Predigt über Text: Thema

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Evang.-ref. Kirchgemeinde St. Gallen C
Kirchkreis Linsebühl
Predigt über 2. Mose 3,14-15: "Ich bin, der ich bin"
Linsebühl, 9. August 2009; von Pfr. Stefan Lippuner
Lesung: 2. Mose 3,1-15 (leicht gekürzt)
Mose weidete die Schafe und Ziegen seines Schwiegervaters Jitro, des Priesters
von Midian. Eines Tages trieb er das Vieh
über die Steppe hinaus und kam zum Gottesberg Horeb. Dort erschien ihm der Engel des Herrn in einer Flamme, die aus einem Dornbusch emporschlug. Er schaute
hin: Da brannte der Dornbusch und verbrannte doch nicht. Mose sagte: "Ich will
dorthin gehen und mir die aussergewöhnliche Erscheinung ansehen. Warum verbrennt denn der Dornbusch nicht?"
Als der Herr sah, dass Mose näher kam,
rief er ihm aus dem Dornbusch zu: "Mose,
Mose!" Er antwortete: "Hier bin ich." Der
Herr sagte: "Komm nicht näher heran! Leg
deine Schuhe ab; denn der Ort, wo du
stehst, ist heiliger Boden." Dann fuhr er
fort: "Ich bin der Gott deines Vaters, der
Gott Abrahams, der Gott Isaaks und der
Gott Jakobs." Da verhüllte Mose sein Gesicht; denn er fürchtete sich, Gott anzuschauen.
Der Herr sprach: "Ich habe das Elend
meines Volkes in Ägypten gesehen und ihr
Schreien gehört. Ich kenne ihr Leid. Da-
rum bin ich herabgestiegen, um sie aus
der Gewalt der Ägypter zu erretten. Geh,
Mose! Ich sende dich zum Pharao. Führe
mein Volk, die Israeliten, aus Ägypten
heraus!" Mose antwortete Gott: "Wer bin
ich, dass ich zum Pharao gehen und die
Israeliten aus Ägypten herausführen könnte?" Gott aber sagte: "Ich bin mit dir; ich
habe dich gesandt."
Da sagte Mose zu Gott: "Wenn ich nun zu
den Israeliten komme und ihnen sage:
'Der Gott eurer Väter hat mich zu euch
gesandt.' Da werden sie mich fragen: 'Wie
heisst er? Wie ist sein Name?' Was soll
ich ihnen darauf sagen?" Da antwortete
Gott dem Mose: "Ich bin der ich bin". Und
er fuhr fort: "So sollst du zu den Israeliten
sagen: Der «Ich bin» hat mich zu euch gesandt." Weiter sprach Gott zu Mose: "So
sag zu den Israeliten: 'Jahwe, der Gott eurer Väter, der Gott Abrahams, der Gott
Isaaks und der Gott Jakobs, hat mich zu
euch gesandt.' Das ist mein Name für immer und so wird man mich nennen in allen
Generationen."
"Ach wie gut, dass niemand weiss, dass ich Rumpelstilzchen heiss!"
Liebe Gemeinde.
Sie kennen sicher dieses Märchen, bei dem eine junge Königin den Namen eines Kobolds
herausfinden muss, damit sie ihm ihr erstes Kind nicht geben muss. Und als sie dieses Rätsel löst und den richtigen Namen sagen kann, wird Rumpelstilzchen so wütend, dass er sich
selbst zerreisst. – Ja, Namen sind eben mehr als nur Schall und Rauch; der Name ist nicht
nur ein Wort, sondern der Name sagt etwas aus über das Wesen seines Trägers. Und den
Namen von jemandem zu kennen, macht diese Person fassbar und begreifbar.
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Aus diesem Grund will auch Mose den Namen dieses Gottes wissen, der ihm da auf so ungewöhnliche Weise begegnet: in einem brennenden Dornbusch, der doch nicht verbrennt.
Dieser Gott sagt ihm zwar, er sei der Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs, Vorfahren aus
grauer Vorzeit. Aber Mose will mehr wissen. Er will das Wesen und die Persönlichkeit dieses Gottes kennenlernen. Darum fragt er nach dem Namen, um diesen den Israeliten weitersagen zu können, damit auch sie den Gott ihrer Väter erkennen können. Denn letztlich ist
eine Beziehung zu jemandem, auch zu Gott, nicht wirklich möglich, ohne seinen Namen und
damit ihn selbst zu kennen.
