ZBVR ISSN 1862-6610 online Zeitschrift für B E T R I E B S V E R F A S S U N G S R E C H T 02 Rechtsprechung zum Betriebsverfassungsrecht Einheitliches Konsultations- und Anzeigeverfahren bei mehreren ­Massenentlassungen/Verhinderung von ­„Vorratsanzeigen“ BAG, Urteil v. 9.6.2016 – 6 AZR 638/15 – 04 Mitbestimmung bei Ein- und Umgruppierung bei mehreren im Betrieb bestehenden Vergütungsordnungen BAG, Beschluss v. 23.8.2016 – 1 ABR 15/14 – 07 Mitbestimmung bei personellen Einzelmaßnahmen a ­ nlässlich der Überleitung nach TVÜ-VKA BAG, Beschluss v. 19.10.2016 – 4 ABR 27/15 – 10 Unterrichtungsanspruch und Vorschlagsrecht des B ­ etriebsrats bei der Personalplanung BAG, Beschluss v. 8.11.2016 – 1 ABR 64/14 – 11 „Folgeleistungspflicht“ des Arbeitnehmers bei unbilliger Versetzung LAG Düsseldorf, Urteil v. 6.4.2016 – 12 Sa 1153/15 – Rechtsprechung zum Tarifrecht 16 Institutioneller Rechtsmissbrauch bei Befristung im S ­ chulbereich 20 Equal pay für Leiharbeitnehmer/Maßstab für die ­Fest­legung des Vergleichsentgelts 23 Regelungsbefugnis der Tarifvertragsparteien bezüglich Übertragung tariflichen Mehrurlaubs BAG, Urteil v. 26.10.2016 – 7 AZR 135/15 – BAG, Urteil v. 23.11.2016 – 5 AZR 53/16 – BAG, Urteil v. 14.2.2017 – 9 AZR 207/16 – Rechtsprechung in Leitsätzen Aufsätze und Berichte 26 Dienstplangestaltung – Wie ist der Betriebsrat zu b ­ eteiligen? Rezensionen 5/2017 ZBVR online Rechtsprechung zum Betriebsverfassungsrecht Einheitliches Konsultations- und Anzeigeverfahren bei mehreren Massenentlassungen/Verhinderung von ­„Vorratsanzeigen“ 1. Sollen in einem Betrieb nacheinander mehrere Massenentlassungen iSv. § 17 Abs. 1 KSchG durchgeführt werden, kann uU das Konsultationsverfahren ebenso wie das Anzeigeverfahren bezogen auf alle beabsichtigten Kündigungen zusammengefasst werden. 2. Allerdings bedarf es nach § 18 Abs. 4 KSchG einer erneuten Anzeige, wenn die Entlassungen nicht innerhalb von 90 Tagen nach dem Ende der Sperrfrist „durchgeführt“, dh. erklärt werden. Auf diese Weise werden „Vorratsanzeigen“ verhindert, die dem Zweck des Gesetzes zuwiderliefen, die Agentur für Arbeit über das tatsächliche Ausmaß der Beendigungen von Arbeitsverhältnissen ins Bild zu setzen. (Orientierungssätze der Richterinnen und Richter des BAG) BAG, Urteil v. 9.6.2016 – 6 AZR 638/15 – Zum Sachverhalt Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung des beklagten Insolvenzverwalters. Der Kläger war bei der Firma D GmbH & Co. KG (im Folgenden Schuldnerin) seit dem 16. August 1982 als Produktionsmitarbeiter beschäftigt. Bei der Schuldnerin war ein Betriebsrat gebildet. Mit Beschluss des Insolvenzgerichts vom 1. Dezember 2013 wurde über das Vermögen der Schuldnerin das Insolvenzverfahren eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt. Dieser beschloss umgehend die Stilllegung des Betriebs und informierte hierüber den Betriebsrat. Am 4., 12. und 19. Dezember 2013 fanden Verhandlungen über einen Interessenausgleich statt. Am 19. Dezember 2013 wurde der Text des Interessenausgleichs ausformuliert und dem Vertreter des Betriebsrats zugeleitet. Dieser bestätigte am 20. Dezember 2013, dass der Interessenausgleich mit diesem Inhalt abgeschlossen werden könne. Am 23. Dezember 2013 wurde der Interessenausgleich unterzeichnet. Er lautet auszugsweise wie folgt: (…) Am 27. Dezember 2013 erstattete der Beklagte formularmäßig bei der zuständigen Agentur für Arbeit eine Massenentlassungsanzeige. Angezeigt wurde die Entlassung aller 257 Beschäftigten, darunter 26 Schwerbehinderte bzw. diesen Gleichgestellte. Am 17. Januar 2014 erteilte die Agentur für Arbeit die Zustimmung zu den angezeigten 257 Entlassungen. Eine Verlängerung der Sperrfrist nach § 18 Abs. 2 KSchG wurde nicht vorgenommen. Die Sperrfrist begann am 28. Dezember 2013 und endete am 27. Januar 2014. Noch Ende Dezember 2013 kündigte der Beklagte alle Arbeitsverhältnisse, die keinem Sonderkündigungsschutz unterfielen. Den Schwerbehinderten und den Arbeitnehmerinnen, die sich in Mutterschutz befanden, kündigte er im Februar 2014. Es handelte sich hierbei um mehr als 30 Kündigungen. Der Kläger ist schwerbehindert. Mit Schreiben vom 6. Februar 2014 wurde der Betriebsrat unter Angabe der Sozialdaten zur beabsichtigten Kündigung des Klägers angehört. Nach Zustimmung des Integrationsamts kündigte der Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 22. Februar 2014 zum 31. Mai 2014. Mit seiner am 25. Februar 2014 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat sich der Kläger gegen diese Kündigung seines Arbeitsverhältnisses gewandt. (…) Aus den Gründen Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht die Berufung des Klägers gegen das klageabweisende Urteil des Arbeitsgerichts zurückgewiesen. Die streitgegenständliche Kündigung vom 22. Februar 2014 hat das Arbeitsverhältnis unter Wahrung der Kündigungsfrist des § 113 Satz 2 InsO zum 31. Mai 2014 aufgelöst. 1. Die Kündigung ist nicht sozial ungerechtfertigt. Sie ist durch dringende betriebliche Erfordernisse iSv. § 1 Abs. 2 Satz 1 Var. 3 KSchG bedingt, die einer Weiterbeschäftigung des Klägers entgegenstehen. Der Kläger hat zuletzt nicht mehr in Abrede gestellt, dass der Beklagte die Stilllegung des ganzen Betriebs und damit eine Betriebsänderung iSv. § 111 Satz 3 Nr. 1 BetrVG geplant hat und diesbezüglich ein formwirksamer Inte­ ressenausgleich zustande kam, in dem die zu kündigenden Arbeitnehmer namentlich bezeichnet sind. Zwischen den Parteien steht außer Streit, dass sich der Name des Klägers auf der entsprechenden Liste befindet. Die Vorinstanzen haben rechtsfehlerfrei angenommen, dass der Kläger die daraus gemäß § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO folgende Vermutung des Kündigungsgrundes nicht widerlegt hat. Die Revision erhebt insoweit keine Rügen. Gleiches gilt bezüglich der nicht zu beanstandenden Auffassung der Vorinstanzen, die Kündigung sei auch nicht wegen grober Fehlerhaftigkeit der Sozialauswahl sozial ungerechtfertigt iSv. § 1 Abs. 3 KSchG iVm. § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InsO. 2. Eine Unwirksamkeit der Kündigung folgt nicht aus § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG. Das Landesarbeitsgericht hat die Betriebsratsanhörung wie das Arbeitsgericht als ordnungsgemäß angesehen. Dies greift die Revision nicht an. Ein Fehler ist auch nicht erkennbar. ZBVR online 5/2017 | Seite 2 von 31 ZBVR online Rechtsprechung zum Betriebsverfassungsrecht 3. Die Kündigung ist nicht wegen eines Verstoßes gegen § 17 KSchG gemäß § 134 BGB nichtig. a) Sie ist Teil einer anzeigepflichtigen Massenentlassung nach § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 KSchG. Maßgeblich für die Zahl der in der Regel Beschäftigten ist im Stilllegungsfall auch bei einem sukzessiven Vorgehen des Arbeitgebers mit mehreren Entlassungswellen der Zeitpunkt, in dem zuletzt noch eine normale Betriebstätigkeit entfaltet wurde. Dies war hier vor der ersten Entlassungswelle im Dezember 2013 der Fall. Von den damals 257 Beschäftigten hat der Beklagte nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts im Februar 2014 mehr als 30 Arbeitnehmer entlassen. Dies entsprach der nach dem Interessenausgleich beabsichtigten Vorgehensweise. Die im Februar 2014 erklärten Kündigungen von Arbeitnehmern, deren Arbeitsverhältnisse einem Sonderkündigungsschutz unterfielen, überschritten schon für sich genommen den Schwellenwert des § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 KSchG. b) Der Beklagte hat bezüglich der im Februar 2014 erklärten Kündigungen kein eigenständiges Massenentlassungsverfahren durchgeführt. Dies war auch nicht erforderlich, da sowohl das mit den Interessenausgleichsverhandlungen verbundene Konsultationsverfahren (§ 17 Abs. 2 KSchG) als auch das Anzeigeverfahren (§ 17 Abs. 1, Abs. 3 KSchG) bezüglich aller wegen der beabsichtigten Betriebsstilllegung zu entlassenden Arbeitnehmer zusammengefasst im Dezember 2013 durchgeführt wurde. Entgegen der Auffassung der Revision scheitert die Wirksamkeit der streitgegenständlichen Kündigung nicht an einer Fehlerhaftigkeit des Konsultationsverfahrens. aa) Der in § 17 KSchG geregelte besondere Kündigungsschutz bei Massenentlassungen unterfällt in zwei getrennt durchzuführende Verfahren mit jeweils eigenen Wirksamkeitsvoraussetzungen, nämlich die in § 17 Abs. 2 KSchG normierte Pflicht zur Konsultation des Betriebsrats einerseits und die in § 17 Abs. 1, Abs. 3 KSchG geregelte Anzeigepflicht gegenüber der Agentur für Arbeit andererseits. Das Konsultationsverfahren steht selbstständig neben dem Anzeigeverfahren. Beide Verfahren dienen in unterschiedlicher Weise der Erreichung des mit dem Massenentlassungsschutz verfolgten Ziels. Dies entspricht der mit § 17 KSchG umgesetzten Richtlinie 98/59/EG des Rates vom 20. Juli 1998 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Massenentlassungen. Jedes dieser beiden Verfahren stellt ein eigenständiges Wirksamkeitserfordernis für die im Zusammenhang mit einer Massenentlassung erfolgte Kündigung dar. bb) Sollen in einem Betrieb nacheinander mehrere Massenentlassungen iSv. § 17 Abs. 1 KSchG durchgeführt werden, kann uU das Konsultationsverfahren ebenso wie das Anzeigeverfahren bezogen auf alle beabsichtigten Kündigungen zusammengefasst werden. Die Massenentlassungen bedürfen nach dem Wortlaut des § 17 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 KSchG nicht zwingend gesonderter Verfahren nach § 17 Abs. 2 und Abs. 3 KSchG. Im Gegenteil dient es der vollständigen Information des Betriebsrats und der Agentur für Arbeit, wenn im Rahmen eines einzigen Konsultations- und Anzeigeverfahrens ein vollständiger Überblick über die beabsichtigten Kündigungswellen gegeben wird. Dies entspricht § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 bzw. Abs. 3 Satz 4 KSchG, wonach die erforderlichen Angaben über den Zeitraum, in dem die Entlassungen vorgenommen werden sollen, zu machen sind. Gegebenenfalls bedarf es allerdings nach § 18 Abs. 4 KSchG einer erneuten Anzeige. cc) Die Voraussetzungen einer Erfüllung der Konsultationspflicht im Rahmen der Interessenausgleichsverhandlungen sind hier beachtet worden. (1) Die Konsultationspflicht ist der Sache nach regelmäßig erfüllt, wenn der Arbeitgeber bei einer Betriebsänderung iSv. § 111 BetrVG, soweit mit ihr ein anzeigepflichtiger Personalabbau verbunden ist oder sie allein in einem solchen besteht, einen Interessenausgleich abschließt und dann erst kündigt. Soweit die ihm obliegenden Pflichten aus § 17 Abs. 2 Satz 2 KSchG mit denen nach § 111 Satz 1 BetrVG übereinstimmen, kann der Arbeitgeber sie gleichzeitig erfüllen. Dabei muss der Betriebsrat allerdings klar erkennen können, dass die stattfindenden Beratungen (auch) der Erfüllung der Konsultationspflicht des Arbeitgebers aus § 17 Abs. 2 Satz 2 KSchG dienen sollen. (2) Die Betriebsparteien haben den Interessenausgleich in der dritten Verhandlungsrunde am 19. Dezember 2013 fertiggestellt. Der Interessenausgleich macht in § 10 die Verbindung mit dem Konsultationsverfahren deutlich. Spätestens am 19. Dezember 2013 war für den Betriebsrat deshalb klar, dass die Interessenausgleichsverhandlungen auch der Erfüllung der Konsultationspflicht aus § 17 Abs. 2 KSchG dienen sollten. Für den Betriebsrat war zweifelsfrei ersichtlich, dass sich das Konsultationsverfahren auch auf die einem Sonderkündigungsschutz unterfallenden Beschäftigten beziehen und diesen erst zu einem späteren, noch ungewissen Zeitpunkt gekündigt werden soll. Dies ergibt sich aus § 4 Abschnitt 4.1. des Interessenausgleichs, wonach etwaig erforderliche Zustimmungen von Behörden („zB nach SGB IX, BEEG, MuSchG“) vor den Kündigungserklärungen vom Beklagten einzuholen waren. In Kenntnis der gesetzlichen Vorgaben, wie sie bezüglich der schwerbehinderten Menschen in §§ 85 f. SGB IX enthalten sind, stand schon zum Zeitpunkt des Abschlusses des Interessenausgleichs fest, dass zwar alle Beschäftigten von der Betriebsstilllegung betroffen sein werden, die Kündigungen aber wegen der Abhängigkeit von Behördenentscheidungen nicht zeitgleich erklärt werden können. Dass die betroffenen Arbeitsverhältnisse von den Verhandlungen im Dezember 2013 schon erfasst werden sollten, ergibt sich zudem aus § 2 Abs. 2 und § 3 des Interessenausgleichs, ZBVR online 5/2017 | Seite 3 von 31 ZBVR online Rechtsprechung zum Betriebsverfassungsrecht wonach die Stilllegung die Kündigung aller 257 Beschäftigten zur Folge haben soll. Dementsprechend sind alle 257 Beschäftigten, das heißt auch die besonders geschützten Arbeitnehmer, auf der Namensliste angeführt. (3) Der Betriebsrat wurde durch den Entwurf des Inte­ ressenausgleichs rechtzeitig iSd. § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG unterrichtet. (…) (4) Gleiches gilt bezüglich der Heilung eines eventuellen Verstoßes der Unterrichtung gegen das Schriftformerfordernis des § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG durch die abschließende Stellungnahme des Betriebsrats in § 10 des Interessenausgleichs. (5) Nach § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und Nr. 3 KSchG muss der Betriebsrat über die Berufsgruppen der zu entlassenden und der in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer unterrichtet werden. Entgegen der Auffassung der Revision bewirkt das Fehlen einer ausdrücklichen Unterrichtung über die betroffenen Berufsgruppen hier nicht die Unwirksamkeit der Kündigung. Die insoweit fehlerhafte Unterrichtung ist durch die abschließende Stellungnahme des Betriebsrats in § 10 des Interessenausgleichs jedenfalls geheilt worden. (…) Die übrigen nach § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG erforderlichen Angaben wurden gemacht. Dies stellt die Revision nicht in Frage. (6) Eine Frist von mindestens zwei Wochen zwischen der Unterrichtung des Betriebsrats und der Erstattung der Massenentlassungsanzeige war nicht einzuhalten. dd) Die Massenentlassungsanzeige vom 27. Dezember 2013 bezieht sich auf alle 257 Beschäftigten und damit auch auf die erst im Februar 2014 gekündigten Arbeitnehmer. Eine Fehlerhaftigkeit des Anzeigeverfahrens nach § 17 Abs. 3 KSchG rügt die Revision nicht. 4. Es bedurfte hinsichtlich der im Februar 2014 erklärten Kündigungen keiner erneuten Massenentlassungsanzeige nach § 18 Abs. 4 KSchG. a) Gemäß § 18 Abs. 4 KSchG bedarf es unter den Voraussetzungen des § 17 Abs. 1 KSchG einer erneuten Anzeige, wenn die Entlassungen nicht innerhalb von 90 Tagen nach dem Zeitpunkt, zu dem sie nach § 18 Abs. 1 und Abs. 2 KSchG zulässig sind, „durchgeführt“ werden. Damit ist nach allgemeinem Sprachgebrauch ein aktives Handeln, nämlich das „Umsetzen in die Tat“, bspw. die „Verwirklichung“, die „Ausführung“ oder die „Bewerkstelligung“, gemeint. Die Regelung ist deshalb dahin zu verstehen, dass der Arbeitgeber verpflichtet wird, die Kündigungen innerhalb der 90-Tage-Frist zu erklären. Er muss nach Ablauf der sog. Freifrist eine erneute Anzeige erstatten, wenn er von der Möglichkeit der Kündigungserklärung bis dahin keinen Gebrauch gemacht hat. Auf diese Weise werden „Vorratsanzeigen“ verhindert, die dem Zweck des Gesetzes zuwiderliefen, die Agentur für Arbeit über das tatsächliche Ausmaß der Beendigungen von Arbeitsverhältnissen ins Bild zu setzen. b) Ausgehend von diesen Grundsätzen hat das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt, dass die streitgegenständliche Kündigung des Klägers innerhalb der sog. Freifrist des § 18 Abs. 4 KSchG erklärt wurde. Die Frist von 90 Tagen schließt sich unmittelbar an das Ende der Sperrfrist nach § 18 Abs. 1 und Abs. 2 KSchG an. Die Sperrfrist endete hier mit dem 27. Januar 2014, das heißt die Freifrist begann am 28. Januar 2014. Die mit Schreiben vom 22. Februar 2014 erklärte Kündigung des Klägers ging diesem innerhalb der Freifrist zu. Dies belegt schon der Umstand, dass er bereits am 25. Februar 2014 die vorliegende Kündigungsschutzklage erhob. Download Vollversion Mitbestimmung bei Ein- und Umgruppierung bei mehreren im Betrieb bestehenden Vergütungsordnungen 1. Ist der Arbeitgeber an zwei tarifliche Vergütungsordnungen gebunden, die zu einer Tarifpluralität führen, werden seine betriebsverfassungsrechtlichen Pflichten durch das Bestehen zweier, unabhängig voneinander geltenden Entgeltsysteme erweitert. Er ist dann grundsätzlich verpflichtet, die Arbeitnehmer unter Beteiligung des Betriebsrats den Entgeltgruppen der beiden betriebsverfassungsrechtlich geltenden Vergütungsordnungen zuzuordnen. 2. Endet die unmittelbare und zwingende Wirkung eines Tarifvertrags aufgrund seiner Kündigung, bleiben die im Betrieb geltenden Grundsätze der betreffenden ta- riflichen Vergütungsordnung auch nach Eintritt der Nachwirkung iSd. § 4 Abs. 5 TVG das für den Betrieb maßgebliche kollektive Entgeltschema. Dazu ist es nicht erforderlich, dass die Vergütungsgrundsätze zuvor kollektivrechtlich durch Betriebsvereinbarung oder individualrechtlich, etwa durch Gesamtzusage oder vertragliche Einheitsregelungen, auf eine neue rechtliche Grundlage gestellt werden. Der Eintritt der Nachwirkung hat lediglich zur Folge, dass das im Betrieb geltende kollektive, abstrakte Entgeltschema und die in ihm zum Ausdruck kommenden Vergütungsgrundsätze nicht mehr zwingend gelten. Das ändert jedoch nichts daran, ZBVR online 5/2017 | Seite 4 von 31 ZBVR online Rechtsprechung zum Betriebsverfassungsrecht dass diese Grundsätze bislang im Betrieb angewendet wurden und deshalb dort geltende Entlohnungsgrundsätze sind. Bis zu einem wirksamen Änderungsakt sind sie grundsätzlich betriebsverfassungsrechtlich weiter gültig. 3. Eine betriebliche Vergütungsordnung, die auf einem nachwirkenden Tarifvertrag beruht, wird weder durch den Abschluss von Tarifverträgen mit einer anderen Gewerkschaft abgelöst noch durch das Günstigkeitsprinzip des § 4 Abs. 3 TVG verdrängt. Eine Ablösung setzt Tarifverträge identischer Normgeber voraus. Das Günstigkeitsprinzip regelt das Verhältnis von kollidierenden individualvertraglich vereinbarten und kraft Tarifgebundenheit geltenden Arbeitsbedingungen. Es gilt nicht für das Verhältnis unterschiedlicher Tarifverträge verschiedener Vertragsparteien. (Leitsätze aus den Gründen) BAG, Beschluss v. 23.8.2016 – 1 ABR 15/14 – Zum Sachverhalt Die Beteiligten streiten über die Vergütungsordnung eines tarifpluralen Betriebs. Die Arbeitgeberin ist eine Bank und Mitglied im Arbeitgeberverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken e.V. (AVR). Sie beschäftigt ca. 640 Arbeitnehmer. Antragsteller ist der für den Betrieb der V eG gebildete Betriebsrat. Am 18. April 1979 vereinbarte der AVR mit der Deutschen Angestellten-Gewerkschaft (DAG), der Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen (HBV), dem Deutschen Bankangestellten-Verband e.V. (DBV) und der DHV – Die Berufsgewerkschaft e.V. (DHV) jeweils eigenständige und inhaltsgleiche Mantel- und Gehaltstarifverträge ua. für die Volks- und Raiffeisenbanken. Diese Tarifverträge wurden sowohl mit ver.di – Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) als Rechtsnachfolgerin von DAG und HBV als auch mit DBV und DHV am 8. Juli 2004 wiederum inhaltsgleich und eigenständig neugefasst. Zum 31. Mai 2006 wurden die Gehaltstarifverträge von ver.di, DBV und DHV jeweils gekündigt. Den mit ver.di geschlossenen Manteltarifvertrag (MTV ver.di 2004) kündigte der AVR zum 28. Februar 2013. Er schloss sowohl mit dem DBV als auch mit der DHV ab 2008 jeweils inhaltsgleiche Manteltarifverträge ua. für die Volks- und Raiffeisenbanken ab, die eine geänderte Vergütungsstruktur enthalten. Dies betrifft vor allem die Anrechnung von Berufsjahren und die Bildung von Berufsgruppen. Die Arbeitgeberin verwendet seit Ende 2010 in ihren Formulararbeitsverträgen eine Bezugnahmeklausel, die wie folgt lautet: „Bei Tarifbindung des Arbeitgebers gel- ten im Übrigen die ab dem Jahr 2008 vereinbarten Tarifverträge für Kreditgenossenschaften in der jeweils gültigen Fassung. Entfällt die Tarifbindung des Arbeitgebers, finden die zu diesem Zeitpunkt gültigen Tarifverträge bis auf Weiteres auf das Arbeitsverhältnis Anwendung. ...