GeneSys: Hydraulische und thermische Charakterisierung des künstlich erzeugten Risses und Implikationen für dessen geothermische Nutzung TISCHNER, T.1)., SULZBACHER, H.2), JUNG, R.2), ORZOL, J.2), JATHO, R.1), KEHRER, P.1) 1) BGR, Hannover; 2) GGA-Institut, Hannover Einleitung: Die Bohrung Horstberg Z1 dient dem Geozentrum Hannover als Forschungsbohrung für die geothermische Energiegewinnung. Hier sollen neue Methoden zur Erdwärmegewinnung untersucht und insbesondere Einbohrlochkonzepte getestet werden. Im Zentrum der Untersuchungen steht die Anwendbarkeit der Wasserfrac-Technik auf dichte Sedimentgesteine. Die Untersuchungen an der Bohrung Horstberg Z1 stehen im engen Zusammenhang mit dem GeneSys-Projekt (JUNG. et al., 2004). Aufbauend auf den Erfahrungen an der Bohrung Horstberg Z1 sollen hier entwickelte Konzepte auf den Standort Hannover übertragen und für die geothermische Wärmeversorgung des Geozentrums umgesetzt werden. An der Bohrung Horstberg Z 1 wurden im Herbst 2003 massive Wasserfrac-Tests im Buntsandstein (Detfurth -und VolpriehausenFormation) durchgeführt. Die größeren Fracoperationen fanden im Detfurth-Sandstein, über eine Perforationsstrecke von 3787 – 3791 m statt. Es wurden hier 2 Fracoperationen mit einer Fließrate von jeweils 50 l/s und insgesamt ca. 20.000 m3 Frischwasser ausgeführt. Hierdurch konnte ein großflächiger künstlicher Riss erzeugt werden, der interessante hydraulische und thermische Eigenschaften aufweist. Über Ablauf und wesentliche Ergebnisse der bisherigen Untersuchungen an der Bohrung Horstberg Z 1 wird bereits in dem Beitrag von Orzol et al. (Das Geothermieprojekt GeneSys – Ergebnisse von massiven Wasserfractests im Buntsandstein des Norddeutschen Beckens) in diesem Band berichtet. Die nachfolgende Darstellung knüpft inhaltlich unmittelbar an diesen Beitrag an. Es werden Ergebnisse von hydraulischen Testauswertungen präsentiert, die Rückschluss auf die Eigenschaften des Risses zulassen. Weiterhin wird der Frage nachgegangen, welcher natürliche Stützmechanismus ein vollständiges Schliessen des Risses nach Druckentlastung verhindert. Schließlich wird das thermische Verhalten des Risses in zyklischen Tests mit Hilfe von Modellrechnungen untersucht. Im Zentrum dieser Modellrechnungen steht das thermische Langzeitverhalten bei zyklischer Beladung mit Kaltwasser und Rückförderung von Heisswasser aus dem Riss. Hydraulische Eigenschaften des künstlich erzeugten Risses Im Anschluss an die Fracoperationen im Detfurth-Sandstein wurden Auslauftests sowie zyklische Tests durchgeführt. Primäres Ziel der zyklischen Tests war die Untersuchung der thermischen Eigenschaften des Risses. Die Beobachtungen insbesondere während eines zyklischen Tests auf Wochenbasis konnten aber gleichzeitig für eine weiter führende hydraulische Interpretation genutzt werden. In Abb. 1 sind der Druck- und Fließratenverlauf für diesen zyklischen Test dargestellt. Bei diesem Test wurde zunächst mit 20 l/s über 36 h injiziert und anschließend das zuvor injizierte Volumen in fünf Produktionszyklen wieder gefördert. In den Produktionsphasen wurde jeweils mit ca. 10 l/s über einen Zeitraum von 15 h produziert. An jede Produktionsphase schloss sich eine 9-stündie Einschlussphase an. Der Druckverlauf spätestens ab der 2. Förderphase lässt sich sehr gut mit einheitlichen hydraulischen Modellparametern anpassen. In Abb. 2 sind in doppelt logarithmischer Auftragung sowohl Druck als auch die 1. Ableitung des Drucks für die letzte Einschlussperiode dargestellt. Der Anstieg von beiden Kurven ist nahezu für die gesamte Zeitdauer proportional zur Wurzel aus der Zeit. Dieses Verhalten ist typisch für ein formationslineares Fließregime: Die Druckreaktion wird von einem senkrecht zur Rissfläche in die Formation gerichteten Fluidstrom dominiert. Das Auftreten