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NRZ
Donnerstag 13.12.2007
NRZ
Montag 10.12.2007
14.05.2016
"Wir sind mitten im Klimawandel"
JAN JESSEN
ENERGIE. In Neurath in Grevenbroich demonstrierten 2000 Umweltschützer gegen Kohlekraft.
Bunt statt grau: Demonstranten vor der Baustelle des Kraftwerk-Neubaus in Neurath bei Grevenbroich. Etwa 2000 Umweltaktivisten versammelten sich. (Foto: ddp)
GREVENBROICH. Zu einem entspannten Wochenend-Spaziergang kommt wohl niemand hierhin nach Grevenbroich. Allzu
spröde ist der Charme der Gegend, in der sich Europas größte Braunkohlelagerstätten finden. Die Landschaft wird von den
beiden gewaltigen Kraftwerkskomplexen Neurath und Frimmersdorf geprägt, die betongrau inmitten verhärmten Wintergrüns
in die Höhe ragen. An diesem Samstag passt das Betongrau ganz gut zu dem bleiernen Himmel. Es ist mächtig kalt. Kein
gutes Demo-Wetter. Vielleicht ist das mit ein Grund dafür, dass sich auf der Zufahrtsstraße vor der Baustelle nicht ganz so
viele Klimabewegte tummeln, wie erwartet worden war. 2000 mögen es sein, die dem Aufruf der nordrhein-westfälischen
Klima-Allianz gefolgt sind, gegen den Bau zweier neuer Braunkohlekraftwerksblöcke zu demonstrieren.
Viele, die vor dem Baustellen-Zaun stehen, sind schon gegen Atomkraft auf die Straße gegangen, Protest-Veteranen, die
jetzt in der Kohle-Verfeuerung ein neues Feindbild gefunden haben. Einige junge Aktivisten sind dabei, viele Grüne, einige
-1-
Leute von lokalen Bürgerinitiaven wie "Duisburg wehrt sich", Protestprofis von Greenpeace und Attac. Auch die Linke und
die unvermeidliche MLPD sind da. Es gibt, wie früher, eine Volksküche mit Erbsensuppe und Kräutertee, viele Transparente
("Klimaschutz statt Kohleschmutz") und Redebeiträge, in denen eine radikale Wende in der Energiepolitik gefordert wird.
"Wir brauchen eine neue industrielle Revolution", ruft Dirk Jansen auf der Kundgebung von der Bühne aus in die Menge, auf
der zuvor "Eisbär, Dr. Ping und die kleinen Helden" ein putziges Kinder-Musical aufgeführt haben. Jansen ist Geschäftsleiter
des Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND) NRW und der verantwortliche Versammlungsleiter. Auf der Bühne erklärt
er, dass endlich Schluss sein muss mit der "Dinosauriertechnologie der klimaschädigenden Kohlekraftwerke", hinter der
Bühne, dass er die Kundgebung als Signal für einen Aufbruch versteht. Ja, sagt er er, er sei zufrieden mit der Resonanz, die
Erwartungen seien "übererfüllt".
Der Funke will nicht so recht überspringen
Klimaforscher Hartmut Graßl, dessen Warnungen vor einem menschengemachten Klimawandel vor 20 Jahren ungehört
verhallten, warnt gar die in warme Anoraks verpackten, behelmten und missmutig dreinblickenden RWE-Mitarbeiter hinter
dem Zaun: "Von jetzt an wird niemand mehr, der ein Kohlekraftwerk hochziehen will, dies ruhig tun können." Die Menge
applaudiert brav, einige johlen, erbost wohl auch von dem riesigen blauen RWE-Plakat, das von der zukünftigen
Maschinenhalle prangt und auf dem in fetten Lettern geschrieben steht: "Klimaschutz jetzt: neue effizientere Kraftwerke."
Aber so recht will der Funke nicht überspringen auf die rotnasige und in der Kälte bibbernden Menge. Auf Friedrich Foerster
etwa, 51, schwarze schulterlange Haare und Rauschebart, der aus Kleve angereist ist und ein bisschen skeptisch dreinschaut
ob der geringen Zahl der Demonstranten. Er sagt, er sei mit seinen beiden Kindern hier und deswegen, weil "es um deren
Zukunft geht". Klar, er selbst versuche, Klimaschutz praktisch umzusetzen, Energiesparlampen einzusetzen und öfter mit der
Bahn zu fahren. Weil das auf dem platten Land nicht immer möglich ist, hat er sich selbst ein Tempolimit auferlegt, sagt
Foerster. Früher hat er außerdem auf Biodiesel gesetzt, weil "ich dachte, dass sei in konstruktiver Beitrag". Etwas naiv sei das
gewesen, räumt er heute ein, steht der Biosprit doch gerade bei Umweltschützern in der Kritik, weil für ihn der Regenwald
abgeholzt und fruchtbares Ackerland verschwendet wird. Aber woher soll der Strom der Zukunft kommen, wenn Kohle genauso
'pfui' ist wie Atomkraft? "Wir müssen in Technologien der Zukunft investieren", meint Foerster.
Lange vor Ablauf des Programms machen sich Julia Reygers und Sonja Bolten auf den Heimweg. Sie sind extra aus
Freiburg angereist, mit der Bahn natürlich, und ziemlich enttäuscht: "Wir sind doch in NRW", sagt Sonja Bolten, "dafür sind
hier viel zu wenig Leute." Und außerdem sei das Programm zu lasch, schimpfen die beiden jungen GreenpeaceAktivistinnen. Völlig unverständlich für sie, denn "es geht doch so nicht weiter. Wir sind schon mitten im Klimawandel." Ein
Abschiedsfoto noch, vor der Baustelle, dann rollen sie ihr Transparent zusammen und stapfen davon. Genug für heute.
(NRZ)
Der Westen.de
Montag 10.12.2007
Millionenhilfe
Gabriel fordert Finanzzusagen reicher Staaten für Klimaschutz
London. Vor Beginn der entscheidenden Tagungswoche der UN-Klimakonferenz auf Bali hat
Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) die Industriestaaten zu konkreten Finanzzusagen im Kampf gegen
den Klimawandel aufgefordert.
Die reichen Länder müssten beim Thema Klimawandel auch über Geld sprechen und den Entwicklungsländern konkrete
Finanzhilfen für die Anpassung an die globale Erwärmung versprechen, sagte Gabriel der britischen Zeitung «Financial
Times» (Montagsausgabe). Andernfalls drohten die Entwicklungsländer das Vertrauen in den Handlungswillen der
Industriestaaten zu verlieren.
Gabriel kündigte an, Deutschland werde den ärmeren Länder Hilfen in Höhe von 120 Millionen Euro für die Entwicklung
fortschrittlicher Technologien und die Anpassung an den Klimawandel zur Verfügung stellen. Der Minister forderte zudem
klare Resultate der Bali-Konferenz: Die internationale Öffentlichkeit werde «ein vages Verhandlungsmandat» nicht
akzeptieren. «Wir brauchen klare Ziele für die Emissionsverringerung um zu wissen, in welche Richtung wir gehen.»
Delegationen aus mehr als 180 Staaten beraten auf der indonesischen Insel Bali noch bis Freitag über ein
Verhandlungsmandat für ein neues weltweites Klimaschutz-Abkommen. Das bislang geltende Kyoto-Protokoll läuft 2012
aus. Ab Mittwoch finden die Verhandlungen offiziell auf Ministerebene statt. Bereits am Montag trafen sich Finanzminister
oder ihre Stellvertreter aus 37 Ländern zu ersten informellen Gesprächen. Als erste deutsche Ministerin wird
Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) in Bali erwartet. Gabriel folgt am Dienstag, er wird für die
Bundesregierung die Federführung der weiteren Verhandlungen übernehmen. (afp)
-2-
Der Westen.de
Montag 10.12.2007
Wissenschaftler
Klimawandel führt zu politischen Konflikten
Nusa Dua. Wissenschaftler und die Vereinten Nationen haben vor erhöhten Gefahren weltweiter sozialer und
politischer Konflikte durch den Klimawandel gewarnt.
Der führende deutsche Klimaexperte Hans Joachim Schellnhuber sagte am Montag bei der Weltklimakonferenz in Nusa
Dua auf Bali, die fortschreitende Erderwärmung könnte sogar zu einem «globalen Bürgerkrieg» führen. Der Direktor des UNUmweltprogramms, Achim Steiner, sagte, die erhöhten Risiken seien auch eine Chance für die internationale
Staatengemeinschaft, für globale Lösungen zu kooperieren. Der Kampf gegen den Klimawandel werde auch eine
wesentliche Sicherheitspolitik des 21. Jahrhunderts sein.
Wegen der Erderwärmung werde es bisher unbekannte Konflikte um Ressourcen wie etwa Wasser oder knapper werdende
Nahrungsmittel geben, sagte Schellnhuber, der auch Klimaberater von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ist. Auch das
Problem von Umweltflüchtlingen werde sich dramatisch verschärfen. Etwa 500 Millionen Menschen könnten dann auf der
Flucht sein. «Deshalb sind Klimapolitik und die Minderung von Treibhausgasen auch zugleich Friedenspolitik.»
«Bei Konflikten der Zukunft wird es nicht mehr um nationale Armeen gehen, sondern etwa um in sich zerfallende Länder und
die Auswirkungen auf andere Länder und Regionen», sagte Schellnhuber. Zu den potenziell gefährdeten Regionen zählten
etwa Teile Afrikas, Zentralasiens, Indien, Pakistan, Bangladesch, China, Teile der Karibik und des Golfs von Mexiko oder die
Andenregion in Südamerika. (dpa)
NRZ
Dienstag 11.12.2007
Der neue Goldrausch
THOMAS SPANG
KLIMASCHUTZ. Auf Bali mauern die US-Delegierten - in ihrer Heimat sind erneuerbare Energien ein boomender Markt.
WAYNE. Die Vorbereitungen für die Investition von "Community Energy Inc." in einen neuen Windpark im US-Bundesstaat
Pennsylvania liefen reibungslos. Die Gemeinde erteilte die Genehmigungen, die Banken sicherten die Finanzierung.
Dennoch blieb die Idee, saubere Energie für 6 500 Wohnhäuser zu produzieren, ein zunächst nicht realisierbarer Traum für
das Unternehmen aus Wayne. Der Grund? Der Chef des Unternehmens Brent Alderfer konnte weit und breit keine
Windturbinen auftreiben.
Die Wartezeit für die begehrten Anlagen hätte die Investition in Frage gestellt. "Das wäre ungefähr so, als ob eine
Luftfahrtgesellschaft drei Jahre auf ihre Flugzeuge warten müsste," klagt Alderfer im Wall Street Journal. Kurz entschlossen
verkaufte der Ökounternehmer seine Firma für 40 Millionen US-Dollar an die spanische Iberdrola-Gruppe, die zu den
Marktführern im Bereich der erneuerbaren Energien gehört. Keine zwei Monate später rückten Techniker aus Spanien an,
um die Windfarm zu installieren.
