Gründruck der VDI-Richtlinie 4062 Diskussion eröffnet Dr. Joachim Lindner Die Evakuierung in einem Notfall muss vorbereitet sein, egal wo, warum und wann der Notfall eintritt. Um den Stand der Technik zu beschreiben, entstand die VDI 4062. Bei der Evakuierung im Notfall geht es um die Selbstrettung und nicht die Fremdrettung durch die Feuerwehr. In diesen Tagen wird der Gründruck der Richtlinie vorgestellt. Was ist ein Gründruck? Ein Ausschuss des VDI der eine Richtlinie erarbeitet, setzt sich aus ehrenamtlichen Fachleuten aus den Bereichen Forschung und Lehre, Industrie, technischer Überwachung und öffentliche Hand zusammen und erarbeitet eine Richtlinie auf seinem Fachgebiet. Es werden Personen, nicht Firmenvertreter/Verbandsvertreter berufen. Das unterscheidet von der Berufung in DIN-Ausschüsse. Ergebnis dieses fachlichen Erfahrungsaustausches von Personen ist ein VDI-Richtlinien-Entwurf (Gründruck), welcher immer einem öffentlichen Einspruchsverfahren unterzogen wird. Erst nach der sorgfältigen Prüfung und Beratung der eingegangenen Einsprüche wird die endgültige Fassung (Weißdruck) einer VDI-Richtlinie verabschiedet. Dieses Vorgehen soll Neutralität gegenüber wirtschaftlichen Einzelinteressen sowie Akzeptanz und Praxisnähe gewährleisten. Der Weißdruck wird automatisch nach fünf Jahren auf Aktualität geprüft. Am 20.08.2014 wird in Düsseldorf der Gründruck der Richtlinie VDI 4062 Evakuierung im Rahmen einer Veranstaltung des VDI der Öffentlichkeit vorgestellt. Dies ist der Beginn der öffentlichen Diskussion für diese Richtlinie. Die VDI-Richtlinien bilden eine der bedeutendsten Sammlungen praxisorientierten aktuellen Technikwissens und stellen den aktuellen Stand der Technik laufender und zukünftiger Entwicklungen dar. Sie bilden eine Arbeitshilfe mit klaren Beurteilungs- und Bewertungskriterien für den praktischen Arbeitsalltag. Jedes Jahr erscheinen fast 200 neue VDI-Richtlinien. Mit den VDI-Richtlinien beschreibt der VDI geprüfte Verfahren und schafft Vertrauen in die Sicherheit und Qualität deutscher Industriegüter und Dienstleistungen. VDI-Richtlinien sind ein Leitfaden für die Verständigung zwischen Herstellern, Verarbeitern und Anwendern. Dies gilt auch für den internationalen Markt: So sind VDI-Richtlinien häufig Grundlage für die europäische und internationale Normung und sichern damit Qualitätsstandards und Vergleichbarkeit. Evakuierungskonzept In der folgenden Darstellung sollen nur die wesentlichen Punkte der VDI 4062 beschrieben werden. Das Thema ist sehr umfangreich und unterliegt einer großen Schwankungsbreite in Abhängigkeit des zu evakuierenden Objektes. Wenn Gefahren für Personen nicht abgewehrt werden können, muss evakuiert werden. Betroffenen werden schnellstens aus dem gefährdeten Bereich in einen sicheren Bereich, den Sammelplatz, gebracht. Bild: Thommy Weiss/Pixelio Häufig wird in Deutschland das Wort Räumung für eine Evakuierung in Arbeitsstätten verwendet. Die Polizei oder der Gerichtsvollzieher verwenden dieses Wort aber auch für ihre Aufgaben auf anderen Rechtsgrundlagen. Im Rahmen der Internationalisierung der Arbeitswelt bürgern sich internationale Begriffe immer mehr ein. Der Begriff Evakuierung findet sich in vielen Sprachen mit geringen Variationen und ist fast jedem geläufig. Zur Unterscheidungen von Massenevakuierungen der Bevölkerung im Katastrophenschutz behandelt die VDI 4062 die Kurzzeitevakuierung und nicht die Langzeitevakuierung. Kurzzeitige Evakuierung wird in unvorhergesehenen Fällen mit akutem Handlungsbedarf, der hauptsächlich zu einer Selbstrettung führt, vorgenommen. Eine Langzeitevakuierung ist eine Evakuierung, bei der man Zeit hat, sich organisiert in einen sicheren Bereich zu bewegen. Dabei werden auch Sachwerte geborgen. Diese Art der Evakuierung trifft man im Rahmen des Katastrophenschutzes an. Es wird zurzeit sogar ein ISO-Standard unter dem Titel Mass-Evacuation erarbeitet. Aus diesen Gründen wurde für die VDI Richtlinie 4062 das Wort Evakuierung gewählt. Das Ziel eines Evakuierungskonzeptes ist es, alle Betroffenen schnellstens aus dem gefährdeten Bereich in einen sicheren Bereich zu bringen. Ein sicherer Bereich ist in erster Linie der Sammelplatz im Freien in sicherem Abstand vom betroffenen Objekt. Ein weiterer sicherer Platz kann der benachbarte Brandabschnitt sein. Die Entscheidung zur Evakuierung ist immer das letzte Mittel, wenn alle anderen vorgelagerten Sicherheitsmaßnahmen nicht zum Erfolg geführt haben oder versagten. Evakuierung ist keine Arbeitsschutzmaßnahme, sondern eine Notfallmaßnahme. Es ist die letzte Möglichkeit, Personen zu schützen. Die Evakuierung soll sicherstellen, dass keine schädlichen Einwirkungen durch das Ereignis auf Personen erfolgen. Der Beginn einer Evakuierung liegt immer in der „Chaosphase“, wenn es noch keine wirksame zentrale Führung gibt. Aus der Chaosphase muss zügig, aber schrittweise in die Ordnungsphase übergeleitet werden, in der die zentrale Führung wirksam handeln kann. Aus diesem Grund ist es wichtig, dass ausreichende Vorgaben für die Chaosphase gemacht werden, die nahtlos an die später einsetzende zentrale Führung (Ordnungsphase) anknüpft. In Verkaufsstätten, Versammlungsstätten und vergleichbaren Objekten wird man sich hierbei nur auf das eigene Personal konzentrieren können, was die Ausbildung für diesen Fall angeht. Es muss aber gut auf die Lenkung von Menschenmassen, die nicht mit der Situation vertraut sind, geschult werden. Der Aufwand hängt nicht nur von der Art des Ereignisses ab, sondern auch sehr stark davon, in welchem Objekt das Ereignis stattfindet. Schnittstellen definieren Das Evakuierungskonzept ist eine Untermenge der betrieblichen Gefahrenabwehr. Es nutzt die vorhandenen Konzepte (Anlagenschutz-, Arbeitsschutz-, Brandschutz-, Sicherungs-, Alarmierungskonzept) und definiert die Schnittstellen zu Nachbarbereichen. Neben den Konzepten der betrieblichen Gefahrenabwehr können das Schnittstellen zum Risk Management, Business Continuity Management (BCM) und anderen Organisationseinheiten sein. Auch die betriebliche Rettungskette gilt weiter im Evakuierungsfall. Das Evakuierungskonzept muss ein integraler Bestandteil der betrieblichen Gefahrenabwehr sein und in der Chaosphase bereits funktionieren, da der Zeitfaktor bei der Evakuierung das zwingende Element ist. Im Gegensatz dazu steht die Evakuierungen im Katastrophenschutz, wo es bei Hochwasser und anderen Ereignissen in der Regel eine relativ lange Vorlauf gibt, welcher für Planungen genutzt werden kann. Bei Ereignissen wie Halleneinsturz, Fallen eines Baukrans auf ein Gebäude, Brand, Explosion, Eisenbahn-, U-Bahn und Straßenbahnunfällen, Gefahrstofffreisetzung, terroristischen Ereignissen wie Sprengstoffanschlägen, etc. gibt es keine Vorlaufzeiten. Noch