Diakonie und Kirchen wollen mit EU-Hilfe Netzwerk aufbauen Bremen (epd). Menschenhandel verhindern und Opfer unterstützen: Mit diesem Ziel wollen Kirchen und Diakonie mit EU-Hilfe ein internationales Netzwerk mit Partnern hauptsächlich in Rumänien und Deutschland aufbauen. »Dabei geht es ganz allgemein um Menschenhandel zur Ausbeutung der Arbeitskraft in der Pflege, auf dem Bau und im Haushalt«, sagte die nationale Koordinatorin des Modellprojekts, Doris Köhncke, am Freitag in Bremen. »Ausbeuterische Jobs gibt es aber auch in der Landwirtschaft, in Restaurantküchen und im Transportwesen.« Auch sexuelle Ausbeutung durch Zwangsprostitution ist ein Thema, das bei dem zweijährigen Projekt eine Rolle spielt. »Wer zu lange arbeiten muss, keinen Arbeitsschutz hat und wenig oder auch gar keinen Lohn erhält, ist ausbeuterischen Arbeitsverhältnissen ausgesetzt«, erläuterte Köhncke. Behörden und Gewerkschaften sehen in den Betroffenen in der Regel kriminelle Schwarzarbeiter. »Wir wollen eine andere Perspektive einnehmen, denn eigentlich sind sie Opfer einer Ausbeutung, die nichts anderes als eine massive Menschenrechtsverletzung ist.« Information im Mittelpunkt Deshalb spielt Information eine wichtige Rolle - gegenüber den Opfern genauso wie gegenüber Gewerkschaften und Behörden. Das Projekt wird von der EU mit knapp 280.000 Euro gefördert und wurde von der Ökumenischen Vereinigung von Kirchen in Rumänien initiiert. Weitere Partner sind die Stiftung Lampas aus Rumänien und der Verein für Internationale Jugendarbeit in Stuttgart. In der Projektphase bis 2013 arbeiten Beratungsund Präventionsstellen in Bremen und Stuttgart mit rumänischen Initiativen in Oradea und Iasi zusammen. Missbrauch Opfer fordern Wahl eines Bundesbeauftragten Berlin (epd). Vertreter von Missbrauchsopfern haben einen Bundesbeauftragten gegen sexualisierte Gewalt und sexuellen Missbrauch gefordert. Wenn die gegenwärtige unabhängige Beauftragte, Christine Bergmann, im Oktober aus ihrem Amt ausscheide, müsse ihre Arbeit in anderer Form fortgesetzt werden, erklärte die Bundesinitiative der Betroffenen von sexualisierter Gewalt Wer bei Razzien von Zoll und Polizei aufgegriffen werde, wolle in der Regel nicht als Zeuge aussagen, sagte die Stuttgarter Beraterin Maria Livia Simo. Ihre Bremer Kollegin Sagitta Paul ergänzte, mit dem Projekt wollten die Partner Informationen zusammentragen, wie Menschenhandel funktioniere, wie Opfern geholfen werden könne und wie überhaupt erst ein Kontakt möglich sei. Das könne beispielsweise über Ärzte, eine Kleiderkammer oder Kirchengemeinden geschehen. »Die Hilfe spricht sich rum«, zeigte sich Köhncke überzeugt. Beratungsstellen werden vernetzt Bestehende Beratungsstellen sollen dabei miteinander verbunden werden. So haben evangelische Kirche und Innere Mission in Bremen eine Beratungsstelle für Opfer von Menschenhandel und Zwangsprostitution gegründet. Im Stuttgarter Fraueninformationszentrum leitet Simo seit einiger Zeit unter dem Titel »FairCare« eine Beratungsstelle für Menschen, die etwa in der häuslichen Pflege ausgebeutet werden. Viele der Opfer von Menschenhandel und Zwangsprostitution sind osteuropäische Frauen. Sie werden unter Vorspiegelung seriöser Arbeitsangebote nach Deutschland gelockt. Schleuserbanden nehmen ihnen ihre Pässe ab und setzen sie psychisch und physisch unter Druck. Die Frauen werden meistens von der Polizei bei Razzien aufgegriffen und sind dann nach Angaben der Bremer Beratungsstelle meist körperlich und psychisch am Ende. Internet: www.vij-stuttgart.de; www.inneremissionbremen.de; weitere Kontakte über die Hotline 0800/9955600 und 0421/3496725 und Missbrauch im Kindesalter am Donnerstagabend in Berlin. Die Wahl eines solchen Beauftragten durch den Bundestag - wie im Falle des Wehrbeauftragten - würde die Anerkennung der gesellschaftlichen Bedeutung dieser Aufgabe signalisieren. Die Hotline, die Bergmann eingerichtet hat, solle dauerhaft als Erstanlaufstelle für Missbrauchsopfer erhalten werden, forderte die Bundesinitiative weiter. Bisher sei diese Arbeit nur bis zum Oktober gesichert. In der Bundesinitiative haben sich mehrere Betroffenen-Vereine sowie Einzelpersonen zusammengeschlossen, die auch epd-Wochenspiegel | AUSGABE OST Nr. 35_2011 Seite _23 KIRCHEN SOZIALES GESELLSCHAFT am Runden Tisch gegen Missbrauch mitarbeiten, den die Bundesregierung eingerichtet hat. Die Vorsitzende der Bundesinitiative, Kathrin Radke, sagte, die Bundesregierung müsse nun das Vertrauen rechtfertigen, das Tausende von Menschen gezeigt hätten, die sich in den vergangenen 15 Monaten an die Hotline gewendet haben. Die Anlaufstelle müsse zudem zu einer Clearingstelle und einem Informationsportal für Hilfesuchende ausgebaut werden. Demonstration Protest für mehr Geld in der Pflege Kiel (epd). Eine bundesweite Protestwelle gegen die Unterfinanzierung der Pflege ist am Freitag in Kiel gestartet worden. Insbesondere die Situation in Krankenhäusern sei dramatisch, der Fachkräftemangel und die Belastung der Arbeitnehmer nehme stetig zu, kritisierte der Präsident des Deutschen Pflegerates, Andreas Westerfellhaus. UMWELT KULTUR ENTWICKLUNG An der Demonstration nahmen nach Angaben der Organisatoren 2.500 Menschen teil. Zu den Protesten hatten Pflegeverbände und Gewerkschaften aufgerufen. Nach Angaben von Westerfellhaus wurden seit 1995 bundesweit über 50.000 Stellen in der Pflege abgebaut, während gleichzeitig die Fallzahlen um eine Million Patienten stiegen. In Deutschland arbeiten 1,2 Millionen Menschen im Pflege- und Hebammenwesen. Auf der Kundgebung kritisierte die Vorsitzende der Krankenhausgesellschaft Schleswig-Holstein, DiakonieLandespastorin Petra Thobaben, eine zu niedrige Vergütung für die Krankenhäuser. »Das können wir uns nicht mehr gefallen lassen«, rief sie den Demonstranten zu. Die Nord-Kliniken erhalten im Schnitt 2.884 Euro pro medizinischer Leistung, die Kliniken in Bayern hingegen 2.982 Euro. Die Krankenhäuser in Rheinland-Pfalz kassieren sogar 3.130 Euro. Nach den Worten von Westerfellhaus finden in den kommenden Wochen weitere Pflege-Demos in anderen Bundesländern statt. AUSLAND SOZIALES Auch Armenbestattungen dürfen teuer sein Bundessozialgericht entscheidet im Rechtsstreit mit Koblenzer Sozialgericht Kassel (epd). Armenbestattungen müssen nicht immer billig sein. Das Sozialamt muss unter Umständen auch dann die vollen Kosten übernehmen, wenn es die Beerdigungskosten für unangemessen hoch hält. Denn den trauernden Angehörigen sei es nicht immer zuzumuten, dass sie Vergleichsangebote über die günstigsten Bestattungen einholen, entschied das Bundessozialgericht (BSG) am Donnerstag in Kassel (AZ: B 8 SO 20/10 R). Welcher Betrag bei einer Bestattung noch als angemessen gilt und vom Sozialamt zu zahlen ist, könne nicht »punktgenau« festgelegt werden, sagten die Richter in ihrem Urteil. Entscheidend sei, wie eine einfache Bestattung »ortsüblich« aussieht. Im konkreten Fall war eine Arbeitslosengeld-IIBezieherin vor Gericht gezogen, deren Ehemann bei einem Autounfall tödlich verunglückt war. Die Bestattungskosten konnte die Frau nicht aufbringen und wandte sich daher ans Sozialamt der Stadt Koblenz. Der von ihr beauftragte Bestattungsunternehmer hatte für die Beerdigung 1.507 Euro in Rechnung gestellt. Für den Grabkauf forderten die Städtischen Eigenbetriebe weitere 1.565 Euro. Das Polizeipräsidium Koblenz verlangte für die Überführung des Verstorbenen vom Unfallort zur Leichenhalle 263 Euro. Die Stadt Ko- Vorbereitung einer Trauerfeier im sächsischen Lohmen epd-bild / Rainer Oettel blenz hielt die Bestattungskosten von mehr als 3.300 Euro für viel zu hoch. 956 Euro müsse die Frau daher selbst übernehmen. Eine einfache und würdige Bestattung sei mit den städtischen Sätzen aber nicht zu machen, entgegnete die Witwe. So beliefen sich die Kosten für die Sargträger auf 140 Euro, die Stadt zahle nur 88,16 Euro. Die Kosten für die hygienische Versorgung des Leichnams würden gar nicht übernommen. epd-Wochenspiegel | AUSGABE OST Nr. 35_2011 Seite _24 KIRCHEN SOZIALES GESELLSCHAFT UMWELT KULTUR ENTWICKLUNG Detailfragen sind zu klären Die Witwe kann nach dem BSG-Urteil mit einer höheren Kostenübernahme durch den Sozialträger rechnen. Allerdings hat das BSG dem Landessozialgericht (LSG) Rheinland-Pfalz aufgetragen, weiteren Detailfragen in dem konkreten Fall nachzugehen. So muss das Gericht klären, ob eine Sterbeversicherung vorlag oder die Witwe etwas geerbt hat. Treffe dies zu, müssten erst davon die Kosten bezahlt werden. Unklar sei auch, was genau zu einer würdigen einfachen Bestattung in Koblenz gehört. So orientieren sich die Bestattungs-Vergütungssätze der Stadt Koblenz am Ordnungsrecht. In einer entsprechenden Richtlinie wur- den dabei die zu übernehmenden Bestattungskosten für Verstorbene ohne Angehörige aufgeführt. Die zu erstattenden Sätze im Sozialrecht könnten aber höher sein, wenn noch trauernde Angehörige vorhanden sind, so das BSG. Die Witwe hatte zudem angegeben, dass sie sich bei der Stadt Koblenz um eine Information über die zu übernehmenden Bestattungskosten bemüht habe. Sie habe nur keine Antwort erhalten. Treffe dies zu, befand das BSG, könne die Stadt zur Übernahme der gesamten Bestattungskosten verpflichtet sein. Denn die Behörde müsse nach dem Gesetz umfassend beraten und informieren. Urteil Ob im konkreten Fall der Ein-Euro-Job der Klägerin tatsächlich »zusätzliche« Arbeiten umfasste, welche reguläre Reinigungskräfte nicht ausüben, ist vom Landessozialgericht Baden-Württemberg nicht festgestellt worden. Das BSG verwies das Verfahren zur Klärung des Sachverhalts zurück. Jobcenter muss bei rechtswidrigen Ein-Euro-Jobs zahlen Kassel (epd). Das Bundessozialgericht in Kassel hat ein Signal gegen den Missbrauch von Ein-Euro-Jobs gesetzt. Wenn Jobcenter rechtswidrige Ein-Euro-Jobs vermitteln, können Arbeitslosengeld-II-Empfänger mehr Geld für ihre Arbeit fordern, entschied das Gericht (Az.: B 4 AS 1/10 R) am Samstag. Der 4. Senat stellte damit klar, dass grundsätzlich die Behörde und nicht der Arbeitgeber für mögliche zusätzliche Zahlungen an Ein-Euro-Jobber aufkommen muss. Im konkreten Fall wurde die Klägerin, eine Hartz-IVBezieherin aus Karlsruhe, 2005 von ihrem Jobcenter aufgefordert, sich beim AWO Kreisverband Karlsruhe-Stadt zu melden, wo sie einen Ein-Euro-Job als Reinigungskraft antrat. Mit der Mehraufwandsentschädigung von zwei Euro pro Stunde gab sie sich aber nicht zufrieden. Sie mache dieselbe Arbeit wie tariflich bezahlte Angestellte, erklärte sie. Die AWO argumentierte, dass keine reguläre Stelle abgebaut worden sei und Ein-Euro-Jobs laut Gesetz nicht als Arbeitsverhältnis zu werten seien. Es gebe daher auch keinen Arbeitsvertrag, der die AWO zur Zahlung verpflichte. Der 4. Senat des Bundessozialgerichts bestätigte diese Auffassung: Die AWO sei lediglich »Verwaltungshelfer« des Jobcenters gewesen. Das Jobcenter sei allein für die Eingliederungsleistungen verantwortlich. Vermittle die Behörde rechtswidrige Ein-Euro-Jobs, müsse sie folglich an den Arbeitslosen Ersatz für die abgeleistete Arbeit zahlen. AUSLAND SOZIALES Urteil Behindertenfahrdienst unterliegt Rundfunkgebührenpflicht Würzburg (epd). Die Johanniter Unfall Hilfe muss für ihre im Behindertenfahrdienst eingesetzten Fahrzeuge weiterhin Rundfunkgebühren bezahlen. Das Verwaltungsgericht Würzburg lehnte die Klage der Johanniter auf eine Befreiung von der Gebührenpflicht als unbegründet ab, teilte das Gericht mit. Es ließ jedoch wegen der »grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache« die Revision vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig zu. (AZ: W 3 K 11.351, W 3 K 11.352, W 3 K 11.353) Die Johanniter Unfall Hilfe (JUH) will nun über das weitere Vorgehen entscheiden. Sie hatte gegen den Bayerischen Rundfunk (BR) auf Befreiung von der Gebührenpflicht im Behindertenfahrdienst geklagt. Die Hilfsorganisation zahlt für die Rundfunkgeräte in den Fahrzeugen der Standorte Miltenberg, Würzburg und Schweinfurt bisher jährlich rund 7.000 Euro Rundfunkgebühren. Laut Rundfunkgebührenstaatsvertrag können Einrichtungen für behinderte Menschen von der Gebührenpflicht befreit werden. Als zuständige Landesrundfunkanstalt hatte der BR eine Befreiung der Johanniter jedoch abgelehnt. Im Staatsvertrag heiße es, Voraussetzung für eine Befreiung sei, dass die Radiogeräte vom »jeweiligen Rechtsträger« der Einrichtung bereitgehalten epd-Wochenspiegel | AUSGABE OST Nr. 35_2011 Seite _25 KIRCHEN SOZIALES GESELLSCHAFT werden. Das sei bei den Johannitern nicht der Fall, da sie nur den Fahrdienst, nicht jedoch die Einrichtungen selbst betrieben. Darauf hoben auch die Würzburger Richter in ihrer Begründung ab. Die Johanniter verwiesen in ihrer Klage darauf, dass das Bundesverwaltungsgericht im April 2010 geurteilt hatte, dass die Fahrzeuge von zwei gemeinnützigen Trägern von Behinderteneinrichtungen von der Rundfunkgebührenpflicht befreit werden müssten (BVerwG 6 C 6.09). Allerdings waren in diesem Fall die Fahrzeuge direkt auf die klagende Behinderteneinrichtung zugelassen. Bei einer Revision vor dem Leipziger Gericht müssten die Richter klären, ob dieser Unterschied relevant ist. UMWELT KULTUR ENTWICKLUNG Die Anwältin der JUH hatte darauf hingewiesen, dass früher auch die Fahrzeuge für Behinderteneinrichtungen explizit von Gebühren befreit gewesen seien. Der Passus sei wohl »aus Versehen« aus dem jetzt gültigen Vertrag herausgefallen. Auch andere Sozialverbände mit Fahrdiensten zahlen derzeit Gebühren für ihre Fahrzeuge. Momentan sind dies 5,76 Euro pro Monat je Fahrzeug mit Autoradio. 2013 soll das System der Rundfunkgebühren reformiert werden. Dann müssen gemeinnützige Vereine nur noch für jeweils ein Fahrzeug den Rundfunkbeitrag zahlen. AUSLAND SOZIALES Eine Spritze für Pudelmädchen Dorine Für die Behandlung der Hunde von Wohnungslosen sind Tierärzte auf Spenden angewiesen Frankfurt a.M. (epd). Sanft streicht Tierärztin Maja Firlé dem Irish Setter über die rechte Weiche: »Don hat starke Schmerzen. Das Kreuzband ist gerissen, der Muskel hat sich zurückgezogen. Ich muss operieren.« Doch die Operation kostet 800 Euro. So viel Geld hat keiner der Männer und Frauen, die sich mit ihren Vierbeinern wie immer am ersten Samstag des Monats in der Frankfurter City an der Hauptwache versammelt haben. Sie sind wohnungslos und müssen mit Hartz-IV-Bezügen von 364 Euro monatlich auskommen. Schon seit Jahren hatte sich die Tierärztin aus Belgrad gefragt, wie die Hunde der Wohnungslosen, die voller Parasiten waren, medizinisch versorgt würden. »Gar nicht«, lautete stets die Antwort. Maja Firlé, die ihre deutsche Approbation an der Veterinärmedizinischen Fakultät Gießen erhalten hatte, beschloss ihnen zu helfen. Sie klinkte sich zunächst in die Szene der Punks ein und behandelte deren Hunde zu einem Minimalsatz oder auf Ratenzahlung. Eine kostenlose Behandlung lässt die Tierärztekammer auch in Härtefällen nicht zu. Die Dankbarkeit der Punks und Wohnungslosen, für die ihr Hund oft der einzig verlässliche Partner ist, bedeutet Firlé viel. Tierschutzpreis des Landes Hessen Doch die Veterinärin stieß unter ihren Kollegen auf Misstrauen. Daher gründete sie 2008 mit Gleichgesinnten einen Verein: Die »Soziale Tier-Not-Hilfe« kommt seitdem für die Kosten der Behandlung und der Medikamente auf. Das Land Hessen hat dieses Engagement im Die Tierärztin Maja Firlé untersucht das Gebiss eines Hundes in der B-Ebene an der Hauptwache in Frankfurt. Die Veterinärin behandelt immer am ersten Samstag im Monat Tiere, deren Herrchen und Frauchen sich keinen Tierarzt leisten können. epd-bild / Thomas Rohnke vergangenen Jahr mit dem Hessischen Tierschutzpreis honoriert. Doch die 2.600 Euro waren nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Der Verein finanziert sich vor allem durch Spenden und Mitgliedsbeiträge. Das Bundesland Nordrhein-Westfalen war da spendabler. Mit 70 Prozent hat das Land die 2005 gestartete Tiersprechstunde des »Underdog«-Pilotprojekts der Düsseldorfer Obdachlosenhilfe »fiftyfifty« unterstützt. Allerdings nur als Anschubfinanzierung über drei Jahre. Mittlerweile sind die fünf ehrenamtlichen Tierärzte des Vereins ebenfalls auf Spenden angewiesen. Immerhin konnten sie aus den Räumen der Wohnungslosenberatungsstelle in einen Bus umsteigen, um die Tiere vor Ort zu behandeln. epd-Wochenspiegel | AUSGABE OST Nr. 35_2011 Seite _26 KIRCHEN SOZIALES GESELLSCHAFT Die Grundversorgung sei kostenlos, sagt Projektleiterin Julia von Lindern. Die Hunde werden geimpft und entwurmt. Doch jeder dritte Hundehalter muss zuzahlen: etwa für Operationen oder bei der Behandlung von dauerhaften Herzfehlern. Dennoch sind die Düsseldorfer guten Mutes. Vor allem seit sie in dem Dortmunder Verein »Dodog« und in der Kölner Wohnungslosenberatungsstelle »Gulliver« Kooperationspartner gefunden haben. »Wir sehen die Hunde auch als Brücke zum Menschen«, sagt Julia von Lindern. Noch ein Jahr eher als die Düsseldorfer, nämlich 2004, hatten die »Menschen für Tierrechte« in Saarbrücken als erster Verein bundesweit mit der tiermedizinischen Versorgung von Obdachlosen-Hunden begonnen. Wer sich als wohnungslos ausweisen kann, erhält einen Bezugsschein für einen Tierarzt seiner Wahl. Die Tierärzte rechnen dann mit dem Verein ab. »Allerdings war das der Bevölkerung zunächst schwer zu vermitteln«, sagt Vereinsvorstand Rolf Borkenhagen. UMWELT KULTUR ENTWICKLUNG Auch in Berlin und Köln kümmern sich nach seiner Auskunft die »Menschen für Tierrechte« um die Gesundheit der wohnungslosen Vierbeiner. In Hamburg bietet das Tierheim kostenlose Operationen und Behandlungen von Verletzungen an. Für die Prophylaxe wie Impfungen und Entwurmungen müssen die Wohnungslosen einen Minimalsatz zahlen. »Auch Überwinterungsmöglichkeiten haben wir hier«, sagt Mitarbeiter René Olhöft vom Hamburger Tierschutzverein. Allerdings würden diese nur ungern wahrgenommen. »Der Nächste bitte!