Kapitel 7 Störungstheorie stationärer Zustände Ausgearbeitet von Horst Lenske 7.1 Störungstheorie ohne Entartung Betrachtet man die vorhergehenden Kapitel, so fällt auf, dass nur ganz spezielle Probleme der Quantentheorie rechnerisch exakt gelöst wurden, wie z.B. das Elektronensystem des Wasserstoffatoms. In der Tat ist es schwierig, komplizierte quantenmechanische Systeme, wie beispielsweise die Bewegung eines Gitterelektrons im Kristallgitter oder Streuprobleme, exakt zu beschreiben, da der mathematische Apparat sehr schnell sehr kompliziert wird oder das Problem sich nicht mit bekannten mathematischen Funktionen lösen lässt. Daher ist es in den meisten Fällen, in denen eine explizite Rechnung durchgeführt werden muss, notwendig, Näherungen zu machen. Die Quantentheorie hat dazu verschiedene Näherungsverfahren zur Hand. In diesem Kapitel soll eine davon, die Theorie stationärer Störungen, behandelt werden. (Die Störungstheorie war ursprünglich eine Methode der Astronomie, um Gravitationswechselwirkungen von Himmelskörpern zu berechnen.) Ausgangspunkt ist dabei die Schrödinger-Gleichung des gestörten Systems: H|ψai = Ea |ψai Oft ist es möglich, den Hamilton-Operator additiv so zu zerlegen, dass er gleich der Summe aus einem schon bekannten Hamilton-Operator H0 mit bekannten Eigenfunktionen und Eigenwerten und einem weiteren hermiteschen Operator λ V (~r) ist, dem Störoperator: H = H0 + λ V (~r) λ V soll in diesem Kapitel wie auch H0 zeitunabhängig sein; λ ist ein reeller Parameter aus dem Wertebereich 0 ≤ λ ≤ 1. Das Spektrum von H ändert sich mit λ kontinuierlich; für λ = 0 sind die Spektren von H und H0 gleich. λ geht kontinuierlich von 0 gegen 1, so dass die Störung langsam anwächst und für λ = 1 voll berücksichtig wird. Die Lösung der Eigenwertgleichung für H0 ist bekannt: H0 |a 0i = a,0 |a 0i Zu H0 gibt es nach Voraussetzung ein vollständiges und ohne Beschränkung der Allgemeinheit orthogonales Funktionensystem |a 0i; |b 0i; . . . mit den zugehörigen Eigenwerten: a,0 , b,0 , . . . 138 Sei nun der Eigenwert a,0 zur Eigenfunktion |a 0i von H0 gegeben. Unser Ziel ist es, davon ausgehend den Eigenwert Ea zur Eigenfunktion |ψ ai des Hamilton-Operators H zu berechnen unter der Nebenbedingung, dass Ea gegen a,0 strebt, wenn λ gegen 0 strebt. Dazu entwickeln wir sowohl Ea als auch |ψ ai in Potenzreihen von λ Ea |ψ ai = a,0 + λ a,1 + λ2 a,2 + · · · + λn a,n + · · · = ∞ X λm a,m m=0 ∞ X = |a 0i + λ|a 1i + λ2 |a 2i + · · · + λn |ani + · · · = n=0 λn |ani unter den Nebenbedingungen: |ψai Ea → |a0i → a,0 für λ → 0 für λ → 0 Dieser Ansatz ist selbstverständlich nur dann sinnvoll, wenn die Potenzreihen auch konvergieren. Der Ansatz ist außerdem physikalisch “gut“, wenn die Reihen schnell konvergieren, d.h. möglichst nach dem 2. Glied. Bei Störungen, die klein gegen H0 sind, ist dieser Ansatz fast immer möglich und die Potenzreihen konvergieren schnell. Mit diesen Ansätzen gehen wir nun in die Schrödinger-Gleichung: H|ψai = (H0 + λV ) ∞ X n=0 λn |ani = ∞ X λm a,m m=0 ∞ X n=0 λn |ani Auf diese Weise haben wir eine Gleichung zwischen Potenzreihen in λ erhalten. Die Gleichung ist genau dann erfüllt, wenn die Koeffizienten gleicher Potenzen von λ gleich sind. Wir führen also einen Koeffizientenvergleich durch: H0 ∞ X n=0 λn |ani + V ∞ X n=0 λn+1 |ani = ∞ X ∞ X m=0 n=0 λn+m a,m |ani Koeffizientengleichung zu: λ0 : H0 |a0i = a,0 |a0i ⇔ (H0 − a,0 )|a0i = 0 λ1 : H0 |a1i + V |a0i = a,0 |a1i + a,1 |a0i ⇔ (H0 − a,0 )|a1i + (V − a,1 )|a0i = 0 λ2 : (H0 − a,0 )|a2i + (V − a,1 )|a1i − a,2 |a0i = 0 .. . n λ : (H0 − a,0 )|ani + (V − a,1 )|an − 1i − a,2 |an − 2i − · · · − a,n |a0i = 0 n X ⇔ (H0 − a,0 )|ani + V |a(n − 1)i − a,ρ |an − ρi = 0 ρ=1 Die gestörte Wellenfunktion wird durch zwei Bedinungen definiert: H|ψai = Ea |ψai hψa|a0i = 1 Durch diese Definition ist sicher gestellt, dass die Forderung |ψai → |a0i für λ → 0 139 erfüllt ist. Hieraus folgt aber auch, dass die Korrekturfunktion |a1i, . . . , |ani, . . . zu |a0i orthogonal sind: 1 = ha0|ψai = ha0|a0i + λ ha0|a1i + λ2 a0|a2i + . . . Dies ist dann und nur dann erfüllt, wenn gilt ha0|ani = 0 für alle n 6= 0 da λ 6= 0 vorausgesetzt wurde. Wir konstruieren uns also schrittweise mit den Korrekturfunktionen den Hilbert-Raum, den das gestörte System repräsentiert. Dazu gehen wir von dem Unterraum aus, der durch die ungestörte Funktion |a0i repräsentiert wird, konstruieren uns dazu orthogonale Funktionen |aii mit i = 1, 2, . . . und bauen uns so den gesamten Raum auf. Daher ist die obige Orthogonalitätsrelation auch plausibel, denn wären die Korrekturfunktionen nicht orthogonal zu |a0i, würden sie auch keine neue Informationen über den Hilbert-Raum liefern. Um die n-te Energiekorrektur a,n zu erhalten, wird die Koeffizienten-Gleichung zu λn von links mit ha0| multipliziert: 0 0 = ha0|H0 |ani − a,0 ha0|ani + ha0|V |an − 1i − n X a,ρ ha0|an − ρi ρ=1 n X = a,0 ha0|ani − a,0 ha0|ani + ha0|V |an − 1i − ρ=1 a,ρ ha0|an − ρi Wegen der Orthogonalitätsrelation folgt daraus: a,n = ha0|V |an − 1i Durch Iteration sind mit Hilfe dieser Gleichung Energiekorrekturen beliebiger Ordnung zu errechnen. Es fehlen uns jetzt noch Informationen über die Korrekturfunktionen |aii, i = 1, 2, . . . . Die Eigenfunktionen {|x0i}x=a, b, ... zu H0 sind bekannt. Es ist also sinnvoll, die Korrekturfunktionen durch die Eigenfunktionen von H0 auszudrücken: |ani = X b |b0i hb0|ani (beachte, dass für b = a gilt: ha0|ani = 0!) Es bleiben noch die Koeffizienten hb0|ani zu bestimmen. Dazu multiplizieren wir die Koeffizienten-Gleichung zu λn von links mit einer anderen Eigenfunktion |b0i von H0 , die den Eigenwert b,0 besitzt: 0 0 = hb0|H|ani − hb0|ani a,0 + hb0|V |an − 1i − n X a,ρ hb0|an − ρi ρ=1 n X = b,0 hb0|ani − a,0 hb0|ani + hb0|V |an − 1i − ρ=1 a,ρ hb0|an − ρi Wegen hb0|a0i = 0 ergibt sich: 0 = hb0|ani = n−1 X (b,0 − a,0 ) hb0|ani + hb0|V |an − 1i − ρ = 1a,ρ hb0|an − ρi ( ) n−1 X 1 hb0|V |an − 1i − a,ρ hb0|an − ρi a,0 − b,0 ρ=1 140 Damit sind die Entwicklungskoeffizienten der Korrekturfunktionen nach dem Eigenfunktionssystem von H bestimmt. Eine andere, algebraisch elegantere Art, die Korrekturfunktionen und -energien darzustellen, ergibt sich mit dem Pauli’schen Projektionsoperator. Der Projektionsoperator wird wie folgt definiert: I: = Identitätsoperator auf dem Hilbert-Raum, der aus den Eigenvektoren zu H0 gebildet wird: Qa = Qa |a0i = ha0|Qa