192 7 Pferdezahnärztliche Chirurgie dünnere Guttapercha-Stifte in das Lumen eingebracht und verdichtet werden, bis der Kanal vollständig aufgefüllt ist. Mit Hilfe eines erhitzten Endo-Spreaders kann das überschüssige Guttapercha abgetrennt werden. Mit einem erwärmten Endo-Kondenser wird mindestens 10 mm apikal des Zugangs eine glatte, verdichtete Oberfläche aus Guttapercha hergestellt. Der Raum für die Deckfüllung sollte so gewählt werden, dass bei weiterer Abnutzung des Zahnes und der Deckfüllung die Guttapercha-Schicht nicht erreicht wird. Wird diese eröffnet, muss eine komplett neue Wurzelfüllung angelegt werden. 9. Präparation des verbleibenden Kanals: Die Wände der noch bestehenden Kavität werden mit einem Exkavator oder Bohrer vorsichtig von Guttapercha- und Endosealer-Resten befreit. Nach der Verwendung von eugenolhaltigen Endosealern wird die Kavität mit 50− 70 %igem Isopropanol gespült, um die Wand von Öl zu befreien. 10. Zwischenfüllung: Modifizierter, lichthärtender Glasionomer-Füllungszement wird in einer 1−2 mm starken Schicht auf das Guttapercha aufgetragen und mit Licht gehärtet. Diese Zwischenfüllung bildet eine Abdichtung für die weitere Präparation. 11. Ätzvorgang: Die Vorbereitung für die Kompositfüllung beginnt mit der Einbringung eines 35−40 %igen Phosphorsäure-Ätzgels. Die Oberflächen von Dentin bzw. Schmelz werden durch die Säure demineralisiert und angeraut. Der mikromechanische und chemische Halt wird mit der anschließenden Grundierung (Bond) verbessert. Nach 30 bis 40 Sekunden wird das Gel mit Wasser und Luft im Wechsel entfernt. Cave: Kontakt mit den Schleimhäuten ist dabei zu vermeiden! Gegebenenfalls ist das Gel sofort abzuspülen. 12. Grundierung: Das meist verwendete Bond der 5. Generation enthält Substanzen, die eine mikromechanische Verzahnung mit Kollagen bilden, und Stoffe, die eine chemische Verbindung mit Zahnsubstanz und dem Komposit eingehen. Dazu darf die Kavität weder zu feucht noch zu trocken sein. Ist noch Wasser in den Dentintubuli, kann das Bond nicht eindringen. Bei Übertrocknung kollabieren die Tubuli, und das Bond kann ebenfalls nicht penetrieren. Durch das Bond werden die Dentintubuli verschlossen, und der Zahn wird vor bakterieller Invasion geschützt. Das flüssige Bond wird mit einem Pinsel aufgetragen, mit einem sanften Luftstrom zu einem dünnen Film verteilt und anschließend lichtgehärtet. Alternative zu 11 und 12: Bonding mit gleichzeitiger Ätzung in einem Arbeitsschritt (z. B. Adper Prompt L-Pop®). 13. Kompositfüllung: Der noch verbleibende Hohlraum bis zur Okklusionsfläche wird in dünnen Schichten von 2 mm mit Komposit aufgefüllt. Jede Schicht wird einzeln verdichtet und lichtgehärtet. Cave: Da die Eindringtiefe des Polymerisationslichtes etwa 2 mm beträgt, dürfen bei der Verwendung von lichthärtendem Komposit die einzelnen Applikationsschichten nicht dicker als 2 mm sein. 14. Finish: Die Oberfläche wird mit einem Polierer geglättet. Zur Oberflächenversiegelung kann sowohl ein Lack als auch Bond aufgetragen werden. 