Chancen und Risiken in der Implantologie 20. Jahrestagung der

Werbung
Chancen und Risiken in der Implantologie
20. Jahrestagung der DGI und 7. Jahrestagung des Landesverbandes Bayern
im DGI eV. in München vom 03.05-05.05.2007
M. Wichmann, Erlangen
Die Attraktivität implantologischer Themen und die Sogwirkung der DGI als größter
implantologischer Fachgesellschaft in Europa mit mehr als 5800 Mitgliedern sind
ungebrochen. 1100 Teilnehmer kamen zum 20. Jahreskongress der DGI, der
zusammen mit der 7. Jahrestagung des Landesverbandes Bayern im DGI e.V. in
München stattfand. Diese hohe Teilnehmerzahl war um so erstaunlicher, als die
Tagung in Dresden mit über 2000 Teilnehmern erst wenige Monate zurücklag.
Innovation
Neu auf einer Jahrestagung der DGI waren die Tischdemonstrationen, die einen
„hautnahen“ Kontakt mit erfahrenen Referenten wie z.B. Dr. Gerhard Iglhaut,
Memmingen, Dr. Michael Stimmlmayr, Cham, und Dr. Markus Schlee, Forchheim
ermöglichten. Die Demonstration und Diskussion aktueller implantologischer
Techniken im kleinen Kollegenkreis wird aufgrund der überaus positiven Resonanz
auch für künftige Jahrestagungen übernommen.
Neues aus Klinik und Wissenschaft: Chance für den Patienten
„Knochenzüchtung- geht das?“ Dieses zukunftsorientierte Thema präsentierte Prof.
Dr. Dr. Hendrik Terheyden, Kiel, anhand eigener Forschungsergebnisse. Die Größe
des Defektes bestimmt, welche Wege des „Tissue-Engeneering“ beschritten werden
können.
Zu
unterscheiden
sind
Patienten
mit
tumorbedingten
großen
Knochendefekten und die kleineren Defekte in der Implantologie.
Mit
der
Züchtung
Tumorpatienten
eines
und
Unterkiefersegmentes
im
Rückenmuskel
eines
dessen erfolgreicher Implantation zur Defektrekonstruktion
erbrachte das Kieler Team bereits vor drei Jahren den Beweis, dass die Neubildung
großer
Knochenstücke
im
blutgefäßreichen
Gewebelager
möglich
ist.
Die
Therapieoption, um mit in-vitro gezüchtetem Gewebe in Kürze größere Defekte zu
heilen, ist dennoch nicht gegeben, da die Zellen ohne Blutgefäße nicht überleben
können.
Mit REM-Bildern von proliferierenden Osteoblasten auf der Oberfläche von
Knochenersatzmaterialien belegte Terheyden indes die Möglichkeit, Zellverbände in
vitro zu kultivieren und diese zur Verbesserung der Knochendichte etwa bei der
Sinusbodenelevation einzusetzen.
Bei der Regeneration von Knochendefekten in der Implantologie scheint die
Einflussnahme auf die Angiogenese durch Signalmoleküle der Schlüssel zu
schnellerem Knochengewinn zu sein. Im März dieses Jahres wurde auf dem
amerikanischen Markt rhBMP-2 für kieferchirurgische Zwecke zugelassen. Noch sind
die gentechnisch hergestellten Wachstumsfaktoren mit 3500 Euro pro Dosis (ein
Sinuslift erfordert zwei Dosen) für den Routineeinsatz zu kostspielig. Terheyden ist
aber davon überzeugt, dass diese nach Zulassung in Europa und der Entwicklung
einer
geeigneten
Trägermatrix
eine
praktikable
Alternative
zum
autologen
Knochentransplantat darstellen werden.
Prof. Dr. Guiseppe Cardaropoli, New York, empfahl, dass bei der „Socket protection“
der Einsatz von KEM und Kollagen zur Verringerung vertikaler und horizontaler
Knochenabbauvorgänge an Extraktionsalveolen eingesetzt werden kann. Die
minimalinvasive Flapless-Surgery bei ausreichendem Knochenangebot ermöglicht
eine
deutliche
Verringerung
der
Knochenumbauvorgänge
und
ist
der
Lappenpräparation vorzuziehen. Ein Knochenabbau an der bukkalen Lamelle ist
auch durch eine Sofortimplantation nicht zu vermeiden.
Implantologie - Chancen auch für Risikopatienten?
Endokrinologische Erkrankungen stellen ein anamnestisch und therapeutisch
bedeutsames Risikopotential der implantologischen Therapie dar. Osteoporose,
chronische Cortisonmedikation und Diabetes mellitus können die Osseointegration
und den Langzeiterfolg von Implantaten negativ beeinflussen.