in der Chaosphase fängt die Evakuierung an und ist im günstigen Fall beendet, wenn die innerbetriebliche Gefahrenabwehr voll einsatzfähig ist und/oder die öffentliche Gefahrenabwehr eintrifft. Es laufen hier zwei Prozesse (Evakuierung und geordnete Gefahrenabwehr) zunächst parallel nebeneinander, die schnellstmöglich in ein geordnetes Miteinander übergehen müssen. Die Koordinierung aller Maßnahmen muss so schnell wie möglich sichergestellt werden. Dies funktioniert aber nur bei guter theoretischer und praktischer Vorbereitung. Bei der Evakuierung im Notfall geht es um die Selbstrettung und nicht die Fremdrettung durch die Feuerwehr. Selbstrettung bedeutet, dass mit Hilfe des Evakuierungskonzeptes die Evakuierung aller erreicht wird, bevor die Feuerwehr eintrifft und die Personen unbeschadet aus der Situation herauskommen. Das ist der Idealfall. Die Eintreffzeit der Feuerwehr ist in den Bundesländern geregelt und daher auch sehr unterschiedlich. Nur für Werkfeuerwehren gilt die fünf Minutenregel als Eintreffzeit bundeseinheitlich auf Grund der Anforderung bei der Löschwasserrückhaltung. Öffentliche Feuerwehren treffen nach acht Minuten und mehr ein - je nach Vorgaben des Bundeslandes. Diese Eintreffzeiten sind Vorgaben und können in Abhängigkeit von tagesaktuellen Ereignissen, die nicht planbar sind, abweichen. Deswegen ist man ab einem Erreichungsgrad von 90 Prozent in allen Fällen auch im akzeptablen Bereich. Die gemeinsame Übung mit der Feuerwehr wird in der Praxis oft angetroffen. Es ist nicht falsch, mit der Feuerwehr gemeinsam zu üben, aber bitte erst dann, wenn das Evakuierungskonzept zur Selbstrettung funktionstüchtig ist. Ab diesem Zeitpunkt kann man die Schnittstelle Selbstrettung/ Fremdrettung mit der Feuerwehr erproben. In einigen wenigen Fällen wird man nicht nur auf die Selbstrettung setzen können, besonders bei mobilitätseingeschränkten Personen. Evakuierung in einem Notfall muss vorbereitet sein egal wie, wo, warum, für wen, was der Notfall ist und wann der Notfall eintritt. Die VDI Richtlinie 4062 Evakuierung ermöglicht in 15 Schritten eine optimale Vorbereitung auf eine Evakuierung. 1 Anwendungsbereich 2 gesetzliche Grundlagen und Normen 3 Begriffe 4 auslösende Faktoren 5 Bestandsaufnahme 6 Aufgabenbeschreibung 7 Beurteilung der auslösenden Faktoren 8 Evakuierungskriterien und deren Aufhebung 9 Alarmierung zur Evakuierung 10 Kommunikation 11 mobilitätseingeschränkte Personen 12 Verhalten während der Evakuierung 13 Übung 14 Nachbereitung 15 Dokumentation Der Schwerpunkt liegt auf der Selbstrettung. Das Evakuierungskonzept beschreibt die Selbstrettung der Betroffenen auf Grund von: • Ergebnis der Bestandsaufnahme • Evakuierungskriterien • Alarmierungsmöglichkeiten • die sicheren Wege zum Sammelplatz • Aufgaben der notwendigen Helfern • Kommunikation • Verbleib der Betroffenen nach Evakuierung • Rückkehrkonzepte • Schnittstellen Fremdrettung erfolgt in der Regel durch Feuerwehr, Rettungsdienst, seltener durch Personal des Objektes etc., wenn die zu evakuierende(n) Person(en)sich nicht mehr selbst retten kann/können. Besonders bei mobilitätseingeschränkten Personen ist die Schnittstelle Selbst-/Fremdrettung sehr sorgfältig zu betrachten und festzulegen. Der Übergang von der Selbstrettung zur Fremdrettung kann fließend sein. 1 Anwendungsbereich Die Definition, für wen das Evakuierungskonzept gilt, begrenzt den Aufwand und berücksichtigt interne und externe Schnittstellen. Das ist immer dann besonders wichtig, wenn mehrere Organisationen ein Gebäude gemeinschaftlich als Mieter/Pächter nutzen oder Teilevakuierungen geplant werden müssen. Komplexe Anlagen, Gebäude etc. können hierbei zu Teilevakuierungsplänen führen, die aber in einem Gesamtkonzept koordiniert sein müssen. 2 Gesetzliche Grundlagen und Normen Die gesetzlichen Grundlagen wie z.B. Arbeitsschutzgesetz und die entsprechenden Ländergesetze zum Brandschutz, Rettungsdienst und Katastrophenschutz gelten für alle. In Abhängigkeit von der Branche oder dem Ort können aber weitere unterschiedliche Gesetze (zum Beispiel Sonderbauordnungen der Länder, Krankenhausgesetze der Länder, BImSchG, Gefahrstoffrecht, Eisenbahnrecht, etc.) zum Tragen kommen. Das muss im Einzelfall daher vorab geklärt werden. Normen sind insoweit betroffen, als Feuerwehrpläne, Flucht und Rettungswege sowie andere Normen, zum Beispiel aus dem Baurecht, berücksichtigt sein müssen. Nicht zu vergessen sind die Regelwerke und Informationen (Regeln, Informationen und Grundsätze) der zuständigen Deutschen Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV), zum Beispiel Grundsätze der Prävention und/oder Einsatz von Feuerlöschanlagen mit sauerstoffverdrängenden Gasen, etc. 3 Begriffe Die verwendeten Begriffe müssen allen geläufig und eindeutig definiert sein. Insbesondere wenn mit Stichworten gearbeitet wird, muss jeder über die Bedeutung des Stichwortes informiert sein. 4 Auslösende Faktoren Die auslösenden Faktoren sind in folgende Gruppen zu unterscheiden: unternehmensspezifische Szenarien Nachbarschaftsszenarien mögliche Bedrohungsszenarien (Security) Naturereignisse Unternehmensspezifische Szenarien Auf Grund der vorhandenen Gefährdungsanalysen im Arbeitsschutz kann man die möglichen auslösenden Faktoren im eigenen Unternehmen gut ermitteln. Neben Brand, Explosion und Gefahrstofffreisetzung sind auch mechanische Ereignisse (zum Beispiel Einstürze) zu betrachten. Nicht vorhandene Gefahren werden natürlich mit einer entsprechenden Begründung ausgeschlossen. Nachbarschaft Szenarien Nachbarschaft Szenarien beinhalten Gefahren, die von der Nachbarschaft ausgehen können. Dazu gehören der Verkehr auf Schienen, Straßen oder Wasserstraßen, der Luftverkehr nur, wenn das Objekt in einer Einflugschneise liegt. Schadensereignisse dort können sich negativ auf das eigene Objekt auswirken und zu einer Evakuierung führen, die aber andere Maßnahmen erfordern kann wie bei einem vergleichbaren internen Ereignis. Ein weiterer Hinweis kann die Störfallbroschüre eines benachbarten Betriebes sein, die auf Grund des BImSchG an die Nachbarn verteilt werden muss. Notfalls gibt die zuständige Genehmigungsbehörde für Störfallanlagen Auskunft, ob man von dieser Regelung betroffen ist. Auch die örtliche Brand- und Katastrophenschutzbehörde ist über diese Fälle informiert und kann befragt werden. In diesen Fällen ist zu prüfen ob eine Evakuierung sinnvoll ist oder in Abhängigkeit vom möglichen Ereignis ein Aufsuchen des inneren Sammelplatzes. Die Auswirkung einer Gefahrstofffreisetzung im Freien auf dort befindliche Personen kann möglicherweise kritischer sein als der Aufenthalt dieser Personen in einem geschützten Gebäude, solange der Gefahrstoff dort nicht über Türen, Fenster, Lüftungs- und Klimaanlage eingedrungen ist. Für diesen Fall sind spezielle Maßnahmen zu planen und deren Umsetzung im Gefahrenfall zu sichern. Hinzu kommt die laufende Lagebeurteilung des Ereignisses, das nicht in das übliche Betriebsschema passt und damit auch schwerer zu beurteilen ist. Mögliche Bedrohungslagen Eine Bedrohung ist eine ernste Gefährdung mit der bloßen Möglichkeit, dass ein Schaden am Mensch oder am Objekt (Unternehmen, Gegenstand) oder ein Eintritt der Gefährdung des angegriffenen Rechtsgutes entstehen kann. Hier ist der Anlass immer eine kriminelle Handlung. Wobei nicht nur der Amoklauf zu betrachten ist, der andere Maßnahmen wie eine normale Evakuierung erfordert und hier nicht beschrieben wird. Es sind auch Sprengstoffanschläge, Pakete mit verdächtigem Inhalt u.