Arbeit & Soziales Dieser Artikel ist in der Ausgabe erschienen: Nr. 14/15 | 10.04.2015 Der nächste Schritt in der Umsetzung des Jobs Act – Der gesetzliche Mindestlohn wird wohl auch in Italien kommen Nie weniger als sieben Euro? In vielen EU‐Staaten gibt es bereits einen gesetzlichen Mindestlohn, bald dürfte ein solcher auch in Italien verbindlich werden. Geplant ist, eine Minimalentlohnung von 6,50 bis 7,00 Euro festzusetzen. Die Exekutive bereitet eine diesbezügliche Norm vor, die den Tarifverträgen untere Grenzen setzt. Rom/Bozen – Die Indiskretionen verdichten sich: Die Regierung Renzi scheint entschlossen zu sein, einen gesetzlichen Mindestlohn einzuführen. Dies ist insofern neu, als derzeit die Regelung der Entlohnungen in vielen Bereichen der Wirtschaft den Kollektivverträgen vorbehalten ist. Die dort von den Sozialpartnern (Arbeitgeber und Gewerkschaften) bestimmten Entlohnungen sind als Tarif‐ oder Mindestlöhne aufgelistet und müssen eingehalten werden. Die Regelungen sind dabei recht unterschiedlich, da es weit über 100 Kollektivverträge mit eben unterschiedlichen Bestimmungen gibt. Werden die Tariflöhne in Betrieben unterschritten und kommt es darüber zu Arbeitsstreitfällen, so kann der Betrieb, der den Tarifvertrag nicht einhält, nur verlieren; die italienische Gesetzgebung schreibt nämlich mehrfach vor, dass Arbeitnehmer in ihrer Tätigkeit eine „gerechte Entlohnung“ erhalten müssen, und die Gerichte orientieren sich in Lohnkonflikten immer an den kollektivvertraglich festgesetzten Mindestbeträgen, wenn sie entscheiden, was eine „gerechte“ Entlohnung ist. Nun gibt es aber trotz der vielen Kollektivverträge noch immer Tätigkeiten, für die – aus welchen Gründen auch immer – noch kein Kollektivvertrag existiert, sodass Arbeitnehmer, welche in solchen Nischen tätig sind, keine Lohnregelungen haben und oft ausgenutzt werden können. Es gibt eine Reihe von diesbezüglich nicht reglementierten Freiberufler‐ Tätigkeiten und auch kleinere Nebentätigkeiten, welche im Voucher‐System und in den Bereichen der koordinierten Mitarbeit (Co‐Co‐Co/Co‐Co‐Pro) ausgeführt werden, ohne verbindliche Entlohnungsregelungen. Aus den angeführten Gründen und zum Schutz verhandlungsschwacher Gruppen haben bereits 21 der 28 EU‐Staaten einen garantierten gesetzlichen Mindestlohn pro Stunde eingeführt, welcher nicht unterschritten werden darf. Indiskretionen zufolge soll die Regierung Renzi erwägen, diesen garantierten Mindestlohn zwischen 6,50 und 7,00 Euro pro Stunde anzusetzen. Damit wären diese vertragslosen Tätigkeiten in der Entlohnung einigermaßen abgesichert. In Deutschland hat es im vergangenen Jahr im Vorfeld der Einführung eines Mindestlohnes, mit dem der Gesetzgeber in die Tarifhoheit der Sozialpartner eingreift, eine kontroverse politische Diskussion gegeben. Arbeitgeberorganisationen haben letztendlich erfolglos darauf verwiesen, dass manche Tätigkeiten ganz einfach wegfallen, wenn die Löhne steigen. So rechne es sich zum Beispiel nicht mehr, Nachtwächter in großen Betrieben zu beschäftigen, weil es ab einem bestimmten Stundenlohn billiger sei, eine zentrale Stelle einzurichten und das Gelände mittels Kameras zu überwachen. Im französischen Elsass dagegen ist die Einführung eines Mindestlohnes in Deutschland mit Genugtuung zur Kenntnis genommen worden, weil sich etwa der Spargelanbau dort in den letzten Jahren nicht mehr gelohnt hat, konnten doch die deutschen Konkurrenten auf der anderen Seite des Rheins ihre Erntearbeiter mit wesentlich weniger Geld abspeisen und deshalb billiger anbieten. In diesem Zusammenhang ist auf den auch in Südtirol oft erwähnten und geforderten Begriff vom Mindest‐ oder Grundeinkommen hinzuweisen und zu differenzieren, weil dies zwei unterschiedliche Dinge sind; der Mindestlohn bezieht sich nämlich nur auf Personen, welche einer Erwerbsarbeit nachgehen, ein Grundeinkommen hingegen, wie es manchen Parteien vorschwebt, würde allen Personen zugestanden. Die Einführung des gesetzlich garantierten Mindestlohnes findet aber auch in Italien nicht überall Zustimmung. Auch jene Organisationen, welche den Schutz und die ständige Weiterentwicklung der Arbeitnehmerrechte auf ihre Fahnen geschrieben haben, sind durchaus nicht immer und überall von der Einführung der Mindestlohnregelung begeistert. Unter anderen befürchtet auch der Generalsekretär der Südtiroler Gewerkschaft AGB/CGIL, Alfred Ebner, eine Schwächung der Gewerkschaften bei den Kollektivvertragsverhandlungen, da sich die Wirtschaftsverbände am gesetzlichen Mindestlohn orientieren könnten und dadurch bei Verhandlungen auf geringere Lohnerhöhungen pochen könnten. Auch auf gesamtstaatlicher Ebene sind die Gewerkschaften nicht begeistert. Premier Renzi scheint aber SWZ ­ Südtiroler Wirtschaftszeitung ­ 14­15­nie­weniger­als­sieben­euro ­ 1 / 2 entschlossen, bald einen Mindestlohn per Gesetz einzuführen. Helmut Weißenegger SWZ ­ Südtiroler Wirtschaftszeitung ­ 14­15­nie­weniger­als­sieben­euro ­ 2 / 2