10 Klassifikation und Technik der Leberresektion M. Birth, P. Hildebrand 10.1 Allgemeine operative Schritte und präparatorisches Vorgehen – 157 10.1.1 10.1.2 10.1.3 10.1.4 Lebermobilisation und Situsexploration – 157 Leberhiluspräparation – 157 Pringle-Manöver und totale vaskuläre Okklusion – 158 Abgangsoperation – 159 10.2 Resektionsverfahren – 159 10.2.1 Enukleationen und atypische Leberresektionen – 159 10.2.2 Anatomische Leberresektionen – 161 Birth_T2.indd 156 13.08.2010 12:01:55 10 157 10.1 · Allgemeine operative Schritte und präparatorisches Vorgehen Leberresektionen sind mittlerweile gut standardisierte Operationen, die sich in eine Reihe einander abfolgende operationstechnische Einzelschritte untergliedern lassen: ▬ Lagerung und Zugang ( Kap. 9) ▬ Exploration und intraoperative Sonographie ( Kap. 4.4) ▬ Mobilisation der Leber ▬ Präparation im Lig. hepatoduodenale/Leberhilus ▬ Präparation der Lebervenen incl. Einmündung in die V. cava ▬ Dissektion des Leberparenchyms ▬ Versorgung der Resektionsfläche ▬ Fakultativ: Anlage biliodigestiver Anastomose(n) ▬ ggf. Refixation der Restleber, Spülung, Drainage, Abdomenverschluss Außer der Präparation von Leberhilus und Lebervenen, auf die bei umschriebenen Minor-Resektionen verzichtet werden kann, sind o.g. Operationsschritte bei jeder Major-Resektion obligat. 10.1 Allgemeine operative Schritte und präparatorisches Vorgehen 10.1.1 Lebermobilisation und Situsexploration extrem hilfreich sein. Bei der Dissektion des kleinen Netzes ist streng auf eine akzessorische linksseitige Leberarterie zu achten. Die Durchtrennung der rechtsdorsalen Ligamenta ist bis auf die V. cava auszudehnen. Die rechte Nebenniere ist nach dorsal abzupräparieren, ggf. müssen einmündende Nebennierenvenen abgesetzt werden. Von kaudal nach kranial teils scharf, teils stumpf präparierend wird der venöse Blutleiter langstreckig semizirkulär freigelegt. Kleinere direkt in die Hohlvene ziehende Äste werden dabei mit Metallclips oder zarten Durchstichligaturen versehen und durchtrennt. Die ausreichende Exposition der Einmündung der rechten Lebervene in die retrohepatische Hohlvene gelingt erst nach Durchtrennung des Lig. venae cavae, welches von Unerfahrenen mit der rechtsseitigen Lebervene verwechselt werden kann. Anschließend wird das Peritonealblatt über dem suprahepatischen, subphrenischen Hohlvenenabschnitt inzidiert und die Mündung der Lebervenen dargestellt. Vorteilhaft für die Kontrolle venöser Rückblutungen ist das Unterfahren und Anschlingen der zu resezierenden Vene. Dies ist jedoch keinesfalls zu erzwingen, insbesondere der Versuch die Vene von dorso-kaudal mit dem Overholt zu umfahren ist verletzungsträchtig. Nur ein besonders subtiles Vorzugehen vermeidet zentrale Venenverletzungen und damit stärkere, schlecht zugängliche Blutungen. 10.1.2 Nach Durchtrennung der Ligamenta teres hepatis et falciforme und Situseinstellung mit geeigneten Haltesystemen ist zu Beginn jeder Leberresektion durch Exploration der gesamten Peritonealhöhle mit großzügiger Indikation zur Schnellschnittuntersuchung ein extrahepatischer Tumor auszuschließen. Dem folgt das systematische sonographische Durchscannen des gesamten Leberparenchyms, um weitere präoperativ unerkannte Tumoren zu verifizieren. Solche finden sich trotz Verbesserungen von CT und MRT bei Einsatz sonographischer High-End-Geräte und entsprechender Erfahrung des Untersuchers in bis zu 35% der Fälle (Birth u. Weiser 2000). Ergeben sich daraus keine Kontraindikationen zur Resektion, so gilt es, sonographisch die Lagebeziehung des Tumors zu den vaskulären Strukturen zu klären, um unter Mitberücksichtigung des makroskopischen Leberaspektes über die operative Strategie definitiv zu entscheiden. Im eigenen Vorgehen schließt sich die Mobilisation zumindest der zu resezierenden Leberhälfte an, wobei die Indikation zu einer umfassenden Mobilisation der gesamten Leber großzügig gestellt wird. Das Mobilisationsausmaß