Historisches Wörterbuch der Biologie - ReadingSample - Beck-Shop

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Neuerscheinungen J.B. Metzler
Historisches Wörterbuch der Biologie
Geschichte und Theorie der biologischen Grundbegriffe
Bearbeitet von
Toepfer, Georg Toepfer, Georg
1. Auflage 2011. Buch. C, 2404 S. Hardcover
ISBN 978 3 476 02316 2
Format (B x L): 17 x 24 cm
Gewicht: 5261 g
Weitere Fachgebiete > Chemie, Biowissenschaften, Agrarwissenschaften >
Biowissenschaften allgemein
Zu Inhaltsverzeichnis
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978-3-476-02316-2 Toepfer, Historisches Wörterbuch der Biologie/3 Bände
© 2011 Verlag J.B. Metzler (www.metzlerverlag.de)
Georg Toepfer
Historisches Wörterbuch
der Biologie
Geschichte und Theorie
der biologischen Grundbegriffe
Band 1:
Analogie – Ganzheit
Verlag J. B. Metzler
Stuttgart · Weimar
Analogie
1
Analogie
Der Ausdruck geht über das lateinische ›analogia‹
auf das griechische Wort ›ἀναλογία‹ »Verhältnis,
Ähnlichkeit« zurück.
Älterer, nicht-terminologischer Gebrauch
Das Wort findet sich schon bei antiken Autoren in
einer besonderen biologischen Bedeutung. So verwendet Aristoteles den Ausdruck für funktionale
Ähnlichkeiten bei Organismen, also Ähnlichkeiten
im Gebrauch von Organen: »Mit analog [ἀνάλογον]
meine ich, daß die einen eine Lunge haben, die anderen stattdessen etwas anderes, bzw. daß die einen
Blut, die anderen das dem Blut Analoge haben, was
dieselbe Funktion wie das Blut bei den Bluttieren
hat«.1 Für analog (»ἀνάλογον«) hält Aristoteles auch
die Wurzel der Pflanzen und den Mund der Tiere,
denn beide nehmen die Nahrung auf.2 Die Ähnlichkeit, die Aristoteles als ›analog‹ bezeichnet, grenzt er
klar von einer Ähnlichkeit der Form ab und bestimmt
sie auch als unabhängig davon: Analoge Körperteile
müssen sich also morphologisch nicht ähneln. Nicht
immer ist es aber die Funktionsähnlichkeit, in der
nach dem Wortgebrauch von Aristoteles eine Analogie von Teilen besteht. Auch das Verhältnis von funktional verschiedenen Teilen wie das der Schuppen
der Fische zu den Federn der Vögel bezeichnet Aristoteles als ›Analogie‹ (»ἀναλογία«).3 Als eine eigene Kategorie des Vergleichs ist die Ähnlichkeit »der
Analogie nach« (»κατʼ ἀναλογίαν«) bei Aristoteles
allein insofern bestimmt, als sie nicht eine Identität
(d.h. strukturelle Ähnlichkeit) von Teilen darstellt
und nicht auf der quantitativen Zu- oder Abnahme
eines Merkmals beruht, sondern das Verhältnis von
Teilen gleicher Lage bezeichnet, wie z.B. Knochen
und Gräten, Fingernägel und Hufe oder Hände und
Klauen.4
Die Einteilung von Lebewesen nach Analogien
in ihrem Bau ist insgesamt sehr alt. Sie findet sich
der Sache nach in allen antiken Texten (und auch der
Bibel), die die Tiere in Land-, Wasser- und Lufttiere
klassifizieren (↑Lebensform). Detailliertere Einteilungen auf dieser Basis werden seit dem 18. Jahrhundert entwickelt, so nimmt H.S. Reimarus eine
Klassifikation der Tiere nach ihren Weisen der Fortbewegung vor.5 Auch die Einteilung der Vegetation
durch A. von Humboldt am Ende des Jahrhunderts
enthält eine Klassifizierung der Vegetation nicht nach
Eine Analogie ist eine Ähnlichkeit der Funktion
von Teilen oder Prozessen von Organismen verschiedener Arten.
Analogie (Aristoteles 4. Jh. v. Chr.) 1
Anpassungsmerkmale (Blyth 1838) 5
Konvergenz (Watson 1860) 8
Parallelismus (Cope 1887) 9
Analogienlehre (Böker 1937) 6
Analogienbiologie (Koepcke 1952) 6
der Ähnlichkeit der Pflanze im anatomischen Feinbau ihrer Organe, sondern nach ihrer Gestalt und
↑Lebensform.6
Verwendungen im 18. und frühen 19. Jh.
Trotz des richtungsweisenden Wortgebrauchs bei
Aristoteles wird das Wort ›Analogie‹ bis zum Anfang
des 19. Jahrhunderts innerhalb der Biologie in nichtterminologischer Weise im Sinne von Ȁhnlichkeit,
Entsprechung« verwendet. Einige vereinzelte Nachweise:
P.L.M. Maupertuis ist 1751 der Auffassung, die
Ähnlichkeit (»analogie«) unter den Organismen erstrecke sich von den Tieren über die Zoophyten bis
zu den Pflanzen, ja selbst bis zu den Mineralien und
Metallen.7
An exponierter Stelle, nämlich im Titel eines Vortrags, den er vor der Malerakademie in Amsterdam
hält, verwendet P. Camper im Jahr 1778 den Ausdruck.8 Camper stellt darin die Entsprechung in den
Elementen des Skeletts verschiedener Wirbeltiere
dar und macht die Ähnlichkeit der morphologischen
Struktur zum Kriterium für das Vorliegen von Analogien.
J.F. Blumenbach bringt die Klassifikation nach
Analogien mit einer systematischen Einteilung von
Organismen nicht nach einzelnen Merkmalen, sondern nach dem gesamten äußeren Habitus in Verbindung und unterscheidet sie von einer Klassifikation nach den Verhältnissen der genealogischen
Verwandtschaft.9
Deutlich herausgearbeitet wird diese Unterscheidung aber nur von I. Kant und C. Girtanner (↑Art).
1796 differenziert Girtanner im Anschluss an Kant
und mit Blick auf eine Klassifikation der Organismen zwischen »Naturgeschichte« und »Naturbeschreibung«: Die Naturgeschichte lehre, »wie das
Urbild einer jeden Stammgattung von Thieren und
Pflanzen ursprünglich beschaffen gewesen sei, und
wie die Gattungen von ihrer Stammgattung allmählig abgeartet seien«.10 Girtanner schlägt vor, auch die
biologische Taxonomie auf der naturgeschichtlichgenealogischen Verwandtschaft zu begründen (↑Systematik). Die Naturbeschreibung sei dagegen allein
an der Ähnlichkeit der Organismen orientiert und
Analogie
vollziehe eine Einteilung der »organisirten Körper,
nach dem Linneischen Systeme, in Klassen, Ordnungen, Geschechter und Arten. Diese Eintheilung der
Schule, welche bloß für das Gedächtnis ist, bringt die
organischen Geschöpfe unter Titel, nach ihrer Ähnlichkeit, oder nach der Analogie«.11 Die Analogie ist
damit also bestimmt – wie in der späteren Bedeutung
– als eine Ähnlichkeit, die nicht auf genealogischer
Verwandtschaft beruht.
Die vergleichenden Anatomen des frühen 19. Jahrhunderts beziehen das Wort aber auch noch auf diejenigen morphologischen Ähnlichkeiten, die später
als ›Homologien‹ bezeichnet werden. Dies gilt etwa
für É. Geoffroy Saint-Hilaire, der eine Theorie der
Analogien (»théorie des analogues«) für die Methode des Vergleichs von Bauplänen formuliert.12 Im
Verhältnis zu ↑›Homologie‹ stellt das Konzept der
Analogie für Geoffroy die übergeordnete Kategorie
dar: Zwei Organe, die allein in ihrer topografischen
Lage im Körper einander ähneln, sind analog; wenn
sich die Ähnlichkeit aber auch auf die Entwicklung
bezieht, liegt eine besondere Form der Analogie vor,
die Geoffroy ›Homologie‹ nennt.13
Auch schon G. Cuvier ist die Unterscheidung von
zwei Formen der Ähnlichkeit von Organismen, einer
strukturell und einer funktional bedingten, offenbar
bewusst, denn er kann in der Auseinandersetzung mit
Geoffroy über die Einheit des ↑Typus aller Lebewesen ins Feld führen, dass die Ähnlichkeit z.B. der Organe der Fische mit denen anderer Klassen allein auf
den Ähnlichkeiten der Funktion, nicht aber auf den
für ihn entscheidenden Ähnlichkeiten der Struktur
beruht (»s’il y a des ressemblances entre les organes des poissons et ceux des autres classes, ce n’est
qu’autant qu’il y en a entre leurs fonctions«).14
Analogie und Affinität
Eine Differenzierung zwischen verschiedenen Formen der Ähnlichkeit unter Organismen wird zu Beginn des 19. Jahrhunderts von taxonomisch orientierten Biologen durchgeführt. Sie findet sich bereits bei
Lamarck, der als Gründe für den Bau einzelner Organe einerseits die Lebensweise der Tiere, andererseits
ihre innere Organisation angibt.15 Terminologisch
wird diese Unterscheidung durch die Worte Analogie und Affinität markiert. Vor dem 19. Jahrhundert
werden die beiden Ausdrücke meist unspezifisch und
äquivalent zur Bezeichnung von Ähnlichkeiten verwendet (für ›Affinität‹ vgl. z.B. Bauhin 162316 und
Linné 175117). Seit den späten 1810er Jahren wird
als ›Affinität‹ (engl. »affinity«) die Ähnlichkeit von
Organismen eines gemeinsamen Typus verstanden.
Die über Affinität verbundenen Organismen bilden
2
(nicht notwendigerweise zeitlich verstandene) »Serien« oder »Kreise«. Die Analogien stellen dagegen
die Ähnlichkeiten später Formen einer Serie dar, die
sich einander annähern. Analogien und Affinitäten
werden innerhalb verschiedener Organismengruppen
aufgestellt: W.S. MacLeay beschreibt sie zunächst für
Insekten18; 1823 definiert er eine Analogie allgemein
als eine Korrespondenz von Teilen verschiedener Organismen, die sich in ihrer generellen Struktur unterscheiden (»correspondence between certain parts of
the organization of two animals which differ in their
general structure«19). Während die Affinitäten auf inneren Ursachen beruhen sollen, seien die Analogien
Ausdruck äußerer Ursachen. Bereits in dieser Unterscheidung liegt eine Andeutung der späteren Differenzierung zwischen strukturellen und funktionellen
Ähnlichkeiten, insofern die inneren Ursachen den inneren anatomischen Bauplan betreffen, die äußeren
Ursachen aber auf die Anpassungen an eine jeweilige
Umwelt bezogen werden können.20
Später wird die Unterscheidung von Analogien und
Affinitäten auf Pilze21 und Vögel22 angewandt. Analogien werden dabei meist zwischen äußeren Teilen
der Organismen aufgestellt (»exterior forms«23 oder
»external characters«24) und auf weniger wichtige
(»less essential«25) Merkmale bezogen. Der genaue
Grund der Unterscheidung bleibt aber strittig. J.O.
Westwood hält die Gegenüberstellung für allein relativ in Bezug auf ein Vergleichsobjekt: Verglichen mit
Pflanzen sei die Ähnlichkeit zwischen Fledermäusen
und Libellen (in Bezug auf das Fliegen) eine Affinität; verglichen mit Vögeln (also anderen Wirbeltieren, d.h. eines Taxons, zu dem die Fledermäuse selbst
zählen), sei die Ähnlichkeit zwischen Fledermäusen
und Libellen aber nur eine Analogie.26
Eine für alles Spätere richtungsweisende Analyse
liefert H.E. Strickland 1840, indem er die Analogien eindeutig als Ähnlichkeiten, die auf Anpassungen
beruhen, beschreibt (»adaptation of organic beings to
their destined conditions of existence«).27 Eine Analogie ist danach eine Ähnlichkeit von Strukturen, die
der Erfüllung einer ähnlichen Funktion dienen (»destined to perform a similar function«).28 Analog zueinander sind nach Strickland z.B. die bootsähnlichen
Formen der im Wasser lebenden Organismen aus den
unterschiedlichsten Affinitätskreisen, z.B. Fische,
Wale, Tintenfische, Schwimmkäfer, Wasserwanzen
und auch die Boote des Menschen.
Analogie versus Homologie
Terminologische Eindeutigkeit erlangt der Begriff
der Analogie mit R. Owens Gegenüberstellung von
Analogie und ↑Homologie in den frühen 1840er Jah-
3
Analogie
ren. Owen definiert eine Analogie
Ursache der Ähnlichkeit
als eine funktionale Entsprechung
Entwicklung
Anpassung
von Teilen verschiedener OrganisEntwicklungszwang
Analogie
men (»analogue«: »a part or organ
nein
(ontogenetische
(Anpassung an anorganiin one animal which has the same Abhängigkeit
»constraints«)
sche Umweltfaktoren)
function as another part or organ in der Ähnlichkeit
von der Relati29
Homologie
Koadaptation
a different animal« ). In der Theo- on zu anderen
ja
(genealogische
(Anpassung an andere
rie Owens kann jeder Teil eines Or- Organismen
Verwandtschaft)
Organismen, z.B. Mimikry)
ganismus unter den zwei Aspekten
der Funktion und der Form betrach- Tab. 6. Kreuzklassifikation von Typen organischer Ähnlichkeit.
tet werden: Der funktionelle Aspekt
klärt die Frage der Anpassung eines
theorie: »The real affinities of all organic beings,
Teils; der Formaspekt gibt Aufschluss darüber, was
in contradistinction to their adaptive resemblances,
ein Teil seinem Wesen nach ist. Trotz seiner klaren
are due to inheritance or community of descent. The
Definition verwendet Owen den Begriff der Analogie
Natural System is a genealogical arrangement«.33
nicht immer in seiner terminologischen Bedeutung,
Wäre Selektion der entscheidende Mechanismus
sondern macht daneben auch einen nicht-technischen
zur Erklärung der organischen Ähnlichkeiten, dann
Gebrauch von ihm.
würde nicht die gemeinsame Abstammung, sondern
Eine Abwertung erfahren die analogen Ähnlichdie gleichgerichtete Anpassung die Ähnlichkeiten erkeiten im Zuge der Privilegierung der Homologien
klären und die Grundlage des »Natürlichen Systems«
durch die Evolutionstheorie. Denn die Feststellung
sein. Faktisch ist aber die Deszendenz zur Erklärung
von Analogien ermöglicht keine Rekonstruktion phyvon organischen Ähnlichkeiten das stärkere Prinzip,
logenetischer Verwandtschaften – Analogien können
weil Analogien zwar einige, aber nicht die meisten
die tatsächliche Verwandtschaft sogar im Gegenteil
Ähnlichkeiten erklären.
verdecken. In diesem Sinne betont C. Darwin, dass
Owen versteht die Begriffe der Homologie und
die eigentlichen und wesentlichen ÜbereinstimmunAnalogie noch so, dass sie sich nicht gegenseitig
gen zwischen Organismen auf gemeinsamer Abstamausschließen (»homologous parts may be, and often
mung beruhen, also Homologien darstellen: Die geare, also analogous parts in a fuller sense, viz., as
meinsame Abstammung (»community of descent«)
performing the same function«34). Diese Auffassung
liefere einen tieferen Grund für die Klassifikation als
die bloße Ähnlichkeit (»some deeper bond is inclufindet sich später auch bei Gegenbaur und Haeckel.35
ded in our classifications than mere resemblance«).30
Die Kiemen der Fische und Amphibien sind danach
Analogien können für Darwin dagegen im Hinblick
beispielsweise gleichzeitig einander homologe und
auf natürliche Klassifikationen täuschende Ähnlichanaloge Körperteile.
keiten sein (»analogy may be a deceitful guide«31).
