Radionansprache vom 13.5.2007 um 7.05 in Bayern 2 Von Pfarrer Andreas Jansen, Kassel Liebe Hörerin, lieber Hörer, offensichtlich glauben auch Sie, dass Worte etwas bewirken und es sich lohnt sie zu hören. Warum sonst hätten sie sich entschieden Radio zu hören und sich folglich auf das gesungene oder gesprochene Wort zu konzentrieren? Auf der anderen Seite mache ich, wie vermutlich viele Menschen die beruflich viel Reden, oft genug die Erfahrung, das viele meiner Worte schnell verhallen und wirkungslos bleiben. Warum? Romano Guardini weist darauf hin, dass Sprechen und Hören notwendig zusammen gehören. „Ohne den Zusammenhang mit dem Schweigen wird das Wort zum Gerede, ohne den Zusammenhang mit dem Wort wird aus dem Schweigen Stummheit.“ Wer also nicht schweigen und zuhören kann, ist auch nicht in der Lage etwas wirklich Sinnvolles zu Sagen. Wenn es mir gelingt einem andern Menschen wirklich aufmerksam zu zuhören, werde ich mehr als seine Worte wahrnehmen. Ich kann seine Sorgen und Hoffnungen spüren und manchen Zwischenton heraushören und gleichzeitig durch meine bloße Anwesenheit Zuwendung und Ermutigung schenken. Am heutigen Muttertag werden sich viele von uns dabei dankbar an die eigene Mutter erinnern. Welches Kind hätte sich noch nicht darüber gewundert, wie schnell eine Mutter uns durchschaut und unsere verborgenen Sorgen, Ängste und Hoffnungen erspürt. Es kann bereits sehr befreiend sein, wenn Menschen uns helfen unsere oft chaotischen und uns selbst unverständlichen Gefühle zu formulieren und auszusprechen. Gerade die Dinge für die wir keine Worte finden und die für uns unaussprechlich sind, haben ja eine besondere Macht über uns. Hilfreiche Worte bestehen jedoch nicht nur aus der Kunst des Verstehens sondern manchmal auch aus dem Mut zum Widerspruch und zur Konfrontation. Wirkliche Veränderung entsteht eben nicht im sich gleichförmig wiederholenden und bestätigenden Reden, sondern in der manchmal schmerzhaften Unterbrechung. Jesus verstand es meisterhaft, sich den vereinfachenden Denk- und Sprechschablonen seiner Zeit zu entziehen. Immer wieder geht er nicht direkt auf die gestellten Fragen ein und antwortet auf seine Weise. Erinnern wir uns zum Beispiel an die Geschichte von der Ehebrecherin. Man schleppt diese Frau zu Jesus und fragt ihn: „Was soll mit dieser Frau geschehen, nach dem Gesetz des Mose muss sie gesteinigt werden?“ Jesus aber schweigt und gibt zunächst keine Antwort. Dann schaut er diese „gerechten Männer“ an und antwortet: „Wer frei von Schuld ist, werfe den ersten Stein.“ Jesus gibt keine einfachen Antworten, er unterbricht den Alltag und fordert sein Gegenüber zum eigenständigen Denken und Handeln heraus. Manchmal stelle ich mir natürlich auch die Frage: „Was würde Jesus mir jetzt raten?“ , aber normalerweise erhalte ich darauf keine glatte und einfache Antwort und das ist auch Gut so. Mein eigenes Suchen und Nachdenken und meine selbstgewählte Antwort auf die Fragen des Lebens, kann und will Gott mir nicht abnehmen. Es gibt aber noch einen weiteren Grund, der unsere Wort unfruchtbar und wirkungslos macht Erstaunlicherweise ist es manchmal viel leichter und wirkungsvoller im Radio oder vor vielen fremden Menschen zu sprechen, als in einem vertrauten Kreis. Menschen die uns persönlich kennen, achten nämlich nicht nur auf unsere schönen Worte, sondern auf unser alltägliches Handeln. Noch so schöne Worte verlieren ihre Kraft, wenn sie nicht auch gelebt werden. Martin Luther hat diesen Gedanken so formuliert. Das Evangelium besteht aus lauter Tuwörtern, denn alle Worte wollen auch getan sein. Immer wieder erinnere ich mich dankbar an meine Mutter und