3. September 2015 Bundesministerium der Finanzen 11016

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Bundesministerium der Finanzen
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Abt. Steuerrecht und
Rechnungslegung
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3. September 2015
Diskussionsentwurf eines Gesetzes zur Reform der Investmentbesteuerung
Sehr geehrte Damen und Herren,
wir bedanken uns für die Übersendung des o. g. Gesetzentwurfes und die Möglichkeit bereits zu
einem Diskussionsentwurf Stellung zu nehmen. Steuerberater haben u. a. die Aufgabe, ihre Mandanten in allen Fragen der Kapitalanlage fachgerecht zu beraten; dies umfasst auch Fondsprodukte. Ein praxistaugliches, handhabbares Besteuerungssystem wird daher von der Bundessteuerberaterkammer unterstützt.
Wir begrüßen es, dass die Reform der Investmentbesteuerung voranschreitet und das Ziel verfolgt,
ein leicht administrierbares Besteuerungssystem für Investmentfonds zu schaffen. Aufgrund vieler
Antragserfordernisse, Dokumentations- und Nachweispflichten erscheint es aber fraglich, ob dieses Ziel letztlich erreicht wird. Auch werfen die vorgesehenen Pauschalierungen und Typisierungen weitere Probleme auf, so dass dieses Steuerrechtsgebiet höchst komplex bleibt.
Die Einführung eines intransparenten Besteuerungssystems für Investmentfonds kann aufgrund
der getrennten Besteuerung von Fonds und Anleger zu steuerlichen Mehrbelastungen führen. Angesichts der Tatsache, dass gerade Kleinanleger häufig neben typischen Altersvorsorgeprodukten
in Fonds für ihre Altersvorsorge sparen, ist dies problematisch. Steuererhöhend wird sich auch die
Reduzierung des Thesaurierungsprivilegs bei Spezial-Investmentfonds auswirken.
Ebenso werden sich bei einer Veräußerungsgewinnbesteuerung von Streubesitzdividenden erhebliche Steuererhöhungen ergeben. Eine Änderung der jetzigen gesetzlichen Regelung, betreffend
die Veräußerungsbesteuerung aus Streubesitzanteilen, wäre unter europarechtlichen Aspekten
jedoch nicht erforderlich. Die geplanten Regelungen sind mit der Absicht der Großen Koalition, in
der laufenden Legislaturperiode keine Steuererhöhungen vorzunehmen, nicht vereinbar.
Nachstehend erhalten Sie unsere Anmerkungen zu einigen Punkten.
Mit freundlichen Grüßen
i. A.
Claudia Kalina-Kerschbaum
Leiterin Steuerrecht und Rechnungslegung
Anlagen
Anlage
Stellungnahme
der Bundessteuerberaterkammer
zum
Diskussionsentwurf eines Gesetzes zur Reform
der Investmentbesteuerung
Abt. Steuerrecht und
Rechnungslegung
Telefon: 030 24 00 87-61
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3. September 2015
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Im Einzelnen:
Zu Artikel 1: Investmentsteuergesetz (InvStG)
Zu § 1 InvStRefG-E – Anwendungsbereich
In § 1 Abs. 2 InvStRefG-E sind Investmentfonds definiert als Investmentvermögen i. S. d. § 1
Abs. 1 des Kapitalanlagegesetzbuches (KAGB). Diese Definition wird jedoch in Satz 2 erweitert und in Abs. 3 werden die Produkte definiert, die keine Investmentfonds sind. Wir halten
diese Verknüpfung für problematisch, weil der Begriff des „Investmentvermögens“ i. S. d. § 1
Abs. 1 KAGB nicht unbedingt mit den steuerrechtlichen Anforderungen übereinstimmt.
Aus diesem Grunde regen wir an, eine eigenständige investmentsteuerrechtliche Definition zu
schaffen. Dadurch entsteht für den Anwender Rechtssicherheit.
Da die Verwahrstellen für die korrekte Einbehaltung und Abführung der Kaitalertragsteuer
haften, werden sie in Zweifelsfällen Kapitalertragsteuer einbehalten, in denen gar kein Investmentvermögen vorliegt. Die Folge wären Rückerstattungsanträge, die mit unnötiger Bürokratie und zusätzlichen Kosten gerade auch für Kleinanleger verbunden wären. Unsicherheiten können in der Praxis vermieden werden, wenn klare rechtliche Rahmenbedingungen für
die Abwicklung des Kapitalertragsteuerabzugs vorliegen.