ä. und deren möglichen Auftauchen an Orten, die eine Evakuierung erfordern, zu betrachten. Hinzu kommen Überlegungen wo würde ein Täter oder eine Tätergruppe einen Anschlag machen. Kritische Orte müssen ermittelt werden z.B.: Transformatorenstationen, Gasübergabestationen, Wassergewinnung, Läger, Poststelle oder andere profilierte Objekte. Als mögliche Ausgangsszenarien bei Bedrohung gelten • Brandanschlag • Bomben- / Anschläge Sprengstoffanschlag • Anschlag mit biologischen / chemischen Agenzien • Geiselnahme • Kriminelle Handlungen Mögliche Auswirkungen dieser Szenarien in Richtung Evakuierung sind zu berücksichtigen und im Evakuierungskonzept für diesen Fall festzuhalten. Diese Ereignisse sind gar nicht so selten und hängen oft mit dem politischen Umfeld zusammen. Die Reaktion auf das folgende Beispiel ist zum Teil auch von der öffentlichen Planung abhängig. Beispielsweise kann die Sperrung eines Flughafengeländes und seines Umfeldes durch die Polizei zur Folge haben, dass zunächst Unbeteiligte nicht ihren gewohnten Heim-oder Arbeitsweg antreten können. Obwohl sie von dem eigentlichen Ereignis nicht betroffen sind, die Straßensperrungen aber auf unbestimmte Zeit zu Ersatzmaßnahmen zwingen. Hier sind rechtzeitig Ersatzwege zu planen, was nur mit entsprechender Ortskenntnis der Umgebung möglich ist. Gegebenenfalls sind Absprachen mit den Behörden erforderlich. Das sind zwar Randprobleme im Rahmen der Evakuierungsplanung, aber für die Betroffenen immer mehr als unangenehm, besonders wenn der Fall nicht vorbereitet ist. 4.4 Naturereignisse Naturereignisse wie Hochwasser, Starkregen, extremer Schneefall, Eis, Hagel, Sturm, Orkan etc. können ebenso zu einer Evakuierung führen wie Erdbeben, Massenbewegung (Bergsturz) Überschwemmungen, Flächenbrände oder sonstige Auslöser. Diese Ereignisse sind als weitere Variante in Abhängigkeit von der geographischen Lage zu betrachten und die Reaktion darauf festzulegen. 5. Bestandsaufnahme der Ist –Situation als Grundlage für Evakuierungskonzept 5.1 Bauliche Substanz Bauliche Einrichtungen für Flucht und Rettung, Brandschutz, Entrauchung etc. sind zu erfassen. Der Abgleich der Baugenehmigung und gegebenenfalls anderer Genehmigungen mit dem Istzustand definiert das Objekt incl. seiner Nachbarschaft. Falls für den Bauantrag ein Nachweis zur Entfluchtung vorgelegt werden musste, erleichtert das die Planung, aber ersetzt nicht das Evakuierungskonzept. Die RiEMA Richtlinie für Mikroskopische Entfluchtungs-Analyse (http://www.rimea.de/de/rimea-projekt/richtlinie-fuer-mikroskopischeentfluchtungsanalysen/6-entfluchtungsanalyse/ ) erbringt nur den theoretischen Nachweis der gesicherten Entfluchtung unter definierten Bedingungen zur Erlangung der Baugenehmigung und keine Organisationsvorgaben wie die VDI 4062. Insofern ergänzen sich beide Richtlinien und stören sich nicht. In der Regel berücksichtigen die Entfluchtungskonzepte nur das Brandschutzkonzept zur Erlangung der Baugenehmigung. Können auch andere auslösende Faktoren eintreten, ist zu prüfen, ob die Aussagen für den Brandfall noch anwendbar sind oder nicht. Das hängt z.B. auch von den verwendeten Gefahrstoffen ab. Das Evakuierungskonzept muss jede Änderungen –also den Ist-Zustand –und nicht den Bauantragszustand berücksichtigen. Evakuierungskonzepte müssen aber schon in der Bauphase vorhanden sein und sich dem Baufortschritt anpassen. Es können durchaus provisorische Fluchtwege erforderlich sein. Das Evakuierungskonzept reagiert dynamisch auf die Veränderungen im Betrieb. 5.3 Technische Einrichtungen Die Energiekonzepte (Strom, Gas, Dampf, ÖL, Wasser u.ä.) sind ebenso in die Betrachtung einzubeziehen wie Lüftungs- und Klimaanalgen. Letztere können sowohl im Gefahrenfall helfen, als auch z.B. Gefahrstoffe im Objekt verteilen! Auch Produktleitungen sind in die Betrachtung einzubeziehen. Besondere Anforderungen durch Genehmigungen auf Grund anderer Rechtsgrundlage als des Baurechts sind entsprechend zu berücksichtigen. Ist ein Brandschutzkonzept vorhanden, werden seine Definitionen in das Evakuierungskonzept übernommen. Die Länge der Flucht und Rettungswege kann durch spezielle Umstände variieren und müssen im Evakuierungskonzept betrachtet werden. Auch besondere Anforderungen durch Löschanlagen oder übergroße Brandabschnitte haben Einfluss auf das Evakuierungskonzept. In diesen Fällen sind die dadurch bedingten Maßnahmen zu beschreiben. 5.4 Alarmierungseinrichtungen Abhängig von der Infrastruktur des Unternehmens oder eventuellen behördlichen Auflagen werden die technischen Einrichtungen zur Alarmierung im Evakuierungskonzept festgelegt. Die Alarmierung kann auch durch handbetriebene Einrichtungen erfolgen. Elektroakustische Anlagen sind zwar optimal, aber kaum anzutreffen. Selten ist ein Alarmierungsweg ausreichend. In vielen Fällen müssen auch Führungskräfte, Angehörige der betrieblichen Gefahrenabwehrorganisation(BGO) alarmiert werden, die nicht im betroffenen Objekt anwesend sind. Diese Alarmierungswege sind zusätzlich zur Alarmierung im Gebäude festzulegen. Selbstverständlich ist das Zwei- Sinne- Prinzip ( z.B. Durchsagen und Lichtzeichen oder digitale Anzeigen z.B. auf Telefondisplays ) bei der Alarmierung anzuwenden. Optimal ist die Beschilderung der Flucht und Rettungswege dynamisch zu gestalten, welche zu den Sammelplätzen führen. Allerdings sind diese Anlagen derzeit noch kaum installiert. 