Heute werden dagegen im Allgemeinen nur solche
Dass es neben der gemeinsamen Abstammung aber
Merkmale als ›analog‹ bezeichnet, die nicht homoauch noch eine andere Grundlage für organische
log zueinander sind.36 E. Jacobshagen definiert 1925:
Ähnlichkeit gibt, sieht auch Darwin. Er erklärt diese
»Organe übereinstimmenden oder ähnlichen Baues,
Ähnlichkeit als Ergebnis einer Selektion (Konverdie nicht denselben Bestandteil des Bauplanes vergenz, s.u.): »the acquirement through natural seleckörpern und somit, trotz ihrer Ähnlichkeit, einen
tion of parts or organs, strikingly like each other,
ganz verschiedenen morphologischen Wert besitzen,
independently of their direct inheritance from a comnennt man analog. Oder kürzer […]: Organe übermon progenitor«.32
einstimmenden oder ähnlichen Baues, welche nicht
Darwin erkennt klar, dass Homologie und Analohomolog sind, nennt man analog«.37 Analog sind also
gie zwei alternative Erklärungen für die Ähnlichkeit
z.B. die Kiemen der Fische und Muscheln, nicht aber
von Organismen sind. Beide sind mit zwei unterdie Kiemen der Fische und Amphibien. Die Konzepschiedlichen, ja diesbezüglich entgegengesetzten
te der Homologie und Analogie gelten als die GrundAspekten seiner Theorie verbunden: die Homologie
lage alternativer Erklärungen für die Ähnlichkeit von
mit der Deszendenztheorie, die Analogie mit der SeStrukturen oder Funktionen (↑Homologie).38
lektionstheorie. Die Abwertung der Analogie als eine
Außerdem werden heute meist nur solche Merkunzureichende Erklärung der »wirklichen Ähnlichmale als ›analog‹ bezeichnet, die nicht nur die gleikeiten« enthält damit gleichzeitig das Eingeständnis
che Funktion ausüben, sondern auch noch einander
der eingeschränkten Erklärungskraft der Selektionsstrukturell ähnlich sind – ebenfalls entgegen der
Analogie
4
Abb. 5. Divergenz und Konvergenz innerhalb der Gruppe der Wirbeltiere. In der oberen Reihe sind typische Vertreter aus sieben »Klassen« der Wirbeltiere dargestellt, in der unteren Reihe befinden sich Vertreter mit fischartiger Körpergestalt aus der
jeweils gleichen taxonomischen Gruppe. Es handelt sich der Reihe nach um folgende systematische Taxa: Säugetiere, Vögel,
Reptilien, Amphibien, Knochenfische, Knorpelfische und Kieferlose (die Vertreter der fischartigen Reptilien und Kieferlosen
in der unteren Reihe sind nur fossil bekannt) (aus Koepcke, H.-W. (1971-74). Die Lebensformen, 2 Bde.: I, 148; vgl. ders.
(1952). Formas de vida y comunidad vital en la naturaleza. Mar del Sur (Lima) 24, 39-66: 48).
ursprünglichen owenschen Definition und der verbreiteten Auffassung im 19. Jahrhundert, z.B. der
von E.R. Lankester aus dem Jahr 1870: »Any two
organs having the same function are analogous, whether closely resembling each other in their structure
and relation to other parts or not«.39 Meist wird der
Analogiebegriff aber enger gefasst, so dass allein
in ihrer Struktur sich ähnelnde Merkmale als ›analog‹ bezeichnet werden. Einige der Autoren, die den
Analogiebegriff auf bloße Funktionsähnlichkeit beschränken, nennen solche Merkmale, die sich darüber hinaus in ihrer Form ähneln, konvergent (s.u.).
Schließlich lassen einige Autoren den Aspekt der
Funktionsgleichheit in der Bestimmung des Analogiebegriffs ganz fallen und bestimmen Analogien
allein durch die Formähnlichkeit (wie dies bereits in
der obigen Definition von Jacobshagen der Fall ist).
So deutet der Botaniker W. Troll Ähnlichkeiten im
Bau von Blüten 1928 nicht als Ausdruck von Anpassungsähnlichkeiten, sondern als »Gestalttypen«
(↑Typus).40 Und der vergleichende Morphologe M.
Nowikoff sieht 1930 in einer Analogie »nicht bloß
eine zufällige Konvergenz zweier Organe, die in
gleiche Verhältnisse gelangt sind«, sondern hält sie
für einen »Ausdruck allgemeiner, in der lebenden
Natur liegender Gesetze der Formbildung«.41 Ob sich
solche biologischen Gesetze aber wirklich formulieren lassen, ist bis in die Gegenwart umstritten. Unabhängig davon hält aber auch M. Ghiselin 1997 daran
fest, Analogien als Formähnlichkeiten zu verstehen,
die keine gemeinsamen Funktionen haben müssen,
sondern allein dadurch spezifiziert sind, dass sie keine ↑Homologien sind: »although common function is
one cause of the similarity between the wholes, it is
not a defining property of the relation of analogy. It is
neither a necessary nor a sufficient condition for two
parts to be analogous«.42 Für Ghiselin sind Analogien also primär Strukturähnlichkeiten; die Bindung an
die Funktionsgleichheit hält er für nicht sinnvoll, weil
es höchst unterschiedlich geformte Merkmale geben
kann, die die gleiche Funktion wahrnehmen (z.B. das
Gift eines Pilzes und die Schale einer Muschel als
Schutz vor dem Gefressenwerden).
Das seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts
dominante Verständnis des Begriffs bestimmt Analogien als Funktionsähnlichkeiten von ähnlich gebauten
Organen, die nicht homolog zueinander sind.43 Unter
Beschränkung auf die beiden Dimensionen der Funktionsgleichheit und der Abstammungsidentität lässt
sich das Verhältnis von Analogie- und Homologiebegriff in einer einfachen Kreuztabelle wiedergeben
(Tab. 6).44 Der Verweis auf Analogie und Homologie
enthält also zwei unterschiedliche Formen der Erklärung der Ähnlichkeit von Organismen und ihren Teilen. Zwei weitere, davon unabhängige Erklärungen
werden durch Entwicklungszwänge und Koadaptationen gegeben: Ein Entwicklungszwang ergibt sich
aus dem inneren Bau eines Organismus; eine Koadaptation als eine Anpassung an andere Organismen.
Ähnlichkeit aufgrund des Prozesses der Koadaptation
ist allerdings ein nicht sehr häufiges Phänomen, ein
bekanntes Beispiel sind die Ähnlichkeiten zwischen
dem Bau von Blüten und den Mundwerkzeugen von
Insekten, die als gegenseitige Anpassungen an die
Blütenbestäubung bzw. Ernährung von Nektar entstanden sind. Eine besondere Form der Ähnlichkeit
als Ergebnis der Anpassung an andere Organismen
ist die ↑Mimikry. Sie ist vermittelt über einen dritten Organismus, der die Ähnlichkeit verursacht, z.B.
einen Räuber, der zwischen dem »Modell« und dem
»Imitator« des Mimikrysystems nicht zu diskriminieren vermag. Die Koadaptation besteht hier entweder
5
in einer beidseitig durch Selektion stabilisierten und
verstärkten Ähnlichkeit an den jeweils anderen Organismus (wenn die Ähnlichkeit für beide Partner von
Vorteil ist wie bei der Müllerschen Mimikry) oder in
einer nur einseitig durch Selektion verstärkten Ähnlichkeit, der von der anderen Seite durch Betonung
der Unterschiede entgegengewirkt wird (wie bei der
Batesschen Mimikry).
Verwandt mit der Unterscheidung von Analogie
und Homologie ist die Gegenüberstellung von Anpassungsmerkmalen und Organisationsmerkmalen
durch C. von Nägeli (1884). Anpassungsmerkmale
sind nach Nägeli »durch die äusseren Reizeinflüsse
hervorgerufen« und weisen eine »geringere Permanenz« auf als die Organisationsmerkmale, die durch
eine »selbständige Umbildung des Idioplasmas bedingt« seien und sich »den äusseren Verhältnissen
gegenüber gleichgültig verhalten«. Nägeli bezeichnet die Organisationsmerkmale daher auch als »rein
morphologisch«, die Anpassungsmerkmale dagegen
als »nützlich« (↑Homologie).45 Bereits vor der einflussreichen terminologischen Unterscheidung durch
Nägeli ist der Begriff ›Anpassungsmerkmale‹ in
ähnlicher Bedeutung und Abgrenzung in Gebrauch
(Dub 1870: »Der grosse Unterschied im Werthe
zwischen wahren Verwandtschafts- und analogen
oder Anpassungsmerkmalen«46; Seidlitz 1876: »[Bei
den Schwämmen wurden] viele individuelle Anpassungsmerkmale zur Aufstellung von Gattungen
benutzt […], indem man sie irrthümlich für Ausrüstungsmerkmale gehalten hatte«47).
Im Englischen erscheint ein sprachliches Äquivalent zu ›Anpassungsmerkmale‹ bereits gut zwanzig
Jahre vor Darwins Veröffentlichung seiner Evolutionstheorie. E. Blyth verwendet es in verschiedenen
Publikationen aus den 1830er Jahren. Er grenzt das
Konzept dabei bereits von »intrinsischen« (physiologischen) Merkmalen ab und bezieht es auf solche,
in einer Verwandtschaftsgruppe variablen48 Eigenschaften, die sich aus der besonderen Lebensweise
eines Organismus oder seiner Anpassung an besondere Bedingungen des Lebensraums ergeben (1838:
»It was the especial province of the zoologist to distinguish, in every instance, the intrinsical from the
simply adaptive characters of animals; to disentangle
and discriminate affinity from analogy«49; »in adaptive characters, rather than intrinsical physiological
agreement«50; »the secondary or adaptive characters
(which have reference to habit)«51; 1839: »adaptive
characters which have reference to a special mode
of life«52).
Analogie
Bauplan und Funktionsplan
Die in den Analogien identifizierten Funktionsgleichheiten von Körperteilen können in einem eigenen System der organischen Leistungen beschrieben
werden. Dieser Ansatz stellt neben den morphologisch-genealogisch begründeten Bauplan von Organismen einen »Funktionsplan«53 (von Uexküll 1928)
oder »Leistungsplan«54 (Ungerer 1942) (↑Typus).
Der Funktionsplan betrifft nicht die relative Lage
der Körperteile zueinander, sondern die als Anpassungen an die jeweiligen Leistungen entstandenen
Merkmale und Merkmalssyndrome. Weil der Funktionsplan vielfach die Relation des Organismus zu
seiner Umwelt betrifft, sind es vor allem die äußeren
Körperteile und die Gestalt des Organismus, die von
einer Änderung des Funktionsplans betroffen sind.
Delphine und Fische weisen z.B. einen grundlegend
anderen Bauplan auf, sie verfügen aber über einen
in vielem ähnlichen Funktionsplan (aufgrund gleichgerichteter Anpassungen an das Schwimmen im
Wasser); Delphine und Fledermäuse haben dagegen
einen grundlegend verschiedenen Funktionsplan, ihr
Bauplan ist aber sehr ähnlich (aufgrund der gemeinsamen Zugehörigkeit zu der Verwandtschaftsgruppe
der Säugetiere).
Analogie und Taxonomie
Nicht in allen Kontexten ist die Privilegierung der
Klassifikation aufgrund der Homologien (Bauplan)
gegenüber den Analogien (Funktionsplan) gerechtfertigt (»Wird der Wal als Fisch bezeichnet, so ist
das in anatomischer, nicht aber in morphologischer
Hinsicht zu beanstanden. Ob wir ein Objekt nach
der Form oder dem Inhalt benennen, bleibt eine Frage der Vereinbarung«55). Der wesentliche Vorzug
der Klassifikation aufgrund der Homologien liegt
in seiner Eindeutigkeit: Unter Voraussetzung eines
Stammbaums der Organismen führt eine Taxonomie
auf der Grundlage der Verwandtschaft zu einem im
Prinzip eindeutigen (wenn auch nicht immer leicht
zu ermittelnden) Ergebnis; bei den Klassifikationen
nach Analogien im Sinne von Funktionsähnlichkeiten können dagegen viele nebeneinander bestehen.
Eine Typologie nach Lebensweisen und Funktionsplan liefert zwar oft eher als eine Verwandtschaftstypologie eine Klassifikation der Lebewesen nach
ihren (äußeren) Ähnlichkeiten; dennoch müssen
Übereinstimmungen in der Lebensweise nicht immer
zu Ähnlichkeiten zwischen Organismen führen. Es
können die Anforderungen eines Lebensraumes im
Gegenteil zu sehr unterschiedlichen Lösungen seitens des Organismus führen, d.h. zu Merkmalen, die
als verschiedene Anpassungen an den Lebensraum
Analogie
zu deuten sind. Beispielsweise kann die einheitliche Lebensweise von Organismen, die im Wasser
schweben (also von Plankton), zu sehr unterschiedlichen Formen von Schwebe-Anpassungen führen, die
nicht in ihrer Gestalt, sondern allein in ihrem Effekt
übereinstimmen, ein Herabsinken zu vermindern –
so etwa die Ausbildung von Schwebefortsätzen, die
Einlagerung von leichten Stoffen (Schwimmblase)
oder die Bildung einer Körpergestalt in Blasen-,
Scheiben- oder Stabform56.
Bauplan und Evolution
Die Möglichkeit der Unterscheidung von Analogie
und Homologie erfährt im Rahmen der Annahme
einer Phylogenese eine einleuchtende Interpretation. Darüber hinaus ist die Verschiedenheit des inneren Bauplans von Organismen, die sehr ähnliche
Lebensweisen haben, aber nicht näher miteinander
verwandt sind, vielfach als ein Beleg für die Evolutionstheorie interpretiert worden.57 Angesprochen
sind damit die »Dysteleologien«, also Eigenheiten
eines Organismus, die offenbar für seine Lebensweise nicht zweckmäßig sind, die aus der stammesgeschichtlichen Entwicklung des Organismus heraus
aber verständlich werden. Wären die Organismen für
ihre spezielle Lebensweise entworfen, dann würden
viele ihrer merkwürdigen Parallelen zu anderen Organismen keine Erklärung finden können: »Nur aus
der Sinnlosigkeit der Vogelmaskerade des Pinguins,
aus der Zwecklosigkeit dieser Übereinstimmung
mit fliegenden Tieren wird auf seine Abstammung
von Organismen geschlossen, bei denen diese Eigenschaften zweckmäßig waren«.58 Nur seine Vergangenheit als fliegender Vogel erkläre viele der für
seinen hauptsächlichen Aufenthalt unter Wasser unzweckmäßigen Eigenarten, wie die Notwendigkeit,
an der Luft zu atmen oder seine Eier auf dem Trockenen abzulegen.
»Analogienbiologie«
Paradigmatisch können alle biologischen Disziplinen, die nicht phylogenetisch orientiert sind, sondern
funktionale Analogien untersuchen, zu einer Analogienbiologie zusammengefasst werden. H. Böker
stellt 1937 ausgehend von seinen Untersuchungen
zu einer vergleichenden Anatomie der Wirbeltiere
eine Homologienlehre als »genetische Anatomie«
einer Analogienlehre als »funktioneller Anatomie«
gegenüber.59 Während Böker zu der Homologienlehre die Typologie (Taxonomie), Genetik und Deszendenzlehre rechnet, besteht die Analogienlehre bei
ihm aus den Disziplinen Physiologie, Ethologie und
Ökologie. Darauf aufbauend führt Koepcke 1952 die
6
Bezeichnung Analogienbiologie ein.60 Er hebt sie
von der an der Evolution orientierten dominanten
Strömung in der Biologie, der Homologienbiologie
(↑Homologie), ab. Später entwirft Koepcke eine solche Richtung als eine »Disziplin der Biologie [...] in
der das Prinzip der Analogie eine ähnliche zentral
beherrschende Initialstellung einnimmt, oder doch
ihrem Wesen nach einnehmen sollte, wie das Prinzip
der Homologie in den mehr historisch orientierten
Teilgebieten der Biologie«.61 Mit einer Analogienbiologie ist der Anspruch verbunden, nicht allein
einen empirischen Nachvollzug der phylogenetisch
gewordenen Organismenformen zu leisten, sondern
eine von der Phylogenese unabhängige Systematik
der ↑Lebensformen und der Physiologie zu entwickeln. Auch entwicklungsbiologische Bemühungen
zur Aufstellung allgemeiner »Gesetze der Form«, die
unabhängig von kontingenten phylogenetischen Verläufen gültig sind, können dem Paradigma der Analogienbiologie untergeordnet werden, einem Credo
B. Goodwins folgend: »evolutionary trees […] are
largely irrelevant to an understanding of organisms
as transformational structures. […] Historical reconstruction cannot solve any problems about the nature
of the entities with which biology is faced and the
organisational principles which are embodied in organisms«.62
Analogien als Evolutionstrends
Als Teil einer Analogienbiologie lassen sich einige
allgemeine Trends im Zusammenhang von Funktionsplan und Morphologie formulieren, die analoge
Organe in phylogenetisch weit voneinander entfernten Organismen identifizieren. Der auffälligste Zusammenhang besteht hinsichtlich der verschiedenen
Arten der Fortbewegung der Lebewesen. Sich auf der
Grenzfläche von Land und Luft bewegende Organismen verfügen in der Regel über Beine; in der Luft
fliegende Organismen haben dagegen vielfach Flügel. Eine oft bis ins Detail übereinstimmende Körperform kennzeichnet solche Organismen, die sich unter
Wasser durch einen pendelartig bewegten Körperteil (Flossen) am hinteren Körperende fortbewegen
(»Wrickschwimmer«63). Die typische Spindelform
dieser Organismen ist mehrfach und unabhängig
voneinander in verschiedenen Verwandtschaftsgruppen, v.a. bei den Wirbeltieren (hier bei den Fischen,
Amphibien, Reptilien, Vögeln und Säugetieren), ausgebildet worden (vgl. Abb. 5).
