22 Praxis aktuell Die ZahnarztWoche Ausgabe 42/07 McStuhl Position 24 Lächeln trotz schwieriger Ausgangssituation Mit dem geeigneten Implantatsystem kann die Stabilisierung des periimplantären Gewebes unterstützt werden Trotz der Fortschritte in der Implantatplanung und in der Vorhersagbarkeit der Ergebnisse bleiben Versorgungen in der ästhetischen Zone eine Herausforderung. Ob man dem Patienten ein akzeptables Ergebnis garantieren kann – nicht nur für die Osseointegration, sondern auch für ein natürliches Lächeln – und was man in ästhetisch kompromittierten Situationen erreichen kann, schildert Zahnarzt Dr. Stefan Ullrich aus Weiden. Implantate nehmen einen festen Platz in der zahnärztlichen Prothetik ein und ermöglichen eine zuverlässige Rehabilitation mit einem für den Patienten subjektiv hohen funktionellen und ästhetischen Komfort. Die Zuverlässigkeit an ossärer Integration von Implantaten hat durch die Modifizierung der Implantatoberfläche von „machined“ zu „mikrorau“ – und jetzt „chemisch modifiziert“ – um Quantensprünge zugenommen. So ist für uns heute Implantologie in schwierigen knöchernen Situationen wie Klasse IV nach Leckholm und Zarb zur Selbstverständlichkeit geworden. Eine Herausforderung geblieben ist die Versorgung im ästhetischen Bereich. Doch wie die unterschiedlichen Schwierigkeiten in der Implantologie mit graduell verschiedenen Knochendichten korrelieren, so ist auch in der ästhetischen Zone mit unterschiedlich schwierigen Ausgangssituationen zu rechnen. Diese sind vor allem bei Defiziten an Hart- und Weichgewebe zu finden. So hat die dritte ITI Konsensuskonferenz folgende präimplantologische Analysefaktoren als kritische Punkte für Implantate in der ästhetischen Zone genannt: der radiologische Status, der Zustand der Nachbarzähne, die Anatomie des Alveolarfortsatzes, die Dimension der zahnlosen Lücke, die interokklusale Beziehung sowie der gingivale Biotyp und die Lokalisation der Lachlinie. zuklären, was vorhersagbar ist und was nicht. Da der Gingiva-Biotyp neben dem knöchernen Angebot für die Vorhersagbarkeit des ästhetischen Ergebnisses eine wichtige Rolle spielt, ist es sinnvoll, eine Einteilung in vier ÄsthetikBiotypklassen vorzunehmen (Kasten Seite 23). Da nach einer Zahnextraktion durch die Resorption Anzeige Sirona Position 39 Die vier Klassen des Ästhetik-Biotyps Man darf allerdings nicht bei tiefer Lachlinie glauben, der Patient toleriere dann auch ein weniger ästhetisches Ergebnis. Die Ästhetik wird in erster Linie vom Patienten bestimmt. Gemeint ist dabei der Patiententyp des „liplifters“, den wir alle in unseren Praxen mit Sicherheit antreffen. Der Patient, der Ästhetik wünscht, verzeiht meist keine Fehler. Dieses Verhalten zeigt uns leider auch das periimplantäre Gewebe. Es gilt demnach, das Behandlungsprotokoll zu optimieren und im Vorfeld mit dem Patienten ab- des sogenannten Bündelknochens eigentlich immer eine Defektsituation vorliegt, sollte im ästhetischen Bereich stets eine Hartgewebsaugmentation erfolgen. Dies haben Arbeiten von Araújo und Lindhe gezeigt. Selbst bei einer Sofortimplantation wird durch das Implantat die Resorption nicht verhindert. Auch sollte bei dünnem Gingiva-Biotyp stets ein subepitheliales Bindegewebstransplantat verwendet werden. Das ästhetische Problem entsteht bei intakten Nachbarzähnen meist eher im „mid-facial“Bereich, wohingegen die Papillenregion durch die richtige Lage des Approximalkontakts noch