6 KAPITEL A Einleitung 1.Einordnung Die Atomphysik wird häufig als eines der wichtigsten Teilgebiete der Physik angesehen. Oft setzt man sogar die Bezeichnungen Physiker und Atomphysiker synonym ein. In der Tat wird im Mikroskopischen ständig Neuland betreten. Die Erweiterung des Horizonts über den augenblicklichen hinaus ist eine der Aufgaben der Forschung. Dies kann an allen Grenzen der Erkenntnis, z.B. im Bereich des Makroskopischen oder im Verhalten von Materie unter extremen Bedingungen wie hoher oder tiefer Temperaturen, Magnetfelder usw. erfolgen. Die besondere Bedeutung des Mikroskopischen liegt vielleicht an der Vorliebe der Physiker, Erscheinungen analytisch zu erklären, d.h. aufgrund des Verhaltens der Bestandteile. Ein besonderer Reiz bei der Beschäftigung mit der Welt im Mikroskopischen liegt außerdem darin, daß man lernt, mit Situationen fertig zu werden, in denen die Anschauung versagt. Der hier gebotene Kurs soll die Grundideen der Atomistik näher bringen, ohne in die Tiefe zu gehen. Von einem angehenden Physiker wird erwartet, daß er sich außerdem gründlich mit der theoretischen Quantenmechanik auseinandersetzt und die vertiefenden Vorlesungen über Atom- und Molekülphysik, Kern- und Elementarphysik sowie Festkörperphysik hört. 2.Lehrbücher Lehrbücher der Physik: - Gerthsen, Kneser, Vogel; Physik; (Springer, Berlin) - M. Alonso, E.J. Finn; Physik III (Intereuropean Editions, Amsterdam) - Berkley Physikkurs IV; E.H. Wichmann (Vieweg, Braunschweig, 3. Auflage) - Bergmann-Schäfer, Band IV: Teilchen (de Gruyter, Berlin) - R.P. Feynman, R.B. Leighton, M. Sands; The Feynman Lectures on Physics, Band III: Quantenmechanik (Oldenburg, München) Lehrbücher der Atomphysik: - W. Finkelnburg: Einführung in die Atomphysik, (Springer, Berlin) - H. Haken, H.C. Wolf: Atom- und Quantenphysik, (Springer, Berlin) - E.W. Schpolski: Atomphysik (VEB Deutscher Verlag der Wiss., Berlin) - K. Bethge, G. Gruber: Physik der Atome und Moleküle (VCH, Weinhein) - K.H. Hellwege: Einführung in die Physik der Atome (Springer) 7 - T. Mayer-Kuckuck: Atomphysik (Teubner, Stuttgart) - W. Döring: Atomphysik und Quantenmechanik I (de Gruyter, Berlin) Kernphysik: - E. Bodenstedt: Experimente der Kernphysik und ihre Deutung, Teil 1 (B.I. Wissenschafts verlag, Mannheim) 3.Geschichtliches a) Atome als philosophisches Problem Durch die gesamte Naturphilosophie bis etwa 1800 zieht sich eine heftige Kontroverse zwischen Atomisten und Plenisten, also zwischen Anhängern der Vorstellung, daß die Materie aus kleinsten, nicht mehr teilbaren Partikeln besteht, und denen, die an eine kontinuierliche Materie glauben. In dieser Kontroverse drückt sich die Schwierigkeit des menschlichen Verstandes aus, mit der Physik im "atomaren Bereich" umzugehen. Da sich das Denken durch Evolution in einer Welt entwickelt hat, in der das Modell des homogenen Körpers gilt, kann es einen Körper ohne Ausdehnung nicht behandeln, denn jeder Körper kann gedanklich weiter unterteilt werden. Ähnlich geht es übrigens auch mit anderen Eigenschaften wie Farbe. Andererseits möchte der Geist abgeschlossene Systeme behandeln, bei denen die Erkenntnissuche wenigstens im Prinzip zu einem Ende kommen kann. Anhänger des Atomismus waren Leukipp (c.a. 480-420 v.Chr.), Demokrit (ca 460-370 v.Chr.), Epikur (ca 341-270 v.Chr. ), Lukrez (1. Jahrh. v.Chr. ), Pierre Gassendi (1592-1655), Robert Boyle (1627-1691), Isaak Newton (1643-1727); des Plenismus Aristoteles (384-322 v.Chr.), Rene Descartes (1596-1650), u.a. b) Atome als Ergebnis naturwissenschaftlicher Forschung Der heutige Atombegriff beruht im Gegensatz zum antiken auf naturwissenschaftlicher Beobachtung. Damit verwundert es auch nicht, daß sich diese Bausteine der Materie, die man anfangs mit den Elementarpartikeln der Griechen identifizierte, später als teilbar erwiesen. Die ersten Hinweise dafür, daß Stoffe aus gleichartigen Teilen bestehen, stammen aus der Chemie. Man beobachtete, daß Reaktionen, die vollständig ablaufen, immer bestimmte Gewichtsverhältnisse der Reaktionspartner erfordern, und daß bei unterschiedlichen Verbindugnsmöglichkeiten zwischen zwei Substanzen immer ganzzahlige Verhältnisse auftreten. Z.B. verhalten sich bei den Reaktionen 8 N2 + O2 = 2 NO N2 + 2 O2 = 2 NO2 Bei gleichen Mengen Stickstoff die Sauerstoffmassen wie 1 :2. Diese Beobachtungen wurden von John Dalton (1766 - 1844) in den Gesetzen der einfachen und multiplen Porportionen zusammengefaßt (1802). Etwas später stellte sich heraus, daß bei vollständigen Reaktionen in gasförmiger Phase bei gleichem Druck die Volumina einfache ganzzahlige Verhältnisse bilden. Mit der Atomvorstellung verstehen sich diese Tatsachen von selbst, wenn man zusätzlich annimmt, daß gleiche Volumina von Gasen gleich viele Teilchen enthalten. Mit dieser Kenntnis konnten relative Atommassen ermittelt und die Elemente nach ihrer Atommasse geordnet werden. Da man auch bei den Atommassen sehr häufig ganzzahlige Verhältnisse antrifft, wurde sehr früh vermutet, (I.L. Prout, 1803), daß die Atome aller Elemente aus Wasserstoff aufgebaut sind. Die Ordnung der Elemente nach der Atommasse führte zum Periodensystem (Lothar Meyer, 1830-1895 und Dimitri Mendelejeff 1834-1907). Die Atomhypothese war sehr fruchtbar bei der Erklärung der Gasgesetze durch die kinetische Theorie (Maxwell, Boltzmann, Clausius, Chapman, Enskog). Der Durchbruch der Atomvorstellung erfolgte, als direktere Beobachtungen möglich waren. Brown (Robert Brown, 1773-1858) beobachtete die Bewegung von Bärlappsporen in Wasser, die durch die Schwankungen der Stöße durch die Wassermoleküle hervorgerufen wird. Marian von Smoluchowski (1872-1909) und Einstein (Albert Einstein, 1879-1955) entwickelten die Theorie der Brownschen Bewegung und konnten aus den Beobachtungen die Avogadrozahl NA, d.h. die Zahl der Teilchen in einer bestimmten Stoffmenge bestimmen. Loschmidt ermittelte vorher NA aus der Viskosität von Gasen. Mit der Avogadrozahl war die Größe der Atome bekannt, wenn man annahm, daß in einer Flüssigkeit (oder einem Kristall) die Teilchen dicht gepackt sind (rA≈ 10-10 m). Am Anfang des 20. Jahrhunderts wurden Versuche mit einzelnen Teilchen möglich. Szintilationszähler und Kernspurexperimente (Nebelkammer nach Wilson (Charles Thomson Rees Wilson, 1896-1959) machten die Teilchen sichtbar (1912). Millikan (Robert Andrews Millikan 1868-1953) bestimmte 1911 die Ladung einzelner Elektronen. In jüngster Zeit wurden Teilchenfallen für verschiedene Teilchen entwickelt, um spezielle Eigenschaften, z.B. den gFaktor, der ein Maß für das Verhältnis von Drehimpuls zum magnetischen Moment ist, zu messen. c) Kern-Hülle Struktur 9 Lenard (Philipp Lenard, 1862-1947) beobachtete um 1900, daß Elektronen, die er aus einer Gasentladung zog (Kathodenstrahlen), Metallfolien ungestört durchdringen. Danach war klar, daß Atome keine festen Billardkugeln darstellen, sondern im Innern überwiegend freien Raum enthalten. Quantitativ ergab sich die Größe des Atomkerns aus Streuversuchen mit α-Teilchen durch Rutherford (Ernest Rutherford 1871-1937), Geiger und Marsden (1906 1913): rK = 10-15 m. (Hans Geiger, 1882-1945, Ernest Marsden, 1889-1970) d) Theorien Die frühere Atomtheorie verwendete die klassische Mechanik, in die Quantisierungsbedingungen eingeführt wurden. Mit diesem Modell konnten N. Bohr und A. Sommerfeld sehr erfolgreich eine Fülle von spektroskopischen Details mit hoher Genauigkeit erklären (Nils Bohr, 1885-1951, Arnold Sommerfeld,1868-1951). Eine konsequente Theorie der atomaren Physik war die von Schrödinger und Heisenberg entwickelte, nicht relativistische Quantenmechanik. (Erwin Schrödinger, 1887-1961, Werner Heisenberg, 1901-1976) Dirac baute diese in eine relativistische Quantenmechanik um (Paul Adrien Maurice Dirac, 1902-...). Die Dirac-Theorie liefert eine konsequente Behandlung des Spins und sagt die Antiteilchen voraus. Es zeigte sich, daß die Dirac-Theorie Widersprüche enthält, dadurch, daß sie sich auf Einzelteilchen beschränkt. Eine Lösung brachte die Quantenelektrodynamik (Q.E.D.), die die heute anerkannte Theorie des Elktromagnetismus ist. die Q.E.D. gehört zu den Feldtheorien wie auch die Quantenchromodynamik (QCD), die die Wechselwirkung der stark wechselwirkenden Elementarteilchen beschreibt. Das heute anerkannte Modell der Elementarteilchen ist das sogenannte Standardmodell, das auf Glashow, Salam und Weinberg zurückgeht (Sheldon Lee Glashow, 1932-...,Steven Weinberg, 1933-...). In ihm wird die elektromagnetische und die schwache Wechselwirkung in einer einheitlichen Theorie dargestellt. 4.Überblick über den Aufbau der Materie a) Was ist ein Teilchen? Wenn wir die Zusammensetzuung der Materie aus Teilchen darstellen wollen, ist es nützlich zu erklären, welche Eigenschaften diese Teilchen haben sollen. Naiv möchten wir fordern, daß ein Teilchen in einem begrenzten Raum-Zeit-Bereich gefunden werden kann, daß es sich 10 wie ein Individuum von anderen gleichartigen Teilchen unterscheidet, daß es stabil ist und daß man ihm bestimmte Eigenschaften zuordnen kann wie eine bestimmte Masse eine Ladung und einen Spin. Es zeigt sich, daß wir mit fast allen diesen Forderungen Schiffbruch erleiden. Wenn wir nur stabile Teilchen zulassen, müssen wir das Neutron, das in etwa 1000 s im Vakuum zerfällt, ausklammern, obwohl es ein wichtiger Baustein der Materie ist. Sollten 9 wir 238 92 U , das eine Lebensdauuer von 4,5 · 10 Jahren besitzt und das in der Chemie wie jeder andere Stoff verwendet werden kann, keinen Teilchencharakter zuerkennen? Die Lebensdauer ist aber sehr relativ, wie Tabelle I zeigt. Ein Myon mit einer Lebensdauer von 2 · 10-6 s ist -14 stabil gegenüber einem 234 s. 92 U-Kern mit einer Lebensdauer von 8,810 Tabelle I: Lebensdauer Kern Lebensdauer 238 92 U 4,5 · 109 a 236 88 Ra 1,6 · 103 a 1 0 n 1000 s µ 234 92 2 · 10-6 s U 8,8 · 10-14 s Eine endliche Lebensdauer beinhaltet aber eine Unbestimmtheit in der Masse. Stellen wir uns nämlich das Teilchen als Welle vor, so bedingt eine endliche Länge des Wellenzuges eine Mindestfrequenzbreite und diese über E = hν und E = mc 2 eine kleinste Massenunschärfe. Wenn wir alle instabilen Teilchen als Bausteine zulassen, müssen wir auch alle Anregungsstufen mitnehmen, da jede Anregungsstufe eine andere Energie und damit Masse des Teilchens ergibt. Man hätte unendlich viele Bausteine der Materie, womit nicht viel geholfen wäre. Wir wollen uns daher auf die heute als elementar anerkannten Bausteine beschränken. b) Elementarteilchen Zunächst zerfallen diese Elementarteilchen in zwei Gruppen mit stark unterschiedlichem Verhalten: Die elementaren Fermionen mit Spin s = 1/2, die man als die eigentlichen Bausteine auffassen könnte (Enrico Fermi, 1901-1954), und die Teilchen der Kraftfelder zwischen diesen Bausteinen. Dies sind Bosonen mit dem Spin s = 0,1,2 ....(Satyendra Nath Bose, 1894-1974) Für jede Urkraft gibt es einen Typ von Feldboson: 11 - Gravitation Graviton - elektromagnetische Wechselwirkung Photon - schwache Wechselwirkung W ± Bosonen, Z0 Boson - starke Wechselwirkung Gluon Die Fermionen teilen sich in zwei Gruppen: Die Quarks, die neben den anderen Wechselwirkungen auch die starke Wechselwirkung zeigen und die Leptonen, die die starke Wechselwirkung nicht zeigen. Tabelle II: Elementarteilchen Generation 1 2 3 Ladung Quarks u (up) c (charm) t (top) 2/3 e0 d (down) s (strange) b (bottom) -1/3 e0 ν νµ ντ 0 e- µ− τ− -1 Leptonen Hinzu kommen zu jedem Teilchen ein Antiteilchen mit umgekehrtem Ladungsvorzeichen, bei den Neutrinos mit umgekehrter "Händigkeit" (rechtshändig, linkshändig) Das Proton besteht aus p=uud (q = 1) Das Neutron aus n=udd (q = 0) Ein Kern ist aus Z Protonen und N Neutronen zusammengesetzt und hat die relative Massenzahl A = Z + N. Die Hülle des Atoms enthält im nicht ionisierten Zustand Z Elektronen. Isotope sind Atome mit gleicher Kernladungszahl, aber ungleicher Neutronenzahl. Sie verhalten sich chemisch gleich. Die in der Natur vorkommenden Elemente sind Isotopengemische. 12 KAPITEL B Experimentelle Grundlagen der Atomistik 1.Bestimmung der Avogadrozahl Über die Beobachtung von chemischen Umsetzungen kann man für jedes Element eine Stoffmenge definieren, die für alle Elemente gleich viel Atome oder Moleküle enthält. Man bezieht diese Menge auf das Element 12 6 C und sagt, 12 g sind genau 1 mol. Dann ist 1 g Wasserstoff etwa 1 mol usw., wie in Tabellen für Atomgewichte angegeben. Die Anzahl der Teilchen in einem mol ist die Avogadrozahl NA. Ist sie bekannt, ergibt sich aus m = mmol/NA sofort die Masse eines Atoms und wenn man Annahmen über die Packungsdichte der Atome in einem Festkörper oder einer Flüssigkeit macht, die Größe der Atome. Die Avogadrozahl ist also eine wichtige Schlüsselkonstante. Im folgenden wird daher eine Reihe von Methoden besprochen, NA experimentell zu ermitteln. a) Bestimmung über die Viskosität Die erste Zahlenangabe für NA stammt von Loschmidt (1865) (Joseph Loschmidt, 1821-1895). Er benutzte die Tatsache, daß die Viskosität von Gasen durch den Wirkungsquerschnitt für Impulsübertragung der Atome bestimmt ist. Nach der kinetischen Theorie ist η = 1 vλnm 3 v= 3kT/m ist die mittlere thermische Geschwindigkeit, λ = 1/nσ = 1/nπ(2r) 2 die freie Weglänge, n die Teilchendichte und r der Molekülradius. Aus einer Messung von η und T folgt also eine Beziehung zwischen m und r (n kürzt sich heraus). Nimmt man an, daß in einer Flüssigkeit jedes Atom das Volumen (2r)3 einnimmt, so ergibt sich die Dichte zu ρ= m3 (2r) Eine Messung von ρ führt also zu einer zweiten Beziehung zwischen m und r und gestattet m und r auszurechnen, wenn ρ bekannt ist. Aus der Molmasse mmol folgt dann N A = m mol /m b) Sedimentationsgleichgewicht Abb.1: Bestimmung der Boltzmannkonstanten über die Auszählung von Schwebeteilchen. 