Iberdrola gelang, was Community Energy unmöglich war, weil sich die Gruppe für rund drei Milliarden Euro den Zugriff auf
die Turbinen von Gamesa sicherte - dem zweitgrößten Produzenten von Windanlagen weltweit. Amerikanische Firmen, die
auf Windenergie setzen, lernen von Virginia bis Kalifornien, was es bedeutet, zu spät in einen Markt einzusteigen. Dank
strenger Umweltgesetze in Europa und öffentlicher Förderung erneuerbarer Energien, haben Firmen dort den TurbinenMarkt leergefegt. Das gibt den Europäern nun den strategischen Vorteil, sich in den US-Markt für erneuerbare Energien
einzukaufen. Ein Markt mit Wachstumspotential. Vor allem private Investoren und die regionalen Initiativen treiben die
Entwicklung voran. Mehr als 20 Staaten fördern Windenergie mit Subventionen und sorgten dafür, dass im vergangenen
-3-
Jahr mit 2454 Megawatt nirgendwo auf der Welt so viele neue Windanlagen installiert wurden wie in den USA. Seit 2000 hat
sich die Kapazität vervierfacht.
Auch der Markt für Biokraftstoffe erlebt in den USA rasante Zuwachsraten. In den strukturschwachen Agrarstaaten des
Mittleren Westens schießen Ethanol-Destillerien wie Pilze aus dem Boden. Der Nachfrage-Boom der vergangenen beiden
Jahre führte zu einem Anstieg der Produktion um 80 Prozent. An mehr als 100 Produktionsstandorten werden nun 26,5
Millionen Hektoliter an Industriealkohol hergestellt. Damit einher geht ein Anstieg der Preise für Farmland, wie ihn die
Region seit Langem nicht mehr erlebt hat.
Zögern der US-Regierung hilft den Europäern
Garry Duffy aus South Dakota, der seine Familienfarm in dritter Generation führt, sieht endlich einen Lichtblick am Ende des
Tunnels. Statt seinen Mais nach Kuba zu verschiffen, erzielt er erstmals einen ordentlichen Preis für sein Getreide. Vier statt
zwei Dollar je Scheffel. "Das ist wirklich die aufregendste Sache, die hier seit langer, langer Zeit passiert ist." Doch
angesichts der Bedenken über die Konsequenzen des exzessiven Maisanbaus für die Grundwasserbestände und weltweite
Nahrungssicherheit wird Duffy sich umstellen müssen.
Der Trend geht weg von der Maisproduktion hin zu Pflanzen, deren Cellulose in Alkohol umgewandelt wird. Auch hier wären
Vorgaben aus Washington hilfreich. Wie bei der Nutzung von Wind und Sonne. Die Frage ist nicht, ob die USA mehr
erneuerbare Energien einsetzen, sondern wer davon profitiert.
Bisher hat das Zögern der US-Regierung europäischen Unternehmen geholfen. (NRZ)
NRZ
Mittwoch 12.12.2007
Energieriese und Klimasünder
CARL GOERDELER
BRASILIEN. Kein anderes Land der Erde verwendet so viel nachwachsende Energie - kaum ein anderes geht so
brutal mit seinen Bioreserven um.
Ein Arbeiter auf einer brasilianischen Zuckerrohrplantage. Auf Rohrzuckerbasis wird in Brasilien der Biokraftstoff Ethanol produziert, (Foto: Visum)
RIO DE JANEIRO. Wenn Leonardo Monteiro de Barros, 45, sein Auto auftankt, muss er entscheiden: Soll er GasolinaExtra,
Gasolina Comum oder Alcool einfüllen? Sein Wagen schluckt das alles, er verfügt wie 85Prozent aller neuen brasilianischen
Pkw über einen "Flex-Fuel-Motor". Leonardo, der Filmproduzent, schaut nach dem Preis, und der ist derzeit bei Alkohol um
die Hälfte billiger; der Biosprit lohnt sich also, obgleich er ein Viertel weniger Laufleistung erbringt. Davon mal abgesehen:
Dem Benzin, ob Super oder Normal, sind in Brasilien regulär 25 Prozent Ethylalkohol zugemischt. Und Biotreibstoff ist an
allen 30 000 Tankstellen vorrätig.
Kein anderes Land der Erde verwendet so viel nachwachsende Energie wie Brasilien. Aber auch kaum ein anderes Land
der Erde geht so brutal mit seinen eigenen Bioreserven um. Brasilien nimmt eine Schlüsselstellung bei der globalen
Energie- und Klimadebatte ein, die vor 15 Jahren auf der Uno-Weltkonferenz in Rio de Janeiro begann - und jetzt in Bali
gipfelt.
Zuckerrohr ist Zukunft und Vergangenheit des Landes
Ein Blick ins Hinterland von S°o Paulo: Autobahnen durchziehen den grünen Ozean, der kein Ende nimmt.
Zuckerrohrplantagen auch in Mato Grosso, Minas Gerais und Goiás und im Küstenland der Nordostregion. Mit dem Zucker
und der Sklavenwirtschaft hatte Brasiliens Geschichte begonnen - und, so ironisch ist das Schicksal, mit Bioethanol,
gewonnen aus Zuckerrohr, hat die größte südamerikanische Nation die Zukunft vor sich. Während weltweit gerade mal zwei
Prozent des Kraftstoffbedarfs mit nachwachsenden Rohstoffen gedeckt werden, sind es in Brasilien bereits 40 Prozent.
Saccharum officinarum, das Zuckerrohr, wird maschinell gepflanzt und geerntet; sechsachsige Lkw rollen von der Plantage
zur Fabrik, zur "Usina Iracema" beispielsweise, deren dreißig Meter hoher Schlot wie ein Ausrufezeichen in der Landschaft
steht. Die Usina Iracema ist eine unter 350 Raffinerien, die aus dem nachwachsenden Rohstoff Zuckerrohr sowohl Zucker
für den menschlichen Gebrauch raffinieren als auch Ethylalkohol fermentieren und destillieren.
Die USA und Europa schotten sich ab
Die Kosten der Ethanol-Produktion auf Rohrzuckerbasis kommen nach Meinung von Rubens Ometto Silveira Mello, dem
weltweit größten Ethanol-Tycoon, in Brasilien nur auf ein Viertel der Kosten, die in Europa und auf die Hälfte der Kosten, die
in den USA anfallen. Brasilianisches Ethanol ist gegenüber Benzin konkurrenzfähig, solange der Rohölpreis über 35 US-4-
Dollar pro Barrel liegt (Stanford Washington Research Group) - derzeit liegt der Preis bei rund 100 US-Dollar pro Barrel.
Doch nicht nur die Lobby und Präsident Lula da Silva loben den Rohrzucker über den Klee - die UNEntwicklungskommission hat erst kürzlich wieder herausgestellt, wie günstig die Klimabilanz bei Verwendung von ZuckerEthanol ausfällt, und die UN hat auch kritisiert, wie die USA und Europa sich gegenüber brasilianischem Ethanol durch hohe
Zölle und unproduktive Eigenentwicklungen abschotten.
Seit der ersten Ölkrise sucht weltweit die Autoindustrie nach Alternativen zu mineralischen Energiequellen. Just zu diesem
Zeitpunkt begann Brasilien sein "Proalcool"-Programm zur Substituierung des teuren Erdöls. Rund 400 Milliarden US-Dollar
Einsparung hat das nach Schätzungen der Regierung bislang erbracht. Mit knapper werdenden Erdölreserven wurde die
Suche nach Alternativen um so dringlicher. Das Fazit nach dreißig Jahren lautet: Weder exotische Technologien wie
Wasserstoffmotoren oder Solarzellen sind in den nächsten Jahrzehnten kostengünstig für Transporttechnik einsetzbar. Es
bleibt vorerst beim Verbrennungsmotor, der jedoch mit nachwachsendem und umweltschonenden Treibstoff vermischt
betrieben wird: mit Ethanol und im Falle von Biodiesel mit pflanzlichen Ölen.
Aber nicht nur beim "Grünen Sprit" liegt Brasilien auf der Sonnenseite: Selbst beim Erdöl ist das Land autark. Dank neuester
Tiefseefunde vor der Küste dürfte Brasilien sehr bald Geld mit dem Export von Erdöl und -gas verdienen. Das mag
Zukunftsmusik sein - Realität ist noch etwas anderes: 80 Prozent der Elektroenergie in Brasilien wird durch Wasserkraft
hervorgebracht; auch das ist Weltrekord.
Die umweltschonende Energiebilanz Brasiliens kann besser kaum sein. Dabei sind die alternativen Energiequellen Sonne
(Fotovoltaik und Wärmespeicher) und Wind (im Nordosten Brasilien herrschen ideale Voraussetzungen) noch gar nicht
angezapft - der hohen Investitionen wegen, vor allem aber weil die übrige Energie so billig ist.
Deshalb ist das Programm für friedliche Kernenergienutzung, das Brasilien mit der Bundesrepublik Deutschland 1975
geschlossen hatte, nie über ein einziges Atomkraftwerk (Angra II) hinausgekommen; vielleicht schafft man noch ein drittes.
Aber Vorrang hat Kernenergie in Brasilien nicht. Stattdessen arbeitet man jetzt mit Deutschland bei der Gewinnung von
Biotreibstoffen zusammen.
Noch sind 96 Prozent aller Treibstoffe, die auf der Erde verbrannt werden, fossilen Ursprungs, die das gebundene
Kohlendioxyd freisetzen und dabei die Atmosphäre verschmutzen. Nur ein Prozent der Treibstoffe stammt aus
nachwachsenden Rohstoffen (die nur das Kohlendioxyd freisetzen, das sie vorher aus der Luft absorbiert haben). Dieses
Verhältnis von 96:1 wird sich ändern. "Auch bei Ausschöpfung aller Reserven kommt die Mineralölindustrie zu dem Schluss,
dass der Energiebedarf in 25 bis 30 Jahren nur noch zur Hälfte durch fossile Brennstoffe gedeckt werden kann", so der mit
dem Umweltpreis von WWF und "Capital" ausgezeichnete Gründer des sächsischen Biokraftstoff-Unternehmens Bodo Wolf.