dieses Fließregimes bedeutet, dass der Druckabfall über den Riss vernachlässigbar ist im Vergleich zum Druckabfall über die Formation. Der Riss muss eine sehr gute hydraulische Leitfähigkeit aufweisen. Weiterhin bemerkenswert ist, dass keinerlei Druckabfall über die Perforation, der sich als Skin äußern würde, auftritt. Die Perforation wirkt somit in keiner Weise hydraulisch limitierend. Diese Aussage gilt auch bei der deutlich höheren Fließrate während der Stimulation (50 l/s). Insbesondere aus dem sehr sicher bestimmbaren Anstieg der Druckkurve (Abb. 2) können hydraulische Parameter abgeleitet werden. Bei konstantem Speicherkoeffizienten und konstanter Viskosität wird das Druckverhalten vor allem von dem Produkt A*k 1/2 bestimmt (A: Rissfläche; k: Permeabilität). Die Transmissibilität der Formation kann näherungsweise aus dem Abflachen der 1. Ableitung ermittelt werden und wird hier mit 3*10-14 m3 angenommen. Vorausgesetzt wird ein vertikaler Riss. Da der Fracdruck im Detfurth-Sandstein deutlich geringer als der Überlagerungsdruck ist, ist diese Annahme sehr gut gesichert. Jedoch ist die wirksame Risshöhe unsicher. Die Bohrung ist vollständig verrohrt, so dass keine direkte Möglichkeit zur Bestimmung der Risshöhe besteht. 700 80 Druck Messwerte Fit 1 60 600 40 2 Fließrate 550 3 20 4 5 500 0 450 -20 0 50 100 150 Zeit (h) seit Testbeginn Fließrate (l/s) Druck, 3770m (bar) 650 200 250 Abb. 1: Messwerte und Anpassung des Drucks (3770 m) sowie Fließrate für einen zyklischen Test auf Wochenbasis im Feb. 04. Die einzelnen Produktionsphasen sind nummeriert. Druckdifferenz / 1. Ableitung (bar) 100 Abb. 2: Letzte Einschlussphase des zyklischen Tests. Doppelt-logarithmische Darstellung der Druckdifferenz (bezogen auf den Beginn der Einschlussperiode) und der 1.Ableitung der Druckdifferenz bzgl. des Logarithmus der Superpositionszeit. Messwerte Fit Druck 10 1. Ableitung 1 0.1 1 10 Zeit (h) seit Shut in 100 20 Druckdifferenz / 1. Ableitung (bar) Druckdifferenz (bar) 60 40 20 0 Druck 16 "Fracdruck" 12 8 1. Ableitung 4 0 0 4 8 12 16 Zeit (h) seit Beginn d.1. Produktionspahse Abb. 3: Druckänderung während der 1. Produktionsphase bezogen auf den Druck zum Beginn der Phase (siehe Abb. 1) 0 2 4 6 Zeit (h) seit Shut in 8 10 Abb. 4: Druckdifferenz und 1. Ableitung der Druckdifferenz für die Einschlussperiode nach der 1. Produktionsphase. Der Druck zum Beginn beträgt 601 bar. Aus dem eingezeichneten „Fracdruck“ kann hier ein realer Fracdruck von 613 bar (601 bar + 12 bar) abgeleitet werden, bezogen auf 3770 m. In der Tab. 1 sind die hydraulischen Parameter bei Annahme einer Risshöhe von 6 m und von 60 m zu ersehen. Die Risshöhe von 6 m ist eine konservative Abschätzung und entspricht ungefähr der Mächtigkeit einer Sandsteinbank innerhalb der Detfurth-Formation, die als primäre Zielformation für die Fracoperation ausgewählt wurde. Die Risshöhe von 60 m kann als Maximalabschätzung angesehen werden und beschreibt ungefähr die Gesamtmächtigkeit aller Sandsteinlagen zwischen der Perforationsteufe und dem Beginn des Rötsalinar (ca. 3640 m) als obere Begrenzung. Unter Risshöhe ist hier die summarisch wirksame Risshöhe über die ein Abfluß in die Formation erfolgen kann, zu verstehen. Hydraulisch dichte Abschnitte (z.B. Tonsteinlagen) tragen in diesem Sinn nicht zur wirksamen Risshöhe bei, auch wenn sich der Riss über solche Abschnitte mit ausdehnt. Transmissibilität T (m3) Permeabilität k (m2) Risshalblänge xf (m) Rissleitfähigkeit Tf (m3) h=6m 3*10-14 5*10-15 480 > 2,4*10-10 h = 60 m 3*10-14 5*10-16 150 > 7,5*10-12 Tab. 1: Hydraulische Parameter für den Riss und die Formation bei den Risshöhen h=6 m und h=60 m. Hierbei wird angenommen: 2*h*xf*k1/2 = A*k1/2 = 4,1*10-4 m3; S=5*10-11 Pa-1 (Speicherkoeffizient der Formation) und µ = 3*10-4 Pa*s (Viskosität). Aus