prothetisch korrigiert werden kann. Während in den Ästhetik-Biotypklassen 1 bis 3 eine voraussagbare Ästhetik erwartet werden kann, ist dies in der Klasse 4 nur schwer möglich. Hier müssen mit dem Patienten eventuelle ästhetische Kompromisse gefunden und andere prothetische Lösungen diskutiert werden. Entscheidet sich der Patient dennoch für die Implantatlösung, muss er eventuell mit einem eingeschränkten ästhetischen Ergebnis rechnen. Osseointegration auf Dauer Entscheidend ist auch, dass ein gewünschtes ästhetisches Ergebnis nicht nur kurzfristig erzielt wird, sondern langfristig eine stabile periimplantäre Situation erhalten werden kann. Dabei sind operatives Vorgehen und Implantatpositionierung genauso entscheidend wie die Wahl der richtigen Materialien. Neben einem langsam resorbierbaren Knochenersatzmaterial zur stabilen 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 Weichgewebsstützung sollte auch das gewählte Implantatsystem die Stabilisierung des periimplantären Gewebes unterstützen. Das Implantat des Dentalherstellers Astra-Tech (Elz), mit seiner konischen Implantat-Abutment-Verbindung (Conical Seal Design), dem Mikrogewinde am Implantathals (MicroThread) und der neuartigen OsseoSpeed-Oberfläche zeigt in klinischen Studien neben einer zuverlässigen ossären Integration auch den Erhalt des periimplantären Hart- und Weichgewebes. Der Patientenfall: Die 20-jährige Patientin wurde zur Implantation in unsere Praxis überwiesen.Sie hatte vor rund acht Jahren bei einem Reitunfall ihre Zähne Bildlegende 1 Neben einem ausgeprägten Alveolarkammdefekt lagen schwierige Weichgewebsverhältnisse vor (Vernarbungen; Hyperplasien; „high scalloped thin gingival biotype“) 2 Präparation „double split thickness flap“. 3 Darstellung des „outer“ und „inner flap“. 4 Präparation des Implantatbetts nach prothetischen Gesichtspunkten. 5 Die Implantatachse regio 21 musste aufgrund der Wurzelstellung von 22 leicht nach distal geneigt werden. 6/7 Überprüfung der Implantatbettbohrung beziehungsweise Implantationsrichtung. 8/9 Insertion der Implantate regio 11 und 21. Ein weit reichendes Foramen incisivum zwang zu einer leicht protrudierten Achsenstellung von Implantat 21. Die Insertionstiefe betrug ca. 3 mm unterhalb der labialen Schmelz-Zement-Grenze der Nachbarzähne. 10 Augmentation mit autologem Knochen von der Spina nasalis anterior und BioOss. 11 Applikation einer Kollagenmembran. 12 Fixation des „inner flap“. 13 Fixation der subepithelialen Bindegewebstransplantate auf dem „inner flap“. 14 Koronale Reposition des „outer flap“ und Wundverschluss mit Einzelknopfnähten. 15 Fixturen regio 11 und 21 in situ; postoperative Panorama-Röntgenaufnahme. 16 Weichgewebssituation nach vier Monaten Einheilung kurz vor der Freilegung. Man erkennt deutlich die gewonnene vertikale Höhe an Gewebe beziehungsweise Papillen mesial von 12 und 22. 17 Weichgewebssituation nach vier Monaten Einheilung kurz vor der Freilegung. Es zeigte sich eine deutliche oro-vestibuläre Volumenzunahme. Die Gewebequalität war aber nach wie vor unbefriedigend. 18 Röntgenaufnahme der osseointegrierten OsseoSpeed-Implantate 11 und 21. 19 Ausformung des periimplantären Weichgewebes mit Hilfe einer laborgefertigten Kompositkrone auf Temporary Abutments (Praxis Dr. Piehler, Moosbach). 20 Situation der periimplantären Muskosa nach erfolgter Ausformung mit deutlich erkennbaren Papillen. 