b 6= a b, c 6= a = Qa |b0i = hb0|Qa |c0i = I − |a0i ha0| = X b6=a 0 X d6=a X b6=a |b0i hb0| |b0i hb0|a0i = 0 |d0i hd0|b0i = |b0i hb0|c0i = δb,c Qa erfüllt die Projektoreigenschaft: Q2a = Q2a |b0i = Qa Qa (Qa |b0i) = Qa |b0i = |b0i für a 6= b Der Operator Qa projiziert also den Hilbert-Raum H auf den Unterraum H− {|a0i}. Eine weitere Vereinfachung bringt der Energienenner-Operator: ea = a,0 − H0 Sowohl der Pauli’sche Projektionsoperator als auch der Energienenner-Operator sind hermitesche Operatoren, da eine Summe hermitescher Operatoren wieder hermitesch ist. Mit diesen beiden Operatoren erhält man für die Korrekturfunktionen folgenden Ausdruck: Qa |ani = ea ( V |an − 1i − n−1 X ρ=1 ) a,ρ |an − ρi Wir zeigen jetzt, dass beide Darstellungen äquivalent sind: |ani = X b = X |b0i hb0|ani; X 1 |b0i a,0 − b,0 b6=a = b6=a = = |b0i hb0|ani da ha0|ani = 0 ( hb0|V |an − 1i − n−1 X ρ=1 ) a,ρ hb0|an − ρi ( ) n−1 X 1 V |an − 1i − a,ρ |an − ρi |b0i hb0| a,0 − H0 ρ=1 b6=a ( ) n−1 X Qa V |an − 1i − a,ρ |an − ρi ea ρ=1 X Damit ist die Äquivalenz der beiden Darstellungen gezeigt. Rechentip zur Anwendung des EnergienennerOperators. 141 Der Energienenner-Operator kann erst auf eine Eigenfunktion von H0 wirken, nachdem man eine Reihenentwicklung durchgeführt hat. Anschließend wird für das Ergebnis die Reihenentwicklung wieder rückgängig gemacht: 1 ea hb0| 7.1.1 1 ea ( ) H 1 H0 1 1 1 0 = 1+ = = + ... 1 a,0 a,0 − H0 a,0 1 − H0 a,0 a,0 a,0 ( ) ( ) H0 1 b,0 1 hb0| + hb0| = hb0| + hb0| = a,0 a,0 a,0 a,0 ( ) 1 b,0 1 = hb, 0| 1+ = hb0| a,0 a,0 a,0 − b,0 Störungsrechnung 1. Ordnung In der Störungsrechnung 1. Ordnung werden die Reihenentwicklungen für Ea und |ψai nach dem Glied mit n = 1 abgebrochen. Für Störungen beliebiger Ordnung galt: a,n = ha0|V |an − 1i Daraus folgt für Störungsenergie in 1. Ordnung a,1 = ha0|V |a0i so dass sich die gestörte Energie in 1. Ordnung zu Ea Ea = = ha0|H|a0i = ha0|H0 |a0i + λ ha0|V |a0i a,0 + ha0|V |a0i; λ = 1 ergibt. Die Störungstheorie 1. Ordnung ist also gleich dem Erwartungswert des Störpotentials mit den ungestörten Funktionen. Für die Störfunktion 1. Ordnung folgt aus der allgemeinen Form ( ) n−1 X Qa V |an − 1i − a,ρ |an − ρi |ani = ea ρ=1 der Ausdruck: Qa V |a0i ea X Qa X = |b0i hb0|V |a0i |c0i hc0| ea c b * + X Qa = |c0i c0| |b0 hb0|V |a0i a,0 − b,0 |a1i = c,b = X b,c6=a = X b6=a |c0i |b0i δc,b hb0|V |a0i a,0 − b,0 hb0|V |a0i a,0 − b,0 Die gestörte Funktion |ψai sieht in 1. Ordnung also folgendermaßen aus: 142 |a0i + λ|a1i + O (λ2 ) Qa |a0i + V |a0i λ = 1 ea |ψai = |ψai = Normierung der gestörten Funktion in 1. Ordnung: hψa|ψai = = = = 7.1.2 ha0| + λ ha1| + 0 (λ2 ) |a0i + λ|a1i + O (λ2 ) ha0|a0i + λ2 ha1|a1i + O (λ3 ) * + Qa 2 1 + λ a0|V 2 V |a0 + O (λ3 ) ea 1 + O (λ3 ) Störungen höherer Ordnung Wir wollen zunächst die Störungen 2. Ordnung näher betrachten. Die Reihenentwicklungen brechen hier nach dem Glied mit n = 2 ab. Aus der allgemeinen Form für die Störenergie 2. Ordnung: a,2 = = = + Qa V |a0 ha0|V |a1i = a0|V ea + * +* X Qa X |c0 hc0|V |a0i a0|V |b0 b0| ea c b X ha0|V |b0i hc0|V |a0i δb,c a,0 − b,0 * c,b6=a = X ha0|V |b0i hb0|V |a0i a,0 − b,0 b6=a = X | ha0|V |b0i |2 b6=a a,0 − b,0 Die Störenergie 2. Ordnung ist also proportional den nichtdiagonalen Matrixelementen der Störmatrix. Wir erhalten also für die gestörte Energie in 2. Ordnung: Ea = a,0 + ha0|V |a0i + X | ha0|V |b0i |2 b6=a a,0 − b,0 Die Störfunktion 2. Ordnung ist |a2i = = Qa V |a1i − a,1 |a1i ea Qa Qa Qa Qa V V |a0i − V |a0i ha0|V |a0i ea ea ea ea also: |a2i = Qa V ea !2 |a0i − Qa ea !2 V |a0i ha0|V |a0i Damit ergibt sich für die gestörte Wellenfunktion in 2. Ordnung: 143 |ψai = |a0i + λ|a1i + λ2 |a2i λ = 1 : |ψai !2 Qa Q a = |a0i + λ V |a0i + λ2 V |a0i ea ea !2 Q a V |a0i ha0|V |a0i −λ2 ea ) !2 !2 ( Qa Qa Qa V ha0|V |a0i |a0i − V + V = 1+ ea ea ea hψa|ψai = ha0|a0i + λ2 ha1|a1i + λ3 ha1|a2i + λ2 ha2|a1i + λ4 ha2|a2i Normierung: = 1 + λ2 ha1|a1i + 0 (λ3 ) Störungen in n-ter Ordnung ergeben im Allgemeinen umfangreiche und daher schlecht zu handhabende Ausdrücke. Sie vereinfachen sich aber wesentlich, wenn alle Korrekturen niedriger Ordnung verschwinden a,1 a,n = · · · = a,n−1 ≡ 0 !n−1 + * Qa V = a0| |a0 ea = han|V |an − 1i denn es gilt: Qa V ea 7.1.3 !n−1 |a0i = |an − 1i Das Helium-Atom - Beispiel zur Störungstheorie ohne Entartung Da die Masse des HE-Kerns gegen die Elektronenmassen sehr groß ist, wollen wir die Mitbewegung des Kerns vernachlässigen. Wir legen den Koordinatenursprung in den Schwerpunkt des Kerns. Dann lautet der HamiltonOperator für He und He-ähnliche Atome: H = Z Z = = p2 Ze2 Ze2 e2 p21 + 2 − − + 2m1 2m2 r1 r2 r12 2 He 3 Li+ Z = 4 r12 = |~r1 − ~r2 | Be++ Der Hamilton-Operator kann additiv zerlegt werden in H = H0 (1) + H0 (2) + e2 r12 2 wobei H0 (1) und H0 (2) die Hamilton-Operatoren eines Elektrons in wasserstoffählichen Atomen sind und re12 der Störoperator ist. Mit ihm wird berücksichtigt, dass sich jedes der beiden Elektronen außer im CoulombPotential des Kerns auch im Potential des anderen Elektrons bewegt. Die Eigenenergien und Eigenfunktionen zu H0 (1) und H0 (2) sind bekannt (siehe Kapitel 4.5 und math. Anhang zu 4.5). Wir wollen hier nur den Grundzustand betrachten. Die Eigenenergien und Eigenfunktionen der Operatoren H0 (1) und H0 (2) sind dann: 144 |1s0i = az = aB = 0a,0 = r1 1 p e− az 3 πaz ~2 1 aB = m e c2 z z Bohr-Radius !2 1 m e c2 e 2 z = −13, 5 eV · z 2 − 2 ~c (n = 1)2 Für ein ungestörtes 2-Elektronen-System im Grundzustand gilt: |0i = |1s0i|1s0i = 0 e2 z ~c = −me c2 1 − r1a+r2 z e πa3z !2 = −27 eV · z 2 r1 r12 r2 (n = 1) α θ1 θ2 ϕ1 y ϕ2 x Abb. 7.1: Wir berechnen nun die Korrekturen mit der Störungstheorie 1. Ordnung. Dazu gehen wir auf Polarkoordinaten über. Die beiden Elektronen werden durch {r1 , θ1 , ψ1 } und {r2 , θ2 , ψ2 } beschrieben. ~r1 und ~r2 bilden den Winkel α zueinander. Wie wir aus dem Störpotential sehen können, hängt die Wechselwirkung der beiden Elektronen von ihrem relativen Abstand ab, also von den Beträgen der beiden Ortsvektoren und dem Winkel 1 α. Wir wollen das Problem in Kugelkoordinaten ausdrücken. |~r1 −~ r2 | kann nach Legendre-Polynomen entwickelt werden: 1 |~r1 − ~r2 | = r> = r< = ∞ 0 X r< P (cos α) `+1 ` r e=0 > max {|~r1 |, |~r2 |} min {|~r1 |, |~r2 |} Mit Hilfe eines Additionstheorems lässt sich das Legendre-Polynom P` (cos α) auf die Polarwinkel der beiden Elektronen beziehen P` (cos