Hallux valgus Woran der Hausarzt denken muss Andreas Boss, FMH Orthopädie und Traumatologie Orthopädische Praxis Friedrichstrasse 6 4055 Basel Eine 45 Jährige Patientin stellt sich vor mit einer zunehmenden Fehlstellung der Grosszehe und der Kleinzehen. Die Schuhe würden zunehmend nicht mehr passen und zu Druckstellen führen mit Schmerzen und geringerer Belastbarkeit. Die Auswahl neuer Schuhe würde immer geringer. Bei der Untersuchung findet der Hausarzt einen Hallux valgus und Hammerzehen beidseits bei einem Spreizfuss. Woran gilt es zu denken ? Hallux valgus, auch bekannt als Pseudoexostose, entspricht einer Abweichung der Grosszehe nach aussen. Ueber dem Grosszehengrundgelenk treten Schmerzen mit Rötungen, Hautverdickungen und sogar Hautöffnungen auf. Bilateraler Hallux valgus. Rechts hochstehende und luxierte 2. Zehe Die Ursache des Hallux valgus kann extrinsisch oder intrinsisch sein. Schuhe sind principiell eine extrinsische Ursache für einen hallux valgus (vorne spitzig zulaufend und mit hohem Absatz).1 Als intrinsische Ursachen werden eine familiäre Belastung postuliert (bis zu 83% werden berichtet 2), ein Zusammenhang mit dem Plattfuss,3 und mit einer Kontraktur der Achillesehne4 sowie einer Instabilität des Tarsometatarsalgelenkes. Differentialdiagnostisch kommen der Hallux rigidus (Gelenksdestruktion mit Bewegungseinschränkung), eine Sesamoiditis, Frakturen, Gicht, Rheumatische Entzündung mit Gelenksdestruktion, neurologische Dystrophie (Charcot) und Infektion. Der Diabetiker hat nicht Schmerzen, deshalb ulceriert die Haut und wird verletzt ohne bemerkt zu werden! Was gilt es zu tun ? Untersuchung im Stehen: sie zeigt das volle Ausmass der Deformität. Beobachte das Gewölbe. Achte auf die Rückfussachse von hinten. Kann der Patient auf die Zehen stehen ? Unterscheide Hallux valgus vom Hallux rigidus, welcher eine deutliche Beweglichkeitseinschränkung aufweist und anders zu behandeln ist. Beachte das Ausmass der Deformität für die Beurteilung des Schweregrades (Grad der Lateraldeviation der Grosszehe: <15° normal, <20° mild, 20-40° moderat, >40° schwer). Andere wichtige Punkte berücksichtigen einen Konflikt mit der zweiten Zehe, die im Grundgelenk dislozieren kann), die Hautqualität (Keratosen weisen auf eine Ueberlastung hin. Hautöffnungen sind Vorzeichen einer grösseren Ulceration, und die Fusspulse die Sensibilität und den Schmerzsinn. Konservative Behandlung bedeutet meist eine Modifikation der Schuhe. Weiche Schuhe mit grossem Schaft, weicher und flacher Sohle und pufferndem Absatz. Zudem gibt es verschiedene Puffersysteme im offenen Handel. Einlagen können den Spreizfuss korrigieren, Schmerzen lindern und die Progression verhindern. Schienen eignen sich nicht im Alltag, sind höchstens in low demand Patienten ausnahmsweise eine Hilfe. 5 Hallux valgus ist meist langsam progressive, Das Risiko einer konservativen Erstbehandlung ist gering und beeinträchtigt das Endergebnis auch einer allfälligen Operation kaum.6 Zudem werden Einlagen meist auch nach Operation zur Rezidivprophylaxe weiter empfohlen. Chirurgie kommt in Frage beim Versagen konservativer Massnahmen. Das Risiko der Halluxchirurgie beinhaltet den Hallux varus (durch Ueberkorrektur), das Rezidiv und Funktionseinschränkung. Nicht immer kann der ursprüngliche Aktivitätslevel erreicht werden und bis zu einem Drittel kann nicht die gewünschten Schuhe tragen Gründe für eine Spezialarztzuweisung Dringende Ueberweisung Diabetes oder neurologische Ananmnese Hautläsion Ordentliche Ueberweisung Erfolglosigkeit konservativer Massnahmen Refraktäre Schmerzen Zunahme der Deformität Mitbeteiligung der 2. Zehe mit Konflikt Die Operation kann bei einer sofort belastbaren Technik in einer Sitzung an beiden Füssen erfolgen. Bei grösseren Korrekturen mit nicht belastbaren Osteotomien und Arthrodesen kann eine Abrollbelastung für 6 Wochen nur eine einseitige Versorgung zulassen. Je nach OP kann also sofort voll belastet werden im Halluxschuh, bei gewissen Osteotomien aber muss 4-6 Wochen an Stöcken entlastet werden. Referenzen 1. Sim-Fook L, Hodgson AR. A comparison of foot forms among the non-shoe and shoe wearing Chinese population. J Bone Joint Surg Am1958;40:1058-62. 2. Coughlin MJ, Jones CP. Hallux valgus: demographics, etiology, and radiographic assessment. Foot Ankle Int2007;28:759-77. 3. Nguyen US, Hillstrom HJ, Li W, Dufour AB, Kiel DP, Procter-Gray E, et al. Factors associated with hallux valgus in a population-based study of older women and men: the MOBILIZE Boston study. Osteoarthritis Cartilage2010;18(1):41-6. 4. Coughlin MJ. Hallux valgus. J Bone Joint Surg Am1996;78:932-66. 5. K. Klaue, A. Ungersböck, Tarsometatarsalarthrodese des ersten Strahls bei Hypermobilität und Hallux valgus, Operative Orthopädie und Traumatologie 8, 1996 6. Landsman A, Defronzo D, Anderson J, Roukis T. Scientific assessment of over-the-counter foot orthoses to determine their effects on pain, balance, and foot deformities. J Am Podiatr Med Assoc2009;99:206-15. 7. Torkki M, Malmivaara A, Seitsalo S, Hoikka V, Laippala P, Paavolainen P. Hallux valgus: immediate operation versus 1 year of waiting with or without orthoses: a randomized controlled trial of 209 patients. Acta Orthop Scand2003;74:209-15. 8. Coughlin MJ, Mann RA, Saltzmann CL. Surgery of the foot and ankle. 8th ed. Mosby Elsevier, 2006:pp230-1.