wird zwar wesentlich durch das geplante Resektionsausmaß bestimmt, ein mehr an Mobilisation kann jedoch gerade in Notfallsituationen bei massiver Blutung Birth_T2.indd 157 Leberhiluspräparation Die Hilusphase beginnt im eigenen Vorgehen mit der Lymphadenektomie des Lig. hepatoduodenale ( Kap. 13). Unter Berücksichtigung möglicher anatomischer Variationen werden die Aufzweigungen von Gallengang, Leberarterie und Pfortader dargestellt und in Abhängigkeit vom geplanten Vorgehen ggf. angezügelt (⊡ Abb. 10.1). Die Präparation der ligamentären Arterien sollte streng auf der Adventitia des Gefäßes erfolgen. Lymphgefäße und nervale Strukturen sowie kleinere Venen werden bipolar koaguliert oder zwischen feinen Ligaturen, respektive Clips alternativ mit Versiegelungssystemen, durchtrennt. ! Cave! Zurückhaltung ist mit der Präparation und insbesondere der Anwendung von Stromkoagulation in Nähe des Gallenganges zu waren, um eine Denudierung und sekundäre Leckage bzw. Striktur zu vermeiden. Ein probeweises Ausklemmen der vaskulären Strukturen kann bestehende Zweifel in der Versorgungszuordnung ausräumen, wobei regelhaft nur bei gleichzeitiger arterieller und portalvenöser Blockade eine entsprechende Demarkierung auf der Leberkapsel zu erreichen ist (⊡ Abb. 10.2). Bringt dieses Vorgehen keine ausreichende 13.08.2010 12:01:55 158 Kapitel 10 · Klassifikation und Technik der Leberresektion die portalen Gefäßstrukturen vom umgebenen Bindegewebe gut trennen und schrittweise »entwickeln«. Nicht selten entspringen in diesem Bereich bereits kleinere Abgänge, deren Durchtrennung oft erst eine gute Exposition des jeweiligen Pfortaderastes zulässt. Hierfür sollten feine Stechungen (6/0) und keinesfalls Metallclips verwandt werden, sofern eine Pfortader-Durchtrennung mit Staplern geplant ist ( Kap. »Parenchymdurchtrennung«). 10.1.3 ⊡ Abb. 10.1 Arteria hepatica dextra dorsal (!) der Pfortader kreuzend 10 ⊡ Abb. 10.2 Demarkation in der Cantlie-Linie nach Durchtrennung von A. hepatica sinistra und linken Pfortaderast vor geplanter Hemihepatektomie links Sicherheit, so müssen weiter bestehende Unklarheiten durch eine intraoperative Duplexsonographie bzw. auch Angiographie zweifelsfrei ausgeräumt werden, da Fehler in dieser OP-Phase dramatische und potenziell letale Folgen haben können. Bei der portalvenösen Präparation ist zu berücksichtigen, dass der rechte Hauptast sich als fast geradlinige Verlängerung der Pfortader fortsetzt, während der linke Ast in einem nahezu rechten Winkel aus der Pfortadergabel hervorgeht. Die präparatorische Darstellung des rechten Portalastes erfolgt von rechts und ventral, die des linken vorzugsweise kombiniert von links und rechts. Durch ein vorsichtiges stumpfes Abdrängen bis »Ausrollen« der Gefäßwand mit einem kleinen Präpariertupfer lassen sich Birth_T2.indd 158 Pringle-Manöver und totale vaskuläre Okklusion Im Anschluss wird das Ligamentum hepatoduodenale für ein späteres eventuelles Pringle-Manöver angezügelt, wobei wir vorzugsweise den Ductus choledochus aussparen, um eine akzidentelle Druckschädigung des selbigen auszuschließen. Das Ausklemmen des Leberhilus trägt wesentlich zur Verminderung des Blutverlustes bei, sollte jedoch bei signifikanter Vorschädigung des Leberparenchyms, insbesondere Zirrhose, sehr zurückhaltend eingesetzt werden. Ist eingriffsbedingt mit einer längeren (>30 min) Dissektionsphase zu rechnen, reduzieren die intermittierende Hilusokklusion (Wechsel zwischen 15-minütigem Abklemmen und 5- bis 10-minütiger Reperfusion) bzw. das »ischemic preconditioning« (initial 10-minütiges Abklemmen mit 5- bis 10-minütiger Reperfusion vor der abschließenden Pringle-Phase) die durch Ischämie und Reperfusion bedingte Parenchymschädigung einschließlich sekundärer pulmonaler Schäden im Vergleich zu einem kontinuierlichen Abklemmen (Scheele 2001, Belghiti et al. 1999, Nilsson et al. 2000, Clavien et al. 2003). Eine medikamentöse Präkonditionierung u.a. mit