« ruft Maja Firlé in die Runde, die an der Frankfurter Hauptwache diszipliniert wartet. Das Pudelmädchen Dorine ist schon geimpft, »Blutrausch«, der junge unerfahrene Mischling, zerrt an der Leine. Bei Buddy, einem weißen Labrador, hat sich eine Bisswunde entzündet. Maja Firlé kümmert sich auch darum. »Ich liebe meinen Beruf«, sagt die Tierärztin. Internet: www.tier-not-hilfe.de; www.fiftyfiftyunderdog.de Von Claudia Schülke (epd) AUSLAND SOZIALES Siggelkow beklagt »Wohlstandsverwahrlosung« Buch »Generation Wodka« prangert Komasaufen an / Werbeverbot für Alkohol gefordert Berlin (epd). Ein neues Buch zum »Komasaufen« bei Jugendlichen fordert, den Konsum von Alkohol aus dem öffentlichen Raum zu drängen. Sich zu besaufen, zu erbrechen und weiterzutrinken sei für viele Jugendliche zum Volkssport geworden, warnte Bernd Siggelkow, einer der Autoren des Buches »Generation Wodka«, am Dienstag in Berlin. In dem Buch werden daher ein Alkoholverbot in der Öffentlichkeit, eine Promillegrenze im öffentlichen Nahverkehr sowie ein Werbeverbot für Alkohol gefordert. Die Autoren zitieren unter anderem eine Studie der DAK, nach der bereits zehn Prozent der Kinder unter zwölf Jahren jede Woche Alkohol trinken. Dabei nehme der Konsum von Bier und Wein bei Jugendlichen ab, der von harten Alkoholika aber deutlich zu, heißt es in dem Buch. Dies sei beileibe kein Phänomen der »Unterschicht«, sagte Siggelkow, der in Berlin das christliche Kinder- und Jugendhilfswerk »Die Arche« gegründet hat. Es herrsche eine »Wohlstandsverwahrlosung«. Viele Kinder hätten genügend Geld, aber die Eltern keine Zeit, um sich um deren Aufklärung zu kümmern. Die Schauspielerin Veronica Ferres, die als Gast an der Buchvorstellung teilnahm, nannte die Ausmaße des Alkoholkonsums bei Kindern und Jugendlichen schockierend. Viele zerstörten durch den Alkohol schon in jungen Jahren ihre Gesundheit und Berufsfähigkeit, sagte sie. Die nachfolgende Generation müsse für die Kosten aufkommen. Vielleicht sie dies ein »Ansatzpunkt für Politiker, das Thema ernst zu nahmen«, sagte Ferres. Der Verleger des Buches, Ralf Markmeier vom adeoVerlag, sagte, die Forderung der Autoren, das »selbstverständliche Trinken« aus dem öffentlichen Leben zu verbannen, möge weltfremd erscheinen. Beim Rauchen habe eine ähnliche Debatte aber zum Erfolg geführt. Den Autoren gehe es nun entsprechend um ein »kraftvolles Signal« an die Gesellschaft. Literaturhinweis: Wolfgang Büscher, Bernd Siggelkow, Markus Mockler, »Generation Wodka: Wie unser Nachwuchs sich mit Alkohol die Zukunft vernebelt«, adeo-Verlag, 14,99 Euro epd-Wochenspiegel | AUSGABE OST Nr. 35_2011 Seite _27 KIRCHEN SOZIALES GESELLSCHAFT Anti-Islamierungs-Kongress Berliner Rechtspopulisten finden keinen Anklang Berlin (epd). Der sogenannte »Anti-IslamierungsKongress« der rechtspopulistischen Partei »Pro Deutschland« ist in Berlin kaum auf Interesse gestoßen. Zu einer Kundgebung in der Stadtmitte fanden sich laut Polizei am Sonntag 120 Anhänger ein, bei zwei islamfeindlichen Veranstaltungen am Vortag seien es etwa 35 gewesen. Eine davon wurde in Neukölln abgehalten, was auf den UMWELT KULTUR ENTWICKLUNG Protest von rund 150 Gegendemonstranten stieß. Auch der Demonstrationszug von »Pro Deutschland« am Sonntag vom Potsdamer Platz zum Brandenburger Tor war von Protesten des Bündnisses »Rechtspopulismus stoppen« begleitet. Deutlich mehr Zulauf fand am Samstag nahe dem Kurfürstendamm der Protest gegen die jährliche Pro-Palästina-Solidaritätskundgebung zu dem 1979 vom iranischen Revolutionsführer Ayatollah Khomeini ausgerufenen Al-Quds-Tag. Dazu versammelten sich laut Polizei mehrere hundert Teilnehmer. AUSLAND GESELLSCHAFT Migrantenvertreter kritisieren Berliner Integrationspolitik Berlin (epd). Die Berliner Integrationspolitik sorgt weiter für Unmut. Nach der Kritik zweier Berliner Bezirke am Integrationsbeauftragten Günter Piening haben jetzt Mitglieder des Landesintegrationsbeirates dessen Vorgesetzte, Sozialsenatorin Carola Bluhm (Die Linke), angegriffen. Sie habe das beratende Gremium zu einem »kritiklosen Einheitsblock reduziert«. Fördermittel würden nach Gutdünken an einzelne Communities vergeben, Manipulation und Mobbing gehörten zur Tagesordnung, heißt es in einer gemeinsamen Pressemitteilung von drei Migrantenvertretern aus dem Beirat am Donnerstag. Berlins Integrationsbeauftragter Piening, der dem Beirat als geschäftsführendes Mitglied angehört, wies die Vorwürfe als haltlos zurück. Die Kritik sei Ausdruck eines Konfliktes innerhalb der zwölf Migrantenvertreter und der »Selbstisolation«, sagte Piening dem epd. Auch die Vertreter des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) im Integrationsbeirat, Safter Cinar und Hilmi Kaya Turan, wiesen die Kritik der drei Migrantenvertreter als »völlig haltlos« und »aus der Luft gegriffen« zurück. Es habe keine wie auch immer geartete Einflussnahme durch den Senat oder durch Parteien gegeben, erklärten sie am Donnerstag. Zum seinem Förderprogramm, über das nicht der Beirat bestimme, sagte Piening: »Wir fördern nicht bestimmte Communities.« Aktuelle Schwerpunkte seines mit rund zwei Millionen Euro ausgestatteten Integrationsprogramms seien die Förderung der Elternarbeit in Schulen und Brennpunkte. Der Landesintegrationsbeirat ist ein beratendes Gremium unter Vorsitz der Senatorin. Die kurdische Vertreterin Nazire Karaman warf der im Hause Pienings sitzenden Geschäftsstelle des Beirates vor, einzelnen Migrantenvertretern systematisch Informationen vorenthalten zu haben und Beiratsbeschlüsse ignoriert zu haben. Sie erklärte ihren Rücktritt aus dem Gremium »wegen Manipulation der Geschäftsordnung und Benachteiligung von kritischen Beiratsmitgliedern«. Yonas Endrias und Mouctar Bah, gewählte Migrantenvertreter für die Region Afrika, Fernost, Süd-, Mittelund Nordamerika, zeigten sich enttäuscht, wie mit dem Thema Rassismus und Diskriminierung im Beirat umgegangen werde. So seien beispielsweise Vereine der Schwarzen Community an dem Aktionsplan gegen Rassismus nicht beteiligt worden, schreibt Mouctar Bah in seinem Rücktrittsschreiben an Senatorin Bluhm. Nach Ansicht von Endrias werden »bestimmte Communities« wie etwa der Türkische Bund BerlinBrandenburg überproportional gefördert, andere wie etwa die afrikanischen Gemeinschaften dagegen »marginalisiert«. Kritik wurde auch an der Sitzungsleitung des Stellvertreters von Bluhm als Beiratsvorsitzende, Hakan Tas, laut. Endrias wirft ihm zu große Nähe zur Partei Die Linke vor. Zudem kritisierten Endrias und Karaman die Atmosphäre in dem Gremium: Kritische Fragen seien nicht willkommen und inhaltliche Arbeit zu brennenden Fragen der Integration werde nicht diskutiert. Kritik an Berlins Integrationsbeauftragten Piening war bereits in der vergangenen Woche von Integrationsbeauftragten zweier Bezirke bekannt geworden. Die beiden Berliner Bezirke mit dem höchsten Migrantenanteil, Neukölln und Mitte, kündigten einem Zeitungsbericht zufolge deshalb die Zusammenarbeit mit dem Senatsbeauftragten auf. Sie wollen nicht mehr an den gemeinsamen Sitzungen der Integrationsbeauftragten der Bezirke mit Piening teilnehmen. Piening gehe es vor allem darum, integrationspolitische Stellungnahmen auf den Markt zu werfen, kritisierte der Integrationsbeauftragte von Neukölln, Arnold Mengelkoch. Die Sitzungen seien deshalb »reine Zeitverschwendung«. epd-Wochenspiegel | AUSGABE OST Nr. 35_2011 Seite _28 KIRCHEN SOZIALES GESELLSCHAFT UMWELT KULTUR ENTWICKLUNG AUSLAND GESELLSCHAFT Dem Mob nicht die Stadt überlassen Wolfgang Richter erlebte Ausschreitungen von Rostock-Lichtenhagen 1992 hautnah mit Rostock (epd). Insgesamt 18 Jahre lang war Wolfgang Richter Ausländerbeauftragter von Rostock. Ob er das Amt auch ohne die schweren Ausschreitungen vom August 1992 im Stadtteil Lichtenhagen über einen so langen Zeitraum ausgeübt hätte, ist schwer zu sagen. »Wahrscheinlich eher nicht«, meint er selbst. Doch in jenen Stunden in Lebensgefahr gab es einen Moment des Innehaltens, in dem sich Richter zwei Versprechen gab. In der Nacht vom 25. auf den 26. August 1992 schaute Richter aus dem Fenster. Ein Jahr vor den AusschreitunDer frühere Ausländerbeauftragte von Rostock, Wolfgang Richter gen in Lichtenhagen hatte er sich auf die epd-bild / privat Stelle des Ausländerbeauftragten beworben - auch aus Interesse an anderen Kulturen, fremden Menschen und ihren Lebenswelten, wie Manche Menschen reagieren in Ausnahmesituatioer sagt. Nun klopften auf der Freifläche vor dem Hausaufnen mit Panik oder fühlen sich gelähmt. Richter übernahm gang Menschen Steine aus der Straße, die sie zusammen Verantwortung. Zusammen mit einer Handvoll anderer mit Molotow-Cocktails in die unteren Stockwerke warfen. Eingeschlossener schaffte er es irgendwie, die unteren Er hörte Fensterscheiben unter ihm klirren, hörte die Stockwerke zu verbarrikadieren und anschließend einen Sprechchöre »Ausländer raus« und wie die Menge nach Ausweg über das Dach des Hauses zu finden. Die 150 jedem Wurf jubelte und klatschte. Mit ihm steckten 150 Menschen konnten sich über das Dach in einen anderen Menschen in dem brennenden Haus fest, vor allem vietHausaufgang retten. namesische Vertragsarbeiter, auch ein Kamerateam des Die Stunden in dem brennenden Haus, der Jubel ZDF und Angestellte des Bundesamtes für Migration und während gleichzeitig Menschen um ihr Leben kämpften Flüchtlinge. - das ist für Wolfgang Richter eine Geschichte geworden, Wolfgang Richter, ein großer schlanker Mann, damals die erzählt werden muss. Es sei schon eine Zäsur gewe36 Jahre alt, hatte Geografie und Geschichte studiert. sen, sagt er. Richter spricht von einem Erlebnis, das ihn »Pogrom«, das war für ihn ein Wort aus einer anderen geprägt habe und das die Zeit in ein Davor und ein Danach Zeit. Nun steckte er mitten drin in den wohl schlimmsteilt. Seit 19 Jahren trifft er sich mit Schicksalsgefährten ten fremdenfeindlichen Ausschreitungen der deutschen von damals, immer im August. Nachkriegsgeschichte. Eigentlich wollte er die EinschuEs hätte viele Wege geben können, mit dem Erlebten lung seines Sohnes feiern. Stattdessen verbrachte er drei umzugehen. Sich einen anderen Job zu suchen, kam für Nächte im Ausnahmezustand im »Sonnenblumenhaus«. Wolfgang Richter nicht in Frage. Er verlegte den SchwerIn der Nacht auf den 26. August stand Richter am punkt seines Aufgabenbereichs hin zu KoordinierungsFenster, unten die Gewalt und das Feuer, oben die hektiund Managementaufgaben, förderte die Entwicklung von sche Betriebsamkeit der Eingeschlossenen. Richter nahm Migrantenvertretungen und schuf stadtteilbezogene Besich zwei Versprechen ab: »Ich habe mir damals geschworatungsangebote. Seine Ideen fanden bundesweites Inren, alles dafür zu tun, dass die politischen Handlungsteresse. Mit seinen Mitstreitern reiste er in andere Bunträger zur Verantwortung gezogen werden, wenn ich hier desländer, um das Rostocker Modell vorzustellen. wieder lebend rauskommen sollte. Und ich habe beschlosDie Momente im Sonnenblumenhaus, so tragisch sie sen weiterzumachen, dem Mob auf der Straße diese Stadt waren, seien für das Erreichen seiner Ziele als Auslännicht und auch nicht dieses Land zu überlassen.« derbeauftragter vielleicht auch hilfreich gewesen, sagt Richter. Er könne nicht ausschließen, dass er durch die epd-Wochenspiegel | AUSGABE OST Nr. 35_2011 Seite _29 KIRCHEN SOZIALES GESELLSCHAFT UMWELT KULTUR ENTWICKLUNG Ausschreitungen Zugänge in Ministerien der Landesregierung, zu Staatssekretären und Ministern bekommen habe, man ihm das eine oder andere Mal ein bisschen länger und besser zuhörte. Arno Pöker (SPD), Rostocker Oberbürgermeister zwischen 1995 und 2004, relativiert diese Einschätzung. »Die Lichtenhagen-Karte hat Wolfgang Richter nie gespielt«, sagt er, »das hatte er gar nicht nötig«. Für ihn ist Richter ein Mann mit einer klaren Vision, der genau gewusst habe, was er wollte, »verlässlich, sehr verantwortungsvoll, hochpolitisch«. 19 Jahre später zeigt das Fenster seines ebenerdigen Büros auf eine große regennasse Straße in der Rostocker Innenstadt. Seit Januar 2010 ist er Bereichsleiter der Rostocker Gesellschaft für Gesundheit und Pädagogik, die unter anderem sieben Kindertagesstätten betreibt. Wolfgang Richter hatte das Bedürfnis noch einmal neu anzufangen, eine neue Aufgabe anzunehmen. Einiges hat sich geändert, der ausgebildete Lehrer hat jetzt wieder mehr mit Pädagogik als mit Migration zu tun. Aber an der Wand hängt immer noch ein Interkultureller Kalender. Anke Lübbert (epd) »Lichtenhagen bewegt sich« der Menschen im Nordosten stehe für ein weltoffenes und tolerantes Mecklenburg-Vorpommern. Dem Rechtsextremismus müsse entschieden begegnet werden. Zur Initiative »Lichtenhagen bewegt sich« gehören unter anderem der Ortsbeirat Lichtenhagen, die Vereine »Bunt statt braun« und »Dien Hong« und der Migrantenrat an. Bereits am Sonntag ist als nächste Veranstaltung unter dem Motto »Geht wählen!« ein Fahrradkorso durch Lichtenhagen geplant. Eine Woche vor der Landtagswahl soll damit dazu aufgerufen werden, seine Stimme am 4. September den demokratischen Parteien zu geben und Sellering lobt Rostocker Initiative gegen Rechtsextremismus Rostock (epd). Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsident Erwin Sellering (SPD) hat eine Rostocker Initiative gelobt, die die ausländerfeindlichen Ausschreitungen im Stadtteil Lichtenhagen vom August 1992 in den kommenden zwölf Monaten aufarbeiten und für Demokratie und Toleranz werben will. An den »furchtbaren Ereignissen« am »Sonnenblumenhaus« gebe es nichts zu beschönigen, zu rechtfertigen oder zu relativieren, sagte der Regierungschef am Freitag in Rostock bei der Auftaktveranstaltung der Initiative »Lichtenhagen bewegt sich miteinander füreinander«. Die Bilder aus Lichtenhagen seien bis heute in den Köpfen geblieben »und verpflichten uns in besonderer Weise«. Die Initiative wolle aus den damaligen Ereignissen lernen und das Miteinander der Nationalitäten, Kulturen und Religionen weiter fördern. »Rechtsextreme Hetzer, Schläger und Brandstifter sollen nie wieder eine johlende Menge hinter sich versammeln«, erklärte Sellering. Zugleich dankte er allen Menschen, die sich im Land für Demokratie und Toleranz einsetzen. Die große Mehrheit AUSLAND GESELLSCHAFT so zu verhindern, dass die NPD erneut in den Schweriner Landtag einzieht. Das sogenannte Sonnenblumenhaus in RostockLichtenhagen war in der Nacht zum 26. August 1992 Ziel ausländerfeindlicher Übergriffe geworden, die weit über Deutschland hinaus für Aufsehen sorgten. Damals hatten hunderte Jugendliche und Erwachsene, darunter viele Rechtsradikale, die Zentrale Aufnahmestelle für Asylbewerber sowie ein benachbartes Wohnheim für Vietnamesen belagert und aus der Menge heraus Steine und Brandsätze geworfen. Mehr als 100 Vietnamesen und ihre deutschen Helfer hatten sich nur durch Flucht auf das Dach des Hauses vor dem Feuer retten können. Prozess gegen »Hooligans Elbflorenz« in Dresden eröffnet Dresden (epd). Vor dem Landgericht Dresden ist der Prozess gegen fünf mutmaßliche Mitglieder der »Hooligans Elbflorenz« mit Verlesung der Anklageschrift eröffnet worden. Zuvor habe sich die Kammer aber mit einem Befangenheitsantrag konfrontiert gesehen, teilte ein Gerichtssprecher auf Anfrage am Mittwoch mit. Eine Entscheidung dazu stehe noch aus, sagte er. Den Männern wird die Bildung einer kriminellen Vereinigung sowie teilweise Landfriedensbruch und gefährliche Körperverletzung vorgeworfen. Bis kurz vor Weihnachten sind 30 Verhandlungstage angesetzt. Die Angeklagten sollen mehrfach gemeinschaftliche Prügeleien in verschiedenen Orten verabredet haben. Vor der Staatsschutzkammer wird auch der Angriff auf drei Dresdner Dönerläden während der Fußball- epd-Wochenspiegel | AUSGABE OST Nr. 35_2011 Seite _30 KIRCHEN SOZIALES GESELLSCHAFT EM im Juni 2008 verhandelt. Nach dem Halbfinalspiel Deutschland-Türkei überfielen damals mehrere Dutzend Hooligans und rechte Schläger die Gaststätten im Szeneviertel Neustadt. Die straff geplanten Angriffe dauerten nur einige Minuten und sorgten bundesweit für Empörung. Der Überfall beschäftigte das Landgericht bereits. Einer der Angeklagten, Willy K., wurde im März 2009 UMWELT KULTUR ENTWICKLUNG als Rädelsführer wegen schweren Landfriedensbruch zu zweieinhalb Jahren Gefängnis verurteilt. Bei den Ermittlungen verdichteten sich die Hinweise auf eine gezielt handelnde Gruppe mit mehreren Dutzend Mitgliedern. Ihr sollen unpolitische Gewalttäter, Rechtsextremisten und Angehörige der sogenannten Türsteherszene angehört haben. AUSLAND GESELLSCHAFT Prozess gegen 21-Jährigen nach Brandanschlag in Dresden Landgericht schließt Öffentlichkeit von Verhandlung aus Dresden (epd). Nach dem Brandanschlag auf ein linkes Wohnprojekt muss sich ein 21-Jähriger seit Donnerstag vor dem Dresdner Landgericht verantworten. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm zehnfachen Mordversuch in Tateinheit mit versuchter schwerer Brandstiftung vor. Der Beschuldigte wird der rechtsextremen Szene zugeordnet. Laut Anklage soll er am 24. August 2010 im Stadtteil Pieschen das auch als »RM 16« bezeichnete Haus angegriffen haben. Vor dem kleinen Verhandlungssaal mit nur wenig Zuschauerplätzen hatten sich zur Eröffnung zahlreiche Angehörige der linken Szene eingefunden. Nach einer längeren Unterbrechung schloss die Vorsitzende Richterin Michaela Kessler dann die Öffentlichkeit für die Dauer der Verhandlung aus. Zur Begründung sagte sie, dass sich der Heranwachsende vor den zahlreichen Beobachtern möglicherweise nicht traue, nähere Angaben zu machen und deswegen beeinflusst werde. Zuvor verlas die Staatsanwaltschaft die Anklageschrift. Demnach warf der Beschuldigte aus niederen Beweggründen am frühen Morgen eine Bierflasche mit brennbarer Flüssigkeit durch ein Fenster im zweiten Obergeschoss. Nur durch Zufall habe der Brandsatz nicht gezündet und lediglich einen Sachschaden von 50 Euro hinterlassen. Zum Tatzeitpunkt hielten sich den Angaben zufolge zehn Personen in dem Haus auf, darunter drei Kinder im Alter von 13 Monaten bis dreieinhalb Jahren. Laut Staatsanwaltschaft war dem Beschuldigten bekannt, dass es sich um ein linkes Wohnprojekt handelt. An der Fassade habe damals ein Bettlaken mit der Aufschrift »Solidarisch gegen Naziangriffe« gehangen. Er habe am frühen Morgen bewusst auf die Wehrlosigkeit der mutmaßlich schlafenden Bewohner spekuliert. Da sich die Flammen in kürzester Zeit hätten ausbreiten können, habe Lebensgefahr für sämtliche Bewohner bestanden, hieß es. Der Prozess wird vor der Jugendkammer geführt. Der bereits wegen Landfriedensbruch vorbestrafte Angeklagte war zur Tat 20 Jahre alt und gilt damit als Heranwachsender. Nach Gerichtsangaben ist sowohl eine Verurteilung nach Jugend- als auch nach Erwachsenenstrafrecht möglich. Im Erwachsenenstrafrecht könnten die Tatvorwürfe sogar zu einer lebenslänglichen Freiheitsstrafe führen. Zunächst setzte das Gericht fünf weitere Verhandlungstage bis Mitte September an. Das Wohnprojekt war in der Vergangenheit schon mehrfach Ziel von Angriffen. Nach dem Brandanschlag im August 2010 nahm die Sonderkommission Rechtsextremismus des Landeskriminalamtes Ermittlungen auf. Der Verdächtige kam im Januar in Untersuchungshaft. Zentralrat: Städte müssen Mittel für Roma erhalten Heidelberg/Berlin (epd). Der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma mahnt langfristige Programme im Bildungsbereich und eine Verbesserung der oft desolaten Wohnsituation für Roma an, die nach Deutschland kommen. Auch die Städte seien gefordert, gegen überhöhte Mieten einzuschreiten und gegebenenfalls alternative Wohnungen zur Verfügung zu stellen, erklärte der Zentralrat am Mittwoch in Heidelberg. Er unterstützt damit Forderungen des Berliner Bezirksbürgermeisters von Neukölln, Heinz Buschkowsky (SPD). Bundesregierung und Bundesländer müssten zudem für eine grundsätzliche Anerkennung von in den Herkunftsländern erworbenen Qualifikationen sorgen, so dass etwa Lehrer aus den Herkunftsländern angestellt werden können. In den letzten Jahren hätten mehr als zwei Millionen Rumänen ihr Land verlassen. Darunter sind epd-Wochenspiegel | AUSGABE OST Nr. 35_2011 Seite _31 KIRCHEN SOZIALES GESELLSCHAFT nach Schätzungen des Zentralrats etwa 200.000 Roma. Buschkowsky sieht eine zunehmende Armutswanderung von Rumänien und Bulgarien in deutsche Großstädte. Dem ARD-Politmagazin »Report Mainz« hatte er am Montag gesagt, in seinem Stadtbezirk würden sich zunehmend »Inseln« von Rumänen und Bulgaren bilden. Seine Kollegen aus anderen deutschen Großstädten machten UMWELT KULTUR ENTWICKLUNG ähnliche Erfahrungen. Auf Landes- und Bundesebene habe die Politik diese neue Zuwanderung aus Südosteuropa aber noch nicht als Integrationsproblem erkannt. »Das sind EU-Bürger, und wir müssen sehen, wie wir sie integrieren, wenn sie da bleiben wollen.« Um auf »das neue Integrationsproblem« reagieren zu können, müssten die Städte mehr Geld bereit stellen. AUSLAND GESELLSCHAFT Neuköllns Bürgermeister Buschkowsky warnt vor Armutswanderung aus Südosteuropa Berlins Integrationsbeauftragter sieht Städte im »Lernprozess« Berlin/Mainz (epd). Der SPD-Politiker und Bürgermeister des Berliner Stadtteils Neukölln, Heinz Buschkowsky, sieht eine zunehmende Armutswanderung von Rumänien und Bulgarien in deutsche Großstädte. In seinem Bezirk würden sich zunehmend »Inseln« von Rumänen und Bulgaren bilden, seine Kollegen aus anderen deutschen Großstädten machten ähnliche Erfahrungen, sagte Buschkowsky dem ARD-Politmagazin »Report Mainz« laut Vorabmeldung vom Montag. Auf Landes- und Bundesebene habe die Politik diese neue Zuwanderung aus Südosteuropa aber noch nicht als Integrationsproblem erkannt. »Das sind EU-Bürger, und wir müssen sehen, wie wir sie integrieren, wenn sie da bleiben wollen.« Um auf »das neue Integrationsproblem« reagieren zu können, müssten die Städte mehr Geld bereit stellen. Der Berliner Integrationsbeauftragte Günter Piening räumte indirekt ein, dass es derzeit keine schlüssigen Konzepte für das Problem gibt. »Wir arbeiten aber daran«, sagte Piening dem epd. Dabei sieht er Städte, Kommunen und Stadtbezirke in einem Lernprozess, der auch der schwierigen Rechtslage geschuldet ist. Als EU-Bürger könnten sich die Roma aus Rumänien und Bulgarien überall niederlassen, hätten allerdings keinen offiziellen Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt. Anders als bei Asylbewerbern habe der Staat zudem keine Unterbringungs- und Versorgungspflicht für sie. Damit seien sie unter anderem dem freien Wohnungsmarkt ausgesetzt. Während die ersten größeren Roma-Gruppen, die im Frühjahr 2009 im Zusammenhang mit der Finanzkrise in Berlin auftauchten, wieder in ihre Heimatländer zurückkehrten, wollten heute viele in Deutschland bleiben, unter anderem wegen des Verfolgungsdrucks im eigenen Land. Diesen Menschen müsse eine »klare Integrationsperspektive« gegeben werden, sagte Piening. Sie seien allerdings häufig sehr schlecht qualifiziert und könnten kaum lesen und schreiben. Wieviele der Roma aus Südeuropa bereits in Berlin leben, wisse man »de facto nicht«, sagte der Integrationsbeauftragte weiter. Offiziell sind derzeit 9.872 Bulgaren und 4.444 Rumänen in der Bundeshauptstadt gemeldet. Das sind laut Piening 1.684 beziehungsweise 777 Personen mehr als im Vorjahr. Im Görlitzer Park im Berliner Bezirk Kreuzberg campieren seit über einer Woche mehrere Roma-Familien unter freiem Himmel. Der Bezirk Neukölln veranstaltete in den Ferien eine Sommerschule für neu hinzugezogene Roma-Kinder. Allein in seinem Bezirk seien in den vergangenen Monaten hunderte Kinder aus Rumänien und Bulgarien angekommen, sagte Buschkowsky. Angesichts der teilweise schwierigen Verhältnissen in Rumänien und in Bulgarien nach dem EU-Beitritt zeigte auch der Neuköllner Bürgermeister Verständnis für die Zuwanderer: »Dass die sich auf den Weg machen nach ein bisschen mehr Wohlstand, ist das Normalste, was jeder von uns auch tun würde.« Durch den Zuzug seien die großen deutschen Städte jetzt herausgefordert. Die Kinder der Roma-Familien hätten als EU-Bürger ein Recht auf Schulunterricht. Deswegen benötigten die Schulen mehr Lehrkräfte mit entsprechenden Sprachkenntnissen sowie Förderangebote zur Alphabetisierung. epd-Wochenspiegel | AUSGABE OST Nr. 35_2011 Seite _32 KIRCHEN SOZIALES GESELLSCHAFT UMWELT KULTUR ENTWICKLUNG Topographie entwickelt mit FU Berlin neue Bildungsangebote Berlin (epd). Das Berliner Dokumentationszentrum Topographie des Terrors setzt bei seiner Bildungsarbeit in Zukunft verstärkt auf digitale Zeitzeugen-Archive. Gemeinsam mit der Freien Universität Berlin (FU) sollen im Rahmen des Projektes »Stimmen der Opfer am Ort der Täter« Bildungsmodule insbesondere für Schüler entwickelt werden, in denen Zeitzeugen zu Worte kommen. Dies sieht eine Kooperationsvereinbarung zwischen der FU und der Stiftung Topographie des Terrors vor, die am Dienstagabend in Berlin unterzeichnet wurde. Die FU soll dafür den Zugang zu drei bedeutenden digitalen Zeitzeugen-Archiven zum Nationalsozialismus bereit stellen. Ein Schwerpunkt der Zusammenarbeit zwischen FU und Topographie werde darauf liegen, diese Interviews didaktisch zugänglich zu machen. Durch die Zeitzeugen-Interviews erhalte die Sicht der Opfer auf die Täter als ein Aspekt der Bildungsarbeit »eine lebendige Ergänzung«, sagte der Direktor der Stiftung Topographie des Terrors, Andreas Nachama. Die Erinnerungen und AUSLAND GESELLSCHAFT Lebensgeschichten von Überlebenden und Zeugen würden für das historische Lernen immer wichtiger, ergänzte FU-Präsident André Alt. Auf dem Gelände der Stiftung Topographie des Terrors hatten zwischen 1933 und 1945 die wichtigsten NS-Terrorinstitutionen ihren Sitz. Von hier aus steuerten sie den europaweiten Terror und den Völkermord an den Juden Europas. Am »Ort der Täter« informiert seit 1987 eine Dauerausstellung über die Gestapo, die SS und das Reichssicherheitshauptamt. Bei den digitalen Zeitzeugenarchiven der FU handelt es sich um das »Visual History Archive des Shoah Foundation Institute der University of Southern California«, das »Archiv Refugee Voices« der Association of Jewish Refugees sowie um das Archiv »Zwangsarbeit 1939-1945«, das vom Center für Digitale Systeme der FU erschlossen wird. www.topographie.de Stolpe verwahrt sich gegen Kritik an seiner Person als Christ Potsdam (epd). Brandenburgs Ex-Ministerpräsident Manfred Stolpe hat öffentliche Kritik an seiner Person als Christ durch den Münchner Historiker Michael Wolffsohn zurückgewiesen. In einem Beitrag für die »Potsdamer Neuesten Nachrichten« über den »welthistorischen Blick auf Manfred Stolpe und den Brandenburger Weg« hatte Wolffsohn gefragt, ob sich der SPD-Politiker für seine Glauben kreuzigen lassen würde. Dass verletzte ihn, schreibt Stolpe in einem am Dienstag in dem Blatt veröffentlichten Leserbrief. »Vieles kann ich ertragen, aber meinen Glauben hat noch niemand in Frage gestellt.« Selbst in der DDR-Diktatur sei seine christlichen Bindung nur selten als unnormal und dumm bezeichnet worden. »Ich weiß nicht welchen Glauben Professor Wolffsohn von mir erwartet. Mein christlicher Glaube will Friedfertigkeit und Gewaltvermeidung, Dialog statt Konfrontation; Aussöhnung statt Rache, Achtung der Menschenwürde und Respekt vor anderen Meinungen, Gerechtigkeit für die Menschen und die Natur.« Dafür stehe er und hoffe, dass ihn niemand und nichts zwingen könne, darin nachzulassen, so Stolpe. In dem am Samstag veröffentlichten Beitrag mit dem Titel »Der Bund der Vergessenden« hatte Wolffsohn die Stolpe-Politik der »Aussöhnung« für Brandenburg nach Manfred Stolpe epd-bild / Hanno Gutmann 1989 scharf kritisiert. Weil Stolpe und Co. 1989/1990 nicht auf die kleinen und Nicht-ganz-großen-Mitmacher der SED-Diktatur verzichten wollten, hätten sie Anpassung als Aussöhnung getarnt. Wer diesen Verzicht forderte, wie viele DDR-Bürgerrechtler, sei von der Mehrheit der Politik und Gesellschaft ebenso als Nörgler und Ruhestörer diffamiert, an den Rand gedrängt und kaltgestellt worden, wie in der bundesrepublikanischen Nachkriegszeit die überlebenden Widerstandskämpfer gegen Hitler. epd-Wochenspiegel | AUSGABE OST Nr. 35_2011 Seite _33 KIRCHEN SOZIALES GESELLSCHAFT UMWELT KULTUR ENTWICKLUNG Stasi-Überprüfung: Woidke sieht »keine Überraschungen« Potsdam (epd). Die jüngsten Stasi-Überprüfungen bei Führungskräften der Brandenburger Polizei haben nach Angaben von Innenminister Dietmar Woidke (SPD) keine neuen Erkenntnisse ergeben. »Es gibt keine unangenehmen Überraschungen für uns« erklärte Woidke am Mittwoch in Potsdam. Überprüft wurden alle bisherigen 15 Schutzbereichsleiter. Bei elf habe es keinerlei Hinweise auf eine irgendwie geartete Zusammenarbeit mit der Stasi gegeben. In vier Fällen gab es Hinweise, aber nach Woidkes Einschätzung »keine wesentlich neuen, die uns bislang unbekannt gewesen wären«. Trotzdem zog der Innenminister in einem Fall die Konsequenz und versetzte den Beamten in die zweite Reihe. Bei dieser Entscheidung spiele sein Umgang mit seiner Biographie nach 1990 eine Rolle, hieß es zur Begründung. Nach epd-Informationen handelt es sich um den bisherigen Schutzbereichsleiter von Dahme-Spreewald, Jörn Preuß. Der 50-Jährige soll seine Stasi-Mitarbeit bei der Einstellung in den Brandenburger Polizeidienst verschwiegen haben. Nach einer ersten Überprüfung 1992 wurde seine IM-Tätigkeit bekannt, er leugnete aber Berichte ge- schrieben zu haben. 2005 tauchten dann auch die ersten Berichte auf. In zwei weiteren Fällen war die Stasi-Zugehörigkeit bereits bekannt und es haben sich den Angaben zufolge keine neue Erkenntnisse ergeben. Beide hätten gegenüber dem Innenministerium immer wahrheitsgemäße Angaben gemacht, heißt es. Nach epd-Informationen handelt es sich um den Schutzbereichsleiter Uckermark, Sven Brandau, der 1988 Offiziersschüler beim MfS war und den Leiter des Schutzbereichs Ostprignitz-Ruppin, Dieter Kahler, der seinen Wehrdienst bei dem zum MfS gehörenden Wachregiment »Felix Dzierzynski« ableistete. In einem vierten Fall wurde zwar eine von der Stasi angelegte Karteikarte gefunden, aber keine Akten in der Jahn-Behörde. Der Beamte bestreite jegliche Zusammenarbeit mit der Stasi, heißt es. Wegen dieser Karteierfassung könne nicht gesagt werden, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang und mit welcher Intensität er für die Stasi tätig war. Medienberichten zufolge soll es sich um den heutigen Leiter des Schutzbereichs Cottbus/SpreeNeiße, Olaf Fischer, handeln. DDR-Aufarbeitung einem Interview Versagen bei der Aufklärung über die SED-Diktatur vorgeworfen. »Der Bund kann diese generelle Aufgabe nicht wahrnehmen, der Bund kann sie flankieren.