der Tab. 1 wird ersichtlich, dass der Riss eine Risshalblänge von deutlich mehr als 100 m hat. Die hydraulisch wirksame Rissfläche liegt im Bereich von etwa 5000 – 15000 m2. Bedeutsamer als die Rissdimension ist jedoch die Rissleitfähigkeit. Das Auftreten eines formationslinearen Fließregimes setzt eine dimensionslose Rissleitfähigkeit TfD von TfD = Tf/(k*xf) > 100 voraus (BOURDAROT, 1998). Aus dieser Abschätzung resultieren die Angaben für Tf in Tab. 1. Demnach liegt die Rissleitfähigkeit auch im diesbezüglich ungünstigeren Fall (h = 60 m) noch deutlich oberhalb von 1 Dm. Dies muss als kleine Sensation gewertet werden. Für nicht künstlich abgestützte Risse im Sedimentgestein wird allgemein bezweifelt, dass diese offen, d.h. hydraulisch leitfähig, bleiben. Generell werden gestützte Risse als deutlich leitfähiger angesehen im Vergleich zu ungestützten (FREDD et al., 2000). Selbst für Stützmittelfracs sind derartig hohe Rissleitfähigkeiten die Ausnahme (CIKES, 2000). In der bisherigen Diskussion wurde nur auf den Kurvenverlauf ab der 2. Förderperiode eingegangen, da dieser rein hydraulisch interpretierbar ist. Die 1. Injektionsphase mit 20 l/s hingegen wird dominiert durch die mechanische Reaktion der Formation, dem Öffnen des Risses. Die nachfolgende Einschlussphase und die 1. Produktionsphase weisen einen näherungsweise linearen Kurvenverlauf auf und deuten damit auf das „Entleeren“ eines Speichers hin (in Abb. 3 ist exemplarisch die 1. Produktionsphase dargestellt). Während dieser beiden Phasen haben die Rissflächen noch nicht aufeinander aufgesetzt und der Bohrlochspeicher, wesentlich bestimmt durch die Nachgiebigkeit des Risses, ist sehr hoch (hier zwischen 10 und 20 m3/bar). Ab der Einschlussphase nach der 1. Produktionsphase wird ein deutlich anderes hydraulisches Verhalten registriert (Abb. 4). Hier wird ein um ca. 2 Größenordnungen kleinerer Speicherkoeffizient beobachtet und der Kurvenverlauf ist nicht mehr speicherdominiert (linear) sondern wird weitgehend von den Riss- bzw. Formationseigenschaften bestimmt. Der drastische Abfall des Speichervermögens weist auf das Aufsetzen des Risses zum Ende der 1. Förderphase hin. In der anschließenden Einschlussperiode wird nach ca. 2 h ein deutliches Abflachen der 1. Ableitung beobachtet. Durch Druckausgleich im Riss und Nachförderung aus der Formation beginnt sich hier offensichtlich der Riss wieder zu öffnen. Der Fracdruck wird erreicht. Aus der Abb. 4 entnimmt man einen Fracdruck von 613 bar. Da ein grossflächiger Riss über einen bestimmten Druckbereich hinweg aufsetzen bzw. sich öffnen wird, kann in der Realität kein genau bestimmter Fracdruck angegeben werden. In Übereinstimmung mit Abb. 4 wird hier ein Bereich von 605 – 615 bar für den Fracdruck angenommen, bezogen auf 3770 m. Vergleicht man den Druckverlauf für die weiteren Förderperioden mit diesem Fracdruck, so wird ersichtlich, dass der Fracdruck um bis zu knapp 80 bar unterschritten wird, ohne dass sich die hydraulischen Eigenschaften des Risses erkennbar verschlechtern. Der Riss bleibt folglich auch deutlich unterhalb des Fracdrucks unverändert gut leitfähig. Im März 04 und im Juli 04 wurden 2 jeweils mehrtägige Auslauftests durchgeführt. Die Analysen der Einschlussphasen reproduzieren in guter Näherung die oben aufgeführten hydraulischen Parameter. Aufgrund dieser Tests kann von einem stabilen Riss ausgegangen werden, der seine guten hydraulischen Eigenschaften auch längerfristig beibehält. Warum bleibt der Riss offen ? Nachfolgend soll näher auf die mögliche Ursache für die hohe hydraulische Leitfähigkeit des Risses eingegangen werden. Hierfür sind zunächst 4 Beobachtungen von Bedeutung: Der Riss besitzt oberhalb des Fracdrucks ein sehr hohes Speichervermögen. Bei den durchgeführten Tests, bei denen der Riss mit Fließraten