“ In der Folgezeit lehnte sie es gegenüber dem Betriebsrat ab, dessen Zustimmung zu Ein- oder Umgruppierungen nach den mit ver.di vereinbarten Tarifverträgen einzuholen. Der Betriebsrat hat die Auffassung vertreten, die Arbeitgeberin könne die betriebliche Vergütungsordnung nicht einseitig ändern. Sie müsse Ein- und Umgruppierungen anhand der repräsentativen Vergütungsordnung des MTV ver.di 2004 iVm. dem mit ver. di geschlossenen Gehaltstarifvertrag (GTV ver.di 2004) vornehmen. (…) Das Arbeitsgericht hat den Antrag abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat ihm auf die Beschwerde des Betriebsrats stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde begehrt die Arbeitgeberin die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung. Aus den Gründen Die zulässige Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat unter Verkennung des Rechtsschutzziels des Betriebsrats dessen Feststellungsantrag zu Unrecht stattgegeben. I. Der Feststellungsantrag des Betriebsrats ist zulässig. 1. Der Antrag bedarf der Auslegung. Der Wortlaut des Antrags bringt nicht mit der gebotenen Eindeutigkeit zum Ausdruck, ob das Rechtsschutzziel des Betriebsrats darauf gerichtet ist, dass für Einoder Umgruppierungen auch oder nur die mit ver.di geschlossenen Tarifverträge zugrunde zu legen sind. Aus seinem Vorbringen ergibt sich aber, dass er gegenwarts- und zukunftsbezogen eine Pflicht der Arbeitgeberin festgestellt wissen will, im Rahmen von Zustimmungsverfahren nach § 99 BetrVG die Ein- und Umgruppierung der Arbeitnehmer ausschließlich auf die Vergütungsordnung nach dem MTV ver.di 2004 iVm. dem GTV ver.di 2004 zu stützen. Bereits in der Antragsschrift führt er aus, es müsse, „wenn es verschiedene mögliche Schemata gibt, vom Arbeitgeber dasjenige genommen werden, das bisher galt, hilfsweise das, in dem die meisten Gewerkschaftsmitglieder sind, hier also das ver.di-Schema“. (…) 2. Mit diesem Inhalt ist der Antrag hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Das Bestehen einer solchen Verpflichtung kann Gegenstand eines Feststellungsantrags nach § 256 Abs. 1 ZPO sein. ZBVR online 5/2017 | Seite 5 von 31 ZBVR online Rechtsprechung zum Betriebsverfassungsrecht II. Der Feststellungsantrag ist unbegründet. Die sich aus dem MTV ver.di 2004 iVm. dem GTV ver.di 2004 ergebende Vergütungsordnung ist nicht die alleinige im Betrieb der Arbeitgeberin betriebsverfassungsrechtlich geltende. Bei Ein- und Umgruppierungen iSv. § 99 BetrVG ist neben ihr zumindest die anzuwenden, die aus den mit dem DBV geschlossenen Tarifverträgen folgt. 1. Eine Vergütungsordnung iSd. § 99 Abs. 1 BetrVG ist ein kollektives, mindestens zwei Vergütungsgruppen enthaltendes Entgeltschema, das eine Zuordnung der Arbeitnehmer zu einer der Vergütungsgruppen nach bestimmten generell beschriebenen Merkmalen vorsieht. Sie spiegelt die ihr zugrunde liegenden Vergütungsgrundsätze wider. Damit ist sie Ausdruck einer spruch auf die Anwendung dieser Tarifverträge haben oder unmittelbar tarifgebunden sind, hat auf die gegenüber dem Betriebsrat bestehende Pflicht des Arbeitgebers aus § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG keinen Einfluss. 4. Die Arbeitgeberin war zumindest bis zum 31. Mai 2006 und bis zum 28. Februar 2013 an Tarifverträge unterschiedlicher Gewerkschaften unmittelbar und zwingend gebunden. Das sind jedenfalls die mit ver.di und mit dem DBV getroffenen Vereinbarungen. Zu Unrecht beruft sich der Betriebsrat auf eine Tarifkonkurrenz, bei der einer der miteinander konkurrierenden Tarifverträge verdrängt wird. Die Existenz zweier tariflicher Vergütungsordnungen, die mit unterschiedlichen Gewerkschaften vereinbart worden sind, führt vielmehr zu einer TaNicht Tarifkonkurrenz, sondern Tarifpluralität rifpluralität, bei der die jeweiligen Tarifist bei Vorliegen zweier mit unterschiedlichen Gewerkschaften normen unabhängig voneinander für die jeweils tarifgebundenen Arbeitnehmer vereinbarten Vergütungsordnungen gegeben. gelten. Entgegen der Auffassung des Betriebsrats werden die Tarifverträge des Entscheidung über die Wertigkeit der jeweiligen Arbeit- DBV außerdem nicht von den – aus seiner Sicht – repränehmertätigkeiten im Verhältnis zueinander, die sich sentativen Tarifverträgen von ver.di gemäß § 4a TVG im relativen Abstand der mit den jeweiligen Vergü- verdrängt. Die Vorschrift ist nach § 13 Abs. 3 TVG schon tungsgruppen verbundenen konkreten Entgeltsätzen nicht auf Tarifverträge anzuwenden, die – wie vorlieniederschlägt. gend – am 10. Juli 2015 bereits galten. (…) 2. Im Betrieb eines tarifgebundenen Arbeitgebers stellt die im einschlägigen Tarifvertrag enthaltene Vergütungsordnung zugleich das im Betrieb geltende System für die Bemessung des Entgelts der Arbeitnehmer dar. Zwar handelt es sich bei tariflichen Vergütungsregelungen nicht um Betriebsnormen iSv. § 3 Abs. 2 TVG, die unabhängig von der Tarifgebundenheit der Arbeitnehmer maßgeblich sind, sondern um Inhaltsnormen, die nach § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 Satz 1 TVG unmittelbar und zwingend nur zwischen dem Arbeitgeber und den tarifgebundenen Arbeitnehmern gelten. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist der tarifgebundene Arbeitgeber dennoch betriebsverfassungsrechtlich verpflichtet, die tarifliche Vergütungsordnung ungeachtet der Tarifgebundenheit der Arbeitnehmer im Betrieb anzuwenden, soweit deren Gegenstände der erzwingbaren Mitbestimmung des § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG unterliegen. Dieses Verständnis geben die Funktion des Tarifvorbehalts in § 87 Abs. 1 Eingangshalbs. BetrVG sowie der Normzweck des § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG vor. 5. Endet die unmittelbare und zwingende Wirkung eines Tarifvertrags aufgrund seiner Kündigung, bleiben die im Betrieb geltenden Grundsätze der betreffenden tariflichen Vergütungsordnung auch nach Eintritt der Nachwirkung iSd. § 4 Abs. 5 TVG das für den Betrieb maßgebliche kollektive Entgeltschema. 3. Ist der Arbeitgeber an zwei tarifliche Vergütungsordnungen gebunden, die zu einer Tarifpluralität führen, werden seine betriebsverfassungsrechtlichen Pflichten durch das Bestehen zweier, unabhängig voneinander geltenden Entgeltsysteme erweitert. Er ist dann grundsätzlich verpflichtet, die Arbeitnehmer unter Beteiligung des Betriebsrats den Entgeltgruppen der beiden betriebsverfassungsrechtlich geltenden Vergütungsordnungen zuzuordnen. Ob sie einen vertraglichen An- b) Entgegen der Auffassung der Arbeitgeberin wird eine betriebliche Vergütungsordnung, die auf einem nachwirkenden Tarifvertrag beruht, weder durch den Abschluss von Tarifverträgen mit einer anderen Gewerkschaft abgelöst noch durch das Günstigkeitsprinzip des § 4 Abs. 3 TVG verdrängt. Eine Ablösung setzt Tarifverträge identischer Normgeber voraus. Das Günstigkeitsprinzip regelt das Verhältnis von kollidierenden individualvertraglich vereinbarten und kraft Tarifge- a) Dazu ist es nicht erforderlich, dass die Vergütungsgrundsätze zuvor kollektivrechtlich durch Betriebsvereinbarung oder individualrechtlich, etwa durch Gesamtzusage oder vertragliche Einheitsregelungen, auf eine neue rechtliche Grundlage gestellt werden. Der Eintritt der Nachwirkung hat lediglich zur Folge, dass das im Betrieb geltende kollektive, abstrakte Entgeltschema und die in ihm zum Ausdruck kommenden Vergütungsgrundsätze nicht mehr zwingend gelten. Das ändert jedoch nichts daran, dass diese Grundsätze bislang im Betrieb angewendet wurden und deshalb dort geltende Entlohnungsgrundsätze sind. Bis zu einem wirksamen Änderungsakt sind sie grundsätzlich betriebsverfassungsrechtlich weiter gültig. ZBVR online 5/2017 | Seite 6 von 31 ZBVR online Rechtsprechung zum Betriebsverfassungsrecht bundenheit geltenden Arbeitsbedingungen. Es gilt nicht für das Verhältnis unterschiedlicher Tarifverträge verschiedener Vertragsparteien. (…) 6. Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, die vom AVR mit dem DBV vereinbarte tarifliche Vergütungsordnung sei unbeachtlich, weil betriebsverfassungswidrig von der Arbeitgeberin eingeführt, ist unzutreffend. Das Landesarbeitsgericht verkennt, dass diese Tarifverträge ebenso Bestandteil der betrieblichen Vergütungsordnung sind wie die mit ver.di vereinbarten. Die Tarifgebundenheit der Arbeitgeberin beruht auf ihrer Mitgliedschaft im AVR. Dieser hat jedenfalls seit 1979 eigenständige, wenn auch inhaltsgleiche Tarifverträge mit ver.di und dem DBV geschlossen. Diese sind Teil der betrieb- lichen Vergütungsordnung unabhängig davon, ob sie inhaltsgleich sind oder nicht. Indem die Arbeitgeberin im Rahmen des Zustimmungsverfahrens nach § 99 BetrVG Ein- und Umgruppierungen nach den mit dem DBV ab dem Jahr 2008 vereinbarten Tarifverträgen vornimmt, führt sie keine andere betriebliche Vergütungsordnung ein, sondern wendet eine bereits bestehende an. 7. Danach kommen im Betrieb der Arbeitgeberin als betriebliche Vergütungsordnungen die vom AVR mit ver. di ebenso wie die mit dem DBV vereinbarten betriebsverfassungsrechtlich zur Anwendung. (…) Download Vollversion Mitbestimmung bei personellen Einzelmaßnahmen ­anlässlich der Überleitung nach TVÜ-VKA 1. Bei der Überleitung in die neue Entgeltordnung des TVöD/VKA nach den Vorschriften der §§ 3 bis 7 TVÜ-VKA handelt es sich um eine mitbestimmungspflichtige Umgruppierung iSd. § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG. 2. Arbeitnehmer, die im Überleitungszeitpunkt nur aufgrund eines Aufstiegs eine Vergütung nach KR-Vergütungsgruppe VI BAT erhielten, waren in die KR-Entgeltgruppe 8a TVöD/VKA überzuleiten. Die KR-Entgeltgruppe 9a TVöD/VKA war nur für Arbeitnehmer vorgesehen, die originär in die KR-Vergütungsgruppe VI BAT eingruppiert waren, ohne dass ein Aufstieg in die KR-Vergütungsgruppe VII BAT möglich war. (Orientierungssätze der Richterinnen und Richter des BAG) BAG, Beschluss v. 19.10.2016 – 4 ABR 27/15 – und zukünftig zulässig ist und nicht, ob die Maßnahme im Zeitpunkt der Antragstellung oder in einem anderen früheren Zeitpunkt zulässig war. Dafür, dass die Nennung des Datums in den Anträgen über die bloße Konkretisierung der personellen Maßnahme hinaus eine eigenständige Bedeutung haben sollte, ist nichts ersichtlich. Aus den Gründen a) Bei der Zuordnung der im Antrag benannten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu den KR-Entgeltgruppen der Anlage 4 zum TVÜ-VKA sowie zu den Entgeltstufen handelt es sich um eine nach § 99 Abs. 1 BetrVG mitbestimmungspflichtige personelle Maßnahme. Die zulässige Rechtsbeschwerde ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben die vom Betriebsrat verweigerte Zustimmung zur Umgruppierung der in den verbliebenen Anträgen benannten Beschäftigten in die Entgeltgruppe KR 8a Stufe 6 nach § 99 Abs. 4 BetrVG zu Recht ersetzt. I. Die Zustimmungsersetzungsanträge sind zulässig. 1. Die Anträge bedürfen der Auslegung. Soweit in ihnen die Arbeitgeberin als Datum der Rückgruppierung den 1. Dezember 2012 aufgenommen hat, ist dieses ohne eigenständige Bedeutung, da Gegenstand eines Verfahrens auf Ersetzung der Zustimmung nach § 99 Abs. 4 BetrVG allein die Frage ist, ob die beabsichtigte personelle Maßnahme angesichts der vom Betriebsrat geltend gemachten Verweigerungsgründe gegenwärtig 2. Für die Zustimmungsersetzungsanträge der Arbeitgeberin nach § 99 Abs. 4 BetrVG besteht das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis. Der Betriebsrat hat ein Mitbestimmungsrecht nach § 99 Abs. 1 BetrVG bei der vom Arbeitgeber noch beabsichtigten personellen Einzelmaßnahme; diese bedarf daher der Zustimmung des Betriebsrats. aa) Die Arbeitgeberin beschäftigt in der Regel mehr als 20 wahlberechtigte Arbeitnehmer iSd. § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG. bb) Bei der Überleitung in die neue Entgeltordnung des TVöD/VKA nach den Vorschriften der §§ 3 bis 7 TVÜ-VKA handelt es sich um eine mitbestimmungspflichtige Umgruppierung iSd. § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG. Diese erfasst als ein einheitliches Verfahren den gesamten Umgruppierungsvorgang, also sowohl die Überleitung in eine andere Entgeltgruppe als auch die Stufenzuordnung. Das gilt gleichermaßen, wenn die bisherige Überleitung als falsch angesehen wird und erneut im Zusammen- ZBVR online 5/2017 | Seite 7 von 31 ZBVR online Rechtsprechung zum Betriebsverfassungsrecht hang mit einer korrigierenden Rückgruppierung in Frage steht. Auch insoweit erfolgt eine Richtigkeitskon­ trolle des vom Arbeitgeber angenommenen Ergebnisses im Hinblick auf die Rechtsvorschriften des TVÜ-VKA und die tariflichen Regelungen der neuen Entgeltordnung. Dies begründet das Mitbeurteilungsrecht des Betriebsrats iSd. § 99 Abs. 1 BetrVG. b) Das Landesarbeitsgericht ist ohne erkennbare Rechtsfehler davon ausgegangen, dass die Arbeitgeberin das Zustimmungsersetzungsverfahren wirksam eingeleitet hat und dass die Zustimmungsverweigerung des Betriebsrats form- und fristgerecht iSd. § 99 Abs. 2 und Abs. 3 BetrVG erfolgt ist. Dies wird von keinem der Beteiligten in Abrede gestellt. II. Die Anträge der Arbeitgeberin auf Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats nach § 99 Abs. 4 BetrVG sind begründet. Der Betriebsrat hat seine Zustimmung zu den Umgruppierungen zu Unrecht verweigert. Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht erkannt, dass die Umgruppierungen in Form einer korrigierenden Rückgruppierung der in den Anträgen benannten Beschäftigten weder gegen eine Bestimmung aus einem Tarifvertrag verstoßen (§ 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG) noch die betroffenen Beschäftigten ungerechtfertigt benachteiligen (§ 99 Abs. 2 Nr. 4 BetrVG). (…) 1. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde verstößt die Rückgruppierung der in den Anträgen benannten Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen in die Entgeltgruppe KR 8a Stufe 6 TVöD/VKA nicht gegen § 4 Abs. 1 TVÜ-VKA iVm. der Anlage 4 TVÜ-VKA (Kr-Anwendungstabelle). Der Betriebsrat hat seine Zustimmung nach § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG zu Unrecht verweigert. Die zuvor zutreffend in der VergGr. Kr. VI Fallgruppe 19 des Teils A der Anlage 1b zum BAT eingruppierten betroffenen Beschäftigten sind in Anwendung der Kr-Anwendungstabelle der Entgeltgruppe KR 8a TVöD/VKA zuzuordnen. a) Die hier maßgeblichen tarifvertraglichen Regelungen des TVÜ-VKA in der zum Überleitungszeitpunkt geltenden Fassung sowie die Kr-Anwendungstabelle lauten auszugsweise: (…) b) Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht erkannt, dass die noch in den Anträgen benannten Beschäftigten, die allesamt über den 30. September 2005 hinaus zur Arbeitgeberin, die Mitglied im kommunalen Arbeitgeberverband war, in einem ununterbrochen fortbestehenden Arbeitsverhältnis standen, dem Geltungsbereich des TVÜ-VKA unterfielen (§ 1 Abs. 1 TVÜ-VKA) und gemäß § 3 TVÜ-VKA nach den Regelungen dieses Tarifvertrags in den TVöD/VKA überzuleiten waren. c) Die Zuordnung der Vergütungsgruppen nach der Anlage 1b zum BAT (Vergütungsordnung für Angestellte im Pflegedienst) der in den Anträgen benannten Be- schäftigten zu einer Entgeltgruppe des TVöD/VKA erfolgte im Rahmen der Überleitung gemäß der Protokollerklärung zu § 4 Abs. 1 TVÜ-VKA nach der Kr-Anwendungstabelle. Trotz des insoweit missverständlichen Wortlauts der Protokollerklärung zu § 4 Abs. 1 TVÜ-VKA in der Fassung vom 13. September 2005, galt und gilt die Kr-Anwendungstabelle nicht nur für neu eingestellte, sondern auch für übergeleitete Beschäftigte. d) Hiernach erfolgt die Zuordnung entsprechend den Vergütungsgruppen, in denen die Beschäftigten im September 2005 rechtlich zutreffend eingruppiert waren. Nach der von der Rechtsbeschwerde nicht in Zweifel gezogenen Auffassung des Landesarbeitsgerichts waren die in den Anträgen genannten Beschäftigten zum fraglichen Zeitpunkt in der VergGr. Kr. VI Fallgruppe 19 des Teils A der Anlage 1b zum BAT auf der Grundlage der vom Landesarbeitsgericht getroffenen tatsächlichen Feststellungen zutreffend eingruppiert. (…) e) Zu Recht ist das Landesarbeitsgericht weiter davon ausgegangen, dass die VergGr. Kr. VI Fallgruppe 19 BAT nicht der der Entgeltgruppe KR 9a TVöD/VKA entsprechenden BAT-Vergütungsgruppe „VI ohne Aufstieg“ zuzuordnen ist. Vielmehr entspricht sie der Entgeltgruppe KR 8a TVöD/VKA („V mit Aufstieg nach Va und VI“). Das ergibt eine Auslegung der Kr-Anwendungstabelle, die Inhaltsnormen iSd. § 1 TVG enthält. Die der Entgeltgruppe KR 9 TVöD/VKA zugeordnete BAT-Vergütungsgruppe „VI ohne Aufstieg“ erfasst Tätigkeiten, denen sich nach der Anlage 1b zum BAT kein Verlauf zuordnen lässt, der eine vorhergehende Tätigkeit in einer niedrigeren und/oder eine Aufstiegsmöglichkeit in eine höhere Vergütungsgruppe vorsah. Demgegenüber bedeutet „mit Aufstieg nach“, dass der vom Beschäftigten ausgeübten Tätigkeit ein bestimmter tariflicher Aufstiegsverlauf zugeordnet werden kann, dh. ein Aufstieg in eine oder mehrere bestimmte höherwertige Vergütungsgruppen zukunftsbezogen an sich möglich wäre und zwar unabhängig davon, an welchem Punkt dieses Verlaufs sich der Beschäftigte befindet. Für die Zuordnung zu den KR-Entgeltgruppen der neuen Tarifordnung ist in diesen Fällen auf den Verlauf abzustellen, dem die Tätigkeit des Beschäftigten zuzuordnen ist. Es kommt damit nicht darauf an, ob der Beschäftigte einen Aufstieg bereits vollzogen hat oder nicht; entscheidend ist, dass seine Tätigkeit die Anforderungsmerkmale eines im KR-System der Anlage 1b zum BAT geregelten Aufstiegsverlaufs erfüllt. Damit ist er einem der in der dritten Spalte der Kr-Anwendungstabelle abgebildeten Aufstiegsverläufe hinreichend präzise zugeordnet, was zur Überleitung in die entsprechende in der zweiten Spalte bezeichnete Entgeltgruppe des TVöD/VKA führt. aa) Das folgt aus dem Wortlaut und der Systematik der dritten Spalte der Kr-Anwendungstabelle gemäß Anlage 4 TVÜ-VKA, die nach ihrer Überschrift nicht nur auf die Vergütungsgruppe abstellt, sondern auch auf die ZBVR online 5/2017 | Seite 8 von 31 ZBVR online Rechtsprechung zum Betriebsverfassungsrecht „KR-Verläufe“. Damit haben die Tarifvertragsparteien eine andere Regelungstechnik verwandt als in der Überleitungstabelle in der Anlage 1 TVÜ-VKA. Diese unterscheidet bei den Angestellten danach, ob sich ein Aufstieg aus einer bestimmten Vergütungsgruppe bereits vollzogen hat („nach Aufstieg aus“) oder ein Aufstieg in eine bestimmte Vergütungsgruppe noch aussteht („mit ausstehendem Aufstieg nach“), dh. sich noch nicht vollzogen hat, aber an sich möglich ist, oder aber ob ein Aufstieg in eine bestimmte Vergütungsgruppe nicht möglich ist („ohne Aufstieg nach“). Die Kr-Anwendungstabelle gemäß Anlage 4 TVÜ-VKA unterscheidet dagegen sprachlich nicht nach dem bisherigen und dem künftigen Verlauf, sondern knüpft an den Verlauf an sich an. (…) bb) Für die Auslegung der Formulierung, dass „ohne Aufstieg“ Tätigkeiten erfasst werden, denen sich nach der Anlage 1b zum BAT kein Verlauf zuordnen lässt und damit keine Aufstiegsmöglichkeit vorgesehen ist, spricht auch, dass nur bei dieser Auslegung die Kr-Anwendungstabelle eine weitgehend lückenlose Zuordnung der von den Beschäftigten nach der Anlage 1b zum BAT auszuübenden Tätigkeit zu den KR-Entgeltgruppen des TVöD/VKA ermöglicht. Folgte man hingegen der Auffassung des Betriebsrats, nach der die „KR-Verläufe“ in der dritten Spalte der Kr-Anwendungstabelle ausschließlich zukunftsgerichtet und nicht vergangenheitsbezogen seien, würde die Anwendungstabelle all diejenigen Beschäftigten der Anlage 1b zum BAT nicht erfassen, die nach einem vollzogenen Bewährungsaufstieg und ohne weitere Aufstiegsmöglichkeit in den VergGr. Kr. II, III, IV, V, Va, VIII, IX, X, XI, XII und XIII des Teils A der Anlage 1b zum BAT eingruppiert waren. Demgegenüber führt eine Auslegung, die auf den Verlauf an sich abstellt, ohne danach zu unterscheiden, ob der Aufstieg bereits vollzogen ist oder noch aussteht, dazu, dass – lediglich die Fallgruppen 8 und 10 der VergGr. Kr. Va des Teils A der Anlage 1b zum BAT von der Kr-Anwendungstabelle nicht erfasst wäre. Nur letzteres lässt sich mit einem Redaktionsversehen erklären. Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde ist die Kr-Anwendungstabelle im Übrigen im Hinblick auf einen – angeblich fehlenden – KR-Verlauf „II mit Aufstieg in III“ nicht lückenhaft. (…) cc) Dieses Auslegungsergebnis wird durch die tarifliche Systematik bestätigt. (…) dd) Soweit der Betriebsrat weiter argumentiert, die „KR-Verläufe“ in der Kr-Anwendungstabelle dienten lediglich einer „Feinjustierung“ der Beschäftigten, die einen möglichen Bewährungsaufstieg nicht bereits unter der Geltung des BAT vollzogen hätten und es sei gerade der Sinn und Zweck des Bewährungsaufstiegs nach dem BAT gewesen, Beschäftigte mit niedrigerer fachlicher Qualifikation Beschäftigten mit höherer fachlicher Qualifikation gleichzustellen, wenn der Qualifikationsunterschied durch langjährige Bewährung kompensiert worden sei, was die Überleitungsvorschriften nicht „rückgängig“ machen wollten, finden sich für einen solchen Willen der Tarifvertragsparteien im Wortlaut und der Systematik der tariflichen Regelungen, insbesondere – speziell – in der Kr-Anwendungstabelle oder – allgemein – dem TVÜ-VKA, keine Anhaltspunkte. Zwar mag dies aus Sicht des Betriebsrats eine sachgerechtere oder zweckmäßigere Lösung für eine Überleitung darstellen. Daraus folgt jedoch nicht, dass auch die Tarifvertragsparteien diesen Regelungszweck verfolgt hätten. Sie müssen nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nicht die sachgerechteste oder zweckmäßigste Regelung wählen. Die Tarifautonomie schließt vielmehr auch die Befugnis der Tarifvertragsparteien zu Entgeltregelungen ein, die den Betroffenen ungerecht und Außenstehenden nicht zwingend sachgerecht erscheinen. Im Übrigen beinhaltet gerade eine Überleitung, die nicht darauf abstellt, ob der Aufstieg schon vollzogen wurde oder nicht, die Chance, auch ohne Fachausbildung aufgrund des Stufenaufstiegs mittel- oder langfristig ein höheres Entgelt zu erzielen. Ein Beschäftigter, der im Überleitungszeitpunkt nach VergGr. Kr. V BAT mit noch ausstehendem Aufstieg nach VergGr. Kr. VI BAT eingruppiert war, hätte nach der vom Betriebsrat vertretenen Auslegung der Kr-Anwendungstabelle keine Möglichkeit mehr, ein Entgelt nach Entgeltgruppe KR 9a TVöD/VKA zu erzielen. f) Das Berufen der Arbeitgeberin auf die Fehlerhaftigkeit der bisherigen tariflichen Bewertung verstößt nicht gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB). Der Betriebsrat hat keine besonderen Umstände geltend gemacht, die die Rechtsausübung als rechtsmissbräuchlich erscheinen lassen. Solche Umstände sind auch sonst nicht ersichtlich. 2. Das Landesarbeitsgericht hat weiter zutreffend erkannt, dass die Rückgruppierungen die betroffenen Beschäftigten nicht iSd. § 99 Abs. 2 Nr. 4 BetrVG ungerechtfertigt benachteiligen und deshalb einen Zustimmungsverweigerungsgrund des Betriebsrats zu Recht abgelehnt. In den Folgen richtiger Anwendung des geltenden Rechts liegt kein „Nachteil“ iSd. § 99 Abs. 2 Nr. 4 BetrVG. 3. Schließlich haben die Vorinstanzen die Zustimmung des Betriebsrats auch hinsichtlich der beantragten Zuordnung zu Stufe 6 der Entgeltgruppe KR 8a TVöD/VKA ersetzt. Ein Rechtsfehler ist insoweit weder erkennbar noch wird er von den Beteiligten geltend gemacht. Download Vollversion ZBVR online 5/2017 | Seite 9 von 31 ZBVR online Rechtsprechung zum Betriebsverfassungsrecht Unterrichtungsanspruch und Vorschlagsrecht des ­Betriebsrats bei der Personalplanung 1. Der Betriebsrat kann vom Arbeitgeber nach § 92 Abs. 1 BetrVG die rechtzeitige und umfassende Unterrichtung über die Personalplanung anhand von denjenigen Unterlagen verlangen, die jener seiner Personalplanung zugrunde legt. Dabei kann es sich auch um vom Arbeitgeber erstellte Daten handeln, mit denen er noch andere Zwecke verfolgt. Der Unterrichtungsanspruch über die Personalplanung des Arbeitgebers erstreckt sich aber nicht auf solche Daten, die für die Personalplanung nicht genutzt werden. 2. Verlangt der Betriebsrat vom Arbeitgeber Unterlagen, um Vorschläge zur Änderung einer bestehenden Personalplanung erarbeiten zu können, hat er darzulegen, weshalb die begehrten Informationen zur Wahrnehmung dieses Vorschlagsrechts nach § 92 Abs. 2 BetrVG erforderlich sind. 3. Tatbestandliche Feststellungen des Landesarbeitsgerichts können in der Rechtsbeschwerdeinstanz nicht mit Verfahrensrügen, sondern nur mit einem Tatbestandsberichtigungsantrag nach § 320 Abs. 1 ZPO angegriffen werden. (Orientierungssätze der Richterinnen und Richter des BAG) BAG, Beschluss v. 8.11.2016 – 1 ABR 64/14 – Zum Sachverhalt Die Beteiligten streiten über die Verpflichtung der Arbeitgeberin zur Vorlage von Stichtagserhebungen. Die Arbeitgeberin ist ein Unternehmen des Gesundheitswesens. Sie betreibt in G und T psychiatrische Fachkliniken mit ca. 1.100 Arbeitnehmern. Antragsteller ist der für beide Kliniken gewählte Betriebsrat. Es besteht ein Wirtschaftsausschuss. Die Arbeitgeberin erstellt nach § 4 Abs. 2 der Verordnung über Maßstäbe und Grundsätze für den Personalbedarf in der stationären Psychiatrie (Psychiatrie-Personalverordnung – Psych-PV) Stichtagserhebungen. § 4 Psych-PV lautet wie folgt: (…) Bis Mitte des Jahres 2012 stellte die Arbeitgeberin dem Wirtschaftsausschuss diese Erhebungen zur Verfügung. Über nachfolgende Stichtagserhebungen wurden weder der Wirtschaftsausschuss noch der Betriebsrat unterrichtet. Der Betriebsrat hat die Auffassung vertreten, die Arbeitgeberin sei verpflichtet, ihm die jeweiligen Stichtagserhebungen vorzulegen. (…) Aus den Gründen Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats ist unbegründet. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht der Beschwerde der Arbeitgeberin stattgegeben. I. Der Antrag ist in der gebotenen Auslegung zulässig. Der Betriebsrat verlangt keine dauerhafte Überlassung der Unterlagen über die Stichtagserhebungen, sondern lediglich, ihm die Ergebnisse der Stichtagserhebungen zeitweise zur Verfügung zu stellen. Dies hat er in der Anhörung vor dem Arbeitsgericht klargestellt. Eine nähere zeitliche Präzisierung der Überlassungsdauer ist für die ausreichende Bestimmtheit des Antrags iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO nicht geboten. II. Der Antrag des Betriebsrats ist unbegründet. Ein Unterrichtungsanspruch anhand der geforderten Unterlagen ergibt sich nicht aus § 92 Abs. 1 Satz 1 BetrVG. Der Betriebsrat kann die beantragte Vorlage auch nicht nach § 80 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 iVm. § 92 Abs. 2 BetrVG beanspruchen. 1. Ein Unterrichtungsanspruch des Betriebsrats folgt nicht aus § 92 Abs. 1 Satz 1 BetrVG. a) Nach § 92 Abs. 1 Satz 1 BetrVG hat der Arbeitgeber den Betriebsrat über die Personalplanung, insbesondere über den gegenwärtigen und künftigen Personalbedarf, anhand von Unterlagen rechtzeitig und umfassend zu unterrichten. Zur Personalplanung gehören die Personalbedarfsplanung, die Personaldeckungsplanung, die Personalentwicklungsplanung und die Personaleinsatzplanung. Der Betriebsrat soll zu einem möglichst frühen Zeitpunkt über die personelle Situation des Betriebs und deren Entwicklung umfassend anhand von Unterlagen unterrichtet werden. Die Unterrichtung hat aber anhand derjenigen Unterlagen zu erfolgen, die der Arbeitgeber selbst seiner Personalplanung zugrunde legt, unabhängig davon, in welchem Zusammenhang sie erhoben oder festgestellt wurden. Soweit ein Arbeitgeber mit den geforderten und von ihm erstellten Daten neben einer Personalplanung noch andere Zwecke verfolgt, steht dies einem Auskunftsbegehren des Betriebsrats nicht entgegen. b) Danach kann der Betriebsrat nicht verlangen, anhand der geforderten Stichtagserhebungen unterrichtet zu werden. aa) Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts verwendet die Arbeitgeberin die Stichtagserhebungen nicht für ihre Personalplanung, sondern „ausschließlich als Finanzierungsinstrument“ zur Erlangung möglichst hoher Zuwendungen der Kostenträger. bb) Die von der Rechtsbeschwerde gegen diese Feststellungen erhobenen Rügen greifen nicht durch. (…) ZBVR online 5/2017 | Seite 10 von 31 ZBVR online Rechtsprechung zum Betriebsverfassungsrecht cc) Soweit sich der Betriebsrat in der Rechtsbeschwerde erstmals darauf beruft, es bestünden zusätzliche Anhaltspunkte, nach denen die Personalplanung der Arbeitgeberin unter Beachtung der Stichtagserhebungen erfolge, handelt es sich um einen neuen Sachvortrag. Dieser ist in der Rechtsbeschwerde nach § 559 Abs. 1 ZPO unzulässig. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde zählt es aber nicht zu den Aufgaben des Betriebsrats, „gleichberechtigt“ neben dem Arbeitgeber „eine originäre“ Personalplanung durchzuführen. Für die Ausübung des gesetzlichen Vorschlagsrechts sind dem Betriebsrat nach § 80 Abs. 2 Satz 2 BetrVG die erforderlichen Unterlagen zur Verfügung zu stellen. 2. Der Betriebsrat kann die Vorlage der Stichtagserhebungen auch nicht nach § 80 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 iVm. § 92 Abs. 2 BetrVG verlangen. bb) Der Betriebsrat hat nicht ausreichend dargelegt, dass die Vorlage der fünf streitgegenständlichen Stichtagserhebungen erforderlich ist, um eigene Vorschläge zur Änderung der bisherigen Personalplanung der Arbeitgeberin machen zu können. Da die Arbeitgeberin nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts bereits eine Personalplanung praktiziert, besteht für das Vorschlagsrecht zur Einführung einer Personalplanung schon kein Raum mehr. Vielmehr beschränkt sich die gesetzliche Aufgabe des Betriebsrats nach § 92 Abs. 2 a) Nach § 80 Abs. 2 Satz 1 BetrVG hat der Arbeitgeber den Betriebsrat zur Durchführung seiner Aufgaben rechtzeitig und umfassend zu unterrichten und ihm nach Satz 2 Halbs. 1 der Bestimmung auf Verlangen die dazu erforderlichen Unterlagen zur Verfügung zu stellen. Hieraus folgt ein entsprechender Anspruch des Betriebsrats, soweit die begehrte Information zur Aufgabenwahrnehmung erforderEs ist nicht Aufgabe des Betriebsrats, lich ist. Anspruchsvoraussetzung ist damit zum einen, dass überhaupt eine Aufgabe eine eigene Personalplanung zusätzlich zu der des Arbeitgebers des Betriebsrats gegeben ist und zum anaufzustellen. deren, dass im Einzelfall die begehrte Information zur Wahrnehmung dieser Aufgabe erforderlich ist. Dies hat der Betriebsrat darzule- BetrVG in einem solchen Fall darauf, Vorschläge zur Ängen. Erst anhand dieser Angaben können der Arbeitge- derung der Personalplanung zu unterbreiten. Dazu hat ber und im Streitfall das Arbeitsgericht prüfen, ob die der Betriebsrat lediglich vorgetragen, zur qualifizierten Voraussetzungen der Vorlagepflicht vorliegen. Ausübung seines Vorschlagsrechts seien ihm „die Eckdaten, die im Betrieb bekannt sind, … zugänglich zu b) Nach diesen Grundsätzen besteht der vom Betriebs- machen“. Inwieweit die an fünf Tagen nach § 4 Abs. 2 rat geltend gemachte Vorlageanspruch nicht. Er kann und Abs. 3 Psych-PV erfolgten Erhebungen der Jahre sich für sein Begehren zwar auf ein Vorschlagsrecht 2012 und 2013 für die Erarbeitung eigener Vorschläge nach § 92 Abs. 2 BetrVG stützen. Der Betriebsrat hat zur Personalplanung zur Änderung einer tatsächlich im aber nicht dargetan, dass die fünf Stichtagserhebungen Betrieb bestehenden und nach anderen Kriterien durchin den Monaten Juli 2012, Oktober 2012, Januar 2013, geführten Personalplanung gebraucht werden, wird aus April 2013 sowie Juli 2013 für die Erledigung dieser Auf- diesem Vorbringen nicht ersichtlich. Eine solche Darlegabe erforderlich sind. gung wäre dem Betriebsrat anhand der bis zur Mitte des Jahres 2012 zur Verfügung gestellten Stichtagseraa) Nach § 92 Abs. 2 BetrVG kann der Betriebsrat dem hebungen – soweit diese für sein Vorschlagsrecht überArbeitgeber Vorschläge für die Einführung einer Perso- haupt von Relevanz sein könnten – aber ohne Weiteres nalplanung und deren Durchführung machen. Hierzu möglich gewesen. gehören auch solche zur Änderung einer bestehenden und vom Arbeitgeber praktizierten Personalplanung. Download Vollversion „Folgeleistungspflicht“ des Arbeitnehmers bei unbilliger Versetzung Der Arbeitnehmer ist nicht verpflichtet, einer unbilligen Versetzung an einen anderen Ort vorläufig bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Verbindlichkeit der Versetzung zu befolgen (entgegen BAG 22.02.2012 – 5 AZR 249/11). LAG Düsseldorf, Urteil v. 6.4.2016 – 12 Sa 1153/15 – Aus den Gründen (…) A. (…) II. (…) 1. (…) Erweist sich eine vom Arbeitgeber vorgenommene Versetzung als unwirksam, so hat der Arbeitnehmer einen Anspruch auf Beschäftigung in seiner bisherigen Tätigkeit am bisherigen Ort. Bei einer ZBVR online 5/2017 | Seite 11 von 31 ZBVR online Rechtsprechung zum Betriebsverfassungsrecht Versetzung handelt es sich um eine einheitliche Maßnahme, die nicht in den Entzug der bisherigen Tätigkeit und die Zuweisung einer neuen Tätigkeit aufgespalten werden kann. Dies gilt auch dann, wenn Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung im Arbeitsvertrag nicht abschließend festgelegt sind, sondern dem Weisungsrecht des Arbeitgebers (§ 106 GewO) unterliegen. Solange dieser nicht rechtswirksam von seinem Weisungsrecht erneut Gebrauch gemacht hat, bleibt es bei der bisher zugewiesenen Arbeitsaufgabe am bisherigen Ort und der Arbeitnehmer hat einen dementsprechenden Beschäftigungsanspruch. Damit wird (…) die künftige Beschäftigung nicht dauerhaft zementiert. Eine Entscheidung darüber, ob und ggf. in welchem Umfang der Arbeitgeber zukünftig, d.h. nach dem Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung in zweiter Instanz, von seinem Weisungsrecht rechtswirksam Gebrauch machen kann, ist mit diesem Urteil nicht getroffen. cc) Beruht die Weisung auf einer unternehmerischen Entscheidung, so kommt dieser besonderes Gewicht zu. Eine unternehmerische Entscheidung führt aber nicht dazu, dass die Abwägung mit Interessen des Arbeitnehmers von vornherein ausgeschlossen wäre und sich die Belange des Arbeitnehmers nur in dem vom Arbeitgeber durch die unternehmerische Entscheidung gesetzten Rahmen durchsetzen könnten. Das unternehmerische Konzept ist zwar nicht auf seine Zweckmäßigkeit hin zu überprüfen. Die Arbeitsgerichte können vom Arbeitgeber nicht verlangen, von ihm nicht gewollte Organisationsentscheidungen zu treffen. Wohl aber kann die Abwägung mit den Belangen des Arbeitnehmers ergeben, dass ein Konzept auch unter Verzicht auf die Versetzung durchsetzbar war. b) In Anwendung dieser Grundsätze entspricht die Versetzung mit Schreiben vom 05.02.2015 mit Wirkung zum 02.03.2015 nach O. nicht billigem Ermessen. Die Kammer 2. (…) 3. Der Kläger kann die tatsächliche Beschäftigung unterstellt dabei, dass die Beklagte tatsächlich Ende in E. verlangen, weil die Versetzung (…) nach O. unwirk- 2014 die unternehmerische Entscheidung getroffen hat, sam ist, weil sie nicht billigem Ermessen (§ 106 Satz 1 die Führungskräfte am Standort O. zu bündeln. Es kann GewO, § 315 BGB) entspricht. auch unterstellt werden, dass die Entscheidung – so sie denn getroffen wurde – entgegen dem Vorbringen des a) Für die umfassende Ausübungskontrolle nach § 106 Klägers nicht aus rechtsmissbräuchlichen Gründen, alSatz 1 GewO, § 315 BGB in Bezug auf eine Versetzung ist leine um den Kläger aus dem Betriebs zu drängen, ervon folgenden Grundsätzen auszugehen: folgt ist. Darauf kam es nicht an, denn selbst bei unterstellter nicht zu beanstandender unternehmerischer aa) Dem Inhaber des Bestimmungsrechts nach § 106 Entscheidung, die Führungskräfte in O. zu bündeln, GewO, § 315 Abs. 1 BGB verbleibt auch im Falle der Ver- entspricht die Versetzung mit Schreiben vom 05.02.2015 setzung für die rechtsgestaltende Leistungsbestim- mit Wirkung zum 02.03.2015 nach O. nicht billigem Ermung ein – ggfs. auf betriebliche Gründe beschränkter messen. (…) Im Hinblick auf die Entfernung zwischen E. – nach billigem Ermessen auszufüllender Spielraum. und O. und die familiäre Situation des Klägers mit einer Innerhalb des Spielraums können dem Bestimmungs- schwerbehinderten minderjährigen Tochter aus erster berechtigten mehrere Entscheidungsmöglichkeiten zur Ehe, die bei ihrer Mutter in N. lebt, war eine Situation gegeben, welche die Beklagte im Rahmen ihrer Ermessensausübung einstellen Die Einzelfallprüfung muss neben vielen anderen musste. (…) Hinzu kommt, dass keine SiFaktoren auch soziale Lebensverhältnisse wie familiäre Pflichten tuation gegeben ist, bei der die Berücksichtigung der Interessen des Klägers das und Unterhaltsverpflichtungen berücksichtigen. unternehmerische Konzept der Beklagten vollständig in Frage stellte. Die