Gewalt gegen Frauen - Eidgenössisches Büro für die Gleichstellung

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Auswirkungen
häuslicher Gewalt
auf die psychische
Gesundheit
Riecher 2014
Prof. Dr. med. Anita Riecher-Rössler
Chefärztin
Zentrum für Gender Research
und Früherkennung
Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel
Kornhausgasse 7, 4051 Basel
Überblick
• Häufigkeit und Formen
von Gewalt gegen Frauen
• Häusliche Gewalt
– Formen
– Ursachen
Riecher 2014
– Psychische Folgen
• Früherkennung und Hilfsangebote
Nationale Konferenz Häusliche Gewalt
20. November 2014, Bern
1
Gewalt gegen Frauen weltweit - WHO Studie
Häufigkeit:
Riecher 2014
Formen:
Nationale Konferenz Häusliche Gewalt
20. November 2014, Bern
• 1 von 3 Frauen erfährt körperliche oder
sexuelle Gewalt
(Europa 25%, Afrika/Südasien 40%)
• 6/7 durch Partner; 1/7 durch Fremde
Abhängig von Kultur/Religion
Beispiele:
• Genitale Verstümmelung
• Bestrafung für sexuelle Untreue
(Steinigung etc)
• sex. Belästigung, Vergewaltigung
• Diskriminierung (z.B.am Arbeitsplatz)
• Häusliche Gewalt
2
Riecher 2014
European Union Agency for Fundamental Rights (FRA). 2014. Violence against women:
an EU-wide survey. ISBN 978-92-9239-342-7. doi: 10.2811/62230.
EU-FRA Studie
Riecher 2014
In allen 28 EU-Ländern
Interviews mit 42’000 Frauen
Erhebungszeitraum: April - August 2012
Von allen über 15-jährigen Frauen wurden durch
(Ex-)Partner schon misshandelt:
– 20% körperlich und/oder sexuell,
– 40% psychisch
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Häusliche Gewalt in der Schweiz
Häufigkeit im Lauf des Lebens
•10-20% aller Frauen werden durch ihren (Ex-)Partner
körperlich und/oder sexuell misshandelt
(Gillioz 1997, Killias et al. 2004)
•40% psychisch (Gillioz 1997)
Häufigkeit pro Jahr (Killias et al. 2012)
• 1% körperliche Gewalt/Drohungen
• 0.3% sexuelle Gewalt
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Basel-Stadt in 2011
• 860 angezeigte Fälle (40% aller angezeigten Straftaten)
Formen häuslicher Gewalt
Körperliche Gewalt
• stossen, packen, schütteln, schlagen, treten, würgen,
beissen, verbrennen, verletzen oder mit Messern oder
anderen Waffen bedrohen, Drogen einflössen …
Sexuelle Gewalt
• vergewaltigen, zu sexuellen Handlungen nötigen …
Riecher 2014
Psychische Gewalt
• beschimpfen, beleidigen, einschüchtern, drohen,
demütigen, isolieren, überwachen, kontrollieren
(Arbeit, Freunde, Finanzen), bagatellisieren …
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Riecher 2014
Psychische Folgen
körperlicher oder sexueller Gewalt
akut
langfristig
•
•
•
•
• Verlust der
Selbstsicherheit
• Gefühl der Verletzlichkeit
• Schlafstörungen
• Konzentrationsstörungen
Scham
Schuldgefühle
Furcht
Wut
• Beziehungsprobleme
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• Depressive Stimmung
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• Angst
• Panikattacken
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Riecher 2014
Auszug aus einem Brief einer betroffenen Frau
an den Ex-Partner
• „Ich muss noch einiges loswerden, womit ich nie fertig werde. Du
hast mein Leben kaputt gemacht. Ich wurde von dir so ausgenutzt
und gedemütigt, dass ich manchmal keine Lust mehr habe, zu
leben. Ich bin durch dich so zerstört worden, dass ich keinem
Mann mehr vertrauen kann.“
• „Ich fühle mich seelisch, physisch und finanziell ausgebeutet und
weiss nicht mehr, wie ich nun ohne das Selbstvertrauen, das du
zerstört hast, weiterleben soll.“
• „Ich habe alles für dich getan. Dir meine ganze Liebe und Energie
geschenkt, als Dank habe ich nur Schläge und den Vorwurf
bekommen, ich würde diese und diese Fehler machen.“
• „Du wusstest immer besser Bescheid über meine Gefühle, als ich.