Antioxidantien scheint ähnlich positive Effekte zu bewirken, muss jedoch klinisch noch weiter evaluiert werden (Clavien et al. 2007a). Im eigenen Vorgehen wird um so zurückhaltender »gepringlet«, je ausgedehnter reseziert wird, um den verbleibenden unter Umständen nur geringen Leberrest nicht zusätzlich zu schädigen. Insbesondere bei Hemihepatektomien und erweiterten Resektionen verzichten wir im Normalfall vollständig auf jede Ausklemmung. Im Einzelfall kann hier auch ein partielles Pringle-Manöver (z.B. Hemi-Pringle) sinnvoll sein (Belghiti et al 2006). > Auch wenn ein Pringle-Manöver prinzipiell nicht geplant ist, ist eine standardmäßige lockere Anzügelung des gesamten Lig. hepatoduodenale zu empfehlen, um im Falle einer Inflow-bedingten Massenblutung durch sofortiges Anziehen des Zügels den Gesamtblutverlust reduzieren zu können. Ausgedehntere Resektionen, aufwendige intraparenchymale Präparationen und insbesondere Resektionen und 13.08.2010 12:01:55 10 159 10.2 · Resektionsverfahren Ersatz größerer venöser Gefäße bzw. der V. cava selbst können eine totale vaskuläre Okklusion (TVO) sinnvoll machen. Dazu ist neben der oben beschriebenen inflowOkklusion eine Blockade des venösen Rückstroms erforderlich, was am einfachsten und sichersten durch ein Anzügeln und Ausklemmen der V. cava inferior ober- sowie unterhalb der Leber erfolgt. Zusätzlich sind venöse Äste der Nebennieren, welche direkt in die Hohlvene drainieren, zu unterbrechen, da deren Perfusionsvolumen nicht unerheblich ist. Eine gleichzeitige inkomplette InflowOkklusion ist unbedingt zu verhindern, um eine massive Stauung der Leber zu vermeiden. Voraussetzung für den Einsatz der TVO ist, dass der Patient eine Unterbrechung des kompletten unteren venösen Rückstroms toleriert. Diesbezüglich ist eine enge Absprache mit dem Anästhesisten erforderlich. Ist voraussichtlich eine längere TVO erforderlich, sollte ein passagerer venöser Bypass von unterer zu oberer Körperhälfte angelegt werden. Zu beachten ist auch, dass der ischämische Schaden der Leber durch das Fehlen einer retrograden venösen Leberperfusion gegenüber einem Pringle-Manöver deutlich größer ist (Lang et al. 2007, Belghiti et al. 2006). Die alleinige präparatorische Unterminierung und Anzügelung aller 3 großen Lebervenen ist nicht nur aufwendig, sondern auch gefährlich hinsichtlich einer Massenblutung (s.o.). Zudem erfolgt ein unterschiedlich großer Anteil der venösen Leberdrainage über bis zu 20 Venen aus den dorsalen Parenchymanteilen direkt in die untere Hohlvene. Da jedoch der Blutfluss in der V. cava bei diesem Vorgehen unbeeinträchtigt bleibt, stellt es eine Alternative zur TVO dar, wenn deren hämodynamische Konsequenzen nicht toleriert werden. 10.1.4 Abgangsoperation Nach Durchführung ausgedehnter rechtsseitiger Resektionen muss vor Verschluss der Laparotomie eine Fixierung des verbliebenen Leberrestes an der ventralen Bauchwand (Naht des Lig. falciforme hepatis mit 1-2 Einzelstichen) erfolgen. Dieses Vorgehen verhindert eine Verlagerung des linksseitigen Restparenchyms in den rechten Oberbauch bzw. ein Abkippen mit gefährlicher Torquierung der hilären Gefäßachse und nachfolgendem delitären Pfortaderverschluss. Abschließend wird im eigenen Vorgehen das Omentum majus an die Resektionsfläche geschlagen, um dessen immunologische und resorbierende Kompetenz zu nutzen. Gegebenenfalls ist dazu die Präparation einer gestielten Netzplastik erforderlich. Art und Ausmaß der Drainageneinlage differieren nach Schrifttumsangaben erheblich. Daten der Arbeits- Birth_T2.indd 159 gruppe um Fong und Brennan konnten zeigen, dass bei unkomplizierten Elektivresektionen auf eine Drainage komplett verzichtet werden kann. So wurde in dem untersuchten Patientenkollektiv die Inzidenz interventionspflichtiger Flüssigkeitsansammlungen nicht reduziert, jedoch das Risiko aszendierender Infektionen erhöht (Fong u. Brennan 1996). Im eigenen Vorgehen wird zumindest bei jeder Major-Resektion routinemäßig ein einzelner »Easy-FlowDrain« eingelegt, welcher als postoperative Blutungsdrainage und zur Detektion frühpostoperativer Galleleckagen verwandt und spätestens nach 2-3 Tagen entfernt wird. Auch wenn die Drainage keinerlei Prophylaxe darstellt, wird durch das zeitige Erkennen jegliche Verzögerung zur frühpostoperativen Intervention oder Relaparotomie vermieden. Zugleich können kleinere Gallefisteln, ggf. in Kombination mit einer transpapillären Stentung ausbehandelt werden ( Kap. 19.4). 