15. Röntgenologische Kontrolle und Dokumentation: Zur Überprüfung der Qualität der Wurzelfüllung erfolgt abschließend die Röntgenuntersuchung. Die Füllung darf keine Blasen oder Hohlräume aufweisen und muss den gesamten Wurzelkanal bis zur Wurzelspitze ausfüllen. Der Erfolg einer Totalamputation entscheidet sich an der Übergangsstelle der Wurzelfüllung zum Ligamentum periodontale. Dieses übernimmt nach Entfernung der Pulpa einen Teil ihrer Aufgaben. Im Optimalfall lagert sich die Wurzelhaut reaktionslos an die Wurzelfüllung an. Dazu müsste die Pulpa im gesunden Bereich abgetrennt werden, was praktisch kaum möglich ist. Nach Entfernung einer nekrotischen Pulpa und Wurzelfüllung erreicht man im günstigsten Fall eine narbige, schwielige Heilung mit verdickter Wurzelhaut. Verbleiben Reste der nekrotischen Pulpa im Foramen apicale, entsteht anstelle einer Narbe ein Ulkus mit chronisch-periapikaler Entzündung. Backenzähne An den Techniken der oralen Wurzelkanalbehandlung beim Pferd wird mit unterschiedlichen Erfolgen gearbeitet. Die Schwierigkeiten beginnen mit der Interpretation der Röntgenaufnahmen. Es ist schwer, die komplexen, dreidimensionalen Pulpahöhlen röntgenologisch darzustellen und so die Behandlung zu kontrollieren. Die Instrumentation über die Maulhöhle bleibt praktisch auf die prämolaren Backenzähne beschränkt und ist äußerst schwierig. Alternativ besteht noch die Möglichkeit der retrograden Füllung von apikal. Apikoektomie Die Apikoektomie (Wurzelspitzenresektion) wurde von mehreren Autoren beschrieben (Van Foreest und Wiemer 1997, Zetner und Fahrenkrug 1999, Schramme et al. 2000, Baker 2005). Der apikale Bereich des betroffenen Zahnes wird chirurgisch amputiert, und die infizierten Pulpen sowie angrenzendes infiziertes Dentin werden entfernt. Anschlie- 7.2 Zahnerhaltende Therapien ßend werden die betroffenen Pulpakanäle gefüllt und am apikalen Ende dicht versiegelt, um eine mögliche Kommunikation der Maulhöhle mit den periapikalen Geweben zu unterbinden (Schramme et al. 2000). Indikation: Für diese zahnerhaltende Therapieform ist eine kritische Auswahl geeigneter Patienten unbedingt erforderlich. Eine sorgfältige Untersuchung der Maulhöhle, die Anfertigung hochqualitativer Röntgenaufnahmen und, falls möglich, eine computertomographische Untersuchung sind dafür Voraussetzungen. Patienten mit parodontalen Erkrankungen, ausgedehnten Frakturen, fortgeschrittener Infundibularkaries oder chronischen, demineralisierenden apikalen Erkrankungen sind für eine Wurzelspitzenresektion ungeeignet. In diesen Fällen ist die Extraktion des betroffenen Zahnes durchzuführen. Vorgehensweise: Für den Eingriff wird der Patient in Allgemeinanästhesie verbracht und in Seitenlage gelagert. Der Zugang zu infizierten Zahnwurzeln erfolgt am Unterkiefer und an der rostralen Maxilla mittels Trepanation (Barakzai et al. 2008), und zu den kaudalen Molaren mittels Bone Flap. Vor der Apikoektomie ist es empfehlenswert, die zu resezierende Wurzel durch metallische Marker zu kennzeichnen und auf einer Röntgenaufnahme eindeutig zu identifizieren. Vom infizierten periapikalen Bereich sollten bakteriologische Proben entnommen werden, um eine adäquate postoperative antimikrobielle Therapie durchführen zu können. Der periapikale Bereich wird kürettiert und infiziertes Gewebe entfernt. Durch diese Manipulationen können Blutungen auftreten. Bereits in geringem Grad können diese die Sicht im chirurgischen Arbeitsfeld beeinträchtigen und die Operationszeit verlängern. Falls Blutungen auch durch adrenalingetränkte Kompressen nicht vollständig gestillt werden können, ist es schwierig, qualitativ hochwertige Wurzelkanalfüllungen anzufertigen. Die eigentliche Wurzelspitzenresektion wird mit einem sterilen Diamant- oder Hartmetallbohrer (Rosenbohrer) mit einem Hochgeschwindigkeits-Handstück (Turbine) durchgeführt. Konstante Irrigation während des gesamten Vorgangs mit sterilen, isotonen Spüllösungen verhindert Hitzeschäden am apikalen Zahnende und den benachbarten Geweben. Die Zahnwurzeln werden in einem Winkel von 15−20° in bukkolingualer bzw. bukko-palatinaler Ebene abgesetzt (Abb. 7-15). Dadurch wird der Zugang zu den Eingängen in die Pulpakanäle erleichtert. Die Resektionsebene sollte so gewählt werden, dass die Wurzelkanalinstrumente möglichst gerade in alle Wurzelkanäle eingeführt werden können. Wird ein zu kurzes Wurzelstück entfernt, ist es schwierig, den Verzweigungen des endodontischen Systems zu folgen und Pulpen sowie infiziertes Dentin vollständig zu entfernen. Die Öffnungen in die Pulpakanäle werden mit konischen Diamantbohrern erweitert. Mit 6 cm langen Nervnadeln und Hedström-Feilen entfernt man den Inhalt der Pulpa- Abb. 7-15 Ein schräger Schnitt (15−20°) durch den apikalen Bereich des Backenzahnes ermöglicht den Zugang zu allen Pulpakanälen. kanäle möglichst vollständig (nekrotische, infizierte oder unveränderte Pulpen, eingespießtes Futter oder Débris). Während es relativ einfach ist, gesunde oder akut entzündlich veränderte Pulpen aus den Pulpakanälen zu ziehen, kann es sehr schwierig und zeitaufwändig sein, nekrotisches Material oder eingespießtes Futter rückstandsfrei zu entfernen (Abb. 7-16). Die Dentinwände der Wurzelkanäle werden mit endodontischen Feilen zunehmenden Durchmessers bearbeitet, um den Zahn auch möglichst vollständig von infiziertem Dentin zu befreien. Auch diese Tätigkeit ist technisch anspruchsvoll und zeitaufwändig. Die Arbeitsschritte müssen penibel und genau durchgeführt werden, da sie in hohem Maß zum Erfolg oder Misserfolg der Behandlung beitragen. Die Spülung der leeren und aufbereiteten Pulpakanäle erfolgt abwechselnd mit Wasserstoffperoxid und Natriumhypochlorid (3 %), bis keine verfärbten Dentinspäne oder Fremdmaterialien aus den Pulpakanälen mehr austreten (Abb. 7-17). Abschließend spült man die Kanäle mit 70 %igem Alkohol und trocknet sie mit Pressluft und sterilen Papierspitzen (Abb. 7-18). Unterschiedliche Materialien, wie z. B. Eugenol-haltige und Eugenol-freie endodontische Füllzemente, Guttapercha (Abb. 7-19) oder Materialien aus der Gruppe der Komposite, wurden von verschiedenen Autoren zur Füllung der Pulpakanäle verwendet (Pretorius und Van Heerden 1995, Van Foreest und Wiemer 1997, Zetner und Fahrenkrug 1999, Schramme et al. 2000, Baker 2005). Die Wahl des endodontischen Füllmaterials kann maßgeblichen Anteil am Langzeiterfolg der Behandlungen haben (s. u.). 193 194 7 Pferdezahnärztliche Chirurgie Abb. 7-18 Während Druckluft nur die apikalen Bereiche der präparierten Kanäle erreicht, kann Flüssigkeit durch Papierspitzen auch aus großen Tiefen entfernt werden. Abb. 7-16 Das Entfernen einer vitalen Pulpa mit einer 6 cm langen Nervnadel. Abb. 7-17 Die ausgefeilten Pulpakanäle werden durch wiederholte Spülungen mit Wasserstoffperoxid und Natriumhypochlorid (3 %) desinfiziert. Dadurch werden auch Mikroorganismen, die durch die mechanische Reinigung nicht erreicht werden konnten, abgetötet. Abb. 7-19 Der Kontakt des Wurzelfüllzements mit dem Dentin wird durch Einbringen von Guttapercha-Stiften verbessert. 