Du hast bestimmt, wie und was ich fühle, obwohl es nicht so
war, wie du gedacht hast.“
Basel, 11.03.2008
Psychiatrische Erkrankungen
als Folge häuslicher Gewalt
Depression,
Alkoholerkrankung (jeweils
Verdopplung),
andere Suchterkrankungen,
posttraumatische
Belastungsstörung,
somatoforme Störungen,
Suizidversuche
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Gewalt
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Riecher 2014
Eigene Studien
I. Studie auf der Kriseninterventionsstation am
Universitätsspital Basel 2004
Häufigkeit häuslicher Gewalt
bei 115 deutschsprachigen Patientinnen
40% in den letzten 12 Monaten,
davon
Riecher 2014
7%
sexuell
18%
körperlich
70% während ihrer
ErwachsenenLebenszeit (ab 18. LJ)
28%
emotional
Nyberg E, Stieglitz RD, Flury M, Riecher-Rössler A. Häusliche Gewalt bei Frauen einer Kriseninterventionspopulation - Formen der Gewalt und Risikofaktoren. Fortschr Neurol Psychiatr 2013;81:331-336
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Studie auf der Kriseninterventionsstation am
Universitätsspital Basel 2004
Beispiele für Gewalterfahrungen
Letzte 12
Monate
Lebenszeit
Schläge, Tritte etc.
18%
54%
Angst in der Partnerschaft
15%
55%
Angst vor ehemaligem Partner
16%
45%
Zum Geschlechtsverkehr gezwungen
7%
30%
Grund für stationäre Behandlung
11%
19%
Riecher 2014
N = 96
Psychiatrische Hauptdiagnosen
Organische Störungen
1
Substanzmissbrauchsstörungen
1
Schizophrenie
12
Affektive Störungen
49
Neurotische/stressbedingte Störungen
31
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Verhaltensstörungen mit
physiol. Komponente
Persönlichkeitsstörungen
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3
3
0
10
20
30
40
50
8
II. Studie zur Häufigkeit von Suizidversuchen in Basel-Stadt 2003-2004
Suizidversuchsraten:
• bei Frauen 2x höher als bei Männern
• bei türkischen Migranten 2.7 x höher als bei Schweizern
• bei türkischen Migranten 6 x höher als in der Türkei!
• bei jungen türkischen Migrantinnen 3 x höher als bei
jungen Schweizer Frauen
Riecher 2014
Riecher 2014
→ am höchsten bei jungen türkischen Migrantinnen!
Brückner B, Muheim F, Berger P, Riecher-Rössler A. Nervenheilkunde 2011;7:517-522.
Quelle: Tages-Anzeiger, 5. September 2011
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Riecher 2014
Riecher 2014
15-20% der türkischen Frauen
nannten Gewalterfahrung als
Hauptauslöser für Suizidversuch
Warum bleiben Frauen
bei einem gewalttätigen Partner?
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Riecher 2014
Der Prozess der Anpassung bei
verschiedenen Formen häuslicher Gewalt
• Gewalt steigert sich mit der Zeit
 Um ihre Ruhe zu haben, hütet die Frau sich vor jeder
Auseinandersetzung, versucht es ihm recht zu machen
 die Frau verliert ihre Selbstachtung und
Selbstsicherheit
 Gewöhnung an die Gewalt, da sie an ihrer eigenen
Wahrnehmung zweifelt „ist es wirklich so schlimm?