Aufgaben Verfügung stehen. Dem Gericht obliegt nach § 315 Abs. 3 des Klägers erlauben teilweise Heimarbeit. (…) Die Satz 1 BGB die Prüfung, ob der Arbeitgeber als Gläubiger Rechtsverteidigung der Beklagten in der Berufungsinsdie Grenzen seines Bestimmungsrechts beachtet hat. tanz setzt denn vornehmlich auch nicht daran an, dass die Versetzung ohne diese Einschränkungen billiges bb) Die Leistungsbestimmung nach billigem Ermessen Ermessen wahre, sondern dass das Arbeitsgericht ihre (§ 106 Satz 1 GewO, § 315 BGB) verlangt eine Abwägung Ausführungen hierzu nicht beachtet habe. Dies ist indes der wechselseitigen Interessen nach verfassungsrecht- zunächst nicht zutreffend, denn das Arbeitsgericht hat lichen und gesetzlichen Wertentscheidungen, den all- diese Ausführungen gewürdigt, aber festgestellt, dass gemeinen Wertungsgrundsätzen der Verhältnismäßig- es an verbindlichen Zusagen fehle und die Angebote keit und Angemessenheit sowie der Verkehrssitte und letztlich nicht mehr aufrechterhalten worden seien. (…) Zumutbarkeit. In die Abwägung sind alle Umstände des Da der Kläger sich darauf nicht eingelassen habe, sei Einzelfalls einzubeziehen. Hierzu gehören die Vorteile nicht mehr ersichtlich, auf welche Modifikation er sich aus einer Regelung, die Risikoverteilung zwischen den eingelassen hätte. Dies ist für eine einvernehmliche LöVertragsparteien, die beiderseitigen Bedürfnisse, außer- sung entscheidend. Kommt diese – wie vorliegend – vertragliche Vor- und Nachteile, Vermögens- und Ein- nicht zustande, bleibt die Versetzung eine einseitige kommensverhältnisse sowie soziale Lebensverhältnisse Maßnahme, bei welcher die Beklagte ihrerseits gehalten wie familiäre Pflichten und Unterhaltsverpflichtungen. ist, einseitig bei der Ausübung des billigen Ermessens ZBVR online 5/2017 | Seite 12 von 31 ZBVR online Rechtsprechung zum Betriebsverfassungsrecht die Belange des Klägers zu beachten. Eine solche Versetzung hat die Beklagte bislang nicht ausgesprochen. (…) Der Kammer oblag alleine die Entscheidung über eine vollständige Versetzung des Klägers nach O.. Diese entspricht aufgrund der familiären Situation des Klägers auch unter Berücksichtigung der unterstellten unternehmerischen Entscheidung, etwaiger Flugverbindungen zwischen E. und O. und der Tatsache, dass dem Kläger in seiner Position durchaus Flexibilität abzuverlangen ist, nicht billigem Ermessen. Zur Klarstellung weist die Kammer – wie mit den Parteien im Termin erörtert – darauf hin, dass diese Entscheidung nur diese Versetzung betrifft. Spricht die Beklagte eine erneute Versetzung des Klägers nach O. aus und schränkt diese (…) ein oder gestattet die Tätigkeit des Klägers an einem Tag pro Woche in E. bzw. im Homeoffice und gewährt eine Reisekostenpauschale, verändert dies nachträglich die Tatsachengrundlage. Ob die Versetzung unter diesen Voraussetzungen billigem Ermessen entspricht, hat die Kammer nicht beurteilt. In Abwägung aller Umstände des Falles war es für die Beklagte auf der Tatsachengrundlage, so wie sie im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung bestand, auch nicht unzumutbar, den Kläger in E. zu beschäftigen. davon aus, dass effektiver Rechtsschutz zur Durchsetzung des Beschäftigungsanspruchs für den Zeitraum bis zu einer neuen Ausübung des Weisungsrechts durch den Arbeitgeber erforderlich ist. Diesen Begründungsansatz hält die erkennende Kammer für zutreffend. Er wird aber nur dadurch erreicht, dass man dem Arbeitnehmer die Möglichkeit zur Klage auf tatsächliche Beschäftigung zugesteht, mit der er bereits in erster In­ stanz ein vorläufig vollstreckbares Urteil erstreiten kann (§ 62 Abs. 1 Satz 1 ArbGG) und nicht bis zur ggfs. lange dauernden Rechtskraft einer Entscheidung eine unbillige Weisung befolgen muss. Es ist auch nicht zu befürchten, dass das Weisungsrecht des Arbeitgebers bei der hier vertretenen Ansicht entwertet würde. Der Arbeitnehmer trägt selbst das Risiko, ob er eine Weisung befolgt. Ist sie wirksam, muss er mit arbeitsrechtlichen Folgen rechnen. Im Ergebnis ist die Kammer der Überzeugung, dass ein Arbeitnehmer eine unbillige Weisung nicht befolgen muss. (…) c) Da die Versetzung nicht billigem Ermessen entspricht, verbleibt es bei der bisherigen Weisungslage und der Kläger kann die tatsächliche Beschäftigung in E. verlangen. Der Leistungsausspruch ist nicht dahingehend einzuschränken, dass der Kläger erst ab Rechtskraft der Entscheidung tatsächlich in E. zu beschäftigen ist. (…) Es liegt kein Fall vor, in dem der Kläger durch längeres Zuwarten und Weiterarbeiten stillschweigend sein Einverständnis zu einer unbilligen Weisung erklärt. (…) Die erkennende Kammer folgt der Ansicht in der Rechtslehre, welche bei § 315 BGB davon ausgeht, dass eine unbillige Leistungsbestimmung allenfalls für den Bestimmungsberechtigten, nicht aber für den anderen Teil verbindlich ist. Er muss der unbillig festgelegten Leistungsaufforderung nicht nachkommen. Dies gilt auch für den Arbeitnehmer. Bereits dem Wortlaut des § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB lässt sich eine vorläufige Bindung nicht entnehmen. Sie ist in der gesetzlichen Bestimmung nicht angeordnet. Vielmehr ist eine unbillige Leistungsbestimmung unverbindlich. Andernfalls könnte die Vertragspartei, der das Leistungsbestimmungsrecht zusteht, aus einer unbilligen Bestimmung Rechte herleiten, die sie bei gesetzesmäßigem Verhalten nicht hätten. (…) Eine sog. Folgeleistungspflicht im Rahmen des arbeitsrechtlichen Direktionsrechts ist nur noch bereichsspezifisch gesondert geregelt, z.B. in §§ 32 Satz 2, 124 Abs. 1 Satz 1 SeeArbG. (…) Unter Beachtung grundrechtlicher Wertungen, die im Rahmen unbilliger Weisungen eine Rolle spielen können – auch vorliegend geht es um das Elternrecht des Klägers aus Art. 6 Abs. 2 GG – würde die vom Fünften Senat vertretene Rechtsauffassung effektiven Rechtsschutz zumindest erschweren. So geht der Zehnte Senat in Abgrenzung zu einer Entscheidung des Fünften Senats vom 24.01.2001 Mit Urteil vom 6. April 2016 hat das LAG Düsseldorf entschieden, dass Arbeitnehmer nicht verpflichtet sind, eine unbillige Weisung des Arbeitgebers (hier: Versetzung an einen anderen Ort) vorläufig zu befolgen. Der 5. Senat des Bundesarbeitsgerichts1 hatte in der Vergangenheit noch anders entschieden: Ein Arbeitnehmer dürfe sich aufgrund seiner Weisungsgebundenheit zur Arbeitgeberin nicht ohne Weiteres über eine Weisung hinwegsetzen; der Weisung müsse Folge geleistet werden, bis deren Unverbindlichkeit durch ein Gericht rechtskräftig festgestellt worden sei. Dem hat das LAG Düsseldorf nunmehr eine klare Absage erteilt. Download Vollversion Anmerkung 1. Zur Entscheidung des LAG Düsseldorf Eine Arbeitgeberin beabsichtigte, einen Mitarbeiter künftig in einem anderen Betrieb einzusetzen. Der war hierzu nicht bereit, er hielt dies für eine Schikane, zumal er aufgrund seiner besonderen familiären Situation (u.a. Betreuung eines schwerbehinderten Kindes) die Versetzung als erhebliche bzw. unzumutbare Belastung betrachtete. Der Mitarbeiter klagte und bekam vor dem LAG Düsseldorf Recht. Die Düsseldorfer Richter entschieden, dass rechtswidrigen Weisungen keine Folge geleistet werden müsse. Letztlich trage aber der Arbeitnehmer das Risiko, rechtmäßige von rechtswidrigen Weisungen zu unterscheiden. Dieser müsse damit rechnen, arbeitsrechtliche Sanktionen zu erhalten, sofern er pflichtwidrig einer rechtmäßigen Weisung nicht nachkomme, auch wenn er diese für rechtswidrig gehalten habe. 1 BAG v. 22.2.2012 – 5 AZR 249/11, DB 2012, 1628 = LS ZBVR online 11/2012, S. 29. ZBVR online 5/2017 | Seite 13 von 31 ZBVR online Rechtsprechung zum Betriebsverfassungsrecht Beispiel: Mitarbeiter A soll vom Betrieb B in den Betrieb C versetzt werden. A weigert sich und nimmt trotz mehrerer Abmahnungen des Arbeitgebers seine Arbeit im Betrieb C nicht auf. Schlussendlich kündigt der Arbeitgeber dem A verhaltensbedingt wegen beharrlicher Arbeitsverweigerung. Legt man die Grundsätze des LAG Düsseldorf zugrunde, wäre die Kündigung zu Recht ausgesprochen worden (zumindest dann, wenn die Versetzungsanordnung zulässig war). Denn A hätte sich mehrfach, trotz einschlägiger Abmahnungen einer – rechtmäßigen – Anweisung des Arbeitgebers widersetzt und wäre seiner geschuldeten Arbeit nicht nachgekommen. Und hier liegt die Krux des Urteils des LAG Düsseldorf. Die oben zitierte BAG-Rechtsprechung macht es dem Arbeitnehmer zwar nicht angenehmer, aber juristisch doch einfacher. Nach dieser gilt das Prinzip: „Erst einmal der Weisung Folge leisten und ggf. später die Gerichte entscheiden lassen.“ aufgrund seiner familiären Situation schutzwürdige Interessen, der Versetzung zunächst nicht nachkommen zu müssen. 2. Möglichkeiten des Betriebsrats In der Praxis bedenklich bleibt allerdings der Umstand, dass das komplette Risiko, einer womöglich doch rechtmäßigen Weisung nicht nachzukommen, letztlich beim Arbeitnehmer verbleibt. Hier sind die Betriebsräte gefragt. Diese können durch eine verantwortungsvolle Ausübung ihrer Mitbestimmungsrechte viel Druck von einem Arbeitnehmer nehmen, insbesondere im Bereich der Mitbestimmung nach § 87 BetrVG und § 99 BetrVG. Beispiel: Mitarbeiter A soll immer noch vom Betrieb B in den Betrieb C versetzt werden. Der zuständige Betriebsrat verweigert seine entsprechende Zustimmung nach § 99 Abs. 2 Nr. 4 BetrVG (hier: weil schutzwürdige familiäre Belange des Arbeitnehmers entgegenstehen und somit ein unzumutbarer „Nachteil“ im Sinne der Nr. 4 Konsequenzen für die Praxis drohen würde). Grundsätzlich muss der Mitarbeiter der Ver1. Ohne betriebsrätliche Intervention obliegt es allein dem Mitarbeiter, in setzung deshalb erst einmal sich zu gehen und zu hinterfragen, ob er eine arbeitgeberseitige nicht nachkommen. Weisung als verbindlich anerkennen möchte oder nicht. Kommt er hier zu einer rechtlichen Fehleinschätzung, kann dies erhebliche arbeitsrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen (Abmahnung, Kündigung). 2. Wird ein Betriebsrat aktiv, kann dieser dem Arbeitgeber gesteigerten Aufwand abverlangen, um die Maßnahme überhaupt durchsetzen zu können. Ein Arbeitgeber wird daher vor „Schnellschüssen“ zurückschrecken, da diese unter Umständen erhebliche Kosten, jedenfalls aber erheblichen Aufwand auslösen können. Der Betriebsrat wird zur Speerspitze und nimmt den Mitarbeiter selbst aus der unmittelbaren Konfrontation. Nur dort, wo kein Mitbestimmungstatbestand gegeben ist, würde es dann noch dem Mitarbeiter obliegen, entsprechend der Grundsätze des LAG Düsseldorf in sich zu gehen und die Rechtmäßigkeit einer arbeitgeberseitigen Weisung risikobehaftet zu hinterfragen. 3. Die Rechtsprechung möge sich aufgerufen fühlen, diese Grundsätze unter dem Gesichtspunkt der Rechtsfortbildung zu überdenken. Wirklich haften (im Sinne von: Abmahnung, Kündigung) sollte der Mitarbeiter nur dann, wenn ihm mindestens mittlere Fahrlässigkeit vorgeworfen werden kann, nicht aber bei einfacher Fahrlässigkeit (Analogie zur Haftungstrilogie). Der Arbeitnehmer müsste demnach zwar zunächst in den „sauren Apfel“ beißen, läuft aber nicht Gefahr, berechtigterweise Repressalien durch den Arbeitgeber ausgesetzt zu sein. Die Düsseldorfer Ansicht erscheint dennoch vorzugswürdig. In der Tat kann eine Arbeitgeberin nur dort verbindliche Weisungen erteilen, wo ihr entsprechende Befugnisse überhaupt zukommen. Der Fall des LAG Düsseldorf zeigt zudem, dass ein „Augen zu und durch“ für die betroffenen Arbeitnehmer sehr belastend wirken kann. Denn der Mitarbeiter im besagten Fall hatte schon Auch im Bereich der sozialen Mitbestimmung nach § 87 BetrVG kommt der Arbeitgeber am Betriebsrat bzw. dem normierten Mitbestimmungsverfahren nicht vorbei. Beispiel: Der Arbeitgeber will in der Abteilung „Fertigung“ Überstunden anordnen. Aufgrund einer fehlenden Betriebsvereinbarung muss der Arbeitgeber für jede einzelne Überstunde die Zustimmung des Betriebsrats einholen (die Anordnung von Überstunden unterliegt bekanntlich der Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG). Verweigert der Betriebsrat seine Zustimmung, so müsste der Arbeitgeber ein (ggf. kostspieliges) Einigungsstellenverfahren einleiten und versuchen, die Zustimmung des Betriebsrats in diesem ersetzen zu lassen. Ohne die Zustimmung des Betriebsrats bzw. eine Zustimmungsersetzung durch die Einigungsstelle braucht die Fertigung keine einzige Überstunde zu leisten. Merke: Überall dort, wo dem Betriebsrat erzwingbare Mitbestimmung zusteht, braucht ein Arbeitnehmer (ohne Angst vor arbeitsrechtlichen Sanktionen) einer arbeitgeberseitigen Weisung nicht nachzukommen, bis das Mitbestimmungsverfahren ordnungsgemäß durch- ZBVR online 5/2017 | Seite 14 von 31 ZBVR online Rechtsprechung zum Betriebsverfassungsrecht laufen wurde. Das Bundesarbeitsgericht nennt dies die „Theorie der Wirksamkeitsvoraussetzung“.2 Der Arbeitgeber soll nicht die Möglichkeit haben, die Mitbestimmung des Betriebsrats zu umgehen, indem er dem einzelnen Arbeitnehmer mitbestimmungswidrige Weisungen erteilt. Schon zur Sicherung des Mitbestimmungsrechts ist es nach dem Bundesarbeitsgericht deshalb geboten, solche Weisungen als unzulässig zu betrachten. Ihnen braucht seitens der Arbeitnehmerschaft somit nicht gefolgt zu werden. Um das vorgenannte Prin- Zustimmung ersetzen zu lassen. Erst nach einer Zustimmungsersetzung dürfte sie auf Einhaltung der Weisung bestehen (z.B. was das Leisten von Überstunden angeht). Erst dann würde die „Ampel 2“ auf „grün“ stehen, bis dahin zeigt sie „rot“. Aber: Bei Einstellungen und Versetzungen nach § 99 BetrVG ist das Mitbestimmungsverfahren dahingehend modifiziert, dass die Arbeitgeberin bei eiligen Sachverhalten selbst bei einer Zustimmungsverweigerung des Betriebsrats nach § 100 BetrVG vorläufig umsetzen dürfte. Bestreitet aber der BeDie vom BAG vertretene Theorie der Wirktriebsrat die „dringende Erforderlichkeit“ der vorläufigen Umsetzung, so muss die samkeitsvoraussetzung lässt sich griffig wie folgt beschreiben: Arbeitgeberin zwingend binnen dreier Der Arbeitgeber darf eine Weisung ... Tage (Tage nicht Arbeitstage) beim Arbeitsgericht beantragen, die fehlende Zuzip richtig zu verstehen, sollte man sich „zwei Ampeln“ stimmung gem. § 99 Abs. 4 BetrVG ersetzen zu lassen vorstellen, welche beide auf „grün“ stehen müssen, ehe und festzustellen, dass die vorläufige Maßnahme drinder Arbeitgeber eine Weisung verbindlich aussprechen gend erforderlich ist. Macht sie dies, so kann die Arbeitdarf. Ampel „1“ ist das Direktionsrecht, Ampel „2“ ist die geberin die Maßnahme bis zur rechtskräftigen Entscheibetriebsrätliche Mitbestimmung. dung der Arbeitsgerichte vorläufig durchführen (die Ampel 2 stünde dann auch auf „grün“), macht sie dies Beispiel: Ist A laut Arbeitsvertrag als Personalsachbear- nicht, so stünde die Ampel 2 auf „rot“ und die Arbeitbeiter zu beschäftigen, stellt sich oftmals die Frage, ob geberin müsste umgehend von der beabsichtigten Eindiesem im Wege des arbeitsgeberseitigen Direktions- stellung oder Versetzung Abstand nehmen. rechts auch andere Tätigkeiten zugewiesen werden können. Um sich insoweit abzusichern, finden sich in Wichtig: Die Drei-Tage-Frist der Arbeitgeberin, um das den heutigen Arbeitsverträgen oftmals Klauseln wie: Arbeitsgericht anzurufen, läuft erst an, wenn der Be„Dem Mitarbeiter können auch andere gleichwertige triebsrat die dringende Erforderlichkeit bestreitet. Der Tätigkeiten zugewiesen werden, welche seinen Kennt- Betriebsrat sollte deshalb bei begründeten Zweifeln an nissen und Fähigkeiten entsprechen.“ Eine solche Klau- einer solchen Erforderlichkeit jede etwaige Zustimsel im Arbeitsvertrag würde es der Arbeitgeberin folglich mungsverweigerung mit dem Zusatz versehen: „Sofern ermöglichen, dem A auch andere administrative Tätig- eine sofortige oder alsbaldige Umsetzung der personelkeiten zuzuweisen, sofern diese „gleichwertig“ im benannten Sinne wären. Ein ... erst dann verbindlich aussprechen, entsprechendes Direktionsrecht wäre gegeben, „Ampel 1“ wäre grün geschaltet. wenn sowohl die Ampel „Direktionsrecht“ als auch die Ampel Hingegen wäre es der Arbeitgeberin nicht „Mitbestimmung des Betriebsrats“ auf grün steht. möglich, den A zum Beispiel dauerhaft als Hausmeister zu beschäftigen, da dies keine Grundlage im Arbeitsvertrag mehr hätte. Bereits das len Maßnahme geplant sein sollte, weisen wir als Bearbeitgeberseitige Direktionsrecht wäre nicht gegeben triebsrat darauf hin, dass wir weder eine Eilbedürftigkeit („Ampel 1“ stünde auf „rot“), hier kann nichts wirksam erkennen noch sonstige Umstände, welche eine soforangeordnet werden. Dennoch bleibt die Beurteilung im tige oder alsbaldige Umsetzung gebieten würden. Es Einzelfall für den Mitarbeiter schwierig. wird deshalb bestritten, dass sachliche Gründe vorliegen, welche eine sofortige oder alsbaldige Umsetzung Sofern ein entsprechendes Direktionsrecht besteht dringend erforderlich erscheinen lassen.“ („Ampel 1 steht auf „grün“), bleibt die arbeitgeberseitiDr. Magnus Bergmann/ ge Weisung dennoch solange unwirksam, bis das MitStefan Teichert* bestimmungsverfahren ordnungsgemäß durchlaufen ist. Sagt der Betriebsrat „nein“, so muss die Arbeitgeberin z.B. bei Mitbestimmungstatbeständen nach § 87 BetrVG die Einigungsstelle anrufen, um die fehlende * Dr. Magnus Bergmann ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für 2 Hierzu grundlegend: BAG v. 22.6.2010 – 1 AZR 853/08, ZBVR online 1/2011, S. 9. Arbeitsrecht und Partner der Kanzlei Bergmann|Lappe aus Münster ([email protected]), Stefan Teichert ist dort als Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Associate der Kanzlei. ZBVR online 5/2017 | Seite 15 von 31 ZBVR online Rechtsprechung zum Tarifrecht Institutioneller Rechtsmissbrauch bei Befristung im ­Schulbereich 1. Besteht ein Sachgrund für die Befristung eines Arbeitsvertrags nach § 14 Abs. 1 TzBfG, ist eine umfassende Kontrolle nach den Grundsätzen eines institutionellen Rechtsmissbrauchs (§ 242 BGB) in der Regel geboten, wenn die Gesamtdauer des befristeten Arbeitsverhältnisses acht Jahre überschreitet oder mehr als zwölf Verlängerungen des befristeten Arbeitsvertrags vereinbart wurden oder wenn die Gesamtdauer des befristeten Arbeitsverhältnisses sechs Jahre überschreitet und mehr als neun Vertragsverlängerungen vereinbart wurden. Unter diesen Voraussetzungen hängt es von weiteren, zunächst vom Kläger vorzutragenden Umständen ab, ob ein Missbrauch der Befristungsmöglichkeit anzunehmen ist. 2. Von einem indizierten Rechtsmissbrauch ist in der Regel auszugehen, wenn die Gesamtdauer des Arbeitsverhältnisses zehn Jahre überschreitet oder mehr als 15 Vertragsverlängerungen vereinbart wurden oder wenn mehr als zwölf Vertragsverlängerungen bei einer Gesamtdauer von mehr als acht Jahren vorliegen. In einem solchen Fall hat der Arbeitgeber die Möglichkeit, die Annahme des indizierten Gestaltungsmissbrauchs durch den Vortrag besonderer Umstände zu entkräften. BAG, Urteil v. 26.10.2016 – 7 AZR 135/15 – eines Kindes eingestellt wird. Der Grund für die Befristung liegt in Vertretungsfällen darin, dass der Arbeitgeber bereits zu einem vorübergehend ausfallenden Mitarbeiter in einem Rechtsverhältnis steht und mit der Rückkehr dieses Mitarbeiters rechnet. Damit besteht für die Wahrnehmung der an sich dem ausfallenden Mitarbeiter obliegenden Arbeitsaufgaben durch eine Vertretungskraft von vornherein nur ein zeitlich begrenztes Bedürfnis. Aus den Gründen b) Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts beruht die im Arbeitsvertrag vom 25. Juli 2013 vereinbarte Befristung auf der mittelbaren Vertretung der Lehrerin W, die sich während der Dauer dieses Arbeitsvertrags in Elternzeit befand. (…) Die Revision des beklagten Landes ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils, zur Abänderung des erstinstanzlichen Urteils und zur Abweisung der Klage. Die Vorinstanzen haben der Klage zu Unrecht stattgegeben. Die Klage ist unbegründet. Das Arbeitsverhältnis der Parteien hat aufgrund der im Arbeitsvertrag vom 25. Juli 2013 vereinbarten Befristung am 7. Februar 2014 geendet. I. (…) II. (…) 2. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht erkannt, dass die im Arbeitsvertrag vom 25. Juli 2013 vereinbarte Befristung durch den Sachgrund der Vertretung nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 TzBfG iVm. § 21 Abs. 1 BEEG gerechtfertigt ist. a) Ein sachlicher Grund für die Befristung eines Arbeitsvertrags liegt nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 TzBfG vor, wenn der Arbeitnehmer zur Vertretung eines anderen Arbeitnehmers beschäftigt wird. Der Sachgrund der Vertretung wird durch § 21 Abs. 1 BEEG konkretisiert. Danach besteht ein sachlicher Grund, der die Befristung eines Arbeitsverhältnisses rechtfertigt, u.a. dann, wenn ein Arbeitnehmer zur Vertretung eines anderen Arbeitnehmers für die Dauer eines Beschäftigungsverbots nach dem Mutterschutzgesetz, einer Elternzeit oder einer auf Tarifvertrag oder einzelvertraglicher Vereinbarung beruhenden Arbeitsfreistellung zur Betreuung Der Sachgrund der Vertretung setzt einen Kausalzu­ sammenhang zwischen dem zeitweiligen Ausfall des Vertretenen und der Einstellung der Vertretungskraft voraus. Es muss sichergestellt sein, dass die Vertretungskraft gerade wegen des durch den zeitweiligen Ausfall des zu vertretenden Mitarbeiters entstandenen vorübergehenden Beschäftigungsbedarfs eingestellt worden ist. (…) Wird die Tätigkeit des zeitweise ausgefallenen Mitarbeiters nicht von dem Vertreter, sondern von einem anderen Arbeitnehmer oder von mehreren anderen Arbeitnehmern ausgeübt (mittelbare Vertretung) und deren Tätigkeit dem Vertreter übertragen, hat der Arbeitgeber zur Darstellung des Kausalzusammenhangs grundsätzlich die Vertretungskette zwischen dem Vertretenen und dem Vertreter darzulegen. c) (…) Danach besteht der erforderliche ursächliche Zusammenhang zwischen dem zeitweiligen Ausfall der Lehrkraft W und der befristeten Einstellung des Klägers. 3. Das Landesarbeitsgericht hat zu Unrecht angenommen, das beklagte Land sei nach den Grundsätzen des institutionellen Rechtsmissbrauchs daran gehindert, sich auf den Sachgrund der Vertretung zu berufen. a) Die Gerichte dürfen sich bei der Befristungskontrolle nicht auf die Prüfung des geltend gemachten Sachgrunds beschränken. Sie sind vielmehr aus unionsrechtlichen Gründen verpflichtet, durch Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls auszuschließen, dass Arbeitgeber missbräuchlich auf befristete Arbeitsverträge zurückgreifen. Die Beachtung von § 5 Nr. 1 Buchst. a der EGB-UNICE-CEEP-Rahmenvereinbarung über ­befristete Arbeitsverträge im Anhang der Richtlinie 1999/70/EG des Rates vom 28. Juni 1999 verlangt, dass konkret geprüft wird, ob die Verlängerung aufeinanderfolgender befristeter Arbeitsverträge oder -verhältnisse der Deckung eines zeitweiligen Bedarfs dient und ob eine nationale Vorschrift nicht in Wirklichkeit ein- ZBVR online 5/2017 | Seite 16 von 31 ZBVR online Rechtsprechung zum Tarifrecht gesetzt wird, um einen ständigen und dauerhaften Arbeitskräftebedarf des Arbeitgebers zu decken. (…) Die dazu gebotene zusätzliche Prüfung ist im deutschen Recht nach den Grundsätzen des institutionellen Rechtsmissbrauchs (§ 242 BGB) vorzunehmen. aa) Die Bestimmung der Schwelle eines institutionellen Rechtsmissbrauchs hängt maßgeblich von der Gesamtdauer der befristeten Verträge sowie der Anzahl der Vertragsverlängerungen ab. Ist danach die Prüfung eines institutionellen Rechtsmissbrauchs veranlasst, sind weitere Umstände zu berücksichtigen. (…) bb) Der Senat hat sich in der Vergangenheit näherer quantitativer Angaben dazu enthalten, wo die zeitlichen und/oder zahlenmäßigen Grenzen für einen Missbrauch genau liegen. Er hat in den beiden grundlegenden Entscheidungen vom 18. Juli 2012 grobe Orientierungshilfen gegeben. Bereits in den Ausgangsentscheidungen ist ein dreistufiges System angelegt, das sich in der weiteren Rechtsprechung des Senats konkretisiert hat. (1) Zur Bestimmung der Schwelle einer rechtsmissbräuchlichen Gestaltung von Sachgrundbefristungen hat der Senat an die gesetzlichen Wertungen in § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG angeknüpft. Die Vorschrift macht eine Ausnahme von dem Erfordernis der Sachgrundbefristung und erleichtert damit den Abschluss von befristeten Verträgen bis zu der festgelegten Höchstdauer von zwei Jahren bei maximal dreimaliger Verlängerungsmöglichkeit. Sie kennzeichnet den nach Auf­ fassung des Gesetzgebers unter allen Umständen unproblematischen Bereich. Ist ein Sachgrund nach § 14 Abs. 1 TzBfG gegeben, lässt erst das erhebliche Überschreiten dieser Grenzwerte den Schluss auf eine missbräuchliche Gestaltung zu. Bei Vorliegen eines die Befristung an sich rechtfertigenden Sachgrunds besteht kein gesteigerter Anlass zur Missbrauchskontrolle, wenn die in § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG für die sachgrundlose Befristung bezeichneten Grenzen nicht um ein Mehrfaches überschritten sind. Davon ist auszugehen, wenn nicht mindestens das Vierfache eines der in § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG bestimmten Werte oder das Dreifache beider Werte überschritten ist. Liegt ein Sachgrund vor, kann also von der Befristung des Arbeitsverhältnisses Gebrauch gemacht werden, solange das Arbeitsverhältnis nicht die Gesamtdauer von sechs Jahren überschreitet und zudem nicht mehr als neun Vertragsverlängerungen vereinbart wurden, es sei denn, die Gesamtdauer übersteigt bereits acht Jahre oder es wurden mehr als zwölf Vertragsverlängerungen vereinbart. (2) Werden die Grenzen des § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG alternativ oder kumulativ mehrfach überschritten, ist eine umfassende Missbrauchskontrolle geboten. Hiervon ist idR auszugehen, wenn einer der Werte des § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG mehr als das Vierfache beträgt oder beide Werte das Dreifache übersteigen. (…) (3) Werden die in § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG genannten Grenzen alternativ oder kumulativ in besonders gravierendem Ausmaß überschritten, kann eine missbräuchliche Ausnutzung der an sich eröffneten Möglichkeit zur Sachgrundbefristung indiziert sein. Von einem indizierten Rechtsmissbrauch ist idR auszugehen, wenn durch die befristeten Verträge einer der Werte des § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG um mehr als das Fünffache überschritten wird oder beide Werte mehr als das jeweils Vierfache betragen. (…). b) Bei Anwendung dieser Grundsätze kann sich das beklagte Land entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts auf den Sachgrund der Vertretung berufen. aa) Ein Rechtsmissbrauch ist nicht indiziert. Die Gesamtdauer des befristeten Arbeitsverhältnisses der Parteien beläuft sich auf sechs Jahre und (knapp) vier Monate. Der Prüfung des institutionellen Rechtsmissbrauchs sind 15 Verlängerungen, also insgesamt 16 befristete Arbeitsverträge zugrunde zu legen.(…) Nicht gesondert zu berücksichtigen ist ferner der Zeitraum vom 26. Juni 2008 bis zum 31. Juli 2008, in dem lediglich die Sommerferien des Klägers vergütet wurden, ohne dass dem ein gesonderter befristeter Arbeitsvertrag zugrunde gelegen hätte. Damit ist die Schwelle von mehr als 16 befristeten Arbeitsverträgen, ab deren Vorliegen ein Rechtsmissbrauch als indiziert gilt, nicht erreicht. bb) Das Landesarbeitsgericht ist allerdings zutreffend davon ausgegangen, dass eine Rechtsmissbrauchsprüfung veranlasst ist, da die Gesamtdauer des Arbeitsverhältnisses der Parteien sechs Jahre überschreitet und 15 Vertragsverlängerungen vorliegen. Entgegen der Annahme des Landesarbeitsgerichts hat der Kläger jedoch keine hinreichenden weiteren Gesichtspunkte vorgetragen, die für einen Missbrauch sprechen. (1) Die durchgängige Beschäftigung des Klägers als Lehrer in nahezu unverändertem Stundenumfang an derselben Schule im Fach Sport begründet keinen Rechtsmissbrauch. (a) Zwar kann der Umstand, dass ein Arbeitnehmer wiederholt befristet über einen längeren Zeitraum in derselben Dienststelle mit einem im Wesentlichen gleichen zeitlichen Umfang mit denselben Aufgaben beschäftigt wurde, als Indiz für den Bedarf an einer unbefristeten Beschäftigung auf diesem Arbeitsplatz anzusehen sein. (…) (b) Die unveränderte Beschäftigung des Klägers als im Wesentlichen vollzeitbeschäftigter Sportlehrer an derselben Schule lässt hier jedoch nicht auf einen dauerhaften Beschäftigungsbedarf und damit auf einen Rechtsmissbrauch schließen. (…) (2) Das Landesarbeitsgericht hat zu Unrecht angenommen, es spreche für eine missbräuchliche Ausnutzung ZBVR online 5/2017 | Seite 17 von 31 ZBVR online Rechtsprechung zum Tarifrecht der Befristungsmöglichkeit, dass die vereinbarten Laufzeiten der befristeten Arbeitsverträge verschiedentlich auf das Ende des Schulhalbjahrs befristet worden sind, obwohl bei Vertragsschluss feststand, dass ein Vertretungsbedarf über diesen Zeitpunkt hinaus gegeben war. (a) (…) (b) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die „schlichte Anknüpfung an das Schulhalbjahr“ besage nichts über die tatsächliche Dauer des Vertretungsbedarfs und könne deshalb nicht als eine die Befristungspraxis rechtfertigende Besonderheit des Schulbetriebs anerkannt werden. Dass für die Schulleitung möglicherweise nicht absehbar gewesen sei, ob eine andere Lehrkraft zur Übernahme des vom Kläger erteilten Unterrichts zur Verfügung stehen würde, belege nur die Annahme, dass das Land kein hinreichend tragfähiges, auf die Erfordernisse des Schulbetriebs abgestelltes und die Annahme eines institutionellen Rechtsmissbrauchs ausschließendes Vertretungskonzept entwickelt habe. (c) Diese Beurteilung ist nicht frei von Rechtsfehlern. Das Landesarbeitsgericht hat damit die Besonderheit einer auf das Schulhalbjahr bezogenen Personalplanung der Lehrkräfte, auf die sich das beklagte Land berufen hat, unzutreffend gewürdigt. (aa) Zwar hat das Landesarbeitsgericht im Grundsatz zutreffend angenommen, die wiederholte Inkongruenz von Befristungsgrund und Befristungsdauer könne den Schluss darauf zulassen, dass das befristete Arbeitsverhältnis genutzt werde, um in Wahrheit einen dauerhaften Beschäftigungsbedarf abzudecken. Dieser Umstand ist bei einer Gesamtwürdigung aneinandergereihter befristeter Arbeitsverhältnisse regelmäßig von Bedeutung, selbst wenn die vereinbarte Vertragslaufzeit für sich betrachtet nicht mit dem prognostizierten Beschäftigungsbedarf für den befristet eingestellten Arbeitnehmer übereinstimmen, sondern sich daran lediglich orientieren muss. (bb) Das Landesarbeitsgericht hat jedoch nicht hinreichend gewürdigt, dass die Personalplanung im Schulbereich eine komplexe Unterrichtsplanung voraussetzt, die sich nach den Anforderungen des jeweiligen Jahrgangs und Lehrplans richtet. Das beklagte Land hat sich zu Recht auf die schultypische Besonderheit berufen, dass der Vertretungsbedarf an Schulen von verschiedenen, sich ständig verändernden tatsächlichen Umständen abhängt, die eine schulhalbjahresbezogene Personalplanung für den Unterricht durch die Bezirksregierungen und Schulen rechtfertigen. (…) Diese komplexen Planungsvorgaben rechtfertigen es, den jeweiligen Vertretungsbedarf im Schulbereich nicht nur am voraussichtlichen Ende des Vertretungsbedarfs (zB durch den Ablauf der Mutterschutzfrist, die Beendigung der Elternzeit oder das Ende eines Sonderurlaubs) zu orientieren, sondern in erster Linie am Ende eines Schulhalbjahrs auszurichten. Angesichts dieser Besonderheiten des Schulbereichs kann ein weiter gehendes Vertretungskonzept entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts nicht verlangt werden. (cc) § 5 Nr. 1 Buchst. a der Rahmenvereinbarung gebietet keine andere Beurteilung. Der EuGH hat anerkannt, dass der Schulbereich von der Notwendigkeit besonderer Flexibilität zeugt, die den Rückgriff auf aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverträge objektiv rechtfertigen kann, um dem Bedarf der Schulen angemessen gerecht zu werden und um zu verhindern, dass der Staat als Arbeitgeber dem Risiko ausgesetzt wird, erheblich mehr feste Lehrkräfte anzustellen als zur Erfüllung seiner Verpflichtungen auf diesem Gebiet tatsächlich notwendig sind. Dabei zwingt das Recht auf Bildung als ein durch die Verfassung des Mitgliedstaats garantiertes Grundrecht den Staat, den Schuldienst so einzurichten, dass zwischen der Zahl der Lehrkräfte und der Zahl der Schüler ein stets angemessenes Verhältnis besteht. Dieses Verhältnis hängt von einer Vielzahl von Faktoren ab, von denen einige in gewissem Umfang schwer zu kontrollieren oder vorherzusehen sind. Damit ist zwar eine Rechtsmissbrauchsprüfung im Schulbereich nicht entbehrlich. Jedoch stellt die schulhalbjahresbezogene Personalplanung eine nachvollziehbare branchentypische Besonderheit des Schulbetriebs dar, die es rechtfertigt, dass befristete Arbeitsverträge mit Vertretungslehrkräften trotz eines darüber hinaus bestehenden konkreten Vertretungsbedarfs einer einzelnen Stammkraft schulhalbjahresbezogen abgeschlossen werden. (…) Download Vollversion Anmerkung 1. Die Entscheidung Laut einer aktuellen Studie der Wirtschaftsprüfungsund Beratungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers ist der öffentliche Dienst vom Fachkräftemangel mehr als andere Branchen betroffen. Im Jahr 2030 werden insgesamt 816.000 Stellen unbesetzt sein, davon 194.000 Stellen für Lehrkräfte. Schon seit einigen Jahren existiert ein Fachkräftemangel und eine zu knapp bemessene Personalplanung im Schulbereich, wie die vorliegende Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts belegt. Das Urteil erläutert und bestimmt anschaulich die Schwelle, ab wann ein institutioneller Rechtsmissbrauch nach § 242 BGB bei Befristungen vorliegt. Nach § 5 Nr. 1 Buchst. a der EGB-UNICE-CEEP-Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge im Anhang der Richtlinie 1999/70/EG muss bei der Verlängerung von befristeten Arbeitsverträgen im Einzelfall zum einen geprüft werden, ob die Befristung kausal zur Deckung eines vorübergehenden Bedarfs erfolgt und zum anderen, ob das nationale Recht dazu missbraucht wird, um ständigen und dauerhaften Personalbedarf des Arbeitgebers zu decken. ZBVR online 5/2017 | Seite 18 von 31 ZBVR online Rechtsprechung zum Tarifrecht Für die Bestimmung der Schwelle zum institutionellen Rechtsmissbrauch dient der vom Gesetzgeber als unproblematisch bestimmte Bereich aus § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG als Basiswert, wonach sachgrundlose Befristun- bewegt, nicht zu überzeugen. Das Bundesarbeitsgericht kommt in seiner Rechtsmissbrauchsprüfung zu einem anderen Ergebnis als die Vorinstanz, da es im Wesentlichen auf die Schwierigkeit der Personalplanung im Schulbereich abstellt. Aufgrund veränderlicher AnfordeKonsequenzen für die Praxis rungen des Jahrgangs und Lehrplans sei eine komplexe 1. Nach Auffassung des BAG lässt die aufgrund veränderlicher AnfordeUnterrichtsplanung erforderrungen des Jahrgangs und Lehrplans erforderliche komplexe Unterrichtslich, die eine Planung über das planung eine Planung über das Schul(halb)jahr hinaus nicht zu. Schuljahr bzw. über das Schul2. Erfahrungsgemäß fallen jedoch regelmäßig einzelne oder mehrere halbjahr hinaus nicht zulasse. Beschäftigte zeitweilig oder längerfristig aus. Dies hat das Land zur Erfüllung seines Bildungsauftrags in seiner Personalplanung für die Schulen zu berücksichtigen. 3. Personalvertretungen sollten darauf hinwirken, dass im Rahmen der Personalplanung im Verhältnis von vorhandenem fest angestelltem Personal und Bedarf ein tendenzieller Personalüberhang geschaffen wird. gen für eine Höchstdauer von zwei Jahren und maximal dreimaliger Verlängerung vorgenommen werden dürfen. Ein institutioneller Rechtsmissbrauch liegt vor, wenn einer der beiden Werte (zwei Jahre, drei Verlängerungen) um das mindestens Vierfache überschritten wurde, oder beide Werte um mehr als das Dreifache überschritten wurden. Ein indizierter Rechtsmissbrauch liegt vor, wenn einer der genannten Werte um mehr als das Fünffache überschritten wurde oder beide Werte mehr als das Vierfache betragen. Das Bundesarbeitsgericht wertet in seiner Prüfung jedoch nur 15 Arbeitsverträge, die an das erste befristete Arbeitsverhältnis anschließen, und nicht diejenigen Arbeitsverträge, die zur Aufstockung der Stunden oder zur Vergütung der Sommerferien abgeschlossen wurden. Ist diese quantitative Prüfung positiv, müssen in einer Gesamtschau anschließend weitere Umstände des Arbeitsverhältnisses herangezogen und bewertet werden: -Handelt es sich fortgesetzt um denselben Arbeitsplatz mit denselben Aufgaben? -Bestünde die Möglichkeit einer dauerhaften Einstellung eines langjährig befristeten Beschäftigten? -Ist die Laufzeit der Arbeitsverträge mehrfach nicht deckungsgleich mit dem Vertretungsbedarf? - Ist kein berechtigtes Interesse des Arbeitgebers für die wiederholten Befristungen erkennbar? -Bestehen branchenspezifische Gründe für die fortgesetzten Befristungen? 