« Thüringer Minister Matschie widerspricht Kulturstaatsminister Weimar/Berlin (epd). In der Diskussion um ein mögliches Versagen von Schulen bei der Aufarbeitung der DDR-Geschichte hat der Thüringer Kultusminister Christoph Matschie (SPD) die Kritik von Bernd Neumann (CDU) zurückgewiesen. »Ein Scheitern auf der ganzen Linie« zu behaupten, sei »genauso maßlos wie haltlos«, sagte er in einem am Sonntag in Berlin vorab veröffentlichten Gastbeitrag für die Zeitschrift »Super Illu« (Ausgabe 1. September). Matschie räumte ein, dass es den Ostdeutschen bislang nicht gelungen sein, sich »unaufgeregt« über ihre Biografien zu unterhalten. Vielen Bürgern gehe es jedoch »gegen den Strich«, sich dauernd rechtfertigen zu müssen. »Das ist nicht der aufrechte Gang, für den wir 1989 auf die Straße gegangen sind«, so der studierte Theologe, der die in der DDR kurz zuvor gegründete SDP (später: SPD) am zentralen »Runden Tisch« vertrag. Kulturstaatsminister Neumann hatte den Schulen und den Bundesländern in der vergangenen Woche in AUSLAND GESELLSCHAFT Fachportal Pädagogik Online-Portal zeigt DDRUnterrichtsaufzeichnungen Leipzig/Wien (epd). Ein Stück sozialistischer Alltag wird offen gelegt: Am 1. September startet ein neues OnlinePortal mit Unterrichtsaufzeichnungen aus der DDR. Wie die Stadt Leipzig und die Universität Wien am Freitag mitteilten, werden damit für die Forschung 230 Videofilme von den 70er Jahren bis zur Wiedervereinigung zugänglich gemacht. Die Mitschnitte zeigen sowohl Unterrichtsstunden wie Geschichte und Staatsbürgerkunde als auch naturwissenschaftliche Schulstunden. Mit Hilfe der Filme sollen Wissenschaftler einen besseren Einblick in die damaligen Methoden und Inhalte des Unterrichts erhalten. Die Aufzeichnungen können unter www.fachportalpaedagogik.de abgerufen werden. epd-Wochenspiegel | AUSGABE OST Nr. 35_2011 Seite _34 KIRCHEN SOZIALES GESELLSCHAFT Die Universität Wien hatte die Filme vor dem Verfall gerettet und digitalisiert, hieß es. Sie stammen von der Akademie der Pädagogischen Wissenschaften der DDR (APW) und der Pädagogischen Hochschule Potsdam. Weitere Kooperationspartner des Internetprojekts sind das Leipziger Schulmuseum, das sich seit Jahren mit dem Thema „Schule in den beiden deutschen Diktaturen" beschäftigt, und die Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur. UMWELT KULTUR ENTWICKLUNG Seit den 70er Jahren wurde in der DDR die relativ neue Videotechnik zur Dokumentation von Unterricht, zu Ausbildungs- und Forschungszwecken in der Lehrerbildung und zur pädagogischen Forschung eingesetzt. Da es sich bei den Unterrichtsmitschnitten um »authentische Dokumente« handelt, könnten diese allerdings aus Datenschutzgründen nur für Forschungszwecke freigegeben werden, erklärte die Stadt. AUSLAND GESELLSCHAFT UNESCO-Kommission berät Oberspreewald-Lausitz zu inklusiver Bildung Bonn (epd). Die Deutsche UNESCO-Kommission berät am kommenden Dienstag in Bonn erstmals Regionen zur Umsetzung von inklusiver Bildung. Neben der Städteregion Aachen und der hessischen Landeshauptstadt Wiesbaden sei aus fast 30 Bewerbern auch der brandenburgische Landkreis Oberspreewald-Lausitz ausgewählt worden, erklärte die Kommission am Mittwoch in Bonn. Die Beratung wird nach dem ersten Treffen in den drei Regionen vor Ort fortgesetzt. Inklusion soll allen Kindern eine qualitativ hochwertige Bildung ermöglichen, unabhängig von Lernbedürfnissen, Geschlecht oder Herkunft. Das Projekt wird von der Peter Ustinov Stiftung unterstützt. Deutschland hat nach Angaben der UNESCO im internationalen Vergleich einen erheblichen Nachholbedarf beim Thema inklusive Bildung. Kinder mit besonderem Förderbedarf besuchten noch zu selten eine allgemeine Schule. Der Anteil liege in Deutschland bei lediglich 20 Prozent, hieß es. Kinder mit Migrationshintergrund seien besonders häufig auf Förderschulen zu finden, in denen sie keinen qualifizierenden Schulabschluss erhielten. Die drei ausgewählten Regionen wollen nun verstärkt inklusive Bildungsangebote schaffen. Inklusive Bildung ist ein zentrales Anliegen der UNESCO. Sie wurde in der SalamancaErklärung 1994 festgelegt und 2008 auf der UNESCO-Weltbildungsministerkonferenz erneut bestätigt. Inklusion soll allen Menschen eine qualitativ hochwertige Bildung ermöglichen. Nach der UNBehindertenrechtskonvention ist sie ein Menschenrecht. Die Konvention gilt seit März 2009 auch in Deutschland. www.unesco.de Koschere Lebensweise Erster Berliner Supermarkt eröffnet koschere Abteilung Die bevorstehende Eröffnung der Abteilung sei ein großer Fortschritt für die koschere Lebensweise in Berlin, erklärten die Organisatoren. Koschere Ernährung sei einer der Grundpfeiler im Judentum. Auch wenn sich Berlin (epd). In Berlin öffnet am 1. September erstmals eine koschere Abteilung in einem regulären Supermarkt. In dem Laden in der Güntzelstraße im Stadtteil Wilmersdorf werden künftig frische Milch, frisches Fleisch, frischer Käse sowie viele andere koschere Produkte angeboten, teilte das jüdische Familien- und Bildungszentrum Szloma-Albam-Haus von Chabad Lubawitsch am Donnerstag in Berlin mit. das Angebot koscherer Produkte in Berlin in den zurückliegenden Jahren schon deutlich verbessert habe, sei der Verkauf bisher auf einige wenige Spezialläden mit meist beschränkten Öffnungszeiten begrenzt gewesen. Die Möglichkeit, in einer koscheren Abteilung eines Supermarktes einkaufen zu können, sei eine große Erleichterung für das tägliche Leben. epd-Wochenspiegel | AUSGABE OST Nr. 35_2011 Seite _35 KIRCHEN SOZIALES GESELLSCHAFT Sachsen-Anhalt Gedenkstätten eröffnen zwei neue Ausstellungen Magdeburg (epd). Die Stiftung Gedenkstätten SachsenAnhalt eröffnet am Weltfriedenstag (1. September) gleich zwei Sonderausstellungen. Den Auftakt bildet um 11 Uhr in der Justizopfer-Gedenkstätte »Roter Ochse« in Halle die Wanderausstellung »Neofaschismus in Deutschland« des Opferverbandes VVN-BdA, teilte die Stiftung am Freitag in Magdeburg mit. Themen sind der organisierte Rechtsextremismus sowie Ursachen von Rassismus, Nationalismus und Militarismus. Zudem wird um 17 Uhr in Bernburg eine Ausstellung über die Lebensborn-Heime in Hitler-Deutschland eröffnet. Die Dokumentation »Der Lebensborn e.V.« in der Gedenkstätte für die Opfer der NS-»Euthanasie« zeigt Textund Bildtafeln des Kreisjugendrings Ebersbach in Bayern über die Einrichtungen, die der Entwicklung einer »arischen« Elite-Rasse dienen sollten. Ergänzend wurden von der Gedenkstätte Exponate von privaten Leihgebern und Museen in Nord- und Süddeutschland zusammengetragen. Dazu gehören Geburtsurkunden, eine »Rassentafel« und »Ahnenpässe«. An der Eröffnung nimmt Barbara Krähmer teil, die im Lebensborn-Heim »Harz« in Wernigerode geboren wurde und heute in Erfurt lebt. Der Verein »Lebensborn« wurde 1935 von dem »Reichsführer SS« Heinrich Himmler gegründet, die Heime wurden in den Jahren danach eingerichtet. Schwangere Frauen mussten vor der Aufnahme dort ihre »arische Abstammung« und auch die der Väter nachweisen. Bei unehelich geborenen Kindern übernahm »Lebensborn« die Vormundschaft. In Deutschland soll es neun Entbindungsheime und ein Kinderheim unter der Regie des Vereins »Lebensborn« gegeben haben. Der Weltfriedenstag, auf den der Start der Ausstellungen gelegt wurde, erinnert an den Beginn des Zweiten Weltkriegs am 1. September 1939, als die Deutsche Wehrmacht UMWELT KULTUR ENTWICKLUNG Polen überfiel. Die Ausstellung in Halle ist bis 28. Oktober dienstags bis freitags von 10 bis 16 Uhr geöffnet, in Bernburg wird die Lebensborn-Ausstellung bis 15. Oktober täglich außer samstags von 10 bis 16 Uhr gezeigt. www.stgs.sachsenanhalt.de AUSLAND GESELLSCHAFT Genitalverstümmelung Frauenorganisation fordert bessere medizinische Versorgung Berlin (epd). Die Frauenrechtsorganisation »Terre des femmes« fordert von der Bundesregierung verstärkte Anstrengungen für eine bessere medizinische Versorgung von genitalverstümmelten Frauen. Das Bundesgesundheitsministerium müsse sich dafür einsetzen, dass alle Krankenkassen die Kosten für Behandlungen und Beratungsgespräche übernehmen, erklärte »Terre des femmes« am Mittwoch in Berlin. Eine wichtige Voraussetzung hierfür wäre die Aufnahme der weiblichen Genitalverstümmelung in den sogenannten medizinischen Diagnoseschlüssel. Laut Terre des femmes leben in Deutschland rund 20.000 Frauen, die von Genitalverstümmelung betroffen sind. Viele von ihnen litten lebenslang unter den Folgen der Praxis, die sie als Mädchen in ihrem meist afrikanischen Heimatland über sich ergehen lassen mussten. Um ihrer Forderung nach einer besseren medizinischen Versorgung Nachdruck zu verleihen, übergab »Terre des femmes« dem Ministerium 21.000 Unterschriften, die im Rahmen einer im vergangenen Jahr gestarteten Aktionskampagne gesammelt wurden. Der Sprecher von Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP), Christian Albrecht, erklärte, dass es sich bei Genitalverstümmelung um eine klare Verletzung der Menschenrechte handele. Über die Aufnahme in den Diagnoseschlüssel müsse allerdings die Selbstverwaltung der Krankenkassen und der Ärzteschaft entscheiden. epd-Wochenspiegel | AUSGABE OST Nr. 35_2011 Seite _36 KIRCHEN SOZIALES GESELLSCHAFT UMWELT KULTUR ENTWICKLUNG AUSLAND GESELLSCHAFT Start mit Widrigkeiten Im Herbst nimmt das erste Zentrum für Islamische Studien seine Arbeit auf Frankfurt a.M. (epd). Wenn zum Wintersemester das erste vom Bund geförderte Zentrum für Islamische Theologie seinen Lehrbetrieb aufnimmt, werden etliche Studienbewerber leer ausgehen. Denn der Andrang in Tübingen ist größer als erwartet. Auf 40 ausgeschriebene Studienplätze hätten sich 70 Studenten beworben, sagte ein Universitätssprecher dem epd. Auch an anderen Universitäten, die sich im Auswahlverfahren für den Aufbau von Zentren für Islamische Studien durchgesetzt haben, ist das Interesse an der Ausbildung groß. Bundesweit sollen in den nächsten Jahren vier Zentren für Islamische Theologie entstehen. Neben Tübingen sind das die Doppelstandorte Osnabrück/Münster, Erlangen/Nürnberg und Frankfurt/Gießen, die allesamt 2012 an den Start gehen. An den Hochschulen finanziert der Bund für die nächsten fünf Jahre Professuren, Mitarbeiterstellen sowie den wissenschaftlichen Nachwuchs. Insgesamt rund 18 Millionen Euro sollen nach Angaben des Bundesbildungsministeriums in diese Standorte fließen. Mit dem Aufbau Islamischer Zentren soll eine Lücke geschlossen werden: Rund 2.000 islamische Religionslehrer, so die Schätzung des Ministeriums, werden in den nächsten Jahren für die rund 700.000 muslimischen Schüler gebraucht. Dann nämlich, wenn der islamische Religionsunterricht aus der Pilotphase heraustritt und ordentliches Lehrfach an den Schulen in den Bundesländern wird. Darüber hinaus sollen an den Zentren auch Imame, muslimische Sozialarbeiter und der wissenschaftliche Nachwuchs ausgebildet werden. Rückgriff auf bestehende Infrastruktur Und so hatte der Wissenschaftsrat, der das Bundesministerium mit Blick auf die Universitätsausbildung berät, einen Studienaufbau vorgeschlagen, der der christlichen Theologie an den Hochschulen in Deutschland sehr ähnlich ist: Neben einem exegetischen Fach sind hier unter anderem die Fächer systematische Theologie, historische Theologie und praktische Theologie vorgesehen. Die Universität Erlangen kündigte beispielsweise an, zum Sommersemester 2012 drei Professoren zu berufen - für Koranwissenschaften, Ethik sowie Religions- und Glaubenslehre. Addussalah El Hamrouni, Islamwissenschaftler und Politologe, hält in der achten Klasse der Freiherr v. Stein Realschule in Düsseldorf den Islamkunde-Unterricht. Nicht alle Universitäten beginnen bei Null. In Frankfurt und Erlangen, aber auch in Münster greifen die Zentren für Islamische Theologie auf eine bestehende Infrastruktur zurück. Schon 2004 richtete die Universität Münster als erste in Deutschland einen Lehrstuhl für »Religion des Islam« und die Islamlehrer-Ausbildung in Deutschland ein. Der islamische Theologe Mouhanad Khorchide bildet hier derzeit 43 Studenten zu Religionslehrern aus. Dass das Interesse an dem neuen Islamischen Zentrum bundesweit groß ist, bekommt Khorchide an seinem Institut schon heute zu spüren. »In Münster haben wir jetzt schon viele Nachfragen«, sagt er und ergänzt mit Blick auf die Kapazitäten für den im kommenden Jahr beginnenden Studiengang: »300 bis 400 Studenten könnten wir aufnehmen.« Dagegen steckt das Islamische Zentrum Tübingen noch in den Kinderschuhen. Gut einen Monat vor Semesterbeginn dringt über den Lehrinhalt wenig nach draußen. Ein Vorlesungsverzeichnis gibt es noch nicht und auch im Internet lässt sich noch nichts über die Unterrichtsfächer in Erfahrung bringen. Das liegt freilich auch am noch fehlenden Lehrpersonal: Noch ist unklar, wer in Tübingen unterrichten soll. Die Berufungsverfahren für die ersten Professorenstellen befinden sich in den letzten Zügen. Nach Angaben des Universitätssprechers wird eine Entscheidung nicht vor Mitte September bekanntgegeben. Von Barbara Schneider (epd) epd-Wochenspiegel | AUSGABE OST Nr. 35_2011 Seite _37 KIRCHEN SOZIALES GESELLSCHAFT UMWELT KULTUR ENTWICKLUNG Dalai Lama zu Besuch in Deutschland AUSLAND GESELLSCHAFT Schwerpunkt der Visite in Hessen / Blinde Schüler umjubeln geistliches Oberhaupt der Tibeter Friedberg (epd). Der Dalai Lama hat behinderte Menschen beim Besuch einer Blindenschule im hessischen Friedberg aufgerufen, ihre Lebensträume selbstbewusst zu verwirklichen. »Ihr sollt immer denken: Ich kann es schaffen«, sagte das geistliche Oberhaupt der Tibeter am Mittwoch vor rund 600 Schülern, Lehrern, Eltern und Gästen der Johann-Peter-Schäfer-Schule für Blinde und Sehbehinderte im hessischen Friedberg. »Ihr habt eine gute Zukunft vor Euch«, sagte der Friedensnobelpreisträger unter großem Jubel. Der 76-Jährige kündigte an, der Schule aus seiner Stiftung 50.000 Euro zu spenden. Die Visite war zugleich Abschluss seines viertägigen Deutschlandbesuchs. Der Dalai Lama würdigte die Arbeit der Lehrer: »Ich betrachte das als die wirkliche Umsetzung von Mitgefühl.« Sein Besuch sei ein Zeichen der Wertschätzung und Ermutigung für die knapp 200 Schüler sowie deren Eltern, sagte Schulleiter Dieter Bretz. An der Visite nahmen auch der hessische Sozialminister Stefan Grüttner (CDU) und Kultusministerin Dorothea Henzler (FDP) teil. Die Johann-Peter-Schäfer-Schule ist ein überregionales Beratungs- und Förderzentrum für blinde und sehbehinderte Schülerinnen und Schüler aus ganz Hessen. Ziel ist die selbstständige Teilnahme am gesellschaftlichen Leben. Friedberg war zugleich die letzte Station des offiziellen Besuchs des Dalai Lama in Hessen. Er hatte zuvor an der Goethe-Universität in Frankfurt und im hessischen Landtag gesprochen. Am Sonntag nahm er an einem Kongress zum Thema Achtsamkeit in Hamburg teil. Forderung nach universaler Ethik Bei seiner Rede in Frankfurt forderte der Dalai Lama eine universale Ethik. »Wir müssen Verantwortung global denken«, sagte das geistliche Oberhaupt der Tibeter. Eine universale Ethik müsse säkular sein und dürfe nicht religiös begründet werden. Der Dalai Lama besuchte auch eine Schule für Blinde und Sehbehinderte im hessischen Friedberg. epd-bild / Norbert Neetz Tags drauf dankte der Dalai Lama im hessischen Landtag chinesischen Intellektuellen für ihren Beistand. In den vergangenen Jahren sei das tibetische Volk bei seinem gewaltlosen Eintreten für mehr Unabhängigkeit zunehmend von Intellektuellen unterstützt worden, sagte er: »Das ist für uns ein sehr hoffnungsvolles Zeichen.« Der Dalai Lama hielt sich auf Einladung des hessischen Ministerpräsidenten Volker Bouffier und von Landtagspräsident Norbert Kartmann (beide CDU), in Hessen auf. Das Bundesland pflegt seit Jahren Kontakt zum Dalai Lama. Dies geht wesentlich auf den früheren Ministerpräsidenten Roland Koch (CDU) zurück. 2005 wurde der Dalai Lama in Wiesbaden mit dem Hessischen Friedenspreis ausgezeichnet, 2009 sprach er in der Frankfurter Commerzbank-Arena vor Zehntausenden Zuhörern. Der Dalai Lama ist das geistliche Oberhaupt der Tibeter. Aus der politischen Verantwortung hat er sich inzwischen zurückgezogen und konzentriert sich allein auf seine Funktion als spiritueller Führer. Der Dalai Lama setzt sich seit Jahrzehnten für die Selbstbestimmung der Tibeter ein. Dabei plädiert er für eine Autonomie und gewaltfreies Vorgehen. 1989 wurde er mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet. Die chinesische Regierung lehnt einen Dialog mit ihm ab. epd-Wochenspiegel | AUSGABE OST Nr. 35_2011 Seite _38 KIRCHEN SOZIALES GESELLSCHAFT Auszeichnung Kanzlerin Merkel mit Magdeburger Kaiser-Otto-Preis geehrt Magdeburg (epd). Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ist für ihre Verdienste um die Verständigung in Europa mit dem Kaiser-Otto-Preis 2011 der Stadt Magdeburg geehrt worden. Sie habe mit ihrem politischen und persönlichen Wirken konsequent den »europäischen Weg« beschritten, den andere große Führungspersönlichkeiten vor ihr eingeschlagen hätten, sagte Oberbürgermeister Lutz Trümper (SPD) am Mittwoch bei einem Festakt zur Preisverleihung im Magdeburger Dom. Der Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, Reiner Haseloff (CDU), würdigte die Kanzlerin vor rund 500 Persönlichkeiten aus Politik, Kirche und Gesellschaft als überzeugte und besondere Europäerin. In ihrer Laudatio auf Merkel nannte die litauische Staatspräsidentin Dalia Grybauskaite die 57-jährige Politikerin »eine der engagiertesten Förderinnen des vereinten Europa«. Nicht nur die Zukunft Deutschlands, sondern auch Europas liege heute auf den Schultern der Kanzlerin. Merkel verband ihre Dankesrede mit einem Plädoyer für den Euro. Ein politisches Hauptziel von ihr sei, den Weg aus der »Schulden-Union« zu verlassen und zu einer »Stabilitäts-Union« zu kommen. Scheitere der Euro, stehe das europäische Projekt insgesamt auf dem Spiel, betonte die Bundeskanzlerin. Der Kaiser-Otto-Preis wurde von der gleichnamigen Magdeburger Kulturstiftung ins Leben gerufen. Erstmals wurde der Preis 2005 an Altbundespräsident Richard von Weizsäcker verliehen. Ihm folgten die lettische Staatspräsidentin Vaira Vike-Freiberga und der frühere polnische Außenminister Wladyslaw Bartoszewski als Preisträger. Der Preisträger erhält jeweils eine Urkunde und eine Bronzemedaille. Umwelt Schwarz-Gelb plant kein Klimaschutzgesetz mehr Berlin (epd). Die schwarz-gelbe Regierungskoalition will bis zur nächsten Bundestagswahl kein Klimaschutzgesetz erarbeiten. In einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der SPD-Bundestagsfraktion heißt es, die Regierung habe derzeit nicht die Absicht, ein Klimaschutzgesetz vorzulegen. »Die Bundesregierung kommt nicht zu Potte«, sagte der klimapolitische Sprecher der SPD, Frank Schwabe, der »Frankfurter Rundschau« (Dienstagsausgabe). UMWELT KULTUR ENTWICKLUNG Zwar stehe die Regierung »hinter dem international vereinbarten Ziel, dass die Industrieländer ihre Treibhausgas-Emissionen bis 2050 um mindestens 80 Prozent gegenüber 1990 reduzieren«, heißt es in der Antwort der Bundesregierung. Das Ziel solle derzeit aber nicht verbindlich in einem Gesetz festgeschrieben werden, wie es etwa Großbritannien getan hat und wie Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg es planen. Daneben kündigte die Bundesregierung an, Ende August im Kabinett den »Aktionplan Anpassung« zu beschließen. Dabei geht es um die Weiterentwicklung der deutschen Anpassungsstrategie an den Klimawandel von 2008. Noch im vergangenen Jahr hatte Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) die Möglichkeiten eines Klimaschutzgesetzes prüfen lassen, war aber an Unionsfraktion und FDP gescheitert. Damit bleibt es für ganz Deutschland bei der unverbindlichen Absichtserklärung von 2007, die Emissionen bis 2020 um 40 Prozent gegenüber 1990 zu senken. Ein verbindlicher Rahmen für den Klimaschutz sei dringend nötig, sagte Schwabe. Auch in der Frage eines höheren Sparziels in der EU sei Schwarz-Gelb gespalten: »Der Umweltminister ist für mehr Klimaschutz in der EU, der Wirtschaftsminister dagegen, die Kanzlerin schweigt«, kritisierte der SPD-Abgeordnete. Auch die Wirtschaft könne durch Planungssicherheit von gesetzlich fixierten Zielen profitieren. Die EU hat bislang fest zugesagt, ihre KohlendioxidEmissionen bis 2020 um 20 Prozent zu senken. In der Debatte ist eine Erhöhung des Ziels auf 30 Prozent. AUSLAND GESELLSCHAFT Statistik Zahl der geduldeten Flüchtlinge weiterhin hoch Berlin (epd). Die Zahl der Ausländer mit Duldung ist trotz neuer Bleiberechtsregelungen unverändert hoch. Zur Jahresmitte lebten rund 87.300 Geduldete in Deutschland, wie aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Parlamentarische Anfrage der Linksfraktion hervorgeht, die am Donnerstag in Berlin veröffentlicht wurde. 