Und Gott nennt seinen Namen. Im Unterschied zu Rumpelstilzchen will er seinen Namen
und sein Wesen nicht verbergen und geheim halten, sondern er will sich Mose und seinem
Volk zu erkennen geben, denn er will eine Beziehung zu ihnen haben. Er will nicht distanziert in der Unfassbarkeit bleiben; er will seinem Volk nahe kommen. So gibt Gott Mose eine
Antwort auf dessen Frage nach seinem Namen; oder besser gesagt: Er gibt ihm eine zweifache Antwort.
Einerseits beantwortet Gott die Frage nach seinem Namen mit dem Satz: "Ich bin, der ich
bin", ein wohl bewusst etwas geheimnisvoll gehaltener Ausdruck, der bei aller Offenbarung
doch zeigen will, dass Gottes Wesen letztlich nicht völlig begreifbar ist und erst recht nicht
anmassend vereinnahmt werden kann. – Andererseits nennt Gott 'Jahwe' als seinen Namen. Dieser Name 'Jahwe' wird dann im Alten Testament sehr häufig für Gott gebraucht. Allerdings wurde er später von den Juden vor lauter Ehrfurcht nicht mehr ausgesprochen,
sondern beim Vorlesen durch das Wort 'adonai' ersetzt, was 'mein Herr' bedeutet. Die meisten unserer Bibelausgaben nehmen diese Praxis auf und übersetzen darum den Gottesnamen 'Jahwe' mit 'der Herr'; durch falsche Vokalisation wurde in gewissen Kreisen auch 'Jehova' daraus.
'Jahwe' – "Ich bin, der ich bin", zwischen beiden Begriffen besteht ein enger sprachlicher
Zusammenhang. Der Name 'Jahwe' erinnert nämlich im Hebräischen (der Ursprache des
Volkes Israel und des Alten Testaments) an das Verb 'haja', welches 'sein' bedeutet; darum
eben: "Ich bin, der ich bin".
In der hebräischen Sprache ist dieses Wort jedoch nicht wie im Deutschen ein philosophisch
abstrakter Begriff; es heisst nicht einfach 'sein' im Sinn von 'existieren'. Gott will Mose und
seinem Volk nicht einfach mitteilen, dass er existiert, dass es ihn gibt, dass er ist. – Natürlich
stimmt es auch, wenn wir sagen: Gott ist das wahre Sein, er ist der Seiende schlechthin, der
schon immer und für immer, der ewig Existierende. Wir als vom griechischen Denken geprägte Menschen denken meist ganz automatisch in solchen philosophischen Kategorien.
Doch das hebräische Wort 'haja' meint noch mehr; es drückt nicht ein abstraktes, gewissermassen ruhendes und auf sich selbst bezogenes Sein aus, sondern eine aktive, wirkende und gegenwärtige Realität. Es steckt Kraft und Dynamik darin; es ist ein auf Beziehung
ausgerichtetes Sein. Deshalb kann man den Ausdruck "Ich bin, der ich bin" vielleicht angemessener übersetzen mit: "Ich bin der, als den ich mich erweisen werde; ich bin der, wie ich
handeln werde". Denn vergessen wir nicht: Gott offenbart hier seinen Namen im Zusammenhang mit seiner Ankündigung, dass er sein Volk Israel aus der Sklaverei und dem Elend
in Ägypten befreien will. Er will Mose und Israel, aber auch den Pharao seine Macht erfahren lassen. Er will das, was er sich zum Heil seines Volkes vorgenommen hat, vollbringen.
"Ich bin der, als den ich mich erweisen werde".
Oder weil das Wort 'haja', wie gesagt, auch auf Beziehung ausgerichtet ist, kann man die
Offenbarung von Gottes Namen und Wesen auch so umschreiben: "Ich bin, der ich da bin;
ich bin da für dich; ich bin bei dir und mit dir". – Gott ist gegenwärtig, und zwar so, dass er
mit seinem Volk zu tun haben will.
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Mich dünkt das eine wunderbare Aussage Gottes über sich selber, eine gewaltige Offenbarung von Gottes Wesen und Person. Und da wir durch den Glauben ebenfalls zu seinem
Volk gehören, zu seinem Volk des neuen Bundes, darum gelten alle diese Zusagen auch für
uns. – Gott bleibt nicht abstrakt und distanziert, irgendwo weit weg in den himmlischen
Sphären und unnahbar. Sondern Gott ist gegenwärtig; er kommt zu uns, er ist da. Das ist
sein Name, sein Wesen in alle Ewigkeit.