Neben diesen allgemein bekannten und damit fast
selbstverständlichen Parallelen von Morphologie und
Lebensform lassen sich auch andere, überraschendere und z.T. spekulative Zusammenhänge herstellen.
7
Dies gilt z.B. für die Verbreitung von bunten Farben
bei Tieren und Pflanzen. Farben können als auffällige
Signale zur innerartlichen ↑Kommunikation verwendet werden. Auffällige Signale haben aber den Nachteil, dass sie nicht nur den Adressaten der Signale,
sondern auch Feinde auf einen Organismus aufmerksam machen. Als Evolutionstrend ist daher zu erwarten, dass solche Organismen am auffälligsten gefärbt
sind, bei denen aufgrund ihrer Lebensweise die Farben am wenigsten von Feinden wahrgenommen werden können. Weil Farben vor allem vor einem hellen
und strahlenden Hintergrund wenig in Erscheinung
treten, sind sie bei solchen Lebewesen am unscheinbarsten, die aus der Perspektive des Räubers sich
häufig vor dem Hintergrund des Himmels bewegen,
die sich also bevorzugt im dreidimensionalen Raum
des Wassers oder des Geästes eines Baumes aufhalten. In der Tat sind Organismen mit einer solchen Lebensweise (z.B. viele Fische, Vögel und Insekten) oft
dadurch gekennzeichnet, dass sie bunt und auffällig
gefärbt sind. Im Gegensatz dazu sind Organismen,
die sich auf der Erdoberfläche bewegen, aus Schutz
vor Fressfeinden meist nicht auffällig bunt gefärbt,
sondern durch Tarnfarben ihrer Umgebung angepasst
(z.B. die meisten nicht fliegenden Gliedertiere, Amphibien, Reptilien und Säugetiere). In den extremen
Fällen von Organismen, bei denen sich fast das gesamte Leben in der Luft abspielt, z.B. bei den Seglern, sind bunte Farben dagegen wieder selten, weil
Analogie
in diesen Fällen auch für die Artgenossen eine Wahrnehmung von Farben vor dem hellen Hintergrund
des Himmels kaum möglich ist. In der Folge der als
Kommunikationsform wichtigen bunten Farben einiger Organismen können auch andere Organismen
farbige Strukturen ausbilden, wenn sie mit ersteren
in ökologischen Beziehungen stehen. So kann die
Farbigkeit der Blüten vieler Pflanzen letztlich daraus
erklärt werden, dass sie funktional auf Organismen
bezogen sind, die sich fliegend fortbewegen (die Insekten und Vögel als Bestäuber).
Analogien und Gesetze der Biologie
Analogien sind allgemeine Charakteristika von Lebewesen, die als Anpassungen an bestimmte Funktionen entstanden und definitionsgemäß nicht an
einzelne taxonomische Gruppen gebunden sind.
Feststellungen von formähnlichen Analogien können
damit als die aufschlussreichsten Verallgemeinerungen der Biologie gelten. Einige Autoren, wie M.T.
Ghiselin argumentieren sogar, dass über Analogien
die einzigen Gesetze der Biologie formuliert werden
können, weil die anderen biologischen Verallgemeinerungseinheiten, die ↑Homologien, sich definitionsgemäß auf monophyletische Gruppen beziehen,
die seiner Auffassung nach Individuen sind (↑Art),
für die keine Verallgemeinerungen im Sinne von
Gesetzen formulierbar sind. Analogien hält Ghiselin
dagegen für Klassen von Gegenständen, die durch
Abb. 6. Augentypen bei Tieren, angeordnet in parallel verlaufenden Reihen zunehmender Komplexität in verschiedenen
Stämmen wirbelloser Tiere, ausgehend von Gruppen lichtempfindlicher Zellen (I), über Becheraugen (II) zu Linsenaugen
(III) (aus Nowikoff, M. (1930). Das Prinzip der Analogie und die vergleichende Anatomie: 103).
Analogie
allgemeine Naturgesetze bestimmt sind. So gebe es
z.B. allgemeine Gesetze der Aerodynamik, die bestimmen, welche Formen dafür geeignet sind, als ein
Flügel zu fungieren.64 Allerdings wird gegen diese
Sicht eingewendet, dass Analogien häufig strukturell
sehr divers sind, weil ein Funktionsproblem auf sehr
verschiedenen strukturellen Wegen gelöst werden
kann. Die unterschiedlichen von der Evolution hervorgebrachten Flügel haben daher trotz ihrer funktionalen Einheitlichkeit strukturell doch nur wenig
miteinander gemeinsam.65
Dass Analogien ein so verbreitetes biologisches
Phänomen sind und der Begriff damit so grundlegend ist, kann auch aus Sicht des Selektionsprozesses gedeutet werden: In der Selektion sind es die
Effekte, die für den Erfolg einer Struktur ausschlaggebend sind. Die Selektion ist damit in gewisser
Weise »blind« für Strukturen, wie A. Rosenberg es
formuliert: In der Selektion wird nicht unterschieden
zwischen verschiedenen Strukturen mit gleichen Effekten.66 Es sind die Effekte einer Struktur, auf die
es für den Organismus und seinen Erfolg ankommt;
daher können sehr unterschiedliche Strukturen für
den gleichen Effekt selektiert werden und sind dann
als Analogien anzusehen. Die Blindheit der Selektion für Strukturen kann damit als ein Grund für die
Vielfalt der Formen in der Biologie – bei einem doch
begrenzten Inventar an Funktionen – verstanden werden (↑Diversität).
Konvergenz
Ein älterer Begriff der Konvergenz entwickelt sich in
der Biologie vereinzelt im Zusammenhang mit frühen Stammbaumdarstellungen. So spricht L. Agassiz
1833 von einer »Konvergenz« der Abstammungslinien bei Fischen (»la convergeance de toutes ces lignes
verticales indique l’affinité des familles avec la souche principale de chaque ordre«).67 Dieses Konzept
der Konvergenz nimmt eine in die Vergangenheit orientierte Perspektive ein, insofern es auf den gemeinsamen Ursprung von taxonomischen Gruppen zielt.
Das seit Darwin verbreitete Konvergenzkonzept geht
dagegen von einer zukunftsbezogenen Perspektive
aus, indem es auf die – als gleichgerichtete Anpassungen interpretierte – Annäherung von Organismen
verschiedener Gruppen im Hinblick auf ihre Formen
zielt.
Der Botaniker H.C. Watson kritisiert in einem
Brief an C. Darwin vom Januar 1860, dass dieser
in seinem ›Origin of Species‹ allein von der Divergenz (↑Phylogenese), nicht aber der Konvergenz von
Merkmalen spricht. Watson versteht den Begriff phy-
8
logenetisch zunächst in einer rückwärtsgerichteten
Sicht (also im Sinne von Agassiz) als Rückführung
von verschiedenen Arten auf einen gemeinsamen
Vorgänger (»convergence ancestrally backwards«);
daneben verwendet er den Ausdruck aber auch für
eine vorwärtsgerichtete parallele Bildung ähnlicher
Strukturen (»convergence onwards from that prototype«).68 Darwin geht nach dieser Kritik in späteren
Auflagen (ab 1861) auch auf eine mögliche Konvergenz ein.69 Er versteht den Begriff als Übereinstimmung zwischen ursprünglich genetisch getrennten
Organismen in inneren Organisationsmerkmalen, die
er für kaum möglich hält: »It is incredible that the
descendants of two organisms, which had originally
differed in a marked manner, should ever afterwards
converge so closely as to lead to a near approach to
identity throughout their whole organisation«.70
Das später als ›Konvergenz‹ bezeichnete Phänomen, die Übereinstimmung von Organismen gleicher
Lebensformen in ihren äußeren Formen, beschreibt
Darwin allerdings auch schon in der ersten Auflage
seines Hauptwerks: »animals, belonging to two most
distinct lines of descent, may readily become adapted
to similar conditions, and thus assume a close external resemblance«.71 ›Konvergent‹ können im Anschluss daran organische Strukturen genannt werden,
die zwar nicht auf die Struktur eines gemeinsamen
Vorfahren zurückgehen, jedoch einander ähnlich sind
und als Reaktion auf ähnliche Umweltbedingungen
entstanden sind.
Darwin verweist in seiner späteren Verwendung
des Begriffs auch auf C. Vogt, der in seiner Beschreibung des Stammbaums der Primaten neben dem anfänglichen Auseinanderstreben der Äste eine spätere
Wiederannäherung beschreibt (»die Vervollkommnung biegt die Zweige mit ihren Spitzen wieder gegeneinander«).72 Der Ausdruck wird am Ende des
Jahrhunderts vornehmlich von deutschsprachigen
Biologen verwendet (»the ›convergenz‹ of German
writers«).73
Konvergenz und Analogie
Die Begriffe ›Analogie‹ und ›Konvergenz‹ werden
heute nicht selten synonym verwendet.74 Wenn sie
unterschieden werden, dann meist danach, ob eine
Formähnlichkeit zwischen den miteinander verglichenen Einrichtungen vorliegt oder nicht. Eine Konvergenz wird dann verstanden als eine Analogie von
Organen, die einander in ihrem Bau ähneln. In diesem
Sinne bestimmt H. Wurmbach 1957 die Konvergenz
als die »Erscheinung, daß unabhängig voneinander
in der Stammesgeschichte ähnliche Formen entstehen«.75 Bei einer Analogie muss eine morphologi-
9
sche Ähnlichkeit dagegen nicht vorliegen. Analog im
Hinblick auf die Funktion der Lokomotion sind z.B.
die Flügel der Insekten und die Beine der Säugetiere. Konvergent sind dagegen die Insektenflügel und
Vogelflügel, weil sie sich nicht nur in ihrer Funktion,
sondern auch äußerlich in ihrem Bau ähneln, ohne
aber auf eine Bildung eines gemeinsamen Vorfahren
zurückzugehen. Ein anderes Kriterium der Unterscheidung geht davon aus, dass in der Konvergenz
»Ähnlichkeiten von ganz verschiedenen Grundorganen aus aufeinander zustrebend erreicht« werden76;
bei der Analogie – und v.a. bei dem Parallelismus
(s.u.) – aber ähnliche Vorläuferstrukturen vorgelegen haben. Eine andere, eigenwillige Grundlage der
Unterscheidung gibt J.-W. Wägele 2001. Danach ist
eine Konvergenz eine »nicht homologe Ähnlichkeit,
die durch Anpassung an dieselben Umweltbedingungen evolviert ist«, eine Analogie dagegen eine »nicht
homologe Ähnlichkeit, die durch Zufall evolviert
ist«.77
In den letzten Jahren wird deutlich, dass viele als
konvergent angesehene Erscheinungen auf genetischer Ebene auf konservierten gemeinsamen genetischen Grundlagen beruhen (z.B. beim Auge in verschiedenen Tierstämmen).78 Einige Konvergenzen
haben also zumindest eine Komponente, die auf einer Homologie im Sinne gemeinsamer Abstammung
beruht.
Parallelismus
Der Ausdruck ›Parallelismus‹ wird im evolutionsbiologischen Zusammenhang bereits von Darwin
verwendet. Er bezeichnet damit die Ähnlichkeit von
Formen in geografisch weit auseinander liegenden
Regionen (»parallelism in the forms of life«).79 Später im 19. Jahrhundert erscheint das Wort in verschiedenen Kontexten. Bei dem Evolutionsbiologen E.D.
Cope bezieht sich die vorherrschende Bedeutung auf
die Theorie der Rekapitulation der Phylogenie in der
Ontogenie (»the parallelism between taxonomy, ontogeny, and phylogeny«80); nur vereinzelt steht der
Ausdruck bei Cope für das später damit Bezeichnete,
nämlich die Ausbildung von ähnlichen Strukturen in
verschiedenen Verwandtschaftslinien.81 Allerdings
beschreibt Cope dieses Phänomen durchaus in einigen Passagen: »identical modifications of structure,
constituting evolution of types, have supervened on
distinct lines of descent«82 – er verwendet nur den
späteren Ausdruck dafür nicht.
Die später verbreitete Bedeutung wird 1891 von
W.B. Scott in den Vordergrund gestellt. Scott versteht
unter ›Parallelismus‹ das Phänomen, dass verschie-
Analogie
dene Arten einer Gattung unabhängig voneinander
ein Merkmal ausbilden (»the various species of the
ancestral genus may acquire the new character independently of each other (parallelism)«). Er grenzt
dies von der Konvergenz (s.o.) ab, bei der das ähnliche Merkmal von den Mitgliedern nur wenig miteinander verwandter Arten ausgebildet wird (»the species of widely different genera may gradually assume
a common likeness (convergence)«).83
Diese Gegenüberstellung von Konvergenz und
Parallelismus wird 1905 von H.F. Osborn weiter
präzisiert: Er unterscheidet zwischen Parallelismus
als Ergebnis analoger Adaptationen (»analogous
adaptations«), d.h. ähnlichen Merkmalen, die unabhängig voneinander in ähnlichen oder verwandten
Organismen erscheinen (»similar characters arising
independently in similar or related animals or organs,
causing a similar evolution, and resulting in parallelisms«) und Konvergenz als Ergebnis von ähnlichen
Anpassungen unähnlicher oder nicht miteinander
verwandter Organismen (»similar adaptations arising independently in dissimlar or unrelated animals
or organs, causing a secondary similarity or approximation of type, resulting in convergence«).84
Die Begriffe werden in der Folgezeit allerdings
nicht immer in diesem Sinne verwendet: So kann für
O. Abel ein Parallelismus auch zwischen »verschiedenen, nicht näher verwandten Arten« vorliegen85;
und nach E. Dacqué kann umgekehrt eine Konvergenz auch bei nahe verwandten Arten vorkommen86.
