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Kanton Zürich
Gesundheitsdirektion
Kommunikation
26. August 2013: Jubiläumssymposium
100 Jahre Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie am USZ
Begrüssung durch Gesundheitsdirektor Dr. Thomas Heiniger
Sehr geehrte Damen und Herren
«Mir geht‘s dreckig.» Das steht seit letzter Woche auf öffentlichen Abfalleimern im Kanton
Zug. Und dazu der Hinweis: «Bei Kübeln kann das sein. Bei Menschen auch.»
Diese und ähnliche Aussagen sind Teil der jüngsten Kampagne, mit der in unserem
Nachbarkanton psychische Krankheiten zum öffentlichen Thema gemacht werden. Mir
gefällt diese Kampagne. Sie kommt frisch daher, ist originell und breit angelegt. Und die
Botschaft «Sprich auch über deine Psyche!» kommt klar rüber.
Diese Botschaft in der Bevölkerung zu verbreiten, ist auch heute noch nötig. So aufgeschlossen und offen unsere Gesellschaft in vielen Themen ist: psychische Krankheiten sind
für viele Menschen ein Tabu. Sie werden nicht als Krankheiten angesehen; man sieht sie ja
tatsächlich nicht; nicht immer oder nicht sofort. Der Umgang mit psychischen Krankheiten
ist für alle − Betroffene und Umfeld − eine Herausforderung. In unserer Gesellschaft, in der
jeder seine Stärken leben und betonen will, gelten psychische Krankheiten oft als
Schwäche oder als Versagen.
Sensibilisierungskampagnen sind deshalb wichtig und wertvoll. Sie helfen, das Bild zu
verändern, das unsere Gesellschaft von psychischen Krankheiten und von psychisch
erkrankten Menschen hat. Dieses Bild hat sich über die letzten Jahrhunderte bereits
gewandelt. Aber noch nicht ins Positive: Aus den «Spinnern» sind «Versager» geworden.
So wie sich das Bild in der Gesellschaft gewandelt hat, hat sich in den letzten Jahrzehnten
und Jahrhunderten auch die Auffassung darüber verändert, was die richtige psychiatrische
Versorgung ist. Ich will nicht viel aus der Geschichte der Klinik für Psychiatrie und
Psychotherapie vorweg nehmen, denn Prof. Flurin Condrau wird diese in seinem Referat
beleuchten. Ich will nur kurz auf die Zeit eingehen, in der die Klinik ihre Anfänge hat. Ich
zitiere dazu den Historiker Jakob Tanner. Er schreibt über die Zeit um die
Jahrhundertwende vom 19. zum 20. Jahrhundert Folgendes:
«Im ausgehenden 19. Jahrhundert herrschte in der ganzen Schweiz ein veritabler
Anstaltsboom. Bis zum Ersten Weltkrieg entstanden zwei Dutzend neue staatliche
Irrenanstalten und -abteilungen, in denen um die 10‘000 Kranke lebten.»
Dieser Boom hielt über den Ersten Weltkrieg hinaus an. Allein die Rheinau erreichte nach
dem Ersten Weltkrieg ein Fassungsvermögen von 1200 Patienten − der Schweizer
Grössenrekord. In diese Zeit hinein also reichen die Wurzeln der heutigen Klinik für
Psychiatrie und Psychotherapie am USZ. Die damalige «Psychiatrische Poliklinik» bezog
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26.8.2013 Jubiläumssymposium PSY USZ
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1913 ihre eigenen Räumlichkeiten im Stadtzentrum an der Rämistrasse und sollte die
grossen, in der Peripherie gelegenen Häuser entlasten, ergänzen.
So hat die Klinik bis heute ihren Stellenwert in der Zürcher Psychiatrielandschaft auf- und
ausgebaut: in Ergänzung zu den grossen Einrichtungen. Mit einem Angebot, das sich vor
allem auf ambulante psychotherapeutische Behandlungen konzentriert. Eine Besonderheit
ist die unmittelbare Nähe zur Akutsomatik: Als Klinik des USZ übernimmt die KPP
beratende Aufgaben für die Teams in anderen Kliniken und ist mit den eigenen Leuten
unmittelbar bei den Patientinnen und Patienten, die während eines stationären Aufenthalts
im USZ eine begleitende psychiatrische Behandlung oder Beratung benötigen.