13 Für Schwebeteilchen in einer Lösung gilt ein Gleichgewicht zwischen Diffusion und Gravitation wie in der Erdatmosphäre für Luft. Es gilt also die barometrische Höhenformel n(h) = e −mgh/kT n(0) Durch Auszählen der Teilchendichte in Abhängigkeit von h läßt sich bei bekanntem m, g, T die Boltzmannkonstante k bestimmen. Aus R = NA · k läßt sich NA ermitteln, wenn die Gaskonstante R aus Untersuchungen der Gasgesetze bekannt ist. Erste Messungen stammen von Perrin (1909) (Jean Baptiste Perrin, 1870-1942). c) Brownsche Bewegung Aus der Messung der Entfernung, die Teilchen in der Brownschen Bewegung in einer bestimmten Zeit zurücklegen, läßt sich ebenfalls k und damit NA bestimmen. Die Theorie hierfür wurde von Einstein und Smoluchowski entwickelt. Wir geben eine vereinfachte Form wieder: Die Kräfte auf das Teilchen werden in zwei Bestandteile aufgeteilt. Ein Bestandteil FA sorgt für das Vorankommen des Teilchens auf einer glatten Bahn. Diese Kraft wird durch die Reibungskraft des Teilchens F R = 6µηrv = v/B in der Flüssigkeit kompensiert. (B ist die Beweglichkeit der Teilchen). Der zweite Teil Fs ist statistisch und führt zu Schwankungen um die Bahn. Die Bewegungsgleichung des Teilchens lautet also • •• m x= − x + F s B Die Gleichung wird mit x multipliziert, über ein Zeitintervall [0, t 0 ] integriert und dann über viele Teilchen gemittelt. Wegen d x x• =x• 2 + x •• x dt d x 2 = x x• dt 2 • •2 erhält man m d x x − m x = − 1 d x 2 + xF s 2B dt dt • Bei Mittelung verschwindet der erste Term, da x(t0) und x (t 0 ) unabhängig voneinander sind und ebenfalls der letzte Term wegen des statistischen Charakters von Fs und weil x und Fx un- abhängig sind. Es bleibt •2 〈x 2 〉 = 2Bm x t Da die Bewegung von der thermischen Energie angetrieben wird, fällt auf diesen Freiheitsgrad des Systems 1/2 kT an Energie 1 m x• 2 2 = 1 kT 2 14 und das Schwankungsquadrat wird 〈x 2 〉 = 2BkTt B, die aus dem Stokeschen Gesetz folgernde Beweglichkeit, kann mit anderen Methoden bestimmt werden. Messung von 〈x 2 〉 , B, T und t ergibt also k und damit wie im vorigen Abschnitt NA. (George, Gabriel Stokes, 1819-1903) d) Rayleigh Streuung (Lord Rayleigh (J. W. Strutt) 1842-1919). Die Intensität des Streulichtes bei Rayleighstreuung ist dem mittleren Schwankungsquadrat der Teilchendichte der Streuer und damit der Teilchendichte proportional. NA wurde aus der Intensität des Himmelsblaus bestimmt. (Dember, 1916). e) Gitterkonstante im Kristall Die Gitterkonstante von Kristallen kann mit verschiedenen Methoden genau gemessen werden. Heute kann man durch direkte Beobachtung mit einem Elektronenmikroskop oder einem Rastertunnelmikroskop diese Größe und damit NA bestimmen. Die genaueste Methode ist die Röntgeninterfererenz. Röntgenstrahlen werden ähnlich wie Licht an Strichgittern an den Gittern von Kristallen gebeugt. Aus der Beugungsfigur läßt sich der Gitterabstand bestimmen. Die Wellenlänge des Röntgenlichtes muß zuvor an einem Strichgitter gemessen worden sein. Die genaueste Methode liefert ein Interferometer von Bonse und Hart. In ihm wird ein Kristall in dem Feld einer stehenden Röntgenwelle verschoben und die Periode in den Amplituden der Streustrahlung gemessen. f) Faradaykonstante (Michael Faraday, 1791-1867) Die Faradaykonstante F gibt an, wieviel As notwendig sind, um 1 mol eines einwertigen Stoffes bei Elektrolyse abzuscheiden. Durch Messen der Elementarladung e 0 = 1, 6 ⋅ 10 −19 As in einem Milikanversuch läßt sich also NA bestimmen. NA = F/e0 g) Kovolumen Eine weniger genaue Methode benutzt das Kovolumen b in der van der Waals-Gleichung: a p + 2 (v mol − b) = RT v mol Man paßt für ein reales Gas Meßergebnisse an die van der Waals-Gleichung an, indem man a und b variiert. Da b ~ r3 kann man r bestimmen. Der Proportionalitätsfaktor folgt aus der kinetischen Theorie. h) Radioaktive Zerfälle 15 Eine sehr direkte Methode zur Bestimmung von NA besteht in der Zählung der α-Zerfälle einer radioaktiven Substanz. Die α-Strahlen bestehen aus He-Kernen. Sie können aufgesam- Abb.2: Bestimmung von e/m im elektrischen Feld melt und neutralisiert werden. Die Gasmengen reichen aus, die Anzahl der entstandenen Mole zu ermitteln. Diese Versuche wurden von Rutherford und Royds (1909) durchgeführt. Abb.3: Bestimmung von e/m durch Ablenkung im Magnetfeld Abb.4: E und B liegen bei der Parabelmethode parallel 16 2.Massen a) Prinzip Die Durchmesser eines Atoms sind nicht sehr genau definiert. (Wie groß ist das Planetensystem?). Daher geben verschiedene Meßmethoden auch unterschiedliche Zahlenwerte. Anders ist es mit den Atommassen. Diese können sehr genau gemessen werden. Typische Auflösungsvermögen sind heute m/∆m = 10 5 . Im Prinzip benutzen alle Methoden die Kraftwirkung Abb.5: Massenspektrograph mit Fokussierung eines elektrischen oder magnetischen Feldes auf geladene Teilchen. Im elektrischen Feld ist •• e Et 2 und bei kleiner Ablenkung die Bewegungsgleichung m x= eE und damit x 0 = 1 m 2 e EL2 , x0 = 1 m 2 v2 •• e vBt 2 = 1 B L 2 e . im Magnetfeld m x= evB und damitx 0 = 1 m 2 2 v m Man erkennt, daß nur e/m bestimmt werden kann. m ergibt sich dann aus der Kenntnis von e aus einem Millikanexperiment. b) Parabelmethode Die Parabelmethode stammt von J.J. Thomson (Joseph, John Thomson, 1856-1940). In ihr Abb.6: Aufbau eines Quadrupol-Massenspektrometers wird der Teilchenstrahl durch einen Bereich geschickt, in dem E- und B-Feld parallel verlaue 1 E , senkrecht zur Feldrichtung fen. Durch das E-Feld erhält man in Feldrichtung y = a m v2 e 1 durch das B-Feld x = b m v B Man kann v eliminieren und erhält als Auftreffort für alle Teilchen einer Masse eine Parabel E 2 y= m e B 2 cx 17 Andere Massen ergeben andere Öffnungen der Parabel. Das Ergebnis ist von der Geschwindigkeit der Teilchen unabhängig. c) Astonscher Massenspektrograph(1919) (Francis William Aston, 1877-1945). Im Astonschen Massenspektrographen wird der Teilchenstrahl nacheinander durch ein Eund ein B-Feld geführt, die senkrecht zueinander stehen. Durch geeignete Wahl der Parameter kann erreicht werden, daß alle Teilchen unterschiedlicher Geschwindigkeit (gleicher Masse) auf eine Position in der Nachweisebene fokussiert werden. Dadurch läßt sich die Intensität steigern. Aston erreichte m/∆m ≈ 130 . d) Verbesserungen Dempster führte eine Geschwindigkeits- und Richtungsfokussierung ein, wodurch die Nachweisgrenze weiter zu kleinen Intensitäten verschoben werden konnte. Heute werden an zahlreichen Stellen im Labor Massenspektrometer mit schwacher Auflösung verwendet, z.B. zur Lecksuche, Restgasanalyse im Vakuum und bei Oberflächenuntersuchungen. Quadrupol-Massenspektrometer benutzen ein elektrisches Hochfrequenzfeld kombiniert mit einen statischen Magnetfeld. Teilchen, die axial durchtreten, werden in Schwingungen versetzt. Sie können nur durch ein Blendensystem kommen, wenn die korrekten Verhältnisse von der Frequenz des HF-Feldes ω und e/m vorliegen. e) Ergebnisse der Massenspektroskopie i.Isotope Die Messungen mit Massenspektrometern zeigen, daß viele Elemente aus Isotopengemischen bestehen, d.h. aus Atomen, die gleiche Kernladungszahl und damit gleiche chemische Eigenschaften haben, aber unterschiedliche Neutronenzahlen. Dabei gibt es Elemente, die nur ein natürliches Isotop zeigen wie 9 27 127 4 Be, 13 Al, 53 J oder solche, die 7 stabile Isotope besitzen wie 80Hg. Bei leichten Elementen ist N ~ Z. Isotope können durch Diffusion, Zentrifugierung und Laserchemie getrennt werden. 18 ii.Bindungsenergie Verbindet man mehrere Kerne zu einem neuen Kern, so ist die Masse des resultierenden Kerns kleiner als die Bestandteile. Da E = mc2, heißt dies, die Gesamtenergie des resultierenden Kerns ist kleiner. Die Energiedifferenz ist die Bindungsenergie. Der Massendefekt ∆m = Σ m i − m ges ist also ein Maß für die Bindungsenergie. Beispiel: - Masse Proton - Masse Neutron m P = 1, 6725 ⋅ 10 −27 kg m N = 1, 6748 ⋅ 10 −27 kg Abb.7: Zur Berechnung der Streuwahrscheinlichkeit - 24 He (Kern) m He = 6, 648 ⋅ 10 27 kg 2m P + 2m N − m He = 5 ⋅ 10 −29 kg = 27MeV/c 2 (1 eV = 1,6 · 10-19As) Bei Berechnungen dieser Art muß man vorsichtig sein, da in den tabellierten Atomgewichten die Elektronenmassen enthalten sind. Auch ist zu beachten, daß die atomare Masseneinheit nicht gleich der Masse eines Protons ist. 19 3.Kernradius Der Kernradius wird mit Streuexperimenten bestimmt. Da Streuexperimente überhaupt die wichtigste Quelle für Informationen über die Mikrostruktur der Materie sind, werden im folgenden einige Grundbegriffe besprochen. a)Wirkungsquerschnitte i.Stoß von Kugeln In ein Volumen mit n "Feld"-teilchen pro Volumeneinheit, die eine Querschnittsfläche σ aufweisen, treten N0 fremde Teilchen in Form eines Strahls in x-Richtung ein. Die Strahlteilchen mögen wie starre Kugeln gestreut werden. Nach einem Streuvorgang befindet sich das gestreute Teilchen nicht mehr im Strahl. An der Stelle x sind noch N(x) Strahlteilchen vorhanden. Wenn die Strahlteilchen punktförmig sind, ist σ = πr 2f , wobei rf der Radius der Feldteil2 chen ist. Bei Strahlteilchen mit dem Radius rs ist σ = π(r s + r f ) . Wir machen dx so klein, daß Mehrfachstöße im Bereich dx keine Rolle spielen. Von den N(x) Teilchen, die den Bereich dx mit dem Volumen Adx durchlaufen, wird ein Prozentsatz herausgestreut, der dem Verhältnis der durch die Feldteilchen verdeckten Fläche Abb.8: Die Verteilung der freien Flugstrecken nAdx · σ zur Gesamtfläche entspricht. dN = nAdxσ = nσdx N A Dieses Verhältnis ist die Wahrscheinlichkeit für ein Teilchen, auf der Strecke dx gestreut zu werden. Da N abnimmt, schreibt man dN = −N(x)nσdx mit der Lösung N(x) = N 0 e −nσx (1) N(x) sind alle Teilchen, die bis x noch nicht gestreut worden sind. f(x) = N(x)/N0 ist daher die Wahrscheinlichkeit für ein Teilchen, bis x nicht gestreut worden zu sein. f(x) = e −nσx 20 Die Wahrscheinlichkeit, genau nach der Strecke x einen Zusammenstoß zu erleiden, ist das Produkt der Wahrscheinlichkeit bis x noch keinen Zusammenstoß gehabt zu haben, f(x), und der Wahrscheinlichkeit, in dx zu stoßen nσdx. (Man muß gewissermaßen nur die Teilchen zählen, die bis x gekommen sind, f(x)N0) W(x)dx = f(x)nσdx ∞ (2) Den Mittelwert 〈x〉 = ∫ xW(x)dx über alle diese freien Fluglängen nennt man die freie Weglän0 ge λ. Abb. 9: Zur Definition des differentellen Wirkungsquerschnitts ∞ λ = ∫ xnσe −nσx dx 0 Das Integral läßt sich durch partielle Integration mit u = x und v / = e −nσx lösen. 1 e −nσx u / = 1, v= − nσ 1 −nσx ∞ 1 λ = nσ − nσ xe 0 + nσ ∞ ∫0 e −nσx dx ∞ −1 xe −nσx = 0 nσ 0 Abb.10: Elektronen können durch massives Aluminium dringen ∞ ∫ xnσe −nσx dx = − − nσ e −nσx 0 = nσ 1 1 λ = nσ (3) 1 21 Man sollte beachten, daß in einem thermischen Gas über Geschwindigkeitsverteilungen gemittelt werden muß, so daß sich ein Vorfaktor ergibt. Die mittlere freie Weglänge ist keineswegs die häufigste freie Weglänge. Gemäß Gleichung (2) nimmtW(x) monoton ab. Die freie Flugzeit für Strahlteilchen der Geschwindigkeit v ist t = λ/v , d.h. t = 1/vnσ , die Stoßfrequenz ν c = 1/t = nvσ . Abb.11: Geometrie der Rutherfordschen Streuversuche ii.Andere Prozesse σ hat eine allgemeinere Anwendung als für Stoßprozesse. Man kann für irgendeine Reaktion, z.B. Ionisierung, Anregung, Absorption oder Spaltung, Fusion, Anlagerung usw., die Wahrscheinlichkeit dafür, daß sie stattfindet mit dem Wirkungsquerschnitt für diese Reaktion ausdrücken. Man stellt die obige Betrachtung völlig analog dar, indem man statt von einem Teilchen, das einen Stoß erleidet, von einem Teilchen spricht, das eine Reaktion macht. Für genügend geringe Konzentrationen bekommt man in einer Strahlenanordnung einen exponentiellen Abfall N(x) = N 0 e −κx . Durch Vergleich mit Gleichung (1) erkennt man, daß man die Größe σ = κ/n , die die Dimension einer Fläche hat, als Wirkungsquerschnitt definieren kann. Dann ist wieder nσdx die Wahrscheinlichkeit für die betrachtete Reaktion. Abb.12: Verteilung der gestreuten Partikel mit dem Winkel iii.Der differentielle Wirkungsquerschnitt Die Richtungsverteilung der gestreuten Teilchen gibt man am besten über den differentiellen Wirkungsquerschnitt an. Der differentielle Wirkungsquerschnitt ist die Wahrscheinlichkeit für ein Teilchen, in dem Bereich zwischen ϑ und ϑ + dϑ und zwischen ϕ + dϕ gestreut zu werden, geteilt durch ndx. 22 Abb.13: Die Ablenkung eines geladenen Teilchens durch das Coulombpotential eines Streuzentrums b)Rutherfordstreuung i.Versuche von Lenard Lenard entdeckte um 1900, daß Elektronen, die er in einer Vakuumröhre beschleunigte, durch eine dünne Metallfolie hindurchtreten und die Luft außerhalb des Gefäßes anregen. Da auch eine dünne Folie von ca. 1 µm Stärke noch 104 Atomlagen enthält, bedeutet dies, daß Atome für Elektronen dieser Geschwindigkeit nicht wie massive Kugeln wirken, sondern viel freien Raum enthalten müssen. Quantitativ wurde dies durch die Versuche von Rutherford und seinen Mitarbeitern bestätigt. ii.Versuche von Rutherford, Geiger und Marsden Rutherford benutzte als Teilchenquelle einen α-Strahler, von dem er wußte, daß er 42 He ++ -Kerne definierter Energie ausstrahlt. Die α-Teilchen wurden an einer dünnen Goldfolie gestreut. Die Anzahl der Teilchen, die in einen gewissen Raumbereich fallen, werden an einem Szintillationsschirm detektiert und visuell ausgezählt. Es zeigte sich, daß die meisten Teilchen ungestört durch die Folie laufen. D.h. die meisten Teilchen gehen so weit an einem Streuzentrum vorbei, daß sie praktisch keine Kraft spüren. Bei Mehrfachstößen hätte eine Abweichung gemäß des "random walk" erwartet werden müssen. Die abgelenkten Teilchen zeigen eine Verteilung, die über 5 Zehnerpotenzen durch eine Proportionalität zu 1/ sin 4 ϑ/2 beschrieben werden kann. Bei sehr großen Ablenkungswinkeln, die man bei höheren Strahlenergien beobachten kann, treten charakteristische Abweichungen vom 1/ sin 4 ϑ/2-Gesetz auf. iii.Rutherford-Streuformel Das 1/ sin 4 ϑ/2-Gesetz läßt sich durch das Bild eines punktförmigen Streuzentrums, das die Flugbahn des geladenen Strahlteilchens über die Coulombkraft beeinflußt, ableiten. Im 23 klassischen Bild benutzt man die Gleichungen der Planetenbewegungen, die hier wegen der abstoßenden Kraft zu einer Hyperbelbahn führen. Je kleiner der Stoßparameter p ist, (s. Abb. 13), desto größer wird der Ablenkungswinkel. Zunächst wird dieser Zusammenhang berechnet. Danach kann man aus der Wahrscheinlichkeit für einen Vorbeiflug im Abstand p (genauer zwischen p und p+dp) die Wahrscheinlichkeit für die Streuung um einem Winkel ϑ (genauer: in dem Bereich zwischen ϑ und ϑ + dϑ) angeben. Wir schreiben die Bewegungsgleichung für die y-Komponente. Die Kraft ist 2Ze 2 sin ϕ F y = F sin ϕ = 4πε•0 r 2 • Das r wird über die Drehimpulserhaltung ersetzt mr 2 ϕ= mpv 0 d.h. r 2 = pv 0 / ϕ . Abb.14: Der Bruchteil der Teilchen, die in einen Raumwinkel dΩ gelangen Die Bewegungsgleichung lautet dann • 2e 2 Z(sin ϕ) ϕ mk • m vy = = p sin ϕ ϕ 4πε 0 mv 0 • mit k = 2e 2 Z 4πε 0 mv 0 Durch Integration über die Zeit erhält man ∞ • • ∫0v dt = p ∫ sin ϕ ϕ dt v y∞ ∫0 k dv y = pk ϕ∞ ∫0 sin ϕdϕ Wegen des Energiesatzes ist v 0 =v ∞ und v y∞ =v 0 sin ϑ. Aus der Geometrie der Abb. 13 folgt k(cos ϑ + 1) ϕ ∞ = π − ϑ und damit v 0 sin ϑ = pk (cos ϑ + 1) nach p aufgelöst: p = . v 0 sin ϑ Diese Gleichung vereinfacht sich noch durch Übergang auf den halben Winkel mit ϑ = 2α