zwischen 20 und 50 l/s beladen wurde, wurde ein Speichervermögen zwischen 20 und 100 m3/bar beobachtet. Der Riss verhält sich oberhalb des Fracdrucks wie ein großer „Ballon“. Bei Beladung heben die Rissflächen voneinander ab, der Riss wird aufgeweitet und das Speichervermögen steigt an. Dieses Verhalten kann nur mit einem Zugriss interpretiert werden. Bei Scherung ist nicht zu erwarten, dass sich die Rissflächen wesentlich voneinander abheben und dass der Riss ein derart großes Speichervermögen aufweist. Da Scherung somit unwahrscheinlich ist, ist auch das für ungestützte Risse als entscheidend angesehene „self propping“ (Selbstabstützung der Rissflächen infolge Scherversatz und Rissrauhigkeit) unwahrscheinlich. An der Bohrung Horstberg Z 1 wurden zunächst in der Volpriehausen-Formation (3920,5 – 3926,5 m) und anschließend im DetfurthSandstein (3787 – 3791 m) Fracoperationen durchgeführt. Bei der Fracoperation im Volpriehausen wurde ein Bohrlochkopfdruck von ca. 460 bar und im Detfurth von 330 bar registriert. Zum einen ist damit der notwendige Druck für die Fracoperationen sehr hoch, wie übrigens auch der Reservoirdruck, andererseits differieren die Bohrlochkopfdrücke sehr stark (130 bar), obwohl beide Abschnitte vertikal nur ca. 135 m voneinander getrennt sind. Während der generell hohe Fracdruck mit einer stark kompressiv beanspruchten Struktur (z.B. infolge der Salztektonik) im regionalen Maßstab erklärt werden kann, ist die kleinräumige Differenz der Fracdrücke hiermit nicht erklärbar. Für die kleinräumige Variation des Fracdrucks sind vermutlich kleinräumige Wechsel in den lithologischen Eigenschaften (E-Modul, Poisson-Koefizient) des Gesteins verantwortlich. Die starke Wechsellagerung zwischen tonigen und sandigen Abschnitten muss als Hauptursache für die Variation der Gebirgsspannung und damit des Fracdrucks angesehen werden. Nach den der Fracoperation im Detfurth-Sandstein und diesbezüglichen hydraulischen Tests wurde zusätzlich ein Bereich des Solling-Sandsteins perforiert (Perforationsstrecke: 3664 – 3668 m). Vor und nach der Perforation wurden jedoch nahezu identische hydraulische Eigenschaften der Bohrung registriert und dass obwohl auch aus dem Solling-Sandstein ein deutlicher Zufluss bei Auslauftests registriert wurde. Dies muss mit hoher Wahrscheinlichkeit so interpretiert werden, dass Detfurth und Solling durch den künstlich geschaffenen Riss hydraulisch miteinander verbunden sind. Durch beide Formationen ist der hydraulisch gut leitfähige Riss an die Bohrung angeschlossen und es wird dasselbe hydraulische System wirksam. Es muss daher angenommen werden, dass sich der Riss ausgehend vom Detfurth vertikal bis in den Solling-Sandstein ausgedehnt. Dies bedeutet, dass der Riss eine ca. 120 m mächtige Wechsellagerung aus tonigen, schluffigen und sandigen Abschnitten durchschlagen haben muss (Detfurth-Wechselfolge, Hardegsen-Wechselfolge). Insbesondere wurden damit auch Tonbänke von dem Riss durchschlagen. Offen ist bisher jedoch die Frage, ob die wahrscheinliche hydraulische Verbindung zwischen Solling und Detfurth nur oberhalb des Fracdrucks besteht oder auch bei geringeren Drücken beibehalten wird. Aus den Druckkurven wurde ein Fracdruck im Detfurth von 605 – 615 bar abgeleitet (bezogen auf 3770 m). Der Druck während der Rissausbreitung ist jedoch noch um bis zu 80 bar höher als dieser Fracdruck. Die Differenz zwischen dem Rissausbreitungsdruck und dem Fracdruck ist der Nettorissdruck und kennzeichnet den Überdruck im Riss der über die minimale Gebirgsspannung hinaus zur Rissausbreitung notwendig ist. Ein, wie hier beobachteter, hoher Nettorissdruck ist typisch für einen räumlich stark eingeengten Riss. Aus den oben erwähnten Punkten wird ersichtlich, dass die Wechsellagerung von sandigen bis tonigen Abschnitten hier