Ölpreisentwicklung und Klimapolitik: Unterschiede und Gemeinsamkeiten Prof. Dr. Gebhard Kirchgässner Universität St. Gallen, SIAW-HSG, CESifo und Leopoldina 100 Dollar pro Fass Öl: Was Bewirkt das? Veranstaltung der Schweizerischen Energiestiftung Zürich, 7. April 2008 SIAW-HSG Universität St. Gallen 1 1 Einleitung • Ausgangspunkt: (i) Anstrengung der Klimapolitik zur Verminderung des CO2-Ausstosses ⇒ – Initiativen zur Einführung von Umweltsteuern in den neunziger Jahren Ablehnung durch die Bevölkerung am 24. September 2000 (ii) Einführung der CO2-Abgabe und des Klimarappens • Veränderungen seit den neunziger Jahren: (i) Übergang zum CO2-Handel (EU-Zertifikatssystem) (ii) Deutlicher Rückgang der Arbeitslosigkeit (iii) Massiver Anstieg der Energiepreise 2 1 Einleitung (2) Die Entwicklung des Ölpreises: 3 1 Einleitung (3) Die Entwicklung des Heizölpreises: Quelle: Erölvereinigung 4 1 Einleitung (4) Die Entwicklung der Arbeitslosigkeit: 6 5 4 3 2 1 0 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 Quelle: Statistisches Jahrbuch 5 1 Einleitung (5) ⇒ Die Erhöhung der Mineralölpreise ist weit höher als es je von der Politik vorgesehen war. Fragen: (i) Wird eine CO2-Politik dadurch überflüssig? (ii) Was waren die Ziele der angestrebten Umweltpolitik und können sie erreicht werden? (iii) Worin unterscheidet sich die auf Zertifikate abstellende Klimapolitik von einer Politik mit Hilfe von Steuern? (iv) Welche Unterschiede ergeben sich zwischen einer gewollten Preiserhöhung durch umweltpolitische Instrumente und einer ‚ungewollten‘ Erhöhung durch die internationale Preisentwicklung? 6 Ölpreisentwicklung und Klimapolitik: Unterschiede und Gemeinsamkeiten 1 Einleitung: Die Problemstellung 2 Die ökologische Steuerreform 3 Der Emissionshandel 4 Auswirkungen des Ölpreisanstiegs 5 Abschliessende Bemerkungen SIAW-HSG 7 2 Die ökologische Steuerreform • Problemstellung: (i) Zu hoher Verbrauch von Umwelt/Energie ⇒ Umweltverschmutzung (ii) Zu geringe Nachfrage nach Arbeit ⇒ Arbeitslosigkeit • Ökonomischer Lösungsansatz (Substitutionsprinzip): – Arbeit muss billiger werden, aber – der Verbrauch von Umwelt muss teurer werden. • Idee der ökologischen Steuerreform: – Steuerliche Entlastung von Arbeit – Steuerliche Belastung des Verbrauchs von Umwelt • Erhoffte Wirkung: “Doppelte Dividende” – Verbesserte Situation der natürlichen Umwelt (“grüne Dividende”) – Erhöhte Beschäftigung (“blaue Dividende”) 8 2 Die ökologische Steuerreform (2) • Bedingungen für die Akzeptanz (i) Ökologische Wirksamkeit (ii) Ökonomische Effizienz (iii) Politische Akzeptanz • Bedingungen für die politische Akzeptanz (i) Aufkommensneutralität (Staatsquotenneutralität) (ii) Kein Anstieg der Arbeitslosigkeit (iii) Faire Rückverteilung des Steueraufkommens (iv) Zuverlässige Finanzierungsquelle 9 2 Die ökologische Steuerreform (3) • Veränderung der relativen Preise und Substitutionseffekte Frage der Anpassungsgeschwindigkeit • Wettbewerbsfähigkeit: Gesamtwirtschaft vs. einzelne Sektoren – Aussenhandelsneutralität – Gewinner und Verlierer • Technischer Fortschritt und ‚First Mover Advantage‘ – kurze und lange Frist • Verteilungswirkungen – Rückverteilung des Steueraufkommens – direkte vs. indirekte Steuern • Ökologische Wirksamkeit unilateraler Massnahmen – lokale und regionale Wirkungen – Der ‚Leakage-Effekt‘ – Verfügbarkeit alternativer Technologien 10 2 Die ökologische Steuerreform (4) Ergebnisse theoretischer Überlegungen ⇒ Es ist möglich, ökologische Steuern so zu konzipieren, dass sie ökologisch wirksam und sozial verträglich sind, ohne negative Auswirkungen auf die