Die ältere Differenzierung bleibt aber doch immer
noch präsent und wird auf verschiedene Weise zum
Ausdruck gebracht. So bestimmt O. Schindewolf
1940 Konvergenzen als »Formähnlichkeiten [...],
die auf verschiedener Organisationsgrundlage erwachsen«87 oder genauer als »gestaltliche Annäherungen zwischen den Angehörigen verschiedener
Stämme«88. ›Konvergenz‹ ist für Schindewolf ein
wesentlich phylogenetischer Begriff, der sich nicht
allein auf äußere Ähnlichkeit, sondern auf eine bestimmte Form der Geschichte bezieht: »›gegeneinander geneigte‹ Entwicklungsrichtungen aus verschiedenen Tier- und Pflanzenstämmen«.89 Parallelismus
wird demgegenüber bestimmt als Ähnlichkeit, die
zwischen genetisch enger verwandten Organismen
besteht. Sie ähnelt also stärker der Homologie (im
Sinne der Homogenie); unterschieden wird sie von
dieser, insofern der »morphologische Ausdruck« der
Ähnlichkeit erst nach der Trennung der Stammeslinien erscheint: »parallelism would be similarity in
structure due to common genetic basis (and so far
resembling homology) but not reaching morphological expression until after the separation of the two or
Georg Toepfer
Historisches Wörterbuch
der Biologie
Geschichte und Theorie
der biologischen Grundbegriffe
Band 2:
Gefühl – Organismus
Verlag J. B. Metzler
Stuttgart · Weimar
Gefühl
1
Gefühl
Das seit dem 17. Jahrhundert gebräuchliche Substantiv ›Gefühl‹ ist abgeleitet von dem Verb ›fühlen‹
(mhd. ›vüelen‹, ahd. ›fuolen‹), das zunächst allein
»tasten« bedeutet und seit dem 18. Jahrhundert auch
auf seelische Empfindungen übertragen wird.
Emotion
Das im Englischen und den romanischen Sprachen
verbreitete Wort ›emotion‹ wird als Entlehnung aus
dem Französischen seit dem frühen 17. Jahrhundert
auch im Deutschen verwendet. Es ist abgeleitet von
dem lateinischen Verb ›emovere‹ »herausbewegen,
emporwühlen«, das wiederum von ›movere‹ »bewegen« abstammt.
Erst seit Beginn des 19. Jahrhunderts etabliert sich
die psychologische Bedeutung als semantischer Kern
des Begriffs (Miller 1808: »emotion, and passions of
the mind«1). Einflussreich für die Verbreitung ist die
systematische Verwendung des Begriffs an Stelle
von ›passion‹ und ›affection‹ in den 1820 gedruckten Vorlesungen T. Browns. Darin definiert Brown
Emotionen als lebhafte Gefühle, die sich aus der Vorstellung gegenwärtiger oder erinnerter Gegenstände
ergeben (»vivid feelings, arising immediately from
the consideration of objects, perceived, or remembered, or imagined, or from other prior emotions«).2 Er
bestimmt die Emotionen als dritte mentale Kategorie
neben den intellektuellen Zuständen und den sich aus
sinnlicher Wahrnehmung äußerer Objekte unmittelbar ergebenden Empfindungen (»[Emotions] form
truly a separate order of the internal affections of the
mind, – as distinct from the intellectual phenomena,
as the class, to which they both belong, is distinguishable from the class of external affections, that arise
immediately from the presence of objects without«).3
Der Ausdruck bezieht sich also auf Bewegungen des
Gemüts; er wird meist für den äußerlich wahrnehmbaren Aspekt im Gegensatz zu dem Gefühl als subjektiver Empfindungsqualität verwendet.
Den Status eines Terminus der Psychologie erlangt
›Emotion‹ erst am Ende des 19. Jahrhunderts, u.a.
unter dem Einfluss von W. James Aufsatz ›What is
an emotion?‹ (1884).4
Antike: Lust und Unlust
Ein allgemeiner Terminus für den Begriff des Gefühls ist in der Antike nicht vorhanden. Der Ausdruck
Ein Gefühl ist ein individuelles (subjektives) Erleben
von bestimmter Qualität, dem ein körperlicher (neuronaler) Zustand entspricht und das eine Disposition für
ein bestimmtes Verhalten einschließt.
Gefühl (17. Jh.) 1
Selbstgefühl (Basedow 1764) 10
Stimmung (Lorenz 1931) 9
Stimmungsübertragung (Lorenz 1935) 10
limbisches System (MacLean 1952) 10
für »Leidenschaft« (griech. ›παθος‹; lat. ›passio‹)
entspricht am meisten dem neuzeitlichen Begriff
des Gefühls. Betont wird mit diesem Wort der Unterschied zwischen dem aktiven Tun und dem passiven Erleiden einer Sache. Einer verbreiteten antiken
Anschauung gemäß sind die Gefühle eine Art Macht,
in deren Einflussbereich ein Lebewesen geraten
kann oder zu der es hinzutritt. H. Schmitz beschreibt
1989 die Gefühle in diesem Sinne als »teils weite,
aber richtungslose« oder »teils gerichtete, aber gegenstandslose […] Atmosphären, die den Menschen
leiblich ergreifen, ihn passivieren, ev. besessen machen«.5
Nach Platon ist die Leidenschaft mit Lust oder
Schmerz verbunden.6 Er bringt diese beiden Aspekte mit dem Verlassen eines natürlichen Zustandes (Schmerz) bzw. der Wiederherstellung dieses
Zustandes (Lust) in Zusammenhang7 und illustriert
dies durch die Gefühle bei der Abwesenheit bzw.
Erfüllung der körperlichen Grundbedürfnisse nach
Nahrung (Hunger), Flüssigkeit (Durst) und Wärme
(Frieren). Neben den auf einen gegenwärtigen Empfindungszustand bezogenen Gefühlen der Lust und
des Schmerzes stellt Platon die auf einen zukünftigen
Zustand bezogenen Gefühle der »Furcht« und »Zuversicht« (zusammen die »Erwartung«)8, so dass sich
insgesamt ein Viererschema der emotionalen Grundeinstellungen ergibt, das insbesondere von der Stoa
aufgegriffen wird (der »Tetrachord« der »vier Hauptaffekte«)9 (vgl. Tab. 100). Platon formuliert auch
bereits das Programm einer näheren Bestimmung
und Klassifikation der Gefühle.10 Er führt dieses Programm aber selbst nicht aus, wohl u.a. deshalb nicht,
weil er den Gefühlen einen nur untergeordneten Status zuschreibt: Selbst die Lust sei nicht »das Gute«11,
und die Gefühle würden den Menschen insgesamt
in eine der Vernunft entgegengesetzte Richtung ziehen12. Es stimmt mit dieser Einordnung der Gefühle
zusammen, dass Platon sie nicht als geistige Prozesse
versteht, sondern sie aus physiologischen Prozessen
erklärt: Im ›Timaios‹ deutet er sie als Bewegungen
der Säfte im Körper.13
Eine ausführliche Thematisierung erfahren die
Gefühle des Menschen auch bei Aristoteles. Er führt
sie ein, nicht indem er eine allgemeine Definition
liefert, sondern indem er Listen derjenigen Empfindungen gibt, die mit Lust und Schmerz verbunden
Gefühl
2
der Begierde, 25 Arten des Schmerzes und fünf Arten
der Lust).18
Nach verbreiteter antiker Auffassung bildet die Pogegenwärtig
zukünftig
larität von zwei Prinzipien, die Liebe und Hass oder
Lust
Begierde
Lust und Unlust genannt werden, den Grund für die
evaluative positiv
Dimension negativ
Bewegung der Dinge und Lebewesen (so schon EmSchmerz
Furcht
pedokles19). Die Gefühle erscheinen also als motivierende Gründe des Handelns. Auch als Maßstab für
Tab. 100. Kreuzklassifikation der obersten Gattungen von
das Zuträgliche und Schädliche werden sie verstanEmotionen nach ihrem evaluativen und temporalen Aspekt.
den.20 Die Gefühle gelten dabei häufig als etwas den
Das Grundmuster dieser Einteilung geht auf Platon zurück
(Nomoi 644c-d); aufgegriffen wird es als »Tetrachord«
Tieren und Menschen Gemeinsames: In seinen ele(Ariston) der »vier Hauptaffekte« besonders in der Stoa.
mentaren Gefühlen des Genusses bei der Ausführung
der lebensdienlichen Funktionen des Essens, Trinsind (vgl. Tab. 101).14 Die leidenschaftlichen Gefühkens, Schlafens und Sich-Fortpflanzens unterscheide
le des Menschen gehören nach Aristoteles zwar dem
sich der Mensch nicht von den Tieren, heißt es bei
nicht vernünftigen Teil der Seele an, sie sind aber
Xenophon.21 Platon bestimmt die Lust als die Kompensation eines Mangelzustandes des Körpers; so sei
trotzdem der Vernunft zugänglich und können durch
der Hunger Anzeichen für die Leere des Magens und
diese verändert werden15 – eine in der Antike verdas Aufnehmen der Nahrung sei mit Lust verbunden,
breitete Auffassung, die u.a. auch Epikur teilt16. Im
weil dadurch der Körper wieder in seinen natürlistoischen Denken wird diese Position durch die enge
chen, ausgeglichenen Zustand versetzt werde.22 Nach
Verbindung von Emotionen mit Urteilen und besonAristoteles steht das Gefühl der Lust in Verbindung
ders mit dem Ideal des stoischen Weisen, der über
mit dem Nützlichen und wird von einem Lebewesen
keine Leidenschaft verfügt (»ἀπαθής«), ins Extrem
angestrebt; die Unlust sei dagegen mit dem Schädligetrieben.17 Ungeachtet der geringen Wertschätzung,
chen verbunden und werde gemieden.23 Nicht nur der
die den Emotionen im stoischen Denken zuteilwerMensch fühlt die Lust und Unlust; sie ist nach Arisden, finden sich in der Stoa die differenziertesten
toteles vielmehr allen Sinnenwesen gemeinsam.24 An
Systematisierungen von Gefühlen. So unterscheidet
verschiedenen Stellen spricht Aristoteles ausdrückChrysipp 79 Emotionen und klassifiziert diese in
lich von der Furcht bei Tieren.25 Es liege in der NaGattungen, Arten und Unterarten (darunter 27 Arten
tur jedes Lebewesens, seine natürliche Lust
zu suchen.26 Eine Interpretation der GefühEthica Nicom. Ethica Eudem. De anima
Rhetorik
le im Sinne ihrer Lebensdienlichkeit ist für
Begierde
Begierde
die Antike insgesamt kennzeichnend. Schon
Zorn
Zorn
Zorn
Zorn
Xenophon ist der Meinung, die auf SelbsterFurcht
Furcht
Furcht
Furcht
haltung gerichteten Lebensfunktionen (wie
Zuversicht
Zuversicht
z.B. Ernährung und Schlaf) seien mit einem
Neid
Neid
Freude
Freude
Gefühl der Lust verbunden, damit die LebeFreundlichkeit
Freundlichkeit Freundlichkeit
wesen ihre Selbsterhaltung anstreben.27
Hass
Hass
Hass
Auf die späeren Kognitionstheorien der
Sehnsucht
Gefühle weisen die antiken Erörterungen
Ehrgeiz
Ehrgeiz
von Gefühlen (besonders bei Aristoteles)
Mitleid
Mitleid
Mitleid
voraus, insofern den Gefühlen neben einer
Scham
Scham
Empfindungskomponente immer auch ein
Sanftmut
Sanftmut
Dankbarkeit Urteil über Tatsachen oder Werte zugeschrie
Entrüstung
ben wird (s.u.).
zeitliche Dimension
Tab. 101. Vier Aufzählungen von Emotionen bei Aristoteles (Reihenfolge teilweise verändert). Auffallend ist das Fehlen der Gefühle von
Ekel, Trauer und Überraschung in diesen Listen (aus Ethica Nicomachea 1105b21-23; Ethica Eudemica 1220b12-14; De anima 403a1618; Rhetorik II, 2-11; Übersetzung der Termini nach Krajczynski, J. &
Rapp, C. (2009). Emotionen in der antiken Philosophie. Definitionen
und Kataloge. In: Harbsmeier, M. & Möckel, S. (Hg.). Pathos, Affekt,
Emotion. Transformationen der Antike, 47-78: 64f.).
Stoa und Mittelalter: Selbsterhaltung
Im Anschluss an die älteren Vorstellungen
werden in der Stoa die Gefühle von Lust und
Schmerz als allgemeine Mittel zur Selbsterhaltung der Lebewesen interpretiert.28 Seneca
deutet die Gefühle von Genuss und Schmerz
als Ausdruck einer universalen Sorge für mich
3
(»cura mei«), die als ein erster Trieb allen Lebewesen
angeboren sei.29 Weil die Affekte nach stoischer Lehre unmittelbar in einen funktionalen und evaluativen
Kontext eingebunden sind, ähneln sie den Urteilen
in Erkenntnisprozessen. Über Gefühle erfolgt eine
evaluative Kategorisierung von Wahrnehmungsinhalten. In der stoischen Theorie der Gefühle kann
daher einer der philosophiehistorischen Ursprünge
der wirkmächtigen kognitiven Theorie der Affekte
gesehen werden.30
Unter dem Einfluss der stoischen Lehre der Selbsterhaltung stehen auch die frühen christlichen und
mittelalterlichen Deutungen der Gefühle. Augustinus sieht selbst im Schmerz eine wunderbare Kraft
der Seele, die den Körper erhält und die Tiere vor
unüberlegtem Handeln bewahrt.31 Nach Avicenna
ist mit der sinnlichen Wahrnehmung auch bei Tieren
häufig noch ein verborgenes Vermögen (»vires occultae«) verbunden, das ein komplexes Wissen von
einem Gegenstand vermittelt. Avicenna führt für dieses mit einer Wahrnehmung verknüpfte häufig evaluative Moment den Begriff der intentio ein und erläutert es in einem viel diskutierten Beispiel: »Das Schaf
erfasst zum Beispiel eine intentio, die es vom Wolf
hat, nämlich, dass es ihn fürchten und vor ihm fliehen muss, obwohl dies keinesfalls von den Sinnesvermögen erfasst wird«.32 Über die intentio werden
also auch nicht unmittelbar anwesende, aber für die
biologischen Bedürfnisse eines Tieres hoch relevante
evaluative Aspekte eines wahrgenommenen Gegenstandes vermittelt, z.B. das Bedrohungspotenzial
im bloßen Bild eines Wolfs. Albertus Magnus differenziert in diesem Zusammenhang später explizit
zwischen dem unmittelbaren Wahrnehmungsaspekt
(»forma«) von Gegenständen und dem mit ihnen
verbundenem Sinngehalt (»intentio«).33 Auch wenn
Affekte bei Tieren eine evaluative Kategorisierung
von Wahrnehmungsinhalten vornehmen (und sie sich
dabei irren können), sind sie damit aber noch nicht
als Urteile im strengen Sinne zu verstehen. Denn es
fehlt die Fähigkeit zum begrifflichen Abwägen der
Inhalte und der darüber erfolgenden Distanzierung
von der unmittelbaren Wahrnehmung.34 Nach Albert
können sich Tiere also in affektiven Zuständen befinden, ohne über Begriffe und Urteile zu verfügen.
Die Furcht eines Schafs bei der Wahrnehmung eines
Wolfs würde ihm z.B. nur als unmittelbares Erleben,
nicht aber als Urteil zur Verfügung stehen. Gefühle
stellen in dieser Hinsicht also unterbewusste und
vorbegriffliche situationsbewertende und unmittelbar
verhaltensauslösende Einstellungen dar. Analog zu
den im funktionalen Kontext des Schutzes stehenden
Furchtreaktionen von Tieren erklärt Albert die mit der
Gefühl
Abb. 174. Stimmungsausdruck eines Schimpansen (aus
Kohts, N. (1935). [Infant ape and human child]. Trudy
muzeja; Gosudarstvennyj Darvinovskij Muzej (=Scientific
Memoirs of the Museum Darwinianum in Moscow; russ.)
3, 1: Taf. IX, Fig. 2).
Nahrungsaufnahme und Fortpflanzung verbundenen
Bewegungen der Tiere mittels eines Lustgefühls. Weil
sie die obersten biologischen Funktionen der Selbstund Arterhaltung betreffen, sind die mit Nahrungsaufnahme und Fortpflanzung verbundenen Verhaltensweisen nach Albert mit dem größten Lustgefühl
verbunden (»natura ordinavit nutrimentum propter
salvationem individui et opus venereum [coitus sive
generatio] propter salvationem speciei. Et ideo istis
operationibus natura adiuncit maximas delectationes,
et quanto magis intendit salvationem speciei quam
individui, tanto maiorem delectationem ordinavit in
opere venereo quam in opera nutritivae«).35
Im Mittelalter entfaltet sich eine breit geführte
Debatte über Gründe und kognitive Dimensionen
der Gefühle, bei der der Vergleich zwischen Mensch
und Tier immer wieder als Prüfstein der Theorien
herangezogen wird.36 Die mittelalterliche Diskussion der Gefühle steht also nicht allein im christlichen
Kontext einer Selbstdisziplin und Affektkontrolle,
sondern bemüht sich auch um naturalistische Gefühlstheorien. Auffallend ist dabei, dass der im 20.