cos 2α = cos 2 α − sin 2 α = 2 cos 2 α − 1 und sin 2α = 2 sin α cos α. Ersetzt man außerdem cot α = 1/ tan α , erhält man für p p = vk cot ϑ 0 2 (4) 24 Im zweiten Teil wird die Wahrscheinlichkeit ausgerechnet, daß ein Strahlteilchen in den Ring zwischen p und p+dp tritt. Diese ist für ein Streuteilchen gleich dem Flächenverhältnis dieses Ringes 2πpdp zur Gesamtfläche. Für n Streuzentren pro Volumen und einem Volumen dx · A (dx = Dicke der Folie) erhält man dN = ndxA2πpdp N A Nach Gleichung (4) ist dp = 1 vk dϑ 2 0 sin 2 ϑ/2 2 cos (ϑ/2)dϑ pdp = 1 k 2 2 v 0 sin 3 ϑ/2 dN = ndxπ k 2 cos (ϑ/2)dϑ N v 20 sin 3 ϑ/2 In den Raumwinkel dΩ fällt von dN der Bruchteil, der dem Flächenverhältnis der Ausschnitte auf der Einheitskugel von dΩ und dem Kreisring 2π sin ϑdϑ entspricht. dN / = dΩ dΩ = dN 2π sin ϑdϑ 4π sin ϑ/2 cos ϑ/2 Der differentielle Wirkungsquerschnitt ist dann 2 σ diff 2 1 = Ze 2 4 4πε 0 mv 0 sin ϑ/2 Je näher man an das Streuzentrum kommt, desto größer wird also der Ablenkungswinkel. Eine Beeinträchtigung durch die Kernkräfte wird also bei den größten Ablenkungswinkeln gefunden, d.h. in der Nähe der Rückwärtsstreuung. Es zeigt sich, daß die Kernkräfte sehr kurze Reichweite besitzen. Mit dieser Methode ergab sich der Kernradius zu r K = 1, 3A 1/3 ⋅ 10 −15 m 3 A ist die Massenzahl. D.h. m ∼ r und die Dichte der Kernmaterie ist in erster Näherung konstant. iv.Ausblick 25 Für die Anwendung in der Kern- und Elementarteilchenphysik erfordert die Streutheorie eine Reihe von Erweiterungen. Der Wellencharakter der Teilchen muß mit berücksichtigt werden. Wenn bei einem Stoß zweier Teilchen eine Umwandlung von Teilchen stattfindet, bedeutet das für Wellen, daß sie nichtlinear sind, da sich lineare Wellen störungsfrei überlagern. Die Hauptaufgabe von Streumessungen ist es, aus dem gemessenen differentiellen Wirkungsquerschnitt Aussagen über Verteilungen im Target zu ermitteln. Abb.15: Zur Definition der Intensität 26 KAPITEL C Welle-Teilchen Dualismus 1. Das Photon a) Einleitung Bisher wurde zur Beschreibung des Mikrokosmos vom klassischen Teilchenbild ausgegangen, d.h. von der Vorstellung, daß das Geschehen durch die Dynamik von Teilchen bestimmt ist. Eine der interessantesten Erkenntnisse der Atomphysik war die, daß das Teilchenbild im Mikroskopischen versagt. Es gibt nur einen Aspekt der Natur wieder. Einen komplementären Aspekt liefert ein Wellenbild. Wellen und Teilchen sind zwei Seiten einer bestimmten physikalischen Realität, und zwar nicht nur bei den Objekten, die wir klassisch als Teilchen beschreiben würden, sondern genauso bei Wellen. So beschreibt man bestimmte Wirkungen Abb.16: Wie man von der Intensität zur Energiedichte kommt von elektromagnetischen Wellen, besonders solche, die mit ihrer Wechselwirkung mit Materie zu tun haben, am besten, indem man sagt, die Welle besteht aus einem Strom von Photonen. Ein Photon hat folgende Eigenschaften. Es hat eine Energie E = hν. (ν ist die Frequenz, h = 6,62 · 10-34 Js das Plancksche Wirkungsquantum.) (Max Planck,1858-1947). Mit h = h/2 π schreibt man auch E = hω. Es bewegt sich mit Lichtgschwindigkeit. Aufgrund der Relativitätstheorie muß also die Ruhemasse m0 = 0 sein. Der Impuls ergibt sich aus der relativistischen Energie-Impulsbeziehung E2 = (pc)2 + (m0c2)2 mit m0 = 0 und E = hν zu p = hν/c. Der Spin ist s = 1 · h. b) Intensität Die Quantelung von Licht wurde erstmalig von M. Planck (1900) eingeführt, um Diskrepanzen zwischen Messungen und Theorie bei der Hohlraumstrahlung zu beseitigen. Wir befassen uns daher im ersten Abschnitt mit der Hohlraumstrahlung. In den folgenden Paragraphen werden zunächst die Grundbegriffe erläutert, der Zusammenhang mit der klassischen Thermodynamik dargestellt und schließlich die Intensitätsverteilung der Hohlraumstrahlung im Quantenbild hergeleitet. 27 Die Strahlungsleistung, die durch ein Flächenelement dA in einem Winkel ϑ gegen die Normale hindurchtritt, ist porportional zum verwendeten Frequenzintervall dν , zum Raumwinkel Abb.17: Umrechnung von dem Frequenzbereich in den Wellenlängenbereich dΩ und zur Projektion der Fläche auf eine senkrecht zur betrachteten Richtung stehenden Ebene dA ⊥ =dA⋅cosϑ . (Bei der Emission einer Körperoberfläche beinhaltet die letzte Formel das Lambertsche Kosinusgesetz.) dP = Iν dν cosϑdA dΩ (1) I ν heißt gemeinhin Intensität. Da der Begriff Intensität für verschiedene Größen verwendet wird, ist Vorsicht geboten. Genauer ist vielleicht spektrale Strahlungsdichte. Der Zusatz "spektral" gibt an, daß Iν auf ein Frequenzintervall bezogen ist. Integriert man über alle Fre- quenzen, erhält man die gesamte Strahlungsdichte I = ∫ I ν dν . W Abgeleitete Größen sind die Leistungsdichte S =` dP und die Energiedichte u ν = Strahl . V dA Der Zusammenhang von Iν und der theoretisch leichter zugänglichen Energiedichte uν ergibt sich durch Integration der in ein Volumen V eintretenden Strahlungsintensität bei Berücksichtigung der Aufenthaltsdauer in V. Man betrachtet zunächst die Strahlung, die in einer bestimmten Richtung in das Volumen eintritt, genauer innerhalb eines kleinen Raumwinkels dΩ in dieser Richtung. Abb.18: Strahlung im thermischen Gleichgewicht In den schraffierten Bereich dV von Abb. 16 fließt pro Zeiteinheit die Energie I ν dν cos ϑdAdΩ . Diese hält sich in V während der Zeit s/c auf. Die gesamte Energie innerhalb V, die in dieser Richtung läuft ist du ν ∫ dV = 1c I ν dΩ ∫ s cos ϑdA. Die Integrale auf beiden Seiten ergeben das Volumen V. du ν = 1c I ν dΩ 28 Um die gesamte Energiedichte zu erhalten, muß man die Beiträge von allen Richtungen addieren, d.h. über den gesamten Raumwinkel integrieren. Bei isotroper Strahlung ergibt sich u ν = 4π c Iν Häufig muß man von einer Darstellung im Frequenzbereich auf eine im Wellenlängenbereich wechseln. Rechnet man mit ν = c/λ ν in λ um, so muß die Gesamtleistung, die zwischen ν1 und ν2 liegt, auch in dem dazugehörigen Intervall λ1 und λ2 liegen. I ν dν = −I λ dλ (Das Minuszeichen kommt daher, daß dλ eine negative Zahl ist, wenn dν positiv ist.) Mit dν = − c2 dλ λ erhält man I λ = c2 I ν λ c) Die Kirchhoffschen Strahlungsgesetze (Gustav Kirchhoff,1824-1887). Ein nach außen thermisch isolierter Hohlraum ist ein besonders einfaches thermodynamisches System. Auch ein Strahlungsfeld in einem Hohlraum ist ein System, über das man mit Hilfe der klassischen Thermodynamik eine Reihe von Aussagen machen kann. Historisch hat die Diskrepanz dieser Aussagen mit der Wirklichkeit zur Einführung der Lichtquanten durch Planck geführt. Die folgenden Abschnitte sollen einen Eindruck von dem Charakter der Aussagen verschaffen, die man auf thermodynamischen Betrachtungen über die Strahlung in einem Hohlraum gewinnt. Aus der Thermodynamik folgern zwei grundlegende Gesetze der Strahlung: i. Die Intensität in einem Hohlraum, der sich im thermischen Gleichgewicht befindet, ist nur von der Temperatur und der Frequenz abhängig, nicht von der Beschaffenheit des Hohlraumes. Abb.19: Stoß eines Photons mit einer Wand 29 Zum Beweis betrachten wir zwei Hohlräume aus unterschiedlichem Material oder mit unterschiedlicher Gasfüllung, die gleiche Temperatur besitzen. Die Hohlräume mögen ein kleines Loch haben, das das thermische Gleichgewicht nicht stört und das mit der Intensität Iν1 bzw. Iν2 strahlt. Ein Filter vor den Öffnungen sorgt dafür, daß nur Strahlung im Frequenzbereich dν aus den Löchern austritt. Bringt man jetzt die beiden Hohlräume über ihre Löcher in Kontakt, so müssen sie im thermischen Gleichgewicht bleiben. Nach dem 2. Hauptsatz darf es dann nicht möglich sein, daß Energie von einem Hohlraum in den anderen fließt. D.h. I ν1 = I ν2 4π I ν = B ν (ν, T) , bzw. u ν = c B ν (ν, T) ist daher eine universelle Funktion. Ähnlich beweist man, daß Hohlraumstrahlung isotrop ist. ii. Das Verhältnis von Emissionsvermögen zu Absoprtionsvermögen einer Oberfläche ist gleich der Intensität der Hohlraumstrahlung. Das Emissionsvermögen ist die Intensität, die eine Wandfläche aufgrund ihrer Temperatur emittiert, wenn sie sich allein im Raum befindet. Das Absorptionsvermögen ist das Verhältnis von absorbierter zu eingestrahlter Intensität. Betrachtet man ein Wandstückchen mit dem Emissionsvermögen Eν und dem Absorptionsvermögen Aν in einem Hohlraum im ther- Abb.20: Integration über den Raumwinkel in Kugelkoordinaten mischen Gleichgewicht, dann muß nach dem 2. Hauptsatz die von der Wand emittierte Intensität gleich der absorbierten Intensität sein, da sonst eine spontane Umverteilung der I Energie im Hohlraum möglich wäre. Aus E ν = I νemittiert undA ν = νabsorbiert folgt I νeingestrahlt Eν = Aν ⋅ Iν Da sich die Wand aber in einem Hohlraum befinden soll, ist die eingestrahlte Intensität gerade Bν(ν, T). Eν = B ν (ν, T) Aν Da Eν und Aν Eigenschaften der Wand repräsentieren, die unabhängig von der Tatsache sind, daß der Körper in einem Hohlraum eingebettet ist, gilt dieses Gesetz allgemein. 30 Abb.21: Expansion eines Strahlungsfeldes d) Der Strahlungsdruck Die Elektrodynamik zeigt, daß elektromagnetische Strahlung mit Impulstransport verbunden ist. Der Zusammenhang mit der Energiedichte läßt sich am einfachsten im Photonenbild herleiten, indem man die Impulsübertragung durch Stoß der Photonen mit der Wand berechnet. Wir behandeln den Stoß mit einer reflektierten Wand. Bei Einfall des Photons unter einem Winkel ϑ ist der Strahlungsdruck ps dF p s = n = dF cos ϑ dA dA Setzt man für dF die Impulsübertragung bei elastischem Stoß ein dp dF = 2 dt und für p den Impuls der auftreffenden dN Photonen dp = hν c dN erhält man dp ps = 2 cos ϑ = 2hν/c cos ϑdN dt dA dAdt Da dN hν die auffallende Leistung dP ist wird, wenn man über alle Teilchen summiert, dt p s = 2c dP cos ϑ dA dP wird über die Definition von I nach Gleichung (1) ersetzt dA dP = I cos ϑdΩ dA 2 dp s = 2I c cos ϑdΩ Nach Abb. 20 ist dΩ = sin ϑdϑdϕ in Kugelkoordinaten. Über ϕ kann sofort integriert werden p s = 4π cI π/2 ∫0 cos 2 ϑ sin ϑdϑ Das Integral läßt sich mit der Substitution x = cosϑ berechnen. Es ergibt 1/3 . Außerdem gilt 31 u = 4π cI Damit wird der Strahlungsdruck ps = u 3 e) Gesamte Energiedichte Die über ν integrierte Energiedichte läßt sich über eine themodynamische Betrachtung angeben. Wir betrachten dazu eine isotherme reversible Expansion der Hohlraumstrahlung mit Hilfe eines ideal reflektierenden Kolbens. Die von den Wänden dabei abgegebene Wärme ergibt sich dann aus dem 1. Hauptsatz der Wärmelehre δQ = dU + pdV wobei nach dem 1. Kirchhoffschen Gesetz u = u(T) d.h. U = u(T)V , und damit Abb.22: Abzählen der Anzahl der möglichen Moden dU = V du dT + udV dT 1 1 Da außerdem p = u wird pdV = udV . 3 3 Die Entropieänderung bei diesem Prozeß ist dann δQ rev V ∂u dS = = dT + 4 u dV T T ∂T V 3T T Wir kennzeichnen hier, wie in der Thermodynamik üblich, die konstant gehaltene Größe durch einen Index an der Klammer. dS ist dabei ein vollständiges Differential dS = ∂S dT + ∂S dV ∂T V ∂V T wobei die gemischten Ableitungen gleich sind. ∂2S = ∂2S ∂V∂T ∂T∂V Wendet man diese Gleichung auf den obigen Ausdruck für dS an, erhält man 1 ∂u = 4 1 ∂u − 4 u T ∂T 3 T ∂T 3 T 2 Abb.23: Eigenmoden unter Berücksichtigung schräg einfallender Wellen ∂u = 4 u ∂T T du = 4 dT u T 32 mit der Lösung u = aT 4 Dies ist das Stefan-Boltzmannsche Gesetz. Die Konstante ergibt sich nicht aus dieser Rechnung. Man kann sie experimentell bestimmen oder aus der Planckschen Funktion herleiten a = 7, 6 ⋅ 10 −16 J/(m 3 K 4 ) . Häufiger schreibt man das Stefan-Boltzmann Gesetz für den Strahlungsstrom SSt Abb.24: Im n-Raum wird jede Eigenmode durch einen Punkt repräsentiert S St = σT 4 mit σ = 5, 7 ⋅ 10 −8 W/(m 2 K 4 ) f) Die Rayleigh-Jeans Formel (James Hopwood Jeans,1877-1046). Die klassische Thermodynamik bestimmt die Intensitätsverteilung der Hohlraumstrahlung, indem jeder Eigenmode des Hohlraums nach dem Gleichverteilungssatz kT an Energie zugeteilt wird. Da der Gleichverteilungssatz bisher nur für Teilchen und nicht für Moden eines Wellenfeldes angewandt wurde, kann man sich vorstellen, im Hohlraum befinden sich Oszillatoren, die die Eigenfrequenzen der Hohlraummoden haben. Jeder Hohlraummode ist ein Oszillator zugeordnet. Für die Oszillatoren gilt dann der Gleichverteilungssatz, und zwar erhält jeder Oszillator 1/2 kT an kinetischer und 1/2 kT an potentieller Energie, insgesamt also kT an Energie. Um die Energiedichte der Strahlung im Bereich zwischen ν und ν + dν auszurechnen, genügt es also, die Anzahl der Eigenmoden mit Frequenzen in diesem Bereich abzuzählen. Da die Intensität der Hohlraumstrahlung von der speziellen Ausführung des Hohlraumes unabhängig ist, wählen wir eine für die Berechnung bequeme Geometrie. Er bestehe aus einem Würfel mit Kanten der Länge a, die entlang der Koordinatenachsen ausgerichtet sind. Die Wände mögen ideal reflektieren. Zunächst zählen wir die Anzahl der Eigenschwingungen, die man anregen kann, wenn man die Frequenz von 0 bis zu einem Maximalwert ν0 hochregelt. Die Zahl der Moden im Frequenzbereich dν wird dann später durch Differentiation gewonnen. Bei einem eindimensionalen Wellenleiter der Länge a lautet die Resonanzbedingung 33 a = nλ/2 = nc/(2ν) Bei der höchsten betrachteten Frequenz ν0 paßt also eine maximale Zahl von n 0 = 2aν 0 /c (1) Halbwellen auf den Wellenleiter. Regelt man die Frequenz von 0 auf ν0, so treten die Resonanzen bei 1, 2, ...n0 Halbwellen entlang der Strecke a auf. Gleichung (1) gibt also die Anzahl der möglichen Eigenmoden für Frequenzen ν < ν0 an. Bei einer schräg einfallenden Welle mit dem Wellenvektor cos α k= (2) cos β k cos γ liegt die Resonanz in x-Richtung vor, wenn nx = a, wobei x der Knotenabstand auf der xAchse ist, weil dann an beiden gegenüberliegenden Wänden Knotenflächen liegen können. Nach Abb. 23 ist λ/2 x = cos α und die maximale Anzahl der Knoten auf der x-Achse 2a cos α 2aν nx = = c cos α x Für die anderen Richtungen gilt analog 2aν n y = 2aν c cos β; n z = c cos γ Durch Quadrieren und Addieren kann man die Winkelfunktionen eliminieren, wobei man die Tatsache ausnutzt, daß in Gleichung (2) k/k = 1 ist. n 2x + n 2y + n 2z = 2aν c 2 Alle ganzzahligen Werte von ni entsprechen Eigenmoden des Hohlraumes. Für ein maximales ν = ν0 sind das also alle ganzzahlige ni, die der Ungleichung 2aν 2 n 2x + n 2y + n 2z ≤ c 0 genügen. Im Raum, der durch die Koordinaten ni aufgespannt wird, ist dies gleich dem Volu2aν men der Achtelkugel mit Radius R = c 0 , wobei wegen a >> λ Randeffekte vernachlässigt wurden. 