α) = +l 4π X ∗ Y`m (θ1 , ψ1 ) Ylm (θ2 , ψ2 ) 2` + 1 m=−l so dass wir jetzt das Störpotential in Kugelkoordinaten erhalten: 145 V1,2 = 4π e 2 ∞ X `=0 +l ` X r< 1 Y`m (θ1 , ψ1 ) Y`m (θ2 , ψ2 ) `+1 2` + 1 r> m=−l Wir berechnen nun die Energiekorrektur 1. Ordnung: a,1 = ha0|V |a0i * + e2 = 0| |0 r1,2 a,1 (Grundzustand) Wir benutzen nun, dass √ 4π Y00 = 1 ist: a,1 = Z ∞ Z ∞ ∞ ` X 2(r +r ) r< e2 4π 2 2 − 1az 2 dr · dr r r e 1 2 1 2 `+1 2 6 π az 0 2` + 1 r> 0 `=0 Z +l X ∗ · dΩ1 dΩ2 Y`m (θ1 , ϕ1 )4π Y00 (θ1 , ϕ1 ) Y00 (θ2 , ϕ2 ) Ylm (θ2 , ϕ2 ) m=−l = = (4π)2 e2 π 2 a6z Z ∞ 2 2 Z ∞ (4π) e π 2 a6z dr1 Z dr1 Z 0 0 ∞ 0 ∞ 0 dr2 r12 r22 e− dr2 r12 r22 e 2(r1 +r2 ) az · +l ` X r< 1 δ`,0 δm,0 `+1 2` + 1 r> m=+l ∞ X `=0 1 r> 2(r1 +r2 ) − az Wir müssen nun berücksichtigen, dass im Integrand r> auftaucht. Deshalb zerlegen wir das Integral: a,1 (4π)2 `2 = π 2 a6z Z ∞ dr1 r12 e 0 2r − az1 ( 1 r1 Z r1 dr2 r22 e 0 2r − az2 + Z ∞ dr2 r2 e 2r − az2 0 ) Im ersten Integral der Summe ist r1 > r2 , während im zweiten Integral r2 > r1 ist. Wir lösen die Integrale durch partielle Integration: I1 = Z r1 0 I1 = = I2 = dr2 r22 e− −λ r12 e− r1 2 r2 2 = 2 − 2λ r1 " − r2 e λr22 e− − r2 2 r1 # r1 Z + 2λ 2 + 2λ Z r1 e− e {λr1 + λ2 } az λ= 2 e− r2 2 dr2 r2 2 dr2 0 e− 2 {−λr12 − 2λ2 r1 − 2λ3 } + 2λ3 ∞ Z ∞ Z r2 r2 dr2 r2 e− 2 = − r2 λ e− 2 +λ r − 21 r1 0 0 0 r1 = r2 λ r1 ∞ dr2 e− r2 2 r1 Somit erhalten wir: 1 I1 + I2 r1 = a,1 = = ( ) 2λ3 2λ3 −λ − e + r1 r1 Z ∞ r 2r 2r (4π)2 e2 3 − λ1 2 2 − λ1 3 − λ1 2λ r e dr − λ r e − 2λ r e 1 1 1 1 π 2 a6z ( 0 ) 5 e2 16e2 1 5 1 5 16e2 5a6z 5 λ − λ · = 2λ − = a6z 4 2 a6z 4 · 32 8 az − r1 λ 2 146 Vergleich mit dem Experiment: He Li+ Be++ 7.2 0 [eV] 1 [eV] 0 + 1 exp [eV] -108 -243,5 -433 34 50,5 67,5 -74 -193 -365,5 -78,6 -197,1 -370,0 Der anharmonische lineare Oszillator Wie wir bereits wissen, wird der harmonische Oszillator oft benutzt, um reale mechanische Systeme anzunähern. 2 2 Die potentielle Energie eines realen Systems wird aber niemals allein durch das Oszillatorpotential mω 2 x ausgedrückt werden können, sondern es werden kompliziertere Funktionen U (x) als Potential verwendet werden müssen, wie wir es bei der Beschreibung von zweiatomigen Molekülen gesehen haben (Kratzer Potential, MorsePotential). Das gegebene Potential U (x) wird im Allgemeinen in eine Potenzreihe in x entwickelt. Eine gute Näherung für kleine Auslenkungen x aus der Gleichgewichtslage liefert die Entwicklung bis n = 3. U (x) = mω 2 2 x + λx3 = V (x) + λx3 2 Wir betrachten also das Potential eines linearen harmonischen Oszillators mit der Störung λx3 . Die störungstheoretische Behandlung ist aber nur möglich, wenn λx3 klein gegen V (x) ist. Damit beschränken wir uns auf kleine Auslenkungen aus der Gleichgewichtslage und niedrige Energieniveaus. Ein derart gestörter harmonischer Oszillator heißt anharmonischer Oszillator. Wir wollen nun die Energieniveaus und Eigenfunktionen des anharmonischen Oszillators mit Hilfe der Störungsrechnung berechnen. Der Hamilton-Operator des harmonischen Oszillators ist: H0 = mω 2 2 p2 + x 2m 2 Die Eigenfunktionen sind nicht entartet (hermitesche Polynome): 1 H0 |n0i = ~ω n + 2 ! |n0i U (x) V(x) x x Abb. 7.2: Wir benutzen die zweite Quantelung aus Kapitel 3.6: 147 b = b+ = x = p = ( √ ) i mω x + √ p (Vernichtungs-Operator) mω ( ) √ i 1 √ mω x √ p (Erzeugungs-Operator) mω 2~ r ~ (b + b+ ) [b, b+ ] = 1 2mω r 1 ~mω (b − b+ ) i 2 1 √ 2~ In dieser Darstellung ist der Hamilton-Operator des ungestörten Oszillators 1 H0 = ~ω b b + 2 + ! und der Störoperator " ~ H = λx = λ 2mω 0 3 # 32 (b + b+ )3 so dass der Hamilton-Operator des gestörten Oszillators lautet: ! " # 32 H = 1 ~ω b+ b + 2 (b + b+ )3 = b3 + b+ bb + bb+ b + b+ b+ b + bbb+ + b+ bb+ + bb+ b+ + b+3 ~ +λ 2mω (b + b+ )3 Unter Verwendung des Kommutators [b, b+ ] = 1 erhalten wir: b+ b bb+ (b + b+ )3 = bb+ − 1 = 1 + b+ b = b + b+3 + b+ bb + (1 + b+ b)b + b+ b+ b + bbb+ +b+ (1 + b+ b) + bb+ b+ = b3 + b+3 + 2b+ bb + 2b+ b+ b + b + b+ + bbb+ + bb+ b+ = b3 + b+3 + 2b+ bb + 2b+ b+ b + b + b+ + b (1 + b+ b) + (1 + b+ b)b+ = b3 + b+3 + 2b+ bb + 2b+ b+ b + 2b + 2b+ + (1 + b+ b)b +b+ (1 + b+ b) = b3 + b+3 + 3b+ bb + 3b+ b+ b + 3b + 3b+ Wir können also für H 0 schreiben: " ~ H0 = λ 2mω # 32 {b3 + b+3 + 3b+ bb + 3b+ b+ b + 3b + 3b+ } Die Eigenwerte des Hamilton-Operators in 1. Ordnung ergeben sich aus der Matrix hn0 |H|ni = hn0 |H0 |ni + hn0 |H 0 |ni wobei |n0 i und |ni ungestörte Eigenfunktionen sind. Die Eigenwerte der Matrix hn0 |H0 |ni sind uns bereits bekannt: 148 1 hn |H0 |ni = ~ω n + 2 0 ! δn0 ,n Um die Energiekorrekturen in 1. Ordnung Störungsrechnung zu bestimmen, müssen wir also die Matrix hn0 |H 0 |ni berechnen. Wir verwenden dazu die schon in Kapitel 3.6 eingeführten Relationen: √ n+1 √ δn0 ,n−1 n √ n + 1 |n + 1i √ n |n − 1i hn0 |b+ |ni = δn0 ,n+1 hn0 |b|ni = b+ |ni = b|ni = Hier ergibt sich für (b + b+ )3 : 0 + 3 n | (b + b ) |n = = = so dass wir für H 0 die Matrix " ~ hn |H |ni = λ 2mω 0 0 hn0 |b3 |ni + hn0 |b+3 |ni + 3 hn0 |b|ni + 3 hn0 |b+ |ni +3 hn0 |b+ bb|ni + 3 hn0 |b+ b+ b|ni p p δn0 n−3 n(n − 1)(n − 2) n0 , n − 3 (n + 1)(n + 2) p √ √ · (n + 3) + 3δn0 , n−1 n + 3δn0 , n+1 n + 1 + 3δn0 , n+1 √ √ ·n n + 1 + 3δn0 , n−1 (n − 1) n p p δn0 , n−3 n(n − 1)(n − 2) + δn0 ,n+3 (n + 1)(n + 2) p 3 3 · (n + 3 + 3δn0 , n−1 n 2 + 3δn0 n+1 (n + 1) 2 # 32 0 √ 3 1 √ 0 3·2·1 .. . √ √ 3 1 √ 0 3·2·1 0 6 2 0 √ √ 6 2 √ 0 9 3 0 9 3 0 .. .. .. . . . ... ... ... ... .. . erhalten. Wie man sofort sieht, hätten wir das gleiche Ergebnis erhalten, wenn wir mit (x)n0 , n = ~ 2mω ! 21 √ 0 1 √ 1 √0 0 2 0 0 .. .. . . √0 2 0 √ 3 .. . 0 √0 3 0 .. . ... ... ... ... .. . sofort das drei-fache Produkt ausgeführt hätten. Wie wir aus der Matrix hn0 |H 0 |ni ersehen können, verschwinden die Diagonalelemente und somit die Energiekorrekturen 1. Ordnung. hn|H 0 |ni = 0 Zu dem gleichen Ergebnis kommen wir, wenn wir Paritätsbetrachtungen anstellen, denn hn|H 0 |ni besitzt negative Parität, verschwindet also aus Symmetriegründen. Wir können die Wirkung der Energiekorrektur physikalisch so deuten, dass das Potential des harmonischen Oszillators rechts der Gleichgewichtslage zunimmt und links der Gleichgewichtslage um denselben Betrag abnimmt, im Mittel die Korrektur also verschwindet. Die gestörte Wellenfunktion in erster Näherung ist: 149 |ψn i = |ni + X hn0 |H 0 |ni |n0 i 0) ~ω(n − n 0 n 6=n # 32 ( 1 ~ 1p = |ni + λ n(n − 1)(n − 2) |n − 3i 2mω ~ω 3 3 1p − (n + 1)(n + 2)(n + 3) |n + 3i + 3n 2 |n − 1i 3 ) " 3 −3(n + 1) 2 |r + 1i (1) Sie gehört zum Energieniveau En = ~ω (n + 21 ). 