ihre Art die frohe Botschaft einfach zu leben. Ohne große Worte, hatte sie Zeit auch wenn sie keine Zeit hatte, war einfach da und gab was sie hatte, dem einen Zeit, dem nächsten ein gutes Wort oder einfach einen Teller Suppe. Sicher hat meine Mutter auch ihre Fehler und Schwächen, aber immer wieder durfte ich spüren, dass ich Willkommen bin und es für mich stets ein Zuhause gibt. Für mich ist Gott auch wie eine liebende Mutter, so beschreibt schon vor 2500 Jahren der Prophet Jesaja Gott mit den folgenden Worten:“ Saugt euch satt an ihrer Brust. Trinkt und labt euch an Jerusalems mütterlichen Reichtum. Wie eine Mutter ihren Sohn tröstet, so tröstet Gott euch. Lied Worte und die damit verbundenen Aussagen haben eine oft unterschätze Macht. .Die Wirklichkeit besteht ja nicht nur aus objektiven Zahlen und Tatsachen, sondern ebenso aus der Art und Weise wie wir unsere Welt deuten und wahrnehmen. Ich kann Gott nicht genug dafür danken, dass man mich in meiner Kindheit und Jugend mit liebevollen und Mut machenden Worten beschenkt hat. Wenn einmal in unserem Herzen die Wahrheit verankert ist, dass wir auf uns Stolz sein dürfen und es einen guten Plan für unser Leben gibt, können wir auch manche Schwierigkeit überwinden. Umgekehrt können aber auch andere Sätze sich in unserer Seele wie ein gefährliches Gift festfressen und furchtbares Unheil anrichten. Wenn ich einem Menschen lange genug mit Worten und Taten sage: „Aus Dir wird nie etwas Gescheites werden.“ Oder „Wenn Du dieses und jenes nicht tust, habe ich dich nicht mehr lieb“, darf ich mich über die Folgen nicht wundern. Ich werde nie vergessen, wie ich in der Ausbildung zum Lehrer in einer Schule einem besonders verhaltensauffälligen Schüler begegnete. Mein Ausbilder erklärte mir beiläufig: „Wundern Sie sich über den Jungen nicht, seine Eltern reden schon seit 2 Monaten kein Wort mit ihm.“ Wer kann erahnen, was dieses beredte Schweigen, im Herzen dieses Kindes angerichtet hat. Wenn solche oder andere Lügen sich auch in ihrem Unbewussten festgesetzt haben, lade ich Sie ein, immer wieder die folgenden Verse aus Psalm 8 zu hören und auf sich ganz persönlich zu beziehen: Herr uns Herrscher, wie herrlich , dass Du da bist! Wenn ich wie ein Kind zu Dir rufe und schreie wie ein Neugeborener, dann hörst Du mir gerne zu. Die Reden der Mächtigen sind für Dich nur Geschwätz. Warum denkst Du an mich und hast mich lieb? Du hast mir die Würde eines nahezu himmlischen Wesens gegeben. Mit Schönheit und Adel hast Du mich gekrönt. Du gabst mir den Auftrag, Herrscher zu sein über alles was Du geschaffen hast. Herr unser Herrscher, wie herrlich, dass ich Dich kenne. Wie gut, dass Du immer da bist. Gute Worte und Gedanken und einen langen Atem benötigen wir jeden Tag neu. So lade ich Sie ein zum Abschluss mit mir das folgende Gebet von Heinrich Siebald zu sprechen: Gib mir die richtigen Worte, gib mir den richtigen Ton. Worte, die deutlich für jeden, von dir reden, gib mir genug davon. Worte, die klären, Worte, die stören, wo man vorbeilebt an Dir. Wunden zu finden und sie zu verbinden – gib mir die Worte dafür. Gib mir die guten Gedanken, nimm mir das Netz vom Verstand, und lass mein Denken und Fühlen vor dir spielen, so wie ein Kind im Sand. Staunend und sehend, prüfend verstehend nehme ich die Welt an von dir. Sie zu durchdringen, dir wieder zu bringen – gib mir Gedanken dafür. Gib mir den längeren Atem, mein Atem reicht nicht so weit. Ich will noch einmal verstohlen Atem holen in deiner Ewigkeit. Wenn ich die Meile mit einem teile, die er alleine nicht schafft, lass auf der zweiten, mich ihn noch begleiten – gib mir den Atem, die Kraft. Amen Lied