Predigt am 29.06.08 in Oslo man sie wie ein Gemälde betrachtet. Text: 1. Petrus 2,1-10 Wie eine große Malerei, die Bilder, Schriftzeichen, Symbole enthält, die in verschiedene Richtungen anstoßen, sich mit eigenen Erfahrungen und Assoziationen verbinden. In unserem Predigttext sind Sätze, Zitate, Szenen und Bilder so aneinandergereiht, dass es fast wie eine Collage wirkt. 1 So legt nun ab alle Bosheit und allen Betrug und Heuchelei und Neid und alle üble Nachrede 2 und seid begierig nach der vernünftigen lauteren Milch wie die neugeborenen Kindlein, damit ihr durch sie zunehmt zu eurem Heil, 3 da ihr ja geschmeckt habt, daß der Herr freundlich ist. 4 Zu ihm kommt als zu dem lebendigen Stein, der von den Menschen verworfen ist, aber bei Gott auserwählt und kostbar. 5 Und auch ihr als lebendige Steine erbaut euch zum geistlichen Hause und zur heiligen Priesterschaft, zu opfern geistliche Opfer, die Gott wohlgefällig sind durch Jesus Christus. 6 Darum steht in der Schrift (Jesaja 28,16): »Siehe, ich lege in Zion einen auserwählten, kostbaren Eckstein; und wer an ihn glaubt, der soll nicht zuschanden werden.« 7 Für euch nun, die ihr glaubt, ist er kostbar; für die Ungläubigen aber ist »der Stein, den die Bauleute verworfen haben und der zum Eckstein geworden ist, 8 ein Stein des Anstoßes und ein Fels des Ärgernisses« (Psalm 118,22; Jesaja 8,14); sie stoßen sich an ihm, weil sie nicht an das Wort glauben, wozu sie auch bestimmt sind. 9 Ihr aber seid das auserwählte Geschlecht, die königliche Priesterschaft, das heilige Volk, das Volk des Eigentums, daß ihr verkündigen sollt die Wohltaten dessen, der euch berufen hat von der Finsternis zu seinem wunderbaren Licht; 10 die ihr einst »nicht ein Volk« wart, nun aber »Gottes Volk« seid, und einst nicht in Gnaden wart, nun aber in Gnaden seid (Hosea 2,25). Textlesung 1. Manche Bibeltexte erschließen sich einem vielleicht am besten, wenn Petrus hat langsam (und in vielen Anläufen) begriffen: hier ist nicht nur ein Rabbi mehr. Hier ist nicht nur ein genialer Weisheitslehrer. Hier ist Gott selbst. Nachdem Jesus in die unsichtbare Welt Gottes gegangen war, wurde Petrus zu einer Säule der ersten Gemeinden. Schwer zu verstehen, nicht einfach zu folgen. Sein Anliegen war: Die Wirklichkeit Jesu in dieser Welt zu erkennen. Und diese Wirklichkeit als Gemeinde zu leben. Es stecken wohl klare Grundgedanken dahinter, die aber in Bewegung gehalten werden, mit unterschiedlichen Ergebnissen betrachtet werden können. Das war sein Lebensthema: die Gemeinde. Gottes Gemeinde. Dafür gab er alles. Die vielen alttestamentlichen Zitate (die in Klammern mit Stellenangabe stehen) werden nicht ausgeführt, gehen in verschiedene Richtungen, sind logisch gar nicht ganz vereinbar. Wie verschiedene Strukturen und Symbole, die aufeinander verweisen, aber nicht ein einzelnes geschlossenes Bildmotiv ergeben. - Manche Bibeltexte erschließen sich einem vielleicht am besten, wenn man sie wie ein Gemälde betrachtet. _______________________________ 2. Stellen Sie sich vor da hängt in einer modernen Galerie ein Bild. Der eigenwillige Titel: Haus der lebendigen Steine Der Name des Künstlers - ein Künstlername: Petros. Fels, Stein. Ein Name, den er von dem Meistermaler Jesus zugesprochen bekam. Simon Petrus hat von Jesus gelernt. Die Welt zu sehen und zu beschreiben als Einflussbereich Gottes. Er will Jesusnachfolgern Mut zusprechen. Ihnen Hoffnungen aufzeigen. Gottes Freundlichkeit schmackhaft machen. Ihnen zeigen, wer sie sind. Sie ins Licht führen. Das ist auch zu erwarten als Inhalt seines Bildes. ________________________________ 3. Unten rechts und links dunkle Gestalten, die Gesichter treten heraus, bleiche Gesichter. Mit spitzen Linien