Zu § 7 InvStRefG-E – Erhebung der Kapitalertragsteuer gegenüber Investmentfonds
Entsprechend der völligen Neukonzeption der Investmentbesteuerung ist eine abgeltende
Kapitalertragsteuer i. H. v. 15 % des Kapitalertrags vorgesehen. Diese führt trotz der geplanten Teilfreistellung zu einer höheren Steuerbelastung auf Ebene der Anteilseignerseite. Insofern verweisen wir auf die beigefügte Anlage.
Die Mehrbesteuerung zieht erhebliche Wettbewerbsverzerrungen gegenüber Direktanlagen
nach sich. Wie sich aus der beigefügten Berechnung (Anlage Fallgestaltung) insbesondere
ergibt, reicht die vorgesehene Teilfreistellung in § 17 Abs. 1 InvStRefG-E nicht aus, um diese
Mehrbelastungen auszugleichen.
Aus diesem Grunde regen wir an, wie wir nachstehend zu § 17 Abs. 1 InvStRefG-E ausführen, die Teilfreistellung entsprechend auf 50 % für Aktienfonds zu erhöhen.
Zu § 12 Abs. 2 InvStRefG-E – Haftung bei unberechtigter Steuerbefreiung oder Erstattung
Paragraf 12 Abs. 2 InvStRefG-E sieht eine Haftung der Anleger und Berechtigten bei einer zu
Unrecht in Anspruch genommenen Steuerbefreiung oder Erstattung von Kapitalertragsteuer
oder einer Zuwendung eines Vorteils vor. Demgegenüber heißt es in der Gesetzesbegründung (S. 56 oben) „Entlastungsbeträge“.
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Der Begriff des „Vorteils“ ist zu unbestimmt und führt zu Abgrenzungsproblemen. Es sollte
auch in der gesetzlichen Regelung der Begriff „Entlastungsbetrag“ statt „Vorteil“ verwandt
werden.
Zu § 13 InvStRefG-E – Gewerbesteuerbefreiung
Paragraf 13 InvStRefG-E regelt, dass ein Investmentfonds von der Gewerbesteuer befreit ist,
wenn dessen objektiver Geschäftszweck auf die Anlage und Verwaltung seiner Mittel für gemeinschaftliche Rechnung beschränkt und eine aktive unternehmerische Bewirtschaftung der
Vermögensgegenstände ausgeschlossen ist.
Unklar bleibt hier, ab wann von einer „aktiven unternehmerischen Bewirtschaftung“ auszugehen ist. Wir regen an, eine Wesentlichkeitsgrenze in das Gesetz aufzunehmen, bis zu der eine
wirtschaftliche Betätigung des Fonds unschädlich ist und nicht zu einem Wegfall der Gewerbesteuerbefreiung führt. Jahrelange Rechtsstreitigkeiten könnten damit vermieden werden.
Zu § 14 InvStRefG-E – Erträge aus Investmentfonds
Absatz 2 sieht eine Freistellung der Erträge eines ausländischen Investmentfonds ungeachtet
eines anders lautenden Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung nur dann vor,
wenn der Investmentfonds in dem Staat, dem nach dem Abkommen das Besteuerungsrecht
zusteht, der allgemeinen Ertragsbesteuerung unterliegt und die Ausschüttung zu mehr als
50 % auf nicht steuerbefreiten Einkünften des Investmentfonds beruht. Satz 3 fordert, dass
der Anleger nachweist, dass der Investmentfonds einer Ertragsbesteuerung i. H. v. mindestens 10 % unterliegt und nicht von ihr befreit ist.
In der Praxis wird der Anleger kaum in der Lage sein, die Ertragsbesteuerung des Fonds
nachzuweisen, diese Forderung ist daher in der Regel nicht einfach umsetzbar.
Zudem halten wir die vorstehende Regelung, mit der sich der Steuergesetzgeber über bestehende völkerrechtliche Verpflichtungen eines DBA hinwegsetzt, für äußerst problematisch
(sog. Treaty Override).