60 Prozent der Geduldeten sind seit mehr als sechs Jahren in Deutschland. Geduldete Flüchtlinge haben keine Aufenthaltsgenehmigung, können aber aus verschiedenen Gründen Deutschland nicht verlassen. Wegen dieser Abschiebungshindernisse erhalten viele immer wieder eine Duldung, sogenannte Kettenduldungen. Geduldete dürfen den Landkreis, in dem sie sich aufhalten, nicht verlassen epd-Wochenspiegel | AUSGABE OST Nr. 35_2011 Seite _39 KIRCHEN SOZIALES GESELLSCHAFT und können nach Ablauf der Duldung ohne Ankündigung abgeschoben werden. Nach einem Jahr dürfen sie eine Arbeit aufnehmen, wenn dafür kein Deutscher oder EUBürger zur Verfügung steht. 2009 hatten sich die Länder-Innenminister auf eine Verlängerung der Bleiberechtsregelung für Geduldete geeinigt. Nach der Regelung hatten 63.000 langjährige Geduldete eine Aufenthaltserlaubnis bekommen, knapp 31.000 von ihnen aber nur »auf Probe«, weil sie ihren Lebensunterhalt noch nicht dauerhaft sichern konnten. Dieser Aufenthalt auf Probe gilt seit der Verlängerung bis Ende dieses Jahres. Die innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion, Ulla Jelpke, forderte ein großzügiges Bleiberecht. Abschiebungen von Menschen, die seit vielen Jahren in Deutschland lebten, seien inakzeptabel. Die Bleiberechtsregelungen der vergangenen Jahre seien zu restriktiv gewesen, kritisierte Jelpke. UNICEF Abschiebungsstopp für RomaKinder gefordert Köln (epd). In das Kosovo abgeschobene Roma-Kinder leiden nach Angaben des UN-Kinderhilfswerks UNICEF weiter unter sehr schlechten Lebensbedingungen. Die UMWELT KULTUR ENTWICKLUNG Rückführung aus Deutschland und anderen europäischen Ländern in die Balkan-Republik komme für die meisten Kinder immer noch einer Abschiebung ins Elend gleich, kritisierte Tom Koenigs von UNICEF Deutschland am Freitag in Köln. Viele zurückgeführte Familien lebten in heruntergekommenen Wohnungen ohne Heizungs- und Wasseranschluss und seien ohne Anspruch auf Sozialhilfe. Drei Viertel aller in das Kosovo abgeschobenen Roma-, Ashkali- und Ägypter-Kinder besuchten keine Schule. Wegen der verzweifelten Lage der abgeschobenen Kinder fordert das Hilfswerk der Vereinten Nationen den Stopp der Zwangsabschiebungen und ein dauerhaftes Bleiberecht für in Deutschland geborene und integrierte Roma-Kinder. Die kosovarische Regierung habe zwar erstmals einen mit 3,4 Millionen Euro ausgestatteten Reintegrationsfonds aufgelegt. »Tatsächlich fehlt es an politischem Willen und die Umsetzung der vorgesehenen Reintegrationsmaßnahmen auf der Ebene der Gemeinden ist weiterhin völlig unzureichend«, kritisierte das Hilfswerk. In Deutschland stehen den Angaben zufolge bis zu 6.000 Kinder aus Roma,- Ashkali- und Ägypterfamilien vor der Abschiebung. Nordrhein-Westfalen, Sachsen-Anhalt und Bremen haben inzwischen veranlasst, dass vor Rück- AUSLAND GESELLSCHAFT führungen in jedem Einzelfall die Folgen für das Kindeswohl überprüft werden müssen. epd-Wochenspiegel | AUSGABE OST Nr. 35_2011 Seite _40 KIRCHEN SOZIALES GESELLSCHAFT »Bombodrom« Schautafeln dokumentieren Protest Wittstock/Potsdam (epd). Elf Schautafeln rund um die Kyritz-Ruppiner Heide in Nordbrandenburg dokumentieren nun den erfolgreichen Protest gegen das einst von der Bundeswehr geplante »Bombodrom«. Die Bürgerinitiative »Freie Heide« präsentierte am Samstag in Fretzdorf das mit Unterstützung der brandenburgischen Landesregierung abgeschlossene Projekt. Die Gesamtkosten beliefen sich nach Angaben der Staatskanzlei auf 14.000 Euro, davon würden 10.000 Euro aus Lottomitteln des Landes bestritten. Die aus In- UMWELT KULTUR ENTWICKLUNG fotexten und Fotos bestehenden Tafeln informierten über verschiedene Themen wie »rechtliche Auseinandersetzung«, »Breite des Protests« oder »Protestwanderungen«. Die Bundeswehr wollte nach der deutschen Vereinigung das bereits von der Sowjetarmee genutzte Areal als Luft-Boden-Schießplatz nutzen. Das Vorhaben stieß auf jahrelangen Protest von Anliegergemeinen, Bürgerinitiativen, Unternehmen und auch der beiden Landesregierungen von Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern. Nach zahllosen Niederlagen vor Gericht verzichtete das Bundesverteidigungsministeriums im Juli 2009 auf die Nutzung. epd-Wochenspiegel | AUSGABE OST Nr. 35_2011 AUSLAND UMWELT Seite _41 KIRCHEN SOZIALES GESELLSCHAFT UMWELT KULTUR ENTWICKLUNG AUSLAND KULTUR Bilder einer vergänglichen Welt Große Retrospektive über den bekanntesten japanischen Künstler Hokusai im Berliner Gropius-Bau Berlin (epd). Das Meer ist aufgewühlt, Gischt schäumt, weiße Schaumkronen schwimmen auf dem Wasser. Am linken Bildrand türmt sich eine riesige Woge bedrohlich auf wie ein Tsunami, gleich wird sie die langen schmalen Fischerboote, die auf den Wellen tanzen, unter sich begraben. Unberührt davon erhebt sich im Hintergrund der schneebedeckte Gipfel des heiligen Berges Fuji. Die große Welle, das vielfach reproduzierte, berühmteste Bild des japanischen Künstlers Hokusai, ist im Original ein überraschend kleinformatiger Druck. Bild "Der Suwa-See in der Provinz Shinano" des japanischen Künstlers Hokusai Die Intensität und Spannung, die er (1760-1849) aus der Serie 36 - Ansichten des Berges Fuji, um 1831 epd-bild / Sumida City vermittelt, das intensive Blau des Wassers in Kontrast zu dem weißen Meerschaum, zieht den Betrachter magisch in das Bild hinein. Es ren 1760 in Edo, dem heutigen Tokyo, begann er früh mit gehört zu einer Serie von 36 Holzschnitten aus der dem Zeichnen, bereits mit 18 Jahren wurde er ein Meister späten Schaffensperiode Hokusais um 1831. Gezeigt im Holzschnitt. Damit erreichte er zugleich ein größeres wird sie seit Freitag im letzten Raum der chronologisch Publikum. »Hokusai war ein Stadtmaler, er hat für norgeordneten Ausstellung über den japanischen Künstler male Bürger gearbeitet und sich auf ihren Geschmack im Martin-Gropius-Bau in Berlin. eingestellt«, begründet Kurator Nagata die Vielfalt der Bis zum 24. Oktober ist die erste deutsche RetroDrucke im Werk Hokusais. Zu seinen bevorzugten Mospektive für Japans bekanntesten Künstler zu sehen. Sie tiven gehören Porträts von Schauspielern und Ringern, umfasst über 440 Leihgaben aus allen SchaffensperiDarstellungen schöner Frauen, durchaus in erotischen oden des 1849 im Alter von fast 90 Jahren verstorbenen Posen, Blumen und Pflanzen. Hokusais Mangas, VorläuMalers. Er war der wichtigste Vertreter des Ukiyo-de, wie fer des Comic, leben von ihrer erzählerischen Dichte, die Holzschnitte mit Bildern der vergänglichen Welt geoft sind sie mit humoristischen Details gewürzt. Neben nannt werden. Neben Drucken und Zeichnungen sind die den zahlreichen Drucken und Illustrationen für Romane berühmten Mangas ein Schwerpunkt, ebenso wie seine zu populären Dichtungen gehören Bastelbögen für Kinzahlreichen Buchillustrationen und die kostbare Malerei der und Spielkartendrucke zum vielseitigen Oeuvre des auf Hängerollen. Künstlers. Zahlreiche Bilder haben Japan noch nie zuvor verlasAm bekanntesten sind jedoch die Landschaftsmosen und sind nur für zehn Wochen in Berlin zu sehen. tive, mit denen er einen neuen Stil der LandschaftsmaAnlass ist der 250. Geburtstag Hokusais im vergangenen lerei in Japan begründete. 1826 bis 1831, mit fast 70 Jahr ebenso wie das 150-jährige Bestehen des DeutschJahren, schuf er die berühmte Serie der 36 Ansichten des Japanischen Freundschaftsvertrags. Doch für HokusaiBergs Fuji. Die Freiheit von der Konvention, die WandSpezialist und Kurator Seiji Nagata war entscheidend: lungsfähigkeit seines Stils, für die er heute gerühmt wird, »Einige Deutsche haben dazu beigetragen, dass Hokusai war seiner Wertschätzung in Japan zunächst hinderlich, im Westen so bekannt geworden ist. Deswegen war es konstatiert Kurator Nagata: »Hokusai wurde lange Zeit eine gute Wahl, diese Ausstellung in Berlin zu zeigen.« unterschätzt, weil sein Malstil immer sehr originell war Der Künstler war extrem wandlungsfähig, über 30 und nicht zu einer bestimmten Schule gehörte«. Künstlernamen hatte er angenommen, international beAnerkennung wurde dem Künstler zuerst in Europa kannt wurde er jedoch unter dem Namen Hokusai. Gebozuteil. Die Rezeption beförderte im 19. Jahrhundert ein epd-Wochenspiegel | AUSGABE OST Nr. 35_2011 Seite _42 KIRCHEN SOZIALES GESELLSCHAFT deutscher Arzt, Franz von Siebold, der in den 1820er Jahren Holzschnitte und Mangas von Hokusai nach Europa mitbrachte und hier erstmals publizierte. Mit dem aufkommenden »Japonismus« in Paris ab 1860 traten Hokusais Bilder ihren Siegeszug durch Europa an und be- UMWELT KULTUR ENTWICKLUNG einflussten zahlreiche Künstler wie Degas, Gauguin und Van Gogh ebenso wie Klimt, Marc und Macke. In Japan erfuhr seine Kunst erst nach dem Zweiten Weltkrieg – unter dem Einfluss seiner Popularität in Europa – ihre eigentliche Würdigung. Sigrid Hoff (epd) AUSLAND KULTUR Kunstsammlungen zeigen Raffaels »Madonna di Foligno« Dresden (epd). Zum Deutschlandbesuch des Papstes zeigen die Dresdner Kunstsammlungen Raffaels (14831520) berühmte »Madonna di Foligno« zum ersten Mal außerhalb der Vatikanischen Pinakothek. Wie das Haus am Mittwoch mitteilte, sind damit nach 500 Jahren der Trennung die »Madonna di Foligno« und die »Sixtinische Madonna« wieder gemeinsam zu sehen. Die Sonderausstellung »Himmlischer Glanz. Raffael, Dürer und Grünewald malen die Madonna« öffnet am 6. September. Neben den Meisterwerken Raffaels sind auch weitere Madonnen-Darstellungen aus der Zeit des italienischen Renaissancemalers zu sehen, darunter Werke von Albrecht Dürer, Lucas Cranach d.Ä., Correggio und Matthias Grünewald, hieß es. Insgesamt werden etwa 20 Gemälde, Zeichnungen, Kupferstiche, Bücher und Dokumente präsentiert. Raffael malte die Altartafel der »Madonna di Foligno« 1511/12, bevor er im Sommer 1512 von Papst Julius II. den Auftrag zur »Sixtinischen Madonna« erhielt, erklärte die Kunstsammlung. Wahrscheinlich standen sie zusammen in seiner Werkstatt. Einblicke in Raffaels Arbeitsweise und seine Werkstattpraxis gewährt dabei auch die einzige überlieferte Vorzeichnung zur »Madonna di Foligno«, die als Leihgabe des British Museums in London für die Ausstellung gewonnen werden konnte. Dresden erinnert im kommenden Jahr mit einer weiteren Sonderausstellung an die Entstehung der »Sixtinischen Madonna« vor 500 Jahren. Die Jubiläumsausstellung „Die Sixtinische Madonna. Raffaels Kultbild wird 500" startet am 26. Mai und geht bis zum 26. September 2012. www.skd.museum.de tag der Bronzezeit, teilte das Museum der Westlausitz Die Himmelsscheibe von Nebra epd-bild / Steffen Schellhorn Himmelsscheibe von Nebra Kamenz zeigt Sonderausstellung Kamenz (epd). Unmittelbar vor dem »Tag der Sachsen« eröffnet Kamenz am 1. September eine Sonderausstellung zur Himmelsscheibe von Nebra. 100 Exponate, darunter detailgetreue Nachbildungen, böten Einblick in den All- am Donnerstag in Kamenz mit. Die rund 3.600 Jahre alte Bronzescheibe wurde bei Nebra in Sachsen-Anhalt gefunden. Sie gilt als weltweit älteste Darstellung des Sternenhimmels. Die Ausstellung wurde vom Landesmuseum für Vorgeschichte in Halle konzipiert, wo der Sensationsfund seit 2008 ständig zu sehen ist. Ein Teil der bis 8. Januar geöffneten Dokumentation widmet sich auch der spannenden Entdeckungsgeschichte. Zunächst gruben Sondengänger die Scheibe 1999 aus der Erde und verkauften sie. 2002 gelang es den Behörden, den Fund in Basel zu sichern. Den Angaben zufolge zählt die Himmelsscheibe zu den spektakulärsten archäologischen Funden des letzten Jahrhunderts. Seit ihrer Entdeckung rätselten Experten, wer sie hergestellt und genutzt hat und was sie über die Vorstellungen der damaligen Menschen verrät. Kamenz erwartet zum Sachsentag vom 2. bis 4. September Hunderttausende Menschen in der Stadt. www.museum-westlausitz.de epd-Wochenspiegel | AUSGABE OST Nr. 35_2011 Seite _43 KIRCHEN SOZIALES GESELLSCHAFT UMWELT KULTUR ENTWICKLUNG AUSLAND KULTUR Die Renaissance hat viele Gesichter Höhepunkte der italienischen Porträtkunst im Berliner Bode-Museum zu sehen Berlin (epd). Hoher Besuch auf der Museumsinsel in Berlin: Die florentinische Herrscherfamilie der Medici und weibliche Schönheiten der Handelsmetropole, Fürsten und Condottieri Mittelitaliens nebst ihren Frauen sowie die Dogen und Kaufleute der Seerepublik Venedig - sie alle sind seit Donnerstag bis zum 20. November im Bodemuseum in einer Ausstellung unter dem Titel »Gesichter der Renaissance« versammelt. Zu sehen ist etwa das strenge Profil eines Mannes mit rotem Turban, darunter ein fein modelliertes Gesicht. Die leichte Drehung des Körpers lässt die rechte Schulter erkennen, unterstreicht Bildnis eines Knaben von Andrea d’Assisi, um 1495/1500 das Plastische der Figur. Das um 1426 epd-bild / Gemäldegalerie Dresden von Masaccio gemalte Bild ist das früheste eigenständige Florentiner Porträt. Das Bodemuseum, mit seinen originalen Erst allmählich lösen sich Darstellungen des IndiRenaissance-Portalen und Kamineinbauten einst als viduums von ihren Vorläufern, den Stifterfiguren in AlSchatzhaus für diese Epoche geplant, bildet dabei den tarbildern oder Fresken in Gotteshäusern. Die höchste idealen Rahmen. Die Ausstellungssäle im zweiten ObergePerfektion erreicht Leonardo da Vinci 1489 in seinem schoss sind bewusst in dunkles Licht getaucht, schaffen rätselhaften Bildnis der »Dame mit dem Hermelin«: Ein Stimmungsräume, aus dem die Porträts aufleuchten und junges, modisch gekleidetes Mädchen mit einem Hermedie konzentrierte Betrachtung erlauben. lin auf dem Arm, das Symbol für Tugendhaftigkeit. WähDrei thematische Abteilungen illustrieren die Entrend der Körper dem Betrachter zugewendet ist, geht ihr wicklung der italienischen Porträtkunst und ihre BesonBlick über die Schulter aus dem Bild heraus, den Mund derheiten: Von den ersten autonomen Porträts in Florenz umspielt ein leicht spöttisches Lächeln. Die anmutige Gemit Bildnissen vor allem der Herrscherfamilie der Medici stalt, das kraftvoll sich abstützende Tier, die Spannung und weiblicher Schönheiten der Handelsmetropole, die der Bewegung vor dem dunklen Hintergrund – hier wagt sich weitgehend noch an antiken Vorbildern orientierten, der Künstler radikal Neues und überwindet die Natur. über die Selbstdarstellungen der Fürsten und CondotAusstellungskurator Stefan Weppelmann legt die tieri Mittelitaliens nebst ihren Frauen, in denen Macht Messlatte hoch: »Er schafft das erste Gemälde, was man und Reichtum ebenso zum Ausdruck kommt wie humafast als abstraktes Bild bezeichnen kann, die Geburt der nistisches Gedankengut, bis zu den ausdrucksstarken Moderne in der Malerei!