10.2 Resektionsverfahren > Die sichere Kenntnis der funktionellen Anatomie der Leber, d.h. der Abgrenzbarkeit hämodynamisch unabhängiger Parenchymbezirke entsprechend der Couinaud-Klassifikation, ist eine conditio sine qua non für jede Leberresektion. Von Scheele ist eine leichte Modifikation dieser Einteilung vorgestellt worden, die in idealer Weise die möglichen anatomisch-funktionellen Resektionsebenen und entsprechenden chirurgischen Eingriffe definiert (Scheele 2001). Das alleinige Wissen um die Normalverhältnisse ist jedoch nicht ausreichend. Vielmehr muss die auch funktionell höchst variable Anatomie in jedem individuellen Fall intraoperativ »erarbeitet«, d.h. vor Erreichen des »point of no return« mit der notwendigen Sicherheit präparatorisch dargestellt werden. Dies wird umso wichtiger, je mehr man indikatorische und operativ-technische Grenzbereiche auslotet (⊡ Abb. 10.3). 10.2.1 Enukleationen und atypische Leberresektionen ! Cave! Reine Enukleationen sind nur erlaubt und möglich, solange gutartige Tumoren (Hämangiom, FNH) nicht vollständig von Lebergewebe umgeben sind. Der präparative Einstieg erfolgt direkt an der Grenze zwischen Tumor und gesundem Lebergewebe. Regelhaft liegt 13.08.2010 12:01:56 160 Kapitel 10 · Klassifikation und Technik der Leberresektion rechte Leberhälfte VII VIII VI V linke Leberhälfte Ir II IVa IVb II III ⊡ Abb. 10.3 Anatomisch-funktionelle Einteilung der Leber nach Scheele 10 ⊡ Abb. 10.4 Randständige Wedge-Resektion bei fibrotischen bis zirrhotischen Leberumbau eine fibröse Tumorkapsel vor, die als Leitstruktur für die weitere Präparation dient. Nicht selten wachsen größere Tumoren unter Verdrängung intrahepatischer Gefäße, sodass nur durch die strenge Einhaltung dieser Präparationsschicht unmittelbar auf der Kapsel eine Verletzung solcher verdrängten Gefäße vermieden werden kann. Die Gewebedissektion sollte unbedingt selektiv ( Kap. 11) erfolgen, vorzugsweise mit dem Ultraschall- oder Hydrojet-Skalpell. Unter atypischen Resektionen werden nur am pathologischen Befund orientierte Resektionen ohne Berücksichtigung funktioneller Grenzen verstanden. Dieses auch als Metastasektomie bezeichnete Verfahren entfernt oberflächliche kleine Herde durch muldenförmige Ausschälungen (Wedge-Resektionen) (⊡ Abb. 10.4) oder rand- Birth_T2.indd 160 ständige Tumoren durch Keilresektionen (⊡ Abb. 10.5). Dabei sollten vorher die Resektionsgrenzen unter einem angestrebten Sicherheitssaum von etwa 1 cm mittels intraoperativer Sonographie festgelegt werden. Vorteil der atypischen Resektion ist der geringe Verlust funktionsfähigen Leberparenchyms. Konsequenterweise ist es das Vorgehen der Wahl bei einer erheblich vorgeschädigten Leber, insbesondere bei Leberzirrhose. Nachteilig ist das Handling gerade bei nicht randständigen Befunden, sodass Tumoreinrisse und positive Schnittränder häufiger sind als bei anatomischen Resektionen. Zudem drohen tiefere Wedge-Resektionen größere Gefäße oder Gallenwege zu verletzen und nachgeschaltete Parenchymbezirke »funktionell abzuhängen« – mit 13.08.2010 18:37:44 10 161 10.2 · Resektionsverfahren ⊡ Abb. 10.6 Aufgeschnittenes Resektat nach Hemihepatektomie rechts, deutlich erkennbar sind die »sekundären« Satellitenknoten um die »Primärmetastase« a b ⊡ Abb. 10.5 Keilresektion (a) bei randständiger Metastase und Verschluss des Parenchymdefektes durch Nahtadaptation (b) der Folge konsekutiver Parenchymnekrosen oder biliärer Stauungsareale. Auch die Blutungsneigung ist bei nicht-anatomischem Vorgehen häufig stärker, wobei der geringe Parenchymverlust ein großzügiges Pringle-Manöver erlaubt, sofern kein struktureller Parenchymdefekt vorliegt. Diese Nachteile und unten genannte onkologische Aspekte ( Abschn. 