0 1 x 0 x − 1 x Abb. 7.3: Im Grundzustand ist die gestörte Wellenfunktion eine Linearkombination der ungestörten Funktionen |0i, |1i, |3i. Da der Koeffizient von |1i um den Faktor 3 größer ist als der von |3i, wird die Korrektur in erster Linie durch |1i bewirkt: Das Maximum der Wellenfunktion wird also nach links verschoben, d.h. das Teilchen wird sich unter Einwirkung der Störung hauptsächlich links der ungestörten Gleichgewichtslage aufhalten. Da die Energiekorrektur 2. Ordnung gerade aus den nicht-diagonalen Elementen der Störmatrix besteht, verschwindet sie im Gegensatz zur Korrektur 1. Ordnung nicht. Die gestörte Energie in 2. Näherung lautet daher: En(2) = = = En(2) = n,0 + n,2 ! X |hn0 |H 0 |ni|2 ~ω(n − n0 ) n0 6=n ! " #3 ( ~ 1 λ2 1 n(n − 1)(n − 2) + 9n3 − 9(n + 1)3 ~ω n + + 2 ~ω 2mω 3 ) 1 − (n + 1)(n + 2)(n + 3) 3 ! " #3 ! 15 λ2 ~ 11 1 2 − n +n+ ~ω n + 2 ~ω mω 4 30 1 ~ω n + 2 + Die Störung senkt die Energieniveaus also ab. 7.3 Störungstheorie mit bestehender Entartung In der Mehrzahl der praktisch wichtigen Probleme werden wir es mit entarteten Systemen zu tun haben, d.h. zu einem Eigenwert des ungestörten Systems gibt es mehrere Eigenzustände. Schon beim Wasserstoffatom haben 150 wir für n = 2 die vier entarteten Eigenfunktionen (ψn`m ): ψ200 , ψ210 , ψ211 , ψ21−1 In diesem Fall versagt die im ersten Abschnitt dargestellte Störungstheorie, da wir nicht entscheiden können, welche der entarteten Eigenfunktionen wir in der 0-ten Näherung verwenden müssen. Im Folgenden sei der ungestörte Hamilton-Operator H0 entartet. Zum Energieeigenzustand a,0 gebe es fa Eigenfunktionen: H0 |aα, 0i = a,0 |aα, 0i α = 1, . . . , fa Wir berücksichtigen die Entartung, indem wir uns aus den fa Eigenfunktionen durch eine unitäre Transformation neue Funktionen konstruieren: |aβ, 0iN = fa X α=1 aα, 0i haα, 0|aβ, 0in = fa X α=1 Uaα, aβ |aα, 0i Diese neuen Funktionen sind wieder Eigenfunktionen zu H0 , weil sie aus Linearkombinationen der alten Eigenfunktionen entstanden sind: H0 |aβ, 0iN = a,0 |aβ, 0iN Die Entwicklungskoeffizienten erfüllen die Unitaritätsrelation: fa X ∗ Uaα, aβ Uaα, aγ = α=1 fa X α=1 = N haβ, 0|aα, 0i haα, 0|aγ, 0iN N haβ, 0|aγ, 0iN = δβ, γ Da die Transformation unitär ist, werden die neuen Funktionen wieder orthogonal sein, wenn die ursprünglichen Funktionen orthogonal waren. Wir haben die neuen Funktionen vollständig bestimmt, wenn wir die Transformationskoeffizienten bestimmt haben. Wir betrachten nun den gestörten Hamilton-Operator: H = H|ψaβi = H0 + λ V (r) (später λ = 1) Eaβ |ψaβi Die Eigenenergien und Eigenfunktionen werden wie im Falle fehlender Entartung entwickelt Eaβ = |ψaβ i = a,0 − λ aβ,1 + · · · = a,0 + ∞ X λn aβ,n n=1 ∞ X |aβ, 0iN + λ|aβ, 1iN + · · · = m=n λm |aβ, miN wobei wir berücksichtigt haben, dass die gestörten Energien und Eigenfunktionen von der Entartung abhängig sein können. Wir setzen die Entwicklung für Eaβ und |ψaβ i in die Schrödinger-Gleichung ein und führen wieder einen Koeffizientenvergleich durch: ( ) ∞ X ∞ ∞ X X m n λ |aβ, miN = a,0 + λ aβ,n λm |aβ, miN H0 + λ V (r) m=0 n=1 151 m=0 λ0 λ1 : : .. . H0 |aβ, 0iN = a,0 |aβ, 0iN (H0 − a,0 )|aβ, 1iN + (V − aβ,1 )|aβ, 0iN = 0 .. . Bei praktischen Rechnungen genügt es meist, die gestörten Funktionen in 0-ter Näherung und die gestörten Energien in 1. Ordnung zu betrachten; da wir die Störung wieder als klein gegen H0 betrachten: Eaβ |ψaβ i H0 + V (r) |aβ, 0iN ⇔ = a,0 + aβ,1 (λ = 1) = |aβ, 0iN = {a,0 + aβ,1 }|aβ, 0iN fa X H0 + V (r) Uaα, aβ |aα, 0i = α=1 fa X α=1 {a,0 + aβ,1 }Uaα, aβ |aα, 0i Man beachte, dass alle Funktionen zum gleichen ungestörten Energieniveau a,0 gehören! Durch Multiplikation von links mit haγ, 0| erhalten wir eine Bestimmungsgleichung für die Entwicklungskoeffizienten: fa X haγ, 0|H0 + V (r)|aα, 0i Uaα, aβ α=1 = fa X α=1 {a,0 + aβ,1 }Uaα, aβ δγ,α = {a,0 + aβ,1 }Uaγ, aβ (1) = Eaβ Uaγ, aβ Um diese Gleichung besser handhaben zu können, entwickeln wir sie weiter: fa X (1) {a,0 δγ,α + hγ, 0|V |aα, pi}Uaα, aβ = Eaβ Uaγ, aβ α=1 ⇔ ⇔ fa X (1) a,0 − Eaβ Uaγ, aβ + haγ, 0|V |aα, 0i Uaα, aβ = 0 α=1 fa X (1) a,0 − Eaβ + haγ, 0|V |aγ, 0i Uaγ, aβ + haγ, 0|V |aα, 0iUaα, aβ = 0 α=1 α6=γ Wir haben damit für die Entwicklungskoeffizienten ein homogenes lineares Gleichungssystem vom Grad fa erhalten, aus dem wir die möglichen Werte für gestörte Energie Ea,β erhalten. Besitzt das Gleichungssystem nämlich nichttriviale Lösungen, so muss seine Determinante verschwinden. Die möglichen gestörten Energie sind die fa Wurzeln der Säkulargleichung: Eaβ = Ea1 , . . . , Eafa Die Wurzeln werden nahe beieinander liegen, denn die Störung wurde als klein angenommen. Die wichtigste Aussage dieser Rechnung ist aber: Das entartete Energieniveau a,0 spaltet unter Einwirkung der Störung V in fa im Allgemeinen eng beieinanderliegende Niveaus auf; die Entartung wird also aufgehoben. Sind einige der Wurzeln der Säkulargleichung gleich, ist die Entartung nur teilweise aufgehoben. “Eng beieinanderliegend“ heißt in diesem Zusammenhang, dass die Abstände Eaβi − Eaβj klein gegen b,0 − a,0 (b 6= a) sind. 152 Wir haben bisher nur ein entartetes, ungestörtes Energieniveau unter dem Einfluss der Störung betrachtet. Natürlich gelten die Berechnungen für alle entarteten Niveaus x,0 ; x = a, b, c . . . mit den zugehörigen Entartungsgraden fa , fb , fc , . . . und den gestörten Energien: Eaβ (β = 1, . . . , fa ); Eb,υ (υ = 1, . . . , fa ); ... In der neuen Darstellung, die man durch Diagonalisieren der fi -dimensionalen Matrizen N haα, 0|H|aγ, 0iN erhält, hat die Matrix des Hamilton-Operators H folgende Form: N haα, 0|H|cγ, 0iN = D11 A21 A31 A41 .. . A12 D22 A32 A42 .. . A13 A23 D33 A43 .. . A14 A24 A34 D44 .. . ... ... ... ... .. . Die Untermatrizen Dii und Aik haben die Dimension fi × fi und fi × fk . Da wir nun in der neuen Darstellung sind, sind die Matrizen Dii (fi × fi -dimensional) im Raum der ungestört fi -fach entarteten Eigenfunktionen diagonal. Da die entarteten Energien durch keine von Null verschiedenen Matrixelemente miteinander verbunden werden, kann man wieder die übliche ungestörte Störungstheorie betreiben. Als Beispiel wollen wir die gestörte Wellenfunktion in erster Näherung betrachten. Wir definieren den