Das 21. Jahrhundert wird zum Jahrhundert der Umstellung der Stoff- und Energiewirtschaft auf Biotreibstoff und letztlich auf
Sonnenenergie. In Brasilien ist das schon jetzt Realität. Aber Realität ist auch, dass Brasilien es immer noch nicht schafft,
die Abholzung der tropischen Regenwälder zu beenden, die für das Weltklima von entscheidender Bedeutung sind. (NRZ)
NRZ
Mittwoch 12.12.2007
Gedämpfte Erwartungen vor der heißen Phase
BALI. Die USA, Australien, Japan und Kanada sperren sich gegen verbindliche Klimaschutzziele. Unterhändler
verständigen sich auf globalen Hilfsfonds
JAN JESSEN
ESSEN/NUSA Heute beginnen bei der Klimakonferenz auf Bali die Gespräche auf Ministerebene. Die Hoffnungen auf einen
Erfolg der Konferenz haben aber in den vergangenen Tagen deutliche Dämpfer
erhalten. Vertreter von Umweltschutzorganisationen berichten von unerwartet zähen Verhandlungen. Die USA, Australien,
Japan und Kanada sperren sich gegen verpflichtende Klimaschutzziele für die Zeit nach dem Auslaufen des KyotoProtokolls im Jahr 2012. Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) besteht hingegen auf konkreten Vorgaben. Sonst
„können wir uns nicht nach Hause trauen", sagte er gestern in Nusa Dua.
Grundlage der Gespräche in der heißen Phase auf Bali sind zwei Textentwürfe. In einem wird bis 2020 eine Reduzierung
des CO2-Ausstoßes der Industriesstaaten um 25 bis 40 Prozent gegenüber 1990 als Ziel genannt. Der zweite Textentwurf
enthält nur Verweise auf die wissenschaftliche Erkenntnis, dass der CO2-Ausstoß deutlich reduziert werden muss, um die
Folgen des Klimawandels abzumildern - und dazu passende Instrumente wie Technologie-Transfers oder
Anpassungsmaßnahmen.
Die Rolle Chinas, das das Kyoto-Protokoll nicht unterschrieben hat und im kommenden Jahr weltweit am meisten CO2
ausstoßen wird, wird allgemein als konstruktiv angesehen. Allerdings verlangen die Chinesen wie andere Schwellenländer
auch, dass die Industriestaaten technische und finanzielle Unterstützung für
den Klimaschutz zusagen. Gestern verständigten sich die Unterhändler in Bali auf die Aufstockung und die
Verwaltungsstruktur eines globalen Anpassungsfonds, durch den Entwicklungsländer bei der Bewältigung der Folgen des
Klimawandels wie Überschwemmungen und Dürren unterstützt werden sollen. Bis 2012 soll dieser Fonds einen Umfang von
500 Millionen Dollar haben. Die Uno geht davon aus, dass im Jahr 2015 für die Bewältigung der Klimafolgen in den ärmsten
Ländern 86 Milliarden Dollar erforderlich sind. Hilfsorganisationen wie Oxfam kritisieren den Fonds deshalb als
unzureichend.
Die Umweltstiftung WWF warnte gestern auf Bali vor einem Abschmelzen des Eises auf der Antarktis. Einige Regionen um
die Antarktische Halbinsel erwärmten sich fünfmal so stark wie die Erde im Durchschnitt. Das entzöge unter anderem den
Pinguinen dort die Lebensgrundlage. (NRZ)
NRZ
Donnerstag 13.12.2007
Reden bis zum Umfallen
-5-
Jürgen Polzin
UN-Generalsekretär Ban Ki Moon eröffnete den Verhandlungsmarathon am Mittwoch.Ob konkrete Zahlen für die
CO2-Ziele festgeschrieben werden, bleibt ungewiss
WELTKLIMAKONFERENZ AUF BALI Nusa Dua. Angus Friday ist leider nicht UN-Generalsekretär. Er ist Botschafter
Grenadas bei den Vereinten Nationen in New York und Ban Ki Moon höchstens einmal im Fahrstuhl begegnet. Als Friday
am Mittwoch vor den vielen Hundert Delegierten der Weltklimakonferenz auf Bali ans Mikrofon tritt, ist der Tag schon fast
vorbei und die Müdigkeit groß. So kommt es, dass kaum jemand zuhört, als Angus Friday für die Allianz der Inselstaaten
spricht.
Morgens um Zehn konnte man im riesigen Saal noch die Stecknadel fallen hören, als Ban Ki Moon die Verhandlungen der
Minister eröffnete und damit die letzten drei Tage der Konferenz einläutete. Die Lage ist hochkompliziert, man dreht sich im
Kreis: Dass sich die Vertreter der 190 Staaten einig sind, ein neues Klimaabkommen in Angriff zu nehmen, ist klar. Doch ob
schon jetzt konkrete Zahlen für die künftigen CO2-Ziele der Industriestaaten niedergeschrieben werden, ist derzeit
ungewiss.
"Wenn wir Bali verlassen, ohne einen Durchbruch erzielt zu haben, dann enttäuschen wir nicht nur unsere Regierungen,
sondern auch die Hoffnungen der Völker auf der ganzen Welt", ermahnte Ban Ki Moon die Delegierten. Von der moralischen
Pflicht, ein neues Klimaschutzabkommen auf den Weg zu bringen, sprach er. Und davon, dass die Menschen Teil des
Problems seien, nun aber endlich zum Teil der Lösung werden müssten. Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD)
drückte es so aus: "Was soll ich mit einem Papier, in dem lediglich steht, dass man sich wiedertrifft?"
Ganz Diplomat, rief Ban Ki Moon die reichen Länder auf, "Flexibilität und Führerschaft zu zeigen", sich zum Rat der
Klimaforscher zu bekennen, bis 2050 die weltweiten Emissionen zu halbieren. Ansonsten würden die Folgen der
Klimaveränderungen nicht mehr beherrschbar sein, lautete die Videobotschaft, die der frischgebackene
Friedensnobelpreisträger und Leiter des UN-Wissenschaftsrats IPPC, Rajendra Pachauri, nach Bali übermittelte. Ein
Horrorszenario mit steigenden Meeresspiegeln und Wetterextremen, das Yvo de Boer schaudern ließ: "16 der 19 größten
Städte mit einer Bevölkerung von über zehn Millionen Einwohnern liegen an einer Küste", sagte der Chef des UNKlimasekretariats.
Doch in den Verhandlungszimmern sieht die Realität anders aus. Die Delegation der USA, die in Bali nahezu isoliert zu sein
scheint, lehnt es weiterhin kategorisch ab, sich im auf CO2-Ziele verpflichten zu lassen. "Jede Zahl in der Schlusserklärung
greift den Verhandlungen vor", begründete Verhandlungsführer Harlan Watson. Die Chefin der US-Delegation, Paula
Dobrianski, versuchte, die Wogen ein wenig zu glätten. Ja, der Klimawandel sei eine ernste Herausforderung. Die USA
seien gewillt, ein neues Kapitel der Klimapolitik aufzuschlagen. Das neue Abkommen müsse zugleich die Umwelt effektiv
schützen und "ökonomisch nachhaltig" sein.
Sigmar Gabriel ließ keinen Zweifel daran, dass er von der amerikanischen Position wenig hält. Er verstehe, dass sich die
USA nicht schon jetzt verpflichten lassen wollten, mit welchen Methoden sie die Emissionen reduzierten. Doch dem neuen
Abkommen ein Ziel zu versagen, verstehe er nicht: "Wer mit einer Karte losläuft, muss sie vorher einnorden". Die USA
würden es sicherlich nicht wollen, als die Delegation nach Hause zu fahren, die den Bali-Gipfel blockiert hat.
Angus Friday hätte bei seiner Rede gerne die Aufmerksamkeit gehabt, die Ban Ki Moon zuteil wurde. Friday sagt
stellvertretend für die Allianz der Inselstaaten, dass er es nicht verstehe, warum sich Industriestaaten dem Klimaschutz
verweigerten, wo doch viele Inseln zu versinken drohten: "Für uns geht es ums Überleben. Wir verlieren unsere Korallen,
unser Trinkwasser, unsere kulturelle Identität. Ich frage mich, wie viele Delegierte in diesem Rau das überhaupt
nachvollziehen können", sagt Friday. Betretenes Schweigen.
NRZ
Donnerstag 13.12.2007
Entwicklung vor Klimaschutz
CHINA. Energieverschwendung und von Kohle befeuerter Boom - das Land wird zum Klimasünder Nummer eins
TILL FÄHNDERS
-6-
SHANGHAI. In Shanghai zeigt das Thermometer an diesem Dezembermorgen knapp neun Grad. Dennoch laufen überall
die Klimaanlagen. Denn viele Shanghaier benutzen sie zum Heizen. Südlich des Jangtse-Flusses gibt es in China nämlich
grundsätzlich keine Zentralheizungen. Die Stromfresser laufen deshalb mittlerweile fast das ganze Jahr. Im heißen
Shanghaier Sommer sollen die vielen Klimaanlagen manchmal bis zu 40 Prozent des städtischen Energiebedarfs
verbrauchen.
Was in der Wirtschaftsmetropole mit rund 20 Millionen Einwohnern passiert, ist nur ein Beispiel für den verschwenderischen
Umgang Chinas mit seinen Ressourcen. Nur langsam scheint in der Bevölkerung eine Sensibilisierung stattzufinden.
„Früher war es zu dieser Jahreszeit nicht mehr so warm", wunderte sich eine Wanderarbeiterin noch im November. Nicht zu
Unrecht, wie Zahlen des nationalen Wetteramts zeigen. Demnach war der 11. Monat in China im Schnitt ein Grad wärmer
als in den Vorjahren.
Anstieg des Meeresspiegels bedroht Millionenstädte
Es ist das elfte Jahr, in dem das Land abnormal hohe Temperaturen erlebt", bestätigte Jiao Meiyan, Sprecherin des
meteorologischen Amtes in Peking. Die Temperaturen Waren im Gesamtjahr so hoch wie seit 1951 nicht. Unter den 1,3
Milliarden Chinesen spricht sich 'rum, dass China besonders vom Klimawandel betroffen ist. In Tibet schmelzen die
Gletscher und an der 18 000 Kilometer langen Küste droht der steigende Meeresspiegel Millionenstädte wie Shanghai zu
versenken. Naturkatastrophen häufen sich jetzt schon.
Pikant ist, dass das Reich der Mitte den Treibhauseffekt inzunehmendem Maße mitverursacht. Die Volksrepublik soll
spätestens im kommenden Jahr die USA als größten Klimasünder abgelöst haben. Andere Schätzungen gehen davon aus,
dass China schon in diesem Jahr mehr CO, ausgestoßen hat, als die größte Wirtschaftsnation der Erde. Das Grundproblem
ist sein unstillbarer Energiehunger. 2006 stieg Chinas Energieverbrauch um 8,4 Prozent, sechs Prozent mehr als der
Weltdurchschnitt, wie der Ölkonzern BP errechnete.
Angefeuert wird das chinesische Wirtschaftswachstum mit Kohle, aus der mehr als 70 Prozent der Energie stammt. Seit
2000 hat sich die Kohleproduktion in der Volksrepublik auf 2,5 Milliarden Tonnen verdoppelt, schätzt Wang Xianzheng, der
Leiter der nationalen Kohlebehörde, und soll bis2010 noch einmal um mehrere Hundert Millionen Tonnen steigen. Die
jährliche Zunahme bei der Kohleförderung entspricht mit durchschnittlich 11,5 Prozent ziemlich genau dem derzeitigen
Wirtschaftswachstum.