10.2.2) erklären die Beschränkung auf kleine und randständige bzw. oberflächlich gelegene Befunde. 10.2.2 Anatomische Leberresektionen > Als anatomische Resektionen bezeichnet man die komplette Entfernung funktionell autonomer Parenchymbezirke die von einem zugehörigen Pedikel (Ast der V. portae, der A. hepatica und des D. hepaticus) versorgt werden. Birth_T2.indd 161 In Abhängigkeit der Tumorlokalisation zu den größeren Segment- oder Lappengefäßen führt eine Infiltration selbiger zu einer embolischen Verschleppung von Tumorzellen in das zugehörige Segment bzw. verschiedene Segmente des gleichseitigen Leberlappens. Makroskopisches Korrelat einer bereits fortgeschrittenen »sekundären« Metastasierung sind Satellitenknoten um den Hauptbefund (⊡ Abb. 10.6). Auch ohne Satellitenknoten muss nach Yamamoto et al. in 20% mit einer entsprechenden intrahepatischen Streuung gerechnet werden. Diese pathophysiologische Erklärung ist die Basis für die Bevorzugung des anatomischen Vorgehens und erklärt zugleich die Bedeutung der anatomischen Resektion als positiver Prognoseindikator gegenüber einem atypischen Vorgehen, wobei deren Relevanz nach aktuellen retrospektiven Untersuchungen neu hinterfragt werden muss (Zorzi et al. 2006). Entsprechend o.g. Scheele-Klassifikation lassen sich bei die »anatomischen«, d.h in den beschriebenen Grenzebenen verlaufenden Resektionen, folgendermaßen unterteilen: ▬ sektororientierte Resektionen (Hemihepatektomie re./li., linkslaterale und rechtsposteriore Sektorektomie, zentrale Sektorektomien und rechts- bzw. linksseitige Trisektorektomien) ▬ segmentorientierte Resektionen (Mono-, Bi- und Polysegmentektomien, verschiedene Kombinationen) Das Ausmaß der Resektion von Segment I wird in dieser Nomenklatur additiv vermerkt (Scheele 2001). Derzeit noch weit verbreitet und synonym gebraucht sind die Bezeichnungen Bisegmentektomie (laterale oder mit Segmentbezeichnung), Hemihepatektomie links für die linkslaterale Sektor-/Bisegmentektomie, Trisegment- 13.08.2010 12:01:56 162 Kapitel 10 · Klassifikation und Technik der Leberresektion 10 Hemihepatektomie rechts Hemihepatektomie links rechts anteriore Sektorektomie rechts posteriore Sektorektomie links mediale Sektorektomie links laterale Sektorektomie erweiterte Hemihepatektomie rechts erweiterte Hemihepatektomie links Segmentektomie Bisegmentektomie ⊡ Abb. 10.7 Schematische Darstellung der anatomischen Leberresektionen (modifiziert nach Clavien et al. 2007b) ektomie bzw. erweiterte Hemihepatektomie für die Trisektorektomie (⊡ Abb. 10.7). Segment- und Bisegmentektomien Prinzipiell kann jedes Lebersegment allein oder in Kombination mit anderen Segmenten ohne funktionelle Beeinträchtigung benachbarter Segmente reseziert werden. Dieses gelingt in der Praxis jedoch unterschiedlich gut und kann sehr anspruchsvoll sein (insbesondere Seg. VIII und IVa). Die Segmentgrenzen sind primär auf der Leberkapsel nicht zu erkennen, weiterhin kann die Segmentebene in der Tiefe davon zum Teil erheblich abweichen. Gerade bei Entfernung einzelner zentraler Lebersegmente ist eine präoperative exakte Zuordnung der Gefäße durch eine dreidimensionale Darstellung mit farbiger Segmentzuordnung sehr hilfreich und es gilt, dieses Wissen intraoperativ zu übertragen. Eine vom Leberhilus peripher gerichtete Präparation zum Auffinden der portalen Segmentäste ist sehr aufwendig, verletzungsträchtig und oftmals unpraktikabel. Häufiger werden die Segmentgrenzen unter sonograpischer Sicht definiert und dann eine nach zentral gerich- Birth_T2.indd 162 tete Parenchymdissektion vorgenommen, bis man auf den in das Segment einstrahlenden Gefäßpedikel trifft, welcher