Projektionsoperator, der jetzt aber den mehrdimensionalen Unterraum der mit dem Ausgangszustand entarteten Zustände aus dem Hilbert-Raum herausprojiziert, während er bei fehlender Entartung nur einen eindimensionalen Unterraum herausnahm (neue Darstellung): Qa ea = Iα − |cγ, 0iN N hcγ, 0| = sumcγ(6=aβ=1, ..., `a) |cγ, 0iN N hcγ, 0| = a,0 − H0 Analog zu dem in Kapitel 7.1 besprochenen Verfahren ergibt sich die gestörte Wellenfunktion in 1. Näherung: |ψaβ i = |aβ, 0iN + = |aβ, 0iN + = |aβ, 0iN + Qa V |aβ, 1iN `a X Qa cγ a,0 − H0 X cγ(6=aβ) |cγ, 0i hcγ, 0|V |aβ, 0i hcγ, 0|V |aβ, 0i a,0 − c,0 Zum Abschluss dieses Abschnittes wollen wir kurz die Störungstheorie bei bestehender Entartung in der Theorie des Hilbert-Raumes zusammenfassen: Zu einem Eigenwert des ungestörten Hamilton-Operators gab es einen mehrdimensionalen Unterraum, der von den Eigenvektoren zu diesem Eigenwert aufgespannt wurde. In diesem Unterraum kann dann keine Störungstheorie betrieben werden, da alle Funktionen denselben Eigenwert besitzen. Als Beispiel sei die l-Entartung der Wasserstoff-Niveaus erwähnt. Es kann aber auch der Fall auftreten, dass es mehrere dicht beieinanderliegende Eigenwerte gibt, deren Eigenvektoren einen Unterraum aufspannen. 153 Dann werden die Störenergien in der Größenordnung der Differenzen der Eigenwerte liegen. Es ist dann die Voraussetzung nicht erfüllt, dass die Störenergie klein gegen die Abstände der ungestörten Energien ist. In beiden Fällen muss der Unterraum in Streng diagonalisiert werden. Dies erreichten wir, indem wir die unitäre Transformation bestimmen und so zu einem Orthogonalsystem in dem Unterraum gelangen, in dem die Störmatrix diagonal ist. 7.4 Stark-Effekt In einem Atom fallen bei Abwesenheit von äußeren Feldern in der Regel die Schwerpunkte der positiven Kernladung und der negativen Ladung der Hüllenelektronen zusammen. Wirkt ein äußeres elektrisches Feld auf das Atom ein, werden die Schwerpunkte der positiven und negativen Ladungen auseinander gezogen. Das äußere Feld induziert also im Atom ein elektrisches Dipolmoment: ~ = q · ~r D Dadurch wird aber die potentielle Energie der Hüllenelektronen verändert. Im Experiment wird eine Aufpaltung der Spektrallinien beobachtet. Der Effekt wurde von J. Stark im Jahre 1913 erstmals beschrieben. Das äußere Feld habe nur eine Komponente in Richtung der z-Achse. Die Wechselwirkungsenergie eines elektrischen Dipols im elektrischen Feld ist: W ~ E W Dz ~ ·E ~ = −D = (0, 0, Ez ) = −Dz · Ez = q·z Wir wollen im Weiteren schwache äußere Felder betrachten, so dass wir ihren Einfluss auf die Hüllenelektronen als Störung ansehen können. Die inneratomaren elektrischen Felder haben am Ort der ersten Bohrbahn eine Stärke von etwa 5×1011 V /m, so dass wir äußere Felder bis zu einer Feldstärke von 107 V /m als schwach ansehen können. Der Störoperator lautet ~ ·E ~ = −Dz · Ez H 0 = −D so dass wir den gestörten Hamilton-Operator (Koordinatenursprung am Kernort) H H0 = H0 − Dz · Ez Ze2 p2 − = 2m r betrachten. Wir wollen zuerst den linearen Stark-Effekt betrachten, den man nur beim Wasserstoff-Atom beobachtet: H0 H0 H p2 Ze2 − Z = Kernladungszahl 2m r = −e · Ez · Z = = H0 − e Ez · Z In dieser Form auch gültig für wasserstoffähnliche Atome: Z =2 He+ Z =3 Li++ Z =4 Be+++ 154 usw. Wir berechnen die Energiekorrekturen 1. Ordnung. Der ungestörte Hamilton-Operator H0 hat bekannte Eigenwerte und Eigenfunktionen: H0 |n`mi = n,0 |n`mi Unl (r) |n`mi = ψn`m = Y`m (θ, ϕ) = Rnl (r) Y`m (θ, ϕ) r [Kugelkoordinaten] !2 Z2 mc2 `2 n,0 = − 2 ~c n2 Die Eigenwerte von H0 sind für n ≥ 2 entartet (l-Entartung). Wenn wir die Entartung nicht berücksichtigen, verschwindet die Korrektur 1. Ordnung n`m,1 = hn`m| − e Ez · z|n`mi = −e Ez hn`m|z|n`mi da der Integrand negative Parität hat, bei Integration über den gesamten Raum sich die positiven und negativen Anteile also wegheben. Wir wollen das Niveau n = 2 berechnen. Es ist das tiefste entartete Niveau. Diesem Niveau entsprechen in der |n`mi-Darstellung vier Eigenfunktionen |2 0 0i |2 1 0i |2 1 1i |2 1 − 1i = = = = R20 (r) Y00 (θ, φ) R21 (r) Y10 (θ, φ) R22 (r) Y11 (θ, φ) R21 (r) Y1−1 (θ, φ) → & → % s-Term `=0 p-Terme ` = 1, m = −1, 0, 1 also ein vier-dimensionaler Unterraum. Wie wir im vorigen Kapitel gesehen haben, definieren wir nun die “neuen“ Funktionen der 0-ten Näherung, um die Entartung des ungestörten Systems zu berücksichtigen: α, β, . . . usw. durchlaufen alle möglichen Werte von (`m): |2β, 0iN = 4 X α=1 2 Uα,β |2α, 0i α = 1 ↔ (00) α = 2 ↔ (10) α = 3 ↔ (11) α = 4 ↔ (1 − 1) Um mit Hilfe der Störungsrechnung die Eigenwerte und Eigenfunktionen des gestörten Systems zu berechnen, müssen wir das Gleichungssystem X 2 2 2,0 − E2β + e Ez h2γ, 0|z|2γ, 0i Uγ,β − e Ez h2γ, 0|z|2α, 0i Uα,β =0 α6=γ γ = 1, . . . , 4 α = 1, . . . , 4 lösen. Einige Vorüberlegungn werden uns die Lösung sehr erleichtern. Wir betrachten die Integrale (Elemente der Störmatrix!) Wγα = h2γ, 0|z|2α, 0i näher, insbesondere die Parität der Integranden. z besitzt die Parität π = −1. Aus dem Winkelanteil der ungestörten Eigenfunktionen erhalten wir die Parität 155 Y`m (π − θ, π + φ) π = = (−1)` Y`m (θ, φ) (−1)` so dass wir für Integranden insgesamt die Parität 0 π = (−1)` +`+1 erhalten. Die Integrale über den R3 verschwinden nicht, wie wir bereits wissen, wenn der Integrand positive Parität besitzt. Dies ist nur der Fall für: ` = `0 ± 1 π π = (−1)2(`+1) = 1 = (−1)2l = 1 Eine weitere Auswahlregel für das Matrixelement h2`0 m0 |z|2`mi 0 erhält man aus der ψ-Integration. Da z nicht von ψ abhängt, lautet mit Y`0 m0 = (−)m Y`0 −m0 die ψ-Abhängigkeit 0 ei(m−m )ψ . Das Integral von 0 bis 2π ist nur dann von 0 verschieden, wenn m = m0 gilt. Zusammen mit der Paritätsauswahlregel heißt dies, dass nur die Matrixelemente W21 ≡ hn = 2, `0 = 0| − e Ez Z|n = 1, ` = 0, m = 0i = W12 überleben. Sie werden berechnet als damit also W12 = z = µ20 = µ21 = ∞ Z Z ∗ dr r3 R20 R21 dΩ Y00 (θ, ϕ) cos θ Y10 (θ, ϕ) 0 r 4π r cos θ cos θ = Y10 (θ, ϕ) 3 ! r r − r p = r R20 (r) e 2aB 1 − 3 2aB 2aB W21 = e Ez r2 1 − r p e 2aB = r R21 (r) 3 2aB 6aB W12 = W21 = e Ez Z ∞ dΩ 0 0 dr r R20 R21 0 Z ∞ = e Ez = 3 e Ez aB dr r µ20 µ21 0 r Z 3 Z 2π Z π 4π ∗ Y Y10 Y10 3 00 √ 3 cos2 θ sin θ dθ dϕ 4π erhalten wir als Ergebnis, wenn wir partiell integrieren. aB ist der Bohr-Radius: aB = ~2 me2 156 Die Wechselwirkungsenergie hängt linear von der Feldstärke ab - linearer