wesentlich für die Rissausbreitung ist und wesentlich auch für die Erklärung der hohen hydraulischen Rissleitfähigkeit berücksichtigt werden muss. In Abb. 5 ist schematisch eine Wechsellagerung aus Sandstein und Tonstein dargestellt. Wie oben dargestellt, hat sich der Riss vermutlich sowohl über die Sandsteine als auch über tonige Lagen hinweg ausgebreitet. In den tonigen Abschnitten kann von einer signifikant höheren Gebirgsspannung als in den Sandsteinen ausgegangen werden. Die Rissöffnung ist hier geringer als in den sandigen Abschnitten. Der Riss wird sich mit signifikanter Rissweite vorwiegend entlang einzelner Sandsteinpakete entwickeln. Entsprechend dieser Situation ist das Auftreten eines hohen Nettorissdruckes verständlich. Der Nettorissdruck muss deutlich oberhalb des Fracdrucks liegen, da die Sandsteinpakete nur jeweils geringe Mächtigkeiten aufweisen (im Meterbereich) und die tonigen Lagen mit ihrem höheren Spannungszustand der Rissöffnung stark entgegen wirken. Vermutlich ist der hohe Nettorissdruck als eine Hauptursache für die guten hydraulischen Eigenschaften des Risses anzusehen. Durch den hohen Nettorissdruck ist es wahrscheinlich, dass in Teilbereichen des Risses die Verformung nicht nur rein elastisch sondern auch plastisch erfolgt. Dies ist insbesondere im Bereich der Sandsteinlagen zu erwarten. Nach Druckentlastung ist die Verformung des Risses nicht mehr vollständig reversibel und es verbleiben Teilbereiche des ursprünglich geschaffenen Risses mit sehr guter hydraulischer Leitfähigkeit bestehen. Zu einer plastischen Verformung kann zusätzlich auch die starke Auskühlung infolge der massiven Kaltwasserinjektionen beitragen. Entsprechend dieser Vorstellung muss in den tonigen Bereichen tendenziell davon ausgegangen werden, dass sich hier der Riss nach Druckentlastung bis unterhalb des Fracdrucks wieder vollständig schließt und damit hydraulisch unwirksam wird. Ein weiterer Stützmechanismus der ebenfalls die Wechsellagerung zur Voraussetzung hat, beruht auf möglichen Quellvorgängen in den Tonmineralen infolge der Frischwasserinjektion. Die Quellung und Ausdehnung von Tonlagen könnte zu einer verbleibenden Restöffnung in den zwischen geschalteten sandigen Abschnitten führen. Allerdings sind die Quelldrücke für Tone vermutlich nicht ausreichend, um in diesen Teufenlagen zu einer verbleibenden Restöffnung zu führen (JASMUND & LEGALY, 1993). Zudem liefern die hydraulischen Tests, die mit Frischwasserinjektion durchgeführt wurden, keine Hinweise auf Tonquellung. Sandstein Tonstein w Abb. 5: Schematische Darstellung einer Wechsellagerung aus Sandstein und Tonstein und Veranschaulichung der Rissweite w während der Fracoperation. Nutzungskonzepte für den Riss Die Nutzung der guten hydraulischen Eigenschaften des Risses für die geothermische Energiegewinnung wird in 2 unterschiedlichen Konzepten betrachtet: Ein-Bohrloch-Zirkulation über den Riss zwischen Detfurth-Sandstein und Solling-Sandstein. Entsprechende Zirkulationsexperimente werden voraussichtlich Ende des Jahres 2004 durchgeführt. Hier muss gegebenenfalls ein Druck bis oberhalb des Rissöffnungsdrucks aufgebracht werden, um die Zirkulation zu ermöglichen. Zyklische Tests: Der Riss wird mit Kaltwasser beladen und nach einer gewissen Verweilzeit wieder entladen. Das geförderte Heißwasser wird energetisch genutzt und als abgekühltes Wasser wieder in den Riss injiziert. Anschließend wird der Zyklus wiederholt. Zyklische Tests wurden bisher auf Tagesbasis und auf Wochenbasis (siehe Abb. 1) durchgeführt. Thermisches Langzeitverhalten in den zyklischen Tests Nachfolgend soll das thermische Langzeitverhalten des Systems (Riss + Formation) für die zyklischen Tests auf Wochenbasis mit Hilfe von Modellrechnungen untersucht werden. Die Hauptfragestellungen sind die erzielbare