2. Stellungnahme Das Urteil vermag in seiner Begründung, dass sich eine derart ausufernde Befristungspraxis im Rahmen der rechtlich zulässigen Anwendung des § 14 Abs. 1 TzBfG Die Vorinstanz hat dagegen zu Recht erkannt, dass es dem Land an einem hinreichend tragfähigen Vertretungskonzept fehle. Für die Beurteilung dieser wertenden Betrachtung ist maßgeblich, welche Anforderungen man an den Staat zur Erfüllung des Rechts auf Bildung des Einzelnen stellt. Es erscheint erforderlich, dass das Land im Verhältnis von vorhandenem fest angestelltem Personal und Bedarf einen tendenziellen Personalüberhang schaffen muss, da erfahrungsgemäß immer einzelne oder mehrere Beschäftigte zeitweilig oder längerfristig ausfallen. Elternzeitansprüche, Mutterschutzzeiten, Krankheitstage, Reduzierung auf Teilzeitarbeit etc. sind Parameter, die statistisch erfasst und entsprechend gewürdigt werden können und müssen. Eine tragfähige Personalplanung berücksichtigt diese Faktoren. Die fortgesetzte Beschäftigung des Klägers über mehr als sechs Jahre ist ein Indiz dafür, dass ein objektiver Bedarf im vorliegenden Fall vorhanden ist. Zwar ist es zutreffend, dass Schulen eine gewisse Flexibilität bei der Personalbedarfsplanung benötigen. Fraglich ist jedoch, ob dieses Bedürfnis nach personeller Flexibilität es legitimiert, dass eine konstante Unterbesetzung – wenn auch in geringem Ausmaß – existiert. Schließlich können die unbestritten vorhandenen Schwankungen im Personalbedarf mithilfe von Erfahrungswerten auf ein Mindestmaß minimiert werden. Wie eingangs schon bemerkt, ist es die alleinige Aufgabe des Staates und nicht der Gerichte, ausreichende finanzielle und personelle Voraussetzungen für ein funktionierendes Schulwesen zu schaffen. Mit der mittlerweile gängigen Praxis aus befristeten Kettenarbeitsverträgen und der daraus für Beschäftigten resultierenden permanenten Aussicht auf Arbeitslosigkeit wird das fehlende mittelfristige Personalkonzept der Länder offenkundig; auf Beschäftigtenschutz durch die Arbeitsgerichte können sich befristet angestellte Lehrer nicht verlassen. Soo Maximilian Hahn Tarifreferent, dbb beamtenbund und tarifunion ZBVR online 5/2017 | Seite 19 von 31 ZBVR online Rechtsprechung zum Tarifrecht Equal pay für Leiharbeitnehmer/Maßstab für die ­Fest­legung des Vergleichsentgelts Maßgeblich für das Vergleichsentgelt nach § 10 Abs. 4 AÜG ist die Tätigkeit, die der Entleiher dem Leiharbeitnehmer ausdrücklich oder konkludent durch Billigung oder Duldung zugewiesen hat. BAG, Urteil v. 23.11.2016 – 5 AZR 53/16 – Zum Sachverhalt Die Parteien streiten über Differenzvergütung unter dem Gesichtspunkt des equal pay. Die 1983 geborene Klägerin war vom 3. November 2008 bis zum 30. Juni 2010 bei der Beklagten, die gewerblich Arbeitnehmerüberlassung betreibt, als Leiharbeitnehmerin beschäftigt und während des gesamten Zeitraums der S AG (Entleiherin und Streitverkündete) überlassen. Die Klägerin erhielt bei einer arbeitsvertraglich vereinbarten regelmäßigen Arbeitszeit von mindestens 35 Wochenstunden einen Bruttostundenlohn von zunächst 14,00 Euro, ab 2. März 2009 einen solchen von 15,00 Euro. Dem Arbeitsverhältnis lag ein Formulararbeitsvertrag vom 22. Oktober 2008 zugrunde, in dem es ua. heißt: „§ 2 Anwendung eines Tarifvertrages 1. Die Rechte und Pflichten der Arbeitsvertragsparteien ergeben sich aus dem Arbeitgeberverband Mittelständischer Personaldienstleister e.V. (AMP) bestehenden Mantel-, Entgeltrahmen-, Entgelt- und Beschäftigungssicherungstarifverträgen sowie etwaigen ergänzenden oder ersetzenden Tarifverträgen in der jeweils aktuell gültigen Fassung an. Dies gilt auch, wenn der Mitarbeiter nicht Mitglied einer der vorgenannten Gewerkschaften ist. § 3 Art der Tätigkeit Frau K wird als: Administrator/in eingestellt.“ Im Anschluss an das Leiharbeitsverhältnis stand die Klägerin vom 1. Juli 2010 bis zum 30. Juni 2012 in einem Arbeitsverhältnis zur Entleiherin, in dem sie als „B-toB-Consultant“ beschäftigt wurde. Bei einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden erhielt sie neben einem Bruttomonatsgehalt von 2.700,00 Euro, einer monatlichen freiwilligen Leistungszulage von 200,00 Euro brutto und einem Weihnachtsgeld von 1.350,00 Euro brutto eine leistungsabhängige variable Vergütung (Bonus) nach einer bei der Entleiherin für Consultants geltenden Bonusregelung. Nach vorangegangenem, am 31. Dezember 2012 anhängig gemachten Mahnverfahren hat die Klägerin mit ihrer Klage für den Zeitraum 1. Dezember 2008 bis 30. Juni 2010 unter Berufung auf § 10 Abs. 4 AÜG Differenzvergütung verlangt, die sie erstinstanzlich auf der Grundlage der im Arbeitsverhältnis mit der Entleiherin bezogenen Vergütung berechnet hat. Nach einem mit der Entleiherin geführten Prozess auf Auskunft nach § 13 AÜG hat sie im Laufe des Berufungsverfahrens als Vergleichsentgelt dasjenige herangezogen, das der bei der Entleiherin in der Funktion eines „Junior Consultant“ beschäftigte Arbeitnehmer S im Streitzeitraum erhalten haben soll. Die Klägerin hat zuletzt sinngemäß beantragt, 1. die Beklagte zu verurteilen, an sie 16.922,64 Euro brutto nebst Zinsen hieraus iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Klageerhebung zu zahlen; 2. hilfsweise festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, an die Klägerin den Lohndifferenzbetrag zwischen der von der Beklagten an die Klägerin im Zeitraum 1. Dezember 2008 bis 30. Juni 2010 geleisteten Vergütung iHv. 50.805,76 Euro brutto und der von der S AG gezahlten Vergütung an einen im Zeitraum 1. Dezember 2008 bis 30. Juni 2010 bei ihr beschäftigten „Junior Consultant“ mit der Qualifikation „Dipl.-Wirtschaftsinformatiker/in (BA)“, dem die Aufgaben bzw. Teile von Aufgaben eines Consultant oblagen, die da wären: - eigenverantwortliche Installation und Schulung der Softwareprogramme der S AG per Remote oder beim Kunden vor Ort, - Betreuung und Beratung der Kunden bei technischen Problemen sowie bei EDI-/EAI-bezogenen Fragestellungen, - Erstellung von Converter-Mappings sowohl als S Standardprodukt als auch kundenspezifisch, - Erstellung von Produktdefinitionen und Produkteinführung, zu zahlen. Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und geltend gemacht, die Klägerin sei als Administratorin eingestellt worden und bei der Entleiherin nicht, zumindest nicht von Beginn an, als „Junior Consultant“ eingesetzt gewesen. Ihre Tätigkeit sei mit der des Stammarbeitnehmers S nicht vergleichbar. Zudem dürfe es nicht zu ihren Lasten gehen, sollte die Entleiherin die Klägerin höherwertig eingesetzt haben als im Überlassungsvertrag vorgesehen. Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter, während die Beklagte die Zurückweisung der Revision beantragt. (…) ZBVR online 5/2017 | Seite 20 von 31 ZBVR online Rechtsprechung zum Tarifrecht Aus den Gründen Die Revision der Klägerin ist unbegründet, soweit sie sich gegen die Abweisung der Klage auf Urlaubsabgeltung für die Jahre 2008 und 2009 wendet. Im Übrigen ist die Revision der Klägerin begründet und führt insoweit zur Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht (§ 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). I. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage auf Abgeltung weiteren Urlaubs für die Jahre 2008 und 2009 tragend deshalb abgewiesen, weil Urlaub aus diesen Jahren jedenfalls verfallen sei. Das ist frei von Rechtsfehlern. Entleiherin vergleichbaren Stammarbeitnehmern gewährte. Eine nach § 9 Nr. 2 AÜG zur Abweichung vom Gebot der Gleichbehandlung berechtigende Vereinbarung haben die Parteien nicht getroffen. § 2 Arbeitsvertrag verweist – unabhängig davon, ob die sprachlich missglückte Klausel überhaupt dem Transparenzerfordernis des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB genügte – auf wegen der fehlenden Tariffähigkeit der CGZP unwirksame Tarifverträge. Das steht zwischen den Parteien auch außer Streit. 2. Der Anspruch des Leiharbeitnehmers auf gleiches Arbeitsentgelt ist ein die vertragliche Vergütungsabrede korrigierender gesetzlicher Entgeltanspruch, dessen Höhe sich aus einem Gesamtvergleich der Entgelte im 1. Urlaub ist ein in Art. 3 Abs. 1 Buchst. f, i der Richtlinie Überlassungszeitraum ermittelt. Dabei richtet sich das 2008/104/EG des Europäischen Parlaments und des Ra- maßgebliche Vergleichsentgelt entgegen der Auffastes vom 19. November 2008 über Leiharbeit (im Folgen- sung des Landesarbeitsgerichts nicht nach den zwischen den RL) genannter Regelungsgegenstand und damit dem Verleiher und dem Leiharbeitnehmer vereinbarten Vertragsbedingungen, sondern nach den beim Entleiher geltenden wesentlichen Der Leiharbeitnehmer hat für die Dauer der Arbeitsbedingungen. Art. 5 Abs. 1 RL gebietet, das Vergleichsentgelt stets tätigÜberlassung Anspruch auf Urlaub in Höhe des (anteiligen) keitsbezogen zu bestimmen: Es ist das Jahresurlaubs der vergleichbaren Stammarbeitnehmer. Arbeitsentgelt zugrunde zu legen, das ein vergleichbarer Stammarbeitnehmer ereine wesentliche, dem Gebot der Gleichbehandlung halten hat oder – gibt es einen solchen nicht – der Leihunterliegende Arbeitsbedingung iSv. § 10 Abs. 4 AÜG. arbeitnehmer erhalten hätte, wenn er für die gleiche Für die Dauer der Überlassung steht dem Leiharbeit- Tätigkeit beim Entleiher eingestellt worden wäre. nehmer ein Urlaubsanspruch in Höhe des (anteiligen) Jahresurlaubs zu, den der Entleiher vergleichbaren Dem steht die Erwägung des Landesarbeitsgerichts, es Stammarbeitnehmern gewährt. dürfe nicht zu Lasten des Verleihers gehen, wenn der Entleiher den Leiharbeitnehmer anders als im Überlas2. Dieser (weitere) Urlaub unterliegt aber – wie bei den sungsvertrag vereinbart einsetzt, nicht entgegen. VerStammarbeitnehmern – den gesetzlichen Regeln und letzt der Entleiher den Überlassungsvertrag schuldhaft, etwaigen im Entleiherbetrieb geltenden ergänzenden indem er dem Leiharbeitnehmer eine höherwertige TäBestimmungen. Mithin ist er nach § 7 Abs. 3 Satz 1 BUrlG tigkeit zuweist, kann der Verleiher Ersatz des ihm dabefristet und verfällt am Jahresende, wenn der Arbeit- durch entstehenden Schadens verlangen, § 280 Abs. 1 nehmer nicht aus gesundheitlichen Gründen an seiner Satz 1 iVm. § 241 Abs. 2 BGB. Arbeitsleistung gehindert war und auch ein Übertragungsgrund nach § 7 Abs. 3 Satz 2 BUrlG nicht vorlag. 3. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts erweist sich nicht aus anderen Gründen als richtig. (…) Dass die Klägerin gehindert gewesen wäre, von der Beklagten unter Berufung auf § 10 Abs. 4 AÜG in den Jah- III. In welchem Umfang die Klage – mit Ausnahme der ren 2008 und 2009 mehr Urlaub zu verlangen als ar- auf Abgeltung weiteren Urlaubs für die Jahre 2008 und beitsvertraglich vereinbart war, lässt ihr Sachvortrag 2009 – begründet ist, kann der Senat aufgrund der bisnicht erkennen. Machte sie den nach § 10 Abs. 4 AÜG herigen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht entstandenen weiteren Urlaub nicht vor dessen Verfall entscheiden. geltend, steht dem weder § 9 Nr. 2 AÜG noch Unionsrecht entgegen. 1. Zur Ermittlung der Höhe des Anspruchs aus § 10 Abs. 4 AÜG ist ein Gesamtvergleich der Entgelte im ÜberlasII. Im Übrigen hat die Revision der Klägerin Erfolg. Mit sungszeitraum anzustellen. Dabei sind das im Betrieb der Begründung des Landesarbeitsgerichts kann ein der Entleiherin einem Stammarbeitnehmer gewährte Anspruch auf gleiches Arbeitsentgelt nach § 10 Abs. 4 Vergleichsentgelt und das dem Leiharbeitnehmer vom AÜG nicht verneint werden. Verleiher gezahlte Entgelt miteinander zu saldieren. Darlegungs- und beweispflichtig für die Höhe des An1. Die Beklagte war nach § 10 Abs. 4 AÜG verpflichtet, spruchs ist der Arbeitnehmer. Das maßgebliche Verder Klägerin für die streitgegenständliche Zeit der Über- gleichsentgelt kann der Senat aufgrund des bisherigen lassung das gleiche Arbeitsentgelt zu zahlen, wie es die Vorbringens der Parteien nicht bestimmen. ZBVR online 5/2017 | Seite 21 von 31 ZBVR online Rechtsprechung zum Tarifrecht a) Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, die Klägerin sei im Leiharbeitsverhältnis von der Entleiherin als „Junior Consultant“ eingesetzt gewesen, ist unbehelflich. Denn das Vergleichsentgelt ist tätigkeitsbezogen zu bestimmen und richtet sich nicht nach Funktionsbezeichnungen. Soweit die Klägerin sich im Berufungsverfahren zuletzt auf den Stammarbeitnehmer S berufen hat, räumt sie selbst ein, dass sie „teilweise andere Tätigkeiten durchgeführt hat“. Andererseits hat die Entleiherin in ihren Auskünften nach § 13 AÜG deutlich gemacht, dass sie die – anscheinend für die vorgesehene Tätigkeit überqualifizierte – Klägerin nicht daran gehindert hat, überobligatorisch auch „die Behebung der Fehler in Angriff zu nehmen“. Dies spricht dafür, dass die Klägerin jedenfalls im Laufe der Überlassung eine höherwertige Tätigkeit als die im Arbeitsvertrag vereinbarte verrichtet hat. Diese ist für die tätigkeitsbezogene Bestimmung des Vergleichsent- hältnis vergütet hätte. Unterlässt sie dies, können Schadensersatzansprüche der Leiharbeitnehmerin entstehen. 2. Zudem wird im erneuten Berufungsverfahren Folgendes zu beachten sein: a) Zur substantiierten Darlegung des Gesamtvergleichs gehört die schriftsätzliche Erläuterung, in welchem Umfang im Überlassungszeitraum Differenzvergütung etwa für geleistete Arbeit, aufgrund krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit, gewährten Urlaubs, Freizeitausgleichs oder Abgeltung von Stunden aus einem Arbeitszeitkonto oder eines sonstigen Tatbestands, der eine Vergütungspflicht ohne Arbeit regelt, begehrt wird. Daran mangelt es bislang. b) Haben die Stammarbeitnehmer ein Monatsgehalt bezogen, richtet sich der Anspruch aus § 10 Abs. 4 AÜG auf ein Monatsgehalt und verbietet sich dessen „Herunterrechnen“ auf einen fiktiven Stundenlohn. Ausgangspunkt für die BerechZur Ermittlung des Vergleichsentgelts nung der Differenzvergütung ist vielmehr das – gegebenenfalls anteilige – Monatsist ein Gesamtvergleich der Entgelte im Überlassungszeitgehalt, das die Klägerin im Überlassungsraum anzustellen. zeitraum erhalten hätte, wenn sie unmittelbar bei der Entleiherin beschäftigt gegelts ab dem Zeitpunkt maßgeblich, ab dem die Entlei- wesen wäre. Hätte bei einer unmittelbaren Beschäftiherin sie veranlasst, also aufgrund des ihr überlassenen gung die Entleiherin der Klägerin auch einen Bonus verWeisungsrechts zugewiesen hat, sei es ausdrücklich, sprochen, ist dieser in die Vergleichsberechnung einzusei es konkludent durch Billigung oder Duldung. beziehen, sofern die Klägerin darlegen und im Streitfall beweisen kann, dass sie durch die ausgeübte Tätigkeit b) Das Landesarbeitsgericht hat auf eine Ergänzung des die Voraussetzungen für einen Bonus in bestimmter Sachvortrags nicht hingewirkt (§ 139 Abs. 1 Satz 2 ZPO). Höhe erfüllte. Es ist deshalb geboten (Art. 103 Abs. 1 GG), der Klägerin in einem erneuten Berufungsverfahren Gelegenheit zu c) Ob, wie die Beklagte meint, beim Gesamtvergleich ergänzendem Sachvortrag und ggf. Beweisantritt zu ge- gewährte Verpflegungskostenzuschüsse zu berücksichben. Sollte es zutreffen, dass – wie die Beklagte behaup- tigen sind, bemisst sich danach, ob damit – wenn auch tet und die Streitverkündete geltend gemacht hat – die in pauschalierter Form – ein der Klägerin tatsächlich Entleiherin im Streitzeitraum bezogen auf die ausgeübte Tätigkeit keine vergleichbaDas Stammarbeitnehmern vom Entleiher ren Stammarbeitnehmer beschäftigte, muss die Klägerin darlegen, welches Argewährte Vergleichsentgelt und das dem Leiharbeitnehmer beitsentgelt sie erhalten hätte, wenn sie vom Verleiher gezahlte Entgelt sind zu saldieren. für die im Leiharbeitsverhältnis ausgeübte Tätigkeit bei der Entleiherin eingestellt worden wäre. Dazu kann sie von der Entleiherin entspre- entstandener Aufwand erstattet werden sollte (echter chende Angaben verlangen, denn die Auskunft nach § 13 Aufwendungsersatz) oder die Leistung sich als „verAÜG ist das gesetzlich vorgesehene Mittel, das dem Leih- schleiertes“ und damit steuerpflichtiges Entgelt dararbeitnehmer ermöglichen soll, die Einhaltung des Ge- stellt. bots der Gleichbehandlung zu überprüfen und die Höhe des Anspruchs aus § 10 Abs. 4 AÜG zu berechnen. In ei- d) Soweit die Klägerin die Abgeltung anteiligen Urlaubs nem solchen Falle kann sich – wie bislang – die Entlei- für das erste Halbjahr 2010 verlangt, richtet sich dessen herin nicht darauf zurückziehen, sie hätte die Klägerin Berechnung nach § 7 Abs. 4, § 11 BUrlG. Maßgeblich ist nicht für die im Laufe der Überlassung ausgeübte höher- das Entgelt, das die Klägerin in den letzten 13 Wochen wertige Tätigkeit eingestellt. Vielmehr muss die Entlei- vor der Beendigung des Leiharbeitsverhältnisses erzielte. herin anhand der von ihr ausdrücklich oder konkludent durch Billigung bzw. Duldung zugewiesenen Tätigkeit Download Vollversion fiktiv beurteilen, wie sie diese Tätigkeit im Arbeitsver- ZBVR online 5/2017 | Seite 22 von 31 ZBVR online Rechtsprechung zum Tarifrecht Regelungsbefugnis der Tarifvertragsparteien bezüglich Übertragung tariflichen Mehrurlaubs Tarifvertragsparteien können Urlaubs- und Urlaubsabgeltungsansprüche, die den von Art. 7 Abs. 1 der Arbeitszeitrichtlinie gewährleisteten und von §§ 1, 3 Abs. 1 BUrlG begründeten Anspruch auf Mindestjahresurlaub von vier Wochen übersteigen, frei regeln. Diese Befugnis beinhaltet auch die Möglichkeit zur Befristung des tariflichen Mehrurlaubs. BAG, Urteil v. 14.2.2017 – 9 AZR 207/16 – Zum Sachverhalt Die Parteien streiten über einen Ersatzurlaubsanspruch des Klägers. Der Kläger ist seit dem 3. November 1975 bei der Beklagten als Betriebsschlosser beschäftigt. Im Arbeitsvertrag vom 31. Oktober 1975 vereinbarten die Parteien die Anwendung des Manteltarifvertrags für die gewerblichen Arbeitnehmer in der Papier, Pappe und Kunststoffe verarbeitenden Industrie in der jeweils gültigen Fassung (MTV). § 15 MTV lautet auszugsweise wie folgt: „§ 15 Urlaub, Urlaubsgeld I. Allgemeine Urlaubsbestimmungen 1. Der Arbeitnehmer hat in jedem Urlaubsjahr Anspruch auf bezahlten Urlaub. Das Urlaubsjahr ist das Kalenderjahr. … … 7. Der Urlaub muss im laufenden Urlaubsjahr gewährt und genommen werden. Eine Übertragung des Urlaubs auf das nächste Urlaubsjahr ist nur ausnahmsweise statthaft. Urlaubsansprüche erlöschen, wenn sie nicht bis zum 31. März des folgenden Jahres geltend gemacht sind. II. Urlaubsdauer 1. Der tarifliche Jahresurlaub aller Arbeitnehmer einschließlich der Jugendlichen beträgt 30 Urlaubstage. …“ Im Jahr 2014 gewährte die Beklagte dem Kläger insgesamt 19 Urlaubstage. Der Kläger war ab dem 13. Oktober 2014 durchgehend bis einschließlich 7. April 2015 arbeitsunfähig krank. Mit seiner am 17. April 2015 beim Arbeitsgericht eingegangenen und der Beklagten am 22. April 2015 zugestellten Klage hat er zuletzt geltend gemacht, dass ihm noch elf Urlaubstage aus dem Jahr 2014 zustehen. Mit Teilvergleich vom 24. September 2015 vereinbarten die Parteien vor dem Arbeitsgericht, dass dem Kläger noch ein Tag gesetzlichen Urlaubs aus dem Jahr 2014 zusteht. Der Kläger hat die Auffassung vertreten, der noch offene tarifliche Mehrurlaubsanspruch von zehn Tagen aus dem Jahr 2014 sei nicht mit Ablauf des 31. März 2015 verfallen. Der MTV enthalte bezüglich des Fristenregimes keine von den gesetzlichen Regelungen des BUrlG abweichenden Bestimmungen. Der Kläger hat zuletzt beantragt festzustellen, dass ihm aus dem Jahr 2014 noch ein Resturlaubsanspruch von zehn Arbeitstagen zusteht. Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, der MTV enthalte ein eigenes, vom BUrlG abweichendes Fristenregime. Die tariflichen Mehrurlaubstage des Klägers seien daher mit Ablauf des 31. März 2015 verfallen. Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage auf die Berufung der Beklagten abgewiesen. Mit seiner Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung. Aus den Gründen A. Die Revision des Klägers ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung, dass ihm aus dem Jahr 2014 weitere zehn Urlaubstage zustehen. I. (…) II. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Ersatzurlaub von zehn Tagen gemäß § 275 Abs. 1 und Abs. 4, § 280 Abs. 1 und Abs. 3, § 283 Satz 1, § 286 Abs. 1, § 287 Satz 2, § 249 Abs. 1 BGB. Der noch im Streit stehende tarifliche Mehrurlaub aus dem Jahr 2014 war verfallen, bevor Verzug hätte eintreten können. 1. Zu Beginn seiner krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit am 13. Oktober 2014 standen dem Kläger nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts gegenüber der Beklagten noch elf Urlaubstage zu. Nach dem gerichtlichen Teilvergleich vom 24. September 2015 wurde ein Tag gesetzlichen Urlaubs bis längstens 31. März 2016 übertragen. Die Parteien streiten damit nur noch darüber, ob dem Kläger weitere zehn Tage tariflicher Mehrurlaub aus dem Jahr 2014 zustehen. 2. Entgegen der Auffassung des Klägers ist der tarifliche Mehrurlaub gemäß § 15 Abschn. I Ziff. 7 des kraft einzelvertraglicher Bezugnahme anwendbaren MTV mit Ablauf des 31. März 2015 verfallen. ZBVR online 5/2017 | Seite 23 von 31 ZBVR online Rechtsprechung zum Tarifrecht a) Der aus dem Jahr 2014 stammende Urlaub hätte – soweit es den gesetzlichen Mindesturlaub betrifft – unbeschadet des Umstands, dass der gesetzliche Übertragungszeitraum grundsätzlich am 31. März 2015 endete (§ 7 Abs. 3 Satz 3 BUrlG), fortbestanden. Aufgrund der Vorgaben des Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (Arbeitszeitrichtlinie, ABl. EU L 299 vom 18. November 2003 S. 9) ist § 7 Abs. 3 BUrlG unionsrechtskonform dahingehend auszulegen, dass der gesetzliche Mindesturlaub nicht vor Ablauf von 15 Monaten nach dem Ende des Urlaubsjahres erlischt, wenn der Arbeitnehmer bis zum Ende des Urlaubsjahres und/oder des Übertragungszeitraums krank und deshalb arbeitsunfähig ist. Da die Arbeitsunfähigkeit des Klägers vom 13. Oktober spruchs auf tariflichen Mehrurlaub auszugehen. Ein Gleichlauf ist nicht gewollt, wenn die Tarifvertragsparteien entweder bei der Befristung und Übertragung bzw. beim Verfall des Urlaubs zwischen gesetzlichem Mindesturlaub und tariflichem Mehrurlaub unterschieden oder sich vom gesetzlichen Fristenregime gelöst und eigenständige, vom BUrlG abweichende Regelungen zur Befristung und Übertragung bzw. zum Verfall des Urlaubsanspruchs getroffen haben. cc) Die Tarifvertragsparteien des MTV haben den tariflichen Mehrurlaub einem eigenständigen, vom BUrlG abweichenden Fristenregime unterstellt. Nach dem Wortlaut von § 15 Abschn. I Ziff. 7 MTV muss der Urlaub im laufenden Urlaubsjahr gewährt und genommen werden (Satz 1) und erlischt, wenn er nicht bis zum 31. März des folgenDie Tarifvertragsparteien können Urlaubsden Jahres geltend gemacht worden ist (Satz 3). Daraus wird der Wille der Tarifund Urlaubsabgeltungsansprüche oberhalb des vierwöchigen vertragsparteien deutlich, der ArbeitnehMindestjahresurlaubs frei regeln. mer könne seinen Urlaub ohne besondere Gründe vom 1. Januar eines Kalenderjah2014 bis zum 7. April 2015 und somit über den 31. März res bis zum 31. März des Folgejahres geltend machen. 2015 andauerte, wäre der gesetzliche Mindesturlaub Nach § 15 Abschn. I Ziff. 7 Satz 2 MTV ist eine Übertraaus dem Jahr 2014 nicht mit Ablauf des 31. März 2015 gung „auf“ das Folgejahr zwar nur ausnahmsweise statuntergegangen. thaft. Der MTV enthält aber keine Kriterien, wann ein solcher Ausnahmefall vorliegen soll. Es handelt sich b) Diese Grundsätze gelten nicht für den hier streitge- daher lediglich um eine rechtsfolgenlose Aufforderung genständlichen tariflichen Mehrurlaub. Die Tarifver- an die Tarifunterworfenen, den Urlaub im Regelfall im tragsparteien haben ein vom BUrlG abweichendes, ei- Bezugszeitraum zu nehmen und zu gewähren. Damit genständiges Fristenregime vereinbart. weicht der MTV vom Fristenregime des § 7 Abs. 3 Satz 1 bis Satz 3 BUrlG ab. Danach geht der nicht genommene Dem Untergang des Resturlaubs aus dem Jahr 2014 am Urlaub grundsätzlich am 31. Dezember des Kalender31. März 2015 steht deshalb die bis zum 7. April 2015 jahres unter und wird nur bei Vorliegen der gesetzlichen andauernde krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit des Übertragungsgründe bis zum 31. März des Folgejahres Klägers nicht entgegen. übertragen. Die tarifliche Regelung unterscheidet sich vom BUrlG insoweit, als der Urlaubsanspruch auch ohne aa) Tarifvertragsparteien können Urlaubs- und Ur- das Vorliegen von Übertragungsvoraussetzungen zulaubsabgeltungsansprüche, die den von Art. 7 Abs. 1 der mindest bis zum 31. März des Folgejahres besteht und Arbeitszeitrichtlinie gewährleisteten und von §§ 1, 3 bis zu diesem Zeitpunkt geltend gemacht werden kann. Abs. 1 BUrlG begründeten Anspruch auf Mindestjahresurlaub von vier Wochen übersteigen, frei regeln. c) Der Kläger machte den streitgegenständlichen Resturlaubsanspruch aus dem Jahr 2014 erst im April 2015 gelbb) Für einen Regelungswillen der Tarifvertragsparteien, tend. Zu diesem Zeitpunkt war der Urlaub gemäß § 15 den tariflichen Mehrurlaub einem eigenen, von dem Abschn. I Ziff. 7 Satz 3 MTV bereits verfallen. Ein Ersatz­ des gesetzlichen Mindesturlaubs abweichenden Fris- urlaubsanspruch aus Verzug konnte nicht entstehen. tenregime zu unterstellen, müssen deutliche Anhalts- (…) punkte vorliegen. Fehlen solche, ist von einem Gleichlauf des gesetzlichen Urlaubsanspruchs und des AnDownload Vollversion ZBVR online 5/2017 | Seite 24 von 31 ZBVR online Rechtsprechung in Leitsätzen Rechtsprechung in Leitsätzen Beteiligungsrechte des Betriebsrats Mitbestimmung bei Schulungsmaßnahmen für Arbeitnehmer einer slowakischen Tochtergesellschaft Arbeitnehmer einer slowakischen Tochtergesellschaft werden bei Durchführung von Schulungsmaßnahmen auf dem Betriebsgelände der deutschen Muttergesellschaft jedenfalls dann nicht zu Arbeitnehmern im Sinne der §§ 5, 1 BetrVG der Muttergesellschaft, wenn die Schulung außerhalb des normalen Produktionsablaufes an einer extra nur zu Schulungszwecken aufgebauten, der slowakischen Tochtergesellschaft gehörenden Fertigungsanlage durchgeführt wird. An dem fehlenden Arbeitnehmerstatus im betriebsverfassungsrechtlichen Sinne orientiert sich dann auch die negative Beantwortung der vom Betriebsrat aufgeworfenen Fragen nach dem Bestehen von Mitbestimmungsrechten nach den §§ 87, 98 und 99 ff BetrVG. Eine Einbindung in den Produktionsablauf hat hier konkret nicht stattgefunden, so dass auch nicht von der Ausübung eines dem Regelfall im Arbeitsverhältnis bestehenden arbeitgeberseitigen Weisungsrecht gem. § 106 GewO auszugehen war. LAG Saarland, Beschluss v. 7.12.2016 – 2 TaBV 6/15 – Entgeltrecht Vergütung von Umkleidezeiten Vergütet der Arbeitgeber Arbeitnehmern, die sich während einer Schicht umkleiden, nicht aber Arbeitnehmern, die sich vor Antritt oder nach Beendigung der Schicht umkleiden, die Umkleidezeiten, kann dies gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz verstoßen, wenn der Arbeitgeber hierfür trotz vergleichbarer Lage der Arbeitnehmer keine hinreichenden Differenzierungsgründe anführen kann. (Leitsatz der Schriftleitung) BAG, Urteil v. 13.12.2016 – 9 AZR 574/15 – Arbeitsrecht Zulässigkeitsvoraussetzungen für Kopftuchverbot in privaten Unternehmen Art. 2 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines all- Hinweis: Fehlt eine nähere Angabe, handelt es sich um die amtlichen Leitsätze des erkennenden Gerichts. „Leitsätze der Schriftleitung“ wurden von der Redaktion oder dem Einsender der Entscheidung formuliert. „Leitsätze aus den Gründen“ sind von der Redaktion ausgewählte wörtliche bzw. nur in geringfügig veränderter Syntax zitierte Auszüge aus den Entscheidungsgründen. „Orientierungssätze der Richterinnen und Richter des BAG“ sind als solche erkennbar gemacht. gemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf ist dahin auszulegen, dass das Verbot, ein islamisches Kopftuch zu tragen, das sich aus einer internen Regel eines privaten Unternehmens ergibt, die das sichtbare Tragen jedes politischen, philosophischen oder religiösen Zeichens am Arbeitsplatz verbietet, keine unmittelbare Diskriminierung wegen der Religion oder der Weltanschauung im Sinne dieser Richtlinie darstellt. Eine solche interne Regel eines privaten Unternehmens kann hingegen eine mittelbare Diskriminierung im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2000/78 darstellen, wenn sich erweist, dass die dem Anschein nach neutrale Verpflichtung, die sie enthält, tatsächlich dazu führt, dass Personen mit einer bestimmten Religion oder Weltanschauung in besonderer Weise benachteiligt werden, es sei denn, sie ist durch ein rechtmäßiges Ziel wie die Verfolgung einer Politik der politischen, philosophischen und religiösen Neutralität durch den Arbeitgeber im Verhältnis zu seinen Kunden sachlich gerechtfertigt, und die Mittel zur Erreichung dieses Ziels sind angemessen und erforderlich; dies zu prüfen, ist Sache des vorlegenden Gerichts. EuGH, Urteil v. 14.3.2017 – C 157/15 – Quelle: © Europäische Union, http://eur-lex.europa.eu/ , 1998–2017 Kündigungsrecht Wiederholte Änderungskündigung Die vom Bundesarbeitsgericht zur unzulässigen Wiederholungskündigung entwickelten Grundsätze gelten auch für die Änderungskündigung. Eine unzulässige Wiederholungskündigung liegt bei einer Änderungskündigung schon dann vor, wenn sich der Arbeitgeber zur Begründung der dringenden betrieblichen Erfordernisse für beide Änderungskündigungen auf dieselbe unternehmerische Entscheidung beruft. Nicht erforderlich ist, dass die Änderungsangebote übereinstimmen. LAG Köln, Urteil v. 16.11.2016 – 5 Sa 1183/15 – (n. rkr.) Volltext unter www.nrwe.de Betriebliches Eingliederungsmanagement Unterlassung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements/Darlegungslast des Arbeitgebers Ist ein eigentlich erforderliches betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) unterblieben, trägt der Arbeitgeber die primäre Darlegungslast für dessen Nutzlosigkeit. Die Nutzlosigkeit des BEM wird nicht allein dadurch belegt, dass der Arbeitnehmer in einem früheren Gespräch mitteilte, die vorherigen Erkrankungen seien schicksalhaft gewesen. LAG Mainz, Urteil v. 10.1.2017 – 8 Sa 359/16 – Quelle: Justiz Rheinland-Pfalz ZBVR online 5/2017 | Seite 25 von 31 ZBVR online Aufsätze und Berichte Dienstplangestaltung – Wie ist der Betriebsrat zu ­beteiligen? Henning Meier, Köln* I. Einführung Längst ist es nicht nur in Betrieben, welche in Schichtarbeit tätig sind, gang und gäbe, dass die Arbeit der Arbeitnehmer in Dienstplänen geregelt ist. Bei der Schichtarbeit liegt es auf der Hand, dass der Arbeitgeber Pläne erstellen muss, um die Koordination der einzelnen Arbeitnehmer und der verschiedenen Schichten vorzunehmen. Aber auch abseits der Schichtarbeit werden Dienstpläne immer relevanter. Denn der Arbeitgeber muss und möchte flexible Arbeitszeitmodelle anbieten. Zudem ist das Interesse der Arbeitnehmer an Teilzeitarbeitsplätzen weiterhin groß. Um einen Betrieb dann aber gut zu strukturieren und erfolgreich zu führen, muss der Einsatz des Personals geplant werden. Hohe Flexibilität erfordert ein hohes Maß an Planung. Wenn in dem betroffenen Betrieb ein Betriebsrat besteht, kommen diesem Mitbestimmungs- und Mitwirkungsrechtsrechte bei der Gestaltung der Dienstpläne zu. Im Folgenden soll der Umfang dieser Rechte dargestellt werden und dabei auf die wichtige Rechtsprechung eingegangen werden. II. R echtliche Grundlage des Mitbestimmungsrechts Besonders stark ist der Betriebsrat dort, wo er tatsächlich mitbestimmen darf. Seine stärksten Rechte findet er in § 87 BetrVG. In den dort beschriebenen Bereichen hat der Betriebsrat mitzubestimmen. Kommen die Betriebsparteien nicht zu einer Einigung, so hat in diesen Fällen die Einigungsstelle zu entscheiden. Gem. § 87 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 3 BetrVG steht dem Betriebsrat insbesondere ein weitreichendes Mitbestimmungsrecht im Bereich der Arbeitszeit zu.1 Gem. § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG hat der Betriebsrat dabei mitzubestimmen, wann im Betrieb von wem gearbeitet werden soll. Nicht mitzubestimmen hat der Betriebsrat hierbei aber über die Dauer der Arbeitszeit. Dabei ist stets der Grundsatz zu beachten, dass der Betriebsrat nie über den Umfang und Inhalt der Arbeitspflicht der Arbeitnehmer mitentscheidet.2 Hintergrund des Rechts ist, dass der Betriebsrat die Interessen der Arbeitnehmer in der Festlegung der Arbeitszeiträume und damit verbun * Henning Meier ist Rechtsanwalt bei der Kanzlei Ulrich Weber & Partner mbB in Köln. 1 Wittenberg, Arbeitszeitrecht im Betrieb – Wo und wie sich der Betriebsrat einbringen kann, ZBVR online 3/2015, S. 30. 2 BAG v. 18.8.1987 – 1 ABR 30/86 = NZA 1987, 779. den auch der Lage ihrer Freizeit schützen soll.3 Daher gehört zu dem Recht des Betriebsrats auch die Möglichkeit, über die Festlegung der unbezahlten Ruhepausen mitzubestimmen. Daneben besteht auch das Recht des Betriebsrats, gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG bei vorübergehenden Verkürzungen oder Verlängerungen der betriebsüblichen Arbeitszeit mitzubestimmen. Teilweise wird dabei vertreten, dass Nummer 3 ein Unterfall des Mitbestimmungsrechts aus Nummer 2 sei. Beide Vorschriften vereint jedenfalls derselbe Begriff der Arbeitszeit.4 In dem Mitbestimmungsrecht geht es insbesondere um die vorübergehende Abweichung von der für diesen Wochentag eigentlich vorgesehenen jeweiligen betriebsüblichen Arbeitszeit. Vorübergehend bedeutet, dass anschließend auch eine Rückkehr zur betriebsüblichen Dauer der Arbeitszeit stattfindet.5 Anders als das Mitbestimmungsrecht aus Nummer 2 dient das Mitbestimmungsrecht der Nummer 3 jedoch dem Schutz der Arbeitnehmer vor besonderen – auch gesundheitlichen – Belastungen durch eine Verlängerung der Arbeitszeit. Um die Rechte des Betriebsrats zu verstehen, muss man zunächst die Frage klären, was unter der Arbeitszeit im Sinne von § 87 BetrVG und dort insbesondere auch der betriebsüblichen Arbeitszeit zu verstehen ist. Zunächst ist klarzustellen, dass Arbeitszeit die Zeit ist, innerhalb derer die Arbeitnehmer die von ihnen geschuldete Arbeitsleistung erbringen müssen. Soweit keine Bestimmung des Umfangs der Arbeitszeit im Arbeitsvertrag vorgenommen wurde, ist von Vollzeit und somit einer 40-Stundenwoche auszugehen.6 Besonderes Augenmerk sollte darauf gelegt werden, wem die Tätigkeit nützt.7 Zu dem Begriff der Arbeitszeit gehören auch Bereitschaftszeiten sowie die Zeiten für das An- und Ablegen der Dienstkleidung in den Betriebsräumen des Arbeitgebers, als auch die Zeiten, die der Arbeitnehmer braucht, um von dem Ort seines Kleidungswechsels zu seinem Arbeitsort zu gelangen.8 Die oftmals gehandhabte Praxis, dass sich Arbeitnehmer zunächst umzie 3 Wiese, in: GK BetrVG § 87 Rn. 270; BAG v. 25.2.2017 – 1 AZR 642/13, ZBVR online 1/2016, S. 2. 4 BAG v. 14.11.2006 – 1 ABR 5/06, ZBVR online 4/2007, S. 8. 5 BAG v. 9.7.2013 – 1 ABR 19/12, ZBVR online 11/2013, S. 16. 6 BAG v. 25.3.2015 – 5 AZR 602/13, NZA 2015, 1002. 7 BAG v. 30.6.2015 – 1 ABR 71/13, ZBVR online 2/2016, S. 2. 8 BAG v. 17.11.2015 – 1 ABR 76/13; dazu auch Lakies, Mitbestimmung des Betriebsrats bei Dienstkleidung und Umkleide­ zeiten, ZBVR online 6/2016, S. 31. ZBVR online 5/2017 | Seite 26 von 31 ZBVR online Aufsätze und Berichte hen und vorbereiten und anschließend „einstempeln“, dürfte mit der aktuellen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts in vielen Fällen nicht vereinbar sein. Dies gilt besonders, wenn es sich um besonders auffällige Dienstkleidung handelt, die im Privaten nicht getragen werden kann.9 mente dargestellt werden, die den Betriebsparteien zur Planung zur Verfügung stehen. Die Mitbestimmung unterliegt aber natürlich auch Grenzen, welche aufgezeigt werden. Abschließend muss natürlich auch geklärt werden, welche rechtlichen Möglichkeiten für die Durchsetzung und im Streitfall bestehen. Hingegen ist die betriebsübliche Arbeitszeit die Arbeitszeit, die auf bestimmten Arbeitsplätzen, von bestimmten Arbeitnehmer-Gruppen oder aber auch von einzelnen Arbeitnehmern regelmäßig geleistet wird.10 1. Wer verplant wen? Bei Unternehmen mit mehreren Betrieben und in Konzernen mit einem Konzernbetriebsrat stellt sich natürlich zunächst die Frage, welches Gremium überhaupt dazu befugt ist, die Dienstpläne mit dem Arbeitgeber Einer der wichtigsten Anwendungsfälle der Mitbestim- auszuhandeln. Die Abgrenzung der Zuständigkeit ermung nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 3 BetrVG ist daher folgt nach den allgemeinen Bestimmungen in den die Aufstellung und auch die Abänderung von Dienst- §§ 50, 58 BetrVG. Der Grundsatz lautet aber, dass der und Schichtplänen. Dabei muss der Betriebsrat über die örtliche Betriebsrat grundsätzlich für die Ausübung der Festlegung der zeitlichen Lage der einzelnen Schichten, Mitbestimmungsrechte aus § 87 BetrVG zuständig ist. die Abgrenzung des Personenkreises, der Schichtarbeit Der Gesamtbetriebsrat ist nur dann zuständig, wenn mehrere Betriebe von der Angelegenheit betroffen sind und zudem ein objektiv Im Regelfall übt der örtliche Betriebsrat, nur unter bezwingendes Erfordernis für eine untersonderen Voraussetzungen der Gesamt- oder Konzernbetriebs- nehmenseinheitliche oder betriebsübergreifende Regelung besteht. Es muss also rat die Mitbestimmung bei Aufstellung der Dienstpläne aus. in jedem Unternehmen konkret betrachtet werden, ob die dortigen Umstände der zu leisten hat, und dabei auch die Zuordnung der Ar- einzelnen Betriebe es zwingend erforderlich machen, beitnehmer zu den einzelnen Schichten sowie die Än- dass eine einheitliche Regelung getroffen wird. Möglich derung von bereits aufgestellten Dienstplänen mitbe- ist nämlich, dass es gar keine betriebliche Arbeitszeit stimmen.11 Aufgrund von § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG ist der gibt. Dies ist der Fall, wenn die Arbeitszeit der ArbeitBetriebsrat daher auch bei einer sehr kurzfristen Über- nehmer nicht durch Arbeitsabläufe bestimmt wird, die schreitung der im Dienstplan festgelegten Arbeitszeit, sich nach auf den Betrieb beschränkten Vorgaben des mithin bei der Anordnung von so genannten Überstun- Arbeitgebers richten. Betreffen die zu berücksichtigenden, zu beteiligen. Das Weisungsrecht des Arbeitgebers den betrieblichen Belange sämtliche oder mehrere Besteht daher unter dem Vorbehalt des Einverständnisses triebe, dann ist der Gesamtbetriebsrat nach § 50 Abs. 1 des Betriebsrats. BetrVG zuständig.14 Vorangestelltes gilt in entsprechender Anwendung von § 58 BetrVG gegebenenfalls auch Wichtige Einzelfälle der Mitbestimmung bei Dienstplä- im Konzern. Wir halten hierzu also fest, dass im Zweifel nen sind unter anderem: zunächst der örtliche Betriebsrat für die Aufstellung der Dienstpläne zuständig ist. Nur, wenn es zwingend er-Beginn und Ende von Schichten12 forderlich ist, dass eine unternehmens- oder konzern-Zuordnung der Arbeitnehmer zu den Schichten und weite beziehungsweise betriebsübergreifende RegeÄnderung der Einteilung13 lung stattfindet, können der Gesamtbetriebsrat oder - Umsetzung eines Arbeitnehmers in eine andere der Konzernbetriebsrat zuständig sein. Schicht -Regelungen zu Sonn-, Feiertags- und Nachtschichten Im modernen Arbeitsleben arbeitet in dem Betrieb oftmals eine Vielzahl von Menschen, die keine ArbeitnehIII. Mitbestimmung in der Praxis mer des Arbeitgebers des Betriebes sind, so genanntes „Fremdpersonal“. Hierzu zählen natürlich LeiharbeitNachdem die theoretischen Grundlagen dargestellt nehmer, welche von dem Betriebsinhaber entliehen wurden, sollen nun die praktischen Fragen der Dienst- wurden. Seit Einführung des Mindestlohngesetzes (Miplangestaltung behandelt werden. Dabei soll darauf LoG) in Mode gekommen ist auch Personal, das im Raheingegangen werden, über wessen Einsatz der Betriebs- men von Werk- und Dienstverträgen zur Erfüllung der rat mitbestimmen darf. Des Weiteren sollen die Instru- eigentlichen Hauptaufhabe des Betriebes tätig wird. Es muss abgewartet werden, ob durch die zum 1. April 2017 in Kraft getretene Änderung des Arbeitnehmerüberlas 9 BAG v. 17.11.2015 – 1 ABR 76/13, ZBVR online 3/2016, S. 15. sungsgesetzes (AÜG) die von der Bundesregierung ge10 BAG v. 24.4.2007 – 1 ABR 47/06, ZBVR online 10/2007, S. 8. wünschte Verhinderung der Umgehung des Arbeitneh11 BAG v. 8.12.2015 – 1 ABR 2/14, juris. 