abschließend abgesetzt wird. In Einzelfällen kann eine sonographisch gezielte Punktion des jeweiligen segmentalen Pfortaderastes und Anspritzung mit Methylenblau hilfreich sein. Die großen Lebervenen sind, wenn immer möglich, zu erhalten, da sie die Drainage der benachbarten Segmente gewährleisten. Die Präparation entlang der zentralen Venenabschnitte muss entsprechend subtil erfolgen, um die zahlreichen kleinen Segmentvenenäste clippen und durchtrennen zu können. Keinesfalls sollten minderdurchblutete oder venös gestaute Parenchymbereiche zurückbleiben. Entsprechend ist eine Bisegmentektomie der Segmente VII und VIII nur bei Vorliegen einer kräftigen inferioren Vene direkt in die V. cava erlaubt. Viel einfacher ist die Segment- oder Bisegmentektomie der linkslateralen Segmente, bedingt durch die klare anatomische Grenze entlang der Umbilikalfissur. Nach Durchtrennung der Parenchymbrücke zwischen Segment II/III und IV werden die nach links verlaufenden Segmentäste abgesetzt und anschließend die Parenchymdurchtrennung knapp links des Recessus Rex vorgenom- 13.08.2010 12:01:58 10 163 10.2 · Resektionsverfahren men. Die linke Lebervene wird dabei am Ende durchtrennt, eine präliminäre Dissektion ist meist verzichtbar. Gerade die linkslaterale Sektorektomie ist eine ideale Indikation zur laparoskopischen Stapler-Resektion, da die Parenchymfläche klein ist, die Resektionsebene gerade und in antero-kaudaler Richtung verläuft und die Vene in gleicher Staplernaht mit versorgt werden kann ( Kap. 11.3). Demgegenüber liegt der technische Anspruch bei der isolierten Segment I-Resektion nicht so sehr in der Abgrenzung zu den Nachbarsegmenten, sondern vielmehr in seiner Zugänglichkeit und der Nähe zur V. cava sowie den linksseitigen Hilusgefäßen, die schonend abpräpariert werden müssen. Neben einem kräftigen linksseitigen Portalast zum Lobus caudatus finden sich in abweichender Zahl und Stärke zumeist auch kleinere Äste direkt aus der Pfortadergabel und/oder dem rechten Ast ( Kap. 1). Diese sind ebenso wie die zahlreichen Spieghel-Venen subtil zu dissezieren, wobei die V. cava abwechselnd von links und rechts exponiert werden muss. Hemihepatektomie rechts/links Bei geplanter Hemihepatektomie und Vorliegen einer »Normalanatomie« schließt sich am Ende der Hilusphase ( Abschn. 10.1.2) die resektatseitige Durchtrennung des jeweiligen arteriellen und portalen Hauptastes an. Der arterielle Lappenast wird möglichst peripher durchtrennt, um Äste zu den extrahepatischen Gallenwegen zu erhalten. Die Versorgung der Arterie erfolgt mittels Durchstichligatur unter Verwendung von monofilem Nahtmaterial der Stärke 4-0 bis 5-0, alternativ mit Clips. Der portale Hauptast wird im eigenen Vorgehen vorzugsweise mit einem endoskopischen 35 mm-Linear-Vaskularstapler (schmales, gut platzierbares Andruckblatt) versorgt, bei guter Zugänglichkeit mit fortlaufender Naht (Prolene 5/0). Ersteres Vorgehen vermeidet zuverlässig unangenehme Rückblutungen aus dem peripheren, häufig kurzen und z.T. schwer zugänglichen Pfortaderstumpf. Zudem gelingt ein bündiges Absetzen ohne verbleibenden Reststumpf (Cave! Turbulenzen und Thrombose) respektive Einengung der Pfortader. Sicherheit und Zeitgewinn rechtfertigen aus unserer Sicht die zusätzlichen Kosten. Linksseitig bestimmt eine eventuelle Mitresektion von Segment I, ob die Durchtrennung direkt an der Pfortadergabel oder distal des Segment I-Astes erfolgt. Der biliäre Hauptast wird wenn immer möglich offen abgesetzt, auch wenn die Präparation wegen des peribiliären Venengeflechts aufwendig ist. Die nachfolgende Intubation des gegenseitigen Ductus hepaticus mit einer Knopfkanüle bietet anatomische Sicherheit. Erst bei absoluter Eindeutigkeit, deren Erreichung im Einzelfall eine intraoperative Cholangiographie erfordert, wird der zentrale Stumpf mit 6-0 resorbierbarer Naht verschlossen. Birth_T2.indd 163 ⊡ Abb. 10.8 Absetzen der rechten Lebervene vor Einmündung in die