Jahrhundert am meisten diskutierte Aspekt der Gefühle, ihr qualitativer Empfindungsaspekt, also das
spezifische, nur in der Ersten-Person-Perspektive
erlebbare Sich-Anfühlen einer Emotion, kaum eine
Rolle spielt.37
Frühe Neuzeit: Tierautomaten
Auch in der Neuzeit wird die Lehre von den Gefühlen der Lust und Unlust vielfach mit dem Streben
nach Selbsterhaltung in Verbindung gebracht: N. Malebranche formuliert es 1672 so, dass auch die Sinne
des Menschen (»nos sens«) allein für die Erhaltung
Gefühl
4
Abb. 175. Gesichtsausdruck eines jungen Schimpansen in verschiedenen Gefühlszuständen. Gleiche Falten im Gesicht sind
durch gleiche Zahlen markiert. Die gleiche Falte kann also in unterschiedlichen Kontexten eine andere Bedeutung haben;
entscheidend für den Signalwert des Gesichtsausdruck ist die Konstellation der Falten zueinander, also der Gesamteindruck.
linke Spalten: 1 Aufmerksamkeit, 2 Erregung, 3 Grinsen, 4 Lachen, 5 Weinen, 6 Furcht; rechte Spalten: 1 Schrecken, 2 Zorn,
4 Aufregung, 3 Ekel, 5 Erstaunen, 6 Lächeln (aus Kohts, N. (1935). [Infant ape and human child]. Trudy muzeja; Gosudarstvennyj Darvinovskij Muzej (=Scientific Memoirs of the Museum Darwinianum in Moscow; russ.) 3, 1: Taf. VII-VIII).
des Körpers gegeben seien (»donnez seulement pour
la conservation de nôtre corps«).38 Selbst das Gefühl
des Schmerzes sei vorteilhaft, weil es zum Schutz
beitrage. Trotz dieser biologischen Interpretation der
Gefühle spricht Malebranche den Tieren zumindest
gelegentlich Gefühle wie Schmerz und Lust ab und
sieht sie als reine Maschinen (»Ils mangent sans plaisir, ils crient sans douleur […] ils evitent machinalement & sans crainte, tout ce qui est capable de les détruire«).39 Er steht damit in der Tradition einiger Cartesianer, die den Tieren jedes Gefühl aberkennen und
ihre Schmerzensschreie mit den Lauten von schlecht
geölten Maschinen vergleichen – ein Vergleich, der
auf das Vorwort zur posthumen Ausgabe von Descartes’ Schrift über den Menschen aus dem Jahr 1664
zurückgeht und in den 1670er Jahren von J. Rohault
und I.G. Pardies aufgegriffen wird.40 Descartes selbst
vergleicht die Tiere zwar wiederholt mit Maschinen,
er spricht ihnen aber sehr wohl eine Sinnlichkeit
(»sensus«) zu; allein der Verstand und die Sprache
fehlen ihnen seiner Meinung nach (↑Bewusstsein;
Intelligenz; Kommunikation).41 Neben den unmittelbar mit den Lebensfunktionen zusammenhängenden
Gefühlen (z.B. Hunger, Durst und Furcht) schreibt
er den Tieren zumindest in einer Passage auch abgeleitete Gefühle wie Angst (»crainte«), Hoffnung
(»esperance«) und Freude (»ioye«) zu.42 An anderer
Stelle reserviert Descartes aber selbst die elementaren Gefühle für den Menschen. So schreibt er in
einem Brief an Mersenne von 1640, der Schmerz
sei allein im Verstand gegeben (»la douleur n’est
que dans l’entendement«) und die Tiere hätten daher
Gefühl
5
keinen Schmerz im eigentlichen Sinne (»la douleur
proprement dite«).43 Beim
Menschen gehen die Empfindungen von Hunger,
Durst und Schmerz nach
Descartes aus einer Vermischung des Geistes mit dem Abb. 176. Sechs »Grundemotionen« des Menschen, die einem bestimmten GesichtsausKörper hervor; sie gelten druck entsprechen. Diese Grundemotionen gelten als universell und treten selbst bei taubihm als undeutliche Formen blinden Menschen auf. Von links nach rechts: Wut, Ekel, Angst, Trauer, Freude, Überrades Denkens und repräsen- schung (nach P. Ekman; aus Grammer, K. (1993/95). Signale der Liebe: 117).
tieren quasi die animalische
ihres Lebens. Die Pflanzengefühle werden hier als
Seite der res extensa in der menschlichen Natur.44
Auch J. Locke deutet die Gefühle funktional und benützliche Anpassungen interpretiert, die adäquate
Reaktionen in verschiedenen Situationen sichersteltrachtet es als Aufgabe des Schmerzes, den Körper
vor den Gefahren eines Gegenstandes zu warnen und
len. Populärer wird die Lehre vom Gefühl der Pflanihn zum Zurückziehen zu veranlassen.45
zen nach Bekanntwerden der Bewegungen der Blätter der »Sinnpflanze« (Mimosa pudica). J.A. Unzer
schreibt den Pflanzen daraufhin 1766 nicht nur eine
Gefühle bei Pflanzen?
Die klassische Position verbindet den Begriff des GeEmpfindung zu, sondern auch »Geschmack und Gefühl«.47 Die Pflanzen stünden insgesamt den Tieren
fühls mit Lebenserscheinungen des Menschen und
allenfalls mit denen von Tieren. Gefühle stehen in
sehr nahe.
enger Bindung zur Sinnlichkeit und Wahrnehmungsfähigkeit, und weil diese den Pflanzen und niederen
Gefühle als Ausdrucksbewegungen
Tieren abgesprochen wurde, galten sie auch als frei
Den mit Gefühlen bei Tieren und Menschen verbunvon Gefühlen. Gegen diese rein mechanistische Thedenen Ausdrucksbewegungen widmet C. Darwin
orie des Pflanzenlebens wendet der Mediziner M.
1872 eine eigene Schrift.48 Er weist dabei auf den
Alberti, ein Schüler von G.E. Stahl, 1721 ein, »daß
stereotypen Charakter des Ausdrucks bei Organisdie Pflanzen ein Gefühl haben«.46 Die Gefühle der
men der gleichen Art hin und hält die Emotionen
Pflanzen erschließen sich nach Alberti nicht ausgefür angeboren. Darwin interpretiert die Ausdruckshend von den menschlichen Gefühlen, sondern ergebewegungen in dreifacher Hinsicht funktional:
ben sich vielmehr aus der Ordnung und Ökonomie
im Sinne der individuellen Regulierung von Erre-
Descartes
(1649)
Leidenschaften der Seele
McDougall
(1908)
Beziehung zu
Instinkten
Ekman, Friesen
& Ellsworth (1972)
Gesichtsausdruck
beim Menschen
Plutchik
(1980)
adaptive
Komplexe
Furcht (Flucht)
Furcht
Furcht
Hass
Ekel (Abwehr)
Ekel
Ekel
Verwunderung
Staunen (Neugier)
Überraschung
Überraschung
Ärger (Kampf)
Ärger
Ärger
Begehren
Antizipation
Freude
Freude
Freude
Liebe
Vertrauen
Traurigkeit
Trauer
Trauer
positives Selbstgefühl (Selbstbehauptung)
negatives Selbstgefühl
(Selbsterniedrigung)
Fürsorglichkeit
(Pflege)
Tab. 102. Klassifikationen von Gefühlen (Reihenfolge teilweise verändert).
Tomkins
(1984)
neuronale
Stimulierung
Furcht
Ekel
Überraschung
Ärger
Interesse
Freude
Belastung
Scham
Verachtung
Gefühl
Abb. 177. Die Demutshaltung eines Hundes (»humble and
affectionate frame of mind«) (aus Darwin, C. (1872). The
Expression of the Emotions in Man and Animals: 53).
gung, als soziale Signale, die im Rahmen der Kommunikation eine Funktion spielen, indem sie auf den
Motivationszustand eines Tieres hinweisen und als
Form der symbolischen Darstellung.
James-Lange: Gefühle als Handlungsfolge
Eine einflussreiche Theorie zur Entstehung der Gefühle entwickeln W. James und C. Lange in den 1880er
Jahren unabhängig voneinander. Danach verursachen
Gefühle nicht Handlungen, sondern sind umgekehrt
die Wirkung bestimmter Handlungen. Erst durch die
Unterschiede der körperlichen Reaktionen werden
die Gefühle in ihrer spezifischen Qualität bestimmt.
So weinen wir in dem berühmten Beispiel von James
nicht, weil wir traurig sind, sondern wir sind trau-
Abb. 178. Ausdrucksformen des Hundegesichts im Konflikt
zwischen Angriff und Flucht. Überlagerung von »Kampfintention« und »Fluchtintention«: Zunahme der Aggression
nach rechts und der Furcht nach unten (aus Lorenz, K.
(1952). Die Entwicklung der vergleichenden Verhaltensforschung in den letzten 12 Jahren. Verh. Deutsch. Zool. Ges.
36-58: 50)
6
rig, weil wir weinen (»we feel sorry because we cry,
angry because we strike, afraid because we tremble,
and not that we cry, strike, or tremble, because we are
sorry, angry, or fearful«49).
Kritisiert wird diese Auffassung in den 1920er Jahren vor physiologischem Hintergrund von W.B. Cannon: Weil körperliche Reaktionen durch das autonome Nervensystem vermittelt werden und dieses sehr
unterschiedliche Reaktionen auf ähnliche Weise hervorruft und weil außerdem die Vermittlung über diesen Teil des Nervensystems zu langsam ist, erscheint
eine Rückkopplung des autonomen Nervensystems
auf die Erzeugung der Gefühle unwahrscheinlich.
Cannon folgert daher, dass die Gefühle allein vom
Gehirn erzeugt werden.50
Kognitive Bewertungstheorien
Eine Verbindung zwischen den Hypothese der JamesLange-Theorie und den Ergebnissen Cannons schlagen S. Schachter und J. Singer in den 1960er Jahren
vor: Sie argumentieren dafür, es seien Gedanken, die
die Lücke zwischen der unspezifischen Rückmeldung aus dem autonomen Nervensystem und den
spezifischen Gefühlen vermitteln würden. Für die
kognitive Deutung der unspezifischen Erregung sei
im Wesentlichen der Kontext der Situation entscheidend: Die zunächst unspezifische Erregung wird also
erst in einem zweiten Schritt durch intellektuelle und
bewertende Funktionen der Hirnrinde zu einem definierten Gefühl. Nach dieser kognitiven Theorie der
Emotion kann ein und dieselbe körperliche Erregung
je nach Bewertung mal als Freude, Ärger oder Scham
erlebt werden.51 Eine empirische Stütze erfährt dieser
Ansatz durch Experimente, in denen Versuchspersonen Adrenalin injiziert wird, und die resultierende
Erregung im Anschluss daran kontextabhängig sehr
unterschiedlich erlebt wird.
Viele Versuche belegen jedoch auch, dass die Bewertung der Erregung oft unbewusst erfolgt, also
ohne kognitive Prozesse: Bestimmte Gefühle stellen
sich z.B. auch als Folge unterschwelliger, also nicht
ins Bewusstsein dringender Wahrnehmung ein (Zajonc 1980: »Preferences need no inferences«).52 Die
Tatsache, dass viele Menschen ihre Gefühle nicht als
klar und begrifflich strukturiert erfahren, spricht für
diese Hypothese einer unbewussten Verarbeitung von
Gefühlen. Die Entwicklung der Theorien geht dahin,
die enge Verbindung von emotionalen und kognitiven Komponenten herauszuarbeiten. Empirische Untersuchungen zeigen zwar eine enge Interaktion der
verschiedenen Komponenten – so sind bereits viele
Wahrnehmungen emotional gefärbt –, sie belegen
aber auch eine getrennte Verarbeitung der Reprä-
7
sentation eines Objektes von seiner Bewertung (wie
sich an spezifischen Läsionen zeigt, in denen die eine
Funktion ohne die andere vorliegt).
Gefühle nur bei Tieren, denen sie nützen
Die Debatte, inwieweit auch den einfach gebauten
Tieren Gefühle zugeschrieben werden müssen, entflammt zu Beginn des 20. Jahrhunderts unter einer
selektionstheoretisch begründeten Nützlichkeitsperspektive und im Rahmen der Diskussion von psychischen Fähigkeiten bei Tieren (↑Lernen; Intelligenz; Bewusstsein). Experimentelle Befunde zeigen,
wie ungerührt Insekten und »Würmer« selbst nach
schweren Verletzungen ihre normalen Lebensfunktionen fortsetzen: Bei Regenwürmern, die quer in zwei
Hälften geteilt werden, läuft der vordere Teil, der das
Gehirn enthält, normal weiter, allein der hintere, der
kein zentralisiertes Nervensystem hat, krümmt sich,
als ob er Schmerzen hätte.53 Ein ähnliches Verhalten wird bei marinen Würmern beobachtet.54 Und
von Ameisen wird berichtet, dass sie die Aufnahme
von Nahrung ruhig fortsetzen, auch nachdem ihnen
Fühler und Abdomen abgeschnitten wurden.55 H.E.
Ziegler schließt aus diesen Befunden 1904/20, »daß
sich die Gefühle in der Tierreihe wahrscheinlich erst
in Verbindung mit dem Assoziationsvermögen, dem
Gedächtnis und der Intelligenz allmählich entwickelt
haben«. Er gibt dafür folgende Erklärung: »Denn
der Schmerz ist seinem biologischen Zweck nach
ein Warnungssignal, welches auffordert, eine stattfindende Schädigung des Körpers aufzuheben oder
in Zukunft zu vermeiden. Je mehr Verstand ein Tier
hat, um so wichtiger wird diese Warnung sein, und
um so nützlicher wird ihm diese Erfahrung werden.
Aber bei niederen Tieren, deren Leben durch Reflexe und Instinkte in weitgehendem Maße determiniert ist, wäre diese Warnung zwecklos, da sie schon
mechanisch auf gewisse schädliche Einwirkungen
reagieren und nicht befähigt sind, Erfahrungen zu
machen«.56 Das Argument lautet also: »Da demnach
Lust- und Unlustgefühle bei den niederen Tieren keinen biologischen Sinn hätten, so bezweifle ich, daß
solche bei ihnen vorhanden sind«.57 Die Gefühle, die
nach Ziegler die Instinkte in biologischer Hinsicht
»ergänzen«, werden erst dann von Bedeutung, wenn
sie mit einer bestimmten Situation assoziiert und im
Gedächtnis aufbewahrt werden können, so dass sie in
zukünftigen Situationen eine funktionale Steuerung
des Verhaltens übernehmen können.
Systematik der Gefühle
Seit der Antike werden unterschiedliche Typologisierungen und Klassifikationen der Gefühle vor-
Gefühl
geschlagen (vgl. Tab. 102). Weil die verschiedenen
Einteilungskriterien aber zu unterschiedlichen Gliederungen kommen, wird bezweifelt, ob es überhaupt
möglich ist, »Basisemotionen« zu identifizieren.58
Angesichts der Heterogenität der mit dem Begriff
des Gefühls zusammengefassten Phänomene ist es
auch umstritten, ob Gefühle überhaupt eine einheitliche natürliche Klasse (»natural kind«) darstellen.59
D. Perler diskutiert 2011 in historischer Perspektive
fünf grundlegende Probleme des Gefühlsbegriffs, die
mit der Systematik der Gefühle zusammenhängen:
(1) das Einheitsproblem, d.h. die Frage, ob Gefühle
eine klar umrissene natürliche Kategorie bilden; (2)
das Strukturproblem, das die Frage nach dem Grund
und Kriterium der Einheitlichkeit der emotionalen
Phänomene betrifft; (3) das Zuschreibungsproblem,
das sich besonders stellt, weil Gefühle sowohl körperliche als auch geistige Aspekte in sich vereinen;
(4) das Kategorienproblem, das danach fragt, welcher Kategorie Gefühle angehören: Sind sie in ontologischer Hinsicht Zustände, Dispositionen oder
Prozesse bzw. in mentaler Hinsicht Vorstellungen,
Empfindungen oder Urteile?; und schließlich (5) das
Zurechnungsproblem, das die Frage nach der Kontrollierbarkeit der Gefühle durch bewusste Entscheidungen betrifft.60
Einige der bekanntesten Einteilungen haben folgende Grundlage: R. Descartes unterscheidet 1649
sechs Grundaffekte auf der Grundlage der »Leiden-
Abb. 179. Schematische Darstellung der Überlagerung von
Angriffs- und Abwehrstimmung in der Mimik einer Katze;
nach rechts zunehmende Angriffsstimmung, nach unten zunehmende Abwehrstimmung; ermittelt aus Foto- und Filmaufnahmen (aus Leyhausen, P. (1956). Verhaltensstudien an
Katzen: 83).