Die Zahlen zeigen, wie China seinen Boom mit einer Verschleuderung von Energie und Ressourcen erkauft. 60 Prozent der
Städte leiden laut nationaler Umweltbehörde (SEPA) an verschmutzter Luft. Das hat zunehmend wirtschaftliche
Konsequenzen. Allein die Luftverschmutzung soll laut Weltbank jährlich 3,8 Prozent des Bruttoinlandsprodukts auffressen.
Peking setzt deshalb vermehrt auf erneuerbare Energien wie Wasser- und Windkraft, greift aber auch immer stärker auf die
umstrittene Atomenergie zurück. Bis 2020 will China seine Atom-Kapazitäten verdoppeln.
Dass der Klimawandel auch für China zu einem Problem wird, hat die Regierung also erkannt und sich nun ehrgeizige Ziele
gesetzt. Der Energieverbrauch soll gemessen an der Wirtschaftsleistung bis 2010 um 20 Prozent verringert werden, der
Schadstoffausstoß um 10 Prozent im Vergleich zu 2005 sinken. In der Vergangenheit verfehlte China solche Ziele allerdings
regelmäßig. International bindende Verpflichtungen lehnt Peking ohnehin ab. Denn die Entwicklung der Wirtschaft hat für
China Vorrang vor dem Klimaschutz. Konferenz in Bali geht es nun darum, China zu festen Zusagen zu bewegen. (NRZ)
Chinas Führung sieht vielmehr die reichen Staaten am Zuge, die schon seit Jahrzehnten ihren Dreck rausschleudern. „Sie
haben die Verpflichtung, den Entwicklungsländern in ihren Bemühungen gegen den Klimawandel finanzielle und technische
Hilfe zu leisten", sagte Ma Kai, Minister der Pekinger Reform- und Entwicklungskommission, im Sommer beim G8-Gipfel in
Heiligendamm. Vergangene Woche wiederholten Ministerpräsident Wen Jiabao und ein Außenministeriums-Sprecher diese
Haltung noch
NRZ
Freitag 14.12.2007
Europa setzt Bush unter Druck
KLIMAGIPFEL.Ohne feste Ziele keine Zusammenarbeit. Heftige Turbulenzen vor dem Schlusstag der BaliKonferenz. Minister Gabriel glaubt aber nicht an ein vollständiges Scheitern.
NUSA DUA/BERLIN. Kurz vor dem Scheitern stand gestern der Klimagipfel auf Bali. Bundesumweltminister Sigmar Gabriel
forderte die USA eindringlich auf, feste Ziele zum Emissionsabbau zu akzeptieren. Sonst sei das von US-Präsident George
W. Bush initiierte Treffen der größten Klimasünder im Januar auf Hawaii sinnlos. EU-Chefunterhändler Humberto Rosa aus
Portugal drohte offen mit einem Boykott des US-Treffens.
"Die Staaten spielen russisch Roulette", klagte Umweltstaatssekretär Michael Müller (SPD) gegenüber der NRZ mit Blick auf
die USA, Russland und China. Auch Australien enttäusche. "Die Europäer haben gestanden", lobte Müller insbesondere die
Rolle Portugals, Großbritanniens und Deutschlands. Im offenen Streit mit der amerikanischen Delegation machte
Friedensnobelpreisträger Al Gore "das eigene Land dafür verantwortlich, dass der Fortschritt aufgehalten wird".
Ein vollständiges Scheitern des Klimagipfels am heutigen Schlusstag schloss Gabriel aus. Er rechne zumindest mit einer
Verständigung auf Verhandlungen über ein Nachfolgeabkommen für das 2012 auslaufende Kyoto-Protokoll.
Die Europäer verlangen von den USA, die klimaschädlichen Treibhausgase bis 2020 zwischen 25 und 40 Prozent unter das
Niveau von 1990 zu senken. Bush setzt vor allem auf technologische Fortschritte, um Belastungen für die US-Industrie zu
vermeiden. Klimaexperten zufolge reicht dies nicht aus, um die schlimmsten Folgen des Klimawandels abzuwenden. Den
USA wird vorgeworfen, sie wollten sich mit ihrem Vorgehen lediglich kommerzielle Vorteile auf den internationalen Märkten
schaffen. (rtr/dpa/disc/NRZ)
KATASTROPHEN MIT 142 MILLIONEN MENSCHEN
24 000 Menschen sind im Jahr 2006 bei Naturkatastrophen gestorben. Insgesamt seien dabei 142 Millionen Menschen von
Stürmen, Erdbeben und Überschwemmungen betroffen gewesen, zehn Prozent weniger als im Jahr 2005, heißt es im
Weltkatastrophenbericht, den die Internationale Föderation der Rotkreuz- und Rothalbmondgesellschaften gestern vorstellte.
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Damit lag die Zahl der Todesopfer etwas unter dem Durchschnitt der letzten zehn Jahre. Laut Statistik verursachten die 427
erfassten Katastrophen aus dem Jahr 2006 Schäden von 34,5 Milliarden US-Dollar (umgerechnet 23,5 Milliarden Euro).
(kna)
NRZ
Freitag 14.12.2007
Engel und Teufel
Kommentar von DIETER SCHNEIDER
Kampf zwischen Ignoranz und Aufklärung auf Bali
Jetzt stehen sie auf Bali alle mit dem Rücken zur Wand. Ein ganzes Jahr lang haben die Staaten rund um den Weltklimarat
auf ein konkretes Jahrhundertziel hingearbeitet, die einen mehr, die anderen weniger - und heute könnten sämtliche
Erwartungen verpuffen. Es war kein gutes Zeichen, als der deutsche Umweltminister Sigmar Gabriel gestern die BushRegierung verteufelte. Aber er hat recht, weil man die Differenzen in der Klimapolitik nicht mit Diplomatie zukleistern kann.
Es muss gehandelt werden. Also, high noon auf Bali: Vorgeführt wird ein inneramerikanischer Machtkampf, aus
europäischer Sicht eine Schlacht zwischen Ignoranz und Aufklärung. Absehbar ist, dass hier und heute weder der
abwesende Klimateufel Bush noch der anwesende Apostel Gore gewinnen: Die Weltklimapolitik muss wohl noch ein Jahr
bis zu den US-Präsidentschaftswahlen warten.Und doch müssen die Europäer und die Amerikaner eine Klammer ihres
Handelns finden; allein deshalb, weil Chinesen, Russen und der Rest der Welt sonst als Klimaschädiger gewissenlos
aufrüsten.
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NRZ
Freitag 14.12.2007
Prima Klima für satte Profite
JAN JESSEN
UMWELT. Während auf Bali die Politiker sich über Maßnahmen gegen die Erderwärmung streiten, versprechen sich
andere vom Wandel beste Aussichten für glänzende Geschäfte.
ESSEN. Ende November, kurz vor dem Beginn der Weltklimakonferenz auf Bali, erschien in der Financial Times eine
bemerkenswerte doppelseitige Anzeige. Eine illustre Runde unter der Federführung von Prinz Charles warb darin für einen
Erfolg bei den Verhandlungen auf der indonesischen Insel: rund 150 Unternehmen, darunter Größen wie die Telekom,
Philips, Vodafone, Nokia, aber auch Shell. Warum sich global agierende Unternehmen für den Klimaschutz einsetzen, wird
im "Bali Communique?" freimütig kundgetan: Verbindliche Ziele zur Reduzierung des weltweiten Ausstoßes von
Treibhausgasen könnten "bedeutende Geschäftsmöglichkeiten" etwa bei der Entwicklung und dem Verkauf innovativer
Technologien schaffen. Tatsächlich wird der Klimawandel insbesondere in den Industriestaaten vielerorts mittlerweile
weniger als Bedrohung verstanden - sondern vielmehr als Chance, Profit zu machen.
Die Breitegraden, in denen die meisten Industrieländer liegen, werden vom Klimawandel ohnehin nicht so betroffen sein wie
die Regionen der Erde, in denen sich die ärmsten Länder finden. Für Mitteleuropa erwarten Klimaexperten bei einem
Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur bis maximal drei Grad sogar Vorteile, wie etwa höhere Ernteerträge oder
ausbleibende Frostschäden bei Erntefrüchten.
Die deutschen Landwirte werden aber nicht nur dank höherer Ernteerträge ihre Umsätze steigern: Die Bundesregierung
setzt in ihrem Klimapaket auf eine höhere Kraftstoffquote. Bis 2020 sollen den herkömmlichen fossilen Kraftstoffen 20
Prozent Biokraftstoffe aus Pflanzen wie Raps oder Weizen beigemischt werden. Experten rechnen damit, dass allein aus
Raps gewonnener Biodiesel in Deutschland einen Absatz von zehn Millionen Tonnen haben wird. Eine Tonne Rapsöl kostet
derzeit rund 620 Euro. Die Chancen bei den erneuerbaren Energien ließen die Zukunftserwartungen der deutschen
Landwirte "zuversichtlich" sein, teilte Gerd Sonnleitner, Präsident des Deutschen Bauernverbandes, jüngst mit.
Handel mit Verschmutzungsrechten
Auch andere Erzeuger alternativer Energietechnologien erleben derzeit einen enormen Aufschwung. Der Bundesverband
erneuerbare Energien rechnet damit, dass bis 2020 in dem Bereich 550 000 Menschen arbeiten, doppelt so viele wie heute.
Der Umsatz der deutschen Photovoltaik-Branche stieg zwischen 1998 und 2006 laut Bundesverband Solarwirtschaft von 80
Millionen Euro auf 3,7 Milliarden. Allein die Bonner "Solarworld" hat bis 2020 Aufträge im Wert von fünf Milliarden Euro in
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den Büchern stehen. In Goldgräberstimmung ist auch die deutsche Windindustrie, die ihre Umsätze seit 2004 verdoppelt hat
und 2007 vermutlich die 10-Milliarden-Euro-Grenze knacken wird. Führende Unternehmen wie Nordex rechnen in den
kommenden Jahren mit einer jährlichen Umsatzsteigerung im 50-Prozent-Bereich.
Besonders viel Musik ist aus Sicht der Wirtschaft im Emissionshandel, dem Lieblingsinstrument der Politik für den
Klimaschutz: Dabei können Unternehmen, deren Anlagen staatlich festgelegte Luftverschmutzungsgrenzen überschreiten,
Verschmutzungsrechte - sogenannte Emissionszertifikate - von anderen Unternehmen kaufen; oder sie können in anderen
Ländern Klimaschutzprojekte unterstützen, um Strafzahlungen zu entgehen. Der Handel mit den Verschmutzungsrechten
läuft ähnlich wie der Aktienhandel über eine Börse ab und könnte, schätzt Yvo de Boer vom Klimasekretariat der Vereinten
Nationen, im Jahr 2010 schon ein Volumen von 100 Milliarden Dollar haben.