Es stellt sich auch die Frage, ob ein Doppelbesteuerungsabkommen gegenüber dem allgemeinen Recht Vorrang genießt aus dem Grundsatz der Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes. Denn eine völkerrechtsfreundliche Interpretation des nationalen Rechts ist aufgrund
der grundrechtlichen Normen geboten (vgl. nur Jarass/Pieroth, GG-Kommentar, 11. Aufl.
2011, Art. 25 Rdnr. 4 m. w. N.). Wir verweisen diesbezüglich auf die Görgülü-Entscheidung
des BVerfG vom 14. Oktober 2004, Az. II BVR 1481/04. Im Umkehrschluss wird aus dieser
Entscheidung geschlossen, dass ein Treaty Override nur bei einem Verstoß gegen die tragenden Grundsätze zulässig ist (vgl. Gosch, IStR 2008, S. 413).
Im Übrigen hätte es nahegelegen, die Verfahren vor dem BVerfG zur Problematik der Treaty
Overrides abzuwarten, bevor offensichtlich neue Treaty Overrides in mehrere Paragrafen dieses Gesetzes einfließen.
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Vor allen Dingen jedoch stellt diese Norm auf den Nachweis ausreichender ausländischer
Vorbelastung ab und es stellt sich die Frage, was z. B. geschieht, wenn der ausländische Investmentfonds aufgrund von Verlustvorträgen keine Ertragsbesteuerung im betreffenden Jahr
ausweist.
Zu § 15 InvStRefG-E – Vorabpauschale
Losgelöst von den tatsächlichen Erträgen wird hier eine Art Mindestbesteuerung normiert.
Unseres Erachtens ist diese Regelung, die einen Ausgleich für den Fortfall der sog. ausschüttungsgleichen Erträge schaffen soll, systemwidrig. Wird die geplante intransparente Besteuerung für Publikumsfonds umgesetzt, so wäre ausschließlich eine Besteuerung der Anteilseigner bei tatsächlichem Zufluss von Erträgen oder einer Veräußerung der Fondsanteile sachgerecht.
Diese systemwidrige Pauschalbesteuerung führt außerdem im Vergleich zu einer Direktanlage
zu Wettbewerbsverzerrungen. Schüttet etwa eine Kapitalgesellschaft ihre Gewinne nicht aus,
so hat der Anteilseigner erst im Zeitpunkt der Veräußerung der Anteile eine Besteuerung vorzunehmen.
Aus diesem Grunde regen wir an, hier keine Typisierung vorzunehmen und auf den Ansatz
einer Vorabpauschale zu verzichten.
Zu § 17 InvStRefG-E – Teilfreistellung
Da diese Teilfreistellung sich auf inländische Anleger beschränkt, die einen Abzug bei Ermittlung der Steuerbemessungsgrundlage erhalten, stellt sich u. E. die Frage, ob hierin ein Verstoß gegen die EU-Grundfreiheiten zu sehen sein könnte, wenn der betreffende Anteilseigner
im EU-Ausland ansässig ist.
Wir regen daher an, vor dem Gesetzgebungsverfahren eine Überprüfung der EU-Rechtmäßigkeit dieser Rechtsnorm vorzunehmen.
Auch in § 17 InvStRefG-E werden Typisierungen vorgenommen, die, wie der Beispielsfall
zeigt, nicht zur vorgetragenen Steuerneutralität des Gesetzes führen. Wir halten daher eine
Erhöhung der vorgesehenen Teilfreistellungsquote für erforderlich.
Sollte eine Gleichstellung mit der bisherigen Besteuerung, wie etwa in unserem Beispielsfall,
Anwendung finden, so wäre z. B. bei einem Aktienfonds eine Teilfreistellungquote i. H. v.
50 % adäquat.
Ein weiteres Problem ergibt sich aus dem Erfordernis eines fortlaufenden, mindestens zu
51 % ihres Wertes bestehenden Anlageverhaltens in Aktien oder in Immobilien und Immobiliengesellschaften. Zu nennen sind z. B. Mischfonds, bei denen Anlagen zwischen Aktien und
Anleihen changieren.
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Ergänzende Anmerkungen zur Teilfreistellung bei Mischfonds
Wie sich aus den beigefügten Berechnungsbeispielen ergibt, reichen die in § 17 InvStRefG-E vorgesehenen Teilfreistellungen nicht aus, um die Vorabbelastung von 15 % ausreichend zu kompensieren.