5.5 Technische Ausstattungen zur Evakuierung Diese sind spezifisch für das Objekt auszuwählen. Auch die Unterbringung in der Nähe der Helfer erfordert Platz bzw. Behältnisse. Der Helfer muss unverzüglich über diese Ausrüstung verfügen, da er keine Zeit hat für lange Wege. Die Helferweste kennzeichnet ihn eindeutig gerade für Besucher/Kunden und erleichtert damit seine Aufgabe. Neben Evakuierungsstühlen ist auch die persönliche Schutzausrichtung( z.B. Warnweste, Taschenlampe, Megaphon, Checkliste für seine Aufgaben etc. ) für die Helfer im erforderlichen Maß festzulegen. In wenigen Fällen kann auch für die Mitarbeiter eine spezielle Ausrüstung erforderlich sein(z.B. Atemmasken für die Flucht) 5.6 Ist-Organisation zur Evakuierung Die Aufbau-und Ablauforganisation muss im Evakuierungskonzept berücksichtigt werden. Hierbei spielt auch die Pflichtenübertragung nach BGVA1 eine wichtige Rolle. Keinesfalls kann das Evakuierungskonzept eine Führungsorganisation neben der vorhandenen Hierarchie aufbauen. Die Einbindung des Evakuierungskonzeptes in die Organisation des Betriebs und der betrieblichen Gefahrenabwehrorganisation(BGO) ist eine wesentliche organisatorische Maßnahme und muss im Bestand abgeprüft werden. 5.7 Personen Neben der Erfassung der Personen mit festen Funktionen im Evakuierungsfall entsprechend ihrer Vorgesetztenfunktion oder ihrer Qualifikation als Helfer (Ersthelfer, Brandschutzhelfer, etc.) ist die Anzahl der zu Evakuierenden(Mitarbeiter, Fremdfirmen, Besucher/Kunden) festzustellen. Durchschnittliche Anwesenheitszahlen in Abhängigkeit von der Tageszeit sind hier hilfreich. Mobilitätseingeschränkte Personen sind als besondere Personengruppen gesondert zu erfassen. 5.8 Besondere Gefahren erhöhende Aspekte Die geographische Lage des Objektes durch Nutzung öffentlicher Flächen, Gefahrstoffe, hohe Brandlasten und /oder schnelles Abbrand Verhalten der verwendeten Produkte, sowie andere Ortsbedingte Gefahren können zu zusätzlichen Aufgaben für das Evakuierungskonzept führen. Vorübergehende Baumaßnahmen können die Gefahren ebenso erhöhen wie eine hohe Fluktuation der Nutzer (Verkaufsstätten, Versammlungsstätten etc.)oder wechselnde Baukolonnen auf Neubauten oder während Umbauarbeiten. Gegebenenfalls ist für so eine Baustelle im laufenden Betrieb ein temporäres Evakuierungskonzept erforderlich, um die erhöhte Gefahr zu mindern. 5.8 Zu berücksichtigende Schnittstellen Das Evakuierungskonzept hat als Bestandteil des Gesamtsicherheitskonzeptes viele Schnittstellen zu anderen internen (BGO) und externen (Gefahrenabwehrbehörden, Nachbarschaft, etc.) Konzepten und nutzt dort vorhanden Ressourcen. Das erleichtert auch die Pflege der Daten. 5.10 Sammelplätze Sammelplätze müssen grundsätzlich in einem sicheren Bereich eingerichtet werden und ausreichend Platz für die aufzunehmenden Personen bieten. Ein rechnerischer Nachweis muss erbracht werden, dass alle zu evakuierenden Personen untergebracht werden können. In vielen Evakuierungskonzepten ist der fehlende rechnerische Nachweis ein Schwachpunkt. Nicht nur außerhalb des Trümmerschattens müssen die Sammelplätze liegen, sondern auch außerhalb des Einflussbereiches von Rauch oder Gefahrstoffen. Wenn nötig müssen auch Wettereinflüsse wie z.B. Gewitter oder extremen Temperaturen bei Evakuierungen berücksichtigt werden. Innere Sammelplätze müssen gegen Einflüsse von außen geschützt sein. Vermeidung des Eindringens von Rauch oder Gefahrstoffen über Lüftungs- und/oder Klimaanlagen ist Grundvoraussetzung. Die Nutzung öffentlicher Flächen muss vorab mit der Ordnungsbehörde abgestimmt sein. Hier kann es zu aufwendigen Auflagen kommen, um die Sicherheit während der Evakuierung zu gewährleisten. 5.11 Wiederkehrende Maßnahmen Im Evakuierungskonzept sind wiederkehrende Maßnahmen festzulegen bzw. ist auf in anderen Konzepten vorhandene Maßnahmen dieser Art zurückzugreifen. Die Überwachung dieser Maßnahmen ist zu regeln bzw. auf bestehende Regeln zu verweisen. Soweit in einzelnen Gesetzen, Verordnungen oder technischen Regelwerken noch Fristen gesetzt sind, gelten diese. In allen anderen Fällen müssen diese festgelegt werden. Wesentliche Änderungen erfordern besondere Maßnahmen im Einzelfall. 5.12 Awareness Programm für Evakuierung Nicht nur eine pflichtgemäße Unterweisung ist erforderlich, sondern auch ein Programm zur Akzeptanzsteigerung. Das kann durch entsprechende regelmäßige Berichte in der Betriebszeitung, dem Intranet und der Beteiligung des betrieblichen Vorschlagswesens erreicht werden. Für Fremdfirmen und Besucher/Kunden sind Kurzinformationen ein wichtiger Beitrag zur Akzeptanzsteigerung. Vielfach erfolgt schon am Eingang zum Gelände eine Unterweisung dieser Gruppen zum Thema Evakuierung und anderen Sicherheitsfragen, was aber eine Unterweisung in den Objekten nicht erübrigt. Die Begehung der Flucht und Rettungswege mit Aufsuchen der Sammelplätze können gut in ein Awarness Programm eingebunden werden. Die Empfehlung den täglichen Gang zum Mittagessen über alternative Flucht und Rettungswege zu gestalten, vertieft diese wichtigen Kenntnisse ohne großen Zusatzaufwand. 5.13 Problemlösungen Welche Probleme zeigt die Bestandsaufnahme baulicher Art für Flucht und Rettungswege, Alarmierungseinrichtungen und Organisation? Gibt es hier schon Unklarheiten, ist die Evakuierung schwierig. Die Klärung dieser Probleme muss im Vorfeld erfolgen. Nur dauerhafte Lösungen sind hier sinnvoll. Flucht- und Rettungswege müssen nicht nur vorhanden sein, sondern auch stets in voller Breite und Höhe nutzbar sein. Die Zustandsüberwachung der Flucht-und Rettungswege kann eine vorbeugende Aufgabe der Helfer sein. Dazu gehört auch die Berücksichtigung im Schneeräumungsplan, damit der Notausgang nicht durch davor angehäufte Schneemassen unbenutzbar wird. Die Überprüfung von Alarmierungseinrichtungen ist eine sensible Angelegenheit, da ein häufiges Auslösen zu gegenteiligem Erfolg bei der Belegschaft führen kann. Im Rahmen des Evakuierungskonzeptes ist daher der Überprüfungszeitraum festzulegen. Soweit für die Helfer Geräte mit Batteriebetrieb (Taschenlampen, Megaphon etc.) oder sonstige wartungsempfindliche Geräte zum Einsatz kommen, müssen diese ebenfalls überprüft werden. Die Überprüfung ist zu dokumentieren. Die Organisation der Evakuierungshelfer und deren Einordnung in das betriebliche Gefahrenabwehrkonzept müssen ebenfalls betrachtet werden und eventueller Optimierungsbedarf umgesetzt werden. Soweit es besondere Einbauten oder Organisationsvorgaben gibt, zum Beispiel aus Security oder GMP-Gründen, sind diese und ihr Einfluss auf das Evakuierungskonzept zu dokumentieren. Gegebenenfalls sind aufwendige Ersatzmaßnahmen im Evakuierungsfall zu planen. 