Schon jetzt tummeln sich weltweit auf dem Markt diverse "Carbon Funds", zumeist privatwirtschaftliche Fonds, die ihren
Investoren durch den Handel mit Verschmutzungsrechten eine Rendite von mindestens 15 Prozent in Aussicht stellen. Laut
dem Infoportal "CO2-Handel.de" verwalten die Fonds derzeit ein Vermögen von 2,4 Milliarden Dollar.
Angenehm ist der Emissionshandel auch für die Stromkonzerne, die dank der Verstromung von Stein- und Braunkohle für
einen großen Teil des deutschen Treibhausgas-Ausstoßes verantwortlich sind: Sie haben in den vergangenen Jahren einen
Gutteil der Zertifikate vom Staat geschenkt bekommen - das wird auch in den kommenden Jahren so sein.
Renaissance der Kernenergie
Die Marktpreise für diese umsonst erhaltenen Zertifikate (etwa 20 Euro pro Tonne Kohlendioxid) haben sie aber auf die
Stromkosten und damit den Verbraucher umgelegt. Zwischen 2004 und 2012 könnten die vier großen deutschen
Stromkonzerne somit bis zu 64 Milliarden Euro mehr verdienen, schätzt die Umweltorganisation WWF.
Im Windschatten der Klimaschutzdiskussion erlebt auch die Kernenergie eine Renaissance: Die Stromkonzerne bewerben
sie als umweltfreundlich, weil kohlendioxidfrei. Das stimmt zwar nicht - bei der Herstellung der Brennstäbe wird CO2
freigesetzt - kommt aber an: Sogar Klimaforscher wie der Frankfurter Christian Schönwiese plädieren für ein Festhalten an
der Atomkraft, und sei es als "Brückentechnologie", bis alternative Energieträger im großen Stil eingesetzt werden können.
Eine fette Rendite versprechen zudem Zukunftstechnologie wie synthetische Biokraftstoffe, die ab 2010 auf den Markt
kommen sollen, oder "Carbon Capture and Storage (CCS)", eine Technologie, mit der Kohlendioxid unter der Erde
gespeichert werden soll.
Es scheint also fürs erste, als wären Deutschland und die anderen Industriestaaten die Gewinner einer kommenden
Katastrophe, die sie selbst verursacht haben - die Zeche in Form von Hunger, Wassermangel, Dürren und
Überschwemmungen zahlen hingegen die ärmsten Länder. Aber das ist ja eigentlich nicht etwas sonderlich Neues. (NRZ)
NRZ
Freitag 14.12.2007
Klimaziele abgeschwächt
BALI-GIPFEL. Abschluss wegen "heftiger Widerstände" vertagt. Als Fortschritt gilt ein Zeitplan über weitere
zweijährige Verhandlungen.
BALI. Heftiges Ringen um eine Rest-Verbindlichkeit von Klimaschutzzielen hat das Ende des UN-Gipfels auf Bali immer
weiter hinausgeschoben. Die Vertreter der 190 Staaten vertagten sich auf den heutigen Samstag. Bundesumweltminister
Sigmar Gabriel (SPD) sprach von "großen Fortschritten", aber auch von "heftigen Widerständen" der USA und anderer.
Als aussichtsreich galt Freitagnacht ein Kompromissvorschlag des Gastgeberlandes Indonesien: Binnen zehn bis 15 Jahren
sollen die Staaten allgemein für einen Rückgang des weltweiten Kohlendioxidaus-stoßes sorgen und die Menge des Jahres
2000 dann bis 2050 halbieren. Das entspreche rechnerisch dem Ziel der EU, hieß es. Die EU war zuvor von ihren ProzentZielen für das Jahr 2020 und dem Bezugsjahr 1990 abgerückt, um die USA mit ins Boot zu holen.
Wichtiger Konsens: ein Zeitplan für zweijährige Verhandlungen über einen neuen Klimapakt. Außerdem soll der CO2Handel dafür sorgen, dass der Erhalt von Wäldern in armen Ländern profitabler als ihre Abholzung wird. (NRZ)
NRZ
Freitag 14.12.2007
Gutes Klima - rein geschäftlich
JAN JESSEN
BALI. Die Bremser setzten sich durch. Aber zumindest wird ein vager Fahrplan ausgehandelt.
Ein Verhandlungsmandat. Auf nicht mehr laufen die zähen Debatten auf Bali hinaus, die heute Morgen in die Verlängerung
gegangen sind. Als Ergebnis ist das nicht viel mehr wert als die wachsweiche Klimaerklärung, die im Sommer in
Heiligendamm von den G8 verabschiedet worden war. Tenor: Bis ins ferne Jahr 2050 wollen wir irgendwie die globalen
Treibhausgasemissionen halbieren. Angesichts der ehrgeizigen deutschen und europäischen Klimaschutzziele und der
eindringlichen Warnungen von Experten aus aller Welt vor den Folgen des Klimawandels mag es verwundern, ja empören,
dass sich die USA, Australien, Japan, Kanada und Russland auf Bali weiterhin konkreten Klimaverpflichtungen verweigert
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haben. Aber im Prinzip tun die Bremser, die auf Bali einen klaren Punktsieg verbucht haben, nichts anderes als Deutschland
oder die EU: Sie bewerten eine globale Katastrophe vorrangig nach ökonomischen Kriterien.Klimaschutz ist demnach eine
schlichte Kosten-Nutzen-Abwägung: Wird das nationale wirtschaftliche Wachstum durch verbindliche Ziele gehemmt oder
befördert? Deutschland als selbsternannter Klimaweltmeister rechnet mit Gewinnen durch den Klimaschutz: Die
Erneuerbare-Energien-Branche wird als Jobmotor angesehen, in der bis 2020 soviele Menschen arbeiten, wie jetzt in der
Autoindustrie; deutsche Klimatechnologie wird als künftiger Exportschlager betrachtet; und nicht zuletzt erhofft man sich
dank der alternativen Energien geostrategische Vorteile durch eine zunehmende Unabhängigkeit von den bisherigen
Energielieferanten.Gegenbeispiel Kanada: Das Land hat das Kyotoprotokoll unterschrieben, wird seine Reduktionsziele aber
völlig verfehlen und hat sich in Bali deutlich gegen verpflichtende Ziele nach 2012 ausgesprochen - die Kanadier
versprechen sich durch die Ausbeutung ölhaltiger Sande, durch die Unmengen Kohlendioxid in die Luft geblasen wird,
Milliardengewinne.Aus deutscher Sicht mag es verführerisch sein, die Bremser, aber auch die Schwellenländer und
kommenden Klimasünder China und Indien lehrmeisterhaft für ihr Verhalten zu tadeln; sonderlich redlich ist das nicht. Denn
versagt haben auf Bali alle reichen Industrienationen, die ihren Wohlstand mit der Verschmutzung der Atmosphäre erkauft
haben: Die heutigen und kommenden Opfer des Klimawandels wurden auf Bali mit Almosen abgespeist. Lächerliche 500
Millionen Dollar sollen bis zum Jahr 2012 in einem Anpassungsfonds bereitgestellt werden, um den Entwicklungsländern bei
künftigen Umweltkatastrophen wie Überschwemmungen und Dürren zu helfen. Nur zum Vergleich: Allein die Sanierung
eines Kilometers Rheindeich kostet zwei Millionen Euro. Was also bleibt von Bali? Zunächst ein paar dürftige
Vereinbarungen zur Förderung von Technologie-Transfers und zum Schutz des Regenwaldes. Dann ein wenig konkreter
Fahrplan für die kommenden zwei Jahre. 2009 soll in Kopenhagen der Nachfolgevertrag für das Kyotoprotokoll
ausgehandelt werden, das im Jahr 2012 ausläuft. Da im kommenden Jahr ein neuer amerikanischer Präsident gewählt wird,
besteht zumindest die vage Hoffnung, dass die USA und in ihrem Windschatten auch die bisherigen Bremser ihre starre
Haltung aufgeben und sich zu verbindlichen Klimaschutzzielen bequemen, um zumindest die schlimmsten Auswirkungen
des Klimawandels abzumildern. Immerhin gibt es keine Regierung mehr, die den Klimawandel leugnet. Es bleibt aber auch
die bittere Erkenntnis, dass da, wo keine geldwerten Profite zu erwarten sind, wenig Hilfe von den Industriestaaten für die
Ärmsten der Welt zu erwarten ist. Das ist der eigentliche Skandal.
NRZ
Freitag 14.12.2007
Die Klima-Raubritter
SPEKULANTEN. Der Europaabgeordnete Karl-Heinz Florenz (CDU) übt Kritik an der Praxis des Handels mit
Verschmutzungsrechten
PETER SENNEKAMP
Steht dem Handel mit den Verschmutzungsrechten äußerstr kritisch gegenüber: der gelernte Landwirt, Karl-Heinz Florenz, hier auf einem alten Lanz-Bulldog.
(Foto: NRZ)
BRÜSSEL. NRZ-Interview mit Karl-Heinz Florenz (CDU), dem Chef des Klimaschutz-Ausschusses des Europäischen
Parlaments. Florenz hat an der Klimakonferenz in Bali teilgenommen.
NRZ: Herr Florenz, wer auf der Welt sind heute die größten Gewinner der europäischen Klimaschutz-Politik?
Florenz: Die europäischen Banken spielen hier eine starke Rolle. Sie sichern sich Riesenmengen an Emissionszertifikaten,
die sie später - als Zwischenhändler - mit hoher Gewinnspanne weiterverkaufen. Kurz bevor ich mit Bundesumweltminister
Sigmar Gabriel und US-Senator John Kerry in Bali zusammenkam, war ich in Peking. Dort im Haus der Deutschen
Industrie traf ich Vertreter des belgisch-niederländischen Bankkonzerns Fortis und Unterhändler der Allianz-Gruppe. In
China sichern sich Dutzende solcher Banker Pfründe in Form von „Verschmutzungsrechten".
NRZ: Wie gehen diese Klima-Spekulanten in China vor?
Florenz: Nehmen Sie eine deutsche Maschinenbaufirma, die Kraftwerkstechnik her stellt. Diese Firma verkauft
nach China eine Filteranlage, die für weniger Emissionen sorgt. Weil sie dort in ein Kraftwerk eingebaut wird,
erhält diese Firma nun eine Anzahl geldwerter Verschmutzungsrechte. Die europäischen Banken kassieren diese Rechte
zunächst ein. Dann schöpfen sie davon einen Großteil ab, so haben die Banken eine riesige Menge Geld abgeschöpft,
die eigentlich dem Klimaschutz dienen sollte. Zugleich gibt es heimische Firmen, die jetzt sogar Darlehn aufnehmen
müssen, um Emissionsrechte kaufen zu können. Die ursprüngliche Idee, neben der Förderung von Technologietransfer,
gera-de auch kleinen und mittleren Unternehmen zu helfen, ihre Filter und Anlagen auf solchen Märkten besser zu
verkaufen, ist kräftig daneben gegangen. Statt dessen entwickelt sich hier ein modernes Raubrittertum
NRZ: Immerhin haben Umweltschützer dies ursprünglich „sauberen Entwicklungsmechanismus" getauft. Wer wird denn
in Indien, China und auch auf südamerikanischen Boommärkten das Rennen um Klimaschutz-Technologie machen, die
Europäer oder Amerikaner?