Stark-Effekt. Mit diesem Ergebnis hat sich das zu lösende Gleichungssystem natürlich sehr vereinfacht: 2 2 (a,2 − E2,β ) U1,β + W12 U2,β 2 W21 U1,β + (a,2 − (a,2 − (a,2 − 2 E2,β ) U2,β 2 E2,β ) U3,β 2 E2,β ) U4,β = 0 = 0 = 0 = 0 Die Determinante des Gleichungssystems muss verschwinden: 0 = = 2,0 − E2,β W21 0 0 W12 0 2,0 − E2,β 0 0 2,0 − E2,β 0 0 2 (2,0 − E2,β )2 (2,0 − E2,β )2 − W12 0 0 0 2,0 − E2,β Als Lösung erhalten wir vier Wurzeln, von denen zwei gleich sind: E21 = E22 (2,0 − E2,β )2 E2,3 E2,4 = = 2,0 2 W12 = = 2,0 − W12 = 2,0 − 3e Ez aB 2,0 + W12 = 2,0 + 3e Ez aB Die bestehende Entartung ist also nur teilweise aufgehoben worden. ε 2,0 E4 2p, 2s E1 = E 2 = E 2,0 E3 1s 1s Abb. 7.4: Wir wollen nun noch die Wellenfunktionen in 0-ter Näherung berechnen. Setzen wir in die Bestimmungsgleichungen E1 = E2 = 2,0 ein W12 = W21 = W 1 W U2,1 = 0 2 U1,1 2 U3,1 2 U4,1 = 0 = 0 = 0 W 0· 0· erhalten wir 2 2 U2,1 = U1,1 =0 und 2 2 U3,1 ; U4,1 beliebig, ungleich und als Wellenfunktion der unverschobenen Niveaus: 2 2 |ϕi = U3,1 |211i + U4,1 |21 − 1i Für E3 = 2,0 − W ergibt sich 157 2 2 W (U1,3 + U2,3 ) = 0 2 2 W (U1,3 + U2,3 ) = 0 2 U3,3 2 U4,3 = 0 |ϕ1 i = W W 2 2 U1,3 = −U2,3 2 2 U3,3 = U4,3 =0 = 0 1 √ {|200i − |210i} 2 und E4 = 2,0 + W : 2 2 W (−U1,4 + U2,4 ) = 0 2 2 U1,4 = U2,4 2 2 W (U1,4 − U2,4 ) = 0 2 W U3,4 = 0 2 W U4,4 = 0 |ϕ2 i = √1 2 2 2 U3,4 = U4,4 =0 1 √ {|200i + |210i} 2 ist ein Normierungsfaktor: hϕ1 |ϕ1 i = 1 1 {h200|200i + h210|210i} = · 2 = 1 2 2 Die Störmatrix (H 0 )ij = hϕi |H 0 |ϕj i = e Ez hϕi |z|ϕj i ist in dieser Darstellung diagonal: 2aB eEz 0 0 (H )ij = 0 0 0 −3aB eEz 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 Wir haben also die Störmatrix im Unterraum zum Eigenwert 2,0 diagonalisiert. Die Niveauaufspaltung kann so erklärt werden, dass für den gestörten Zustand 2 2 |ϕi = U3,1 |211i + U4,1 |21 − 1i das Dipolmoment verschwindet, während es für den Zustand 1 |ϕ1 i = √ {|200i − |210i} 2 −3aB eEz ist und gegen das Feld gerichtet ist, während es für den Zustand 1 |ϕ2 i = √ {|200i + |210i} 2 +3aB eEz ist und in Feldrichtung zeigt. 158 7.4.1 Quadratischer Stark-Effekt Während man beim Wasserstoffatom im äußeren elektrischen Feld eine Aufspaltung beobachtet, die linear von der Feldstärke abhängt, wird bei anderen Elementen eine quadratische Abhängigkeit beobachtet. Wasserstoffähnliche Atome sind z.B. 3 Li He + 2s N e + 3s Ar + 4s Kr + 5s 11 N a 19 K 37 Rb Z0 Z0 Z0 Z0 =3 = 11 = 19 = 37 Bei diesen Atomen müssen wir berücksichtigen, dass die Elektronen der inneren Schalen des Kernpotentials für das Leuchtelektron abschirmen. V (r) r 2 − Zr e − Z0re Abb. 7.5: Z = Z0 − σ(r); 2 σ(r): = Abschirmzahl Das Leuchtelektron “sieht“ also ein schwächeres Potential als der Kernladungszahl entsprechen würde. Beispielsweise bewegt sich das Leuchtelektron bei 3 Li in einem Potential mit der Ladungszahl Z = 1.25. Da der Abschirmeffekt vom Abstand vom Kern abhängt, wird die l-Entartung aufgehoben, denn die Elektronen, die sich auf exzentrischen Bahnen (große l-Werte) bewegen, sehen nun ein stark inhomogenes Feld; die Energie hängt daher auch von der Bahndrehimpulsquantenzahl ab: n,0 → n`,0 Es liegt aber nach wie vor eine m-Entartung vor. Während wir beim Wasserstoffatom n2 Eigenfunktionen in der 0-ten Näherung berücksichtigen mussten, haben wir jetzt nur 2` + 1 Eigenfunktionen: |ψn`m i = +l X m0 =−l nl 0 Umm 0 |n`m i |n`m0 i sind Eigenfunktionen des ungestörten Hamilton-Operators: H0 = H0 |n`m0 i = p2 + V (r) 2m n`,0 |n`m0 i Das äußere elektrische Feld habe wiederum nur eine Komponente in Richtung der z-Achse ~ = (0, 0, Ez ) E so dass der Hamilton-Operator für das Atom im elektrischen Feld lautet: H = Dz = H0 − Dz Ez −e · z 159 Die Störungstheorie 1. Ordnung liefert jetzt keinen Beitrag zur Energieverschiebung n`,1 = hψn`m |H 0 |ψn`m i = −e Ez hψn`m |z|ψn`m i XX n`∗ nl 0 00 Umm = −e Ez 0 Umm00 hn`m |z|n`m i m0 m00 = 0 weil die Matrixelemente des elektrischen Dipolmomentes verschwinden. Wir haben in der 0-ten Näherung nur Eigenfunktionen zu einem l-Wert verwandt, dagegen benutzen wir beim Wasserstoffatom in der 0-ten Näherung Eigenfunktionen zu verschiedenen l-Zuständen. In diesem Fall sind nicht alle Matrixelemente des Störoperators gleich Null. Wir erhalten jedoch bei den wasserstoffähnlichen Atomen einen Beitrag in 2. Ordnung Störungstheorie: Enl n`,2 = n`,0 + n`,2 X |hψn0 `0 m |H 0 |ψn`m i|2 = n`,0 − n0 `0 ,0 0 0 n ` 6=nl = e2 Ez2 X |hψn0 `0 m |z|ψn`m i|2 n`,0 − n0 `0 ,0 0 0 n ` 6=nl Die Energieaufspaltung hängt also quadratisch von der Felstärke ab. Dieser quadratische Stark-Effekt ist auch dann vorhanden, wenn der lineare Effekt bereits vorliegt. Allerdings ist er um eine Größenordnung kleiner, so dass der lineare Effekt bevorzugt beobachtet wird. Wir hatten gesehen, dass H-ähnliche Atome kein statisches Dipolmoment besitzen. Die Matrixelemente der Dipolmatrix in 0-ter Näherung der Wellenfunktion verschwanden: −e Ez hψn`m |z|ψn`m i = 0 Da wir in 0-te Näherung gerechnet haben, wurde vernachlässigt, dass das elektrische Feld durch die Ladungstrennung das Atom deformieren wird. Wir müssen infolgedessen für die Wellenfunktionen höhere Näherungen benutzen: Ψn`m = ψn`m − e Ez X hψn0 `0 m |z|ψn`m i n0 `0 n`,0 − n0 `0 ,0 ψn0 `0 ,m + . . . Wenn wir jetzt das Dipolmoment berechnen, sehen wir, dass es linear von der Feldstärke abhängt: D̄z = −e hΦn`m |z|Φn`m i = −e hψn`m |z|ψn`m i + e2 Ez = e2 Ez X |hψn0 `0 m |z|ψn`m i|2 n0 `0 2 n`,0 − n0 `0 ,0 + ... X |hψn0 `0 m |z|ψn`m i| n0 `0 n`,0 − n0 `0 ,0 Das elektrische Feld induziert also erst ein Dipolmoment in den H-ähnlichen Atomen, greift dann an ihm an ~ und bewirkt die Termaufspaltung proportional dem Quadrat der Feldstärke (Glieder höherer Ordnung in |E| wurden vernachlässigt). 