Fördertemperatur und die thermische Leistung. Das vereinfachte konzeptionelle Modell beschreibt einen Wärmetauscher, der aus einer 6 m mächtigen, permeablen Zone im Bereich der Detfurther Buntsandsteinformation besteht, die von der Bohrung Horstberg Z1 in ca. 3790 m Tiefe durchstoßen wird. Die Risshöhe wird somit konservativ angesetzt. Die Transmissibilität dieser Schicht beträgt 3*10 -14 m3 (siehe Tab. 1). Die Sandsteinschicht ist in eine hydraulisch nahezu nichtleitende Gesteinsmatrix eingebettet. Der hydraulische Anschluss der Bohrung Horstberg Z1 an die permeable Zone erfolgt über eine vertikale, hydraulisch hoch leitfähige Rissfläche mit einer Risshalblänge von 1000 m, die bei den Stimulationstests erzeugt wurde (siehe Abb.6). In vertikaler Richtung erstreckt sich der Riss bis zu den Grenzen der permeablen Sandsteinschicht. Die Öffnungsweite des Risses beträgt 1 mm. Die Bohrung wird in den Simulationsrechnungen nicht berücksichtigt. Für die Feinkalibrierung wurden die Druck- und Temperaturdaten eines des zyklischen Testes auf Wochenbasis (siehe Abb. 1) verwendet. Die räumlichen Druck- und Temperaturverteilungen zu Beginn der Kalibrierung des Finite Elemente Modells, d.h. die Anfangsbedingungen von Druck und Temperatur, müssen sowohl für die Kalibrierung als auch für die späteren Simulationsläufe genügend genau bekannt sein. Aus diesem Grunde war es notwendig, die Vorgeschichte, d.h. die wesentlichen Auswirkungen, der dem zyklischen Test vorhergehenden Hydrauliktests, in dem instationären Modell zu implementieren. Die Abbildung 6 zeigt die räumliche Verteilung der Anfangstemperatur für die Kalibrierung. Wegen der Symmetrie des unterirdischen Wärmetauschers musste nur ein Viertel des Modells berechnet und dargestellt werden. Aus der Abbildung ist ersichtlich, dass sich das Gebirge im Bereich des Risses aufgrund der hydraulischen Vorversuche deutlich abgekühlt hat. Abb.6: Simulation des Anfangszustandes der Temperatur nach der Injektion von 20.000 m 3 kaltem Wasser, der Produktion von 6.700 m3 heißem Wasser und einer Ruhephase von 42 Tagen. Das fertig kalibrierte Modell wurde im Folgenden für Prognoserechnungen des Wärmetauschers mit dem Re-Injektionsschema des zyklischen Tests verwendet. Prognosezeitraum war 25 Jahre. Es wird angenommen, dass das geförderte Heißwasser bis auf 60°C abgekühlt wird und mit dieser Temperatur reinjiziert wird. Wie aus Abb. 7 ersichtlich, ist für das thermische Verhalten und damit für die Produktionstemperaturen die Existenz des an die Bohrung angeschlossenen, stimulierten Risses von großer Bedeutung. Letzterer führt dazu, dass die permeable Schicht über eine große Fläche thermisch genutzt wird. Einen ganz erheblichen Beitrag zum Wärmeeintrag liefert aber auch die die permeable Sandsteinschicht umgebende Matrix. Die Abbildung illustriert eindrucksvoll, dass das thermisch genutzte Volumen durch den 1000 m langen Riss gegenüber der einer einfachen Bohrung ganz erheblich vergrößert wird. Die Abbildungen 8 und 9 zeigen die an der Injektionsstelle in Reservoirtiefe berechneten Temperaturen des injizierten und des aus dem Wärmetauscher geförderten Wassers. Die dargestellten Rechenergebnisse verdeutlichen, dass die maximalen Temperaturen erwartungsgemäß von Zyklus zu Zyklus abnehmen. Diese thermischen Vorgänge zeigen zeitlich ein typisches, logarithmisches Abklingverhalten. Ein auf einer logarithmischen Zeitskala aufgetragener Temperaturverlauf lässt sich schon nach kurzer Zeit mit hoher Genauigkeit durch eine Gerade extrapolieren. Deshalb kann die sehr laufzeitintensive Rechnung hier nach 4 Jahren abgebrochen werden. Abb. 7: Temperatur zu Beginn der Einschlussphase nach Beendigung der Injektionsphase im ersten Zyklus (linkes Bild) und im 200. Zyklus nach ca. 4 Jahren Förderung (rechtes Bild) 100 95 90 Temperatur [°C] 85 80 Temperaturverlauf für Te=60 °C 75 70 65 60 55 1500,000 1510,000 1520,000 1530,000 1540,000 1550,000 1560,000 Zeit [Tage] Abb. 8: Berechnete Einzelzyklen der Temperatur des zyklischen Test nach ca. 4 Jahren Prognoserechnung und einer konstanten Reinjektionstemperatur Te von jeweils 60 °C Die in Abb. 10 dargestellten Ergebnisse zeigen für die Wärmeleistung während der Produktionsphasen wie bei den Amplituden der Temperaturzyklen nach wenigen Berechnungsperioden ein streng logarithmisches Abklingverhalten. Auf diese Weise ist es wie bei der Temperatur leicht möglich, schon nach wenigen „Jahren“ Simulationsrechnung, durch Extrapolation die thermische Leistung für einen Zeitraum von 25 Jahren zu prognostizieren. Ziel der Untersuchungen ist es, zu beurteilen, ob mit dem Verfahren des zyklischen Tests für einen Prognosezeitraum von 25 Jahren eine thermische Leistung in der Größenordnung von 2 MW erzeugt werden kann. Dies ist die erforderliche thermische Leistung zur Beheizung der Gebäude des Geozentrums Hannover. Mit dem betrachteten System wird diese Leistung noch nicht erreicht. Durch weitere, relativ einfache technische Maßnahmen lässt sich die Leistung jedoch wesentlich erhöhen. Zum Beispiel wurde das Fließratenschema bisher nicht thermisch optimiert. Weiterhin ist es technisch relativ einfach möglich, den Risseinlass räumlich von Rissauslass zu trennen. Der Riss müsste hierzu durch zwei vertikal versetzte Perforationsstrecken an die Bohrung angeschlossen werden, die durch einen Packer separiert werden. Hierdurch kann vermieden werden, dass das Heißwasser bei Rückförderung den am stärksten ausgekühlten Bereich am Risseinlass passieren muss. Eine weitere, effiziente aber technisch aufwändigere Maßnahme ist die Erzeugung weiterer künstlicher Risse und die Verteilung der injizierten und entnommenen Fließraten auf mehrere, übereinander liegende Teilsysteme eines größeren Wärmetauschers mit künstlichen Rissen. Diese künstlichen Risse müssten durch weitere Stimulationen erzeugt werden. 110 105 100 Temperatur [°C] 95 90 Temperaturverlauf für Te=60 °C 85 25 Jahre 80 75 70 65 60 100,000 1000,000 10000,000 Zeit [Tage] Abb. 9: Berechnetes Abklingverhalten der Temperatur über 4 Jahre und Extrapolation der Temperatur über 25 Jahre für das Betriebschema des Zyklischen Tests. Obwohl noch weitere Simulationsrechnungen notwendig sind, kann man schon zum jetzigen Zeitpunkt feststellen, dass das Konzept der zyklischen Tests für einen kommerziellen Langzeitbetrieb erfolg versprechend ist und die angestrebten thermischen Leistungen erreicht werden können. Dies gilt besonders deshalb, weil für unsichere Parameter wie Risshöhe und Modellränder Werte angenommen wurden, die für das thermische Verhalten des Systems eher ungünstig sind. Das vorliegende Modell ist deshalb vermutlich ein konservatives Modell. 1,4 1,3 Wärmeleistung [MW] 1,2 1,1 Abgegebene thermische Wärmeleistung [MW] 1,0 25 Jahre 0,9 0,8 0,7 0,6 100,000 1000,000 10000,000 Zeit [Tage] Abb. 10: Berechnete Wärmeleistung während der Produktionsphasen des Zyklischen Tests. Einlauftemperatur ist 60 °C. Energiebilanz In der nachfolgenden Tabelle (Tab. 2) wird die Energiebilanz auf der Grundlage der vorliegenden Daten für den zyklischen Test auf Wochenbasis abgeschätzt (siehe Abb. 1). Es wird die Energie, die zur Injektion des Fluids benötigt wird in Relation zur thermisch gewinnbaren Energie gesetzt. Vorausgesetzt wird hierbei dass Elektropumpen zur Injektion verwendet werden. Weiterhin wird angenommen, dass während der Rückförderung mechanische Energie zurück gewonnen werden kann, da die Bohrung selbstätig produziert bei Kopfdrücken zwischen 290 und 140 bar. Die hydraulischen Verhältnisse werden als stabil angesehen. In der Bilanz (Tab. 2) bleibt ein um den Faktor 2-3 höherer Gewinn an thermischer Energie im Vergleich zum notwendigen Primärenergieeinsatz. Diese grobe Abschätzung unterstreicht, dass ein derartiger zyklischer Betrieb eine sinnvolle Option zur Wärmeenergiegewinnung darstellen kann. Injektion (hydr.) Energie (MWh) für Wochenzyklus - 22 Injektion (elektr.) - 24 Produktion (hydr.) 14 Erläuterung Hydraulische Energie für die Injektion mit 20 l/s bei einem mittleren Druck von 305 bar über 36 h Elektrische Energie für die Injektion (Umwandlungsgrad von 90%) Produktion (elektr.) 