Florenz: Der ehemalige US-Präsidentschaftskandidat John Kerry erinnerte auf Bali daran, dass Kalifornien so groß ist wie
Deutschland und dass in Kalifornien extrem viel Technologie für den Umweltschutz entwickelt und eingesetzt wird, bis
rauf zur kanadischen Grenze. Ich stand gerade in China vor einer der modernsten Turbinen für ein neues Kraftwerk.
Die kam nicht etwa von Siemens, die hat der US-Hersteller GE/ Ericsson geliefert. Wenn wir in Europa nicht viel mehr
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tun,laufen uns die Amerikaner davon.
NRZ: Was folgt nach der Bali-Konferenz. Sollen die Europäer unabhängig von China und den USA die Senkung der Treibhausgase leisten?
Florenz: Das entspricht dem, was Al Gore hier auf Bali in einem Gespräch darstellte. Gore bat die Europäer, mit guten
Partnern voranzugehen beim Entwickeln eines KyotoNachfolgevertrags, obwohl die USA wie ein Elefant im
Porzellanladen sind. (NRZ)
ZUR PERSON
Karl-Heinz Florenz (CDU) vertritt im Europaparlament die Kreise Kleve, Neuss, Viersen und Wesel sowie die Städte Krefeld
und Mönchengladbach. Der 60-Jährige ist seit 1989 Mitglied des Parlaments und seit 2004 Vorsitzender des Ausschusses
für Umweltfragen, Volksgesundheit und Lebensmittelsicherheit. Die Klimakonferenz auf Bali besucht er als Berichterstatter
des Parlaments. (NRZ)
WAZ
Freitag 14.12.2007
Eine Frage der Glaubwürdigkeit
Jürgen Polzin
Nusa Dua. Die Klimakonferenz auf Bali steht am Ende eines Jahres, in dem sich ein Wandel im Bewusstsein der
Menschen vollzogen hat.
Hat zum Wandel im Bewusstsein beigetragen: Nobelpreisträger Al Gore - Redner bei der Konferenz. Foto: dpa.
Der britische Ökonom Nicholas Stern wurde zum Lord geschlagen, weil er die Kosten des Klimawandels kalkulierte und mit
dem Satz Furore machte: Abwarten und Nichtstun wird teurer als jetziges Handeln. Die IPCC-Klimaberichte folgten ab
Februar und ließen die Menschen erschaudern: Das Klima ändert sich schneller als es Klimaforscher erwartet hatten.
Al Gore, der am Donnerstag auf Bali in einer bewegenden Rede den Klimaschutz eine moralische Verpflichtung nannte,
bekam erst den Oscar, dann gemeinsam mit dem Weltklimarat IPCC den Friedensnobelpreis. US-Präsident George Bush
rang sich auf dem G-8-Gipfel in Heiligendamm zu der Erkenntnis durch, dass der Klimawandel eine ernsthafte Bedrohung
sei. Ein kritischer Kommentator bemerkte dazu: Ein großer Schritt für ihn, aber ein kleiner Schritt für die Menschheit.
Heute soll die Klimakonferenz auf Bali enden. Doch es scheint wieder einmal, als ob die politischen Verhandlungen über
Maßnahmen gegen die globale Erwärmung schwieriger sind, als eine Mondlandung zu organisieren. Auf Bali wird ein
Mandat für ein neues, weltweites Klimaabkommen verabschiedet werden. Doch möglich ist, dass es die Emissionen nicht
wert war, die auf der An- und Abreise entstanden. Es wäre ein fatales Signal, würden die USA und Trittbrettfahrer
durchsetzen, dass sich die Industrieländer nicht zu weitreichenderen CO2-Zielen als bisher bekennen. Es wäre eine
Ohrfeige für Schwellenländer wie China, das sich auf der Konferenz bemerkenswert offen für Verhandlungen zeigte und
Vorgaben akzeptieren würde. Und es wäre ein Fußtritt für die Entwicklungsländer, die das CO2-Problem nicht verursacht
haben, die von den erwarteten Folgen der Klimaveränderungen aber am stärksten betroffen sind.
Auf Bali geht es auch darum, welche Glaubwürdigkeit UN-Konferenzen in Zukunft haben. Wissenschaftler sagen, dass wir
die Technologien und das Geld besitzen und das CO2-Problem mindern können, ohne dabei unseren Wohlstand zu
gefährden. Doch was offenbar das viel größere Problem darstellt, ist die Herausforderung, dass dieses Problem nur
gemeinsam gelöst werden kann.
Auf der Insel der Götter kann ein neues Kapitel der Klimapolitik aufgeschlagen werden. Es kann der Beginn einer neuen
Geschichte sein. Es kann das letzte Kapitel sein.
WAZ
Freitag 14.12.2007
Das sinkende Paradies
Von Christiane Oelrich
Steigender Meeresspiegel lässt Südseeatolle überfluten. Die Bewohner müssen die Inseln verlassen.Brunnen und
Böden versalzen. Neuseeland will Einwohner von Tuvalu aufnehmen
Nichts ist mehr so wie es früher war auf den Carteret-Inseln. Nur noch von weitem sehen die Atolle wie ein Südseeparadies
aus. An Land nicht: Dort, wo bis vor wenigen Jahren blühende Obstbäume standen, sind nur noch stinkende Wasserlachen
übrig.
Die Brunnen sind mit Salzwasser gefüllt. Verlassene Hütten liegen als Ruinen im Wasser. "Die Flut im vergangenen Juni
war die schlimmste, die wir je erlebt haben", sagt Paul Tobasi, einst Carteret-Bewohner und heute bei der Provinzregierung
auf der zu Papua-Neuguinea gehörenden Hauptinsel Bougainville für die Atolle zuständig. Das Inselparadies, zwei
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Flugstunden von der Hauptstadt Papua- Neuguineas, Port Moresby, und weitere sieben Stunden im Fischerboot entfernt,
versinkt im Meer. Die 2500 Menschen haben Mangroven gepflanzt, um die Küste zu festigen. Diesem Zweck dienen auch
Wellenbrecher aus Muschelschalen. Aber der Kampf gegen den Ozean ging verloren.
Ein Schicksal, das auch das Pazifik-Inselreich Tuvalu fürchtet, und Kiribati. Und die Cook-Inseln. Und Fidschi. Der
Wasserspiegel des Pazifik steigt und steigt. Die Einwohner leben in Angst. "Sie müssen noch in diesem Jahr umgesiedelt
werden", sagt Tobasi. "In 15 bis 20 Jahren sind die Inseln verschwunden." Nach 400 Jahren Besiedlung, fügt er hinzu.
An weiteren Warnungen ist kein Mangel. Der UN-Klimarat IPCC geht von einem Anstieg des Meeresspiegels um bis zu 60
Zentimeter aus, wenn nicht schnell etwas gegen die Emission von Treibhausgasen getan wird. Andere Warnungen sagen
gar einen Anstieg um 1,40 Meter voraus. Die sieben Millionen Insulaner der 22 Pazifik-Nationen ahnen schon länger nichts
Gutes: Schon 2001 warnte der Rat, dass der Meeresspiegel bis Ende dieses Jahrhunderts um 88 Zentimeter steigen
könnte, verursacht durch den Klimawandel, der Eisberge und Gletscher schmelzen lässt.
Die Einwohner von Carteret, wo die höchste Erhebung nur 1,70 Meter erreicht, sollen auf Bougainville eine neue Bleibe
finden. Die Insulaner wissen, dass es eilt, sagt Tobasi. Das Leben dort ist kaum mehr auszuhalten. Das Essen wird knapp.
"Sie leben nur noch von Fischen und Kokosnüssen", sagt Tobasi. "Früher wurden noch süße Kartoffeln und
Wasserbrotwurzel angepflanzt. Das ist alles weg, der Boden ist völlig versalzen." In den Feldern schwimmen bei größeren
Fluten Stachelrochen und Haie. Auch auf Tuvalu zwischen Australien und Hawaii sind die Gärten längst verkommen. Die
Fischgründe sind durch das Ausbleichen der Korallen stark dezimiert. Die Regierung ist realistisch: Sie hat ein Abkommen
mit Neuseeland getroffen, das die 11 600 Einwohner aufnehmen will, wenn es brenzlig wird. In 50 Jahren, so fürchtet die
Regierung, könnte das Inselreich verschwunden sein.
Die Vereinten Nationen rechnen bis 2010 mit 50 Millionen Umweltflüchtlingen. Auf Kiribati haben die 100 000 Einwohner als
Trinkwasser praktisch nur noch Regen. Die ohnehin flachen Süßwasser-Reservoire versalzen durch den steigenden
Meeresspiegel. Auch auf den Malediven im Indischen Ozean herrscht Alarm. Einige der 1200 Korallen-Inseln standen nach
dem Tsunami 2004 tagelang unter Wasser. Damals ging das Wasser noch einmal zurück.
Der Westen.de
Samstag 15.12.2007
Schachern um Schmutzrechte
Jürgen Polzin
Klimaschutzkonferenz: Umweltminister Sigmar Gabriel ringt bis in die Morgenstunden um eine zukunftsweisende
Abschlusserklärung. Konkrete CO2-Ziele waren bis zuletzt der Streitpunkt
Nusa Dua. Spaß? Na aber sicher haben sie Spaß. "Wir ertränken unsere Sorgen, denn wir ertrinken sowieso", steht da auf
dem Pappschild, unter dem mittlerweile eine stattliche Anzahl leerer Bacardi-Flaschen aufgereiht ist. Die Vertreter der
Allianz der kleinen Inselstaaten tanzen und heben die Becher, weil sie eh bis zum Morgengrauen warten müssen.
Freitagnacht auf Bali, und niemand weiß, wie es mit dem Klimaschutz weiter geht.
Noch nie in der Geschichte der Vereinten Nationen wurde auf einer Weltklimakonferenz pünktlich Feierabend gemacht.
Doch was sich am Freitag beim Klimapoker auf Bali abspielte, stellte alles Bisherige in den Schatten. "So etwas habe ich
noch nie erlebt", sagte Christoph Bals, Leiter der Umweltorganisation Germanwatch.
Längst war rund um den Plenarsaal alles geputzt und aufgeräumt, als noch immer keine Einigkeit in Sicht war. Punkt für
Punkt hatten die im Konferenzzentrum verteilten Verhandlungsgruppen ihre Themen abgehakt. Wald, klimafreundliche
Umwelttechnik, ja selbst die leidigen Finanzen waren konsensfähig und fertig zur finalen Abstimmung. Nur das Thema CO2Ziele, das schon die ganze Konferenz über für Streit gesorgt hatte, hatte offenbar noch nicht lang genug gequält.