21 Definitive Versorgung der Implantate 11 und 21 mit zementierten Metallkeramikkronen auf Titanabutments. 22 Das Lächeln der Patientin. 13 11 und 21 verloren. Seitdem trug sie eine Interimsprothese. Es zeigte sich ein stark reduzierter Alveolarfortsatz regio 11, 21 mit einer vernarbten und durch das jahrelange Tragen der Interimsprothese hyperplastisch veränderten Gingiva (Prothesenstomatitis) (Abb. 1). Zahn 22 hatte Praxis aktuell Ausgabe 42/07 Es erfolgte eine Transplantation mit autologen Knochenspänen von der Spina nasalis anterior (Abb. 10). Zum Schutz vor Resorption und zur Volumenvergrößerung wurde BioOss über die augmentierten Knochenspäne appliziert und mit einer Kollagenmembran (Ossix) abgedeckt (Abb. 11). 14 Die ZahnarztWoche 19 20 21 22 Das chirurgische Vorgehen Der innere Lappen wurde nach Periostschlitzung an der Basis weit nach koronal mobilisiert und mit horizontalen Matratzennähten am palatinalen Lappen fixiert (Abb. 12). Danach wurden zwei subepitheliale Bindegewebstransplantate, die beidseits aus der Gaumenregion entnommen wurden, adapiert und mit Umschlingungsnähten befestigt (Abb. 13). Jetzt konnte auch der äußere Lappen spannungsfrei nach koronal verschoben werden, und es erfolgte 15 der Wundverschluss mit Einzelkopfnähten (Abb. 14). Nach einer Einheilzeit von rund vier Monaten (Abb. 16 bis 18) erfolgte die Freilegung durch Stichinzision und Spreizung der Gingiva, so dass keine Nahtfixation notwendig war. Es wurden Zebra-Healing-Abutments aufgeschraubt. Zwei Wochen später wurde mit der prothetischen Versorgung durch Dr. Piehler (Moosbach) begonnen (Abb. 19). Nach transmukosaler Ausformung (Abb. 20) mit laborgefertigten Kunststoffprovisorien auf Temporary Abutments konnten schließlich die definitiven Metallkeramik- 16 17 18 eine leicht protrudierte Rotationsstellung mit komplettem Papillenverlust mesial. Die Weichgewebssituation und der Alveolarfortsatzdefekt infolge Trauma und Atrophie bedeutete die Einstufung in Klasse 4, bei der mit einem eingeschränkten ästhetischen Ergebnis zu rechnen ist. Glücklicherweise zeigte die Pa- 23 tientin eine tiefe Lachlinie, was den zu erwartenden ästhetischen Kompromiss wieder relativierte. Aufgrund der ungünstigen Weichgewebesituation entschieden wir uns für eine Vorgehensweise in nur einem Schritt. Nach einem parakrestalen Kieferkammschnitt wurde ein doppelter Spaltlappen präpariert (Abb. 2 und 3). Es musste sowohl Hart- als auch Weichegewebe augmentiert werden. Zwei OsseoSpeed-Implantate mit 11 Millimeter (mm) Länge und 4 mm Durchmesser wurden inseriert (Abb. 4 bis 9). Durch die Angulation von 22 waren wir gezwungen, die Insertionsrichtung des Implantats 21 leicht zu korrigieren. Ästhetische Biotypen Ästhetik-Biotyp 1: Dicker Gingiva-Biotyp; moderater Alveolarfortsatzdefekt (simultanous augmentation procedure indicated). Ästhetik-Biotyp 2: Dicker Gingiva-Biotyp; fortgeschrittener Alveolarfort-satzdefekt (staged augmentation procedure indicated). Ästhetik-Biotyp 3: Dünner Gingiva-Biotyp; moderater Alveolarfortsatzdefekt (simultanous augmentation procedure indicated). Ästhetik-Biotyp 4: Dünner Gingiva-Biotyp und/oder starke Vernarbungen und ausgeprägter Alveolarfortsatzdefekt oder gepaarte Implantate (staged augmentation procedure indicated). DMG Position 13 kronen auf Titan-Abutments eingegliedert werden (Abb. 21). Die Patientin war mit dem ästhetischen Ergebnis sehr zufrieden (Abb. 22). Dr. Stefan Ullrich, ■ Weiden Literaturliste bei der Redaktion erhältlich