6 Aufgabenbeschreibung Im Fall der Evakuierung fallen unterschiedliche Aufgaben für Vorgesetzte, Helfer, Mitarbeiter, Fremdfirmenangehörige und Besucher/Kunden an. Die Vorgesetzten haben neben ihrer Vorbildfunktion im Evakuierungsfall die Verantwortung und damit die Führungsaufgaben. Sie werden von den Helfern in unterschiedlichen Funktionen unterstützt. Diese Funktionen sind im Evakuierungskonzept festzulegen und dabei auch Ausfallzeiten wie Urlaub, Krankheit etc. einzuplanen, ebenso wie es Unterschiede in der Hauptarbeitszeit, bei Gleitzeitmodellen, der Schichtdienste oder an Sonn- und Feiertagen gibt, sofern zu diesen Zeiten gearbeitet wird. Der Helfereinsatz muss immer während der Arbeitszeit berücksichtigt sein. Dies kann durch mehrfache Besetzung der erforderlichen Funktionen oder Zuordnung zu immer anwesenden Funktionen während der Arbeitszeit erfolgen. Den Mitarbeitern muss auch ohne Helfer und Vorgesetzte klar sein, was im Evakuierungsfall zu tun ist. Ähnlich ist das mit den Fremdfirmenangehörigen zu sehen. Bei Besuchern / Kunden muss man unterscheiden, ob es sich um ein umschlossenes Werkgelände handelt oder ein für jedermann zugänglicher Bereich. Bei umschlossenen Werkgelände hat man leicht eine Übersicht über die Besucher / Kunden und auch immer automatisch den Besuchten als Paten im Evakuierungsfall. In allen anderen Fällen müssen die Helfer gut geschult sein im Umgang mit Besuchern/Kunden, um diese in das ihnen unbekannte Evakuierungskonzept einzubinden. Die Leitung am Sammelplatz übernimmt der zuerst eintreffende Vorgesetzte. Soweit vom Platz her möglich, kann am Sammelplatz eine Unterteilung nach Organisationseinheiten durch entsprechende Beschilderung erfolgen, um die Zählung bei großen Menschenmengen zu beschleunigen. Ganz unabhängig von der Evakuierung muss das Weiterlaufen der Firma, der Kontakt zu den Gefahrenabwehrbehörden/ den Genehmigungsbehörden und die Kommunikation nach außen gewährleisten werden. Das sind Aufgaben, welche aus der Vorgesetztenebene bearbeitet werden. Hinzu kommen Entscheidungen, ob die Belegschaft nach Hause geschickt wird oder eine andere Lösung gefunden wird. Diese Funktionen können nicht von einer Person besetzt werden, da die Anforderungen hier gleichzeitig für alle genannten Funktionen zu erfüllen sind. Die Helfer haben nicht nur die Aufgabe das Stockwerk zu evakuieren, soweit das ohne eigene Gefährdung noch möglich ist. In Abhängigkeit vom Objekt können weitere Helfer auf dem Weg zum Sammelplatz erforderlich sein. Ebenso sind Helfer erforderlich, die das Wiederbetreten des Objektes verhindern, wenn das durch die Gefahrenabwehrbehörden nicht gemacht wird oder in Abstimmung mit den Gefahrenabwehrbehörden. Schnittstellen zum internen und externen Notfallmanagement sind ebenso festzulegen wie die Aufgaben der Helfer und aller anderen Beteiligten und deren Unterweisung sowohl im Evakuierungskonzept als auch zu Fragen der eigenen Sicherheit. Die Anforderungen an Helfer umfassen die Punkte: physische und psychische Belastbarkeit kognitive Voraussetzung (z.B. hinreichendes Aufgabenverständnis) Vorhandensein der notwendigen Handlungskompetenzen Akzeptanz bei Vorgesetzten und Belegschaft überdurchschnittliche Ortskenntnis im Zuständigkeitsbereich überwiegende Anwesenheit im Zuständigkeitsbereich während der Arbeitszeit Bereitschaft zur Fortbildung Sicherheitsbeauftragte/ Ersthelfer und /oder Brandschutzhelfer eignen sich besonders die Funktion des Evakuierungshelfers zu übernehmen. Ihre speziellen Kenntnisse können hier gewinnbringend für die Evakuierung eingesetzt werden. Doppelfunktionen der Evakuierungshelfer im BGO sind zu vermeiden, um die Evakuierung sicherzustellen. Aufgaben und Anzahl der benötigten Helfer Die Zahl der notwendigen Helfer und deren Funktionen sind festzulegen. Es kann durchaus sein, dass ein Helfer rollierend auf verschiedenen Funktionen nacheinander eingesetzt wird. Die Helfertätigkeiten müssen nach den Notwendigkeiten des Objektes, als auch in Abhängigkeit von Tageszeit/Wochentag festgelegt werden. Alleinarbeitsplätze erfordern keine Helfer. Auch bei wenigen Mitarbeitern verteilt auf einer großen Fläche kann man ohne Helfer auskommen, wenn alle Mitarbeiter entsprechend für den Evakuierungsfall vorbereitet sind. Hier müssen aber Ersatzmaßnahmen für diese Einzelfälle getroffen werden. Den Helfern sollte man vorbeugende Aufgaben zuteilen, damit sie täglich mit dem Konzept zur Evakuierung in Berührung kommen. Aufgaben dieser Art können sein die Freihaltung der Flucht und Rettungswege, Mängel erkennen und melden, Kontrolle der technischen Ausrüstung etc. Eine Verwendung als Beobachter bei einer Übung in einem anderen Objekt steigert sicherlich das Interesse an dem Evakuierungskonzept. Die Aufgaben während einer Evakuierung können sehr unterschiedlich sein und müssen im Evakuierungskonzept festgelegt sein. Das kann vom Herstellen des gefahrlosen Zustandes, über Fluchtwegsicherung, Mitnahme von Besuchern/Kunden, Absperraufgaben, verkehrslenkende Maßnahmen bis hin zur Einweisung der anrückenden Gefahrenabwehrbehörden, Dokumentationsaufgaben und viel andere mehr geben. Für mobilitätseingeschränkte Personen kann es erforderlich sein den Helfern gesonderte Aufgaben und Technik zuzuweisen und die Betreuung dieses Personenkreises am Sammelplatz zu gewährleisten. 7. Beurteilung der auslösenden Faktoren Die in Kapitel 4 erkannten auslösenden Faktoren müssen unter Berücksichtigung der Ergebnisse der Bestandsaufnahme beurteilt werden. Mit einer Risikomatrix werden sie nach ihren möglichen Auswirkungen und der voraussichtlichen Häufigkeiten beurteilt werden. Geringe Häufigkeit bedeutet aber nicht Ausschluss von der Betrachtung. Geringe Eintrittswahrscheinlichkeit bedeutet nur, dass der Schwerpunkt der Maßnahmen auf anderen Ereignissen liegt. Die Folgen der auslösenden Ereignisse müssen betrachtet werden. Wie verhält sich der Rauch im Brandfall, ist der Gefahrstoff leichter oder schwerer als Luft usw. Aus der Zusammenfassung dieser Fakten ergibt sich der Einfluss auf das Evakuierungskonzept. Zusätzlich ist bei der Beurteilung auch die mögliche Gefährdung auf den Flucht-und Rettungswegen und Sammelplätzen zu beachten. So ist bei Eisenbahn-, Straßenbahn-, U-Bahnfahrzeugen immer die mögliche Gefährdung durch Oberleitung und / oder stromführende Schiene zu achten. Führen Fluchtwege direkt in den Werksverkehr oder gar öffentlichen Verkehr, sind zusätzliche Schutzmaßnahmen erforderlich. Maßnahmen im öffentlichen Bereich bedürfen der Genehmigung durch die zuständige Ordnungsbehörde. Die Nutzung öffentlichen Raumes wird bei Innenstadtlagen fast immer der Fall sein. Ebenso kann es andere innerbetriebliche Gefährdungsstellen auf dem Weg zum Sammelplatz geben, die zu betrachten sind. Letztendlich sind auch die verschiedenen Witterungslagen bei einer möglichen Evakuierung zu betrachten. Sammelplätze im Freien bei Gewitter oder vergleichbaren Wetterlagen sind ungeeignet und müssen unabhängig von der ursprünglichen Gefährdung als zusätzliche Gefährdungsmöglichkeiten im Zusammenhang mit den auslösenden Faktoren betrachtet werden. Notwendige Maßnahmen sind daher inkl. deren Reihenfolge festzulegen. Durch praktische Übung erfolgt die Überprüfung der Funktionstüchtigkeit der geplanten Maßnahmen. Die Überprüfung kann, wenn nötig, in Teilschritten erfolgen. Das erkannte Verbesserungspotenzial muss danach umgesetzt werden. Die Unterweisung der Betroffenen erfolgt als Grundunterweisung (Erstunterweisung) und Wiederholungsunterweisung. Die Dokumentation der Unterweisungen und des Evakuierungskonzeptes unter der Berücksichtigung aller vorhersehbaren Faktoren ist erforderlich. 