Präklinische Ergebnisse zeigen, dass ein Östrogenmangel, der dem klinischen Bild
postmenopausaler Frauen vergleichbar ist, zu einem reduzierten KnochenImplantatkontakt führt. Osteoporotische Verhältnisse, die besonders häufig bei
Frauen nach den Wechseljahren auftreten, führen vor allem im Oberkiefer zu einer
deutlich erhöhten Implantatverlustrate von 13,5 %. Klinisch kann dieses Risiko durch
eine postmenopausale Östrogentherapie um mehr als ein Drittel gesenkt werden.
Prof. Dr. Dr. Henning Schliephake, Göttingen, empfahl, eine lokale Verdichtung des
strukturschwachen Knochens im Rahmen der Implantatbettaufbereitung.
Auch die Langzeitbehandlung mit Cortison kann zur Induktion osteoporotischer
Bedingungen im Kieferknochen führen. Eine Dosierung von mehr als 5 mg Prednison
über einen Zeitraum von mehr als drei Monaten gilt als die zu berücksichtigende
Grenzdosis.
Durch
die
Herabsetzung
von
Osteoblastenfunktion
und
Kollagensynthese übt die langfristige Cortisongabe direkten Einfluss auf die
Knochenbildung aus. Ein dem Osteoporosepatienten analoges Vorgehen erscheint
Schliephake ratsam. Der Diabetes mellitus stellt heute grundsätzlich keine
Kontraindikation mehr für Implantatbehandlung dar. Die Implantatprognose wird
durch lokale Desinfektion mittels Chlorhexidinspülung und antibiotische Abdeckung
positiv beeinflusst. „Wenn der Blutzuckerspiegel gut eingestellt ist, spricht nichts
gegen eine Implantation“, resümiert Schliephake.
Bisphosphonate: Chance in der Onkologie, Risiko in der Implantologie
Bisphosphonate werden bei onkologischen Erkrankungen (z.B. Plasmozytom,
Mamma-Ca., Prostata–Ca.) oder zur Behandlung von Osteoporose häufig eingesetzt.
Diese
Arzneimittelgruppe
ist
als
mögliche
Kontraindikation
für
die
Implantatbehandlung ins zahnmedizinische Interesse gerückt. Als schwerwiegende
Komplikation gilt hierbei die Bisphosphonat-assoziierte Kiefernekrose. Neben der
kombinierten Radio-Chemotherapie stellen auch dentogene Infektionen und
Weichteil-Knochen-Wunden wie Extraktionsalveolen, Prothesendruckstellen und
Mikrotraumata
potentielle
Kofaktoren
für
eine
Bisphosphonat-assoziierte
Kiefernekrose (BP-ONJ) dar. Laut Prof. Dr. Dr. Knut A. Grötz, Wiesbaden, können
aufgrund der spärlichen Datenlage im Augenblick noch keine evidenzbasierten
Leitlinien
zur
implantologischen
Behandlung
von
Patienten
mit
Bisphosphonattherapie formuliert werden.
Ersten wissenschaftlichen Erkenntnissen folgend, nimmt das Risikopotential bei
Patienten unter langfristiger hoch dosierter Bisphosphonattherapie zu. Eine
Medikation von weniger als vier Monaten oder die jährlich einmalige Gabe von
Bisphosphonaten bei Patienten mit Osteoporose scheint das Risiko hingegen nur
geringgradig zu erhöhen: Osteoporose-Patienten, die Bisphosphonate in geringeren
Dosen und in Tablettenform einnehmen, sind hingegen seltener betroffen: Unter den
Millionen Patientinnen und Patienten, deren Osteoporose mit Bisphosphonaten bis
heute behandelt wurde, registrierten die Experten weltweit weniger als 50 Fälle einer
Kieferknochen-Nekrose.
Grötz verweist bezüglich der Behandlung von Bisphosphonatpatienten auf die von
ihm im Jahr 2006 mitformulierte wissenschaftliche Stellungnahme der DGZMK und
hält die Versorgung mit Implantaten beim Bestehen einer konventionell prothetischen
Alternativlösung für äußerst fraglich. Bei unumgänglichen zahnärztlich-chirurgischen
Eingriffen
muss
eine
primäre
Wundheilung
durch
einen
spannungsfreien,
speicheldichten Wundverschluss und eine perioperative Antibiose angestrebt
werden.
Der
zahnärztlichen
Prophylaxe
vor
Beginn
einer
Therapie
mit
Bisphosphonaten kommt besondere Bedeutung zu: „Bevor mit dieser Behandlung
begonnen wird“, rät Grötz, „sollen die Patienten klinisch und röntgenologisch
untersucht und entzündliche Prozesse an der Mundschleimhaut und im Kieferbereich
behandelt werden. Ebenso muss der Sitz von Prothesen überprüft werden, damit
keine Druckstellen entstehen.“
Parodontalerkrankung – doch kein Risikofaktor?
Aggressive
Parodontalerkrankungen
sind
als
Risikofaktor
des
langfristigen
Zahnerhalts insbesondere im Rahmen der prothetischen Therapieplanung bekannt.