Er hat mich geschubst, hingefallen bin ich selbst.“
• Zyklische Gewalt
 Phase der Gewalt
 Phase der Beschwichtigung und Versöhnung (Partner
befürchtet, seine Frau zu verlieren)
 Hoffnung entsteht bei der Frau
Betroffene
• haben oft schon in der Kindheit Gewalt erfahren,
• nicht gelernt, sich abzugrenzen und
• verfügen über wenig Selbstsicherheit
Riecher 2014
Bei erneutem Gewalterleben
• internalisieren sie (suchen die Schuld bei sich),
• grenzen sich nicht ab/wehren sich nicht
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Der psychologische Teufelskreis der Gewalt
Abhängigkeit/
Gewalt erdulden
psychische
Störung
Riecher 2014
Riecher 2014
mangelnde
Selbsticherheit
und Abgrenzung
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Beginn oft in Kindheit!
Früherkennung und
Hilfsangebote
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Was kann ich tun, wenn ich einen
Verdacht habe?
• Ansprechen!
• Fragen!
Riecher 2014
Riecher 2014
• Hilfsangebote kennen
www.kreis-croesfeld.de
• Hinschauen!
für Basel-Stadt siehe z.B.
– http://www.halt-gewalt.bs.ch/
– http://www.welcome-to-basel.bs.ch/notsituationengewalt.htm
Quelle: Nyberg E, Hartman P, Stieglitz R, Riecher-Rössler A (2008) Screening Partnergewalt. Ein deutschsprachiges
Screeninginstrument fur häusliche Gewalt gegen Frauen. Fortschr Neurol Psychiatr 76 (1):28-36.
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Screening Partnergewalt
(Riecher-Rössler 2001)
• Das einfache 5-Item Interview entdeckte Partnergewalt
mit einer relativ hohen Sensitivität von 0.80 und einer
Spezifizität von 0.78
• Esdauert nur 5-10 Minuten und kann von ausgebildeten
Pflegefachleuten und anderen Mitarbeitern im
Gesundheitswesen durchgeführt werden.
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• Es wird von den Patienten gut akzeptiert.
• Die Einführung in die Routine verschiedener
Gesundheits- und psychosozialer Settings würde künftig
eine frühere Erkennung von Partnergewalt ermöglichen.
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Erwünschte Hilfe durch Betroffene
32-54%
• jemanden zum Reden
12-25%
• Schutz
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13-21%
• praktische Hilfe
EU FRA Studie 2014
Justizdepartement Basel-Stadt
„Monitoring Häusliche Gewalt“ 2012
Riecher 2014
Im Bericht werden alle Hilfen erwähnt
nur nicht
psychiatrisch-psychotherapeutische!
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Wege aus der Gewalt
• Beratung und Unterstützung der Betroffenen
• unvoreingenommen
• langfristig
• zuverlässig
• geduldig
• Psychotherapie
• zur Entwicklung von Selbstsicherheit/
Selbstbewusstsein, Selbstwert
• Autonomie/sich abgrenzen können
• Behandlung psychiatrischer (Folge)erkrankungen
Zentrale Themen der Behandlung
(Kubany et al., 2004: 11 Sitzungen á 90min.)
•
•
•
•
Riecher 2014
•
•
•
•
•
Umgang mit belastenden Wiedererinnerungen und Vermeidung
Stress Management
Umgang mit gelernter Hilflosigkeit
Umgang mit abwertenden Kognitionen und negativen
Selbstinstruktionen
Verarbeiten von Schuld/Scham, Misstrauen, Ärger und Wut
Aufbau vom selbstsicherem Verhalten und Selbstwertgefühl
Lernen, Entscheidungen zu treffen
Umgang mit Kontaktversuchen des Ex-Partners, Ko-Abhängigkeit und Verleugnung
„Warum lasse ich mich auf solche Männer ein?“
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Psychiatrisch-psychotherapeutische
Abklärung und Behandlung
von psychischen Folge- und Begleiterkrankungen
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Auswirkungen
häuslicher Gewalt
auf die psychische
Gesundheit
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Chefärztin
Zentrum für Gender Research
und Früherkennung
Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel
Kornhausgasse 7, 4051 Basel
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Psychotherapeutische
Interventionsstrategien
Allgemeine Grundsätze in der Behandlung I
• Nicht wertende Akzeptanz und Verständnis für die misshandelte
Frau und ihr Erleben
• Unterstützung beim Bewusstwerden des beherrschenden
Einflusses des Partners (Erkennen der „Fallen“)
• die Sicherheit der betroffenen Frau und die Schaffung neuer
Möglichkeiten zu ihrer Absicherung
• Die Frau selbst entscheidet, ob sie ihren gewalttätigen Partner
verlässt oder nicht
Riecher 2014
– „Was ist schlimmer, mit ihm und seiner Gewalt zu leben oder
allein, in der Unsicherheit?“
– Wenn sie bleibt, muss sie auf jeden Fall lernen, dem Partner
Einhalt zu gebieten, ihre Bedingungen zu stellen und das
Schweigen zu brechen, das die Gewalt umgibt
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Allgemeine Grundsätze in der Behandlung II
• Das Zurückkehren in die Gewaltbeziehung ist ein „Symptom“ bei
häuslicher Gewalt (Ø 3-4 Mal; Lerner & Kennedy, 2000) und ein
„Abschied auf Raten“
– „Ich hatte Angst, alleine nicht zurecht zu kommen“
– „Seine Drohungen wurden immer schlimmer. Aus Angst habe ich die
Scheidung zurückgezogen.“
– „Ich wollte meine Ruhe haben.“
– „Vielleicht hat er sich doch geändert. Er ist jetzt ganz liebevoll und
verspricht, es komme nie mehr vor.“
• Die Bereitschaft des Helfers, sich auch selbst durch das Anhören
wiederholter Berichte über die Traumatisierung und deren Folgen mit
dem Trauma auseinanderzusetzen.
Riecher 2014
Riecher 2014
– „Wenn ich jetzt gehe, war alles umsonst.“
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WPA Consensus Statement on
Interpersonal Violence Against Women I
Issue a policy statement that recognizes violence against women as
a major determinant of mental distress and psychiatric illness in
women and strongly condemns all forms of violence against women.
Support programs to improve the education of practicing and training
psychiatrists to recognize and treat victims of violence …
Promote safe, respectful, non-blaming, ambulatory and inpatient
treatment programs for women victims of violence.
Support research to develop and evaluate the best treatments for
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women who have suffered from violence, and for their children and the
perpetrators.
WPA Consensus Statement on
Interpersonal Violence Against Women II
Support health professionals‘ and public awareness of violence against
women as a critical women‘s mental health determinant.
Explore opportunities for greater interprofessional collaboration
(legal, social, medical and policy makers) on an international level …
Explore wide ranging psycho-educational and socio-cultural
interventions designed to change the objectification of women,
which is a major determinant of violence against women.
Censure public statements, which seek to normalize violence against
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women as acceptable or a cultural norm.
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Rechtliche Aspekte
• Häusliche Gewalt ist seit 2004 in Basel-Stadt ein
Offizialdelikt, d.h. sie muss strafrechtlich verfolgt
werden, sobald sie der Polizei bekannt ist, und falls
es sich um eine Körperverletzung handelt oder eine
schwere Nötigung mit Hilfe von gefährlichen
Gegenständen.
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• Aber: ärztliche Schweigepflicht
Riecher 2014
Justizdepartement Basel-Stadt
„Monitoring Häusliche Gewalt“ 2012
Im Kalenderjahr 2011 erledigte die Staatsanwaltschaft nach eigener Definition
insgesamt 230 Strafverfahren im Bereich der häuslichen Gewalt.