Aus unserer Sicht sind die Fälle, bei denen die vorgesehene Teilfreistellung von vornherein
ggf. nicht eingreift, noch problematischer. Dies dürfte insbesondere für sog. Mischfonds
gelten, die sowohl in Aktien, Anleihen und ggf. andere Produkte investieren. Gerade in Zeiten höchster Börsenvolatilität investieren viele Mischfonds zeitweise zu 100 % in einen
Kassenbestand, also Bargeld, um ganz kurzfristig bei sich bietender günstiger Gelegenheit
wieder in Aktien oder in Anleihen zu investieren.
Laut Gesetzesbegründung ist bei Aktienfonds darauf abzustellen, ob die Bundesanstalt für
Finanzdienstleistungsaufsicht laut der Fondskategorien-Richtlinie vom 22. Juli 2013 einen
Fonds als Aktienfonds kategorisiert. Es kommt demnach darauf an, dass gemäß den Anlagebedingungen fortlaufend mindestens 51 % des Wertes des Investmentfonds in Aktien
angelegt werden. Ausweislich der Gesetzesbegründung meint „fortlaufend“, dass aus den
Anlagebedingungen erkennbar sein muss, dass ein dauerhaftes Erreichen oder Überschreiten von 51 % Aktienanteil angestrebt wird. Bei Mischfonds ist diese Kategorie u. E.
jedoch aus den o. g. Gründen nicht passend.
Gerade Mischfonds erfreuen sich aber aufgrund ihrer breiten Risikostreuung bei Kleinanlegern einer hohen Popularität. Sie werden in verstärktem Umfang für eine ausreichende Altersvorsorge, etwa im Rahmen eines monatlichen Sparplanes, regelmäßig angespart, weil
sich der Kleinanleger den sog. Cost-Average-Effekt zunutze machen kann. Dieses bedeutet, dass in Zeiten hoher Werte weniger Anteile gekauft werden, in Zeiten niedriger Werte
dagegen umso mehr.
Unseres Erachtens wäre es daher das falsche politische Signal und höchst kontraproduktiv, Anleger dieser Mischfonds durch eine Nichtgewährung einer Teilfreistellung schlechter
zu stellen.
Zwar sieht § 17 Abs. 3 InvStRefG-E vor, dass die Teilfreistellung auf Antrag in der Veranlagung dennoch anzuwenden ist, wenn der Anleger nachweist, dass der Investmentfonds
während des Geschäftsjahres tatsächlich die Anlagegrenzen des Absatzes 1 oder 2 erfüllt
hat. Diese Anforderung kann jedoch der Anleger im Regelfall nicht erbringen, so dass diese Nachweismöglichkeit ins Leere läuft und folglich eine Teilfreistellung nicht gewährt wird.
Unklar ist auf den ersten Blick die in § 17 Abs. 4 InvStRefG-E angeordnete sinngemäße Anwendung des § 3c Abs. 2 EStG. Hier bietet es sich u. E. an, einen eigenen Paragrafen im
Rahmen dieses Gesetzes zu schaffen, um ganz klar zum Ausdruck zu bringen, was vom Gesetzgeber intendiert ist.
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Zu § 33 InvStRefG-E – Anrechnung und Abzug von ausländischer Steuer
Ganz generell zeigt sich in § 33 InvStRefG-E die Problematik einer unveränderten Übernahme
von Rechtsnormen aus anderen Gesetzen, trotz der bestehenden Kritikpunkte. Hinzuweisen
ist auf § 34c Abs. 1 EStG, aber insbesondere auf § 26 Abs. 1 KStG. So sieht § 33 Abs. 1
Satz 3 InvStRefG-E vor, dass für körperschaftsteuerpflichtige Anleger die sich ergebende
Körperschaftsteuer im Verhältnis dieser ausländischen Einkünfte zur Summe der Einkünfte
aufgeteilt wird. Die Summe der körperschaftsteuerpflichtigen Einkünfte enthält aber noch keine abziehbaren Spenden oder Verlustvorträge der Gesellschaft.