« Die Ausstellung »Gesichter der Gemälden der Porträttradition Venedigs. Renaissance«, die im Berliner Bodemuseum gezeigt wird, Ein erster Höhepunkt ist ein frühes Doppelporträt, zeichnet die Entwicklung zwischen diesen beiden Polen um 1440 von Filippo Lippi gemalt: Eine prächtig gekleinach: Tafelbilder auf Holz, zarte Kreidezeichnungen, verdete Florentiner Schönheit, über dem blassen Gesicht goldete Medaillenporträts, Büsten in hell schimmerndem trägt sie kostbaren Kopfschmuck, an der Hand zahlreiMarmor - 170 Spitzenstücke aus Museen der ganzen Welt che Ringe. Sie steht in einer Fensternische und zeigt illustrieren mit den Werken von 40 Meistern der Frühredem Betrachter ihr Profil. Ihr gegenüber schaut ein Mann naissance Italiens Beitrag zur europäischen Porträtkunst, mit roter Kappe zum Fenster herein. Beeindruckend ist die im 15. Jahrhundert diesseits und jenseits der Alpen auch das Zusammentreffen dreier Profilansichten junger aufblühte. Damen aus Berlin, Mailand und New York, gemalt von epd-Wochenspiegel | AUSGABE OST Nr. 35_2011 Seite _44 KIRCHEN SOZIALES GESELLSCHAFT den Brüdern Antonio und Piero del Pollaiuolo, die das Idealbild weiblicher Schönheit um 1460 vorführen. Zu den Sensationen der Ausstellung gehören die drei sehr ähnlichen Porträts des bei einem Anschlag im Florentiner Dom ermordeten Giuliano de’ Medicis, um 1478 in der Werkstatt Sandro Botticelli gemalt. Sie betonen seine Physiognomie mit der langen Nase und zeigen ihn – für die Zeitgenossen revolutionär - mit bescheiden gesenktem Blick. Herausragendes ist auch unter den zahlreichen Medaillons zu finden, ein im 15. Jahrhundert besonders beliebtes Medium der Porträtkunst, das insbesondere mit dem Namen Pisanellos verbunden ist. Und schließlich folgen die Gemälde der venetianischen Dogen und UMWELT KULTUR ENTWICKLUNG Kaufleute von Antonello da Messinas und Giovanni Bellini, ausdrucksstarke Charakterporträts, die sich von dem weit verbreiteten Profilbild lösen und die Figuren in bewegter Dreiviertelansicht zeigen. Für das aufregendste Werk der Schau hält Kurator Stefan Weppelmann hingegen eine winzige Federzeichnung aus der Hand Leonardo da Vincis, das aus der Sammlung der Königin von England in Windsor stammt: nur sieben Zentimeter hoch erfasst der Künstler in wenigen Strichen den Charakter Lorenzo de’ Medicis, der das Attentat im Florentiner Dom, bei dem sein Bruder starb, überlebt hatte – um 1480 ein frühes Beispiel für da Vincis Auseinandersetzung mit dem offiziellen Herrscherporträt. Sigrid Hoff (epd) AUSLAND KULTUR »Malimo & Co« Leipziger Ausstellung zeigt modische Zeitreise durch die DDR Leipzig (epd). »Malimo«, »Dederon« oder »Präsent 20« diese Namen wecken bei modisch Interessierten eher wenig Begehrlichkeiten. Die kratzigen Synthetikstoffe, aus denen Kittelschürzen und andere alltagstaugliche Begleiter für die uneitle Arbeiterfrau gefertigt wurden, stehen als Synonym für Mode aus der DDR. Das damit ein Stück Kulturgeschichte leichtfertig abgetan wird, zeigt die Leipziger Ausstellung »Malimo & Co«. Auf rund 450 Quadratmetern präsentiert das Stadtgeschichtliche Museum seit Dienstag, wie geschneidert und auch abgekupfert wurde. Heraus gekommen ist eine Hommage an die Mode im Arbeiter- und Bauernstaat, die neben dem Einheitsschick auch überraschend spielerisch mit Mangelwirtschaft und Vorgaben umging. Am Anfang wartet die Ausstellung mit einer leisen Überraschung auf. Auf einem großformatigen Foto sieht man eine junge Frau, die modisch zurecht gemacht und voller Selbstbewusstsein in die Kamera schaut. Zeit und Ort der Aufnahme: 1945 auf einer Straße in der sowjetischen Besatzungszone. Das Bild der schicken Trümmerfrau vom Leipziger Fotografen Karl-Heinz May gibt einen Vorgeschmack auf den Improvisationswillen in der DDR. »Eigentlich gab es keine spezielle DDR-Mode«, erklärt Kuratorin Katrin Sohl. »Die Leute haben sich nach außen orientiert.« So durchlaufen die etwa 50 ausgestellten Kleider, Anzüge, Blusen und Röcke eine auch für den westlichen Besucher vertraute Wandlung. Jeweils in ZehnJahres-Schritten zeigt die Ausstellung Charakteristisches der Epoche und Designermodelle der damals führenden Modehäuser wie »Bormann« und »Lucie Kaiser«. Angefan- gen vom Petticoat und Tonnenkleid der fünfziger Jahre über die bunten Mini- und Maxikleider der siebziger bis hin zu den kantigen Jacketts und weiten Blousonjacken der achtziger Jahre wird gezeigt, was modern war. Modezeitschriften wie »Sibylle«, »Pramo«, »Saison« und »Modische Maschen« mit ihren Schnittmustern gaben auch den weniger Betuchten die Gelegenheit, sich dem Trend anzupassen. »Die Zeitschriften waren hoch begehrt und wurden häufig unter dem Ladentisch weitergegeben«, erzählt Ausstellungsmacherin Sohl. Die Modefotos von damals wirken im Vergleich zu ihren westlichen Pendants lässig. Die Aufnahmen zeigen ungekünstelte Szenerien, normale Frauen, die in die Kamera lachen. In Zeiten von Streetstyle-Abbildungen in InternetModeblogs und dem Modelboykott der Frauen-Zeitschrift »Brigitte« muten sie fast avantgardistisch an. Eine besondere Herausforderung stellte die Bekleidung für junge Leute da. Modemacher stießen immer wieder auf Barrieren. So wurde zum Beispiel aus Spargründen in der Produktion hier mal eine Doppelnaht weggelassen, dort eine Ziertasche, eine Knopfleiste oder eine schicke Kragenvariante eingespart. Die Jugendlichen nahmen die Kleidungsstücke aus dem Handel nur bedingt an und nähten sich ihre Garderobe lieber selbst. »Als Material haben die Leute genommen, was sie da hatten«, sagt Sohl. Die Stoffe kamen direkt aus dem Haushalt: BabyWindeln, Bettücher, Scheuerlappen, Arbeiterhemden und Schlauchbinden. Über 50 Kleidungsstücke werden bei »Malimo & Co.« präsentiert. Viele sind private Leihgaben, einige stammen epd-Wochenspiegel | AUSGABE OST Nr. 35_2011 Seite _45 KIRCHEN SOZIALES GESELLSCHAFT aus dem Stadtmuseum in Waldheim, wo einst die »Jugend Mode« produziert wurde oder dem Deutsch-Historischen Museum in Berlin. Zu den Exponaten kommen persönliche Geschichten von Modeexperten und normalen Bürgern, die sich via Hörstation abrufen lassen. Während der Ausstellungslaufzeit zeigt das Ring-Café Leipzig zusätzlich zwei Gala-Modenschauen und kleinere Modepräsentationen. Für diesen Zweck wird sich der historische Festsaal mit seiner Architektur aus den 50er UMWELT KULTUR ENTWICKLUNG Jahren in einen Laufsteg verwandeln, auf dem Models DDR-Mode präsentieren. Eine Videobustour veranschaulicht anhand von Filmclips, die während einer Rundfahrt durch Leipzig gezeigt werden, die Beziehung zwischen Mode und Alltag in der DDR. Die Ausstellung »Malimo & Co - Mode in der DDR zwischen Traum und Wirklichkeit« ist bis 8. Januar 2012 dienstags bis sonntags von 10 bis 18 Uhr zu sehen. Stephanie Höppner (epd) AUSLAND KULTUR Dresdner Kreuzchor mit erster Vesper der neuen Saison Dresden (epd). Nach der Sommerpause ist der Dresdner Kreuzchor wieder regelmäßig an Samstagen zu hören. In der Kreuzkirche der sächsischen Landeshauptstadt erklangen in der ersten Vesper der neuen Spielzeit Werke von Heinrich Schütz, Alessandro Scarlatti und Anton Bruckner. Insgesamt sind in der kommenden Saison 100 Auftritte mit Schwerpunkt in Dresden geplant. Das Repertoire reicht von alter bis zu zeitgenössischer Musik. In über 30 Konzerten treten die Kruzianer außerhalb ihrer Heimatstadt auf, darunter in Goslar, Bonn und Frankfurt/Main. Gleich vier Mal kommen sie in der Vorweihnachtszeit nach Berlin. Unter anderem steht in der Philharmonie das Weihnachtsoratorium von Johann Sebastian Bach auf dem Programm. Im März treten die Kruzianer gemeinsam mit dem Leipziger Thomanerchor auf, der sein 800-jähriges Bestehen feiert. Beteiligt ist der Chor auch an den Niedersächsischen Musiktagen, den Brandenburgischen Sommerkonzerten und am MDRMusiksommer. Mit einer neuen Werbeaktion will das Ensemble zudem seine Sympathiewerte steigern. Eine mit Kreuzchormotiven beklebte Straßenbahn tourt ab 10. September im Linienverkehr durch Dresden. In den kommenden auf dem Spielplan. Außerdem führen die Kruzianer im Februar zum Gedenken an die Zerstörung Dresdens das selten zu hörende erste Requiem von Luigi Cherubini (1760-1842) auf. Dem Kreuzchor gehören in diesem Jahr 159 Sängerknaben an. Die Geschichte des Chors reicht über sieben Jahrhunderte zurück. Er ist die älteste Kultureinrichtung der Stadt Dresden, die auch Träger des Ensembles ist. www.kreuzchor.de Kulturstaatsminister Neumann: beiten mitteilte. Damit sei der Martin-Gropius-Bau künftig 100 Millionen für die kulturelle Infrastruktur »nicht nur künstlerische, sondern auch umwelttechnische Avantgarde«. Zudem ermöglicht nun ein neuer Aufzug den behindertengerechten Zugang des gesamten Gebäudes. Neumann betonte, insgesamt flössen aus dem Konjunkturpaket II der Bundesregierung 100 Millionen Euro »in die kulturelle Infrastruktur« von 80 Projekten, für die sein Haus zuständig sei. Der Martin-Gropius-Bau erhält aus dem Etat des Kulturstaatsministers nach dessen Angaben jährlich knapp 2,6 Millionen Euro. Berlin (epd). Der Berliner Martin-Gropius-Bau ist für elf Millionen Euro saniert worden. Das Ausstellungshaus im Zentrum Berlins erhielt unter anderem eine PhotovoltaikAnlage, eine neue Klimaanlage sowie neue Lichttechnik, wie Kulturstaatssekretär Bernd Neumann (CDU) am Dienstag in Berlin beim Festakt zum Abschluss der Bauar- Monaten wollen die Kruzianer dann auf verschiedenen Sonderfahrten persönlich in die Bahn steigen und an bestimmten Orten der Stadt singen. Kulturbürgermeister Ralf Lunau (parteilos) nannte es am Mittwoch nicht selbstverständlich, dass ein Chor mit überwiegend liturgischem Programm von der Stadt finanziert werde. Aufgrund der hohen Identifikation mit den Kruzianern gehöre es aber in breiten Schichten zum guten Ton, die Konzerte zu besuchen. Das vom Stadtrat bewilligte Budget von 2,4 Millionen Euro für 2011 sei »gänzlich unumstritten«. Ähnlich äußerte sich Kreuzkantor Roderich Kreile. In Dresden stehen insgesamt 23 Samstagsvespern und 28 Auftritte bei Gottesdiensten in der Kreuzkirche epd-Wochenspiegel | AUSGABE OST Nr. 35_2011 Seite _46 KIRCHEN SOZIALES GESELLSCHAFT Kloster »Marienthron« Klosterruine Nimbschen wird archäologisch erschlossen Grimma (epd). Die Klosterruine Nimbschen bei Grimma wird seit Mittwoch archäologisch erschlossen. Vor allem im Bereich des Kreuzganges werde mit Bodenfunden gerechnet, teilte die Stadtverwaltung mit. Für die Untersuchungen sind etwa 10.000 Euro eingeplant. Das ehemalige Kloster »Marienthron« ist besonders bekannt durch die Nonne Katharina von Bora. Nach der spektakulären Flucht 1523 aus dem Kloster heiratete sie zwei Jahre später den Reformator Martin Luther. Von der Ruine im Süden Grimmas ist zurzeit neben drei Mauern des ehemaligen Klausurgebäudes, einem Brunnen und den Resten der Klostermauer und des Mühlgrabens nichts mehr vorhanden. Deshalb werde zusätzlich überlegt, den kompletten Verlauf der Klosterkirche wieder sichtbar zu machen, wie ein Stadtsprecher sagte. Mit modernen Elementen soll der Besucher wieder eine Vorstellung von der Größe der Anlage bekommen. Diese Umgestaltung, die mit rund 300.000 Euro zu Buche schlagen würde, sei jedoch bislang noch nicht vom Stadtrat gebilligt worden. Goethe-Medaillen Michnik, Mnouchkine und le Carré in Weimar geehrt Weimar (epd). Die diesjährige Goethe-Medaillen sind am Sonntag in Weimar dem britischen Spionageautor John le Carré, dem polnischen Publizisten Adam Michnik sowie der französischen Regisseurin Ariane Mnouchkine verliehen worden. Da die Gründerin und Leiterin des Pariser »Théâtre du Soleil« verhindert war, nahm für sie die Ensemble-Schauspielerin Shaghayeg Beheshti den Orden von Goethe-Instituts-Präsident Klaus-Dieter Lehmann entgegen. Lehmann würdigte die Preisträger als drei herausragende Persönlichkeiten der europäischen Öffentlichkeit. Sie hätten mit ihrem Leben und Werk zu einem zusammenwachsenden, friedlichen und kreativen Europa beitragen, betonte er bei der Verleihung im Weimarer Stadtschloss. Thüringens Kultusminister Christoph Matschie (SPD) sagte in einem Grußwort, die Preisträger hätten die Idee von einem humanistischen Europa mit neuem Leben erfüllt. Die Verleihung der undotierten Medaillen am 262. Geburtstag von Johann Wolfgang Goethe (1749-1832) war in das Weimarer Kunstfest »pèlerinages« einbezogen. UMWELT KULTUR ENTWICKLUNG Die 1954 gestiftete Medaille gilt seit 1975 als offizieller Orden der Bundesrepublik. Seit 1992 wird sie vom Goethe-Institut jährlich in Weimar verliehen. Zu den bisher mehr als 300 Preisträgern aus 58 Ländern zählen Daniel Barenboim, Sir Karl Raimund Popper, Billy Wilder, Imre Kertész und Jorge Semprún. www.goethe.de AUSLAND KULTUR Museumsnacht 32.000 Besucher bei Berliner »Langen Nacht« Berlin (epd). Die 29. »Lange Nacht der Museen« hat am Samstagabend in Berlin trotz widrigen Wetters erneut 32.000 Besucher angezogen. Hauptanziehungspunkte waren wieder das Alte Museum und der Dom, teilte die landeseigene Veranstaltungsagentur Kulturprojekte Berlin am Sonntag mit. Im Vergleich zum Vorjahr verteilte sich das Interesse allerdings etwas gleichmäßiger auf die insgesamt 105 geöffneten Ausstellungshäuser. Eröffnet wurde die Spätsommerausgabe der traditionellen »Langen Nacht der Museen« um 18 Uhr mit einem Gongschlag des Regierenden Bürgermeisters Klaus Wowereit (SPD). Thematischer Schwerpunkt war in diesem Jahr die Musik. Rund 35 Chöre traten in den verschiedenen Häusern auf. Um Mitternacht stimmten 3.000 Besucher auf dem Kulturforum unter Anleitung einer Dirigentin mehrstimmig das Abendlied »Der Mond ist aufgegangen« an. Erstmals im Rahmen der »Langen Nacht« geöffnet waren neun Einrichtungen, darunter das Museum Berggruen und die Humboldt-Box am Lustgarten. Die nächste »Lange Nacht« ist für den 28. Januar 2012 geplant. www.lange-nacht-der-museen.de Ägyptisches Museum Leipzig Archäologisch wertvoller Steinsarg wieder vollständig zu sehen Leipzig (epd). Nach achtjähriger Restaurierungsarbeit hat am Freitag ein archäologisch wertvoller Steinsarg wieder seinen Platz im Ägyptischen Museum in Leipzig gefunden. Er wurde am Vormittag in das Schaufenster des Ägyptischen Museums gehievt und ist somit auch für Passanten auf der Straße sichtbar, wie die Universität Leipzig mitteilte. Der 1,5 Tonnen schwere Steinsarg aus Giza aus der 4. Dynastie (2600-2500 v. Chr.) gehörte dem kleinwüchsigen Beamten Seneb und wurden wegen der Darstellung seiner ungewöhnlichen Größe in der Ägyptologie berühmt. epd-Wochenspiegel | AUSGABE OST Nr. 35_2011 Seite _47 KIRCHEN SOZIALES GESELLSCHAFT Bereits in altägyptischer Zeit war das archäologische Kleinod durch Grabräuber stark beschädigt worden. Er musste aus hunderten Einzelteilen zusammen gesetzt werden. Die Fachhochschule Hildesheim hatte gemeinsam mit ihren Studenten diese Arbeit übernommen. Das Ägyptische Museum »Georg Steindorff« der Universität Leipzig umfasst eine Sammlung mit Fundstücken aus mehreren Jahrtausenden. Sie reichen von der Altsteinzeit und den vordynastischen Kulturen Ägyptens über alle Perioden des pharaonischen Ägypten (Frühzeit, Altes Reich, Mittleres Reich, Neues Reich, Spätzeit) bis hin zur griechisch-römischen und der frühen islamischen Zeit (Fatimidendynastie). Kamenzer Klosterkirche St. Annen Sakralmuseum eröffnet Kamenz (epd). Die Lessingstadt Kamenz ist kurz vor dem »Tag der Sachsen« um eine Attraktion reicher. Mit einem Festakt wurde am Freitag die fast 500-jährige Klosterkirche St. Annen als Sakralmuseum eröffnet. Gezeigt werden Schätze aus dem Fundus der evangelischen Gemeinde, darunter fünf spätgotische Altäre aus dem beginnenden 16. Jahrhundert. Für das Museum schlossen Stadt und Kirchgemeinde 2009 einen nach eigenen Angaben einmaligen Kooperationsvertrag in Sachsen ab. Das Gebäude bleibt im Besitz der Kirchgemeinde, die dort auch weiterhin in größeren Abständen Gottesdienste feiern will. Die Stadt betreibt das Museum. Neben den Altären werden weitere Schaustücke geboten, darunter ein böhmisches Reliquienaltärchen von 1380 oder die Tafelbilder »Gesetz und Gnade« von 1542 des Schneeberger Cranach-Schülers Wolf Krodel. Außerdem berichtet die Ausstellung über die Franziskaner in Kamenz, evangelische Sorben sowie über Heiligenverehrung und die Macht des Glaubens. Die Klosterkirche wurde zuletzt umfassend saniert. Dabei kamen Wand- und Deckenmalereien aus der Entstehungszeit der Kirche zum Vorschein. Mit der Wiedereinweihung der Kirche des ehemaligen Franziskanerklosters und dem neuen Museum besitze Ka- UMWELT KULTUR ENTWICKLUNG menz einen weiteren Anziehungspunkt von hoher Strahlkraft, hieß es. Bei den Eröffnungsfeiern ist für Samstag ein Tag der offenen Tür und für Sonntag ein Festgottesdienst geplant. Kamenz ist vor allem als Geburtsstadt des Dichters Gotthold Ephraim Lessing (1729-1781) bekannt. Zum »Tag der Sachsen« werden vom 2. bis 4. September Hunderttausende in Kamenz erwartet. Das Museum öffnet täglich von 10 bis 18 Uhr. AUSLAND KULTUR Staatliche Kunstsammlungen Canalettos berühmtes DresdenPanorama in neuem Glanz Dresden (epd). Dresdens berühmtestes Stadtpanorama, der Canaletto-Blick über die Elbe, zeigt sich in neuem Glanz. Das Werk ist seit Freitag innerhalb der Reihe »Das restaurierte Meisterwerk« zu sehen, wie die Staatlichen Kunstsammlungen in Dresden mitteilten. Nebst einer Restaurierungs- und Forschungsdokumentation werden im Deutschen Pavillon im Zwinger auch weitere »Blicke« und Radierungen Canalettos gezeigt. Das etwa 1,30 mal 2,40 Meter große Stadtpanorama des venezianischen Malers Bernardo Bellotto (17221780), genannt Canaletto, entstand 1748. Unter dem vollständigen Titel »Dresden vom rechten Ufer unterhalb der Augustusbrücke« zeigt