3 3 = 4π a ν 3 N = 1 4π 2aν 8 3 c 3 c Durch Differentiation erhält man nun 3 dN = 4π ac ν 2 dν Da V = a3 das Volumen des Würfels ist, erhält man für die Anzahl der Moden pro Volumen dN = 4π ν 2 dν V c3 und wenn <ε> die mittlere Energie einer Mode ist, für die Energiedichte 34 u ν = 4π3 ν 2 〈ε〉 c (3) Gleichung (3) gilt für linear polarisiertes Licht. Unpolarisiertes Licht stellt man als Überlagerung von Verteilungen von 2 Sätzen von Wellen dar, deren Polarisationsebenen einen Winkel von 90° miteinander bilden. In der klassischen Thermodynamik erhält nun jede Mode <ε> = kT und die Energiedichte ist u ν = 8π3 ν 2 kT c (4) Gleichung (4) ist das Rayleigh-Jeanssche Strahlungsgesetz. Für große ν divergiert uν(ν) im krassen Gegensatz zur Realität. Dieses Verhalten nennt man auch die "Ultraviolettkatastrophe". Für kleine Frequenzen werden die experimentellen Werte gut wiedergegeben. Offensichtlich wird in der klassischen Theorie den Moden mit großer Frequenz zu viel Energie zugeteilt. Nach dem Gleichverteilungssatz erwartet man, daß sich bei einem Oszillator im Gleichgewicht mit seinem Strahlungsfeld die meiste Energie im Strahlungsfeld befindet, da die Anzahl der Freiheitsgrade im Feld groß ist. Dies entspricht etwa der Situation von mit Federn verbundenen Kugeln auf einer Wasseroberfläche, die zum Schwingen angeregt werden. Die Energie wird in Form von Wellen abgestrahlt und befindet sich anschließend im wesentlichen in den Wellen. Bei einem Kohlestückchen im Gleichgewicht mit seinem Strahlungsfeld im Hohlraum ist es genau umgekehrt: Nur ein verschwindend kleiner Bruchteil der Gesamtenergie befindet sich im Wellenfeld. Beispiel: Hohlraum: V = 1000 cm3, T = 300 K, U = u · V = 7,6 · 10-16 · 34 · 108 · 10-3 = 6 · 10-9 J Kohlestückchen: (1mol)U = NAkT = 8 · 3 · 102 = 2,5 · 103 J g) Die Planckformel Planck konnte die experimentellen Daten für die Hohlraumstrahlung reproduzieren, indem er für die Energiestufen der Oszillatoren nur ganzzahlige Werte von hν zuließ: 〈ε n 〉 = nhν (Nach heutiger Kenntnis müßte eine Nullpunktsenergie 1/2 hν hinzugefügt werden. Diese bringt allerdings bei genügend hohen Temperaturen keinen Einfluß.) Die Aussage <εn> = nhν 35 beinhaltet neben einer Quantelung der Energie eines Oszillators die Quantelung der Feldenergie, die nur um Beträge hν verändert werden kann. Um die mittlere Energie eines Oszillators zu berechnen, setzen wir für die Wahrscheinlichkeit, daß er die Energie εn hat nach Boltzmann W n = Ce −ε n /kT (an dieser Stelle ist die Anwendung der Boltzmannstatistik nicht korrekt, liefert aber das richtige Ergebnis), wobei sich die Normierungskonstante C daraus ergibt, daß die Wahrscheinlichkeit, sich in irgendeinem Zustand zu befinden, gleich 1 ist. Σ Wn = C Σ e −ε /kT = 1; C = Σ e −ε1 /kT n n Die mittlere Energie des Oszillators ist daher Σ ε n e −ε n /kT 〈ε〉 = Σ ε n W n = Σ e −ε n /kT ∞ nhν/kT Der Nenner Z = Σ e heißt Zustandssumme (partition function). Sie stellt eine geometrin=0 sche Reihe mit q = e-hν /kT als Quotienten benachbarter Glieder dar. Σn q n = 1 −1 q 1 Z= 1 − e −hν/kT Der Zähler hat die Form Σ hνnq n = hν Σ nq n Da Σ nq n−1 = n n−1 1 , ist hν Σ nq = hν q Σ nq = q(1 − q) hν = hν 2 2 1 Σ qn Σ qn (1 − q) (1 − q) q −1 〈ε ν 〉 = hν e hν/kT − 1 Für zwei Polarisationsrichtungen erhält man hiermit aus Gleichung (3) 1 u ν = 8π3 hν 3 hν/kT c e −1 (5) Dies ist die Plancksche Formel für die Energiedichte der Hohlraumstrahlung. Sie besteht aus den Drei Faktoren: 1. Die spektrale Dichte der Eigenschwingungen pro Volumen 8π3 ν 2 c 2. Die Energie eines Lichtquants hν 3. Die mittlere Anzahl von Lichtquanten pro Eigenschwingung 〈n〉 = 1 e hν/kT − 1 36 Abb.25: Die Intensitätsverteilung der Hohlraumstrahlung Die Konstanten 8π3 h und h werden im Experiment gemessen und erlauben die experimentelle k c Bestimmung der Größen h und k und damit der Avogadrozahl. Auf ein Wellenlängenintervall bezogen, erhält man mit u λ = (c/λ 2 )u ν und ν = c λ 8πhc 1 u λ = 5 hc/λkT (6) λ e −1 Abb. 26: Anordnung zum äußeren Photoeffekt h) Diskussion der Planck-Formel Aus der Kirchhoff-Planck Funktion Gl. (5) erhält man die Rayleigh-Jeans-Formel für lange Wellenlängen bzw. hohe Temperaturen kT>>hν ex ≈ 1 + x u ν = 8π3 ν 2 kT c Die Wiensche Strahlungsformel für kT<<hν ex − 1 ≈ ex u ν = 8π3 hν 3 e −hν/kT c Das Stefan-Boltzmannsche Gesetz ergibt sich aus Integration von Gleichung (5) über alle Abb.27: Gemessener Strom beim äußeren Photoeffekt Frequenzen. 37 ∞ u = ∫ ν 3 f(ν/T)dν 0 mit der Substitution ν/T = ξ, dν = Tdξ ∞ u = T 4 ∫ ξ 3 f(ξ)dξ = aT 4 Dabei ist a = ∫ ξ 3 f(ξ)dξ der Zahlenwert des uneigentlichen Integrals. Die übliche Formulie0 rung des Stefan-Boltzmannschen Gesetzes bezieht sich auf den Strahlungsstrom S. Abb.28: Der Sättigungsstrom in Abhängigkeit von der Intensität der Strahlung Abb.29: Die maximale Energie der Elektronen hängt von der Frequenz der Strahlung ab c 4 Aus S = πI und u = 4π c I folgt S = 4 u . Man schreibt S = σT mit 4 σ = 2π5h = 5, 67 ⋅ 10 −8 W/(m 2 K 4 ) 2 3 15c h σ ist die Stefan-Boltzmannsche Konstante. Das Wiensche Verschiebungsgesetz (Wilhelm Wien, 1864 - 1928) beschreibt die Lage des Maximums in der Planckschen Formel. Es ergibt sich aus Gl. (5) durch Ableiten und Nullsetzen für die Darstellung im Frequenzraum. Aus Gleichung (6) für den Wellenlängenraum u λ = 15 f(λ ⋅ T) λ u /λ = − 56 f(λ ⋅ T) + 15 f / (λ ⋅ T)T λ λ = 16 [−5f(λ ⋅ T) + λTf / (λ ⋅ T)] λ = 16 G(λ ⋅ T) λ Für G(λmaxT) = 0 folgt das Wiensche Verschiebungsgesetz λ max ⋅ T = const Abb. 30: Comptonstreuung von Röntgenlicht 38 Es ist zu beachten, daß nicht λmax = c/νmax gilt. Wenn λ in nm und T in K gemessen werden, ist die Konstante 3 · 106 nmK. Beispiel: Setzt man für λ = 500 nm, d.h. das Maximum der Empfindlichkeit des menschlichen Auges, erhält man T = (3/5) · 104 = 6000 K, was der Temperatur der Sonnenoberfläche entspricht. Bei der Diskussion der Kirchhoff-Planck-Funktion ist zu beachten, daß bei festgehaltener Frequenz uν immer mit der Temperatur wächst. Bis T = 3000 K liegt das Maximum in Infraroten. Die Aussage: Ein heißer Körper sieht bläulich aus, weil das Maximum seiner Ausstrahlung im Blauen liegt, ist also mit Vorsicht zu genießen. i) Der äußere Lichtelektrische Effekt In der Entwicklung der Quantenphysik haben drei experimentelle Tatsachen eine Schlüsselrolle gespielt, die sich einer Erklärung durch die klassische Physik entzogen. Dies waren neben der Intensitätsverteilung der Hohlraumstrahlung, der äußere Photoeffekt und der Comptoneffekt. Beim äußeren lichtelektrischen Effekt werden durch die Bestrahlung einer Metalloberfläche mit monochromatischem Licht aus dieser Elektronen ausgelöst (S. Abb. 26). Die Metallfläche befindet sich im Vakuum, um die Bewegung der austretenden Elektronen nicht zu behindern. Anordnungen dieser Art dienen als Lichtdetektor. Ein Gegenfeld U gestattet es, die maximale Energie der ausgelösten Elektronen zu bestimmen. Nach dem klassischen Bild erwartet man, daß diese zur Energiedichte der Strahlung proportional ist eU max = 1 mv 2max ∼ S ∼ E 2 2 Gemessen wird, daß diese Energie unabhängig von der Intensität der Strahlung, aber linear wachsend mit der Frequenz ist. In Abb. 27 ist die Stromstärke in Abhängigkeit von der Gegenspannung für zwei unterschiedliche Strahlungsintensitäten S = S1 und S =S2 (S1 > S2) skizziert. Bei positiven Spannungen erhält man für den Strom einen Sättigungswert IS1, IS2, der proportional zur einfallenden Lichtleistung ist (Abb. 28). Bei einem negativen Spannungswert Umax verschwindet das Signal. Umax hängt im Gegensatz zum klassischen Bild nicht von der Intensität der Strahlung ab, sondern nur von der Frequenz, 39 und zwar hängt Umax linear von der Frequenz ab (Abb. 29) eU max = Cν − eU 0 . Diesen Sachverhalt kann man nach Einstein sehr leicht erklären, indem man die Quantenhypothese des Lichtes annimmt. Die hineingestecke Energie hν wird dann aufgebracht, um die Auslösearbeit und die verbleibende kinetische Energie aufzubringen hν = 1 mv 2 + eU 0 . Der Sätti2 gungsstrom ist dann proportional zur Anzahl der einfallenden Lichtquanten und damit zu S. Abb.31: Anordnung zur Elektronenbeugung Der Photoeffekt gestattet es, die Plancksche Konstante und die Austrittsarbeit zu bestimmen, indem die Steigung und der Achsenabschnitt der Geraden Umax(ν) ausgemessen wird. j) Der Comptoneffekt Der Comptoneffekt tritt bei der Streuung von Röntgenstrahlen an freien Elektronen auf (Arthur Compton, 1892-1962). Wegen der großen Energie der Röntgenquanten wirken auch Abb.32: Die Winkelverteilung der gestreuten Elektronen schwach gebundene Elektronen in Festkörpern wie freie Elektronen. Klassisch erwartet man Thomsonstreuung, d.h. das Streulicht sollte eine Frequenz besitzen, die in der Umgebung der Frequenz der eingestrahlten Welle liegt. Compton entdeckte, daß neben dieser unverschobenen Komponente eine zu längeren Wellenlängen verschobene Komponente vorkommt. Die Verschiebung ist vom Streuwinkel ϑ (Abb. 30) abhängig: ∆λ = λ c (1 − cos ϑ) , wobei λc eine Konstante ist, die nicht vom Material des Streuers oder von den Daten der Röntgenstrahlung o abhängt. λ c = 0, 024 A= 2, 4pm heißt die Comptonwellenlänge. Quantenmechanisch erklärt man den Comptoneffekt über den Stoß eines Röntgenquants mit einem ruhenden Elektron. Abb.33: Beim Doppelspaltversuch zeigt sich der Dualismus von Teilchen und Wellen 40 Man benötigt wie beim Stoß von Billardkugeln den Energie- und den Impulssatz, wobei relativistisch gerechnet werden muß. Die relativistische Energie-Impulsbeziehung lautet E 2el = (m 0 c 2 ) + (pc) 2 2 Der Energiesatz hν + m 0 c 2 = hν / + E el = hν / + (m 0 c 2 ) + (pc) 2 2 der Impulssatz für die y-Komponente / p sin ϕ = hν c sin ϑ für die x-Komponente hν / p cos ϕ = hν c − c cos ϑ Durch Quadrieren und Addieren wird ϕ eliminiert 2 2 / sin 2 ϑ + hν − hν / cos ϑ p 2 = hν c c c 2 2 2 2 /2 2 2 2 /2 2 p c = h ν sin ϑ + h ν + h ν cos ϑ − 2h 2 νν / cos ϑ (1) Damit kann mit Hilfe des Energiesatzes p2c2 eliminiert werden. Dieser ergibt nach p2c2 aufgelöst 2 p 2 c 2 = [h(ν − ν / ) + m 0 c 2 ] − (m 0 c 2 ) = h 2 ν 2 + h 2 ν /2 − 2h 2 νν / + m 20 c 4 + 2h(ν − ν / )m 0 c 2 − m 20 c 4 Durch Gleichsetzen mit (1) unter Beachtung der Bedingung sin 2 ϑ + cos 2 ϑ = 1 erhält man: 2h(ν − ν / )m 0 c 2 = 2h 2 νν / (1 − cos ϑ) ν − ν / = h 2 (1 − cos ϑ)νν / m0c oder mit ν = c/λ ∆λ = 2 h (1 − cos ϑ) m0c Die Comptonwellenlänge enthält also die Plancksche Konstante und die Elektronenmasse. Der Comptoneffekt liefert damit einen unabhängigen Wert für die Plancksche Konstante. In späteren Versuchen wurde gezeigt, daß gleichzeitig mit dem Röntgenquant ein Elektron der korrekten Energie ausgelöst wird. Comptonstreuung erwies sich als der Hauptstreueffekt für Röntgenstrahlung von mittlerer Härte. 2. Beugung von Elektronen Im letzten Abschnitt wurde gezeigt, daß bei Licht Teilchen- und Welleneigenschaften auftreten. Analog zeigte sich, daß Teilchen wie Elektronen oder Neutronen ebenfalls sowohl als Teilchen wie als Welle wirken. 41 Die ersten Beugungsversuche mit Elektronen wurden von Davisson und Germer (1919) durchgeführt (Clinton Joseph Davisson, 1881-1958, Lester Halbert Germer, 1896-1971). Sie streuten Elektronen an einem Nickelkristall und bemerkten in der Zählrate der gestreuten Elektronen in Abhängigkeit vom Streuwinkel Maxima, die man als Interferenzmuster von Wellen erklären konnte, die an den Gitterebenen des Kristalls gestreut werden. Die korrekten Werte der Lage der Interferenzmaxima konnte reproduziert werden, wenn man Teilchen mit dem Impuls p die Wellenlänge λ = hp zuordnete. De Broglie forderte, daß allen Teilchen eine Welle nach dieser Formel zugeordnet werden kann (Louis de Broglie,1892-1987). Man nennt diese Wellen auch Materiewellen und die zugehörige Wellenlänge de Broglie-Wellenlänge. Wir merken uns hk = p, hω = E. Die genauere Begründung der de Broglie-Beziehung erfolgt über die Betrachtung von Wellenpaketen. Inzwischen ist eine Reihe von Interferenzversuchen durchgeführt worden, die den klassischen optischen Versuchen entsprechen, z.B. Fresnelbeugung an einer Halbebene aus Al2O3 (Boersch, 1956) und ein Biprismaversuch durch Beugung an einem Faden. Die Beugungsmuster können praktisch von den optischen Pendants nicht unterschieden werden. Beugungsversuche mit Neutronen gehören heute zur Standardmethode bei Strukturuntersuchungen. 3. Welle oder Teilchen Um das rätselhafte Verhalten von Teilchen klarer herauszustellen, beschreiben wir im folgenden einen idealisierten Beugungsversuch am Doppelspalt. Eine Quelle Q bestrahlt einen Doppelspalt und in einer Ebene S wird das entstehende Muster Abb.34: Ein Strahlteiler teilt die Welle. Die Teilchen bleiben ganz mit einem geeigneten Detektor regisriert. Der Detektor wird eine gewisse Intensitätsverteilung W1(x) bzw. W2(x) wahrnehmen, wenn nur einer der Spalte offen ist. Im klassischen Bild 42 unterscheidet sich das Ergebnis für den Fall von Teilchen (Sandkörnern) und Wellen durch die Art der Detektion und durch die Überlagerung der beiden Verteilungen, wenn beide Spalte offen sind. Bei Teilchen werden einzelne lokalisierte Signale registriert, und die Gesamtverteilung ergibt sich aus der Summe der Einzelverteilungen. W ges (x) = W 1 (x) + W 2 (x) Bei Wellen wird ein kontinuierliches Signal registriert und die Intensität für die Überlagerung ergibt sich aus der Zeigeraddition der Amplituden ∼2 ∼1 + ψ ∼2 ψ = ψ 2 ges Es erscheint ein Interferenzmuster. Teilchen oder Photonen verhalten sich gemischt: Der Detektor registriert das Eintreffen einzelner Teilchen, aber die Intensität ergibt sich aus einer Zeigeraddition wie bei Wellen. Man könnte meinen, daß die Teilchen in ihrem Strahl vielleicht wellenförmig angeordnet sind. Dies ist aber nicht der Grund für das merkwürdige Verhalten: Drosselt man die einfallende Intensität so weit, daß die Teilchen im großen zeitlichen Abstand einzeln eintreffen, ergibt die Dichte der Auftreffstellen trotzdem insgesamt das typische Beugungsmuster. Die Intensität der Welle auf dem Schirm beschreibt nur die Wahrscheinlichkeit für das Auftreffen der Teilchen. Es ist auch nicht so, daß das Teilchen nichts anderes als ein Wellenpaket ist. Auf dem Flug zum Schirm ist die Welle durch beide Spalte beeinflußt worden, auf dem Schirm ist die laterale Ausdehnung sehr viel kleiner als der Spaltabstand. Man bekommt sofort Schwierigkeiten bei der Frage: Wie kann ein Teilchen, das doch durch einen der Spalte fliegen muß, wissen, daß da noch ein zweiter Spalt ist? Die Angabe einer Teilchenbahn wird unter diesen Umständen unsinnig. Das Verhalten ist zwar schwer zu verstehen, aber leicht auszurechnen, und die meisten Physiker geben sich mit dieser Möglichkeit zufrieden. 