Die vorgesehenen Änderungen im Körperschaftsteuerrecht sollten zum Anlass genommen
werden, § 26 Abs. 2 Satz 1 KStG zu überarbeiten. Paragraf 26 Abs. 2 Satz 1 KStG sollte so
gefasst werden, dass z. B. auch inländische Verlustvorträge und Spenden abgezogen werden
können bei Ermittlung des Höchstbetrags der anzurechnenden ausländischen Steuern. Insoweit müsste die EuGH-Entscheidung in der Rechtssache Beker und Beker vom 28. Februar
2013, Rs. C-108/11, entsprechend umgesetzt werden.
Zu § 39 Abs. 6 InvStRefG-E – Anwendungs- und Übergangsvorschriften
In Abs. 6 wird in Satz 2 eine Steuerpflicht für ab dem 1. Januar 2018 eingetretene Wertveränderungen normiert, soweit der Gewinn aus der Veräußerung von Anteilen i. S. d. Satzes 1
(Alt-Anteilen) 100.000,00 € übersteigt. Ausweislich der Begründung soll das Vertrauen der
Kleinanleger durch Einfügung eines Freibetrages von 100.000,00 € geschützt werden.
Unseres Erachtens widerspricht die Besteuerung der Alt-Anteile ganz generell, also völlig losgelöst von der Höhe eines Freibetrages, dem im Rahmen der Einführung der Abgeltungssteuer eingeführten Bestandsschutz für die Steuerfreiheit von Veräußerungsgewinnen. Auch hier
sind ggf. Missbrauchsfälle über andere Rechtsnormen zu vermeiden.
Es kommt hinzu, dass im Vergleich zur Direktanlage, also etwa einer Anlage in Aktien, erhebliche Wettbewerbsverzerrungen eintreten. Denn im Rahmen einer Direktanlage in Aktien ist
eine Versteuerung der Alt-Anteile bei einer Veräußerung nicht vorgesehen.
Zu Artikel 3: Änderung des Körperschaftsteuergesetzes
Zu § 8b Abs. 4 Sätze 1 und 6 KStG-E
Durch diese Rechtsänderung wird eine Besteuerung der Veräußerungsgewinne aus im Streubesitz befindlichen Anteilen eingeführt. Laut der Begründung zum Gesetzentwurf ist die steuerliche Gleichbehandlung von Veräußerungsgewinnen mit den Dividenden aus Streubesitzanteilen gerechtfertigt, da die Veräußerung einer Beteiligung einer Totalausschüttung gleichkomme.
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Hintergrund der bereits erfolgten Einführung einer Besteuerung von Dividenden bei Streubesitzbeteiligungen war die EuGH-Entscheidung in der Rs. C-284/09 vom 20. Oktober 2011 –
Kommission/Bundesrepublik Deutschland wegen der Schlechterstellung von Dividendenausschüttungen, je nachdem, ob sie an eine gebietsansässige oder gebietsfremde Gesellschaft
ausgeschüttet wurden.
Um eine Gleichbehandlung zu erreichen, hätte auch die Möglichkeit bestanden, Dividendenausschüttungen an EU-Gesellschaften ebenfalls steuerfrei zu stellen, was jedoch aus fiskalpolitischen Gründen unterblieben ist.
Die Gleichstellung von Veräußerungsgewinnen mit Dividenden erscheint nur vordergründig
einleuchtend. Wir weisen jedoch darauf hin, dass die Besteuerung der Streubesitzdividenden
im Rahmen des bestehenden Körperschaftsteuerrechts einen Systembruch darstellt. Die geltende Steuerfreistellung (von 95 %) einer von einer Kapitalgesellschaft erhaltenen Ausschüttung stellt lediglich sicher, dass Kaskadeneffekte bei einer Ausschüttung über mehrere Stufen
vermieden werden. Die Gewinne, aus der eine Ausschüttung sich speist, werden zum einen
auf der Ebene der ausschüttenden Körperschaft mit 15 % definitiv besteuert und zum anderen
bei der natürlichen Person, die als Anteilseigner am Ende der Ausschüttungskette steht, mit
25 %.
Anders als bei der Dividendenbesteuerung ist die Besteuerung der Veräußerungsgewinne aus
europarechtlicher Sicht jedoch nicht erforderlich. Mit ihr würde der bestehende Systembruch
auf Veräußerungsgewinne erweitert. Außer fiskalischen Erwägungen ist dafür keine Rechtfertigung zu erkennen; wir lehnen diese gesetzliche Änderung daher ab.
