Riskante Investition in eine Wundertüte Privatanleger haben die Zertifikate entdeckt. Sie investieren riesige Summen – oft ohne zu wissen, wie diese Anlageinstrumente eigentlich funktionieren. Das ist riskant. eine andere Anlageform hat in den letzten Jahren solche Zuwachsraten verbucht wie die Zertifikate. Zertifikate sind wie Obligationen rechtlich gesehen Schuldverschreibungen. Sie werden von Banken ausgegeben. Im Unterschied zu Oblis gibt es in der Regel aber weder einen Festzins, noch ist der Rückzahlungsbetrag am Ende der Laufzeit festgelegt. Der Wert eines Zertifikats hängt von den Zertifikatsbedingungen und der Entwicklung des Basiswerts ab, auf den sich das Zertifikat bezieht. Das kann beispielsweise eine Einzelaktie, ein Index oder ein Rohstoff sein. K 2004 wuchs diese Anlageklasse in Deutschland gemäss Schätzungen um rund 40 Prozent, letztes Jahr sollen es gar 50 Prozent gewesen sein. Unterdessen haben deutsche Investoren 75 Milliarden Euro in Zertifikate angelegt. Das ist bereits ein Siebtel des in Anlagefonds investierten Betrages. Für die Schweiz fehlen Zahlen. Experten rechnen mit einem mittelfristigen Wachstum von 15 bis 20 Prozent pro Jahr. Solche Zuwachsraten sind nur möglich, weil die lange als Zockerpapiere verschrienen Zertifikate einer Renovation unterzogen wurden. Vor allem mit der relativ jungen Gruppe der Kapitalschutz- Zertifikate haben die Banken den Wunsch vieler Investoren getroffen. Welcher Investor möchte nicht sein Kapital schützen? Doch Kapitalschutz-Produkte sind längst nicht die einzigen Zertifikate. Die Vielfalt der rund 20 000 Papiere kennt kaum Grenzen. So kann man auf den Aluminiumpreis, exotische Aktienindizes, Frühstücksrohstoffe oder Schweinebäuche setzen. Für Vorsichtige gibts die erwähnten Kapitalschutzprodukte, für Gebührensparer Indexpapiere, für Zocker Hebelzertifikate und für Schnäppchenjäger Discount-Zertifikate. Egal ob die Kurse steigen, fallen oder an Ort treten, für jedes Szenario gibt es das entsprechende Papier. Die einen werden an der Börse gehandelt, die anderen nicht. Fonds und Zertifikate: Die wichtigsten Unterschiede Fonds Art des Managements Aktives Management (ausser bei Indexfonds): Umschichtungen im Rahmen der Anlagerichtlinien Preisfestsetzung Ausschüttung Kosten Laufzeit Rechtsform Dem Anlagefondsgesetz unterstellt 10 Zertifikat In der Regel kein Management: fixe, über die gesamte Laufzeit gleich bleibende Zusammensetzung. Umschichtungen nur nach genau definierten Regeln möglich Fixer Ausgabepreis, bei börsenkotierten Zertifikaten ändert sich der Kurs während der Laufzeit In der Regel keine Nettoinventarwert des Fonds geteilt durch Anzahl Anteile In der Regel jährlich (bei thesaurierenden Fonds reinvestiert) Ausgabekommission plus jährlich Kauf- und Verkaufsspesen, nicht ausbezahlte Dividenden, Kursspanne beim Kauf und Verkauf anfallende Fondsgebühren sowie die im Gewinnbeteiligungsfaktor enthaltenen Gebühren Unbegrenzt In der Regel 1 bis 5 Jahre Beteiligungspapier, ohne InsolSchuldverschreibung, mit Insolvenzrisiko des venzrisiko des Herausgebers Herausgebers Ja Nein Bei aller Vielfalt werden Kapitalschutz-Zertifikate aber eindeutig am meisten nachgefragt. Gemäss Schätzungen des deutschen DerivateForums machen sie knapp die Hälfte des Marktes aus. Der Mechanismus von Kapitalschutz-Zertifikaten lässt sich veranschaulichen am börsengehandelten Zertifikat Vontobel Units auf den SMI, Kapitalschutz 95 %, kurz Vuchi. Basiswert Jedes Zertifikat hängt von einem Basiswert ab. Beim Vuchi ist dies der Swiss Market Index (SMI), der die grössten 27 Schweizer Aktien umfasst. Der Anleger profitiert in begrenztem Mass von einer positiven Entwicklung des SMI. Bei einer negativen Entwicklung des SMI erhält der Anleger 95 Prozent seiner Investition zurück. Begrenzte Laufzeit Die meisten Zertifikate haben eine Laufzeit von einem bis fünf Jahren. Der Vuchi ist auf fünf Jahre angelegt, er läuft am 19. Juni 2009 aus. Mehr Sicherheit … Die Kapitalversicherung gilt immer nur für den Ausgabepreis des Zertifikats. Kursavancen während der Laufzeit sind nicht versichert. Der Schutz wird erst am Ende der Laufzeit wirksam, bei einem vorzeitigen Verkauf ist die Anlage nicht geschützt. Der Vuchi