4. Eigenschaften der Materiewellen a) Zusammenhang von Teilchen- und Welleneigenschaften Jedem bewegten Körper kann eine Welle zugeordnet werden, wobei die Energie E und der Impuls p des Teilchens mit den Welleneigenschaften verknüpft werden durch E = hω p = hk Dies gilt auch für makroskopische Körper. Wegen der großen Masse gegenüber atomaren Teilchen wird allerdings die Wellenlänge oder die erforderliche Geschwindigkeit so klein, daß Interferenzeffekte keine Rolle spielen. Beispiel: Sandkorn m = 1 mg = 10-6 kg, v = 10-2 m/s λ = h/p = 6, 6 ⋅ 10 −34 Js/(10 −6 kg ⋅ 10 −2 m/s) = 10 −26 m 43 Umgekehrt kann man jeder Welle ein Teilchen zuordnen. Dies ist sogar bei Schallwellen üblich, wo man die dazugehörigen Teilchen Phononen nennt. Bei nichtlinearen Wellenprozessen, bei denen durch Überlagerung von Wellen der Frequenz ωi ein und der Wellenzahl kiein Wellen anderer Frequenz entstehen, ωiaus, kiaus, schreibt man daher die Frequenz- und Wellenlängenbeziehungen häufig als Energie und Impulssatz Σ hν iein = Σ hν iaus Σhki ein = Σhki aus Energiesatz: Impulssatz: Σ ωiein = Σ ωiaus Σ k iein = Σ k iaus Abb.35: Die Fourieranalyse eines abgehackten Sinus Der Betrag der komplexen Wellenamplitude ist proportional zur Wahrscheinlichkeit, ein Teilchen in der Umgebung eines Ortes zu finden. W(x, t)∆V = ψ ∆V = ψψ ∗ ∆V ψ ∗ ist die konjugiert komplexe Zahl von ψ . Da man ein Teilchen irgendwo im Raum finden muß, ist die Wahrscheinlichkeit normiert 2 +∞ ∫ −∞ ψ dV = 1 2 Die Interpretation der Wellenamplitude als Maß für die Wahrscheinlichkeit für das Auffinden eines Teilchens stellt sicher, daß bei Störungen der Welle, z.B. durch Blenden oder einen Strahlteiler, Teilchen unversehrt bleiben. Z.B. kann in einem Strahlteiler eine Welle in zwei Teilwellen aufgeteilt werden. Die geringere Amplitude in den Teilwellen besagt aber lediglich, daß die Wahrscheinlichkeit, das Teilchen hier zu finden, entsprechend reduziert ist. Bei der Registrierung eines Teilchens zeigt dieses die volle Masse, Ladung usw. des ursprünglichen Teilchens. Ebenso wird bei einem Beugungsversuch das einfallende Teilchen nicht etwa Abb.36: Anblick des Wellenpakets im k-Raum über einen größeren Raumbereich verschmiert, sondern es liegt nur eine räumlich 44 ausgedehnte Wahrscheinlichkeitsverteilung vor. Bei der Registrierung ist es lokal und unversehrt. Die Dynamik des Teilchens wird durch eine Differentialgleichung für die Welle, die Schrödinger-Gleichung, beschrieben. In diesem Sinne ist die Wellenmechanik determiniert, d.h. bei bekannten Anfangswerten für die Welle liegt ihr weiteres Verhalten fest. Die Bewegung des Teilchens ist allerdings nicht streng determiniert, da für seinen Aufenthaltsort nur Wahrscheinlichkeitsaussagen existieren. Diese nur ungenaue Vorhersagbarkeit des Verhaltens von Teilchen ist allerdings streng zu unterscheiden von Wahrscheinlichkeitsaussagen in der klassischen Mechanik. Wenn eine Kugel im Galtonschen Brett auf einen Stift fällt, hat sie, bei sorgfältiger Ausführung der Anordnung die Wahrscheinlichkeit 1/2 auf eine der bei- Abb.37: Ein fourierbegrenztes Wellenpaket den Seiten zu fallen. In der klassischen Mechanik wird das tatsächliche Verhalten, also ob sie in einem konkreten Versuch nach links oder nach rechts fällt, durch geringfügige Änderungen der Anfangsbedingungen verursacht. Man sagt, es hängt von "inneren Parametern" ab, die aufgrund der zu groben Betrachtungsweise nicht bekannt sind. In der Quantenmechanik existieren derartige innere Parameter nicht. Versucht man z.B. das Verhalten eines Teilchens bei einem Interferenzversuch am Doppelspalt durch die Existenz verborgener innerer Parameter zu erklären, etwa dadurch, daß ein innerer Mechanismus bestimmt, wo das Teilchen in der Interferenzfigur aufzutreffen hat, so läßt sich die Tatsache schwer erklären, warum an einer bestimmten Stelle in der Interferenzfigur, nämlich an den Minima, mehr Teilchen erscheinen, wenn man einen der Spalte abdeckt, also weniger Teilchen durchläßt. Innere Parameter müßten unabhängig von äußeren Maßnahmen wie das Abdecken eines Spaltes sein. b) Wellenpakete/Unschärferelation i.Ebene Materiewellen Eine ebene Welle hat die Form ψ = ψ 0 e i(p⋅x−Et) (1) ∗ Da ψψ = 1, ist die Wahrscheinlichkeit, ein Teilchen zu finden im gesamten Raum gleich groß. Der Impuls p des Teilchens ist genau bekannt, der Ort völlig unbekannt. 45 Abb.38: Der Versuch einer seitlichen Eingrenzung eines Strahls führt zu einer Aufweitung durch Beugung ii.Räumlich begrenzte Welle Es liegt nahe, eine Welle zu betrachten, deren Wellenamplitude nur in einem begrenzten Raumbereich deutlich von Null abweicht. Das Teilchen muß dann in diesem Raumbereich gefunden werden. Seine Lage ist also, wie in der klassischen Physik erwartet, besser bestimmt. Eine räumlich begrenzte Welle kann, wie wir aus der Fourieranalyse wissen, allerdings nicht mehr monochromatisch sein. Einen Wellenzug, der im Orts- und Frequenz-bzw. k-Raum ein begrenztes Volumen einnimmt, nennt man ein Wellenpaket. Im Ortsraum heißen die Formeln der Fouriertransformation ∞ 1 ( ) fx = a(k)e ikx dk ∫ 2π ∞ −∞ a(k) = ∫ f(x)e −ikx dx −∞ Wir betrachten als Beispiel ein Wellenpaket, das dadurch entsteht, daß man eine sinusförmige Welle f(x) = e i(k 0 x−ωt) an beiden Seiten abhackt. Indem wir in Gl. (1) etwa t = 0 setzen, erhalten wir das Verhalten im Ortsraum a(k) = mit ∆k = k 0 − k u x o /2 ∫ e −x /2 ik o x −ikx e dx = x o /2 e +i∆kx dx ∫ −x /2 o 0 a(k) = 1 (e i∆kx 0 /2 − e −i∆kx 0 /2 ) i∆k x0 sin 2 ∆kx o /2 (e i∆kx 0 /2 − e −i∆kx 0 /2 ) = x 0 (∆kx 0 /2) 2i∆kx 0 /2 a(k) 2 = x 20 sin 2 ∆kx o /2 (∆kx 0 /2) 2 Wir charakterisieren die Breite durch die erste Nullstelle k 0 x 0 /2 = π und erhalten mit der de Broglie-Beziehung (2) ∆px = h 0 Diese Gleichung beschreibt die Tatsache, daß bei einer Welle die räumliche Begrenzung zwangsläufig zu einer Ausbreitung im Wellenzahlraum führt und umgekehrt. Für eine Materiewelle heißt dies, daß die Ortsschärfe durch eine Impulsunschärfe erkauft wird. Da bei Wellen das räumliche und das zeitliche Verhalten zusammehängen, kann man die gleiche 46 Betrachtung wie oben für den Zeitraum machen, indem man x = 0 setzt. Es genügt, x durch t und k durch ω zu ersetzen und man erhält ω0 t 0 /2 = π ∆Et 0 = h iii.Allgemeines Wellenpaket Bei unterschiedlichen Formen von Wellenpaketen bleibt die Gl. (2) erhalten. Nur der Vorfaktor vor dem h ändert sich. Der minimale Vorfaktor ergibt sich bei einem Wellenpaket mit einer Einhüllenden von der Form einer Gaußkurve. Er ist 1/2 π. Man sagt dann, die Welle ist fourierbegrenzt. Alle anderen Wellen zeigen ein größeres Produkt von ∆p und ∆x. Hieraus folgt die Heisenbergsche Unschärferelation ∆p∆x ≥ h ∆E∆t ≥ h iv.Unschärferelation lateral Wir haben gelernt, daß die Welleneigenschaften von Teilchen dazu führen, daß die Orts- und Impulsunschärfe in Richtung der Teilchengeschwindigkeit nach der Heisenbergschen Unschärferelation miteinander verknüpft sind. Das gleiche gilt für die seitliche Schärfe der Teilchenbahn. Versuchen wir die Teilchenbahn durch einen Spalt der Breite ∆x zu definieren, so verbreitert sich der Winkelbereich der Ausbreitung aufgrund der Beugung am Spalt. sin α = λ ∆x Ersetzt man hier ∆p x = p sin α = p λ ∆x erhält man mit der de Broglie-Beziehung pλ = h ∆p x ⋅ ∆x = h Für eine allgemeine Amplitudenverteilung in x-Richtung ∆p x ⋅ ∆x ≥ h Ort und Impuls ebenso Zeit und Energie können nicht gleichzeitig genau angegeben werden. 47 v.Geschwindigkeiten von Wellenpaketen Wie in der Optik besprochen wurde, breiten sich Wellenpakete mit der Gruppengeschwindigkeit aus v g = ∂ω ∂k Für Materiewellen heißt dies v g = ∂E ∂p 2 2 2 2 mit E = (m 0 c ) + (pc) erhält man Abb.39: Die Fraunhoferlinien im Spektrum der Sonne 2E dE = 2pc 2 dp pc 2 mvc 2 vg = = =v E mc 2 v = p/m ist die Geschwindigkeit der Teilchen. Die Gruppengeschwindigkeit eines Wellenpaketes entspricht der Geschwindigkeit des dazugehörigen Teilchens. Man unterliegt wiederum der Verführung, Teilchen einfach als Wellenpakete zu betrachten. Dies ist aber nicht möglich. Ein Wellenpaket hat zwar einen begrenzten Raum für das Teilchen zur Folge. Ein Teilchen, das an einem bestimmten Ort gefunden wird, sagt aber nichts über die Breite der Amplitudenverteilung der dazugehörigen Welle kurz vor der Beobachtung aus. Es gibt einen zweiten Grund, der die Gleichsetzung von Wellenpaketen und Teilchen ausschließt. Die Materiewellen zeigen eine starke Dispersion. Für die Zeit, in der ein Wellenpaket auseinanderfließt, er∆x 2 m hält man größenordnungsmäßig t = 0 , wobei m die Masse des Teilchens, ∆x0 seine Aush dehnung ist. Für Elektronen mit m ≈ 10 −30 kg, ∆x ≈ 10 −15 m erhält man t = 10-26s. c) Anwendungen der Heisenbergschen Unschärferelation Abb. 40: Die Balmerserie des Wasserstoffs Es gibt eine ganze Reihe von Anwendungen der Heisenbergschen Unschärferelation für Abschätzungen. Z.B. läßt sich aus der Lebensdauer eines angeregten Zustandes sofort eine 48 Aussage über die Energieunschärfe machen. In der Elementarteilchenphysik schließt man umgekehrt aus der Energieunschärfe auf die Lebensdauer. Yukawa schätzte über die Heisenbergsche Unschärferelation die Masse der damals noch nicht entdeckten Pionen ab, indem er nach Teilchen suchte, die für die starke Wechselwirkung im Atomkern verantwortlich sind, ähnlich wie Photonen für die elektromagnetische Wechselwirkung sorgen (Hideki Yukawa, 1907-...). Diese Teilchen halten sich im Kern maximal eine r Zeit ∆t = c0 auf, wenn r0 der Kernradius und c die Lichtgeschwindigkeit ist. Über die Unschärferelation ergibt sich eine Energieunschärfe ∆E = h/∆t = hc/r 0 . Setzt man diese gleich der Masse der gesuchten Teilchen mit ∆E = mc2, so erhält man für diese m = rhc ≈ 3 ⋅ 10 −28 kg 0 Kurz danach wurden Teilchen der Masse 2, 5 ⋅ 10 −28 kg gefunden, die man Pionen nannte. Es Abb.41: Die Struktur der Alkalispektren ist nicht sofort durchschaubar gibt positiv geladene, negativ geladene und neutrale Pionen. Nach heutiger Systematik bestehen sie aus einem Quark-Antiquark Paar. Abb. 42: Die Frequenzen einer Serie liegen auf einer Hyperbel 49 KAPITEL D Die Atomhülle 1.Experimentelle Grundlagen a) Einleitung Die Grundlage für die Theorie der Atomhülle waren Präzisionsmessungen der Spektroskopie. Fraunhofer entdeckte die Absoprtionslinien im Sonnenspektrum. Abb. 39 zeigt die stärksten Fraunhoferlinien im sichtbaren Spektralbereich. Um Ordnung in die Vielzahl von Linien zu bringen, wurde zuerst nach äußeren Merkmalen wie Intensität oder Schärfe der Linien sortiert. Fraunhofer benannte die stärksten Linien mit großen lateinischen Buchstaben A - H (Abb. 39). Dabei sind einige als Linien bezeichnete Gebilde in Wahrheit Gruppen von Linien. Von Fraunhofer hat sich bis heute die Bezeichnung der Resonanzlinie des Natriums als NaD-Linien gehalten. In Wahrheit handelt es sich um ein Dublett von 2 Linien, die als Paradebeispiel für die Diskussion verschiedener atomarer Prozesse häufig herangezogen werden. Regelmäßigkeiten werden sichtbar, wenn man die Spektren einzelner Atome und von diesen wiederum die einfachsten betrachtet. b) Das Wasserstoffspektrum nach Balmer Das einfachste Atom ist der Wasserstoff (Abb. 40). Sein Spektrum zeigt im Sichtbaren den typischen Seriencharakter: Die Serie beginnt mit einer hellen Linie auf der roten Seite des Spektrums und setzt sich in schwächer werdenden Linien mit kleinerem Abstand fort. Die Wellenlänge der Serie strebt einem Grenzwert, der Seriengrenze, zu. In Sternspektren erkennt man Serien mit sehr vielen Mitgliedern. Mit Radiofernrohren kann man heute bis zur 300sten Linie einer Serie erkennen. Im Labor ist dies schwer zu erreichen, da in Entladungen das Wasser stoff-Atomspektrum von Molekülspektren überlagert ist und durch häufige Stöße der Atome die Linien verbreitert werden und vor der Seriengrenze ineinanderschwimmen. Anfänglich versuchte man, die Serie als Gesamtheit aller Oberwellen einer Grundwelle aufzufassen. Diese Versuche schlugen fehl. Als erster fand Balmer eine Formel, die es gestattete, die Wellenlänge aller Serienmitglieder des Wasserstoffspektrums im Sichtbaren mit guter Genauigkeit darzustellen. (Johann, Jakob Balmer,1825-1898) 50 Abb.43: Grotrian-Diagramm der Alkalimetalle 2 λ = G 2n , n −4 wobei man für n die ganzen Zahlen ≥ 3 einzusetzen hat. c) Spektrum der Alkalimetalle Das Spektrum der Alkalimetalle Li, Na, K, Rb, Cs ist deutlich komplizierter als das H_Spektrum (Abb. 41). Man vermutete Gruppen zu 4 Linien. Später erkannte man, daß Gruppen aus 2 Linien (Dubletts) eine Serie bilden. Rydberg zeigte, daß einfache Gesetzmäßigkeiten entstehen, wenn man 1/λ statt λ betrachtet. 1/λ nennt man - anstelle der sonst in der Physik üblichen Bezeichnung k = 2 π/λ - die Wellenzahl und mißt sie in cm-1. ν = 1/λ Heute weiß man, daß ν in vieler Hinsicht praktischer für den Gebrauch als λ ist, da Atome diskrete Energiezustände besitzen und die Frequenz der beim Übergang von E1 nach E2 ausgestrahlten Welle durch E 1 − E 2 = hν 1 gegeben ist. ν = 1/λ = ν/c = (hν) ist proportional zu hν . Trägt man 1/λn einer Serie gegen hc die Laufnummer n der Serienmitglieder auf, erhält man eine hyperbelartige Kurve (Abb. 42), die sich durch Abb.44: Termschema des Wasserstoffs νn = ν∞ − R 2 (n + µ) 51 gut beschreiben läßt, wobei ν ∞ die Seriengrenze darstellt, der Quantendefekt µ im allgemeinen eine Zahl < 1 ist, die in erster Näherung in einer Serie konstant bleibt. R = 1, 1 ⋅ 10 7 m −1 , die sogenannte Rydbergkonstante, erweist sich als universell (Johannes Robert Rydberg, 1859-1917). Zwei benachbarte Linien zeigen einen konstanten Fequenzabstand. Auf diese Weise ließen sich alle damals bekannten Linien der Alkalimetalle 4 Serien zuordnen, die man heute die S, P, D und F-Serie nennt. Die P-Serie (principal series oder Hauptserie) enthält die stärkste Linie. Sie entspricht dem Übergang vom Grundzustand (Abb. 43) zum nächst höher gelegenen Niveau. Die S(sharp)- und D(diffuse)-Serien sind bei bestimmter Auflösung durch schärfere und diffusere Linien gekennzeichnet. Die F(fundamental)-Serie, so genannt durch Hicks, hat einen etwas irreführenden Namen, da sie keine besonders fundamentale Rolle spielt. Die Bildungsgesetze der Serien im Lithium-Spektrum lauten in heutiger Schreibweise: 1 1 , n ≥ 3 ν(S) = R − 2 2 (2 − µ P ) (n − µ S ) 1 1 , n ≥ 3 ν(P) = R − (2 − µ S ) 2 (n − µ P ) 2 1 1 ν(D) = R − , n ≥ 3 2 2 (2 − µ P ) (n − µ D ) 1 1 ν(F) = R − , n≥4 (3 − µ D ) 2 (n − µ F ) 2 Die Summanden in der eckigen Klammer nennt man Terme. Man schreibt sie auch abkürzend, z.B. für die S-Serie ν(S) = 2P − nS Der niedrigste Term ist bei Natrium ein 3 S, bei Kalium ein 4 S, bei Rubidium ein 5 S-Term. Die Wellenzahlen der Linien ergeben sich also aus der Differenz zweier Terme, die man als Abb.45: Die erlaubten Übergänge zwischen den Dubletts der Alkalimetalle Energiewerte deutet. Die Tatsache, daß man aus der Differenzbildung von Wellenzahlen in einem Spektrum oft auf die Differenz der Wellenzahlen zweier anderer Linien stößt, nennt man Ritzsches Kombinationsprinzip (Walter Ritz, 1878-1909). Es ist ein Mittel, die Lage von Linien vorherzusagen. Terme werden in einem Energiediagramm, dem sogenannten GrotrianDiagramm, dargestellt. Die eingezeichneten Terme sind bis auf die S-Terme alle doppelt. Alle Übergänge zwischen benachbarten Termsystem kommen vor. Die Quantendefekte µi 52 Abb.46: Ein Elektron auf einer Kreisbahn um den Kern unterscheiden sich für die Partner eines Dubletts geringfügig. Sie nehmen von der S- zur FSerie ab. d) Balmerformel nach Rydberg Die Balmerformel entpuppte sich als Sonderfall der Serienformel für das Spektrum der Alkalimetalle mit dem Quantendefekt 0. ν = R 12 − 12 ; n 2 = 3, 4, 5, ... 