13 Hydraulische Energie - Produktion (5 Phasen á 15 h bei einer Rate von je 10 l/s). Es wird jeweils der mittlere Kopfdruck während der Produktionsphasen verwendet (Abb. 1) Gewinnbare elektrische Energie (Umwandlungsgrad von 90%) Bilanz elektrisch - 11 Elektrische Energie: Injektion - Produktion - 31 35% Umwandlungsgrad von Primärenergie in elektrische Energie Primärenergieeinsatz Thermischer Energiegewinn 95 (Beginn)60 (25 Jahre) Die nutzbare thermische Leistung fällt von ca. 1.3 MW zu Beginn auf ca. 0.8 MW nach 25 Jahren. Die Gesamtförderzeit pro Wochenzyklus beträgt 75 h. Tab. 2: Abschätzung der Energiebilanz für den zyklischen Test auf Wochenbasis. Zusammenfassung An der Bohrung Horstberg Z1 konnte durch massive Wasserfracs im Buntsandstein ein hydraulisch sehr gut leitfähiger Riss erzeugt werden. Die Rissleitfähigkeit liegt deutlich oberhalb von 1 Dm und ist damit höher als typischerweise durch Stützmittelfracs erzielt wird. Als wesentliche Ursache für die guten hydraulischen Eigenschaften des Risses werden inelastische Verformungen im Bereich der Sandsteinlagen angesehen, die in Verbindung mit einer Wechsellagerung aus tonigen und sandigen Abschnitten ein vollständiges Schließen der Rissflächen verhindern. Ein Selbstabstützungsmechanismus infolge Scherung kann hier weitgehend ausgeschlossen werden. Die guten hydraulischen Eigenschaften des Risses in Verbindung mit einer relativ impermeablen Matrix waren der Ausgangspunkt für zyklische Tests: Der Riss wird mit Kaltwasser beladen und nach einer bestimmten Verweilzeit wird heisses Wasser zurückgefördert. Thermische Modellrechnungen auf der Grundlage von realen Daten zeigen, dass dieses System eine Möglichkeit zur geothermischen Wärmegewinnung darstellen kann. Auch nach einem Prognosezeitraum von 25 Jahren kann Heisswasser mit einer Temperatur oberhalb von 85 °C gefördert werden und der thermische Energiegewinn ist um ca. einen Faktor 2 höher als der notwendige Primärenergieeinsatz. Literatur: BOURDAROT, G. (1998): Well Testing: Interpretation methods. Editions Technip, Paris, p. 216. CIKES, M. (2000): Long-term hydraulic-fracture conductivities under extreme conditions. SPE Prod. & Facilities 15 (4), p. 255-261. FREDD, C.N., MCCONELL, BONEY, C.L., ENGLAND, K.W. (2000): Experimental Study of Hydraulic Fracture Conductivity Demonstrates the Benefits of Using Proppants, SPE Rocky Mountain Regional/Low Permeability Reservoirs Symposium, Denver 12.-15. March. SPE 60326. JASMUND, K, LEGALY, G. (1993): Tonminerale und Tone. Struktur, Eigenschaften, Anwendungen und Einsatz in Industrie und Umwelt. Darmstadt, S. 328 ff. JUNG, R., JATHO, R., KEHRER, P., ORZOL, J. (2004): Das Geothermieprojekt GeneSys - Ergebnisse von massiven Wasserfrac-Tests im Buntsandstein des Norddeutschen Beckens. - In: Tagungsbericht 2004-2 Vorträge der Frühjahrstagung des DGMK-Fachbereichs "Aufsuchung und Gewinnung" 29.und 30. April 2004 in Celle, 421-429; Hamburg, 2004. Danksagung: Das Vorhaben wird mit Mitteln des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit im Rahmen des Projekts „Verbundprojekt GeneSys – Vorstudie - Erprobung der Wasserfrac-Technik und des Einsonden-Zweischichtverfahrens für die Direktwärmenutzung aus gering permeablen Sedimentgesteinen“ unter dem Förderkennzeichen 0327116 bzw. 0327116 gefördert.