Gefühl
8
die Gefühlen und Affekten entsprechen«.68 Gefühle oder zumindest ihre
Entsprechungen können damit auch
weniger hoch organisierten Organismen zukommen. H. Hediger konstatiert
1967 allgemein eine ähnliche emotionale Grundausstattung bei Mensch und
Tier und bezeichnet die Aussage, dass
Tiere dem Menschen in affektiver Hinsicht näher stehen als in intellektueller
in Erinnerung an den Psychologen D.
Katz als Katzsches Gesetz.69
Fundamentalität für Lebendigkeit
Im Rahmen einiger moderner Ansätze
einer Philosophie des Lebens spielt
das Konzept des Gefühls eine zentraAbb. 180. Funktionales Modell zur Erklärung von Verhalten als Ergebnis der le Rolle. So wehrt sich H. Jonas 1953
Interaktion von drei Subsystemen, einem Bedürfnissystem (»Need System«), dagegen, das Verhalten der Tiere im
einem Bewertungssystem (»Belief-Value System«) und dem Verhaltensraum kybernetischen Modell auf die zwei
(»Behavior Space«). In dem Bewertungssystem (auch »Erwartungs-Wert-Sy- Faktoren Wahrnehmung und Bewestem«), das zwischen Bedürfnissystem und Verhaltensraum vermittelt, werden
gung zu reduzieren – der wesentliche
die Gefühle verortet. Unabhängige Variable sind der Bedürfniszustand Hunger (»Deprivation«) und Umweltstimuli (»SSSS«). Die abhängige Variable des dritte Faktor sei das Gefühl: Dieses
Modells ist das jeweils erfolgende Verhalten (aus Tolman, E.C. (1952). A co- sei der Ausdruck einer »fundamentalen Selbstbesorgtheit alles Lebens«;
gnition motivation model. Psychol. Rev. 59, 389-400: 395).
grundlegend für alles Leben sei das
Verlangen, sich zu erhalten, das eigene Dasein fortschaften der Seele«.61 Der Psychologe W. McDouzusetzen. Weil die Lebewesen für ihre Erhaltung auf
gall gibt 1908 sieben grundlegende Instinkte beim
die Umwelt angewiesen sind, seien sie getrieben von
Menschen an, die nach seiner Auffassung jeweils mit
einem grundlegenden organischen ↑Bedürfnis; dieses
einer charakteristischen Emotion einhergehen.62 Auf
liege auch der Teleologie des Organischen zugrunde:
ethologischer Grundlage bestimmt J.A. Gray 1982
»Die Pein des Hungers, die Leidenschaft der Jagd,
drei primäre Emotionssysteme bei Säugetieren, die
die Wut des Kampfes, der Schrecken der Flucht, der
in unterschiedlichen Reizsituationen gezeigt werden
Reiz der Liebe – diese und nicht die durch Rezepund mit einem Verhaltenstyp verbunden sind: Annätoren übermittelten Daten begaben Gegenstände mit
herung, Verhaltenshemmung und Kampf-Flucht.63
dem Charakter von Zielen«.70 Gefühle werden hier
Ausgehend von neurophysiologischen Untersuchungen am Gehirn von Ratten unterscheidet J. Panksepp
als wirkungsvolle Motivatoren für Verhaltensweisen
konzipiert, über die eine situationsangemessene Vervier elementare Reaktionsweisen: Panik, Wut, Erwartung und Furcht.64 Anhand der kulturübergreihaltensauslösung bewirkt wird. Jonas wendet sich
allerdings auch dagegen, die Gefühle rein funktionafend konstanten Mimik des Menschen unterscheidet
listisch zu deuten und sieht mit ihnen die Möglichkeit
P. Ekman sechs elementare Emotionen.65 R. Plutchik
gibt eine Einteilung der Gefühle auf der Grundlage
einer Distanzierung von der biologischen Funktionader Beziehung emotionaler Zustände zu adaptiven
lität gegeben. Den Raum für Gefühle verortet Jonas
in der nicht unmittelbaren, sondern (räumlich) über
biologischen Prozessen.66 Auf neuronaler Basis beSinnesorgane und (zeitlich) über Triebstrukturen verruht schließlich die Einteilung von S.S. Tomkins
(1984).67
mittelten Lebensweise der Tiere. Ihr Charakter als
Vermittelndes bringt für die Gefühle die Möglichkeit
Vergleichende Verhaltensforschung der Gefühle
der Verselbständigung mit sich, die Verselbständigung eines ursprünglichen biologischen Mittels der
Im Anschluss an W. McDougall ist K. Lorenz 1935
der Auffassung, »daß bestimmten instinktiven VerSelbsterhaltung zu eigenen Zwecken: »Es ist eines
der Paradoxe des Lebens, daß es Mittel benutzt, die
haltensweisen bestimmte Affekte als subjektive Korrelate zugeordnet« seien, d.h. »daß die Instinkthandden Zweck modifizieren und selbst Teil desselben
lungen mit subjektiven Erscheinungen einhergehen,
werden. Das fühlende Tier strebt danach, sich als
9
Gefühl
Abb. 181. Einfaches Modell für die komplexe, probabilistische Sequenz von Ereignissen, die von einem externen Stimulus
über die Ausbildung eines Gefühls bis zu dessen Verhaltenskonsequenzen führt. Am Anfang der Sequenz steht ein typisches
Ereignis in der Umwelt (»Stimulus Event«); dieses wird in einer ersten verarbeitenden Kognition kategorisiert (»Inferred
Cognition«); aus der kognitiven Verarbeitung stellt sich unmittelbar ein Gefühl ein (»Feeling«); dieses motiviert zu einem
Verhalten (»Behavior«); das Verhalten kann schließlich einem adaptiven Komplex zugeordnet werden (»Effect«). Die für jede
Kategorie von Ereignissen postulierte enge Kopplung von Stimulus, Kognition, Gefühl, Verhalten und Anpassungskomplex
ermöglicht die Beschreibung des gleichen Phänomens in verschiedenen Sprachen: einer subjektiven Sprache der Gefühle,
einer objektiven Sprache des äußeren Verhaltens und einer funktionalen Sprache der Verhaltenseffekte (aus Plutchik, R.
(1980). Emotion. A Psychoevolutionary Synthesis: 289; vgl. 154f.).
fühlendes, nicht bloß metabolisierendes Wesen zu erhalten, d.h. es strebt danach, diese Aktivität des Fühlens als solche fortzusetzen: das wahrnehmende Tier
strebt danach, sich als wahrnehmendes Wesen zu erhalten – und so fort«.71 Die traditionelle Auffassung
besteht allerdings darin, Fühlen und Wahrnehmen als
wirklichen Selbstzweck erst beim Menschen anzunehmen. Beim Tier werden sie dagegen funktional
eingebunden in die Belange des organischen Lebens:
»Die thierischen Instincte dienen nur zur Erhaltung
der Arten, nicht zur Veredelung derselben« (von Baer
1860).72
Bereits für M. Scheler bildet »der bewußtlose,
empfindungs- und vorstellungslose Gefühlsdrang«
die »unterste Stufe des Psychischen«, die bereits den
Pflanzen zukomme und sich bei ihnen als ein Drang
zu Wachstum und Fortpflanzung manifestiere.73 In
dieser Sicht ist das Gefühl gleichursprünglich mit der
Lebendigkeit: Die basalen Lebensfunktionen sind
mit einem Gefühl verbunden.
In ihrer biologischen Rolle kann das System der
Gefühle als ein grundlegendes Motivationssystem
(»primary motivational system«) für Verhalten gedeutet werden.74 Gefühle können eine schnelle Verhaltensbereitschaft in charakteristischen Situationen
herstellen, etwa eine Fluchtbereitschaft in Situationen der Bedrohung oder eine Bereitschaft zur Integration von Gruppenmitgliedern angesichts von Kummer. Über das System der Gefühle kann sich ein Organismus komplexen Situationen flexibel anpassen.
Die Gefühle fungieren dabei als zwischen Wahrnehmung und Verhalten geschaltete Bewertungsinstanz.
In dieser evaluativen Funktion »entkoppeln« sie die
unmittelbare Verbindung von Reiz und Reaktion
(Scherer 1994: »Emotion serves to decouple stimu-
lus and response«).75 Die starke Bindung von spezifischen Gefühlen an bestimmte Umweltsituation und
funktionale Kontexte zeigt sich an der Möglichkeit,
das Grundinventar der Gefühle in drei verschiedenen
Sprachen auszudrücken: einer subjektiven Sprache
des Erlebens, einer auf das äußere Verhalten bezogenen Sprache für Bewegungsmuster und einer funktionalen Sprache der biologischen Funktionskontexte
(die drei letzten Spalten in Abb. 181).
Gefühl und Stimmung
Eine wichtigere systematische Rolle als das Konzept
des Gefühls spielt in der Frühphase der Ethologie
der Begriff der Stimmung. Das Wort ist abgeleitet
von ›Stimme‹ und wird seit dem 16. Jahrhundert
auf Musikinstrumente, seit dem 18. auch auf den
Menschen im Sinne von »Gemütszustand« bezogen.
Philosophisch bedeutsam wird der Begriff einerseits
bei W. Dilthey, der 1883 alle Weltdeutungen auf eine
»Grundstimmung« zurückführt76, und andererseits
bei M. Heidegger, der darin eine Grundweise des Daseins sieht, die im Gegensatz zu den Gefühlen nicht
auf einen bestimmten Gegenstand gerichtet ist.77 G.
Ryle stellt in seinen Sprachanalysen fest, dass Stimmungen nicht nur in der ersten Person, sondern auch
in der dritten Person zugeschrieben werden können78
– so dass der Begriff für Verhaltensbeschreibungen
bedeutsam wird.
Auf basaler physiologischer Ebene erkennt schon
G. Jaeger 1878 eine »Stimmungsfähigkeit« und
»Stimmung des Protoplasmas«, insofern es, je nach
Zelltyp, nur für bestimmte Sinnesarten reizbar ist.79
In einem ähnlichen Sinne wird das Konzept dann
auch in der Ethologie verwendet. Nach K. Lorenz
ordnet O. Heinroth bestimmten Erregungsarten eines
Georg Toepfer
Historisches Wörterbuch
der Biologie
Geschichte und Theorie
der biologischen Grundbegriffe
Band 3:
Parasitismus – Zweckmäßigkeit
Verlag J. B. Metzler
Stuttgart · Weimar
Parasitismus
1
Parasitismus
Die Bezeichnung ›Parasitismus‹ erscheint in der
Biologie im zweiten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts
(Nitzsch 1818: »Schmarotzerleben […] der vollkommene Parasitismus […], namentlich bei Dipteren«1;
Erman 1819: »Parasitismus von mikroskopischen
Entozoen [im Blut von Mollusken]«2). In der ersten
Hälfte des 19. Jahrhunderts ist er besonders in der
Botanik verbreitet.3
Antike Ursprünge
Die Verwendung des Grundwortes ›Parasit‹ hat antike Ursprünge. Im antiken Griechenland wird es in
verschiedenen Bedeutungen verwendet. Als ›Parasit‹ (griech. ›παράσιτος‹ »Mitesser«; abgeleitet von
›σῖτος‹ »Getreide, Speise«) wird einerseits ein hoch
geachteter Beamter mit einer bestimmten kultischen
Funktion bezeichnet: der Auswahl der Speise für das
Opfermahl. Später, in der klassischen griechischen
Komödie, ist der Parasit der Typus eines völlig verarmten Menschen, der um eines Essens willen die
Tischgesellschaft auch auf Kosten der eigenen Person zu unterhalten versucht.4 In der antiken Komödie
beruht das Verhältnis von Parasit und Wirt also auf
einer Gegenseitigkeit: Der Parasit nimmt nicht nur,
sondern gibt im Gegenzug auch etwas und wird von
seinem Wirt für diese Leistung auch bewusst ausgewählt. Für den biologischen Begriff ist allerdings
kennzeichnend, dass der Parasitismus ein einseitiges
Verhältnis beschreibt, bei dem der Vorteil der Interaktion nur auf der Seite des Parasiten liegt, der seinen
Wirt gegen dessen Interessen sucht.
Wortgeschichte in der Biologie
Biologisch sind zuerst Pflanzen, so die Misteln und
Moose, die auf Bäumen wachsen, als ›Parasiten‹ bezeichnet worden. In Form des Adjektivs parasitisch
(»parasiticam«) erscheint der Ausdruck Ende des 16.
Jahrhunderts bei dem Botaniker A. Zaluziansky à Zaluzian, der ihn (unter Verweis auf Scaliger) in einem
Kapitel über die Verbindungen von Pflanzen verwendet. Der Ausdruck bezeichnet hier die Eigenschaft
Der Parasitismus ist eine (regelmäßige) Interaktion zwischen Organismen (meist verschiedener Arten), aus der
ein Interaktionspartner, der Parasit, einen Nutzen zieht,
der andere aber einen Schaden davonträgt. Im Unterschied zu einem Räuber ist ein Parasit in der Regel an
nur einen anderen Organismus, seinen Wirt, gebunden.
Außerdem ist es charakteristisch für einen Parasiten,
dass er seinen Wirt nicht unmittelbar tötet, sondern nur
schädigt, z.B. durch Entzug von Körpersubstanz zur eigenen Ernährung.
parasitisch (Zaluziansky à Zaluzian 1592) 1
Entozoon (Rudolphi 1808) 2
Parasitismus (Nitzsch 1818) 1
Ektoparasiten (Leuckart 1827) 3
Entoparasiten (Leuckart 1827) 3
hyperparasitisch (Haliday 1833) 8
Pseudoparasit (von Martius 1835; van Mons 1835) 3
Brutparasitismus (Schmarda 1866) 4
superparasitisch (Woodward 1877) 8
Hyperparasitismus (Newman 1878) 7
Raumparasitismus (Klebs 1881) 4
Superparasitismus (Fiske 1910) 7
Parasitoid (Reuter 1913) 8
einiger Pflanzen, in oder auf anderen zu leben, so wie
die Mistel auf Bäumen (»alia in alia vivit, ut quercus
& viscum«).5 Im Englischen erscheint der Ausdruck
zuerst 1646 bei T. Browne. Er beschreibt die Mistel
sowie einige Farne und Moose als ›parasitisch‹ (»Parasiticall«) und charakterisiert sie durch ihre Ernährung auf Kosten anderer Lebewesen (»living upon the
stock of others«).6 Sein Landsmann, der Botaniker N.
Grew, übernimmt später diese Kennzeichnung.7 In E.