es detailgetreu die Dresdner Elbfront mit Frauen- und Hofkirche. Das Bild des Dresdner Hofmalers wurde seit 1834 fast ohne Unterbrechung öffentlich gezeigt. Für etwa eineinhalb Jahre musste es in die Restaurierungswerkstätten. Für die Arbeiten trug der Freundeskreis der Kunstsammlungen »Museis Saxonicis Usui« 128.000 Euro aus Spenden zusammen. Zu den prominenten Fürsprechern zählten der Schriftsteller Uwe Tellkamp und der Maler Georg Baselitz. Nach Abschluss der Sonderausstellung am 20. November kommt der Canaletto-Blick wieder an seinen Platz in die Galerie Alte Meister. Die Ausstellung ist dienstags bis sonntags von 10 bis 18 Uhr geöffnet. www.skd.museum epd-Wochenspiegel | AUSGABE OST Nr. 35_2011 Seite _48 KIRCHEN SOZIALES GESELLSCHAFT UMWELT KULTUR ENTWICKLUNG Geisendörfer-Preis für sechs Radio- und TV-Produktionen AUSLAND KULTUR Auszeichnungen werden am 13. September in Baden-Baden verliehen Frankfurt a.M. (epd). Der Robert Geisendörfer Preis geht in diesem Jahr an sechs Radio- und TV-Produktionen. Wie die Geschäftsstelle des Medienpreises der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) am Donnerstag in Frankfurt am Main mitteilte, erhalten unter anderem Marcus Vetter und Karin Steinberger den Preis für ihren SWR-Film »Hunger«. Die Dokumentation zeige die Menschen »weder als elende Hungerleider noch als potenzielle Wirtschaftsflüchtlinge«, sondern als »gleichberechtigte Nachbarn«, lobte die Jury. Der Robert Geisendörfer Preis ist mit insgesamt 30.000 Euro dotiert. Die Verleihung findet am 13. September in Baden-Baden statt. Ausgezeichnet wird auch Eric Friedler für »Aghet Ein Völkermord«. Die NDR-Dokumentation strafe alle die Lügen, die die Erinnerung an den hunderttausendfachen Mord am armenischen Volk aus dem Gedächtnis der Menschheit streichen wollen, urteilte die Jury. Charly Kowalczyk erhält einen weiteren Preis für sein Hörspiel »Angelika. Annäherung an ein Kinderleben« (Deutschlandradio Kultur). Die Jury bescheinigte dem Stück einen »zutiefst christlichen Blick auf die Menschen«. Für ihr MDR-Radiofeature »Verbrannt in Polizeizelle Nr. 5. Der Tod des Asylbewerbers Oury Jalloh in Dessau« wird Margot Overath geehrt. Der Beitrag sei der »ebenso hartnäckige wie beklemmende Versuch, die Wahrheit über den Tod eines Menschen herauszufinden und ihm damit wenigstens die Würde zurückzugeben«. Die Jury Kinderprogramme zeichnet Wolfgang Eißler und Gabriele Kreis für den MDR-Film »Die kluge Bauern- tochter« aus, der den Märchenstoff zeitgemäß modernisiere. Katja Engelhardt und Ralph Caspers bekommen einen Preis für ihr »Sendung mit der Maus«-Spezial zu Südafrika (WDR). Hier habe vor allem der Verzicht auf folkloristische Klischees und sozialkritische Überheblichkeit zugunsten von Offenheit gegenüber der realen Lebensbewältigung überzeugt, so die Jury. Wie bereits seit Juni bekannt, erhält der CoGeschäftsführer des Privatsenders Sat.1, Joachim Kosack, den undotierten Sonderpreis des Robert Geisendörfer Preises als herausragender Programmgestalter des privaten Fernsehens. Der Robert Geisendörfer Preis wird seit 1983 jährlich im Gedenken an den christlichen Publizisten Robert Geisendörfer verliehen, der am 1. September vergangenen Jahres 100 Jahre alt geworden wäre. Mit dem Preis zeichnet die EKD Hörfunk- und Fernsehsendungen aus allen Programmsparten aus, die das persönliche und soziale Verantwortungsbewusstsein stärken und zur gegenseitigen Achtung der Geschlechter beitragen. Die Geschäftsführung des Preises liegt beim Gemeinschaftswerk der Evangelischen Publizistik (GEP) in Frankfurt. Das ist die zentrale Medieneinrichtung der EKD, ihrer Landeskirchen und Werke sowie der evangelischen Freikirchen. Zum GEP gehört unter anderem die Zentralredaktion des Evangelischen Pressedienstes (epd). Internet: www.geisendoerfer-preis.de Buddhismus im Fokus der Ruhrtriennale NRW-Kultusministerin verspricht »Saison der mutigen Experimente« Bochum (epd). Die dritte und letzte Spielzeit der Ruhrtriennale 2009-2011 rückt seit Freitag den Buddhismus in den Mittelpunkt. Nach der Festivaleröffnung stand für Samstag die Premiere von Richard Wagners »Tristan und Isolde« in der Inszenierung des RuhrtriennaleIntendanten Willy Decker auf dem Programm, wie das Festivalbüro in Bochum mitteilte. Unter dem Motto »Ankunft und Suche nach dem Jetzt« bietet das Kulturfestival bis zum 9. Oktober rund 130 Vorstellungen an den Spielorten in Bochum, Duisburg, Essen, Gladbeck und Oberhausen. Die Ruhrtriennale mache als eines der innovativsten und außergewöhnlichsten Kunst-Festivals in Europa das ganze Ruhrgebiet zur Bühne herausragender Kunst, sagte die nordrhein-westfälische Kulturministerin Ute Schäfer (SPD) in Bochum: »Dies wird erneut eine Saison der mutigen Experimente.« Das Programm bietet nationale und internationale Theater-Gastspiele sowie Lesungen, Symposien, Konzerte, Aktionen und Ausstellungen. Außerdem präsentiert die »Junge Triennale« wieder ein besonderes Programm für Kinder und Jugendliche. epd-Wochenspiegel | AUSGABE OST Nr. 35_2011 Seite _49 KIRCHEN SOZIALES GESELLSCHAFT In seiner letzten Spielzeit wolle er die Radikalität buddhistischen Denkens und Handelns als Kristallisation menschlicher Erkenntnis in den Tiefen der großen Werke abendländischer Kultur wiederfinden, erklärte Intendant Decker. In den ersten beiden Jahren des Triennale-Zyklus drehten sich die Veranstaltungen um das Judentum und den Islam. Zu den Höhepunkten des Festivals gehören William Shakespeares Stück »Macbeth«, das am 2. September in einer Neuinszenierung in Gladbeck aufgeführt wird. Darüber hinaus findet mit »Das Schloss« am 23. September eine Uraufführung des gleichnamigen Romans von Franz Kafka statt. UMWELT KULTUR ENTWICKLUNG Bei den Konzerten wird unter anderem das bekannte britische Gesangsquartett Hilliard Ensemble Stücke des amerikanischen Komponisten John Cage aufführen. Mit »Buddha goes to Bayreuth« bringt das Chorwerk Ruhr am 1. Oktober im Gasometer Oberhausen eine Produktion von Robert Moran zur Erstaufführung, das sich musikalisch auf Wagners »Parsifal« bezieht. Am 2. September präsentiert der Pianist Francesco Tristano zusammen mit den Techno-DJs Carl Craig und Moritz von Oswald sowie den Duisburger Philharmonikern Klassiker der Clubkultur. Internet: www.ruhrtriennale.de AUSLAND KULTUR Ökumenische Geschichte der Kirchenmusik Erster Band einer vierteiligen Reihe erschienen Hamburg (epd). Der erste Band einer insgesamt vierteiligen ökumenischen Geschichte der Kirchenmusik ist erschienen. Verfasser sind die Musikwissenschaftler Wolfgang Hochstein (Hamburg) und Christoph Krummacher (Leipzig), wie die Hamburger Hochschule für Musik und Theater am Dienstag mitteilte. Unter dem Titel »Von den Anfängen bis zum Reformationsjahrhundert« behandelt der erste Teilband die frühe Mehrstimmigkeit und Gregorianik und erstreckt sich bis zu den Gesangbuchdrucken der Lutherzeit und den Motetten des 16. Jahrhunderts. Hochstein, Professor für Schulpraktisches Klavierspiel, Klavier und historische Musikwissenschaft an der Hamburger Hochschule, hat sich seit etwa sieben Jahren intensiv mit dem Projekt befasst. Besonders gereizt habe ihn der neue Ansatz einer interkonfessionellen Darstellung, die orthodoxe und anglikanische Kirchenmusik ebenso einbezieht wie Spiritual und Gospel, Kirchenmusik in Missionsländern sowie popularmusikalische Richtungen, hieß es. Alle Hauptkapitel der Bände beginnen mit einem historischen Abriss und der spezifisch kirchengeschichtlichen Darstellung des jeweiligen Zeitraums. Es folgen Ausführungen zur gottesdienstlich-liturgischen Situation, zum Kirchenlied, zu Stil und Satztechnik der Epoche und den relevanten kirchenmusikalischen Gattungen. Die Lektüre ergebe zugleich eine Art »Ideengeschichte« der Kirchenmusik und eine Geschichte des Kirchenlieds, der Messe und anderer Gattungen. In den Haupttext einge- Die große Silbermannorgel im Dom St. Marien in Freiberg epd-bild / Rainer Oettel streut sind zahlreiche Porträts bedeutsamer Komponisten. Laut Hochstein soll das Werk in erster Linie Musikwissenschaftlern, Kirchenmusikern und Insidern zum Nachschlagen dienen. Zugleich sei es aber auch »eine für Nicht-Fachleute gut lesbare wissenschaftliche Publikation, die es in dieser Form bis dato nicht gegeben hat.« Literaturhinweis: Wolfgang Hochstein / Christoph Krummacher (Hrsg.), Geschichte der Kirchenmusik in vier Bänden, zusammen etwa 1.600 Seiten, über 200 Abbildungen und zahlreiche Notenbeispiele, gebunden mit Schutzumschlag, ca. 392 Euro, Laaber-Verlag (bei Regensburg) epd-Wochenspiegel | AUSGABE OST Nr. 35_2011 Seite _50 KIRCHEN SOZIALES GESELLSCHAFT UMWELT KULTUR ENTWICKLUNG Telekom-Chef Obermann ist »Sprachpanscher des Jahres« AUSLAND KULTUR Verein für Deutsche Sprache kritisiert auch Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) Dortmund (epd). Der Chef der Deutschen Telekom, René Obermann, ist zum »Sprachpanscher des Jahres 2011« ernannt worden. Das Unternehmen habe seine Kunden über Jahre hinweg mit englischen Sprachimporten verärgert, begründete der Verein für Deutsche Sprache am Freitag in Dortmund die Verleihung des Negativpreises. Nahezu alle Telekom-Tarife hätten englische Namen, vom »Weekend Flat« über den »Entertain Comfort« bis hin zu »Call & Surf Mobile Friends«. René Obermann ist nach Ron Sommer im Jahr 1998 bereits der zweite TelekomChef, der die zweifelhafte Ehre der »Auszeichnung« für sprachliche Fehlleistungen bekommt. Auf Platz zwei wählte die Jury des Vereins Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU). Sie habe sich negativ durch Anglizismen wie den »equal pay day« hervorgetan, erklärte der Vereinsvorsitzende Walter Krämer. Als Drittes wird die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) mit ihrem Ratsvorsitzenden Nikolaus Schneider kritisiert. Die Sprachpuristen bemängeln bei der EKD eine wachsende Zahl von Anglizismen in kirchlichen Veranstaltungstiteln. So wolle die Kirche ihre Gläubigen mit »LutherActivities«, »Wellness für die Männerseele« oder »marriage weeks« bei der Stange halten. Mit der Wahl des »Sprachpanschers« will der Verein für Deutsche Sprache die deutsche Gesellschaft nach eigenen Angaben dazu bringen, mehr Verantwortung für ihre Sprache zu übernehmen. Zu den 34.000 Mitgliedern des nach eigenen Angaben größten Sprach- und Kulturvereins in Deutschland gehören auch Prominente wie Hape Kerkeling, Dieter Hallervorden, Reinhard Mey und Jürgen von der Lippe. Internet: www.vds-ev.de Geburtstag Isermann, der aus Göttingen stammt, war zunächst Gemeindepfarrer und danach Schul- und Jugendpastor. Er gehörte in den 70er Jahren zu den bekanntesten Sprechern des »Wortes zum Sonntag« im Fernsehen. 1972 berief ihn die Evangelisch-lutherische Landeskirche Hannovers zu ihrem ersten Pressesprecher. Von 1979 bis zu seinem Eintritt in den Ruhestand 1996 war er Direktor des damaligen Evangelischen Presseverbandes Niedersachsen-Bremen, der unter seiner Leitung zum Verband Evangelischer Publizistik wurde. Der Verband ist Herausgeber für die »Evangelische Zeitung« und den Landesdienst Niedersachsen-Bremen des Evangelischen Pressedienstes (epd). Kirchenvertreter würdigen Publizisten Gerhard Isermann Hannover (epd). Kirchenvertreter haben den Publizisten und früheren Verlagsdirektor Gerhard Isermann gewürdigt. Der Pastor und langjährige Leiter der evangelischen Publizistik in Niedersachsen und Bremen war am 14. August 80 Jahre alt geworden. Der hannoversche Landesbischof Ralf Meister sagte am Freitag, Isermann habe sich in seinem Berufsleben und als Autor stets gegen Vereinfachungen und schnelle Urteile gewandt. Er habe die Leser dazu ermuntert, sich selbst ein Urteil zu bilden. »Ein wahrlich reformatorischer Ansatz, der sicherlich vielen Menschen eine große Hilfe war und ist.« Der Geistliche Vizepräsident des Landeskirchenamtes in Hannover, Arend de Vries, dankte Isermann für sein Lebenswerk. Um säkular denkenden Menschen die christliche Botschaft nahe zu bringen, bedürfe es einer präzisen Sprache und klarer Worte. Isermann habe an dieser Aufgabe mit Leidenschaft, aber auch nüchtern und beharrlich gearbeitet. Für den Verband Evangelischer Publizistik Niedersachsen-Bremen und das Lutherische Verlagshaus Hannover sagte Geschäftsführer Christof Vetter, Isermann habe die evangelische Publizistik im Land bis heute geprägt. Musik 118.000 Besucher beim Festival in Schleswig-Holstein Kiel (epd). Das diesjährige Schleswig-Holstein Musik Festival, das am Sonntag zu Ende ging, ist von 118.000 Menschen besucht worden. Damit sei wie bereits im vergangenen Jahr eine Auslastung von 88 Prozent erreicht worden, sagte Intendant Rolf Beck. Das Motto mit dem Länderschwerpunkt Türkei lautete diesmal »Merhaba Türkiye - Willkommen Türkei«. Von den 130 Konzerten, fünf Musikfesten auf dem Lande und zwei Kindermusikfesten waren 68 Veranstal- epd-Wochenspiegel | AUSGABE OST Nr. 35_2011 Seite _51 KIRCHEN SOZIALES GESELLSCHAFT tungen ausverkauft, sagt Beck. Dazu gehörten unter anderem die Konzerte mit Anne-Sophie Mutter und den zwölf Cellisten der Berliner Philharmoniker. Nach den Worten von Beck »trägt das SchleswigHolstein Musik Festival entscheidend dazu bei, Vorurteile abzubauen, Grenzen zu überwinden und den Boden für ein respektvolles Miteinander zu schaffen«. Mit dem Programm seien auch türkische Mitbürger erreicht worden. Im nächsten Jahr wird vom 7. Juli bis 26. August China der Länderschwerpunkt sein. 2013 steht das Baltikum im Fokus. Evangelische Filmarbeit »Le Havre« ist Film des Monats September UMWELT KULTUR ENTWICKLUNG Monats September. Im Stil französischer Filme der 50er Jahre erzähle der Regisseur eine melodramatische Geschichte von »wundersamer Menschlichkeit«, teilte die Jury am 22. August in Frankfurt mit. Der Film erhielt in Cannes den Preis der internationalen Jury und kommt am 8. September in die Kinos. Der Schuhputzer Marcel Marx findet im Hafen von Le Havre das afrikanische Flüchtlingskind Idrissa. Der Junge ist als einziger einer Polizeirazzia entkommen. Marx versteckt ihn und organisiert seine Überfahrt nach England. »Das Gestern der stilisierten Filmbilder wird zum Schauplatz der höchst aktuellen Flüchtlingsproblematik an den Grenzen Europas«, urteilte die Jury. Internet: www.filmdesmonats.de AUSLAND KULTUR Frankfurt a.M. (epd). Die Jury der Evangelischen Filmarbeit empfiehlt Aki Kaurismäkis »Le Havre« als Film des Filme der Woche »Die drei Musketiere« - »Kill the Boss« - »Mein bester Feind« - »How I Ended This Summer« Frankfurt a.M. (epd). Wie im gleichnamigen Roman von Dumas kämpfen Athos, Porthos und Aramis gemeinsam für Ehre und Treue, König und Vaterland und müssen dabei gegen die trickreiche M’Lady de Winter (Milla Jovovich) und Kardinal Richelieu (Christoph Waltz) ankommen. Zu Hilfe kommt ihnen der junge D’Artagnan. Paul W.S. Anderson inszeniert den Mantel- und-Degen-Klassiker untypisch modern mit Actionszenen und einer grandiosen Luftschlacht - wie es sie sonst nur in Comics zu sehen gibt. Die drei Musketiere (F/USA/GB/D 2011). R: Paul W.S. Anderson. B: Alex Litvak, Andrew Davies. Mit Logan Lerman, Milla Jovovich, Ray Stevenson, Luke Evans, Matthew Macfadyen, Orlando Bloom, Christoph Waltz, Til Schweiger, Mads Mikkelsen. L: 105 Min. »Kill the Boss« Der brave Büroangestellte Nick (Jason Bateman) wird aufs schlimmste von seinem Boss David (Kevin Spacey) gemobbt, ebenso wie der Zahnarztassistent Dale (Charlie Day) von seiner sexuell frustrierten Chefin Julia (Jennifer Aniston). Und der Firmenmanager Kurt muss seinen drogensüchtigen Vorgesetzten Bobby (Colin Farrell) ertragen. Die drei sehen schließlich nur noch einen Ausweg aus ihrem Arbeitsleben: den Auftragskiller Motherfucker Jones (Jamie Foxx). Die schwarze Komödie besticht vor allem durch ihre hochkarätige Besetzung und würde mit ihren mordlüsternen Hauptdarstellern Alfred Hitchcock sicher Freude bereiten. Kill the Boss (USA 2011). R: Seth Gordon. B: Michael Markowitz, John Francis Daley. Mit Jason Bateman, Jason Sudeikis, Colin Farrell, P.J. Byrne, Kevin Spacey, Charlie Day, Donald Sutherland, Jennifer Aniston, Jamie Foxx. L: 98 Min. »Mein bester Feind« In Wolfgang Murnbergers Nazi-Komödie wird der im KZ sitzende jüdische Kunsthändlerssohn Victor Kaufmann (Moritz Bleibtreu) zu einem dringend benötigten Helfer für eine Mission der Wiener Nazis. Er kennt als einziger Überlebender das Versteck einer wertvollen Michelangelo-Zeichnung, die sie zur Ankurbelung ihrer Italien-Beziehungen brauchen. In Gestapo-Uniform muss Victor seine Schauspielkünste unter Beweis stellen, und einige Verwicklungen befördern dabei seinen ehemals besten Freund (Georg Friedrich) und jetzigen Feind Rudi in Häftlingsklamotten. Mit viel Spielwitz brillieren Bleibtreu und Friedrich in der Verstellungsgeschichte, die manchmal allerdings etwas brav daher kommt. epd-Wochenspiegel | AUSGABE OST Nr. 35_2011 Seite _52 KIRCHEN SOZIALES GESELLSCHAFT Mein bester Feind (Österreich/Luxemburg 2011). R: Wolfgang