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Justizdepartement Basel-Stadt
„Monitoring Häusliche Gewalt“ 2012
Geschlechterverhältnisse bei Gewaltausübung
4%
9%
10%
M vs. M oder F vs. F
F vs. M
F und M gegenseitig
M vs. F
Quelle: „Monitoring Häusliche Gewalt“ im Kanton Basel-Stadt 2012
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77%
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http://www.re-empowerment.de/haeusliche-gewalt/
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http://www.re-empowerment.de/haeusliche-gewalt/
Polizeilich registrierte häusliche Gewalt, BFS Statistik der Schweiz,
Neuchâtel 2012
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Polizeilich registrierte häusliche Gewalt, BFS Statistik der Schweiz,
Neuchâtel 2012
Polizeilich registrierte häusliche Gewalt, BFS Statistik der Schweiz,
Neuchâtel 2012
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Polizeilich registrierte häusliche Gewalt, BFS Statistik der Schweiz,
Neuchâtel 2012
Polizeilich registrierte häusliche Gewalt, BFS Statistik der Schweiz,
Neuchâtel 2012
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Quelle: Eidgenössisches Büro für die Gleichstellung von Frau und Mann EBG;
Informationsblatt 2: Ursachen und Risikofaktoren von Gewalt in Paarbeziehungen
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WHO information sheets on violence against women
Riecher 2014
Global and regional
estimates of violence
against women
Prevalence and health
effects of intimate partner
violence and non-partner
sexual violence, WHO 2013
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Gewaltmuster
Gewalt als spontanes bzw. situativ übergriffiges
Konfliktverhalten
• Bei diesem Gewaltmuster kommt es zu Gewalthandlungen in
Paarbeziehungen, wenn Paare auf eine konkrete Konfliktsituation
vor allem physisch, aber auch verbal übergriffig reagieren.
Kennzeichnend ist, dass sich die beiden Partner/-innen
grundsätzlich als ebenbürtig ansehen und kein Machtgefälle zwischen ihnen besteht
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Gewalt als systematisches Gewalt- und Kontrollverhalten
• Kennzeichnend ist nicht in erster Linie die Form und Schwere der
Gewalt – diese kann von psychischer bis zu schwerer physischer
Gewalt reichen – sondern ein asymmetrisches, missbräuchliches
Beziehungsverhältnis
Physische
Gewalt
stossen,
schlagen, treten,
würgen …
Soziale
Gewalt
vergewaltigen,
zu sex.
Handlungen
nötigen …
isolieren,
überwachen, für
sie entscheiden
…
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Sexualisierte
Gewalt
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Macht
und
Kontrolle
Ökonomische
Gewalt
Psychische
Gewalt
Geld zuteilen,
verweigern,
wegnehmen …
einschüchtern,
beleidigen,
drohen,
demütigen …
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30
Studie auf der Kriseninterventionsstation am
Universitätsspital Basel 2004
Beispiele für Gewalterfahrungen in den letzten 12 Monaten
30%
• Angst vor Partner
20%
• wurden mit den Fäusten oder ins Gesicht oder
am Kopf geschlagen
Riecher 2014
15%
• “Er benahm sich, als wolle er mich töten”
Partnergewalt bei einer weiblichen
psychiatrischen Kriseninterventionspopulation
basierend auf „Screening Partnergewalt" (Riecher-Rössler 2001)*
•80
80
70
70
60
60
60
50
50
40
40
50
41
40
30
70
80
70
30
30
30
30
20
20
20
10
10
10
0
0
never
41
27
27
0
never
lifetime violence (at violence during the violence during the
lifetime violenceleast
(at once
thereof
thereof violence
as anviolence
last 12 months
last 12 months AND
least once as an adult)
during the last 12
during the last before
12
that
adult)
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70
davon
months
months AND before