2 n2 Rydberg und Ritz sagten mit Hilfe dieser Formel weitere Spektralserien im Wasserstoff voraus, indem sie sie verallgemeinerten zu ν = R 12 − 12 ; n 1 = 1, 2, 3, 4, 5, ... n1 n2 Diese Serien wurden an den vorhergesagten Stellen gefunden und nach Ihren Entdeckern benannt λ1 = 121,5 nm n1 = 1, n2 = 2, 3, ... Lyman Serie n1 = 2, n2 = 3, 4, ... Balmer Serie n1 = 3, n2 = 4, 5, ... Paschen Serie n1 = 4, n2 = 4, 6, ... Brackett Serie λ1 = 4050,0 nm n1 = 5, n2 = 6, 7, ... Pfund Serie λ1 = 7400,0 nm λ = 656,3 nm 1 Die Gesamtenergie des kreisenden Elektrons in AbAbb.47: hängigkeit vom Kreisradius λ1 = 1875,1 nm Das Termschema des Wasserstoffatoms ist in Abb. 44 dargestellt. Der Übergang n = 1 → n = ∞ entspricht einer Ionisierung. Die Wellenzahl ergibt sich aus der Balmerformel 1 = R 1 − 1 = R = 1, 1 ⋅ 10 7 m −1 , 1 ∞ λ die entsprechende Energie ist Rhc = 2, 2 ⋅ 10 −18 J . Da 1eV = 1, 6 ⋅ 10 −19 J , ist die Ionisierungsenergie R = 13,6 eV. e) Aufspaltung der Terme Vergleicht man das Termschema der Alkalimetalle mit dem des Wasserstoffs, stellt man fest, daß ein Term des Wasserstoffs für eine bestimmte Hauptquantenzahl n0 in n0 Unterterme 53 aufgespalten ist. Man numeriert diese Unterterme mit der Bahndrehimpulsquantenzahl l durch, und zwar ist für S-Terme l = 0, P-Terme l = 1, D-Terme l = 2, F-Terme l = 3. Für ein bestimmtes n0 gibt es die Terme l = 0,1,2, ..., n0 - 1. Sieht man sich einen Term mit einem bestimmten n und l genauer an, so stellt man fest, daß Abb.48: Quantisierung im Phasenraum er bei Alkalimetallen wiederum aus 2 nahe beieinanderliegenden Niveaus besteht. Als Ausnahme sind S-Terme stets einzeln. Diese Aufspaltung nennt man Feinstruktur. Die Ursache hierfür ist die Bahndrehimpuls-Spin-Wechselwirkung. Man unterscheidet die Unterterme eines Dubletts durch die Drehimpulsquantenzahl j = l ± 1/2. Im Prinzip gäbe es für die Übergänge zwischen den Dubletts zweier Terme 4 Möglichkeiten. Beobachtet werden nur solche, bei denen die Auswahlregel ∆j = 0 oder ∆j = ±1 gilt. Außerdem finden nur Übergänge zwischen benachbarten Termserien statt ∆l = ±1 . Im allgemeinen hat man also 3 Linien innerhalb eines Multipletts. Diese bestehen aus einem starken Dublett und einem deutlich schwächeren Satelliten. Der Satellit ist die Ursache für den diffusen Charakter der Linien bei schwacher Auflösung. Bei weiter erhöhter Auflösung beobachtet man die sogenannte Hyperfeinstruktur. Sie rührt Abb.49: Anordnung beim Franck-Hertz-Versuch von der Wechselwirkung der Bahnbewegung mit dem Kernspin her. Auch Wasserstoff hat eine Fein- und Hyperfeinstruktur. 2. Das Bohrsche Atommodell Abb.50: Experimenteller Hinweis auf stationäre Zustände a) Das klassische Planetenmodell 54 Eine korrekte Beschreibung des Atoms ist nur mit der Quantentheorie möglich. Zur konsequenten Behandlung des Spins muß sogar die Dirac-Theorie herangezogen werden. Die Begriffe haben sich allerdings am mechanischen Modell gebildet, das in seinen Grundzügen auf Nils Bohr zurückgeht (1913) (Nils Bohr, 1885-1951) und durch Arnold Sommerfeld verfeinert wurde.(Arnold Sommerfeld, 1868-1951) Im einfachsten Bild geht man von einem ruhenden Kern mit der Ladung Ze aus, der von einem Elektron auf einer Kreisbahn umlaufen wird. Gleichsetzen von Coulomb- und Zentrifugalkraft ergibt mrω2 = Ze 2 (4πε 0 )r 2 (1) Die Gesamtenergie erhält man aus Ekin+Epot=Eges 1 mr 2 ω2 − Ze 2 = E ges (4πε 0 )r 2 Durch Ersetzen von ω2 über Gl. (1) erhält man 2 (2) − 1 Ze = E ges 2 (4πε 0 )r Die Gesamtenergie ist negativ, da sie für r → ∞ auf Eges = 0 normiert ist. Im klassischen Bild strahlt das Elektron elektromagnetische Strahlung ab, da es eine beschleunigte Bewegung ausführt. Die Gesamtenergie und der Bahnradius nehmen also kontinuierlich ab, bis das Elektron in den Kern stürzt. Die Atome zeigen sich entgegen dieser Folgerung als außerordentlich stabil. b)Die Bohrschen Postulate Bohr mußte deshalb, um eine realistische Beschreibung des Atoms vornehmen zu können, einige Zusatzforderungen in die Theorie einfügen, die den klassischen Gesetzen widersprechen. Diese sogenannten Bohrschen Postulate sind im wesentlichen: i.Atome haben stationäre Zustände, in denen die Energie nicht abgestrahlt wird. ii.Energie wird abgestrahlt, wenn ein Atom von einem stationären Zustand in einen mit tieferer Energie übergeht. Dabei gilt E 1 − E 2 = hν iii.Die Quantisierungsbedingung von Planck ∆E = hν wird verallgemeinert zu ∫ pdq = nh . (∫ pdq hat die Dimension von h). q ist eine verallgemeinerte Ortskoordinate, p der dazugehö• rige Impuls, z.B. q = ϕ, p = mr 2 ϕ . Es wird über eine geschlossene Bahn im Phasenraum integriert. 55 Im allgemeinen benötigt man für jeden Freiheitsgrad eine Quantisierungsbedingung. Ohne Berücksichtigung des Kernspins, d.h. der Hyperfeinstruktur, benötigt man für Einelektronensysteme vier Quantenbedingungen für die vier Freiheitsgrade: drei räumliche und einen Spinfreiheitsgrad. Für die ebene Kreisbahn genügt zunächst eine Quantenbedingung. c) Der Franck-Hertz-Versuch Die Existenz stationärer Zustände wurde experimentell durch Franck und Hertz nachgewiesen (James Franck, 1882-1964, Gustav Hertz, 1887-1975). Das Prinzip der Anordnung ist in Abb. 49 dargestellt. Elektronen werden durch eine variierbare Spannung U auf die Energie eU gebracht. Sie durchlaufen eine Gasstrecke, in der sie stoßen können. Ihre Energie nach dem Stoß wird durch ein Gegenfeld mit der Potentialdifferenz UG analysiert. Im klassischen Franck-HertzVersuch wird als Gas Quecksilberdampf verwendet. Zur Demonstration wird die Gegenspannung fest auf UG = 5 V eingestellt und I in Abhängigkeit von U gemessen. Abb. 50 zeigt ein typisches Ergebnis. Im Energiebereich elastischer Stöße steigt der Strom mit der Energie der Elektronen an. Wird die Anregungsenergie der Gasatome erreicht (bei Hg U* = 4,85 eV), geben die Elektronen ihre gesamte Energie ab, sie können das Gegenpotential nicht mehr überwinden. Mit weiter steigender Beschleunigungsspannung (Bereich 2) wiederholt sich das Abb.51: Abhängigkeit der Rydbergkonstanten von der Kernmasse Abb.52: Spektrum eines Wasserstoff-Deuteriumgemisches Spiel. Bei etwa 10 V verlieren Teilchen, die zweimal im Gasraum gestoßen haben, ihre Energie, usw. d) Bahnradius Bei einer Kreisbahn lautet die Quantisierungsbedingung 56 Abb.53: Die Spektren von HI und HeII ∫ pdq = ∫ mr 2 ωdϕ = mr 2 ω2π = nh ω = nh2 mr Einsetzen in Gl. (1) ergibt Abb.54: Die einfachsten Wasserstoffähnlichen 2 2 2 mr n 2h 4 = Ze 2 (4πε 0 )r m r r= n 2 h 2 (4πε 0 ) mZe 2 (3) Für n = 1, Z = 1 erhält man den Radius des Wasserstoffatoms im Grundzustand, den Bohrschen Radius 10 −68 ≈ 0, 5 ⋅ 10 −10 m 9 ⋅ 10 ⋅ 9 ⋅ 10 −31 ⋅ 3 ⋅ 10 −38 in Übereinstimmung mit Messungen über andere Methoden. Bei hochangeregten Atomen ist der Radius um einen Faktor n2 größer, z.B. bei n = 300 um n2 ≈ 105. Der Radius solcher AtorB = 9 me beträgt etwa 5 µ. e) Gesamtenergie Aus Gleichungen (2) und (3) erhält man für die Gesamtenergie En = − Z2e4m 2(4πε 0 ) 2 h 2 n 2 Wenn man voraussetzt, daß hν = ∆E , ergibt sich die Balmerformel 57 Abb. 55: Bahnen mit gleicher Gesamtenergie, aber unterschiedlichem Drehimpuls e4m ∆E = Z 2 R ∗∞ 12 − 12 mit R ∗∞ = n1 n2 2(4πε 0 ) 2 h 2 -1 R ∗∞ wurde in Joule gemessen. Zur Umrechnung in m gilt R ∞ = R ∗∞ /hc Mit den Naturkonstanten erhält man R ∞ = 109737cm −1 Vergleich mit Meßergebnissen an Wasserstoff zeigt eine Abweichung in der 5. Stelle. Diese kann man beseitigen, wenn man die Endlichkeit der Kernmasse mit berücksichtigt. Das erreicht man am besten dadurch, daß man die Elektronenmasse durch die reduzierte Masse µ ersetzt. 1 1 1 µ = me + mi Dies ergibt RH = 109677 cm-1. Mit dieser Korrektur stimmt die Rydbergkonstante auf mindestens 6 Stellen mit dem experimentellen Wert überein. Für ein Atom mit einem Kern der Masse M erhält man dann allgemein Rm = R∞ 1 + m e /M Abb.56: Tauchbahnen f) Folgerungen aus dem Bohrschen Modell i.Die Rydbergkonstante hängt von der Masse des Atoms ab, was experimentell durch Vergleich von Spektren von Atomen unterschiedlicher Masse bestätigt wurde (Abb. 51). Diese Aussage führte zur Entdeckung des schweren Wasserstoffs durch Urey, 1932. Der Deuteriumkern besteht aus einem Proton und einem Neutron und ist damit doppelt so schwer wie ein Wasserstoffkern. ii.Atome, die durch Ionisation alle Elektronen bis auf eins verloren haben, zeigen wasserstoffähnliche Spektren, in denen alle Details (bis auf den unter i. erwähnten Isotopie-Effekt) 58 gleich sind wie bei H, wenn man R durch Z2R ersetzt. (Z ist die Kernladungszahl). Pickering entdeckte im Stern ζ Puppis eine Serie von Spektrallinien, bei der jede zweite Linie mit einer Wasserstofflinie zusammenfiel (Abb. 53) (Edward Charles Pickering, 1846-1919). Diese erklärt sich zwanglos aus der Bohrschen Formel als Serie des Ionisierten Heliums mit Z = 2. ν = 4R H 12 − 12 n1 n2 Anfänglich wurde vermutet, daß es sich um eine Sonderform von Wasserstoff mit halbzahligen Quantenzahlen handelt. ν = RH 1 2 − 1 2 (n 1 /2) (n 2 /2) Das Termschema zeigt Abb. 54. Die Mitglieder der Pickeringserie fallen wegen des IsotopieEffektes nicht genau mit den Wasserstofflinien zusammen. In Fusionsplasmen erzeugt man wasserstoffähnliche Spektren, z.B. von Eisen. Die Bezeichnungen HI, HeII, LiIII stammen aus der Spektroskopie, in der man üblicherweise das Spektrum des neutralen Elementes A als das AI-Spektrum, des einfach ionisierten als das AII bezeichnet. g) Ellipsenbahnen Ohne äußeres Feld und ohne Berücksichtigung des Spins wird die Bewegung des Elektrons durch 2 Freiheitsgrade beschrieben. Z.B. durch die große und kleine Halbachse. Die Hauptquantenzahl gibt nach wie vor die Gesamtenergie an 2 E n = RZ2 n Da bei der Keplerbewegung die Gesamtenergie alleine durch die große Halbachse ausgedrückt werden kann, erhält man bei vorgegebenem n eine Schar von Ellipsen mit gleich großer Halb- achse. Fordert man zusätzlich, daß der Drehimpuls gequantelt ist, erhält man zu jedem n n Ellipsen unterschiedlicher Exzentrizität. Bei der größten Exzentrizität liegt der kleinste Drehimpuls vor. Nach heutiger Nomenklatur ergibt l = 0 den kleinsten Bahndrehimpuls. Eine solche Bahn liefe auf einem Geradenstück, das durch den Kernmittelpunkt führt. Die höchste Bahndrehimpulsquantenzahl ist l = n - 1. Bei völlig klassischer Berechnung haben alle Ellipsen mit gleichem n die gleiche Energie. Man sagt, die Terme sind also bezüglich l n-fach entartet. Bei Berücksichtigung der 59 relativistischen Massenzunahme ergibt sich durch die größere Geschwindigkeit der Elektronen in Kernnähe bei Bahnen größerer Elliptizität eine etwas kleinere Energie. Nach Sommerfeld wird im Wasserstoff 2 2 2 E n = Z 2 R 1 + α Z2 n − 3 , l+1 4 n n e 2 = 137 die sogenannte Feinstrukturkonstante ist. α ist dimensionslos. Die 2ε 0 hc entsprechende quantenmechanische Rechnung liefert einen Ausdruck, bei dem im ersten wobei A = Term der runden Klammer l + 1/2 statt l + 1 im Nenner steht. Außerdem ergibt sich eine weitere Korrektur durch Spin-Bahn Wechselwirkung sowie einen Quantenfeldeffekt. Bei den Alkalimetallen taucht das Elektron in die Wolke der Rumpfelektronen. Die Abschirmung der Kernladung durch die Rumpfelektronen wird dadurch vermindert, die Bindungsenergie wird Abb.57: Magnetisches Moment einer stromdurchflossenen Leiterschleife größer. Die Terme der Alkalimetalle liegen daher tiefer als die entsprechenden Wasserstoffterme. Je kreisförmiger die Bahn, d.h. je größer das l, desto ähnlicher wird das Termschema dem Wasserstoff. Das gleiche gilt für große Radien, d.h. Hauptquantenzahlen. Dieses Verhalten entspricht den im vorigen Abschnitt geschilderten Beobachtungen. h) Anmerkungen zum Bohrschen Modell Die Bohrsche Theorie ist unbefriedigend, da die Quantenbedingungen in der sonst klassischen Theorie einen Fremdkörper darstellen. (Aussage von Bragg: Eine Theorie, bei der man Mo, Mi, Fr klassisch, sonst quantenmechanisch rechnen muß.)(William Henry Bragg, 1862-1942, William Lawrence Bragg, 1890-1971) Mit der Bohrschen Theorie können keine Aussagen über Intensitäten gemacht werden. Dieser Mangel sollte über das sogenannte Korrespondenzprinzip behoben werden. Die Theorie versagt bei der Berechnung des He-Atoms, obgleich das entsprechende Problem der himmelsmechanik durch Störungstheorie sehr gut behandelt werden kann. Einige Aussagen sind auch bei Wasserstoff falsch. Z.B. haben - wie man aus der Quantenmechanik weiß - die S-Zustände 60 Abb.58: Beitrag zur potentiellen Energie Kugelsymmetrie, während sie nach der Bohrschen Theorie Bahnen mit größter Elliptizität ergeben sollten. Warum ist es trotz einer falschen Theorie möglich, Aussagen mit ausgezeichneter Genauigkeit zu erzielen? Im Grunde ist die Bohrsche Theorie vermutlich eine intelligente Art der Dimensionsanalyse. Die Dimensionsanalyse erlaubt in vielen Fällen, wenn technische Prozesse schwer berechenbar sind, aber wenigstens die beteiligten Größen genau bekannt sind, die funktionale Abhängigkeit einer Größe von den übrigen Parametern zu finden. Beispiel: Schwingungszeit eines Pendels eingehende Größen m, g, l, gefragt t [m] = kg; [g] = ms −2 ; [l] = m; [t] = s Ansatz t = mαgβ lγ kg 0 m 0 s 1 = kg α m β s −2ß m γ Exponentenvergleich ergibt: α=0 −2β = 1; β = − 1 2 1 β + γ = 0; γ = . 