Die Frage, welche Klimaschutz-Ziele die Industrieländer und welche Auflagen die Entwicklungs- und Schwellenländer in
einem neuen Klimaabkommen ab 2012 erbringen sollten, zwang die Parteien in den Dauerclinch. Letztlich entscheidet
dieser Punkt, ob das Bali-Mandat ein starkes oder schwaches ist. Die EU beharrte zunächst auf konkrete, ehrgeizige Ziele
von 25 bis 40 Prozent weniger CO2, die auch so im Bali-Fahrplan genannt werden sollen. Die USA, in deren Fahrwasser
Kanada und Japan mitschippern, sind allenfalls bereit, eine Halbierung bis 2050 mitzutragen. "Das können unsere Enkel
dann machen", übersetzt Bals.
Stunden vergingen, und das Geschachere um Zeitkorridore und Schmutzfrachten wurden zu einem Schlagabtausch mit
wechselnden Allianzen. Von der großen Verhandlungsgruppe mit 40 Staaten wechselte der Streit in eine kleinere Runde mit
zehn bis 15 Staaten. Von der kleinen Gruppe wieder zur Großen. Von der Großen wieder zur Kleinen.
Bundesumweltminister Sigmar Gabriel war stets dabei. Draußen lauerten die politischen Strategen der
Nichtregierungsorganisationen. Per SMS erhielten sie Nachricht: "Da bewegt sich was", hieß es da. "Die Russen wollen
blockieren", lautete eine andere.
Plötzlich geht die Tür auf, ein Vertreter der G77-Gruppe (Entwicklungsländer und China) kommt heraus. Vor der
internationalen Presse berichtet Munir Akram, der Botschafter Pakistans bei den Vereinten Nationen, dass nun mit harten
Bandagen gekämpft werde. "Die Industrieländer üben heftigen Druck auf uns aus, das geht bis zur Androhung von
Handelssanktionen", klagt er. Schlecht sieht er aus. Nun wird klar, dass hier noch lange nicht Schluss ist.
Wie lange noch? Kein Journalist, der diese Frage nicht stellt. Die Redaktionen aus Deutschland rufen an, die Zeitung muss
raus. Wenigstens Christoph Bals hat kein Problem mit konkreten Zahlen: "Zu 80 bis 90 Prozent bin ich sicher, dass es noch
sieben bis acht Stunden dauert." Na dann gute Nacht.
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Der Westen.de
Samstag 15.12.2007
Durchbruch
Klimakonferenz einig über neuen Vertrag - mit vagen Zielen
Nusa Dua. Nach langem Tauziehen und dramatischen Szenen verständigten sich die 180 Staaten darauf, dass es
ein neues Abkommen nach Auslaufen des Kyoto-Protokolls geben soll. Ob darin allerdings konkrete Ziele definiert
werden, ist noch offen.
Die Weltklimakonferenz hat am Samstag eine Einigung erzielt. Die Vertreter von mehr als 180 Ländern verständigten sich
auf das Verhandlungsmandat für einen neuen Weltklimaschutzvertrag nach Auslaufen des Kyoto-Protokolls im Jahr 2012.
Zum Ende einer dramatischen Schlusssitzung auf der indonesischen Insel Bali hatten kurz zuvor die USA ihren Widerstand
gegen ein solches Abschlussdokument aufgegeben. Sie wollten einer Einigung rund 20 Stunden nach dem vorgesehenen
Ende der Konferenz nicht mehr im Wege stehen, sagte die US-Delegationsleiterin Paula Dobriansky. UN-Generalsekretär
Ban Ki Moon hatte am Morgen eindringlich an die Delegierten appelliert, einen Kompromiss zu finden. «Die Völker der Welt
wollen ein erfolgreiches Ergebnis», sagte er. Bundesumweltminister Gabriel (Foto oben) begrüßte das Ergebnis: Es sei
«weit mehr erreicht worden, als angesichts der Interessenlagen zu erwarten» gewesen sei. Allerdings sei "auch weniger"
herausgekommen, als sich die EU und Deutschland gewünscht hätten.
Die Weltklimakonferenz hatte insgesamt zwei Wochen gedauert, in den vergangenen drei Tagen hatten die Vertreter von
mehr als 180 Ländern fast ununterbrochen verhandelt. Knackpunkt war, welche Ziele für die Minderung der Treibhausgase
auf Seiten der Industrieländer festgeschrieben werden sollten. In letzter Minute erhoben die Inder am Samstag Einspruch
gegen eine Passage, die Entwicklungsländer erstmals auf deutliche Maßnahmen zum Klimaschutz verpflichtet.
UN-Klimachef Yvo De Boer zweifelte zwischenzeitlich am Ausgang der Konferenz. Foto: afp
Die Konferenz sollte eigentlich am Freitag um 11.00 Uhr MEZ mit einem Verhandlungsmandat für einen neuen
Weltklimaschutzvertrag zu Ende gehen. Das Bali-Mandat soll die Bausteine für weitere Verhandlungen enthalten, die dann
innerhalb von zwei Jahren zu einem neuen globalen Klimaschutz-Abkommen führen sollen. Dieses neue Abkommen soll
dann ab 2012 auf das Kyoto-Protokoll folgen.
Die USA stellten Ansprüche an die Gruppe 77 der Entwicklungsländer, zu der auch China gehört, die diese nicht erfüllen
wollten. Die Entwicklungsländer verwiesen darauf, dass die Industrieländer Hauptverursacher der Treibhausgase seien und
deshalb selbst mehr tun müssten. In der Schlussphase der Konferenz kam es zu dramatischen Szenen: Auf den Fluren des
Konferenzzentrums herrschte heilloses Durcheinander. Minister standen ratlos in den Gängen herum, überall fanden
Krisensitzungen statt. Bundesumweltminister Sigmar Gabriel ließ alle diplomatische Zurückhaltung fallen und kritisierte die
Konferenzorganisation. Es entstehe ein verheerendes Bild in der Öffentlichkeit. Er sprach auch von «Taschenspielertricks«.
«Die Leute fragen sich doch: habt ihr sie noch alle?»
Die chinesische Delegation wurde im Plenum richtig laut und verlangte eine Entschuldigung vom Klimasekretariat, weil das
eine Plenarsitzung anberaumt hatte, während die Gruppe 77 der Entwicklungsländer nebenan noch separat verhandelte.
«Wir fragen uns, ob das mit Absicht so eingerichtet wurde», sagte der Chinese. Der Chef des UN-Klimasekretariats, Yvo de
Boer, reagierte unter Tränen auf die Kritik: Das Sekretariat habe nichts von den andauernden Gesprächen unter den
Entwicklungsländern gewusst, sagte der Niederländer. Er schlug wiederholt die Hände vor das Gesicht und verließ danach
umgehend das Podium.
Die Kernfrage des mühseligen Tauziehens, inwieweit die Industrieländer sich auf eine konkrete Verminderung ihrer
Treibhausgase in Zukunft verständigen und auch die Entwicklungsländer dabei erstmals auf einen eigenen Beitrag
verpflichtet werden könnten, blieb bis zuletzt offen. Von Seiten der Entwicklungsländer hieß es, ihnen sei sogar mit
Handelssanktionen gedroht worden, falls sie in diesem Punkt nicht einlenkten. Dass Entwicklungsländer beim KyotoProtokoll zu keinen Treibhausgas-Verpflichtungen gezwungen wurden, war offiziell mit ein Grund, weshalb die USA das
Protokoll nicht ratifizierten. Und an diesem Punkt wollten die Amerikaner auch festhalten. Tatsächlich produzieren China und
Indien inzwischen einen großen Anteil der weltweit entstehenden Treibhausgase - sind allerdings von der Pro-Kopf-Menge
noch weit von Europa und den USA entfernt.
Die Ergebnisse im Detail:
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Das Ergebnis der 13-tägigen Marathonberatungen sind ein Mandat für Verhandlungen über ein neues
Klimaabkommen, aber nur vage Angaben zu den Zielen der beteiligten 180 Staaten für geringere
Treibhausgasemissionen. Der meistdiskutierte Beschluss war das Verhandlungsmandat für ein
Nachfolgeabkommen zum Kyoto-Protokoll, das 2012 ausläuft. Ende 2009, auf der Klimaschutzkonferenz in
Kopenhagen, soll das Abkommen abgeschlossen werden. Der Streit auf Bali ging besonders darum, ob konkrete
Emissionsziele genannt werden. Auf Druck vor allem der USA wurde auf eine Nennung solcher Ziele im
Mandatstext verzichtet.
Enthalten ist allerdings ein Verweis auf die Erkenntnisse des Weltklimarats (IPCC). Demnach müssen die
Treibhausgasemissionen bis 2050 um mehr als 50 Prozent reduziert werden; auch dürfen die Emissionen nur noch
bis 2015 ansteigen, wenn die Erderwärmung auf rund zwei Grad begrenzt werden soll. Für die Industrieländer wird
in diesem Szenario für 2020 eine Reduzierung um 25 bis 40 Prozent für erforderlich gehalten.
Schon Anfang der Woche hatte sich die Klimakonferenz auf einen Anpassungsfonds verständigt, der vor allem
Entwicklungsländern bei der Bewältigung von Folgen der Erderwärmung helfen soll. Finanziert werden soll er durch
eine Abgabe auf CDM-Projekte im Rahmen des Emissionshandels. Die Verwaltung soll der Globale Umweltfonds
(GEF) in Zusammenarbeit mit der Weltbank übernehmen. Kritiker halten die bis 2012 anvisierte Summe von 300
bis 500 Millionen Dollar pro Jahr für viel zu gering. Daher wurden schon auf Bali spätere Aufstockungen ins Auge
gefasst.
Beschlossen wurden auch Regeln für den Technologietransfer, mit dem Industriestaaten Entwicklungsländer zum
Beispiel bei Energieeffizienz und Umwelttechnik unterstützen sollen. Demnach soll eine Expertengruppe gebildet
werden, um konkrete Maßnahmen nach 2012 vorzubereiten. Weitere Einzelheiten sollen teilweise später geklärt
werden. Betroffene Staaten sollen ihre Bedürfnisse beim GEF anmelden, der deren Volumen bewertet und auf
dieser Grundlage Programme erarbeitet. Das Vorhaben war im Grundsatz unstrittig. Es gab aber schwierige
Fragen der Umsetzung zu klären.
Der Kampf gegen die Rodung tropischer Wälder, die zu 20 Prozent zum Treibhauseffekt beiträgt, soll «dringend»
verstärkt und in den UN-Klimaschutzprozess integriert werden. Konkrete Vorgaben oder Maßnahmen enthält der
Beschluss allerdings noch nicht. Dafür wurde auf Bali parallel eine «Forest-Carbon-Partnership-Facility» gegründet.