V. cava unter Verwendung eines endoskopischen 35 mm-LinearVascular-Staplers Alternativ bringt die Absetzung des Gallenganges erst nach der Parenchymdurchtrennung relativ sicher ein Erkennen anatomischer Varianten. Durch das Anspritzen des offenen Stumpfes mit Kochsalz können zudem kleine Gallelecks an der Parenchymfläche detektiert und sofort mit feiner Naht verschlossen werden. Nun erfolgt die Durchtrennung der jeweiligen Lebervene, erneut unter Verwendung eines laparoskopischen Endo-GIA (Vascular-Magazin) (⊡ Abb. 10.8), alternativ über Overholt-Klemmen und mit fortlaufender Naht. Ähnlich wie bei der TVO gilt es, eine unangenehme venöse Stauung zu vermeiden, indem nur »korrespondierende« Venen abgesetzt werden, d.h. deren drainierte Leberareale keine Durchblutung mehr aufweisen! In modifizierter Technik nach Belghitis »liver hanging manoeuvre« wird anschließend ein kräftiger Gummizügel dorsal der rechten Leber, direkt rechts der mittleren Lebervene und vor der V. cava nach kaudal zum Leberhilus geführt. Ein dosierter Zug am Zügel hebt die Leber an und exponiert die Dissektionsebene in idealer Weise (Belghiti et al 2001). Nach regelhaft gut ausgeprägter Demarkation in der Cantlie-Linie, wird exakt entlang dieser Grenze die Leberkapsel mit dem Elektrokauter durchtrennt und die Parenchymdissektion angeschlossen. Erweiterte, zentrale und kombinierte Resektionen Ähnlich wie bei den Rezidivresektionen nach vorausgegangener Major-Leberresektion stellen die erweiterten Resektionen und insbesondere die Lebermittenresektion (Mesohepatektomie) eine besondere Anforderung an das anatomische Verständnis und die operative Kompetenz 13.08.2010 12:01:59 164 10 Kapitel 10 · Klassifikation und Technik der Leberresektion (⊡ Abb. 10.7). Erfahrungen aus der Split-Liver-Technik und der Leberlebendspende haben die Techniken der Leberresektion bereichert und die Indikationsstellungen erweitert. Die Grenze bei der Trisektorektomie rechts (rechts erweiterte Hemihepatektomie) entspricht der Fissura sagitalis sinistra (Fissura umbilicalis). Entsprechend schließt sich an die standardisierte Hilusphase wie bei einer Hemihepatektomie die weitergehende Dissektion entlang dem linken Portalast an. Erst nach Durchtrennung der unterschiedlich starken Gewebebrücke zwischen Segment IV und II/III öffnet sich der Recessus Rex und gibt den Zugang auf die Resektionsebene frei, die entlang der rechten Seite des linken Pfortaderastes beginnt und nach dorso-kaudal entlang dem einstrahlenden Lig. falciforme hepatis verläuft. Von hier gehen die einzeln abzusetzenden Segment IV-Äste retrograd, d.h. von lateral nach medial, ab. Die klare anatomische Grenze erleichtert die Orientierung wesentlich und minimiert das Risiko devitalisiertes Lebergewebe zu belassen. Die mittlere Lebervene wird regelhaft nach Parenchymdissektion durchtrennt und versorgt, wobei ein gemeinsamer Hauptstamm mit der linken Lebervene nicht tangiert werden darf. Bei hilusferner Tumorlokalisation kann relativ dicht an den linksseitigen Hilusstrukturen, aber unter Erhalt des linken Ductus hepaticus, präpariert werden (Cave! akzidentelle Schädigung). Das passagere Einlegen einer Sonde über den offen abgesetzten rechten Hepaticus kann in dieser Phase hilfreich sein (Lang 2007). Bei hilusnaher Tumorlage oder Klatskin-Tumoren schließt sich eine enbloc-Resektion des linken Hepaticus bis zur hilären Platte und dem Abgang des Segment II/III-Gallenganges an. In diesem Fall ist nachfolgend die Anlage einer biliodigestiven Anastomose mit 6/0 resorbierbarer, monofiler Naht vorteilhafterweise unter Verwendung der Lupenbrille erforderlich. Ebenso ist die en-bloc Resektion des Segmentes I in diesem Fall obligat ( Abschn. 