gezeichnet. Gruppen von Menschen. Menschen in Schwierigkeiten, Menschen unter Druck. Angstverzerrte Gesichter. Aber auch harte Gesichter, mürrisch, neidisch. Verschlagenheit ist erkennbar, so etwas wie Heuchelei, Bosheit. Eine Gruppe steckt zusammen und macht andere schlecht. Prahlende Gesichter, eigenartig in ihrem erstarrten Lächeln, das nur auf sich selber verweist. Beklemmend. ________________________________ 4. Die Mitte des Bildes ist sehr hell gestaltet. Diese Figuren mit den eindrucksvollen Gesichtern werden angezogen vom Mittelpunkt des Gemäldes: Ein leuchtender Stein. Blau leuchtend, wie die Verbindung zum Unendlichen. Tiefe wird erkennbar, der Atem aus einem anderen Raum. Dieser Stein steht nicht nur im Mittelpunkt, er spiegelt sich, taucht an verschiedenen Stellen auf. Eigenartig angeordnet: einmal wie der Schlussstein in einem riesigen Gewölbe, der die Spannung der anderen Steine trägt. Das andere Mal als tragendes Fundament für weitere Steine, auf dem alles aufruht. Und wieder an einem anderen Bereich des Bildes als ein Eckstein, verschiedene Ausrichtungen aufeinander laufend in ihm. Und er liegt an einer anderen Stelle da als Stolperstein, als Anstoß. Verquer und im Weg. Trotzdem ist es irgendwie ein Stein. - Dazwischen, darauf, darunter Steine, viele andere Steine. Wie ein Organismus. Sie scheinen sich zu bewegen, scheinen lebendig zu sein. Ein Widerspruch in sich selbst: lebendige Steine. Das wird bewirkt durch den Umgang mit den Konturen: verwischt, wie ein Foto von einer schnellen Bewegung verwischt werden kann. - die Steine bewegen sich auf den Grundstein, Zentralstein, Eckstein zu. Indem sie kommen, werden sie eingeordnet in ein lebendiges Bauwerk, vielfältig verzweigt. Sie finden einen Platz. Verschiedene Steine, glatte, raue, fein ziselierte, kleine und große. ________________________________ 5. Rechts von diesen Steinen eine Menschenmenge. Hell gekleidete Gestalten, Figuren wie Priester, Schamanen, Weise. Nicht in sich gekehrt, sondern nach oben ausgerichtet und auf die Seite. Ein Volk von Priestern Sie bitten, verbinden, bauen Brücken, schauen nach außen, strecken die Arme aus. Lange Arme, die hereinbitten. Durch Gebete, Taten und Worte. Sie scheinen alles hineinziehen zu wollen ins Licht, in das helle, vielgestaltige Bauwerk. ________________________________ 6. In aller Bewegung, in abgegrenzten, aufeinander aufbauenden Strukturen, in den HellDunkel-Kontrasten ist ein Raum ausgespart. Links vom Zentrum mit der Steinarchitektur. Mit weichen Farben ein Säugling an der Mutterbrust, mit innigem Gesichtsausdruck, er geht ganz auf im Trinken. Lässt nicht ab. Dieser Säugling hat, was er braucht. ________________________________ 7. Wie kann man so ein Bild deuten? Gut, wenn man die Zeit hat, an der Stelle zu verweilen, die einen anspricht. Bei einem guten Bild ergeben sich Beziehungen zu ganz persönlichen Erfahrungsfeldern, ein Gemälde kann Fragen stellen. vom Bösen, von Egoismus und Schlechtmachen der anderen. Da ist zum einen die Fragestellung, die wir aus dem 1. Petrusbrief kennen: Was ist eigentlich die Gemeinde? Was heißt es, getauft zu sein? Das ist auch unser Thema heute. Er will Hoffnung machen im Leiden an sich selber und anderen. Und zum anderen sind da unsere ganz persönlichen Fragestellungen, Erfahrungen, die beim längeren Betrachten in den Vordergrund treten. A Wer sind diese Gruppen von Menschen mit den bedrückten oder fratzenhaften Gesichtern. Ich kann mich mit manchen der Gesichtern identifizieren. Da ist ein Gesicht, unbeweglich, starr, unter Spannung, schaut zum Licht… Die Körperhaltung: verkrampft und gegen andere verschlossen. Wie um sich selber zu retten. Was will der Künstler sagen? Er hat sich