2 Hieraus folgt t = C gl . Beispiel einer Dimensionsanalyse mit einem falschen physikalischen Bild: Für das Pendel gilt die Bewegung im Erdschwerefeld, d.h. der freie Fall: s = 1 gt 2 2 aufgelöst nach t: t = 2 gl . Der zurückgelegte Weg entspricht erwa der halben Pendellänge 2s = l . Wegen Kreis: Faktor π: T = 2π gl 61 KAPITEL E Der Spin 1.Magnetisches Moment Bei der bisherigen Betrachtung wurden magnetische Kräfte zur Berechnung der Energiezustände nicht berücksichtigt. Diese sind zwar tatsächlich wesentlich kleiner als die elektrostatischen Kräfte, führen aber zu deutlich beobachtbaren Effekten. Jede Umlaufbahn eines Elektrons ist mit einem magnetischen Dipolmoment verbunden, das mit dem eines anderen Elektrons wechselwirkt und so zu einer Modifikation des Energiezustandes führt. Im folgenden wird daher zunächst auf den Zusammenhang zwischen Bahnbewegung eines geladenen Teil- Abb.59: Bestimmung des gyromagnetischen Verhältnisses chens und magnetischem Moment eingegangen. a) Drehmoment auf eine Leiterschleife Eine von Strom I durchflossene rechteckige Leiterschleife sei um einen Winkel α gegenüber dem Magnetfeld gedreht (Abb. 57). Dann wird auf sie ein Drehmoment D = 2 a F sin α ausge2 Abb.60: Aufspaltung eines Atomstrahls im inhomogenen Magnetfeld übt, wobei sich F aus der Lorentzkraft ergibt F = QvB mit Q = neV = nebA d F = nev⋅A d bB = IbB . Das Drehmoment läßt sich also durch D = AIB sin α ausdrücken. Dies gilt für jede Form einer Leiterschleife, da man sich eine beliebige Schleife als aus Rechteckschleifen zusammengesetzt denken darf. Man schreibt allgemein D=µ×B mit µ= A⋅I 62 und nennt µ analog zum elektrischen Dipol, bei dem D = p × E ist, das magnetische Dipolmoment der Schleife. Es sei angemerkt, daß zuweilen µ' = µ0 AI als magnetisches Dipolmoment definiert wird. b) Die potentielle Energie eines magnetischen Dipols im Magnetfeld Die Energiemodifikation eines im Feld geneigten Dipols ergibt sich aus α E pot = −∫ F • ds = ∫ Ddα = −µB ∫ sin αdα = µB cos α 0 oder in Vektorschreibweise E pot = µ • B Da B eine fest vorgegebene Größe ist, erwarten wir, daß die zu B parallele Komponente des magnetischen Momentes gequantelt ist. Wir können uns dies auch so veranschaulichen: Das kreisende Elektron stellt einen Kreisel dar. Auf diesen wird durch die Kraft des Magnetfeldes auf den magnetischen Dipol ein Drehmoment ausgeübt, das zu einer Präzessionsbewegung führt. Dadurch mitteln sich die Komponenten, die senkrecht zu B stehen heraus und die einzige für eine Energiemodifikation relevante Komponente ist die in Richtung des Magnetfeldes. Man bezeichnet sie gewöhnlich als die z-Komponente und schreibt l z = mh , wobei m die 2l + 1 ganzzahligen Werte m = 0, ±1, ±2, ..., ±l annehmen kann. c) Das gyromagnetische Verhältnis Das Dipolmoment eines umlaufenden Elektrons ist dem Drehimpuls dieser Bewegung proportional. Schreibt man nämlich Q I = = eω T 2π A = π ⋅ r2 so erhält man µ = IA = 1 eωr 2 . 2 Da der Drehimpuls der Bahn l = mωr 2 ist und l in Richtung der Flächennormalen liegt, ergibt Abb.61: Die Elementarmagnete neigen dazu, sich antiparallel auszurichten sich µ = e l, 2m 63 Abb. 62: Vektorielle Addition der Drehimpulse wobei e = -e0 die Ladung des Elektrons ist. Die Richtungen von µ und l sind also entgegengesetzt. e0 l 2m Für den Sonderfall l = h wird µ B = eh = 9 ⋅ 10 −24 Am 2 . 2m µB ist die natürliche Einheit für das magnetische Moment im Atom. Es heißt Bohrsches Maµ=− gneton. Die Proportionalitätskonstante µ e γ= = 0 2m l nennt man das gyromagnetische Verhältnis. Mißt man µ in Einheiten von µB und l in Einheiten von h, erhält man für γ eine dimensionslose Zahl, den Landéschen g-Faktor. µ/µ B g= l/h Da µ = −µ B l/h , ist g = 1 für die Bahnbewegung. Abb.63: l=1 Abb.64: l=2 Abb.65: l=1/2 d) Der Einstein-de-Haas Versuch(1915) Das gyromagnetische Verhältnis läßt sich direkt durch den Einstein-de-Haas Versuch messen. In ihm wird eine Eisennadel durch ein äußeres Magnetfeld ummagnetisiert. Die Änderung der Magnetisierung und das Drehmoment, das auf die Nadel übertragen wird, werden gemessen. Bei Eisen als Probe erhält man g ≈ 2 .(Johannes Wander de Haas,1878-1960) e) Stern-Gerlach Versuch (1921) Abb.66 und Abb.67: Ausrichtung von l unter Berücksichtigung des irrationalen Betrages von l. 64 Im Stern-Gerlach Versuch wird gezeigt, daß lz nicht, wie klassisch zu erwarten, kontinuierlich ist, sondern daß es gequantelt ist (Otto Stern,1888-1969, Walter Gerlach, 1889-1979). Außerdem wurde in diesem Versuch die Existenz des Elektronenspins und die Quantelung seiner Abb.68: Eine Stern-Gerlach-Apparatur zur Präparation reiner Spinzustände z-Komponente nachgewiesen. Ein Atomstrahl wird senkrecht zur Magnetfeldrichtung in ein inhomogenes Magnetfeld geAbb.69: Die Apparatur von Abb.68 symbolisch führt. Das Magnetfeld übt auf magnetische Dipole eine Kraft aus, die von der Orientierung des Dipols im Magnetfeld abhängt. Das Experiment zeigt diskrete Ablenkungswinkel. Im historischen Experiment von Stern und Gerlach zeigten sich bei einem Strahl aus Silberatomen Abb.70: Teilchen passieren nacheinander zwei Stern-Gerlach Filter zwei deutlich getrennte Positionen des Strahls auf dem Beobachtungsschirm. Diese deuten auf 2 diskrete Einstellwinkel des Dipoles bezüglich der Feldrichtung und damit auf eine Drehimpulsquantenzahl s mit 2s+1=2 s = 1/2 Abb.71: Drehung der Filter um jeweils den gleichen Winkel 65 Abb.72: Werden die Spins durch die Filter gekippt? 2. Der Spin des Elektrons a) Entdeckung des Elektronenspins Die Ergebnisse des Stern-Gerlach und des Einstein-de-Haas Experimentes lassen sich verstehen, wenn man annimmt, das Elektron besitze neben dem Drehimpuls seiner Bahn einen Dreh- impuls seiner Drehung um den Schwerpunkt und ein damit verbundes magnetisches Moment. Dieser Eigendrehimpuls, der sogenannte Spin, wurde zum erstenmal von Uhlenbeck und Goudsmit 1925 postuliert, die damit die Feinstruktur in den Atomspektren erklärten (Georg Eugen Uhlenbeck, 1900-1988, Samuel Goudsmit, 1902-1978). Um die Deutung des Stern-Gerlach und des Einstein-de-Haas Versuches zu verstehen, muß man sehen, daß bei Vorliegen eines Rumpfes von inneren Elektronen mit einem Leuchtelektron das magnetische Moment aller Rumpfelektronen und damit ihr Drehimpuls verschwindet, da die Elementarmagnete das Bestreben haben, die Position mit kleinster Gesamtenergie einzunehmen, d.h. sich antiparallel auszurichten. Der Rumpf ist gerade dadurch ausgezeichnet, daß er eine besonders stabile Elektronenkonfiguration beinhaltet. In die Messung gehen also nur die Daten des Leuchtelektrons ein. Da sowohl Eisen wie auch Silber als Grundzustand einen S-Zustand besitzen mit l = 0, wird also unmittelbar der Eigendrehimpuls des Elektrons gemessen s = 1/2. Aus dem Einstein-de-Haas Versuch ergibt sich ein Landé-Faktor von g ≈ 2 . Der wesentliche Unterschied zum Bahnmagnetismus besteht in der Größe von g, die dort 1 Abb.73: Präzession eines Kreisels im Magnetfeld ist. Klassisch gesehen würde man ein gleiches g erwarten, wenn die Ladung an die Masse gebunden ist, denn g ist unabhängig vom Bahnradius. g gibt also - klassisch ausgedrückt - ein Maß für den Unterschied von Ladungs- und Massenverteilung. In der relativistischen Theorie von Dirac ergibt sich g = 2. Quantenelektrodynamische Effekte verursachen eine Abweichung von 2. Man ist daher heute bemüht, g so genau wie möglich zu messen. Die genauesten 66 Messungen werden heute an Einzelteilchen in elektromagnetischen Fallen erzielt. Danach ist g = 2,0023. b) Das Vektormodell Die Aufspaltung eines Terms in der Feinstruktur ergibt sich aus dem Vektormodell. Wie im klassischen Bild addieren sich die verschiedenen Drehimpulse vektoriell j = l + s. j ist der Gesamtdrehimpuls. l, s und j sind gewissen Quantenbedingungen unterworfen. Im halbklassischen Bild ist s = 1/2h = sh (Spindrehimpuls) l = lh (Bahndrehimpuls) j = jh (Gesamtdrehimpuls) Bei Vorliegen einer Vorzugsrichtung (z) ergeben sich für lz die in Abb. 63 - 65 skizzierten Möglichkeiten. Z.B. kann bei l = 1 lz maximal den Wert lz = 1 annehmen, minimal lz = -1. Dazwischen liegt mit Abstand ∆l z = 1 der Wert l z = 0. Es gibt also insgesamt 2 l + 1 = 3 Richtungen, in denen sich das l einstellen kann. Bei l = 2 (Abb. 64) erhält man 5 Richtungen. Bei s = 1/2 gibt es nur 2 Richtungen für die Einstellung des Spins: parallel und antiparallel zur Vorzugsrichtung. Quantenmechanisch ergibt sich ein Unterschied im Bild, wobei die Gesamtzahl der Kompo- Abb. 74: Anordnung zur Elektronenspinresonanz nenten eines Terms gleichbleibt. Wie sich aus der Lösung der Schrödingergleichung des entsprechenden Problems ergibt, gilt s = s(s + 1) h l = l(l + 1) h j = j(j + 1) h , wobei zu beachten ist, daß hier s, l, j die klassischen Drehimpulse sind, s, l, j aber nicht, wie nach der in der Vektorrechnung üblichen Notation die Beträge, sondern die Quantenzahlen. Abb. 75: Einbruch des Detektorsignals bei der Elektron - Spinresonanz 67 Die entsprechenden Möglichkeiten für die Ausrichtung des Drehimpulses sind in Abb. 66 67 skizziert. 3. Einige Eigenschaften von Spinzuständen a) Filter für Spinzustände Stern-Gerlach Apparaturen kann man als Filter auffassen, die aus einem natürlichen Gemisch Teilchen mit bestimmter Spinrichtung aussortieren. Dies kann bei Teilchen mit s = 1/2 durch Ausblenden des einen der beiden Strahlen erfolgen. Vereinfachend soll ein solches Filter wie in Abb. 69 symbilisiert werden. Schaltet man zwei Filter mit gleicher Durchlaßrichtung hintereinander, so kommen alle Teilchen, die das erste Filter passieren, auch durch das zweite. Bei antiparalleler Durchlaßrichtung werden vom zweiten Filter keine Teilchen durchgelassen, da alle, die das erste Filter passieren, die falsche Spinrichtung haben. Das erste Filter stellt also einen Strahl von Teilchen her, die alle den gleichen Spinzustand "Spin nach oben" haben. Bei einem Drehwinkel α des zweiten Filters gegenüber dem ersten kommt ein bestimmter Bruchteil CN (C<1) durch das zweite Filter. Stellt man drei Filter (F1, F2, F3) hintereinander auf, die jeweils um den gleichen Winkel gedreht sind, so läßt das zweite Filter CN Teilchen durch, das 3. hiervon wieder den Anteil C, d.h. C2N. In Abb. 71 sind die Filter F1 und F3 um 90° gegeneinander gedreht. Dann läßt F2 50 % der ankommenden Teilchen durch und F3 von diesen wiederum 50 %. Dabei ist es gleichgültig, in welcher Richtung das Filter F3 gegen den Filter F2 gedreht wird. Der Prozentsatz der durchgelassenen Teilchen ist von der Vorgeschichte (Filter F1) unabhängig. Das ganze System zeigt ähnlich wie bei Polarisationsfiltern in der Optik eine gewisse Durchlässigkeit, während es ohne F2 bei dieser Stellung von F1 und F3 undurchlässig wäre. Es sieht also auf den ersten Blick so aus, als ob die Teilchen durch die Filter mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit umorientiert werden. Diese Betrachtungsweise ist aber falsch, wie der Versuch in Abb. 72 zeigt. Hier sind wieder drei Filter hintereinander aufgestellt, wovon das erste und das letzte gleiche Richtung zeigen. Das mittlere ist gedreht, läßt aber beide Spinrichtungen durch (und führt sie wieder zusammen in Strahlrichtung). In diesem Fall beobachtet man, daß alle Teilchen, die Filter Nr. 1 passieren, auch Filter Nr. 3 passieren, was nicht zu erwarten wäre, wenn das mittlere Filter die Teilchen in seine Richtung kippt. Das von der klassischen Betrachtungsweise seltsame Verhalten wird deutlich, wenn man Abb. 72 mit Abb. 71 vergleicht. Hier ist im mittleren Filter die Sperre beseitigt, so daß alle Teilchen durchkommen. Jetzt verhält sich das System so, als ob F2 nicht vorhanden wäre, 68 d.h. in der Stellungwie in Abb. 72 a wird kein Teilchen durchgelassen. Obgleich ein Hindernis gegen Abb. 71 beseitigt wurde, können weniger Teilchen passieren. b)Spin Resonanz i.Larmorfrequenz Ein in einem Magnetfeld B kreisendes Elektron mit magnetischem Moment µ erfährt ein Drehmoment D = µB sin α . Dadurch erhält man eine Präzessionsbewegung. Nach Abb. 73 Abb.76: Ohne gegenseitige Kopplung gyrieren die magnetischen Momente einzeln um das Magnetfeld ist dϕ = dl l sin α Abb.77: Gyration bei starker Kopplung dϕ dl 1 µB = =D 1 = dt dt l sin α l sin α l Führt man das gyromagnetische Verhältnis ein, erhält man ωL = ωL = γB = g µB h B ωL nennt man die Larmorfrequenz. Sie ist doppelt so groß wie die Gyrationsfrequenz eines freien Elektrons. ii.Elektronenspinresonanz Bestrahlt man Atome, die sich in einem statischen Magnetfeld B befinden mit einem Wechselfeld, das eine Frequenz von der Größe der Larmorfrequenz besitzt, so werden Übergänge zwischen den möglichen Spinzuständen erzwungen. Dabei kann Strahlung absorbiert oder emittiert werden. Den zweiten Fall nennt man erzwungene Emission. Klassisch erhält der Kreisel bei Resonanz in der richtigen Phase einen Kraftstoß, so daß er umklappt. 69 Experimentell plaziert man eine Probe in ein Magnetfeld und setzt sie gleichzeitig einem HF-Feld aus. Bei Elektronenspinresonanz liegen die erforderlichen Frequenzen bei Magnetfeldern von 0,1 - 1 T im Mikrowellenbereich, bei Kernspinresonanz wegen der größeren Abb.78: des HeI Termschema Masse im Nenner des magnetischen Momentes im Radiofrequenzbereich. Im Prinzip kann man die Frequenz oder das Magnetfeld variieren und die Belastung des HF-Kreises messen; im allgemeinen ist es einfacher, die Frequenz zu variieren. Bei der Resonanz wird ein Einbruch des Detektorsignales beobachtet. Geräte zur Elektronenspinresonanz (ESR) sind heute im physikalischen und chemischen Labors weit verbreitet. Sie werden wie Spektrographen zur Analyse der Stoffzusammensetzung eingesetzt. In der Grundlagenforschung dienen sie zur Präzisionsmessung von g und zur Termanalyse. Mit Hilfe der Kernspinresonanz bestimmten Bloch und Alvarez das magnetische Moment des Neutrons. Kernspintomographie dient der medizinischen Diagnose. 