that
* Mind. 1 Item positiv „Screening Partnergewalt“
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Studie auf der Kriseninterventionsstation am
Universitätsspital Basel 2004
Risikofaktoren: vergleichsweise geringe schulische und
berufliche Bildung
reformiert
Diagnosen:
30% akute Belastungs- und Anpassungsstörung oder somatoforme Störung
10% Psychose
 teils als Folge der Gewalt,
 teils aber auch als Risikofaktor für
weitere Gewalt
Riecher 2014
Schutzfaktor:
III. Klinische Studie
• Patientinnen und Patienten mit Suizidversuchen auf der
Notfallstation des Universitätsspitals Basel von 1991-1997
– Alle 70 Migranten (48 Frauen, 22 Männer) aus der Türkei mit
Wohnsitz BS
im Vergleich zu
– 70 SchweizerInnen, parallelisiert nach Alter und Geschlecht
• Klinische Interviews
Riecher 2014
– durch türkischen Psychiater mit Migrationshintergrund
– innerhalb von 72 Std. nach der stationären Aufnahme
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Die wichtigsten Ursachen und Risikofaktoren von Gewalt in Paarbeziehungen
Individuum
 Erfahrungen als Opfer und als ZeugInnen von Gewalt in
der Kindheit
 Antisoziales Verhalten und Delinquenz ausserhalb der
Partnerschaft
 Alkohol-/Drogenkonsum
 Stress, Stressbewältigungsstrategie
Beziehung
Gemeinschaft
 Soziale Isolation des Partners
 Fehlende soziale Unterstützung der Betroffenen
 Gewalt bejahende und tolerierende Haltung des
sozialen Umfelds
Gemeinschaft
Gesellschaft
Gesellschaft
 Starre Rollenbilder, Stereotype von
Männlichkeit und Weiblichkeit
 Fehlende Gleichstellung von Frau und Mann
in den einzelnen Bereichen der Gesellschaft
 Toleranz gegenüber der Gewalt in
Paarbeziehung und Banalisierung von Gewalt
 Akzeptanz von Gewalt als Mittel der
Konfliktlösung
Riecher 2014
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Individuum
Beziehung
 Machtgefälle in der Beziehung
 Dominanz und Kontrollverhalten
 Konflikte in der Partnerschaft,
Konfliktsbewältigungsstrategie
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Ziele der psychologischen Intervention
• Sicherheit der betroffenen Frau verbessern
• Ihr durch das Fassen von Entschlüssen wieder
dazu zu verhelfen, eigenverantwortlich leben
zu können  Reduktion der Hilflosigkeit!!!
Riecher 2014
• Das psychische Trauma der Gewalt
bewältigen. Erst nach Trennung möglich.
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Riecher 2014
Quelle: www.20minutes.ch, 6. September 2011
15-20% der türkischen Frauen
nannten Gewalterfahrung als
Hauptauslöser für Suizidversuch
der 1. Generation
(Einwanderung im Alter >19 Jahre)
5 (15%) von 34
der 2. Generation
(Einwanderung im Alter <19 Jahre)
Riecher 2014
3 (21%) von 14
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Warum bleiben Frauen in von Gewalt geprägten Partnerschaften?
Welche Faktoren machen vulnerabel dafür?
(Hirigoyen, 2006)
Durch in der Kindheit erlebte
Psychische
Vulnerabilität Gewalt
„…wird man in der Kindheit mit Gewalt
konfrontiert, ist es wie eine Muttersprache, die man gelernt hat.“
Abschätzige und gewalttätige
Behandlung wird als „normal“
erlebt und nicht als Gewalt
bezeichnet
Riecher 2014
Psychische Probleme der
Partner, die sich ergänzen
Der Platz der Frau in der
Soziale
Vulnerabilität Gesellschaft bringt sie von
vorneherein in die unterlegene
Position
Frauen werden für das Gelingen
der Beziehung verantwortlich
gemacht
Nationale Konferenz Häusliche Gewalt
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„…froh, endlich einen verlässlichen
Mann gefunden zu haben. Er wusste
immer, was zu tun war …“
Männer verhalten sich oft aktiv und
dominant, Frauen passiv und
unterwürfig
Aus Scham legen sie erlebte Gewalt
nicht offen
36
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