Chambers’ Wörterbuch aus dem Jahr 1728 erscheint
statt des Adverbs das Substantiv (»parasites«), und
die schmarotzenden Pflanzen werden in der ›Familie der parasitischen Pflanzen‹ (»family of parasite
plants«) zusammengefasst.8
Wohl erst seit dem 18. Jahrhundert ist auch von
Parasiten unter den Tieren die Rede, z.B. schmarotzenden Würmern oder Schlupfwespen. C. von Linné
nennt den Bandwurm (der Gattung Taenia), der ihm
aus dem Darm von Menschen und anderen Wirbeltieren bekannt ist, 1735 eine parasitische Art (»species
parasitica«9); sein Schüler P.S. Pallas widmet den parasitischen Würmern 1760 eine eigene Abhandlung.10
Am Ende des 18. Jahrhunderts tritt auch das deutsche
Wort Schmarotzer, dessen Etymologie weitgehend
ungeklärt ist (15. Jh. ›smorotzer‹: »Bettler«), in die
biologische Fachsprache ein. P.A. Nemnich identifiziert in seinem Wörterbuch von 1793-95 eine ganze
Reihe von Schmarotzerarten, u.a. einen »Schmarotzerkrebs«, der seine empfindlichen Körperteile durch
die Schalen anderer Tiere schützt (also der später so
genannte ›Einsiedlerkrebs‹), und eine »Schmarotzermöwe« (Larus parasiticus, wie sie schon Linné
nennt11), die anderen Tieren die Nahrung abjagt12
(also die heute so genannten ›Raubmöwen‹).
Wissenschaftsgeschichte
Die am längsten bekannten Parasiten sind die auf
der Haut und in den Eingeweiden lebenden Parasiten
des Menschen. Seit dem 3. Jahrtausend vor Christus
werden diese Parasiten in den schriftlichen Zeug-
Parasitismus
Abb. 358. Misteln, die an einem Apfelbaum para­sitieren.
Der Querschnitt unten zeigt, wie die Wurzeln der Mistel das
Gewebe des Apfelbaumes durchdringen (aus Malpighi, M.
(1679). Anatome plantarum, Bd. II: Tab. XXVI).
nissen verschiedener Kulturen beschrieben, z.B. in
dem altägyptischen Papyrus Ebers aus der Mitte des
zweiten vorchristlichen Jahrtausends.13 Hippokrates
unterscheidet nach der Form drei verschiedene Arten
parasitischer Würmer, lange und kurze runde (Ascaris) sowie breite (Taenia).14 Auch Aristoteles und später Galen beschreiben drei verschiedene Arten von
»Eingeweidewürmern«15, Aristoteles daneben auch
Läuse, Flöhe und Wanzen, von denen er eine spontane Entstehung in geeigneten Medien annimmt16.
Die erste Beschreibung der Leberegel bei Schafen
gibt 1347 Jean de Brie, ein französischer Schäfer.17 G.
Gambuccini verfasst 1547 die erste Abhandlung über
parasitische Würmer.18 Einen großen Aufschwung
erlebt die Parasitologie durch den Einsatz der Mikroskopie in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts.
»Als Parasiten bezeichnen wir, im weitern und eigentlichen Sinne des Wortes, alle diejenigen Geschöpfe, die
bei einem lebendigen Organismus Nahrung und Wohnung finden« (Leuckart 1879, 3).
»Le parasitisme peut être défini la condition de vie normale et nécessaire d’un organisme qui se nourrit aux dépens d’un autre – appelé l’hôte – sans le détruire, comme le fait le prédateur à lʼégard de sa proie« (Caullery
1922, 13).
»[A]n animal, whose environment is formed by another
living animal« (Philipchenko 1937).
»[A] small organism living on or in, and at the expense
of, a larger one« (Chandler & Read 1961, 16).
Tab. 226. Definitionen des Parasitenbegriffs.
2
F. Redi liefert 1668 die erste Abbildung eines Leberegels.19 Auch A. van Leeuwenhoek beschäftigt sich
in den 1670er Jahren mit ihnen: Er untersucht mittels seines Mikroskops die Erreger in der Lunge der
Schafe und vermutet, dass sie mit dem aufgenommenen Wasser in ihren Wirt gekommen sind.20 Die
Aufklärung des Lebenszyklus des Leberegels gelingt
Leeuwenhoek jedoch nicht; er nimmt sich der Sache
erst wieder an, nachdem G. Bidloo 1698 einen Brief
an ihn richtet.21 1681 beschreibt Leeuwenhoek auch
den ersten einzelligen Parasiten (Giardia lamblia).
C.A. Rudolphi, der zu Beginn des 19. Jahrhunderts
eine umfassende Monografie über die Eingeweidewürmer schreibt und damit als »Vater der Helminthologie« gilt, stellt fest, dass diese obligatorisch im
Innern anderer Organismen leben und nicht daneben
auch noch ein freies Leben führen können. Rudolphi
prägt auch den von der Lebensform ausgehenden Begriff Entozoa (»Innentiere«), d.h. im Inneren anderer
Organismen lebende Tiere (↑Symbiose).22 Bis in die
Mitte des 19. Jahrhunderts ist die Auffassung verbreitet, dass die in den Eingeweiden lebenden Würmer
einen Teil des Wirtsorganismus darstellen und kein
selbständiges Leben führen können. Erst 1851 kann
F. Küchenmeister durch Fütterungsversuche nachweisen, dass die »Finnen« (im Fleisch lebende Larven) Entwicklungsstadien der Bandwürmer sind.23 Er
ermittelt später Rind und Schwein als Zwischenwirte, entwickelt eine Vorstellung der Wirtsspezifität der
Parasiten und deckt auch den Entwicklungszyklus
des Leberegels auf, indem er die Larven in Schlammschnecken nachweist und zeigt, dass sie ihren Wirt
aktiv aufsuchen.24
Zusammen mit den nur mikroskopisch sichtbaren Einzellern bilden die Parasiten die Gruppe von
Organismen, von denen am längsten angenommen
wurde, dass sie spontan entstehen. So vermutet noch
Rudolphi, dass parasitische Würmer durch entzündliche Prozesse erkrankter Gewebe entstehen können
und H. Burmeister glaubt noch 1837 an die spontane Entstehung der Eingeweidewürmer, Milben und
Läuse.25
In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts werden
zahlreiche Parasiten als Krankheitserreger des Menschen beschrieben, u.a. 1876 der Erreger der Elephantiasis Wuchereria bancrofti durch J. Bancroft26
und 1881 der Erreger der Malaria (Plasmodium)
durch C.L.A. Laveran27.
Allgemeine Definitionen
Seit Mitte des 19. Jahrhunderts werden explizite Definitionen für die Lebensform der Parasiten gegeben.
C.T. von Siebold definiert (tierische) Parasiten 1844
3
als Organismen, »welche nicht ohne Vermittlung
anderer Thiere existiren können, indem ihnen diese
letzteren Wohnort und Nahrung zugleich bieten«.28
Siebold liefert daneben Einsichten in den Lebenskreislauf vieler Parasiten; ihm gelingt der Nachweis,
dass dieser oft mit einem Wirtswechsel verbunden
ist.29
In seiner Monografie über den Parasitismus von
1875 definiert P.J. van Beneden: »Ein Schmarotzer
ist ein Thier, welches berufsmässig auf Kosten seines Nachbarn lebt, und dessen ganzes Streben darin besteht, denselben haushälterisch auszubeuten,
ohne sein Leben in Gefahr zu bringen«.30 Van Beneden grenzt den Parasitismus von anderen Formen
der biologischen Interaktion von Organismen ab: Im
Gegensatz zum Verhältnis der Konkurrenz liege beim
Parasitismus eine direkte und keine über gleichgerichtete Ressourcenausbeute vermittelte Schädigung
vor. Der Schmarotzer ernährt sich nach van Beneden
von dem »Eigenthum« seines Wirts, nicht aber von
dessen Nahrung.31 Auf der anderen Seite ist das Parasiten-Wirt-Verhältnis auch von einem Räuber-BeuteVerhältnis zu unterscheiden. Nach van Beneden ist
es das Kennzeichen eines Parasiten – im Gegensatz
zu einem Räuber – den Organismus, den er ausnützt,
d.h. seinen Wirt, nicht zu töten.32 Unterschieden von
einem echten Parasiten sind nach van Beneden auch
solche Organismen, die nur in bestimmten Lebensstadien (z.B. im Larvenstadium) regelmäßig an einem
anderen Organismus parasitieren (z.B. Schlupfwespen). Van Beneden grenzt diese Kategorie von den
Parasiten ab, ohne ihr aber einen Namen zu geben33;
später werden sie Parasitoide genannt (s.u.). Mit den
Bestimmungen, die van Beneden den Parasiten gibt,
sind weitere Merkmale eines parasitischen Verhältnisses gegeben, u.a. die Kleinheit eines Parasiten
relativ zu seinem Wirt und die damit zusammenhängende Schädigung von meist nur einem Organismus
(im Gegensatz zu einem Räuber, der im Lauf seines
Lebens zahlreiche andere Organismen schädigt). Van
Beneden entwickelt seine Kategorien zur Beschreibung des Parasitismus noch weitgehend deskriptiv
und analysiert sie nicht im Rahmen der Evolutionstheorie.
Spätere Definitionen des Parasitismus zielen meist
auf die Einseitigkeit der Ernährungsabhängigkeiten
in den Beziehungen von Organismen verschiedener
Arten; daneben existieren aber auch »ökologische«
Definitionen, die sich auf das Bereitstellen eines ganzen Lebensraums durch den Wirt beziehen (vgl. Tab.
226).34
Bezweifelt wird aber auch, dass sich überhaupt
eine scharfe Definition des Parasitismus geben lässt.
Parasitismus
Denn Parasiten unterscheiden
sich voneinander in ihren physiologischen,
ökologischen
und phylogenetischen Verhältnissen in starkem Maße.35 Besonders die phylogenetische
Vielfalt gilt einigen Biologen
dabei als Grund für die Heterogenität des Phänomens;
denn klare Grenzen gebe es
in der Biologie nur ausgehend
von phylogenetischen Grenzen
(Brooks & McLennan 1993:
»there is no such thing as an
unambiguous definition of
parasitism, because only common ancestry is unambiguous
in biology, and parasites do Abb. 359. Bandwurm
not represent a monophyletic (Taenia
echinococgroup«36).
cus), ein Darmparasit
des Hundes (aus Be-
neden, P.J. van (1875).
Differenzierungen
F.S. Leuckart führt 1827 zwei Les commensaux et
grundlegende Unterscheidun- les parasites dans
le règne animal (dt.
gen ein: Er differenziert nach
Die Schmarotzer des
der taxonomischen Stellung Thierreichs, Leipzig
des Parasiten zwischen »Phy- 1876): 228).
toparasiten« (»Schmarotzerpflanzen«) und »Zooparasiten« (»Schmarozterthieren«) sowie nach dem Aufenthaltsort des Parasiten
im oder auf dem Wirt zwischen Endoparasiten und
Ektoparasiten (»Entoparasiten«: »Im Innern des
Körpers lebend« und »Ektoparasiten«: »Auf dem
Körper lebend«37). Leuckarts Schüler J.H. Schmidt
unterscheidet bereits in seiner Dissertation aus dem
Jahr 1825 zwischen Ento- und Ectophyta sowie
Ento- und Ectozoa38 – und greift damit eine schon
seit längerem bestehende Terminologie auf (↑Symbiose). Der Sache nach differenziert auch A.P. de
Candolle 1832 zwischen diesen beiden Formen (»un
parasitisme […] externe ou interne«).39 In den 1840er
Jahren wird Leuckarts Terminologie von anderen Parasitenforschern wie C.M. Diesing und C.T. von Siebold aufgenommen.40
Ein Organismus, der in enger Assoziation mit einem Organismus einer anderen Art lebt und als Parasit erscheint, tatsächlich aber in keinem schädigenden
Verhältnis zu seinem Wirt steht, wird seit den 1830er
Jahren als Pseudoparasit bezeichnet. Das Wort wird
anfangs insbesondere auf epiphytisch wachsende
Pflanzen wie Lianen (von Martius 183541) und auf
Symbionten bezogen (van Mons 1835: »Quel est
le légume qui n’a pas sa plante pseudoparasite, une
Parasitismus
4
Abb. 360. Stadien aus
dem Lebenszyklus eines
Leberegels: Das Ei entwickelt sich zu einer frei
schwimmenden Larve
(a1); diese entwickelt
sich zu einer Sporozyste
(a2), wenn sie in eine
Schnecke gelangt; innerhalb der Sporozyste
entstehen Redien (b);
die wiederum Zerkarien
(c1) hervorbringen und
sich, nachdem sie von
einem Schaf aufgenommen wurden, zu dem
ausgewachsenen
Leberegel (c2) entwickeln
(aus Huxley, J. (1912).
The Individual in the
Animal Kingdom: 22).
plante particulière qui, sans être établie sur ses racines, vit des excrétions de ses racines?«42).
Der Botaniker A.B. Frank fasst 1877 unter dem
Pseudoparasitismus alle Fälle zusammen, »wo das
Auf- oder Ineinanderwachsen zweier Wesen durch
den Zufall bedingt, für keins der Beiden nothwendig
ist, indem keiner durch den andern ernährt wird, vielmehr nur eine mechanische Verbindung besteht, so
dass auch lebloses Substrat den tragenden Organismus ersetzen kann«.43 Beim »Parasitismus« müssten
die beteiligten Wesen dagegen »ganz und gar von
einem anderen Organismus, dem Wirth, beziehentlich der Nährpflanze, ernährt werden, ohne dass sie
diesem dafür eine Gegenleistung bieten«.44
Komplexe Lebenszyklen
Der Entwicklungszyklus von Parasiten verläuft nicht
selten über verschiedene Wirte und kann dabei sogar gezielte Manipulationen des Verhaltens der Wirte
einschließen. Ein bekannter und imposanter Fall ist
ein parasitischer Saugwurm (Leucochloridium), der
eine Schnecke (Succinea) als Zwischenwirt nutzt und
dabei sowohl das Aussehen als auch das Verhalten
der Schnecke in einer Weise verändert, so dass sie
leichter von einem Vogel gefressen wird, in dem der
Parasit seinen Entwicklungszyklus fortsetzen kann.45
Die von dem Saugwurm verursachte Verhaltensänderung der Schnecke besteht darin, dass diese sich
verstärkt im Sonnenlicht aufhält, um damit eher
von Vögeln entdeckt zu werden. In einem anderen
bekannten Beispiel beeinflusst ein Strudelwurm
(Dicrocoelium) das Verhalten seines Zwischenwirts
(Ameisen der Gattung Formica) in der Weise, dass
dieser sich an der Spitze von Grashalmen verbeißt
und dadurch leichter von dem nächsten Wirt, einem
weidenden Säugetier, aufgenommen werden kann.46
Diskutiert werden diese Manipulationen des Verhaltens des Wirts durch den Parasiten auch vor dem
Hintergrund des Konzepts des erweiterten Phänotyps
(↑Genotyp). R. Dawkins beurteilt 1982 das veränderte Aussehen und Verhalten der Schnecke in dem obigen Beispiel als einen Teil des erweiterten Phänotyps
des Parasitengenoms, weil es von dessen Genen bewirkt wird und deren Fitness erhöht. Ein Parasit ist
für Dawkins also nicht nur häufig räumlich in den
Wirt integriert, vielmehr können auch seine physiologischen Wirkungen integrale Bestandteile des Verhaltens des Wirts werden. Die Grenze zwischen Wirt
und Parasit kann in solchen Fällen nicht mehr morphologisch oder ethologisch gezogen werden, sondern allein funktional: Verhaltensweisen des Wirts,
die von dem Parasiten initiiert werden und dem Wirt
schaden, sind damit funktional nicht eigentlich dem
Wirt, sondern dem Parasiten zuzuordnen, eben als
Teil seines »erweiterten Phänotyps«. In der Koevolution von Wirt und Parasit kann es zu einer engen
physiologischen und ethologischen Durchdringung
von Wirt und Parasit kommen, in der die Grenze zwischen Parasitismus und Symbiose nicht mehr scharf
gezogen werden kann.