Prof. Dr. Dr. Soren Schou, Aalborg, konnte anhand eigener Studienergebnisse
zeigen, dass kein erhöhter Implantatverlust bei Patienten mit chronischen oder auch
aggressiven Parodontopathien resultiert. Grundvoraussetzung ist jedoch eine
suffiziente prä- und postimplantologische Infektionskontrolle und die Aufklärung des
Patienten über ein erhöhtes Risiko von peri-implantärem Knochenabbau und
Periimplantitis. Da sich Schous Ergebnisse auf 5-Jahresdaten beziehen, bleibt der
Langzeiterfolg jedoch fraglich. Im Spektrum zahnärztlicher Therapieoptionen ist die
Implantatbehandlung von pardodontal erkrankten Patienten ein anerkanntes Mittel,
sollte aber bezüglich der in der Literatur berichteten Spätverluste der Implantate auch
weiterhin kritisch diskutiert werden.
Implantatprothetik ist die Schwachstelle
Klinische Erfolgsraten für Implantate von ca. 95 % nach 5- bis 10-Jähriger Tragezeit
sind mittlerweile wissenschaftlich fundierter Standard. Deutlich schlechter sieht es
aber bei der Erfolgsbilanz der auf den Implantaten verankerten Suprakonstruktionen
aus. Bei bis zu 25 % der auf
Implantaten verankerten Kronen, Brücken und
Prothesen sind aktuellen Studien zu Folge in den ersten fünf Jahren Reparaturen
bzw. Neuanfertigungen nötig. „Die Beherrschung dieser häufigen technischer
Komplikationen stellt“, so Prof. Dr. Manfred Wichmann, Erlangen, „mittlerweile eine
größere Herausforderung als die Einheilung der Implantate dar.“ Zu den häufigsten
Komplikationen zählen Retentionsverlust der Suprakonstruktion (30%), Lockerungen
und Frakturen der Schraubverbindungen (19%) sowie die Keramikfraktur (17%).
Während
keramische
Verblendungen
bei
konventionellen,
zahngetragenen
Konstruktionen nach 10 Jahren lediglich bei 3 % frakturieren, tritt diese Komplikation
bei implantatgetragenen Supakonstruktionen nach nur 5 Jahren bereits bei 14 % der
Patienten auf. Dies zeigt, dass die Übertragung bekannter prothetischer Techniken in
die Implantologie nicht ohne Weiteres möglich ist.
Die vorzeitige Lockerung der Suprakonstruktion kann durch den Einsatz von
zusätzlichen
Verankerungselementen
wie
z.B.
Riegeln
oder
sonstigen
miniaturisierten Attachments verhindert werden. Der Lockerung und Fraktur der
Schrauben kann durch die Berücksichtigung biomechanischer Parameter (z.B.
Verblockung,
geringe
Extensionen)
sowie
durch
drehmomentkontrollierte
Verschraubung vorgebeugt werden.
Für die Vermeidung von Keramikfrakturen ist bereits im Herstellungsprozess auf
strikte Einhaltung der Herstellerangaben, stabile Gerüste und gleichmäßige
Schichtstärken zu achten. Sinnvoll ist es auch, insbesondere umfangreiche
Suprakonstruktionen segmentiert zu planen, so dass die kleineren Einheiten bei
Bedarf mit einem geringeren Aufwand und Risiko repariert werden können. „Eine
Zementierung ist bei großen Rekonstruktionen, also Komplettrestaurationen des
ganzen Kiefers nicht sinnvoll“, so Wichmann.
Besonders bei Bruxismus-Patienten, die bis zu siebenfach höhere Kaukräfte
entwickeln und damit ein deutlich erhöhtes Risiko mechanischer Komplikationen im
Bereich der Suprakonstruktionen besitzen, spielt die Berücksichtigung genannter
Faktoren eine große Rolle um dem Langzeiterfolg der prothetischen Rekonstruktion
zu gewährleisten.
„Welcome to Bavaria“
Bayerisches Kabarett vom Feinsten und Standing ovations gab es am zweiten
Kongress-Abend im Augustinerkeller mit Gerhard Polt und den Biermösl Blosn. Bei
„Leberkaas und großer Moaß“ bejubelten bayerische und nicht-bayerische
Implantologen Polts Ausführungen über die „laut Pisa gescheiten Finnen, die net
amoi die Schlacht von Ampfing kennen“.
Der
Landesverbandsvorsitzende
Sebastian
Schmiedinger
zeigte,
dass
die
primärstabile Verankerung eines Zapfhahnes im Faß für einen echten Implantologen
keine Schwierigkeit darstellt. Zum Auftakt der Tagung hatte der Oberbürgermeister
der Stadt München, Christian Ude, die Kongressteilnehmer im alten Rathaus
empfangen.
Herunterladen