8. Evakuierungskriterien und deren Aufhebung Wie erkennen die Mitarbeiter und Entscheidungsträger die auslösenden Faktoren für eine Evakuierung? Geht das automatisch über eine Brandmeldeanlage oder sind andere Kriterien festgelegt? Die Besonderheiten bei Gaslöschanlagen sind zu berücksichtigen und erfordern eine extrem kurze Reaktionszeit. Wie erfolgt bei Eintritt des Evakuierungskriteriums die Alarmierung? Bei nicht automatischer Auslösung: wer alarmiert mit welchen technischen Möglichkeiten. Kriterien zur Einleitung einer Evakuierung können sein: 8.1.automatische Alarmierungen mit a Evakuierungsanordnung durch Gefahrenmeldeanlage b Löschalarm durch automatische Löschanlagen und damit verbundene Evakuierung 8.2. Selbsteinsätze zur Evakuierung auf Grund der Wahrnehmung einer Gefährdung 8.3. Anordnungen zur Evakuierung auf Grund eines Brandes, Freisetzung von Gefahrstoffen oder andere Gefährdungen können auf unterschiedlichen Wegen erfolgen durch: 8.3.1. Vorgesetzte 8.3.2. BGO (Betriebliche Gefahrenabwehrorganisation) 8.3.3. Gefahrenabwehrbehörden 8.3.4. Dritte Beteiligte Der Art der Alarmierung in diesen Fällen ist vorab festzulegen. Die Kriterien für die Evakuierung sind im Evakuierungskonzept festgelegt und können sehr unterschiedlich sein. Es darf zu keiner schuldhaften Verzögerung bei der Auslösung des Evakuierungsalarmes kommen. Es können hier nicht langsame Entscheidungswege gewählt werden. Die Entscheidungswege müssen zutreffend und kurz sein. Nach dem Gesetz hat jeder das Recht sich selbst zu retten. Allerdings ist er zur Information der Vorgesetzten und anderen Beschäftigten verpflichtet. Selbsteinsätze Auszug §9,2 Gesetz über die Durchführung von Maßnahmen des Arbeitsschutzes zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Beschäftigten bei der Arbeit(ArbeitsschutzgesetzArbSchG) Bei unmittelbarer erheblicher Gefahr für die eigene Sicherheit oder die Sicherheit anderer Personen müssen die Beschäftigten die geeigneten Maßnahmen zur Gefahrenabwehr und Schadensbegrenzung selbst treffen kann, wenn der zuständige Vorgesetzte nicht erreichbar ist; dabei ist die Kenntnisse der Beschäftigten und die vorhandenen technischen Mittel zu berücksichtigen. Den Beschäftigten dürfen aus ihrem Handeln keine Nachteile entstehen, es sei denn, sie haben vorsätzlich oder grob fahrlässig ungeeignete Maßnahmen getroffen. Dies regelt klar die Rechte und Pflichten des Arbeitnehmers. Im Evakuierungskonzept sind hierzu Vorgaben erforderlich, insbesondere über technische und organisatorische Maßnahmen in diesem Fall. Gefahrstoffaustritt, Brand, Explosion oder ein Einsturz sind ausreichende Kriterien für eine Evakuierung. Im Einzelfall kann es weitere Faktoren geben, die verständlich zu beschreiben und den Betroffenen bekannt zu machen sind. Selbstverständlich kann es eine Anordnung zur Evakuierung durch Vorgesetzte, die betriebliche Gefahrenabwehrorganisation, die Gefahrenabwehrbehörden oder Dritte z.B. Energieversorger, geben. Vorzuziehen sind aber automatisierte Methoden, da nur sie einen frühesten möglichen Zeitpunkt garantiert. Nach einem Real Fall kann das betroffene Objekt nicht einfach erneut belegt werden sondern es müssen eine Reihe von Genehmigungen eingeholt werden. Das ist Objekt und/oder Schadensabhängig. Eine Aufhebung der Evakuierung nach einem Real Fall kann nur nach Vorliegen der rechtlichen Voraussetzungen erfolgen. Hierzu sind die Freigaben der zuständigen Dritten erforderlich: a) behördlichen Freigaben aa) Gefahrenabwehrbehörden-Polizei/ Feuerwehr ab) Ermittlungsbehörden ( Staatsanwaltschaft ) ac) Genehmigungsbehörden in Abhängigkeit der Genehmigungen für das Objekt können das mehrere unterschiedliche Behörden sein b) zuständige Berufsgenossenschaft c) Versicherer d) internen Regelung für die Freigabe regelt: wann, wer, wann, wo, was, wie, wenn und warum macht Nicht immer wird es so komplex sein. Nicht in allen Fällen hat die Staatsanwaltschaft Interesse, und die Liste der Genehmigungsbehörden kann je nach Branche und ausgeübter Tätigkeit unterschiedlich lang bzw. kurz sein. Hinzu kommt der Einfluss der Geschäftsverteilung der Behörden je nach Bundesland. Die zuständigen Berufsgenossenschaften haben ebenfalls ihre Vorschriften, wann sie einzuschalten sind, genau wie der oder die Versicherer. In großen Unternehmen ergeben sich hier viele interne Schnittstellen, die über das Sicherheitskonzept eingebunden sind. Das Evakuierungskonzept ist dabei ein Bestandteil des Sicherheitskonzepts genauso wie das Anlagen-, das Arbeits-, Brandschutz-, Sicherungs-(Werkschutz) Alarmierungs-konzept, usw. In KMU wird das alles mehr oder weniger an ein bis zwei Personen als Aufgabe zukommen und deutlich weniger aufwendig sein wie in großen Unternehmen. Die bestehende oder nicht vorhandene Organisation muss ebenfalls betrachtet und festgelegt bzw. den Gegebenheiten angepasst werden. Hinzu kommt, dass das betroffene Objekt eventuell erst gereinigt werden muss, bevor es wieder betreten werden kann. Auch hierfür gibt es wieder spezielle Vorschriften, die eingehalten werden müssen. 9. Alarmierung Die Alarmierung für eine Evakuierung wird in den einzelnen Objekten immer unterschiedlich sein. Nur die Prozesskette Eintritt des Evakuierungskriteriums, Alarmierung, Beginn der Evakuierung ist gleich. Als Grundsatz gilt: die Verwendung vorhandener Infrastruktur hat Vorrang vor Investitionen. Merke aber: das gesprochene Wort ist immer besser wie Sirenen. Welche Technik und ob nur eine Technik zum Einsatz kommt ist abhängig von den Möglichkeiten und Notwendigkeiten des Objektes. Der Einsatz des Zwei-Sinne-Prinzips zur Alarmierung ist selbstverständlich. Wichtig ist die Möglichkeit zur Voralarm für Funktionsträger(Vorgesetzte, Helfer) zum Aufsuchen ihrer vorgesehenen Funktionen (Aufgaben) bei unklarer Lage z.B. Alarm durch Brandmelder ohne bestätigtes Feuer. Erst nach Prüfung ob ein Falschalarm oder eines echten Alarm vorliegt, erfolgt der Alarm für alle oder es erfolgt keine Alarmierung, weil ein Falschalarm vorliegt. Das ist ein sehr sinnvoller Zeitgewinn und stellt bei Falschalarm die Vermeidung einer unnötigen Evakuierung dar. Voralarm für andere Gruppen ist nicht sinnvoll, da bei häufigen Fehlalarmen der Abstumpfungseffekt eintritt, was vermieden werden muss. Bei Verwendung einer Löschanlage mit sauerstoffverdrängendem Gasen bedeutet das Stichwort Löschalarm eine beschleunigte Evakuierung, die allen Beschäftigen bekannt sein muss. Es gibt hier einen unterschiedlich einstellbare Vorwarnzeit innerhalb der der Löschbereich evakuiert sein muss. Auch das Wiederbetreten eines solchen gefluteten Bereiches muss im Evakuierungskonzept geregelt sein, da nicht unerhebliche Lebensgefahr besteht. 