Formen des Parasitismus
Die am weitesten verbreitete Form des Parasitismus
betrifft Ernährungsbeziehungen: Ein Organismus
ernährt sich von der Körpersubstanz eines anderen
(Nahrungsparasitismus). Zwei andere Formen des
Parasitismus haben auch eine eigene terminologische
Bezeichnung erhalten: der Raumparasitismus bei
Pflanzen und Tieren sowie der Brutparasitismus bei
Vögeln und anderen Tieren. Den Ausdruck Raumparasitismus führt G. Klebs 1881 ausgehend von Untersuchungen von endophytisch wachsenden Algen
ein.47 Er wird seit den 1880er Jahren auch auf Tiere
übertragen.48 Nach F. Dahl (1910) liegt ein Raumparasitismus vor, wenn bei zusammen vorkommenden
Organismen einer den anderen »lediglich durch seine
Gegenwart, nicht durch seine Ernährung« schädigt.49
Der Brutparasitismus ist in Form des Verhaltens
des Kuckucks bereits in der Antike bekannt.50 Der
Terminus erscheint seit Mitte des 19. Jahrhunderts
(Schmarda 1866: »der Nest- und Brutparasitismus
einiger Vögel«51; engl. Davis 1904: »brood parasitism«52). W.M. Wheeler überträgt das Konzept 1910
auch auf Ameisen.53 Insgesamt sind etwa 85 Vogelarten, d.h. rund 1% aller bekannten Vogelarten interspezifische Brutparasiten.54 Neben dem interspezifi-
5
Parasitismus
schen Brutparasitismus ist auch der intraspezifische Brutparasitismus verbreitet, also das
Legen von Eiern in ein fremdes Gelege eines
Artgenossen.
Der Definition des Parasitismus gemäß
müssen auch viele Formen der heterotrophen Ernährung der Tiere als ›parasitisch‹
bezeichnet werden. Denn auch hier erfolgt
oft eine Schädigung des Beuteorganismus,
ohne dass dieser getötet wird, so z.B. in der
Regel bei Tieren, die sich von Pflanzen ernähren. Begrifflich durchaus konsequent
spricht H. Plessner in diesem Sinne 1928
von dem »konstitutiven Schmarotzertum
der tierischen Welt«.55 Im Unterschied zum
echten Schmarotzer ernähren sich viele herbivore Tiere allerdings nicht nur von einem
anderen Organismus, sondern von vielen.
Darüber hinaus sind aus einer thermodynamischen Perspektive alle Organismen
als Parasiten beschrieben worden. Denn
die Entwicklung und Aufrechterhaltung der
Ordnung einer dissipativen Struktur, die die Abb. 361. Entwicklungszyklus des Kleinen Leberegels (Dicrocoelium
Organismen thermodynamisch betrachtet dendriticum). A Endwirte (in denen sich die Larven zum erwachsenen
sind, kann nur lokal unter Energiezufuhr von Tier entwickeln): hauptsächlich Schaf und Rind, Mensch als Nebenwirt
der Umwelt erfolgen. Der Energieaustausch (»Zufallswirt«); 1 Geschlechtsreifer Leberegel; 1a Ei mit ausgebildemit der Umwelt ist also eine Voraussetzung tem Miracidium (Wimpernlarve); 2 Geschlüpftes Miracidium; B Erster
Zwischenwirt: Landschnecken; 3a-c Sporocysten, 3d Cercarie (Larve),
für die Aufrechterhaltung einer dissipativen 3e-f Schalen der Zwischenwirte; C Zweiter Zwischenwirt: Ameise; 4a
Struktur. E. Schrödinger formuliert es 1943 Von der Schnecke abgesetzte Schleimballen an einem Grashalm, 4b Einso, ein Organismus »ernähre« sich von »ne- zelner, von Schnecken abgesetzter Schleimballen, 5a Ameise verzehrt
gativer Entropie«56; er bestehe mittels eines Schleimballen, 5b Reife Metacercarie aus Ameise (aus Piekarski, G.
»Kunstgriffs«, dem »fortwährenden ›Auf- (1962/73). Medizinische Parasitologie in Tafeln: 98).
saugen‹ von Ordnung aus seiner Umwelt«57.
Im Anschluss daran werden Organismen mit Parasinieren diese als Nukleinsäuren, denen es gelingt, die
Genprodukte anderer Nukleinsäuren auszubeuten:
ten verglichen, »die sich von der Ordnungsstruktur
der Welt ernähren, selber aber nur Unordnung ver»A parasite can be considered to be the device of a
breiten« (Heuser-Keßler 1986).58
nucleic acid which allows it to exploit the gene products of other nucleic acids – the host organisms«60.
Parasiten auf genetischer Ebene
F. Dyson versteht darüber hinaus die Nukleinsäuren allgemein als die »Software« und die »Parasiten«
Nicht nur Organismen mit einem eigenen Körper und
Stoffwechsel, sondern auch Viren oder sich selbst-reder Aminosäuren, die die »Hardware« der Zellen darplizierende Elemente im Genom eines Organismus,
stellen.61 Hinter diesem Verständnis steht die Vorsteldie für diesen Organismus nicht funktional sind,
lung, dass das eigentliche ↑Leben der ↑Stoffwechsel
können als Parasiten beschrieben werden (Orgel &
ist, der an den Aminosäuren und Proteinen hängt,
Crick 1980: »Selfish DNA: the ultimate parasite«59).
nicht an der Reproduktionsfähigkeit.
Parasiten in diesem Sinne sind also Teile eines Organismus, die die eigene Reproduktion auf Kosten der
Häufige Lebensform
Reproduktion des Gesamtorganismus befördern. Ihre
Schätzungen gehen davon aus, dass die OrganisEntstehung kann erklärt werden durch eine Selektimen von weit mehr als der Hälfte aller existierenden
on nicht auf Ebene des Organismus, sondern seiner
Arten Parasiten sind.62 In der sehr gut untersuchten
selbst-replizierenden Teile (der DNA-Sequenzen). S.
Fauna der britischen Inseln sind Mitte der 1970er
Nee und J. Maynard Smith sprechen 1990 in einem
Jahre 20.244 Arten von Insekten bekannt; von dieweiten Sinne von molekularen Parasiten und defisen lassen sich 16.929 leicht einem Ernährungstyp
Parasitismus
6
hige Nachkommen zeugen kann. Die eigene
Infektion der Weibchen bildet also quasi ein
Gegengift zur Neutralisation der Infektion des
Paarungspartners. Diese Verhältnisse können
als Ergebnis einer Evolutionsstrategie der
Bakterien interpretiert werden.63
»Parasitogenetische Regeln«
Zur Beschreibung des Zusammenhangs zwischen Wirt und Parasit (Wirtsspezifität) werden
in der Mtte des 20. Jahrhunderts so genannte
»parasitogenetische Regeln« aufgestellt. Die
drei bekanntesten Regeln lauten64: 1. »Bei stetigen Parasiten lässt sich aus der Verwandtschaft
der Parasiten auf die Verwandtschaft der Wirte
schließen« (»Fahrenholzsche Regel«); 2. »Bei
stetigen Parasiten lässt sich aus der Organisationshöhe der Parasiten meist unmittelbar auf
das relative Stammesalter der Wirte schließen«
(d.h. »Primitive Wirte enthalten primitive Parasiten«, »Szidatsche Regel«); 3. »Wirtstiere, die
einer artenreichen Gattung angehören, besitzen
oft eine viel verschiedenartigere Parasitenfauna
als Wirtsarten wenig artenreicher Gattungen«
(»Eichlersche Entfaltungsregel«).
Abb. 362. Vier Modelle parasitischer Lebenszyklen, mit einer Sequenz
von einem, zwei, drei oder vier verschiedenen Wirtsarten. Offene
Kreise: Eier, gefüllte Kreise Larven oder Adultstadien der Parasiten
(aus Combes, C. (1995). Interactions durables. Écologie et évolution
du parasitisme, engl.: Parasitism. The Ecology and Evolution of Intimate Interactions, Chicago 2001: 37).
zuordnen, gut 72% davon dem Ernährungstyp des
Parasitismus (vgl. Abb. 363).
Die quantitativ häufigsten Parasiten auf der Erde
sind wahrscheinlich Bakterien der Gattung Wolbachia. Diese leben in den Zellen vieler Insekten und
werden über die weiblichen Eier von einer Generation zur nächsten weitergegeben. Im Dienste der eigenen Reproduktion ist es den Bakterien bei einigen
Wirtsarten gelungen, das Geschlechterverhältnis der
Wirtsinsekten so zu verschieben, dass fast ausschließlich Weibchen gebildet werden (denn durch die Bildung von Männchen werden sie nicht weitergegeben). In einigen Fällen können diese dann parthenogenetisch Nachkommen erzeugen; in anderen Fällen
gelingt es den Bakterien sogar, durch Veränderung
des Hormonhaushalts ein Männchen in ein Weibchen
umzubilden. Bei einem hohen Durchseuchungsgrad
in der Population kann es für ein Insektenweibchen
von Vorteil sein, selbst infiziert zu sein, weil sie
nach der Paarung mit einem infizierten Männchen
nur bei vorliegender eigener Infektion überlebensfä-
Evolution des Parasitismus
Eine evolutionstheoretische Deutung erfährt
der Parasitismus bereits bei Darwin, indem
er das Verhältnis dynamisch als einen Kampf
zwischen Parasit und Wirt versteht (»a sort of
struggle between the parasite and its prey«65).
Später ist es verbreitet, hier von einem »Wettrüsten«
zu sprechen und den Parasitismus als einen wesentlichen Motor der Evolution zu sehen. Die wechselseitige Bezogenheit von Wirt und Parasit aufeinander
bedingt es, dass jede Veränderung eines Organismus
eine Veränderung der Selektionsbedingungen für
den anderen nach sich zieht. L. Van Valen hat dieser
Autodynamik der Evolution 1973 den Namen RoteKönigin-Hypothese gegeben (nach einer Figur aus
L. Carrolls ›Through the Looking-Glass‹): Um mit
den Veränderungen in ihrer Umwelt Schritt zu halten, müssen sich die Organismen einer Population
beständig selbst verändern.66
Weil jeder Parasitismus definitionsgemäß zum
Schaden anderer Organismen erfolgt, die daraufhin
Mechanismen der Bekämpfung der Parasiten entwickeln, kann ein ausgeprägter Parasitismus als ein für
jede Interaktion selektionsgeschichtlich frühes Stadium angesehen werden. Der Selektionsprozess wird
sich in der Regel dahin entwickeln, den Schaden für
den Wirt zu begrenzen. W.M. Wheeler geht 1923
7
Parasitismus
Abb. 363. Ernährungstypen britischer Insekten (Anzahl der Arten in den größten taxonomischen Ordnungen). Insekten, deren
Ernährung nicht eindeutig einem Typ zugeordnet werden konnte, sind nicht berücksichtigt. Viele der aufgeführten Insekten
gehören nur in bestimmten Lebensphasen einem Typ zu: Viele Schmetterlinge (Lepidoptera) sind z.B. nur als Raupen parasitisch, als Imagines dagegen vielfach symbiontisch. Umgekehrt sind nicht wenige Fliegen (Diptera) (*) nur als Imagines
parasitisch (z.B. Vertreter der Familien der Culicidae, Ceratopogonidae und Simuliideae) (aus Price, P.W. (1977). General
concepts on the evolutionary biology of parasites. Evolution 31, 405-420: 406).
so weit, die Parasitismusvermeidung (besonders in
menschlichen Gemeinschaften) als einen »kategorischen Imperativ« der Biologie zu bezeichnen: »Biology has one great categorical imperative to offer to
us and that is: Be neither a parasite nor a host, and try
to dissuade others from being parasites or hosts«.67
Aufgrund seiner weiten Verbreitung wird dem
Parasitismus eine große Rolle in der Evolution der
Organismen zugeschrieben.68 Durch zunehmende
Spezialisierung auf bestimmte Wirtstypen haben
jeweils die von den typischen Vertretern einer Art
abweichenden Individuen einen Vorteil, so dass der
Parasitismus an der Wurzel einer beständigen Dynamik in der Koevolution von Wirt und Parasit stehen
kann. Hohe Variation, auf phänotypischer und genetischer Ebene, kann also das Ergebnis eines starken
Parasitendrucks in einer Wirtspopulation sein.69 Eine
besondere Bedeutung wird dem Parasitismus darüber
hinaus für die Erhaltung der Sexualität zugeschrieben (↑Geschlecht), weil diese einen Mechanismus
darstellt, eine hohe Variation in einer Population
aufrechtzuerhalten (und dabei doch keine Zufallsvariation erzeugt, sondern auf in der Vergangenheit
bewährte Kombinationen zurückgreift).
P.W. Price gibt 1977 eine Übersicht über einige allgemeine Prinzipien zur Charakterisierung der Evolution von Parasiten.70 Kennzeichnend ist danach die
Anpassung der Parasiten an kleinräumige, diskontinuierliche Umweltbedingungen, die sich aus der Bindung an einen Wirtsorganismus ergibt. Das für den
Parasiten nicht vorhersehbare Vorkommen des Wirts
bedingt die Schwierigkeit, auf Artgenossen zu treffen
und kann damit eine Erklärung für die weite Verbreitung von ungeschlechtlicher, parthenogenetischer
Fortpflanzung unter den Parasiten liefern. Die weite
Verbreitung der ungeschlechtlichen Fortpflanzung
wiederum führt zu einer starken Fraktionierung der
Genpools und bedingt damit insgesamt hohe Artbildungsraten und eine ausgeprägte adaptive Radiation.
Sympatrische Muster der Artbildung sind dabei offenbar mindestens ebenso wichtig wie allopatrische
durch geografische Isolation.
Super- oder Hyperparasitismus
Ein Super- oder Hyper-Parasitismus liegt vor, wenn
ein Parasit einen anderen Parasiten befällt. Verbreitete Superparasiten sind Schlupfwespen, die ihre
Parasitismus
Eier in die Larven von parasitischen Insekten legen,
die in anderen Insekten leben. Als hyperparasitisch
(»hyperparasitic«) werden Hymenopteren bereits
1833 bezeichnet.71 Von einer super-parasitischen
Lebensgeschichte (»super-parasitic history«) spricht
H. Woodward 1877, und zwar in Bezug auf einen
Krebs (Cryptothiria) und zwei Asseln (Bopyrus und
Cryptoniscus)72.
Die abstrakten Bezeichnungen für das Phänomen
Hyperparasitismus bzw. Superparasitismus werden
erst in der zweiten Hälfte des 19. bzw. im 20. Jahrhundert gebildet (Newman 1878: »In Diptera I have
observed the frequent occurrence of hyperparasitism,
that is when the fly has deposited its egg on or in the
larva of a Lepidopteron: the larva proceeding from
that egg has become the prey of a Biophagan, and
thus the original life has been forfeited; the life of the
dipterous destroyer has also been forfeited; and the
destroyer of the destroyer, or the hyperparasite, has
been the only life to escape«73; Fiske 1910: »superparasitism«74).
Parasitoid
Organismen, die allein im Larvenstadium parasitisch
leben und dabei ihren Wirt töten, im Adultstadium
aber freilebend sind, d.h. zu ihrer Ernährung nicht
mehr nur an einen Wirtsorganismus gebunden sind,
werden ›Parasitoide‹ genannt.75 Sie stehen in Bezug
auf ihre Ernährungsform also zwischen dem Parasitismus und dem Räubertum. Das Wort geht zurück
auf O.M. Reuter, der es 1913 prägt: »Parasitenartige
Raubinsekten (Parasitoïdea). Das Ei wird auf oder
unter die Haut des zukünftigen Raubes gelegt oder in
die nächste Nähe desselben. Die vom Raub lebende
Larve fängt nicht ihre Beute ein, sondern wird vom
Muttertiere damit versehen. In typischen Fällen stirbt
die Beute, nachdem sie zum größten Teil verzehrt
worden ist. Die Imago weicht in ihrem Bau nicht von
dem für die Ordnung typischen ab«.76
Die Bezeichnung wird 1923 von W.M. Wheeler übernommen77 und verbreitet sich im Anschluss
daran auch im englischen Sprachraum. In einem
nicht-terminologischen Sinn kommt der Ausdruck
bereits Mitte des 19. Jahrhunderts vor (Fowler 1860:
»Parasitoid«: »Resembling a parasite«78; Macdonald
1865: »parasitoid form of foetal development«79) Die
bekanntesten Parasitoide sind Hautflügler und Fliegen, die ihre Eier auf oder in die Wirtsorganismen
ablegen, von denen sich die Larven dann ernähren.
Schätzungen gehen davon aus, dass etwa 25% aller
Organismenarten auf der Erde Parasitoide sind.80
8
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