Sie soll zunächst für begrenzte Pilotprojekte Entwicklungs- und Schwellenländern eine Entschädigung für den
Erhalt bestimmter Waldgebiete anbieten. Deutschland steuert dazu knapp 60 Millionen Dollar bei, andere Staaten
noch einmal mehr als 100 Millionen Dollar. Die Teilnahme ist für Geber- wie Nehmerländer freiwillig. (dpa/afp)
Rheinische Post
Samstag 15.12.2007
Was die Klima-Eingung bringt
Wackeliger Schritt nach vorne
Bali (RPO). Die Weltklimakonferenz hat sich geeinigt. Das Schlussdokument lässt mit den üblichen Tricks Raum für
alle Beteiligten. Konkrete Ziele für die Reduzierung von Treibhausgasemissionen sind jedoch nicht darin enthalten.
Dennoch spricht Umweltminister Sigmar Gabriel von einem "Riesenfortschritt".
Kern der Vereinbarungen ist die sogenannte "Bali Roadmap". Sie legt fest, bis 2009 ein neues weltweites Klimaabkommen
auszuhandeln. Das am Samstag in Nusa Dua beschlossene Verhandlungsmandat enthält zwar keine konkreten Ziele für die
Reduzierung von Treibhausgasemissionen, gibt aber einen Verweis auf den Weltklimarat (IPCC) der solche Ziele empfiehlt.
Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) wertete die Ergebnisse der Konferenz als "einen Riesenfortschritt", auch wenn
angesichts der Dringlichkeit, gegen den Klimawandel vorzugehen, mehr nötig gewesen wäre. Umweltverbände äußerten
sich verhalten.
Das neue Klimaschutzabkommen soll bis 2009 ausgehandelt werden und danach das Kyoto-Protokoll ablösen, das 2012
ausläuft. "Wir haben mehr erreicht, als wir angesichts der Ausgangsvoraussetzungen hier erwarten konnten, allerdings
weniger als angesichts der Dringlichkeit, beim Klimawandel zu starken Aktivitäten zu kommen, nötig gewesen wäre", sagte
dazu Gabriel.
Zusammenbruch bei den Verhandlungen
Der Leiter des UN-Klimasekretariats, Yvo de Boer, sagte: "Die beteiligten Parteien haben die Dringlichkeit des Handelns
gegen den Klimawandel erkannt und die politische Verantwortung bewiesen, die wir nach Aussagen der Wissenschaftler
brauchen." Von einem "wichtigen ersten Schritt" sprach UN-Generalsekretär Ban Ki Moon. Er war eigens noch einmal nach
Bali gereist, um die Delegierten "im Namen des Wohles der Menschheit" zur Zustimmung zu drängen.
Bei dem Streit in der abschließenden Plenarsitzung ging es um den Einspruch mehrerer Schwellen- und Entwicklungsländer
gegen eine Passage, die auch sie zu "messbaren und nachprüfbaren Maßnahmen" gegen den Klimawandel verpflichten
sollte. Die Überprüfbarkeit wurde an dieser Stelle abgeschwächt, dafür bei den Pflichten für Industrieländer zu technischer
und finanzieller Hilfe verschärft. US-Delegationsleiterin Paula Dobriansky sagte daraufhin, sie sehe die Ausgewogenheit des
Mandats gefährdet. Nach heftigen Attacken aus mehreren Entwicklungsländern verzichtete sie aber auf das zuvor von ihr
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angekündigte Veto. Während der Beratungen erlitt de Boer einen Zusammenbruch und musste den Saal vorübergehend
verlassen.
Essentielles in der Fußnote
Die USA hatten ihrerseits nach langem Ringen in der Nacht zum Samstag durchgesetzt, dass in dem Text konkrete
Emissionsziele nur indirekt genannt werden. Entgegen dem Wunsch der EU und vieler Entwicklungsländer enthält das
Mandat selbst keinerlei Zahlenangaben zur Verringerung von CO2-Emissionen. Die Teilnehmerstaaten erkennen lediglich
an, "dass starke Verringerungen der weltweiten Emissionen von Treibhausgasen erforderlich sind", um das gesetzte Ziel
einer Bekämpfung des Klimawandels zu erreichen.
Weiter wird im Text und noch einmal konkreter in einer Fußnote auf den vierten Bericht des Weltklimarats (IPCC) verwiesen.
Darin heißt es, die Treibhausgasemissionen müssten bis 2050 um mehr als 50 Prozent reduziert werden, wenn die
Erderwärmung auf rund zwei Grad begrenzt werden soll. Für die Industrieländer wird in diesem Szenario für 2020 eine
Reduzierung um 25 bis 40 Prozent für erforderlich gehalten. In einem weiteren Beschluss, der nur die Staaten mit
Emissionsverpflichtungen nach dem Kyoto-Protokoll betrifft, wurden die Emissionsziele etwas konkreter genannt.
Umweltverbände verhalten
Mehrere Umweltverbände kritisierten das Fehlen konkreter Emissionsvorgaben im Mandat selbst. Es sei "nicht die
gewünschte Eindeutigkeit erreicht worden", sagte Christoph Bals von der Umweltorganisation Germanwatch. Der
Umweltverband WWF sprach von einem "hart erkämpften Kompromiss". Mehr sei nicht möglich gewesen, "weil die USA ein
Klotz am Bein waren". Die Klimakonferenz endete am Samstag abend um 18.30 Uhr (Ortszeit), mehr als 24 Stunden nach
dem ursprünglich geplanten Termin.
Bewegung war nach der Rede von Generalsekretär Ban in die festgefahrene Situation gekommen. Die Welt warte auf einen
Durchbruch, sagte Ban. "Ganz ehrlich, ich bin enttäuscht über das Niveau des Fortschritts, der hier gemacht wurde." Der in
der Nacht ausgehandelte Kompromissvorschlag sei überzeugend und sollte nicht weiter blockiert werden. Jeder müsse
bereit sein zum Kompromiss.
lycos.de
Freitag 07.12.2007
Klimakonferenz stellt weichen für neues abkommen
Nusa Dua (dpa) - Nach fast drei Tagen Nonstop-Verhandlungen haben 187 Länder auf Bali den Fahrplan zu einem neuen
Weltklimaschutzvertrag vereinbart. Der neue Vertrag soll bis 2009 entstehen und dann sichern, dass die Treibhausgase in
der Atmosphäre bis Mitte des Jahrhunderts deutlich gesenkt werden.
So sollen die schlimmsten Folgen des Klimawandels noch abgewendet werden. Bundesumweltminister Sigmar Gabriel
(SPD) sagte am Samstag im Konferenzort Nusa Dua, es sei «weit mehr erreicht worden, als angesichts der Interessenlagen
zu erwarten» gewesen sei. Allerdings sei nach harten Verhandlungen «aber auch weniger» herausgekommen, als sich die
EU und Deutschland gewünscht hätten.
Wichtig sei, dass es nun einen Verhandlungsauftrag für einen neuen Weltklimavertrag «mit deutlich stärkeren» Beiträgen
zum Klimaschutz aller Industrieländer einschließlich den USA gebe, betonte Gabriel. Ein Erfolg sei auch, dass erstmals die
Entwicklungsländer bei Klimaschutzmaßnahmen mit einbezogen seien. Für echte Fortschritte müsse der Klimaschutz auch
künftig ein Thema der Staats- und Regierungschefs sein, sagte der Minister.
An den auf Bali vereinbarten neuen Verhandlungen nehmen auch die USA teil, die das Kyoto-Protokoll zur Minderung der
Treibhausgase als einziges großes Industrieland verweigert haben. Das neue Abkommen soll Ende 2009 bei einer
Konferenz in Kopenhagen unterschriftsreif sein, und dann 2012 in Kraft treten, wenn das Kyoto-Protokoll in seiner jetzigen
Form ausläuft. Es hatte die Industriestaaten nur zu einer Minderung der Treibhausgase um durchschnittlich fünf Prozent bis
2012 im Vergleich zu 1990 verpflichtet. Der neue Vertrag soll nach dem Wunsch der Europäer - und auf Empfehlung des
Weltklimarats - eine Minderung um 25 bis 40 Prozent bis 2020 festschreiben.
Die Amerikaner wollten sich auf Bali nicht darauf einlassen, dieses Ziel schon explizit ins Verhandlungsmandat zu
schreiben. Deshalb enthält das Dokument jetzt lediglich eine Fußnote mit Bezug auf den Weltklimareport, in dem diese
Zahlen genannt sind. An der Konferenz hatten mehr als 11 000 Delegierte teilgenommen.
«Dies ist ein echter Durchbruch, eine Chance für die ganze internationale Gemeinschaft, den Klimawandel erfolgreich zu
bekämpfen», sagte der indonesische Umweltminister und Konferenzpräsident Rachmat Witoelar. «Vor uns liegt eine riesige
Aufgabe», sagte der Chef des UN-Klimasekretariats, Yvo de Boer. «Wir müssen uns beeilen, denn die Verhandlungsphase
ist kurz.»
Erstmals sollen in dem neuen Vertrag auch die Entwicklungsländer auf klare Maßnahmen zum Klimaschutz verpflichtet
werden. Dazu wird über den Vorschlag der Tropenwaldländer verhandelt, die für den Schutz dieser Wälder finanzielle
Anreize haben wollen. Die Tropenwälder speichern riesige Mengen Kohlenstoff. Durch rasche Zerstörung gehen jedes Jahr
Millionen Tonnen Kohlendioxid (CO2) in die Atmosphäre. Die Abholzung und Schädigung der Wälder verursacht bereits ein
Fünftel der weltweiten Treibhausgase.
Indien setzte durch, dass die Industrieländer stärker verpflichtet werden, an Entwicklungsländer saubere Technologien zu
liefern und es auch beim Finanztransfer und Hilfen beim Aufbau des Klimaschutzes deutliche Auflagen für die
Industrieländer gibt. Bei der Bali- Konferenz war deutlich geworden, dass viel zu wenig Geld zur Verfügung steht und auch
der Technologietransfer weit unter den Forderungen der Entwicklungsländer liegt.
Die Entwicklungsländer betonten immer wieder, dass die Industrieländer durch die Industrialisierung die Atmosphäre
verschmutzt hätten, und nun auch die Last für die Anpassung an die Folgen zu tragen hätten. Dem stimmte auch
Deutschland zu, das international insgesamt eine Milliarde Euro im Jahr für Klimaschutzmaßnahmen ausgibt.
Umweltorganisationen begrüßten die Weichenstellung von Bali, kritisierten aber einhellig eine zu geringe Substanz. «Wir
haben einiges gewonnen, aber längst nicht so viel, wie wir uns erhofft haben», sagte der Klima-Experte Christoph Bals von
Germanwatch. «Wir stehen nicht mit leeren Händen da, aber es es gibt noch viel Arbeit», sagte Regine Günther vom WWF
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Deutschland. Die Vereinbarungen enthielten nicht mehr die Ziele zur Verminderung von Treibhausgasen, die vom
Weltklimarat gefordert worden seien, erklärte Greenpeace.
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