1 Löschalarm optische und akustische Signale, die unmittelbar vor, während und nach der Flutung im Gefahrbereich gegeben werden. (BGR134 Einsatz von Feuerlöschanalgen mit sauerstoffverdrängenden Gasen) 2 Vorwarnzeit ist die Zeit vom Beginn des Löschalarmes bis zum Beginn der Flutung Eine Aufgabenbeschreibung für Führungsaufgaben (Vorgesetzte) und operative Aufgaben(Helfer) ermöglichen ein geordnetes Verhalten. Die richtigen Maßnahmen auf die unterschiedlichen auslösenden Faktoren - egal ob das Problem aus dem Unternehmen kommt (Brand, Freisetzung von Gefahrstoffen, etc.), der Nachbarschaft, durch eine externe Bedrohung(Security) oder Naturereignisse - die Reaktion darauf muss vorbereitet sein. Welche Kriterien gibt es für den Beginn der Evakuierung? Ein weiterer wichtiger Punkt: Wie ist die Rückkehr nach einem Real Fall geregelt. Gibt es hierzu Checklisten, welche Behörden der Freigabe zustimmen müssen? Sind Berufsgenossenschaft und Versicherer eingebunden? Gibt es eine interne Arbeitsteilung zu diesem Problemkreis? 10 Kommunikationen Die Art der Alarmierung zur Evakuierung, die technische Kommunikation während der Evakuierung, als auch die Reglung der sprachlichen Kommunikation nach Innen und Außen stellen weitere Aufgaben da. Die Festlegung des Inhaltes der Evakuierungstexte bedarf der sorgfältigen Betrachtung und des Zuschnittes auf die jeweilige Zielgruppe. Es kann durchaus sinnvoll sein die Funktionsträger(Helfer) im Falle einer Evakuierung durch ein Stichwort zu alarmieren und erst dann das zu lenkende Publikum zu informieren. Das bietet den Helfern Zeit ihre benötigte Ausrüstung(z.B.: Warnweste, Helm, Taschenlampe, Megaphon etc.) anzulegen und so für Fremde auch als Helfer erkennbar zu sein. Interne und externe Zielgruppen als Ansprechpartner erfordern ebenfalls unterschiedliche Formulierungen, aber gleichen Inhaltes! Widersprüche wären hier ein Kommunikationsgau. 11.mobilitätseingeschränkte Personen Hierunter sind nicht nur Rollstuhlfahrer oder gehbehinderte Personen zu verstehen. Blinde oder Gehörlos erfordern ebenso spezielle Maßnahmen wie bettlägerige Personen in Krankenhäusern oder Altenheimen. Personen mit Erkrankungen wie Alzheimer u. ä. erfordern wiederum andere Maßnahmen. Es bedarf einer sorgfältigen Analyse dieser Personengruppe und der Art ihrer Behinderung, um ein zielgerichtetes Evakuierungskonzept für diesen Personenkreis zu erstellen. Die Betreuung von mobilitätseingeschränkten Personen während und nach der Evakuierung ist planbar und ein Muss. Hier bedarf es individueller Konzepte, welche von der Art der Behinderung und der dadurch erforderlichen Maßnahmen abhängt. Das fängt bei der Alarmierung an (Zwei-SinnePrinzip mit z.B. Vibration, Lichtsignal, Lautsprecher, etc.), geht über die Evakuierungswege mit und ohne zusätzlichen Evakuierungshelfer, technische Ausstattung für die Evakuierung ( zum Beispiel Evakuierungsstuhl ) bis zur Betreuung am Sammelplatz. In Altersheimen oder Krankenhäusern mit bettlägerigen Personen-ganz zu schweigen von Intensiv patienten- kann das sehr aufwendig werden. Bei Patienten muss auch immer die Patientenakte mitgenommen werden, um die Weiterbehandlung nahtlos sicherzustellen. Besonders außerhalb der Normalarbeitszeit, wenn die Zahl der anwesenden Patienten zwar gleich bleibt, aber das zur Verfügung stehende Personal für die Betreuung stark ausgedünnt wird, sind besondere Evakuierungspläne erforderlich. Schließlich ist die Hauptarbeitszeit nur ca. 40 Stunden oder weniger in der Woche und die restlichen 128 Wochenstunden sind aber der überwiegende Teil der Woche, in denen eine Evakuierung notwendig werden kann. Das gilt auch für Hotels, Schichtbetriebe und vergleichbare andere Objekte. 12. Verhalten während der Evakuierung Das Verhalten während einer Evakuierung hängt vielfach von der Vorbereitung ab. Die Art und Weise der Übungen und deren Häufigkeit ist festzulegen. Die Durchführung der Übung hat entscheidenden Einfluss auf das Verhalten im Ernstfall. Die richtige Betreuung durch Vorgesetzte ist der entscheidende Faktor für die Evakuierten. Hierzu gehört das geordnete Verlassen des gefährdeten Bereiches über gesicherte Wege zum Sammelplatz. Das Zusammenhalten der Evakuierten am Sammelplatz ist wichtig um ein unkontrolliertes Rückkehren in das Objekt oder ein selbständiges Bewegung in eine andere Richtung ohne Kenntnis der Vorgesetzten zu vermeiden. Die Betreuung am Sammelplatz ist ein wichtiger Faktor und gerade bei mobilitätseingeschränkten Personen besonders wichtig. Das kann unter Umständen sehr aufwendig sein. Die Betreuung endet nicht mit der Evakuierung sondern erst, wenn die Garantie für die Sicherheit aller Beteiligten nach Beendigung des auslösenden Ereignisses gegeben ist. Das Mitnehmen von Sachen-privater oder dienstlicher Natur- muss verhindert werden, da dieses Verhalten die Evakuierung negativ beeinflussen kann. Durch die Schnittstelle zum BCM(Business Continuty Management) müssen diese Dinge geregelt sein, ebenso wie die Herbeiführung eines gefahrlosen Zustandes in der Produktion, falls erforderlich. Es kann notwendig sein, dass für eine Übung andere Maßnahmen zur Herbeiführung eines gefahrlosen Zustandes erforderlich sind, wie im Real Fall. Hier muss das Evakuierungskonzept auf Risk Management und BCM zurückgreifen. Vorhandene Regeln werden in das Evakuierungskonzept eingebunden oder falls erforderlicheinvernehmlich geändert. Die Erfassung der Evakuierten erfolgt immer am Sammelplatz. Der Sammelplatz liegt immer in der vom Wind abgewandten Seite. Die Erfassung am Sammelplatz muss allen Betroffenen wichtig sein, um unnötige Suchaktionen zu vermeiden. Im Idealfall gibt es den Hauptsammelplatz in der der Hauptwindrichtung entgegengesetzter Richtung. Logischerweise sind für die anderen drei Windrichtungen dann Nebensammelplätze erforderlich. Windsäcke helfen der Belegschaft dann bei der Orientierung im Real Fall. Mehrere Sammelplätze werden nicht immer aus Platzgründen möglich sein. In diesen Fällen müssen Ersatzmaßnahmen getroffen werden. Der Innere Sammelplatz für Ereignisse, welche eine Gefährdung im Freien erzeugen, muss ebenso ausgewählt sein wie eine Ausweichmöglichkeit bei schlechten Wetter. Es empfiehlt sich mit den Nachbarn hier gegenseitige Hilfe zu vereinbaren für die Nutzung geeigneter Räumlichkeiten im Falle der Evakuierung. Notfalls kann man das wie die Feuerwehr machen und Fahrzeuge des ÖPNV im Bedarfsfall anmieten, was aber Geld kostet, Zeit braucht und vorbereitet sein muss. Die Feststellung der Vollzähligkeit ist Aufgabe der Vorgesetzten. Welche