7.5 Der Zeeman-Effekt Die Aufspaltung der Spektrallinien eines Atoms im homogenen Magnetfeld ist uns bereits aus Kapitel 6.3 bekannt. Wir wollen im Folgenden schwache Magnetfelder betrachten, so dass die Spin-Bahn-Kopplung nicht 160 aufgehoben wird. Die Drehimpulseigenwerte werden zur Vereinfachung in Einheiten von ~ angegeben. Der Hamilton-Operator eines Atoms im Magnetfeld lautete: ~ H = H0 − m ~ ·B Das Magnetfeld sei homogen. Wir definieren unser Koordinatensystem so, dass die z-Achse in Richtung des Magnetfeldes liegt. ~ B m ~ MB ⇒ H = (0, 0, Bz ) = −MB · ~l (Operator des magnetischen Bahnmoments) l (Bohr’sches Magneton) = 2mc = H0 − mZ Bz = H0 + MB `Z Bz Wenn wir den Elektronenspin vernachlässigen, ist das Problem leicht zu lösen, denn `z ist bezüglich der ungestörten Eigenfunktionen diagonal: H0 |n`mi = `z |n`mi = H|n`mi = En`m = nl |n`mi m|n`mi H0 |n`mi + µB Bz `z |n`mi nl + µB Bz m Die ungestörten Wellenfunktionen sind also auch Lösungen für das Atom im Magnetfeld. Die Eigenwerte der Energie spalten proportional der Quantenzahl der Bahndrehimpulsprojektion aus, die Entartung wird aufgehoben. Als Beispiel betrachten wir das Wasserstoffatom. Ohne äußeres Magnetfeld sind die 2p- und 2s-Niveaus bis auf relativistische Effekte und den Lambshift entartet. (Lambshift: Aufspaltung der 2p1/2 und 2s1/2 Niveaus aufgrund der Wechselwirkung mit dem Vakuumzustand des quantisierten elektromagnetischen Feldes.) 2 µB | B | E 211 2p E 210 E 200 2s E 21−1 1s E100 Abb. 7.6: Der Singulett-Term spaltet in das so genannte normale Zeeman-Triplett auf (Abbildung 7.6). Unsere Lösung ist aber noch nicht vollständig, da wir bisher den Eigendrehimpuls der Elektronen vernachlässigt haben. Der Spin liefert ein zusätzliches magnetisches Moment. Der Operator des magnetischen Spinmoments ist uns bereits bekannt: m ~s g e e g · ~s = − ~s 2mc mc = 2 · 1.001 159 6; wir benutzen g = 2 = −µB g · ~s = − Der Operator der Wechselwirkung zwischen Spin und äußerem Magnetfeld ist ~ W = −µB g ~s · B 161 so dass wir insgesamt folgenden Operator zur Beschreibung der Wechselwirkung mit dem Magnetfeld erhalten: ~ H 0 = −µB ~l + 2~s B Darüber hinaus müssen wir auch die Wechselwirkung zwischen Spin- und Bahnmoment berücksichtigen. Sie resultiert aus der Wechselwirkung des Spinmoments mit dem Magnetfeld, das aus der Bewegung des Elektrons um den Atomkern herrührt. In schwachen äußeren Magnetfeldern sind Spin und Bahndrehimpuls gekoppelt. Diese Wechselwirkungsenergie müssen wir berücksichtigen. Der Operator dieser Wechselwirkung wird proportional dem Skalarprodukt ~l · ~s sein. Wir betrachten das Relativsystem zum Leuchtelektron. In diesem System bewegt sich der Kern mit Ladung +Ze und der Elektronenrumpf mit der Schwerpunktsgeschwindigkeit ~υ um das Leuchtelektron (Schwerpunkt am Kernort). Für die Bahndrehimpulsquantenzahlen ` 6= 0 sind die Elektronenbahnen im Bohrmodell exzentrisch, so dass das Leuchtelektron ein inhomogenes Magnetfeld sieht. Das Magnetfeld am Ort des Elektrons lässt sich klassisch aus dem Biot-Savart’schen Gesetz berechnen: ~j(~r0 ) ~e B ~υ m m Z ~ r0 ) 1 j math(~ ∇~r × dτ 0 c |~r − ~r0 | = ρ(~r0 ) = Die Ladungsverteilung im Restatom kann durch ρ(~r0 ) = Z e δ(~r0 ) + ρRumpf (~r0 ) gut beschrieben werden, da die Entfernung des Leuchtelektrons zum Kern groß gegen die Ausdehnung des Kerns ist. Beispiel: Wasserstoffatom (r) r Z Z−1 Abb. 7.7: Wir berechnen das Magnetfeld am Ort des Elektrons zu ~e B = = Z 1 1 ∇~r × m~υ ρ(~r0 ) dτ 0 mc |~r − ~r0 | 1 ∇~r × Φ(~r)~ p mc oder in Kugelkoordinaten: 162 ~ e = 1 1 ∂ Φ(r) (~r × ~p) = 1 · 1 ∂ Φ(r)~l B mc r ∂r mc r ∂r Allerdings müssen wir noch berücksichtigen, dass hier zueinander beschleunigte Gezugssysteme vorliegen. Aus der Dirac-Theorie folgt deswegen der so genannte Thomas-Faktor 1/2: ~e = B 1 1 ∂ Φ(r)~l 2mc r ∂r Wir sind nun in der Lage, den Operator der Spin-Bahn-Wechselwirkung zu definieren: ~e H`s = −m ~s·B = = V (r) = 1 1 ∂ ~s Φ(r)~l · m 2mc r ∂r !2 1 1 ∂ 1 ~e · m ~s V (r)~l · ~s = −B 2 mc r ∂r − −e Φ(r) denn Spin- und Bahndrehimpuls kommutieren, da sie auf verschiedene Unterräume wirken. Damit haben wir als Hamilton-Operator eines Atoms im äußeren Magnetfeld unter Berücksichtigung des Spin-Bahn-Wechselwirkung: ~ B H = (0, 0, Bz ) = 1 H0 + µB (`z + 2sz ) BZ + 2 1 mc !2 1 ∂ V (r)~l · ~s r ∂r Wir stoßen aber schnell auf Schwierigkeiten, wenn wir versuchen, H zu diagonalisieren. Wir erinnern uns an die Definition der step-up- und step-down-Operatoren: `± = s± `± Y`Λ (θ, 1 s− | 2 1 s+ | − 2 `x ± i `y = s x ± i sy p `(` + 1) − Λ(Λ ± 1) Y`Λ±1 (θ, ϕ) 1 1 | − i 2 2 1 1 | i 2 2 ϕ) = 1 i = 2 1 i = 2 Damit konnten wir das Skalarprodukt ~l · ~s ausdrücken: ~l · ~s = 1 (`+ s− + `− s+ ) + `z sz 2 In der Produktdarstellung der Wellenfunktion |n`Λ; µnl 1 1 Σi = YlΛ (θ, ϕ)| Σi 2 r 2 sind H0 und H 0 = µB (`z + 2sz ) Bz diagonal, dagegen H`s nicht, da weder `± noch s± bezüglich dieser Darstellung diagonal sind. Wenn wir dagegen Spin und Bahndrehimpuls zu einem Gesamtdrehimpuls koppeln, können wir ~l · ~s diagonalisieren: ~j = ~l · ~s. Wie wir in Kapitel 6.4 gesehen haben, werden Drehimpulse mit dem Clebsch-Gordan-Koeffizienten gekoppelt: 1 |n ` 2 ! j mi = X ΛΣ λ=m± 21 C ! 1 1 l j, Λ Σm |n`Λ, Σi 2 2 163 In dieser Darstellung ist ~l · ~s diagonal. Beweis: ~j 2 ist diagonal: 1 j |n ` 2 ~2 ! ! 1 j mi = j(j + 1)|n ` j mi 2 ~j 2 = (~l + ~s)2 also ~l · ~s = ~l2 + ~s2 + 2~l · ~s 1 ~ 2 ~2 (j − l − ~s2 ) = 2 Ebenso sind ~l2 und ~s2 in der gekoppelten Darstellung diagonal, so dass wir erhalten: ! 1 ~l · ~s|n ` j mi = 2 = ! 1 ~ 2 ~2 1 j mi j − l − ~s2 |n l 2 2 ( ) ! 1 3 1 j(j + 1) − `(` + 1) − |n ` j ni q.e.d. 2 4 2 Wir betrachten nur den Fall, dass s = 21 . Dann kann die Quantenzahl j des Gesamtdrehimpulses nur die Werte j j 1 2 1 = 1− 2 = 1+ annehmen. (Im allgemeinen Fall: j = ` + s; ` + s − 1; . . . ; |` − s|) j = ` + 21 : ~l · ~s|n ` 1 2 ! 1 ` mi = 2 = = ! ! ) 1 1 3 `+ `− − `(` + 1) − 2 2 4 ! 1 1 |n ` ` + , mi 2 2 ( ) ! 3 3 1 1 1 2 2 ` + 2` + − ` − ` − |n ` ` + , mi 2 4 4 2 2 ! 1 1 1 `|n ` ` + mi 2 2 4 1 2 ( j = ` − 21 : ~l · ~s|n ` 1 2 ! 