Schon für den Bereich der Dividendenbesteuerung ist darüber hinaus darauf hinzuweisen,
dass die bestehende Orientierung des Gesetzes an der Beteiligungsquote zu Beginn eines
Kalenderjahres einen Verstoß gegen die Mutter-Tochter-Richtlinie bedeutet.
Sowohl in den bestehenden Doppelbesteuerungsabkommen als auch in der Mutter-TochterRichtlinie wird für die Bestimmung der Beteiligungsquote auf den Zeitpunkt der Ausschüttung
abgestellt. Auf diese Regelungen können sich ausländische Anteilseigner unmittelbar berufen,
Inländer jedoch nicht. Damit benachteiligt das bestehende Recht insoweit heute bereits die
inländischen gegenüber ausländischen Anteilseignern.
Diese Benachteiligung soll auch bei der geplanten Besteuerung der Veräußerungsgewinne
gelten. Anders als bisher soll § 8b Abs. 4 Satz 6 KStG zukünftig keine Rückbeziehung von
unterjährigen Beteiligungserwerben auf den Jahresbeginn mehr vorsehen. Sofern die Besteuerung von Veräußerungsgewinnen umgesetzt wird, sollte zumindest an die zum Veräußerungszeitpunkt geltende Beteiligungsquote angeknüpft werden. Falls eine begleitende Regelung zur Missbrauchsabwehr für notwendig gehalten würde, könnten bestimmte Mindesthaltedauern vorgesehen werden. Dies gilt ebenso für den Bereich der Dividendenbesteuerung.
Die Sinnwidrigkeit der vorgesehenen Regelung stellt u. E. das in der Gesetzesbegründung
(S. 93) geschilderte Beispiel 2 dar, weil die A-GmbH zum Ausschüttungszeitpunkt und zum
Jahresende noch 15 % der Anteile an der X-AG hält.
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Eine abweichende Beurteilung ergäbe sich bereits dann, wenn im Beispielsfall 2 die A-GmbH
am 1. und 2. Juni jeweils 10 % der Anteile an der X-AG erworben hätte. Abgestellt würde damit auf rein zufällige Daten des Beteiligungserwerbs.
Dieses Ergebnis ist jedoch ungereimt.
In der Abwandlung müsste zudem auf Beispiel 2 Bezug genommen werden.
Zu § 26a KStG-E – Steuerermäßigung
Die geplante Einführung der Veräußerungsgewinnbesteuerung trifft die Wagniskapitalgeber
aus zwei Gründen besonders stark. Zum einen ist das Engagement von Business Angels in
einem Unternehmen von der Natur der Sache her eher kurz- bis mittelfristig angelegt. Die
Wiederveräußerung von Anteilen eines Start-up-Unternehmens ist damit von Beginn an vorgesehen. Zum anderen stellt der aus der Wertsteigerung der Anteile resultierende Veräußerungsgewinn einen wesentlichen Teil der Vergütung für das vom Wagniskapitalgeber eingegangene Risiko dar. Von zehn Engagements benötigt ein Geldgeber von Wagniskapital drei
sehr erfolgreiche Abschlüsse, um eine gute Gewinnquote zu erhalten.
Auch wenn die Besteuerung des Veräußerungsgewinns erst 2018 Geltung erlangt, bedeutet
dies einen Eingriff in heute bereits bestehende Engagements, bei denen die Finanzierungsbedingungen bereits ausgehandelt worden sind. Es erscheint zweifelhaft, ob die vorgesehene
Steuerermäßigung für Start-ups und Business Angels aufgrund ihrer sehr engen Voraussetzungen einen adäquaten Ausgleich dazu herstellen kann. Es ist zu befürchten, dass sie die
Wirkung verfehlen wird, den Standort Deutschland gerade für innovative junge Unternehmen
attraktiver zu gestalten.
Eine Verbesserung von Verlustverrechnungsmöglichkeiten würde eine gesetzestechnisch
wesentlich weniger aufwendige Möglichkeit der Förderung nicht nur von Start-ups bedeuten;
sei es eine Abschaffung der Mindestbesteuerung nach § 10d Abs. 2 EStG, sei es eine Begrenzung des Verlustabzugs bei Körperschaften nach § 8c KStG auf Missbrauchsfälle.