ein Leben lang auseinander gesetzt mit der Situation der Christen damals in der Gemeinde. Erlebte, wie Menschen sich auf den „neuen Weg“ einließen, Gemeinden entstanden, sich die Bewegung ausbreitete. Er begleitete Gemeinden, die unter dem wachsenden Widerstand litten, bis hin zu handfestem Druck und starken Einschränkungen. Daneben wird er aber nicht müde, auf innere Unechtheiten hinzuweisen: ihr seid doch Christen, schaut auf das, was Jesus, unser Herr, gesagt hat. Lebt aus Gottes Liebe. Nehmt eure Berufung ernst, eure Bestimmung. Trennt euch Macht euch auf den Weg – weg von diesen dunklen Rändern, zum Zentrum….. Legt ab, was euch misslingt, euch ein schlechtes Gewissen macht. Kommt in die Mitte. Christsein heißt loslassen. Am Anfang des Gottesdienstes haben wir das im Schuldbekenntnis praktiziert. B Was ist meine Nahrung? Dieses eigenartige, einfache Bild vom Säugling. Fast wirkt es ein wenig kitschig. Ein Säugling, dem man nur zur Mutterbrust führen muss, ihn schmecken lässt, was ihn ernährt. Was ist unsere Nahrung? Wovon lebt unser ganzer Mensch? Mit seiner Sehnsucht nach Echtheit, mit seinem Denken und Fühlen? Wie kann man die Freundlichkeit Gottes schmecken, sich davon ernähren? Nährt das Lesen der Bibel, das gemeinsame Suchen in der Schrift ein neues Denken, Erleben, eine verstärkte Sehnsucht? Was führt mich zum Heil? Zur Beziehung zu Gott? Was lässt mich wachsen im Glauben? C Wohin gehöre ich? Ein lebendiger Stein? In welchem Bauwerk? Wo bin ich zu gebrauchen? Wo baue ich mit? Wer ist dieser eine Stein, der sich als Struktur durch all die Bauwerke zieht? Wie gehöre ich zu ihm? Wo erlebe ich Jesus Christus als Fundament, als den, auf den ich mich immer verlassen kann, auf dem ich stehen kann, der zu mir steht? Wo ist Jesus Christus der Eckstein, der die verschiedenen Ebenen meines Lebens verbindet? Wo ist er der Schlussstein, der die Teilstücke meines Lebens zu einer Einheit bringt? Und wo ist er ein Stolperstein, der mich umdenken lässt, mein Leben auf eine neue Grundlage bringen will? Spannend ist die Zusammengehörigkeit der verschiedensten lebendigen Steine. Bei der Taufe wird ein Mensch eingegliedert in einen Organismus, die Gemeinde, die Kirche Jesu. Das ist etwas ganz Persönliches, ein Grunddatum meiner Biographie, aber es ist nicht privat. Ich gehöre zu einer Gemeinschaft. Viele Steine gehören dazu, Stufen, Mauersteine, Fensterstürze, Bodensteine, Ziersteine. Und jeder wird gebraucht. Viele verschiedene Individuen werden zu einem Ganzen. Dabei geht es nicht nur um einzelne Grüppchen. Um einzelne Gemeinden, Konfessionen, Kirchen. Das Bauwerk ist viel größer. Das Haus der lebendigen Steine ist seine Gemeinde weltweit: Mit der Begeisterung und dem Glaubensmut der Afrikaner, der Weisheit und Leidensbereitschaft der Asiaten, der intellektuellen Stärke der westlichen Welt. Die unterschiedlichsten Schwerpunkte bilden den Reichtum und die Vielfalt der Steine. Sozial engagierte, charismatische, intellektuelle, bibeltreue, politische Christen – jede und jeder wird gebraucht. Keiner kann alles aber jeder kann etwas. Im Herbstseminar wollen wir das in unserer Gemeinde durcharbeiten: Vielfalt und Einheit der Gemeinde. Zusammengebaut werden sie, indem sie kommen. Kommen zum Zentrum: zum Fundament und Eckstein und Schlussstein. Der die Spannungen verbindet. Ausrichtet. Unterschiedliches ordnet und strukturiert. Für euch, die ihr glaubt, ist er kostbar! Kommt zu ihm. D - Wo erlebe ich „Gemeinschaft des Gottesvolkes“? Das sind wir als Gemeinde im Grunde: Unterwegs zu einem Volk von Priestern, die Gottes Wohltaten verkündigen, die gemeinsam rühmen, die eine Leidenschaft miteinander teilen. Und miteinander unterwegs sind in Gottes Stadt. Amen.