Mathematik für Ingenieure

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9.2
Potenzreihen
355
9.2
9.2 Potenzreihen
Dieser Abschnitt stellt den Übergang von den Zahlenreihen zu den Taylor-Reihen dar.
Die Konvergenzkriterien der Zahlenreihen werden übertragen auf Potenzreihen, um den
Definitionsbereich der Potenzreihen zu bestimmen.
Sind die Summanden in einer Reihe selbst Funktionen einer Variablen x, so
P∞
stellt der Ausdruck n=0 an (x) eine Funktion dar, eine sog. Funktionenreihe. Ein wichtiger Spezialfall solcher Funktionenreihen sind die Potenzreihen.
Definition: Eine Funktion der Form
∞
X
an xn = a0 + a1 x + . . . + an xn + . . .
n=0
heißt Potenzreihe. Der Definitionsbereich einer Potenzreihe besteht aus
P∞
allen reellen Zahlen x, für die n= 0 an xn konvergiert. Man nennt daher
die Menge
(
)
∞
X
n
K := x ∈ IR :
an x
konvergent
n=0
den Konvergenzbereich der Potenzreihe.
Bemerkungen:
(1) Man bezeichnet a0 , a1 , a2 , . . . , an , . . . als die Koeffizienten der Potenzreihe.
(2) Für jedes feste x ist eine Potenzreihe eine Zahlenreihe.
(3) Eine etwas allgemeinere Darstellung von Potenzreihen erhält man durch
Ausdrücke der Form
∞
X
n
n
an (x − x0 ) = a0 + a1 (x − x0 ) + . . . + an (x − x0 ) + . . . .
n=0
Man bezeichnet dann die Stelle x0 als den Entwicklungspunkt der Reihe.
Beispiel 9.16.
∞
X
n xn = 1 x + 2 x2 + 3 x3 + . . . + n xn + . . . .
n=0
Beispiel 9.17.
∞
X
1 n
1
1
1 n
x = 1 + x + x2 + x3 + . . . +
x + ... .
n!
2!
3!
n!
n=0
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9. Funktionenreihen
Beispiel 9.18. f sei im Punkte x0 ∈ ID beliebig oft differenzierbar. Dann ist
∞
X
1 (n)
n
f (x0 ) (x − x0 )
n!
n=0
eine Potenzreihe mit Entwicklungspunkt x0 und den Koeffizienten
an =
1 (n)
f (x0 ) .
n!
Eine solche Reihe bezeichnet man als Taylor-Reihe der Funktion f am Entwicklungspunkt x0 (→ §9.3).
Beispiel 9.19 (Geometrische Potenzreihe): Nach Beispiel 9.4 ist die Potenzreihe
∞
X
1
xn = 1 + x + x2 + . . . + xn + . . . =
1−x
n=0
für |x| < 1 konvergent und für |x| ≥ 1 divergent. Der Konvergenzbereich ist
daher K = (−1, 1) .
Beispiel 9.20. Wir berechnen den Konvergenzbereich der Potenzreihe
∞
X
1 n
x =x+
n
n=1
1
2
x2 +
1
3
x3 + . . . +
1
n
xn + . . . .
Dazu wenden wir für ein beliebiges aber festes x ∈ IR das Quotientenkriterium mit bn = n1 xn an:
bn+1 xn+1 xn xn+1 n =
=
= n |x| n→∞
−→ |x| .
/
bn n + 1
n n + 1 xn n + 1
Damit konvergiert die Reihe für |x| < 1 und divergiert für |x| > 1. Für
|x| = 1 müssen getrennte Untersuchungen durchgeführt werden, indem
die jeweiligen Werte in die Reihe eingesetzt werden:
Für x = 1 ist
∞
∞
∞
X
1 n X1 n X1
x =
1 =
n
n
n
n=1
n=1
n=1
die harmonische Reihe, also nach Beispiel 9.8 divergent.
Für x = −1 ist
∞
∞
X
1 n X1
n
x =
(−1) .
n
n
n=1
n=1
Die alternierende harmonische Reihe ist nach Beispiel 9.14 konvergent.
Damit ist der Konvergenzbereich K = [−1, 1) .
9.2
Potenzreihen
357
Konvergenzverhalten von Potenzreihen
Wenden wir das Quotientenkriterium entsprechend dem Vorgehen in Beispiel
P∞
9.20 auf eine beliebige Potenzreihe n=0 an xn an, lässt sich das Konvergenzverhalten folgendermaßen charakterisieren:
Satz über das Konvergenzverhalten von Potenzreihen: Jede Potenzreihe
∞
X
an xn = a0 + a1 x + a2 x2 + . . . + an xn + . . .
n=0
besitzt einen eindeutig bestimmten Konvergenzradius ρ
mit den Eigenschaften:
(0 ≤ ρ ≤ ∞)
(1) Die Reihe konvergiert für alle x mit |x| < ρ.
(2) Die Reihe divergiert für alle x mit |x| > ρ.
(3) Für |x| = ρ ist keine allgemeine Aussage möglich.
Begründung: Zur Bestimmung von ρ wenden wir das Quotientenkriterium auf
P
n
die Reihe ∞
n= 0 bn mit bn = an x an:
bn+1 an+1 xn+1 an+1 an+1 =
=
|x| n→∞
· |x| .
−→ lim bn an xn an n→∞
an Nach der Limesform des Quotientenkriteriums
an+1 · |x| < 1 ,→ |x| <
lim n→∞
an lim
konvergiert die Reihe für
a 1
= lim n an+1 n→∞ an+1
an n→∞
und sie divergiert für
a 1
= lim n .
a
n→∞ an+1
lim n+1
an |x| >
n→∞
an Setzen wir ρ := lim an+1
, so sind die Aussagen des Satzes nachgeprüft und
n→∞
wir haben den Konvergenzradius berechnet.
Satz: (Konvergenzradius)
Der Konvergenzradius ρ einer Potenzreihe
∞
X
n=0
an .
ρ = lim n→∞ an+1 an xn ist gegeben durch
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