Kennen wir ihn in dieser Art? Haben wir persönlich Gott erkannt als diesen "Ich bin, der ich
bin", mit seinen verschiedenen Bedeutungsfacetten, die ich genannt habe? Oder sind wir
noch wie Mose und die Israeliten, die sich vom Gott ihrer Väter, ihrer Vorfahren vergessen
und verlassen fühlen und ihn bestenfalls noch vom Hörensagen aus alter Zeit kennen?
Gott ist da, auch bei uns. Er will auch für jede und jeden von uns da sein. Er will uns begegnen, er will mit uns und unserem Leben zu tun haben, er will eine Beziehung mit uns. – Sind
wir offen dafür? Wollen auch wir mit ihm zu tun haben? Wollen wir uns auf sein Da-Sein, auf
seine Gegenwart einlassen? Oder sind wir noch ängstlich und misstrauisch, weil wir vielleicht irgendwelche schlechten Erfahrungen gemacht haben?
Gott ist ein Gott der Beziehung. Er ist in sich selbst Beziehung, darum ist er dreieinig (drei
Personen, die untereinander in Beziehung stehen und zusammen doch nur eine Person
sind). Und Gott will auch mit uns Menschen, mit den Geschöpfen seines Ebenbildes in Beziehung und Gemeinschaft leben. Er sehnt sich danach. Er will da sein für uns. – Und er
wartet darauf, dass wir ihm eine Antwort geben und uns auf seine Person, auf seine gegenwärtige Realität einlassen, dass wir uns ihm anvertrauen, dass wir an ihn glauben.
Ich möchte uns alle ermutigen, dies zu tun, sei es zum ersten Mal oder sei es zum wiederholten Mal (es ist immer wieder nötig). Doch damit wir das wirklich tun können, und auf Gott
einzulassen, ist es wichtig, dass wir Gottes Namen kennen, dass wir sein Wesen erkennen,
zumindest ein Stück weit und in seinen Hauptzügen.
Ich bin überzeugt: Wenn wir erkennen, dass Gott nicht der grosse Abwesende ist, der weit
weg im Himmel thront und unbeteiligt zuschaut, wie wir uns im Leben abmühen; dass Gott
nicht der alles sehende Polizist ist, der uns bei jeder Gelegenheit auf die Finger klopft und
Strafen verteilt; dass Gott nicht darauf wartet, dass wir genug leisten, genügend gute Taten
vollbringen und uns an alle Gebote und Regeln halten, damit er dann mit uns zufrieden sein
kann (alles Vorstellungen von Gott, die sich in uns gebildet haben können durch schlechte
Erfahrungen, besonders in der Kindheit); – sondern wenn wir Gottes wahres Wesen erkennen, nämlich dass er nahe ist, dass er da ist, für uns persönlich da ist; dass Gott sich interessiert für unser Leben und mit barmherzigen Augen auf uns schaut, dass er so auch unsere Nöte sieht, unser inneres Schreien hört und uns helfen und befreien will; dass Gott uns
einfach liebt, unabhängig von unseren Leistungen und unserem Anständigsein; – wenn wir
Gott als diesen Gott, als diesen "Ich bin, der ich bin" erkennen und kennenlernen, dann fällt
es uns mit Sicherheit leicht, an ihn zu glauben, auf ihn zu vertrauen und uns ganz ihm hinzugeben. Denn da finden wir das wahre Leben. Wagen wir darum diesen Schritt in die Beziehung und Gemeinschaft mit Gott. Er meint es so gut mit jedem von uns!
Als Mose nach seiner Begegnung mit Gott beim brennenden Dornbusch dann tatsächlich
zurück nach Ägypten geht und seinem Volk von Gottes Befreiungsabsichten erzählt, da sagt
Gott, er solle den Israeliten folgendes ausrichten (und das gilt nun eben auch für uns persönlich): "Ich bin Jahwe; ich will euch von der Last der Fronarbeit Ägyptens frei machen und
euch aus eurer Knechtschaft erretten und euch erlösen mit ausgerecktem Arm und durch
gewaltige Gerichte. Ich will euch als mein Volk annehmen und will euer Gott sein, und ihr
sollt erkennen, dass ich, Jahwe, euer Gott bin." [2. Mose 6,6-7]
AMEN
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