Zu § 34 Abs. 5 Satz 2 KStG-E
Ausweislich der Gesetzesbegründung (S. 96) soll aufgrund der langen Vorlaufzeit bis zur Anwendung der Regelung eine Abgrenzung von Wertsteigerungen, die vor dem 31. Dezember
2017 entstanden sind, nicht erforderlich sein. Weiterhin verweist die Gesetzesbegründung
darauf, dass aufgrund der hohen Wertschwankungen der Streubesitzanteile eine eindeutige
Zuordnung der stillen Reserven nicht möglich sein soll.
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Unseres Erachtens ist diese Argumentation problematisch, weil das BVerfG in seiner Entscheidung, Beschluss vom 7. Juli 2010, Az. 2 BvL 14/02, 2 BvL 2/04, 2 BvL 13/05, entschieden hat, dass die Anwendung der verlängerten Spekulationsfrist gegen die verfassungsrechtlichen Grundsätze des Vertrauensschutzes verstößt und nichtig ist, soweit ein im Zeitpunkt
der Verkündung bereits eingetretener Wertzuwachs der Besteuerung unterworfen wird, der
nach der zuvor geltenden Rechtslage bereits steuerfrei realisiert worden ist oder zumindest
bis zur Verkündung steuerfrei hätte realisiert werden können, weil die alte Spekulationsfrist
bereits abgelaufen war. Insoweit war bereits eine konkret verfestigte Vermögensposition entstanden, die durch die rückwirkende Verlängerung der Spekulationsfrist nachträglich entwertet
wird.
So müssen laut dieser Entscheidung des BVerfG auch stille Reserven aus der Veräußerungsgewinnbesteuerung herausgenommen werden, selbst wenn das betreffende Grundstück zum
Zeitpunkt der Gesetzesänderung noch nicht veräußert gewesen ist.
Im Übrigen verweisen wir auf das anhängige BFH-Verfahren, Az. I R 34/15, betreffend der
Zulässigkeit einer rückwirkenden Besteuerung stiller Reserven. Das vorlegende Hessische
Finanzgericht hat in seinem Urteil vom 24. März 2015, Az. 4-K-2179/13, klar zum Ausdruck
gebracht, dass die Besteuerung möglicher Wertsteigerungen, die bis zur Verkündung bzw. bis
zum Beschluss der Gesetzesänderung steuerfrei hätten realisiert werden können, eine verfassungswidrige Rückwirkung darstellen und daher gegen die verfassungsrechtlichen
Grundsätze des Vertrauensschutzes verstoßen.
Anlage Fallgestaltung
Privater deutscher Anleger legt in einen inländischen deutschen Aktienfonds an
1. Steuerberechnung, bisher
Ausschüttung des Investmentfonds:
Steuerbelastung auf Fondsebene
Zufluss beim Anteilseigner
ESt/SolZ
Verbleiben beim Anteilseigner nach Steuern:
100,00 €
0,00 €
________
100,00 €
26,375 €
________
73,625 €
2. Steuerberechnung, neu
Ausschüttung des Investmentfonds:
Abzüglich abgeltende KöSt, 15 %
Zufluss beim Anteilseigner
100,00 €
15,00 €
85,00 €
Steuerberechnung beim Anteilseigner 85,00 €
Abzüglich Teilfreistellung 20 % = 17,00 €
Zu versteuern mithin 68,00 €
ESt/SolZ beim Anteilseigner
17,935 €
* Steuer auf Fondsebene, s. o.
15,00 €
Gesamtsteuerbelastung:
32,935 €
Verbleiben beim Anteilseigner nach Steuern:
32,935 €
67,065 €
3. Steuerberechnung, bei Teilfreistellung 50 %
Ausschüttung des Investmentfonds
Abzüglich abgeltende KöSt, 15 %
Zufluss beim Anteilseigner
100,00 €
15,00 €
85,00 €
Steuerberechnung beim Anteilseigner 85,00 €
Abzüglich Teilfreistellung 50 % = 42,50 €
Zu versteuern mithin 42,50 €
ESt/SolZ beim Anteilseigner
11,21 €
* Steuer auf Fondsebene, s. o.
15,00 €
Gesamtsteuerbelastung:
26,21 €
Verbleiben beim Anteilseigner nach Steuern:
26,21 €
73,79 €
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