1 1 1 ` − mi = − (` + 1)|n ` 2 2 2 ! `− 1 mi 2 Wir haben also eine Darstellung gefunden, in der ~l · ~s diagonal ist, und können mit ihr H`s diagonalisieren. Allerdings ist jetzt H 0 nicht mehr diagonal, da `z und sz in der gekoppelten Darstellung nicht diagonal sind. Es ist also nicht möglich, wenn ` 6= 0 ist, H bezüglich ~l · ~s und `z und sz gleichzeitig zu diagonalisieren. Wir können das Problem aber störungstheoretisch lösen: Ist das äußere Magnetfeld schwach, d.h. ist hH 0 i << hHls i, dann können wir die magnetische Wechselwirkung als Störung betrachten und diagonalisieren bezüglich ~l · ~s (normaler Zeeman-Effekt). Gilt dagegen hH 0 i >> hH`s i, liegt also ein starkes äußeres Magnetfeld vor, diagonalisieren wir bezüglich `z und sz , d.h. wir wählen die Produktdarstellung der Wellenfunktion. Dann betrachten wir H`s als Störung und berechnen die sich ergebenden 164 Korrekturen störungstheoretisch (anormaler Zeeman-Effekt, Paschen-Back-Effekt). Damit haben wir auch festgelegt, wann das äußere Magnetfeld stark bzw. schwach ist. Wir wollen nun zunächst die Spin-Bahn-Aufspaltung (Paschen-Back-Effekt) in 1. Ordnung Störungsrechnung abschätzen. Wir gehen also von dem Hamilton-Operator H = H0 + µB (`z + 2sz ) Nz aus, der die Eigenfunktionen |n`Λ, 1 2 Σi hat. Seine Eigenenergien sind: Enl = nl + µB (Λ + 2Σ) Bz Wir haben also bezüglich sz und `z diagonalisiert. Der Operator Hls der Spin-Bahn-Wechselwirkung wird als Störung berechnet. Dabei müssen wir aber berücksichtigen, dass bei einem l-Niveau eine m-Entartung vorliegt. Wir müssen also eine unitäre Transformation von den ungestörten Funktionen zur Funktion in 0-ter Näherung angeben, wie wir in Kapitel 7.3 gesehen haben. Da es sich aber um die Kopplung von Drehimpulsen handelt, sind uns die Transformationskoeffizienten schon bekannt; es sind gerade die Clebsch-Gordan-Koeffizienten: |n`ji = X C Λ, Σ ! 1 1 ` j, ΛΣm |n`Λ; Σi 2 2 Dies ist analog zu 7.3 die “neue“ Darstellung der Eigenfunktionen in 0-ter Näherung. Mit ihnen berechnen wir jetzt die Störenergie der Spin-Bahn-Aufspaltung in 1. Ordnung: 1 mc !2 1 ∂ V (r)~l · ~s r ∂r H`s = 1 2 En`j = Enl + En`,1 En`,1 = En`j − Enl = hn`j |H`s |n`j i = hn`j |H`s |n`j i + !2 * 1 1 ∂ 1 ` V (r)|n`j n`j | −(` + 1) 4 mc r ∂r Da das effektive Potential V (r) eine positive Steigung hat, ist: * 1 ∂ n`j | V (r)|n`j r ∂r + >0 Wir erhalten also folgendes Ergebnis: j = ` + 21 : ∆E > 0; das Leuchtelektron bewegt sich also in einem abgeschwächten Potential. j = ` − 12 : ∆E < 0; das Leuchtelektron erfährt eine zusätzliche Attraktion, es bewegt sich in einem stärkeren Potential. Der Zeeman-Effekt Der Zeeman-Effekt beschreibt die Aufspaltung der Spektrallinien eines Atoms im schwachen äußeren Magnetfeld, d.h. also: hH`s i >> m ~ = ~ m ~ ·B magnetisches Gesamtmoment des Atoms 165 E Enlj Enl 3d 3p 3s 3d 5 2 3p 3 2 3s 1 2 3p 1 2 3d 3 2 2p 2s 2p 3 2 2s 1 2 2p 1 2 1s 1s 1 2 Abb. 7.8: V (r) r − Ze 2 r Z0 e 2 − r Ze 2 − r = abgeschirmtes Potential für das Leuchtelektron V (r) r r Abb. 7.9: Die Ableitung des effektiven Potentials ist also stets > 0 Daher gehen wir vom Hamilton-Operator H0 = p2 + V (r) + H`s 2m aus, der in der gekoppelten Darstellung diagonal ist, und betrachten die Wechselwirkung zwischen dem magnetischen Gesamtmoment des Atoms und dem Magnetfeld also Störung. Der ungestörte Operator hat die Eigenfunktionen |njmi = X C Λ, Σ ! 1 1 ` j, ΛΣm |n`Λ; Σi 2 2 und die Eigenwerte: H0 |njmi = njm |njmi Der gestörte Hamilton-Operator ergibt sich zu: ~ = H0 + µB (~j + ~s) B ~ H = H0 − m ~B 166 Das Magnetfeld möge wieder nur eine Komponente in Richtung der z-Achse haben, so dass wir die Störenergie in 1. Ordnung erhalten: (1) Enjm = hnjm|jz + sz |njmi µB Bz Wegen (1) Enjm = njm + Enjm ergibt sich die Energieverschiebung ∆ Enjm = Enjm − njm = µB Bz (m + hnjm|sz |njmi) wobei hnjm|sz |njmi allerdings nicht diagonal ist. Wir betrachten die m-Entartung zu festem n und j. Wir müssen also die Matrix hnjm|sz |njmi berechnen. Ihre Diagonalelemente sind die gesuchten Energiekorrekturen. Wir haben zwei Möglichkeiten, die Matrix zu berechnen: Erstens können wir die Wirkung des Operators sz über die ungekoppelten Funktionen direkt berechnen: hnjm|sz |njmi = = ! 1 C ` j, ΛΣm δΛΛ0 δΣΣ0 ΣC 2 ΛΣ,Λ0 Σ0 ! X 1 Σ|C ` j, ΛΣm |2 2 X ∗ 1 ` j; ΛΣm 2 ! ΛΣ Wenn die entsprechenden Clebsch-Gordan-Koeffizienten bekannt sind, haben wir das gewünschte Ergebnis. Mit der Gleichung m = Λ + Σ; Σ=m−Λ aus Kapitel 6.4 können wir die letzte Gleichung umformen: ! 1 ` j; Λm − Λm |2 2 hnjm|sz |njmi = ΣΛ (m − Λ)|C = m X Λ Λ 1− m ! |C ! 1 l j, Λm − Λm |2 2 = g·m Die Diagonalelemente der zu berechnenden Matrix sind also proportional der entsprechenden Quantenzahl der Projektion des Gesamtdrehimpulses. Diese Relation wird für die ungestörten Eigenfunktionen für jede Komponente des Spins gelten, da der Raum isotrop ist, wenn kein äußeres Magnetfeld vorliegt: hnjm|si |njmi = g hnjm|ji |njmi Diese Beziehung führt uns zur zweiten, eleganteren Methode. Wie wir wissen, gilt ~j = ~l + ~s ~l = ~j − ~s und damit auch: ~l2 ~j · ~s = ~j 2 + ~s2 − 2~j · ~s 1 ~2 ~ 2 2 = l − j − ~s 2 167 Die Eigenwerte sind: 1 h~j · ~si = 2 ( 3 j(j + 1) − `(l + 1) + 4 ) Mit den oben gewonnenen Erkenntnissen erhalten wir aber auch: hnjm|~j · ~s|njmi = = X m0 , i hnjm|ji |njm0 i hnjm0 |si |njmi X g hnjm|ji |njm0 i hnjm0 |ji |njmi m0 , i = g X i hnjm|ji2 |njmi Setzen wir nun die beiden Eigenwertgleichungen gleich, können wir den Proportionalitätsfaktor g bestimmen: g j(j + 1) = g = 1 2 ( 3 j(j + 1) − `(` + 1) + 4 j(j + 1) − `(` + 1) + 2j(j + 1) ) 3 4 Damit haben wir die Energieverschiebung in 1. Ordnung Störungsrechnung bestimmt: ∆ Enjm = ∆ Enjm = = µB Bz · m {1 + g} µB Bz · m gL gL = 1+ = µB Bz {m + hnjm|sz |njmi} µB Bz {m + g hnjm|jz |njmi} j(j + 1) − `(` + 1) + 2j(j + 1) 3 4 Es heißt Landé-Faktor. Der Operator H 0 kann nur unter der Voraussetzung, dass die Abstände der ungestörten Niveaus groß gegen ~ gL sind, störungstheoretisch behandelt werden1 . Für starke äußere Magnetfelder ist das nicht die Störung µB |B| ~ << hH`s i, dann kann man H`s vernachlässigen und man erhält den anormalen mehr der Fall. Wenn µB |B| Zeeman-Effekt oder Paschen-Back-Effekt. Das Magnetfeld “bricht“ dann die Spin-Bahn-Kopplung auf. Halbklassisches Vektormodell: Neben meinen Vorlesungsschriften habe ich im Wesentlichen Literatur benutzt: • Blochinzew, Grundlagen der Quantenmechanik, S. 250-290: sehr ausfürhlich und gut verständlich geschrieben, eingehende Behandlung der Anwendung der Störungstheorie. • Franz, Quantentheorie, S. 235-250: gute Darstellung des Hilbert-Raum-Formalismus in der Störungstheorie, empfehlenswert ist das Kapitel über den Stark-Effekt. • Condon/Shortley, The Theory of Atomic Spectra, S. 278-415: ausführliche Darstellungen des Stark- und Zeeman-Effekts, gute Verbindung von Theorie und Experimentalphysik. 1 Nur dann ist a − b << 1 und die Korrekturfunktion 1. Ordnung kann als kleine Änderung angesehen werden: X hb|H 0 |ai |bi ψ = Φ+ a − b b 168 Z, B s s j l l Abb. 7.10: links: Zeeman-Effekt (schwaches Magnetfeld); rechts: Paschen-Back-Effekt (starkes Magnetfeld) • Messiah, Quantum Mechanics Bd. II, S. 685-791: knappe, aber gut verständliche Darstellung der Grundlagen der Störungstheorie, empfehlenswert sind die Abschnitte über Spin-Bahn-Kopplung und Zeeman-Effekt. 169