12 BAG v. 3. 5. 2006 – 1 ABR 14/05, ZBVR online 1/2007, S. 2. 13 BAG v. 29.9.2004 – 5 AZR 559/03, ZBVR online 7/2005, S. 3. 14 BAG v. 19.6.2012 – 1 ABR 19/11, ZBVR online 11/2012, S. 12. ZBVR online 5/2017 | Seite 27 von 31 ZBVR online Aufsätze und Berichte merüberlassungsgesetzes durch Werk- und Dienstverträge gelingen wird. Zwar wird an mehreren Stellen im Betriebsverfassungsgesetz klargestellt, dass Informationsansprüche des Betriebsrats auch den Einsatz von Personen, die nicht in einem Arbeitsverhältnis zum Arbeitgeber stehen, umfassen. Eine Änderung hinsichtlich der starken Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats ist aber nicht erfolgt. müsste man zu dem Ergebnis kommen, dass insbesondere in den Fällen, in denen ein koordinierter Einsatz dieses Personals mit den eigentlichen Arbeitnehmern des Betriebes stattfinden muss, auch die Mitbestimmung hinsichtlich der Arbeitszeit gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 3 BetrVG des Betriebsrats gegeben sein muss. Dann wäre das Fremdpersonal auch in die Mitbestimmung zu den Dienstplänen einzubeziehen.18 Hinsichtlich der Leiharbeitnehmer ist die Situation durch die Rechtsprechung weitestgehend geklärt. Das Bundesarbeitsgericht geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass bei § 87 BetrVG danach unterschieden werden muss, ob der Vertragsarbeitgeber oder der Entleiher die mitbestimmungspflichtige Entscheidung trifft.15 Hieraus folgt, dass oftmals bei Aufstellung der Dienstpläne auch die Leiharbeitnehmer mitgeplant werden müssen. Bislang muss man allerdings davon ausgehen, dass der Betriebsrat hierbei nicht mitbestimmungsberechtigt ist. Eine weitere Entwicklung ist allerdings genau zu beobachten. Bei Personal, das in Ausführung eines Werk- oder Dienstvertrages im Betrieb tätig wird, sieht die Situation derzeit noch anders aus. Bislang geht die Rechtsprechung davon aus, dass mangels Eingliederung in die Betriebsorganisation und mangels Wahlberechtigung der Betriebsrat kein Mandat für diese Arbeiter besitzt. Er sei daher auch nicht berechtigt, mit dem Vertragsarbeitgeber Verhandlungen zu führen.16 Hieraus folgt, dass dieses Personal im Rahmen der Dienstplangestaltung nicht dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats unterliegt. Es bleibt aber abzuwarten, ob der Gesetzgeber oder die Rechtsprechung hier noch aktiv werden. Insbesondere auch um den Mindestlohn zu umgehen, sind Vertragsgestaltungen beliebt, in denen das „Fremdpersonal“ auf Dauer im Betrieb tätig wird, dabei Leistungen des Kernbereichs des Auftraggebers wahrnimmt und dies üblicherweise auch am Ort der Leistungserstellung des Auftraggebers erfolgt. Nach bisheriger Ansicht des Bundesarbeitsgerichts sind für diese Arbeitnehmer nur die Betriebsräte ihrer eigentlichen Vertragsarbeitgeber zuständig.17 Die Bundesregierung hat aber auch erkannt, dass diese so genannten Onsite-Werkverträge oftmals einer Umgehung von Leiharbeitsverhältnissen oder richtigen Arbeitsverhältnissen dienen. Durch die Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes soll eine entsprechende Umgehung erschwert werden. Es bleibt aber abzuwarten, ob der Gesetzgeber oder die Rechtsprechung auch im Bereich der Mitbestimmung tätig werden wird. Denn es ist nicht von der Hand zu weisen, dass man bei diesen Onsite-Werkverträgen durchaus von einer Art „Eingliederung“ in den Betrieb sprechen kann. Setzt man hier die gleichen Maßstäbe an, die das Bundesarbeitsgericht für die Leiharbeit entwickelt hat, 15 S. u.a. BAG v. 19.6.2001 – 1 ABR 43/00, DB 2001, 2301. 16 Fitting, BetrVG, § 87 Rn. 10; BAG v. 27.1.2004 – 1 ABR 7/03, ZBVR 2004, 153. 17 BAG v. 26.1.2016 – 1 ABR 68/13, ZBVR online 4/2016, S. 6. 2. Wie wird geplant? Es stellt sich natürlich die Frage, wie der Betriebsrat sein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG in der Praxis tatsächlich wahrnehmen kann und sollte. Es ist ihm nicht vorgegeben, ob jeder Einzelfall gesondert entschieden und behandelt werden soll oder ob auch generelle Rahmenvereinbarungen getroffen werden sollen. In jedem Fall bietet sich natürlich der Abschluss von Betriebsvereinbarungen oder Regelungsabreden an. Aus Praktikersicht kann zum Abschluss von Rahmenvereinbarungen geraten werden, in denen die grundsätzlichen Anforderungen an die Schichtarbeit oder die flexible Arbeitszeit geregelt sind. Dann muss nur noch für konkrete Zeitabschnitte eine Zuordnung der Arbeitnehmer zu den einzelnen Schichten beziehungsweise den einzelnen Zeiten erfolgen. Bei diesen Rahmenvereinbarungen ist es durchaus möglich, dass eine Zuweisung nach sehr konkreten Anforderungen auch dem Arbeitgeber überlassen wird. Es ist aber nicht möglich, dass der Betriebsrat sein Gestaltungsrecht aufgibt und insofern der Arbeitgeber das alleinige Gestaltungsrecht erhält.19 Neben der Regelung zur Aufstellung der Dienst- und Schichtpläne sollten in jedem Fall auch Betriebsvereinbarungen zu den Themen der Überstunden beziehungsweise der Mehrarbeit geschlossen werden. Dabei sollte geregelt werden, wann und unter welchen Voraussetzungen der Arbeitgeber kurzfristig von den festen Dienstund Schichtplänen abweichen darf. Ein kurzfristiger Personaleinsatz wird in den meisten Betrieben lebensnotwendig sein. Dann kann es aber für eine Wahrung der Mitbestimmungsrechte unter Umständen zu spät sein. Hier hat also der Arbeitgeber ein sehr großes Interesse daran, eine Einigung mit dem Betriebsrat zu finden. Wie oben dargestellt wurde, ist nicht nur der Bereich der Schichtarbeit für die Frage eines aufzustellenden Dienstplanes relevant. Insbesondere durch die verstärk18 Hamann/Rudnik, Mitbestimmung nach § 87 BetrVG bei Onsite-Werkverträgen, NZA 2016, 1368. 19 BAG v. 27.1.2004 – 1 ABR 7/03, ZBVR 2004, 153. ZBVR online 5/2017 | Seite 28 von 31 ZBVR online Aufsätze und Berichte te Zunahme an flexiblen Arbeitszeitmodellen werden Dienstpläne auch abseits der klassischen Schichtarbeit immer wichtiger. Der Wunsch, seine Arbeitszeit flexibel zu gestalten und gegebenenfalls in Teilzeit tätig zu werden, ist in der Arbeitswelt allgegenwärtig. Auch hier sollten sehr konkrete Betriebsvereinbarungen zur Gestaltung der flexiblen Arbeitszeit vorgenommen werden. Daneben bietet sich natürlich zur Wahrung der Informationsrechte des Betriebsrats aus § 80 Abs. 2 BetrVG eine grundlegende Vereinbarung an, wie der Betriebsrat über die Einhaltung der Betriebsvereinbarungen informiert werden soll. Nur, wenn der Betriebsrat weiß, ob die Betriebsvereinbarungen auch eingehalten werden, kann er gegebenenfalls seine Rechte geltend machen. § 8 MuSchG, welcher die Einsetzbarkeit von werdenden und stillenden Müttern einschränkt. Tarifverträge sind natürlich ein besonderes Thema. Zum einen ist dabei zu berücksichtigen, dass gemäß § 87 Abs. 1 BetrVG ein Tarifvorrang besteht. Soweit eine tarifliche Regelung besteht, die die Angelegenheit bereits regelt, ist die Mitbestimmung und eine Regelung durch die Betriebsparteien ausgeschlossen. Daneben müssen natürlich auch tarifliche Normen berücksichtigt werden, die zwar die Mitbestimmung nicht sperren, ihr aber gleichwohl Grenzen setzen. Nicht in allen Bereichen besteht ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats. Teilweise kann der Arbeitgeber auch autonom entscheiden. Vorbereitende (Rahmen-) vereinbarungen sind sehr sinnvoll. Hier kann es sein, dass die Betriebsparteien dem Arbeitgeber gerade Freiraum zu autonomen Entscheidungen schaffen beziehungsweise diesen erweitern wollen. Die Betriebspar- 3. Welche Grenzen für die Vereinbarungen bestehen? Wie bei allen möglichen Vereinbarungen zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat muss natürlich beachtet werden, welche Grenzen den Mit Blick auf den Gleichbehandlungsgrundsatz Betriebsparteien bei ihrem Handeln gesetzt sind. Des Weiteren stellt sich aber muss der Betriebsrat vor allem eine Benachteiligung der Teilzeit­ auch die konkrete Frage, in welchen Bebeschäftigten im Dienstplan verhindern. reichen der Arbeitgeber autonom, also ohne Zusammenarbeit mit dem Betriebsrat, entscheiden und handeln kann und ob dieser Be- teien setzten vorher Rahmenbedingungen und kreieren reich durch Betriebsparteien erweitert werden kann. damit abstrakte und verbindliche Bestimmungen, in denen der Arbeitgeber dann selbstständig handeln darf. Zunächst ist an den Gleichbehandlungsgrundsatz des Die Zulässigkeit eines solchen Vorgehens ist von der § 75 Abs. 1 BetrVG zu denken. Selbstverständlich müssen Rechtsprechung bestätigt.22 die Betriebsparteien im Rahmen ihrer Betriebsvereinbarung zu Dienst- und Schichtplänen darauf achten, Des Weiteren sehen viele Betriebsvereinbarungen auch dass keine Diskriminierung aufgrund der in § 75 Abs. 1 ein System vor, in dem der Betriebsrat rechtzeitig vom BetrVG genannten Merkmale stattfindet. In der Praxis Arbeitgeber über die geplante Gestaltung der Arbeitsist dabei insbesondere eine mögliche Benachteiligung zeit informiert wird und eine Nichtäußerung innerhalb aufgrund des Geschlechts relevant. Besonderes Augen- einer gesetzten Frist zu einer „Fiktion“ der Zustimmung merk gilt dabei den in Teilzeit Tätigen. Der Betriebsrat des Betriebsrats führt. In beiden Fällen müssen die Behat bei Ausübung seines Mitbestimmungsrechts darauf triebsparteien aber darauf achten, dass die Voraussetzu achten, dass die Vereinbarkeit von Familie und Er- zungen, in denen der Arbeitgeber tätig werden darf, werbstätigkeit gefördert wird. Dies ergibt sich aus § 80 klar und bestimmt sind. Eine Ankündigungsfrist etwa Abs. 1 Nr. 2b BetrVG.20 Auch aus diesem Grund dürfen muss so lang sein, dass sowohl der Betriebsrat noch Teilzeitbeschäftigte bei Aufstellung oder Abänderung rechtzeitig reagieren kann, als auch die betroffenen Ardes Dienstplans nicht benachteiligt werden. beitnehmer die Lage der Arbeitszeit im Einzelfall im Voraus erkennen können. Es besteht jedoch ein Risiko Ebenfalls klar dürfte sein, dass die Betriebsparteien den bei diesem Vorgehen. Der Betriebsrat darf auf sein MitVorrang von Gesetz und Tarifvertrag aus § 87 Abs. 1 bestimmungsrecht nicht verzichten und somit das Heft BetrVG wahren müssen. Das heißt, sie sind bei der Ge- vollständig aus der Hand geben. In diesem Fall wäre die staltung der Dienstpläne insbesondere an die öffent- getroffene Regelung nämlich unwirksam. Vor einer entlich-rechtlichen Arbeitszeitregelungen gebunden. Zu sprechenden Entscheidung bedarf der Betriebsrat daher denken ist dabei an die Vorschriften des Arbeitszeitge- in jedem Fall einer umfassenden rechtlichen Beratung. setzes und dort insbesondere die Höchstarbeitszeit, die Pflichtpausen sowie die Sonn- und Feiertagsruhe.21 Aber 4. Durchsetzung der Rechte/Folgen von rechtswidrigem auch aus Nebengesetzen können sich Begrenzungen Vorgehen des Spielraums der Betriebsparteien ergeben. In der § 87 BetrVG eröffnet beiden Betriebsparteien im Bereich Praxis ebenfalls ein wichtiger Anwendungsfall ist etwa der Arbeitszeitgestaltung ein Initiativrecht. Das heißt, beide Seiten können von sich aus tätig werden und die 20 BAG v. 16.12.2008 – 9 AZR 893/07, DB 2009, 1242. 21 BAG v. 9.3.1993 – 1 ABR 41/92, ZTR 1993, 381. 22 BAG v. 9.7.2013 – 1 ABR 19/12, ZBVR online 11/2013, S. 16. ZBVR online 5/2017 | Seite 29 von 31 ZBVR online Aufsätze und Berichte Gegenseite zu Verhandlungen zu diesem Thema auffordern. Sollten die Verhandlungen stocken oder sollte eine Seite blockieren, bietet das Gesetz eine Lösung. Für beide Seiten besteht die Möglichkeit, die Einigungsstelle anzurufen und eine Entscheidung der Einigungsstelle herbeizuführen. Der Spruch der Einigungsstelle ersetzt dann die Einigung zwischen Arbeitgeber und Be- Eine Möglichkeit eines solchen Eilverfahrens hat der Arbeitgeber unstreitig nicht. Der Arbeitgeber ist daher darauf angewiesen, dass er für Fälle, in denen der Betriebsrat nicht erreichbar ist oder aufgrund der Kürze der Zeit keinen wirksamen Beschluss fassen kann, eine vorbereitende Rahmenvereinbarung geschlossen hat. Hierauf sollte der Arbeitgeber hinwirken. Der Betriebsrat kann den Abschluss einer solchen Vereinbarung nicht verhindern, wenn die Kann die Zustimmung des Vereinbarung zur Sicherung des Betriebsablaufs notwendig ist.25 Hiervon zu Betriebsrats in eilbedürftigen Fällen nicht schnell genug unterscheiden sind so genannte Notfälle. erwirkt werden, darf der Arbeitgeber ... Bei einem Notfall muss sofort gehandelt werden, damit vom Betrieb oder von der triebsrat und wirkt wie eine Betriebsvereinbarung. Das Belegschaft Schaden abgewendet werden kann. In eiProblem daran ist aber, dass man den Ausgang des nem solchen Notfall ist das Mitbestimmungsrecht des Verfahrens vor der Einigungsstelle natürlich nicht vor- Betriebsrats eingeschränkt. Der Arbeitgeber kann aussehen kann. Auch hierbei können ungewollte Ergeb- grundsätzlich die Maßnahme ohne Beteiligung des Benisse auftreten. triebsrats durchführen. Er muss den Betriebsrat allerdings unverzüglich anschließend ordnungsgemäß beEine ohne Einschaltung des Betriebsrats durchgeführte teiligen.26 Maßnahme ist rechtswidrig und für die betroffenen Arbeitnehmer nicht verbindlich. Aus Sicht der betroffenen IV. Fazit Arbeitnehmer hat das Bundesarbeitsgericht hierzu die Theorie der Wirksamkeitsvoraussetzung geschaffen, Die Frage der Dienstplangestaltung ist eines der wichwelche das Gericht in ständiger Rechtsprechung ver- tigsten Themen in der betriebsverfassungsrechtlichen tritt.23 Es geht davon aus, dass eine Maßnahme, die der Praxis. Es ist verbunden mit den weiteren Fragen der Arbeitgeber unter Verstoß gegen das Mitbestimmungs- Regelung der Arbeitszeit im Betrieb. Ein vorausschaurecht durchführt, unwirksam ist, wenn eine Verletzung des Mitbestimmungs... die mitbestimmungspflichtige Maßnahme – außer rechts gegeben ist und dies zu einer ­Belastung der Arbeitnehmer führt. Regel- in Notfällen – nicht durchführen. Für solche Fälle empfiehlt sich mäßig sind daher nicht mitbestimmte daher der Abschluss einer Rahmenvereinbarung. Maßnahmen gegenüber den betroffenen Arbeitnehmern unwirksam. Verlegt ein Arbeitgeber einseitig die Arbeitszeit eines Arbeitneh- ender Arbeitgeber wird darauf drängen, vorbereitende mers, so ist die ausgefallene Arbeitszeit gemäß § 615 Absprachen, insbesondere für Eilverfahren, zu treffen. BGB im Rahmen des Annahmeverzugs zu vergüten.24 Wie weit der Entscheidungsspielraum des Arbeitgebers ist, ist dabei Verhandlungssache und hängt teilweise Der Betriebsrat hingegen kann, wenn der Arbeitgeber von den tatsächlichen Erfordernissen im Betrieb ab. das Mitbestimmungsrecht verletzt, zum einen die Beseitigung des unter Umständen noch andauernden be- Mit Blick in die Zukunft stellen sich noch mehrere Fratriebsverfassungswidrigen Zustandes gem. § 23 BetrVG gen, die derzeit gar nicht oder unbefriedigend beantverlangen und zum anderen auch für die Zukunft eine wortet sind. Zum einen betrifft dies mit Sicherheit den Unterlassung geltend machen. Unter bestimmten Vo- immer größer werdenden Wunsch der Arbeitnehmer raussetzungen kann dem Arbeitgeber auch im Rahmen nach flexiblen Arbeitszeitmodellen. Auch in diesem Beeiner einstweiligen Verfügung, also in einem Eilverfah- reich werden in der Zukunft Dienstpläne immer wichren, aufgegeben werden, eine betriebsverfassungswid- tiger werden. Der Einsatz von Fremdpersonal im Betrieb rige Maßnahme wieder aufzuheben. Dabei muss aber ist derzeit nicht abschließend geklärt, und auch hier berücksichtigt werden, dass die Ansichten der Landes- erscheint es notwendig, dass Rechtsprechung oder Gearbeitsgerichte zur Zulässigkeit einer entsprechenden setzgebung noch weiter aufklärend tätig werden. einstweiligen Verfügung auseinandergehen. 23 BAG v. 3.9.2014 – 5 AZR 109/13, ZBVR online 2/2015, S. 4. 24 BAG v. 18.9.2002 – 1 AZR 668/01, BB 2003, 740. 25 BAG v. 17.11.1998 – 1 ABR 12/98, ZBVR 2000, 56. 26 BAG v. 19.2.1991 – 1 ABR 31/90, NZA 1991, 609. ZBVR online 5/2017 | Seite 30 von 31 ZBVR online Impressum Rezensionen McKenzie Arbeitswelt 4.0 2017 149 Seiten EUR 22,80 ISBN 978-3-503-17405-8 Erich Schmidt Verlag Berlin Download Kurzvorstellung Ulrici Arbeitnehmerüberlassungsgesetz Handkommentar 2017 725 Seiten EUR 89,00 ISBN 978-3-8487-3608-9 Nomos-Verlag Baden-Baden Download Kurzvorstellung Impressum Herausgeber: Bundesleitung des dbb beamtenbund und tarifunion, Friedrichstraße 169/170, 10117 Berlin. Schriftleitung: Ass. iur. Susanne Süllwold/Stefan Sommer, Fachanwalt für Arbeitsrecht, Dreizehnmorgenweg 36, 53175 Bonn, Telefon 02 28.307 78 90, Telefax 02 28.307 78 89, E-Mail: [email protected]. Erscheinungsweise: elfmal jährlich. Bezugspreis: Nichtmitglieder bestellen schriftlich beim dbb verlag. Jahresabonnement 24,90 € inkl. MwSt. Mindestlaufzeit 1 Jahr. Einzelausgabe 4,90 € inkl. MwSt. Abonnementskündigungen müssen bis zum 01. Dezember beim dbb verlag eingegangen sein, ansonsten verlängert sich der Bezug um ein weiteres Kalenderjahr. Für Betriebsratsmitglieder der Mitgliedsgewerkschaften des dbb ist der Bezugspreis im Mitgliedsbeitrag enthalten. Nutzungsrechte: Mit der Annahme eines Beitrages durch die Schriftleitung erwirbt die dbb verlag gmbh das räumlich, zeitlich und inhaltlich unbeschränkte ausschließliche Recht zur Vervielfältigung und Verbreitung. 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