7.2 Zahnerhaltende Therapien Im nächsten Arbeitsschritt werden die apikalen Öffnungen der Pulpakanäle versiegelt. Am häufigsten werden dafür Komposite, Glasionomerzement oder Amalgam verwendet. Wie auch von der Füllung der Pulpakanäle, hängt der Erfolg der Behandlung in hohem Maß von der Qualität der Versiegelung der Pulpakanäle ab (Pretorius und van Heerden 1995, Carr und Bentkover 1998, Steenkamp et al. 2005). Um einen sicheren Sitz des apikalen Verschlussmaterials zu gewährleisten, sollte vor dem Versiegeln ein Unterschnitt angefertigt werden (Abb. 7-20). Nach abgeschlossener Füllung und Versiegelung (Abb. 7-21) sollten Röntgenkontrollaufnahmen angefertigt werden. Die Operationswunde wird in zwei Schichten verschlossen. Antibiotika und nichtsteroidale Antiphlogistika werden für drei bis fünf Tage nach der Operation verabreicht. Durch sorgfältige Auswahl der Fälle kann mit dieser Technik nach einem Jahr Beobachtungszeitraum eine Erfolgsrate von ungefähr 80 % erreicht werden (Baker 2005). Weiterer Verlauf und mögliche Komplikationen: Auch nach der Durchführung einer Apikoektomie werden die betroffenen Zähne weiter aus dem Kiefer ausgeschoben und unterliegen dem Zahnabrieb. Die äußere Zementschicht sowie das Ligamentum periodontale bleiben auch nach dem Eingriff vital, während der Pulpa-Dentin-Komplex als tote Substanz angesehen werden muss, die nicht mehr auf äußere Reize reagieren kann. Da in diesen Zähnen kein Sekundärdentin gebildet werden kann, kommt es – in zeitlicher Abhängigkeit von der Länge der Ersatzdentinsäulen – zur Eröffnung der gefüllten Pulpakanäle. Die meisten der derzeit verwendeten Füllmaterialien können den abrasiven Kräften nicht widerstehen und gehen zunehmend verloren, wodurch sich die Pulpakanäle zunehmend mit Futtermassen auffüllen (Abb. 7-22). Dies kann zu kariösen Erscheinungen sowie zu sekundären Frakturen der behandelten Zähne führen. Auch apikale Reinfektionen sind möglich. Die Verwendung von Füllmaterialien, die dem Zahnabrieb besser widerstehen, könnte sich in Zukunft auf die Langzeitergebnisse der Apikoektomien positiv auswirken. Zurzeit kann mit keiner diagnostischen Technik mit ausreichender Sicherheit festgestellt werden, welche der Pulpakanäle von einer Infektion betroffen und welche nicht erkrankt sind. Erste Ergebnisse liegen vor, wonach in Zukunft möglicherweise mittels Magnetresonanztomographie eine präzisere Vorhersage über den Erkrankungsstatus der individuellen Pulpen möglich sein könnte. Obwohl die zahnerhaltende endodontische Therapie noch für längere Zeit eine kostenintensive und kontrovers diskutierte Therapievariante für apikal infizierte oder frakturierte Zähne darstellen wird, ermutigen erfolgreich durchgeführte Therapien dazu, weitere Studien in vitro und in vivo durchzuführen. Abb. 7-20 Zur apikalen Abdichtung der Pulpakanäle wird jeder einzelne gefüllte Pulpakanal verkehrt kegelförmig ausgebohrt (Unterschnitt). Abb. 7-21 Mit Glasionomerzement apikal verschlossene Pulpakanäle eines wurzelspitzenresezierten Backenzahnes. Abb. 7-22 Nach dem Abrieb der Ersatzdentinsäulen ging das Füllmaterial aus vier der fünf Pulpakanäle verloren. Eine Reinfektion erforderte die Extraktion dieses Backenzahnes aus dem Unterkiefer. 195