Murnberger. B: Paul Hengge. Mit Moritz Bleibtreu, Georg Friedrich, Ursula Strauss, Udo Samel, Marthe Keller, Uwe Bohm, Christoph Luser, Serge Falck. L: 105 Min. »How I Ended This Summer« Zwischen Komödie und Drama wechselnd, erzählt der Film des russischen Regisseurs Alexei Popogrebsky (»Koktebel«) von zwei Männern, Pavel und Sergei, die auf einer Wetterstation in der Arktis arbeiten. Mit spektaku- UMWELT KULTUR ENTWICKLUNG lären Bildern vom ewigen Eis und dem endlosen Horizont wird vor allem eines dem Zuschauer klar: Wie einsam die beiden Männer sein müssen. Die schwierige Arbeitssituation führt schließlich dazu, dass Sergej durchdreht. Beide werden zu bitteren Feinden. Das Katz-und-Maus-Spiel wirkt dennoch ruhig, lakonisch und dokumentarisch. How I Ended This Summer (Russland 2010). R, B: Alexei Popogrebsky. Mit Grigory Dobrygin, Sergei Puskepalis, Igor Chernevich, Ilya Sobolev, Artyom Tsukanoc. L: 129 Min. www.epd-film.de epd-Wochenspiegel | AUSGABE OST Nr. 35_2011 AUSLAND KULTUR Seite _53 KIRCHEN SOZIALES GESELLSCHAFT UMWELT KULTUR ENTWICKLUNG UN wollen Millionen Staatenlose besser schützen AUSLAND ENTWICKLUNG Hochkommissar für Flüchtlinge spricht von »alptraumhaftem juristischen Vakuum« Genf (epd). Die Vereinten Nationen haben die Diskriminierung von Millionen staatenloser Menschen verurteilt. In vielen Ländern hätten Menschen ohne Staatsangehörigkeit keine Rechte und keinen Schutz, erklärte der UN-Hochkommissar für Flüchtlinge, António Guterres, in Genf. »Sie leben in einem alptraumhaften juristischen Vakuum«, betonte er. Das UN-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR) startete eine weltweite Kampagne, um das Los der schätzungsweise 12 Millionen Staatenlosen zu verbessern. Viele von ihnen leben in Südostasien, Zentralasien, Osteuropa und im Nahen Osten. Das UNHCR erinnert auch an die Verabschiedung der Konvention gegen Staatenlosigkeit, die am 30. August vor 50 Jahren verabschiedet wurde. Die Betroffenen fänden oft keine Jobs und Wohnungen, der Zugang zu Schulen und medizinischen Einrichtungen werde ihnen verwehrt. Für die meisten sei es auch unmöglich, standesamtlich zu heiraten oder die Geburt eines Kindes zu registrieren. Das UNHCR berichtetet auch von Inhaftierungen Staatenloser, die ihre Herkunft nicht belegen könnten. Dem Hilfswerk zufolge führt das Auseinanderbrechen von Staaten wie der früheren Sowjetunion dazu, dass Menschen staatenlos werden. Viele Angehörige des alten Staates würden daran gehindert, eine neue Nationalität zu beantragen. Oft verweigerten die Behörden als Schikane auch gezielt bestimmten Personen die Staatsangehörigkeit. Das UNHCR betonte ferner, dass in rund 30 Staaten in Afrika, im Nahen Osten und in Asien nur Männer die Staatsangehörigkeit an ihre Kinder weitergeben können. Die Kinder, die Frauen aus diesen Staaten mit Ausländern bekämen, endeten oft als Staatenlose. Die Konvention gegen Staatenlosigkeit schreibt vor, dass Menschen entweder die Nationalität des Vaters oder der Mutter erhalten sollen. Bis 2010 traten dem Abkommen 37 Staaten bei. Mutmaßlicher Kriegsverbrecher beteuert Unschuld Plädoyer im Kongo-Prozess vor Internationalem Strafgerichtshof Den Haag (epd). Die Verteidigung des mutmaßlichen kongolesischen Kriegsverbrechers Thomas Lubanga (50) hat vor dem Internationalen Strafgerichtshof politische Einflussnahme beklagt. »Beweise und Zeugen wurden manipuliert«, erklärte die Verteidigerin Catherine Labille in ihrem Schlussplädoyer am Freitag in Den Haag. Sie forderte einen Freispruch. In seinem Schlusswort beteuerte auch Lubanga seine Unschuld. Das Urteil wird Anfang 2012 erwartet. Anklage sieht Schuld bewiesen Dem ehemaligen Rebellenführer wird die Rekrutierung und der Einsatz von Kindersoldaten unter 15 Jahren in den Jahren 2002 und 2003 in der Krisenregion Ituri im Ostkongo vorgeworfen. »Ich habe damals nur Verantwortung übernommen, um unmenschliches Verhalten zu bekämpfen und Leben zu retten, im Geiste der Versöhnung«, sagte der Angeklagte. Er appellierte an die Richter, seinen guten Absichten zu glauben und ein »weises Urteil« zu fällen. Die Anklage hatte am Donnerstag eine Verurteilung Lubangas gefordert. Seine Schuld sei »über jeden Zweifel hinaus« bewiesen. Als Gründer der Union der kongolesischen Patrioten (UPC) und als Kommandant der UPC-Miliz sei er für Planung und Organisation des Einsatzes von Kindersoldaten verantwortlich. Die Verteidigung bezweifelte den Einsatz von Kindersoldaten in dem Konflikt nicht. Lubanga habe aber »nie eine militärische Funktion bei der UPC gehabt«. Er habe im Gegenteil alles getan, um den Einsatz von Kindern zu stoppen, sagten seine Anwältin. Lubanga war der Verteidigung zufolge ein politischer Widersacher des kongolesischen Präsidenten Joseph Kabila. Mit einer Verurteilung versuche Kabila, Lubanga auszuschalten. Die Anklage lasse sich dafür von der kongolesischen Regierung missbrauchen. Die neun Zeugen, die als ehemalige Kindersoldaten präsentiert worden seien, hätten gelogen. »Diese mutmaßlichen Kindersoldaten waren keine Kindersoldaten.« Sie hätten zur fraglichen Zeit die Schule besucht, sagte Labille. Zudem hätten sie nie gekämpft und seien epd-Wochenspiegel | AUSGABE OST Nr. 35_2011 Seite _54 KIRCHEN SOZIALES GESELLSCHAFT wesentlich älter als von der Anklage angegeben. Kongolesische Vermittler der Anklage hätten diese Zeugen unter anderem mit Geldversprechen zu den Falschaussagen verleitet. »Diese Agenten hatten enge Beziehungen zur kongolesischen Regierung.« Lubanga seit 2006 in Gewahrsam Lubanga befindet sich seit 2006 in Gewahrsam des Gerichts. Das Verfahren ist der erste Prozess des ständigen Internationalen Strafgerichtshofs, der 2002 seine Arbeit aufnahm. Der Lubanga-Prozess begann nach einer zweijährigen Verzögerung im Januar 2009. UMWELT KULTUR ENTWICKLUNG Der Strafgerichtshof verfolgt Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Völkermord. Wegen Kriegsverbrechen im Kongo müssen sich zur Zeit zwei weitere ehemalige Warlords in Den Haag verantworten. Zudem ist der frühere Vizepräsident des Kongo, JeanPierre Bemba, wegen Kriegsverbrechen in der Zentralafrikanischen Republik in seiner Zeit als Rebellenführer angeklagt. Ermittlungsverfahren wurden bisher auch zu Verbrechen in den vier weiteren Ländern Uganda, Sudan, Kenia und Libyen eingeleitet. Für Aufsehen und Kritik sorgten die internationalen Haftbefehle gegen Sudans Präsident Omar Hassan al-Baschir und den libyschen Machthaber Muammar al-Gaddafi. Syrien Südafrika UN-Menschenrechtsrat will Gewalt untersuchen Arbeiter in Weinbergen schuften ohne Mindestlohn Genf (epd). Der UN-Menschenrechtsrat will die brutale Niederschlagung des Volksaufstandes in Syrien durch das Assad-Regime untersuchen. Auf einer Sondersitzung am Dienstag in Genf stimmte die große Mehrheit der Ratsmitglieder für eine entsprechende Resolution. Zu den 33 Befürwortern zählten die acht EU-Staaten in dem Rat sowie die USA und die arabischen Staaten Jordanien, Katar, Kuwait und Saudi-Arabien. China, Russland, Kuba und Ecuador votierten dagegen. Neun Ratsmitglieder enthielten sich. Die EU-Länder hatten angesichts der eskalierenden Gewalt in dem arabischen Staat die Sondersitzung beantragt. Seit Beginn des Aufstandes Mitte März kamen nach UN-Angaben mehr als 2.200 Demonstranten ums Leben. Der Rat plant jetzt die Entsendung einer unabhängigen Expertenkommission nach Syrien, die mögliche Menschenrechtsverletzungen untersuchen soll. Schon im April hatte der Rat das syrische Regime wegen der Gewalt verurteilt und eine Untersuchung verlangt. Damaskus aber lehnt Ermittlungen ab. Das oberste UN-Gremium zum Schutz der Menschenrechte forderte Präsident Baschar al-Assad auf, das Töten wehrloser Demonstranten, Folter, Misshandlungen und Verschleppungen sofort zu beenden. Zudem verlangte der UN-Rat die umgehende Freilassung aller politischen Gefangenen, Bewegungsfreiheit für die Medien sowie einen friedlichen Dialog zwischen der Opposition und der Regierung. Kapstadt (epd). Menschenrechtler haben die Arbeitsbedingungen im Weinbau in Südafrika kritisiert. Viele Winzer verweigerten ihren Arbeitern den gesetzlichen Mindestlohn von rund 80 Euro monatlich und die vorgeschriebene soziale Absicherung, erklärte die Organisation »Human Rights Watch« am Dienstag in Kapstadt. Arbeiter seien oft ohne Schutzkleidung Pestiziden ausgesetzt und hätten während ihrer Schichten keinen Zugang zu Trinkwasser oder Toiletten. Südafrika ist der siebtgrößte Weinproduzent der Welt. Größter Abnehmer ist Deutschland. In Südafrika trägt der Weinbau 2,2 Prozent zum Bruttoinlandsprodukt bei und beschäftigt mehr als 120.000 Landarbeiter. Daniel Bekele, Leiter der Afrika-Abteilung der Menschenrechtsorganisation, sagte, der durch Wein geschaffene Wohlstand dürfe nicht auf menschlichem Elend beruhen. Die Löhne in den Weinbergen gehörten zu den schlechtesten in Südafrika. Viele Arbeiter müssten zudem in ehemaligen Tierställen oder anderen menschenunwürdigen Unterkünften ohne Strom und Wasser hausen. Die Menschenrechtsorganisation forderte Regierung, Betriebe und Branchenverbände auf, sich unverzüglich für bessere Arbeits- und Lebensbedingungen der WeinbauArbeiter einzusetzen. Die Einhaltung der Arbeitschutzgesetze und Arbeitnehmerrechte auf den 3.700 Weingütern werde kaum überwacht, weil die Behörden zu wenig Personal hätten. Internet: www.hrw.org; www.sawis.co.za epd-Wochenspiegel | AUSGABE OST Nr. 35_2011 AUSLAND ENTWICKLUNG Seite _55 KIRCHEN SOZIALES GESELLSCHAFT UMWELT KULTUR ENTWICKLUNG Kirchenpapier erteilt Sterbehilfe und Beihilfe zu Suizid Absage AUSLAND AUSLAND Studie zu Fragen am Lebensende wirbt für Ausbau von Schmerzbekämpfung Wien (epd). Aktive Sterbehilfe und Beihilfe zur Selbsttötung sind aus Sicht der evangelischen Kirchen in Europa ethisch nicht zu rechtfertigen. In einem am Donnerstag in Wien vorgestellten Papier der Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa heißt es, Tötung auf Verlangen stehe in Widerspruch zu tief verwurzelten moralischen Überzeugungen. Der Zusammenschluss von 105 evangelischen Kirchen zeigt zwar Verständnis für die öffentliche Forderung, die aktive Sterbehilfe gesetzlich zu erlauben, lehnt diese Bestrebungen aber ab. In Europa bestehen sehr unterschiedliche Regelungen zu Sterbehilfe. In Belgien, Luxemburg und den Niederlanden ist aktive Sterbehilfe unter strikten Auflagen zulässig. Hilfe zur Selbsttötung ist in der Schweiz erlaubt. In Deutschland ist die Suizidbeihilfe im ärztlichen Standesrecht untersagt. In anderen europäischen Ländern sind Tötung auf Verlangen und Beihilfe zur Selbsttötung verboten. »Eine Legalisierung würde eine Art Normalisierung und Billigung von Tötung auf Verlangen implizieren, was sie zu einem gewöhnlichen und etablierten Element medizinischer und klinischer Praxis machen würde«, wird in der Studie argumentiert. Statt einer allgemeinen Legalisierung sollte erwogen werden, in wenigen, extremen Fällen auf die strafrechtliche Verfolgung zu verzichten. Das Dokument ist für die Mitgliedskirchen nicht bindend. Der evangelisch-lutherische Bischof von Österreich, Michael Bünker, sagte, die Orientierungshilfe sollte im interdisziplinären und ökumenischen Gespräch Standard sein. Körtner sieht Kirchen in der Pflicht Aus christlicher Sicht lasse sich ein positives Recht auf Selbsttötung, Suizidbeihilfe sowie Tötung auf Verlangen nicht rechtfertigen, sagte der Sozialethiker Ulrich H.J. Körtner, der zu den Autoren der Studie gehört. Dennoch sei es Aufgabe der Kirchen, auch jene Menschen zu begleiten, die keinen anderen Ausweg sehen. Besonders Seelsorger stünden vor der Aufgabe, den Menschen zu helfen, mit der Erfahrung sinnlosen Leidens umzugehen. Weiter sagte der in Wien lehrende Theologieprofessor, das Recht auf Leben bedeute keine Pflicht zum Le- Eine Mitarbeiterin massiert einer schwerkranken Patientin in einem Stuttgarter Hospiz die Hände. epd-bild / Gustavo Alabiso ben. »Weder aus rechtlicher, noch aus christlicher Sicht haben wir das Recht, andere Menschen zum Leben oder Weiterleben zu zwingen.« Lebensschutz begründe weder ethisch noch rechtlich die Bevormundung und Entmündigung von Patienten. »Wer glaubt, mündige Bürger vor sich selbst schützen zu müssen, gibt letztlich der Forderung nach einer Liberalisierung der Euthanasie neue Nahrung«, warnte Körtner. Ausbau schmerzlindernder Medizin empfohlen In dem Dokument wird ein Ausbau der schmerzlindernden Palliativmedizin und -pflege empfohlen. Die Möglichkeiten zur Behandlung und Linderung von körperlichen Schmerzen und Beschwerden am Lebensende habe sich wesentlich verbessert. Auch der Verzicht beziehungsweise der Wunsch nach Abbruch einer Therapie könne akzeptiert beziehungsweise notwendig sein. Weiter heißt es in der Studie, dass aus Sicht der evangelischen Kirchen der Abbruch der Ernährung von Patienten im Wachkoma nicht immer abzulehnen sei. Die Frage nach dem Tod berühre die tiefsten Belange der menschlichen Existenz, sagte der Präsident der Kirchengemeinschaft, der Schweizer Theologe Thomas Wipf. »Die Medizin kann den Menschen das Sterben nicht ersparen.« Die Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa vereint 105 lutherische, reformierte und methodistische Kirchen in 30 Ländern. Internet: www.atimetolive.eu epd-Wochenspiegel | AUSGABE OST Nr. 35_2011 Seite _56 KIRCHEN SOZIALES GESELLSCHAFT UMWELT KULTUR ENTWICKLUNG Niederlande Fidschi-Inseln Pfarrer verweigert Beisetzung nach Sterbehilfe Militärregime verbietet Jahrestreffen der Methodisten Amsterdam (epd). Ein katholischer Priester in der niederländischen Gemeinde Liempde hat es abgelehnt, einen nach aktiver Sterbehilfe Verstorbenen kirchlich beizusetzen. Die Angehörigen mussten für die Trauerfeier in eine Kirche in Sint Oedenrode ausweichen, wie der regionale Rundfunk in der Provinz Nord-Brabant am Dienstag berichtete. Der Pfarrer von Liempde begründete seine Weigerung damit, er habe nach Ehre und Gewissen gehandelt. Die römisch-katholische Kirche lehnt offiziell aktive Sterbehilfe ab. Menschen, die sich dafür entscheiden, hätten keine Anspruch auf eine kirchliche Beisetzung. Daran wolle er sich halten, sagte der Pfarrer. Eigenen Angaben zufolge hat er versucht, Kollegen davon abzuhalten, die Trauerfeier in seiner Kirche zu übernehmen. Der Kirchenvorstand ist nicht einverstanden mit dem Vorgehen des Pfarrers. »Wir tun uns damit sehr schwer. Die Familie hätte nicht Opfer einer doppeldeutigen Vorschrift werden dürfen«, sagte ein Sprecher des Kirchenvorstandes. Die Kirchengemeinde habe viele entrüstete Reaktionen auf die Vorgehensweise des Pfarrers erhalten. Zahlreiche Ehrenamtliche hätten angekündigt, dass sie ihre Mithilfe an einer Aktion zum Erhalt der Kirchenorgel vorläufig einstellen wollten. Auf Kritik stieß die Weigerung auch bei der »Niederländischen Vereinigung für ein freiwilliges Lebensende«. Die Organisation sprach von einer »Kirchenstrafe«, die dem Verstorbenen posthum auferlegt worden sei. Bangkok (epd). Auf den Fidschi-Inseln im Südpazifik hat die Militärregierung der methodistischen Kirche ihr Jahrestreffen verboten. Nach Medienberichten vom Dienstag waren mehrere kirchliche Führungspersonen in der Nacht vom Militär vorgeladen worden. Ein früheres Oberhaupt der Methodisten, der 80-jährige Pfarrer Josateki Koroi, hatte sich der Vorladung widersetzt. Die Militärregierung wirft den Methodisten politische Aktivitäten vor. Unter anderem hatten führende Kirchenmitglieder den Militärputsch vom Dezember 2006 kritisiert. Der damalige Putschistenführer und heute als Interims-Regierungschef agierende Offizier Frank Baini- Impressum HERAUSGEBER UND VERLAG: Ev. Presseverband Ost e.V., Schiffbauerdamm 40/1109, 10117 Berlin, Tel. 030-28303921, Fax 030-28303912; | VORSTANDSVORSITZENDER: Oberkirchenrat Andreas Flade (Schwerin) | LANDESDIENSTREDAKTION: Dr. Thomas Schiller (Chefredakteur), Jens Büttner (Verantwortlicher Redakteur, v.i.S.v § 55 Abs 2 RVST), Corinna Buschow, Markus Geiler, Jürgen Heilig, Lukas Philippi, Schiffbauerdamm 40/1109, 10117 Berlin, [email protected], www.epd-ost.de, Tel. 030-28303911, Fax 030-28303913 | BÜRO DRESDEN: Katharina Rögner, Marius Zippe, Bautzner Straße 22, 01099 Dresden, AUSLAND marama setzte die Verfassung außer Kraft, ließ Kritiker verhaften und zensierte die Medien. Auch international wird das Vorgehen der Machthaber kritisiert. »Gestützt auf die 2009 erlassenen Notstandsbestimmungen verletzte die vom Militär geführte Regierung weiterhin das Recht auf freie Meinungsäußerung und ging massiv gegen Kritiker vor, dazu zählten auch Angehörige der methodistischen Kirche«, erklärte die Menschenrechtsorganisation Amnesty International in ihrem Jahresbericht 2011. Etwa 65 Prozent der rund 900.000 Einwohner Fidschis sind christlichen Glaubens. Die methodistische Kirche ist die größte und einflussreichste der Inselrepublik. Ihre Jahrestreffen waren bereits in den vergangenen drei Jahren verboten worden. 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