Nah bei der universitären, akutsomatischen Medizin ist die Klinik in einem äusserst
spannenden Bereich positioniert. Kein Wunder, dass sie mit 100 Jahren alles andere als alt
wirkt, sondern die Dynamik aus dem Umfeld in die eigene Zukunft mitnimmt. Die Zukunftsaussichten sind herausfordernd. Die demografische Veränderung, die unsere Gesellschaft
immer älter werden lässt und zu einer Zunahme an polymorbiden Patienten führt, wird sich
auch auf das psychiatrische Versorgungsangebot auswirken: In den notwendigen,
ganzheitlichen Versorgungskonzepten für diese Patientengruppe werden die Psychiatrie
und Psychotherapie gewiss ihren Platz haben.
Ganzheitlich und vernetzt wird das Angebot sein müssen; ganzheitlich und vernetzt werden
sich auch die Organisationsformen, die Strukturen und Trägerschaften ausrichten müssen
− und das wird auch eine Herausforderung für die heutige Jubilarin.
Meine Damen und Herren, was ich Ihnen als Vertreter des Kantons mit auf den Weg in
diese Zukunft geben will, sind Gedanken aus unserer «Vision Psychiatrie». Sie alle wissen:
Es ist nicht einfach zu fassen, wo die Psychiatrie überhaupt verantwortlich sein muss, und
wo sie nicht zuständig sein darf. Es ist herausfordernd, die Bedürfnisse der betroffenen
Patientinnen und Patienten, die Interessen der Gesellschaft und die Vorgaben einer
wirksamen, zweckmässigen und wirtschaftlichen Gesundheitsversorgung unter einen Hut
zu bringen.
Umso wichtiger ist es, dass der Staat als Regulator, der die Rahmenbedingungen setzt,
seine Vorstellung der psychiatrischen Versorgung formuliert und transparent macht. Diese
Absicht steckt hinter unserer Vision Psychiatrie. Sie vermittelt das Bild, das wir vor Augen
haben, wenn wir als Gesundheitsdirektion unseren Auftrag erfüllen, auf das wir uns beim
Setzen von Rahmenbedingungen ausrichten und dem wir als Klinikbetreiber nachleben. Es
ist eine Richtschnur für uns – und soll auch für andere, die einen Beitrag zur
psychiatrischen Versorgung im Kanton Zürich leisten, eine solche Richtschnur sein.
Vier Adjektive sind dabei zentral. Die Psychiatrie im Kanton Zürich ist
innovativ, weil Stillstand auch in der Psychiatrie ein Rückschritt ist;
sie ist integrierend, weil psychisch erkrankte Menschen sozial und beruflich bestmöglich
eingegliedert werden;
sie ist wirtschaftlich, weil die vorhandenen Mittel effizient und wirkungsvoll eingesetzt
werden;
und − das Wichtigste zum Schluss − sie ist menschlich. Weil es um Menschen geht,
deren Leiden möglichst klein und Heilungschancen möglichst gross sein sollen.
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Menschen sind es, für die wir psychiatrische Versorgungsangebote entwickeln und
anbieten. Menschen sind es auch, die hinter diesen Angeboten stecken, diese überhaupt
möglich machen. Bei aller Digitalisierung unseres Alltags − und bei allen Chancen, die ein
webbasiertes Angebot auch für die Psychiatrie bietet: Es wird immer Menschen brauchen.
All den Menschen, die nun mit der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie ins 2.
Jahrhundert ihres Wirkens unterwegs sind, danke ich für das Engagement. Ich wünsche
Ihnen und Ihrer KPP alles Gute für die Zukunft.
Und Ihnen allen, meine Damen und Herren, wünsche ich heute ein interessantes,
bereicherndes Jubiläumssymposium. Ich danke Ihnen.
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