10.2.2.1). Zeigt sich am Ende eine Überlänge der Pfortader mit funktionell wirksamen Kinking, so muss ggf. eine Korrektur im Sinne einer Pfortadersegmentresektion vorgenommen werden (Lang 2007). Selbige wird bei der Trisektorektomie aufgrund des Klatskin-Tumors mittlerweile als fester Operationsbestandteil zur Verbesserung der onkologischen Radikalität angesehen. ( Kap. 14.6 »Besonderheiten beim Klatskin-Tumor«, Kap. 7.5 »Gallenwegstumoren«) Noch anspruchsvoller ist eine Trisektorektomie links wegen des schwierigen Auffindens der linkslateralen Sektorgrenze zwischen den Segmenten VI/VII und V/VIII, da diese nicht mit einer klaren anatomischen Landmarke wie linksseitig einhergeht. Auch hier ist die präliminäre Durchtrennung der Äste zum paramedianen Doppelsegment V/VIII vom Leberhilus aus kommend Birth_T2.indd 164 nicht immer praktikabel. Gelingt dies, kann eine sich ausbildende Demarkationslinie zur Orientierung genutzt werden. Andernfalls muss die Parenchymdurchtrennung primär erfolgen unter strenger Orientierung an den sonographisch dargestellten »landmarks« im Sinne der funktionellen Couinaud-Einteilung. Entscheidend ist die Vermeidung einer Verletzung der rechtslateralen Pfortader- und Segmentäste der A. hepatica dextra, welche im dorsalen Abschnitt der Resektionsebene aufzufinden sind. Trotzdem ist die Gefahr, minderdurchblutetes oder venös gestautes Parenchym zu belassen, bei Resektionen in dieser Ebene am größten. Deshalb müssen durch die präoperative Diagnostik relevante Pfortadervarianten unbedingt aufgedeckt werden. Intraoperativ gilt es zu beachten, dass die Resektionsebene nahezu frontal verläuft und im kranialen Abschnitt der linken Seite der rechten Lebervene folgt. Im Ergebnis wird eine wesentlich größere Resektionsfläche als nach erweiterter Rechtsresektion hinterlassen. Zu berücksichtigen sind auch die z.T. extrem schmalkalibrigen Segmentgallengänge VI und VII, welche zumeist separat, ggf. als gemeinsamer Bisegmentgallenast an einer Jejunalschlinge anastomosiert werden müssen. Konsequenterweise führen erweiterte Resektionen immer zu einem postoperativen passageren Pfortaderhochdruck, da das gesamte hepatische Blutvolumen nunmehr durch das Stromgebiet zweier lateraler Segmente gepresst wird. Dies ist bei Bewertung der Drainagemengen und im postoperativen Flüssigkeitsmanagement zu berücksichtigen. Die Lebermittenresektion (Mesohepatektomie, Resektion der zentralen Segmente IVa/b, V und VIII ± I) stellt eine Alternative zur erweiterten Leberresektion dar (⊡ Abb. 10.9). Vorteilhaft ist der geringere Leberparen- ⊡ Abb. 10.9 Situs nach Mesohepatektomie, deutlich erkennbar auf der rechtsseitigen Schnittfläche sind die Segmentgallengänge zu den Segmenten VI und VII 13.08.2010 12:02:00 165 10.2 · Resektionsverfahren 10 chymverlust, sodass ihr bei grenzwertigem Residualvolumen der Vorzug gegeben werden sollte, stellt doch das postoperative Leberversagen gerade bei erweiterten Rechtsresektionen die relevanteste Letalitätsursache dar. Neben dem hohen operationstechnischen Anspruch liegt der Nachteil der Mesohepatektomie in der langen Operationszeit und insbesondere den großen Resektionsflächen, die konsekutiv ein erhöhtes Risiko von Gallefisteln mit sich bringen. Dieses ergibt sich zusätzlich durch die Mehrzahl notwendiger Gallengangsanastomosen bei gleichzeitiger zentraler en-bloc-Hepaticusgabelresektion (⊡ Abb. 10.7). Die Operation setzt sich aus den oben beschriebenen Einzelschritten bei links- bzw. rechtsseitiger Trisektorektomie zusammen. > Eine Kombination verschiedener anatomischer Resektionen ist prinzipiell häufig möglich und immer gegenüber einer erweiterten Resektion abzuwägen. Anderseits kann auch hier die Ausweitung der Parenchymdissektionsflächen die potenzielle Komplikationsrate bezüglich Nachblutung, Gallenfistel und Wundrandnekrose erhöhen. Literatur Belghiti J, Noun R, Malafosse R, Jagot P (1999). Continuous versus intermittent portal triad clamping for liver resection: a controlled study. Ann Surg 229: 369 Belghiti J, Guevara OA, Noun R et al (2001) Liver hanging manoever: A safe approach to right hepatectomy without liver mobilization. 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