verfügt über einen 95-prozentigen Kapi- Das Zertifikat – das unbekannte W talschutz. Das Zertifikat wurde im Juni 2004 für Fr. 568.15 herausgegeben und ist im Juni 2009 mindestens 95 Prozent davon oder Fr. 539.74 wert. … aber weniger Rendite Je besser der Schutz, desto weniger Renditechancen. Beim Vuchi liegt der maximale Gewinn gegenüber dem Ausgabepreis bei 24 Prozent. Das entspricht einem Stand des SMI von 7329 Punkten am Ende der Laufzeit. Der Anleger erhält im Juni 2009 maximal Fr. 704.50 – auch wenn der SMI dann bei 8000 oder 9000 Punkten steht. K-Geld 1/2006 Risiken und Prognosen Das Zertifikate-Einmaleins delte Zertifikate können vor Ende der Laufzeit oft nur sehr schwer verkauft werden. Wie seriös ist der Herausgeber des Zertifikats? Zertifikate sind rechtlich Schuldverschreibungen. Anders als bei Fonds trägt der Anleger das Insolvenzrisiko des Herausgebers. Fazit: Vor allem kompliziert aufgebaute Papiere taugen nur für erfahrene Anleger, die Renditechancen und damit verbundene Risiken gegeneinander abwägen können. Kaufen sollte nur, wer den Mechanismus des Zertifikats von A bis Z versteht. Ende der Laufzeit unter 6442 Punkten notieren wird. Nicht alle KapitalschutzProdukte verfügen aber über einen unbedingten Kapital- schutz. Bei vielen entfällt diese Sicherheit, sofern der Basiswert unter einen bestimmten Wert fällt. Ein eigenartiges Schutzverständnis: Kleinere Verluste sind abgesichert, Grossverluste nicht. Eine genaue Prüfung des Schutzes ist daher unabdingbar. Einer genaueren Betrachtung sollte man auch die Gebühren von Zertifikaten unterziehen. Das ist jedoch nicht immer einfach. Die Banken kassieren einerseits Kauf- und Verkaufsspesen, Verwaltungsgebühren und – sofern man ein Zertifikat an der Börse kauft – den Kursunterschied bei Anund Verkauf, den so genannten Spread. Anderseits behält die Bank in der Regel die Dividenden zurück, die auf den Basistiteln ausbezahlt werden. Das schmälert die Rendite schnell um weitere 1 bis 2 Prozent pro Jahr. Aber nicht alle Zertifikate sind Gebührenfresser. Indexzertifikate zum Beispiel sind günstiger als Indexfonds oder Indexaktien (ETF) und vor allem als herkömmliche Fonds. Als Faustregel gilt: Je komplizierter das Papier, desto höher sind die Spesen. Ende der Laufzeit und nur für den Nominalbetrag, zu dem das Zertifikat herausgegeben wurde. Obligation plus Ein grosser Obliteil wird mit einem Aktien- oder Optionenkorb aufgepeppt. Vorsicht: Unterschreitet der Basistitel ein bestimmtes Kursniveau, entfällt die Absicherung. Dies ist der Preis für die verbesserten Renditechancen. Mehr Rendite Dabei handelt es sich um Papiere, die meist ein eng um- RDB/CORBIS Vor dem Kauf eines Zertifikats sollte man folgende Fragen klären: Wie funktioniert das Zertifikat und wie reagiert es auf unterschiedliche Marktentwicklungen? Welche Risiken gehe ich ein? Was kann ich tun, wenn meine Prognose nicht zutrifft? Unter welchen Bedingungen kann ich das Zertifikat vorzeitig verkaufen? Wer ein börsengehandeltes Zertifikat in Krisensituationen vorzeitig verkaufen will, muss allenfalls starke Einbussen in Kauf nehmen. Nicht börsengehan- te Wesen: Kleinanleger haben Milliarden in die Papiere investiert Der Vuchi ist ein Zertifikat, das an der Börse gehandelt wird. Anfang Januar war er für Fr. 614.– zu haben. Wer damals einen Vuchi gekauft hat, erzielt im Juni 2009 eine Rendite von 14,7 Prozent, sofern der SMI dann bei mindestens 7329 Punkten steht. Das maximale Verlustrisiko liegt bei 12,1 Prozent, falls der SMI bei Martin Vetterli Die wichtigsten drei Kategorien Licht in den Zertifikate-Dschungel Der Wildwuchs ist enorm. Jede Bank hat ihr eigenes System, jede verwendet unterschiedliche Begriffe. Vergleiche zwischen ähnlichen Zertifikaten sind kaum möglich. Zudem gibt es unzählige Mischvarianten. K-Geld 1/2006 Grob lassen sich Zertifikate drei Kategorien zuordnen: Kapitalschutz Einerseits sichert man sich gegen Verluste ab, anderseits verzichtet man auf einen Teil der Rendite. Vorsicht: Der Schutz gilt erst am rissenes Anlagethema umfassen wie Rohstoffe und europäische Finanzaktien. Sie enthalten oft einen gewissen Anteil an Optionen, um die Renditechancen gegenüber Aktienprodukten zu verbessern. 11