Gesamtbeschäftigung zu haben. aber: • • • • nicht jede ökologische Steuer erfüllt diese Bedingung. Es kommt an auf: die Art der Einführung die Art der Rückverteilung die Reaktion der Gewerkschaften mögliche Ausnahmeregelungen (im Falle eines Alleingangs) 11 2 Die ökologische Steuerreform (5) Simulationsergebnisse und Erfahrungen: (i) Das BIP geht – ceteris paribus – eher leicht zurück. (Substitution von Konsumgütern durch Umweltqualität) (ii) Die Beschäftigung steigt – ebenfalls ceteris paribus – bei sinnvoller Ausgestaltung leicht an. (Tendenz zu arbeitsintensiverer Produktion mit einer leichten Reduktion der Reallöhne) (iii) Bei einer Rückvergütung über die AHV-Beiträge kann die Reform weitgehend verteilungsneutral ausgestaltet werden. ⇒ Eine solche Reform muss kein Jobkiller sein, sie ist aber auch nicht das Heilmittel für die Lösung des Arbeitslosigkeitsproblems. Der wesentliche Effekt ist der ökologische! 12 3 Der Zertifikatehandel • Zunehmende Beliebtheit von Zertifikaten im Gegensatz zu Steuern (EUKlimaschutzpolitik, Economiesuisse) • Nahezu Äquivalenz der umweltpolitischen Instrumente unter idealen Bedingungen (keine Transaktions- und Informationskosten) • Vorteil der Mengen- gegenüber der Preissteuerung im Rahmen der Klimapolitik • Problem der Kontrollkosten, insbesondere bei kleinen Emittenten • Einschränkung auf energieintensive Betriebe (Branchen) ⇒ gemischtes System 13 3 Der Zertifikatehandel (2) • Internationale Handelbarkeit der Zertifikate (JI, CDM) • Problem der Zuteilung der Zertifikate Versteigerung vs. Grandfathering (Benchmarking) • Zusatzrente beim Grandfathering • Wegfall der (schwachen) 2. Dividende beim Grandfathering • Überwälzung auf die Strompreise ⇒ Proteste in der Öffentlichkeit 14 3 Der Zertifikatehandel (3) 15 3 Der Zertifikatehandel (4) 16 3 Der Zertifikatehandel (5) 17 3 Der Zertifikatehandel (6) • Preisentwicklung 18 3 Der Zertifikatehandel (7) • Preise entsprechen etwa dem Maximalbetrag der CO2-Angabe ⇒ (Fast) gleiche ökologische Wirkung • Zusätzliche Bürokratie und Kosten ⇒ Erhöhung der Staatsquote ⇒ Zertifikate zielgenauer (?) und politisch leichter durchsetzbar, aber mit erheblichen negativen Nebenwirkungen gegenüber Steuern 19 4 Auswirkungen der Ölpreiserhöhung • Weltweite Einschränkung der Nachfrage nach fossilen Brenn- und Treibstoffen • Kein Problem bezüglich der Aussenhandelsneutralität. • Kein Leagake-Effekt • Frühere Wettbewerbsfähigkeit alternativer Technologoien ⇒ Der ökologische Zweck wird erfüllt! • Abfluss von Kaufkraft in die Erdöl produzierenden Länder ⇒ Negative Auswirkungen auf die nationale Wirtschaft (aber Abschwächung durch die Wechselkursentwicklung) 20 4 Auswirkungen der Ölpreiserhöhung (2) 21 5 Abschliessende Bemerkungen (i) Bezüglich der ökologischen Auswirkungen unterscheiden sich die verschiedenen umweltpolitischen Strategien vor allem im Ausmass der Wirkung. Die allgemeine Mineralölpreiserhöhung ist im Allgemeinen am zielführendsten. Unterschiede bestehen im Wesentlichen bezüglich der Verteilungswirkungen. (ii) Solange die Zertifikate nicht versteigert werden, führt ein Zertifikatehandel im Vergleich mit der Steuerlösung zu einer stärkeren Belastung der Konsumenten zu Gunsten der Kapitaleigner. Ausserdem ist (unabhängig von der Art der Zuteilung) der bürokratische Aufwand höher. (iii) Die weltweite Preiserhöhung führt im Gegensatz zu den (nationalen) umweltpolitischen Lösungen zu einer stärkeren Belastung der nationalen Wirtschaft zu Gunsten der Erdöl produzierenden Länder. 22 Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit SIAW-HSG Universität St. Gallen 23