4. Spin-Bahn Magnetismus, Feinstruktur a) Magnetfeld der Atomhülle Die magnetischen Dipolmomente im Atom können mit einem äußeren Magnetfeld wechselwirken oder mit einem Magnetfeld, das im Atom selbst erzeugt wird. Der erste Fall führt zum Zeeman-Effekt, der im nächsten Abschnitt behandelt wird, der zweite zur Feinstruktur, die das Thema des folgenden Abschnittes ist. Wodurch wird das Magnetfeld in der Atomülle erzeugt? Das Elektron sieht aufgrund der Transformationseigenschaften des elektromagnetischen Feldes infolge seiner Bewegung im elektrostatischen Feld auch ein Magnetfeld B v = − 12 (v × B) c Man kann sich die Entstehung dieses Feldes veranschaulichen, indem man sich in das Bezugssystem des Elektrons setzt. Der positiv geladene Kern umkreist dann das Elektron und erzeugt an dessen Ort ein magnetisches Feld. 70 Die zusätzliche potentielle Energie des Spindipols in diesem Feld und damit die Energieverschiebung eines Terms ist ∆W = µ • B v Da B senkrecht auf der Bahnebene steht und proportional v ist, wird B ~ l. Außerdem ist e s d.h. ∆W = as • l . µ = −m a läßt sich klassisch berechnen. Es ergibt sich 4 a∼ Z 3 mn b) Feinstruktur im Einelektronensystem Bei Einelektronensystemen wie den Wasserstoffähnlichen oder Elementen der ersten Hauptoder Nebengruppe des Periodischen Systems nimmt der Spin relativ zur Richtung des internen Magnetfeldes, also relativ zur Richtung von l die zwei möglichen Neigungen an, die man mit dem Vektormodell vorhersagt. Ausgenommen bleiben S-Terme. Bei ihnen fehlt die durch das magnetische Moment gegebene Vorzugsrichtung. Der Energieabstand der Dublettkomponenten nimmt mit zunehmender Kernladungszahl zu und mit zunehmender Hauptquantenzahl ab. Bei Wasserstoff ist die Aufspaltung durch die Spin-Bahnwechselwirkung so klein, daß z.B. quantenelektrodynamische Effekte von gleicher Größenordnung werden. Bei Natrium ist die Dublettstruktur mit einfachen Mitteln auflösbar (589,0 und 589,6 nm). In Cäsium ist der Abstand der entsprechenden Dublettkomponenten über 40 nm entfernt (894 und 852 nm). c) Mehrelektronensystem i.Kopplungsarten Bei Mehrelektronensystemen hängt das Aufspaltungsmuster von der relativen Stärke der verschiedenen Kräfte zwischen den einzelnen magnetischen Momenten ab. Diese wird durch die Kopplung beschrieben. Stellen wir uns vor, die magnetischen Momente zweier Elektronen µ1 und µ2 hätten vernachlässigbare Kopplung. Dann würde die Gyration der ein- Abb.79: Addition der Drehimpulse beim Zeemaneffekt zelnen Elektronen in einem äußeren Feld unabhängig und mit im allgemeinen 71 unterschiedlicher Frequenz erfolgen. Im Grenzfall starker Kopplung bleibt die Orientierung der beiden Momente zueinander starr und der Gesamtdrehimpuls gyriert um das Magnetfeld. In Atomen findet man für die Kopplung zwischen den li und si der einzelnen Elektronen alle möglichen Fälle. Eine große Anzahl von Spektren kann man allerdings mit einem der zwei Grenzfälle beschreiben. Alle Spins si addieren sich zu einem Gesamtspin S, alle Bahndrehimpulse li addieren sich zu einem Gesamtbahndrehimpuls L, L und S addieren sich zum Gesamtdrehimpuls J. Diese Kopplungsart nennt man die Russel-Saunders oder LS-Kopplung (Henry Norris Russel, 1877-1957, Frederik Albert Saunders, 1857-1963). Da bei leichten Atomen die Wechselwirkungsenergie zwischen µl und µs für einzelne Elektronen klein ist, spielt sie besonders bei leichten Atomen eine Rolle. Bei schweren Atomen (genauer: bei Atomen mit großer Kernladungszahl Z) wird die Kopplung zwischen l und s jedes Elektrons dominierend. Im Extremfall hat man die sogenannte jj-Kopplung. Bei der jj-Kopplung addiert sich für jedes Elektron si und li zum gesamten Drehimpuls dieses Elektrons ji. Die ji der einzelnen Elektronen addieren sich zum Gesamtdrehimpuls J. Der Gesamtbahndrehimpuls und Spindrehimpuls L und S haben keine Bedeutung mehr. Abb.80: Die π-Komponenten beim Zeeman-Effekt 72 Abb.81: Die σ-Komponenten beim Zeeman-Effekt d) Beispiele für LS-Kopplung Helium sowie Elemente der zweiten Haupt- bzw. Nebengruppe des Periodensystems Be, Mg, Ca, Sr, Ba bzw. Zn, Cd, Hg ebenso die einfach ionisierten der 3. Gruppe haben zwei Leuchtelektronen. Als Beispiel wird das Spektrum von HeI besprochen. He hat LS-Kopplung. Die Kombination der Spinmomente ergibt daher S = 1 − 1 = 0 und 2 2 1 1 S = + = 1 . Im ersten Fall hat man die Multiplizität 2 S + 1 = 1, d.h. ein System von Sin2 2 gulett-Termen, im zweiten Fall 2 S + 1 = 3, also ein System von Triplett-Termen. Da Übergänge, bei denen gleichzeitig ein Spin umklappt, sehr selten sind, finden Übergänge zwischen Termen im Singulett und im Triplett-System, d.h. solche mit ∆S ≠ 0 nicht statt. Die Kopplung zwischen s1 und s2 ist relativ fest. ursprünglich vermutete man 2 verschiedene Sorten Helium. Die S-Terme sind auch im Triplett-System nicht gespalten. Das Termschema des HeI ist in Abb. 78 wiedergegeben. Auffällig ist, daß es zwar einen 11S-Term, aber keinen 13S-Term gibt. Dieses Phänomen und viele ähnliche Phänomene in Atom- und Molekülspektren haben zur Formulierung des sogenannten Pauli-Prinzips geführt (Wolfgang Pauli, 1902-1958). Es Abb. 82: Übergänge bei klassischen Zeeman Tripeln besagt, daß es in einem Atom keine zwei Elektronen geben kann, bei denen alle Quantenzahlen gleich sind. Im 3S-Zustand hätten beide Elektronen den Spin +1/2, außerdem wären n und l gleich. In angeregten 3S-Zuständen ist das n der beiden Elektronen unterschiedlich, im 11S-Zustand sind die Spins + 1/2 und -1/2, also unterschiedlich, so daß diese Zustände beobachtet werden. 73 Als Beispiel für jj-Kopplung wird Blei betrachtet. Blei hat im Grundzustand die Elektronenkonfiguration 6 p 7 s. Die Quantenzahlen dieser Elektronen sind also l1 = 1, l2 = 0, s1 = 1/2, s2 = 1/2. J 1 = l 1 + s 1 = 3 mit den Kombinationen J = 2 und J = 1, 2 J2 = l2 + s2 = 1 2 Bezeichnung 3 , 1 2 2 2 Bezeichnung 3 , 1 2 2 1 Abb. 83: Zeemann - Aufspaltung der NaD-Linien 1, 1 J 1 = l 1 − s 1 = 1 mit den Kombinationen J = 1 und J = 0, Bezeichnung 2 2 1 2 1, 1 J2 = l2 + s2 = 1 2 2 0 2 Als Beispiel für ein Dreielektronensystem wird das Termschema des NI besprochen. Bei der Addition des Spins gibt es, da Spins nur kollinear addiert werden und der Gesamtspin positiv sein muß, zwei Möglichkeiten → → ← S= 1 , 2S + 1 = 2 2 → → → S= 3 , 2S + 1 = 4 2 Dublettsystem Quartettsystem Abb.84: Das Vektorgerüst beim Zeeman - Effekt 74 Der Grundzustand ist ein 4 S3/2-Zustand, der nicht aufspaltet. Wegen der kollinearen Addition (alle Spins haben eine Richtung oder die genau entgegengesetzte), erhält man bei einer geradzahligen Anzahl von Elektronen ungerade Multiplizitäten und bei einer ungeradzahligen Anzahl gerade Multiplizitäten. Schreitet man daher im Periodensystem von Element zu Element fort, so erhält man abwechselnd geradzahlige und ungeradzahlige Muliplizitäten. 5. Atome im äußeren Feld a) Einleitung Bei Vorliegen eines äußeren Feldes können Drehimpulse gegenüber diesem diskrete Richtungen einnehmen, die durch geeignete Quantenbedingungen bestimmt sind. Man unterscheidet den Zeeman-Effekt, der im äußeren Magnetfeld auftritt, und den Stark-Effekt, der im äußeren elektrischen Feld beobachtet wird (Pieter Zeeman, 1865-1943, Johannes Stark, 1874-1957). Die Aufspaltungsbilder unterscheiden sich deutlich. Außerdem unterscheiden sie sich für schwache und starke Felder, wobei das Vergleichsfeld das sein kann, das zu einer Termverschiebung führt, die mit der Feinstruktur vergleichbar ist, d.h. bei der die Wechselwirkungsenergie mit dem Magnetfeld vergleichbar mit der Energie der Spin-Bahn-Kopplung wird, oder das Feld, bei dem die magnetische Wechselwirkungsenergie vergleichbar mit der elektrostatischen Energie im Atom wird. Bei der Aufspaltung im Magnetfeld spricht man im ersten Fall vom Paschen-Back-Effekt, im zweiten vom Landau-Bereich . Im Magnetfeld kann im Prinzip L, S oder J Richtungsquantelung zeigen. Bei LS-Kopplung und schwachem B-Feld, also im Bereich des Zeeman-Effektes nimmt S relativ zu L eine feste Richtung ein. J gyriert um die Magnetfeldrichtung, wobei L und S gemeinsam um J gyrieren.Bei dieser komplizierten Bewegung mitteln sich alle Komponenten aller Drehimpule zu Null, bis auf die z-Komponente von J. Die Quantenbedingung muß also auf Jz angewandt werden Jz = mh m nennt man die magnetische Quantenzahl. Sie kann die Werte m = 0, ±1, ±2, ... ± J annehmen, d.h. der Term spaltet in 2 J + 1 Unterniveaus auf. Da ∆W = µ • B und µ z ∼ J z , ist die Termaufspaltung äquidistant. Der Zeeman-Effekt ist ein wichtiges Werkzeug für die Termanalyse. Er wird außerdem zur Ausmessung von Magnetfeldern in Plasmen, z.B. an der Sonnenoberfläche ausgenutzt. Der Stark-Effekt ist sowohl theoretisch wie experimentell 75 schwerer zu behandeln. Seine Hauptbedeutung liegt in der Tatsache, daß er für die Verbreiterung von Spektrallinien in Mikrofeldern entscheidend ist. b) Der klassische Zeeman-Effekt Der Zeeman-Effekt wurde 1896 von Pieter Zeeman (1865-1943) experimentell entdeckt und durch H.A. Lorentz mit einer klassischen Elektronentheorie erklärt. Nach H.A. Lorentz beschreibt man die komplizierte Bewegung eines im Atom gebundenen Elektrons, indem man sie zerlegt in eine Oszillation entlang B und zwei Kreisbewegungen mit entgegengesetztem Umlaufsinn in der Ebene senkrecht zu B. Für B → 0 sind die Umlaufsfrequenzen gleich der der ungestörten Bewegung, ω0. Stellt man sich vor, B werde langsam auf B0 hochgefahren, so wird dabei durch Induktion eine der Rotationsbewegungen beschleunigt, die andere gebremst. Zur Zentripetalkraft kommt die Lorentzkraft hinzu, d.h. je nach Umlaufrichtung: mrω21 = mrω20 ± erω1 • B ω1 ist die neue Umlaufsfrequenz. Für kleine Magnetfelder erhält man ω1 = ω0 ± ωL , wobei ωL die Larmorfrequenz ist. (Sir Joseph Larmor, 1857-1942) Die Oszillation parallel zu B wird durch B nicht beeinflußt. Sie erzeugt eine unverschobene Komponente, die wegen der Ausstrahlungscharakteristik des Dipols parallel zu B nicht zu beobachten ist, senkrecht zu B linear polarisiert ist, mit E parallel B. Die rotierenden Komponenten erzeugen bei Beobachtung in Richtung B zirkular polarisiertes Licht, senkrecht dazu beobachtet man linear polarisiertes Licht mit E senkrecht B und zwei frequenzverschobenen Komponenten. Der klassische Zeeman-Effekt führt also zu einer Aufspaltung in 3 Linien, eine unverschobene, sogenannte π-Linie, die bei Beobachtung parallel zu B nicht beobachtet wird, senkrecht zu B linear polarisiert ist mit E parallel B und zwei σ-Linien, die parallel zu B beobachtet zirkular polarisiert sind und senkrecht zu B beobachtet linear polarisiert mit E senkrecht B sind. c) Halbklassische Beschreibung In der halbklassischen Beschreibung strahlt das Atom bei einem Übergang von einem Energiezustand (oder Niveau) mit höherer Energie nach einem mit niedrigerer Energie. Das Magnetfeld führt zu einer Aufspaltung beider Niveaus in 2 Ji + 1 Unterniveaus. Beim Übergang gelten die Auswahlregeln ∆m = ±1 und ∆m = 0 , wobei Übergänge mit ∆m = ±1 zu σ-Komponenten, mit ∆m = 0 zu π− Komponenten führen. 76 Der normale Zeemaneffekt ergibt sich, wenn die Energiedifferenzen der oberen und unteren Unterniveaus gleich sind, im wesentlichen bei Singulett-Termen mit S = 0. Beispiel: n1P1 - n1D2 S = 0, J = L, 2J + 1 = 5 für das obere Niveau, 2J + 1 = 3 für das untere. Die Energieabstände und damit die Frequenz der Übergänge in jeder Teilfigur sind gleich. Bei ungleichen Energiedifferenzen zwischen den oberen und unteren Unterniveaus ergeben sich mehr Komponenten als im klassischen Zeemaneffekt. Als Beispiel wird das Dublett der NaD-Linien diskutiert. Die Linien entsprechen einem Übergang 32 S - 32P. Die Feinstruktur . führt für l ≠ 0 zu Termen mit j = l ± S der untere Term 32 S1/2 spaltet nicht auf, der obere Term spaltet in die Terme 32 P3/2 und 32 P1/2 auf Der Übergang 32 S1/2 - 32 P3/2 führt zu λ1 = 589,0 nm 32 S1/2 - 32 P1/2 führt zu λ2 = 589,6 nm. Die Zeemanaufspaltung führt bei 3S 1/2 zu 2 Termen mit m = ±1/2 3 2 P 3/2 zu 4 Termen mit m = ±1/2, ±3/2 3 2 P 1/2 zu 2 Termen mit m = ±1/2 Die erlaubten Übergänge und die resultierenden Zeeman-Muster sind in Abb. 83 skizziert. d) Energiedifferenzen Um zu entscheiden, ob ein bestimmter Übergang normalen oder anomalen Zeemaneffekt zeigt, ist es notwendig, die Größe der Energiedifferenz bei der Aufspaltung zu ermitteln. Diese ist gegeben durch ∆W = µ • B Die Schwierigkeit bei der Berechnung von µ • B besteht darin, daß J bestimmte Ausrichtungsmöglichkeiten zum Magnetfeld hat, µ aber infolge der gyromagnetischen Anomalie nicht parallel zu J zu sein braucht, so daß µ um J präzediert und nur die Projektion auf die Richtung von J zur Energie beiträgt. ∆W = µ j • B (1) Im folgenden geht es darum, µj durch J und die Quantenzahlen des Zustandes auszudrücken. Nach Abb. 84 ist J=L+S µL = γLL 77 µS = 2 γLS mit γL =e/2m Es folgt µges = γL(L + 2 S) Die relevante Komponente ist µj µ j = µ ges • J = γ L (L + 2S) • J J J Der Vektor diese Betrages in Richtung J ist dann µ j = µ j J = γ L (L + 2S) • J J J J J Da g = µ/µ B und µ B = γ L h , ist µ = γ L gl . l/h Analog definiert man jetzt für das ganze Elektronensystem µ j = γ L gJ (2) und nennt g wie vorher den Landé g-Faktor. Dieser ist hier also (L + 2S) • J (L + 2S) • (L + S) L 2 + 2S 2 + 3L • S = = J2 J2 J2 L · S wird nach dem Kosinussatz ersetzt: (L + S) 2 = L 2 + S 2 + 2L • S; L • S = 1 (J 2 − L 2 − S 2 ) 2 L 2 + 2S 2 + 32 J 2 − 32 L 2 − 32 S 2 32 J 2 + 12 S 2 − 12 L 2 J2 + S2 − L2 g= = = 1 + J2 2J 2 J2 Wir ersetzen jetzt die Drehimpulsvektoren durch ihre Quantenzahlen nach der üblichen Regel J 2 = J(J + 1)h/ 2,... g= g=1+ J(J + 1) + S(S + 1) − L(L + 1) 2(J + 1) (3) Die Energiewerte ergeben sich dann aus Gl. (1) indem man für µj die Komponente in Richtung B einsetzt. Nach Gl. (2) ist µjz = γLg jz und mit jz = mjh und γLh = µB ∆W = gm j µ B B Die Termenergie in Einheiten von µBB ist gegeben durch gmj. Da mj ganzzahlige Differenzen hat, besitzen die Zeeman-Niveaus konstante gegenseitige Energieabstände, die proportional B sind. Beispiel: NaD 3 2 P 3/2 : j = 3/2, s = 1/2, l = 1 78 g=1+ 3 2 ⋅ 52 + 12 ⋅ 32 − 1 ⋅ 2 15 2 = 1 + 15 + 315− 8 = 4 3 4⋅ 2 m = ±1, ±3 2 2 mg = ± 2 , ± 6 3 3 m = ±1 2 mg = ± 1 3 m = ±1 2 mg = ±1 3 2 P 1/2 : j = 1/2, s = 1/2, l = 1 g=1+ 1 2 ⋅ 32 + 34 − 2 3 2 =1+ 3+3−8 = 2 6 3 3S 1/2 : j = 1/2, s = 1/2, l = 0 g=1+ 3 + 34 4 3 ⋅2 4 =2 Für die Terme mit unterschiedlichem j treten hier also unterschiedliche Energiedifferenzen auf. Daher zeigt das Aufspaltungsbild den anomalen Zeeman-Effekt. In Singulett-Systemen spielt die gyromagnetische Anomalie keine Rolle, da hier S = 0 und J = L ist. Nach Gl. (3) wird dann g = 1 und die Aufspaltung von oberem und unterem Term gleich groß. Daher treten in Singulett-Systemen normale Zeeman-Tripletts auf. e) Der Paschen-Back-Effekt (Friedrich Paschen, 1865 - 1947 und Ernst Back, 1881 - 1959) Im Zeeman-Effekt wachsen die Termabstände mit dem Magnetfeld. Wenn die Termabstände und die Feinstrukturaufspaltung vergleichbare Größe haben, wird die Wechselwirkungsenergie zwischen µj und dem äußeren Feld vergleichbar mit der LS-Kopplung. Die LS-Kopplung bricht also zusammen, und L und S gyrieren einzeln um B. Diese Grenze für starkes Feld |B0| ist bei leichten Atomen schneller erreicht als bei schweren, da bei leichten die Spin-BahnKopplung schwächer ist. Für B>>B0 vereinfacht sich das Aufspaltungsbild. Man spricht vom Paschen-Back-Effekt. Die Termaufspaltung wird ∆W = (m l + 2m s )µ B B und führt zu normalen Zeeman-Tripletts.