Hilfsmittel hier zum Einsatz kommen und wie die Helfer dabei eingebunden sind, ist von den Möglichkeiten und Notwendigkeiten des Objektes abhängig. Im einfachsten Fall wird die Anwesenheit auf einem weißen Blattpapier bestätigt durch leserliche Eintragung von Name, Vorname Organisationseinheit und Unterschrift. Vorbereitete Listen vereinfachen das Verfahren. Allerdings sind dann Besucher und Fremdfirmen noch nicht erfasst. Für beide Gruppen muss es eine zutreffende Regelung geben. Eine Luxusreglung der Erfassung aller Beteiligten über ein Zutrittskontrollsystem werden die wenigsten haben, da hierzu auch der Austritt erfasst werden muss. Das ist Mitbestimmungspflichtig und bedarf daher der Zustimmung des Betriebs-/Personalrates. Tragbare Erfassungsgeräte für Werkausweise können am Sammelplatz die Evakuierten erfassen. Wenn in der Software hinterlegt, kann auch sofort eine Vermisstenliste ausgewiesen werden. Aber auch diese Methode ist wenig verbreitet. Eine geordnete Meldung an die Feuerwehr über das Ergebnis der Vollständigkeitsüberprüfung ist unverzüglich nach deren Eintreffen notwendig, um eventuell erforderliche gezielte Rettungsmaßnahmen(Fremdrettung) einzuleiten. Die Person welche als Kontaktmann/frau zur Feuerwehr eingesetzt wird, kann keine weiteren Aufgaben übernehmen, da sie sonst der Feuerwehr nicht zur Verfügung steht. Dieser Personalbedarf ist bei der Planung zu berücksichtigen. Der Personalbedarf bei einer Evakuierung kann sehr groß sein, ist aber auf ein realistisches Maß zu beschränken. Manche der Helferfunktionen können auch nacheinander ausgeübt werden. So kann zum Beispiel ein Helfer aus einem Stockwerk nach Erreichen der sicheren Zone eingesetzt werden zur Verhinderung von ungeordneter Rückkehr. Hingegen ist die Funktion des Sammelplatzleiters durch Vorgesetzte in der Regel durchgehend von einer Person besetzt, was auch Übergabegespräche vermeidet. Hier ist auch festzulegen wie Entscheidungen getroffen und umgesetzt werden über ein vorzeitiges Nachhause schicken der Belegschaft oder eine anderwärtige Unterbringung. Es ist auch an die Mitbestimmung zu denken und nicht erst im Evakuierungsfall. Diese Schnittstellen können vorbesprochen sein und einen gewissen Handlungsspielraum haben. 13 Übungen De Anzahl der erforderlichen Übungen pro Jahr ist im Evakuierungskonzept festzulegen. Das bedeutet bei Betrieben, die nicht nur in der Normalarbeitszeit arbeiten ein Mehr an Übungen pro Objekt in Abhängigkeit der Anzahl der Schichten. Wobei Urlauber, Kranke und sonstige Abwesende noch nicht berücksichtigt sind. Fremdfirmenangehörige müssen ebenso unterwiesen werden wie es eines Konzeptes für Besucher/Kunden bedarf. In umschlossenen Werkgeländen ist das Besucherproblem relativ einfach zu lösen, in dem immer der Besuchte die Verantwortung übernimmt. In Verkaufsstätten, Versammlungsstätten und anderen vergleichbaren Objekten ist diese Lösung nicht möglich. Hier sind andere Lösungen als Konzepte gefragt. Für Versammlungsstätten gibt es hier, wenn auch bescheidene Vorgaben des Gesetzgebers. In Verkaufsstätten, Schalterhallen usw. ist das Üben mit Kunden umstritten, wird aber durchaus von wenigen Betreibern erfolgreich ausgeführt. Allerdings muss man hier z.B. bei Flügen die Abflugzeiten berücksichtigen, da kein Kunde seinen Flug nach Übersee verpassen möchte wegen einer Evakuierungsübung. Ebenso ist bei Kundenbetrieb die unangekündigte Übung kritisch, da dies zu Missverständnissen führen könnte. So geschehen in einem Kinderkrankenhaus, wo mit der mit Blaulicht und Martinshorn anrückenden Feuerwehr, Rettungsdienst und Polizei sehr lebensnah die Schnittstellen erprobt werden sollten. Am Ende dieser Evakuierungsübungen waren mehr als 90% der kleinen Patienten verschwunden, da Ihre Eltern die Übung als Real Fall angesehen hatten und ihre Kinder in Eigeninitiative nach Hause in Sicherheit brachten. Allerdings in eine Sicherheit, mit der im Evakuierungskonzept nicht gerechnet wurde. Entlassung aus dem Krankenhaus sind immer auch ein juristisch Problem, das im Evakuierungskonzept zu berücksichtigen ist. Übungen müssen nicht immer mit allen Anwesenden erfolgen. Eine Übung muss nicht zu Produktionsausfällen führen. Eine Lösung in solchen Fällen kann das Festlegen einer Mindestbesatzung sein, welche nicht an der Übung teilnimmt, um eine Produktionsunterbrechung zu verhindern. Mit der Mindestbesatzung muss dann eine andere Übung stattfinden. In Schichtbetrieben kann man mit der nach Hause gehenden Schicht üben, während die neue Schicht den Betrieb normal fährt. Allerdings fallen in diesem Fall Überstunden an, die vom Betriebs-/Personalrat und der Unternehmensseite genehmigt sein müssen. Eine wichtige Schnittstelle des Evakuierungskonzeptes ist der Betriebs/Personalrat, da viele Dinge geregelt werden, die mitbestimmungspflichtig sind. Die unterschiedlichen Maßnahmen für Herbeiführung eines gefahrlosen Zustandes im Übungsfall und im Real Fall sind zu definieren. Schließlich lässt sich nicht jede Produktion gefahrlos abschalten oder wenn man an den Wertpapierhandel einer Bank denkt, ohne hohe Verluste einfach abschalten. Hier sind andere Lösungen zusammen mit dem BCM gefragt. Das sind nur zwei Beispiele für ein komplexes Thema. 14. Nachbereitung Durch ständige Verbesserung auf Grund gewonnener Erkenntnisse bei Übungen und Realfällen wird das Evakuierungskonzept weiter entwickelt. Allerdings sollte jede Verbesserung auch in der Praxis erprobt werden, bevor sie endgültig Bestandteil des Evakuierungskonzeptes werden. Das betriebliche Vorschlagswesen bietet eine hervorragende Möglichkeit, die Belegschaft in die Weiterentwicklung des Evakuierungskonzeptes einzubinden und damit auch die Akzeptanz des Evakuierungskonzeptes zu erhöhen. 15. Dokumentation Mit einer Dokumentation des Evakuierungskonzeptes, der Teilnahme an den Übungen und der Änderungen, welche sich aus der Nachbereitung oder durch Verbesserungsvorschläge ergeben haben, wird der Nachweis der Erfüllung gesetzlicher Aufgaben nachgewiesen. 16. Zusammenfassung Eine regelmäßige und dokumentierte Unterweisung von Betriebsangehörige und Fremdfirmen in Ausnahmefällen auch der Besucher/Kunden über das Verhalten bei unterschiedlichen Notfällen und der daraus sich ergebenden Evakuierung ist unbedingt erforderlich. Helfer und Vorgesetzt übernehmen hierbei spezielle Aufgaben, in Übereinstimmung mit dem Evakuierungskonzept. Das Evakuierungskonzept ist eine Teilmenge der betrieblichen Gefahrenabwehrorganisation und verfügt über viele Schnittstellen sowohl intern als auch extern. Nur klare Prozesse führen bei der Evakuierung zum Erfolg. Das schließt besonders die richtige Kommunikation und Einbindung der Mitarbeiter ein. Der Gründruck wird am 20.08.2014 vom VDI in Düsseldorf vorgestellt.