Ukraine: Kiew plant Bewerbung für Olympische Winterspiele 2022 Erscheinungsdatum Website: 31.10.2011 11:10:02 Erscheinungsdatum Publikation: 01.11.2011 zurück zur Übersicht Weitere Großprojekte im Infrastrukturbau / Chancen für deutsche Anbieter in Nischen / Von Harald Meyer KIEW (NfA/gtai)--Der ukrainische Infrastrukturbau hängt am Tropf von Mittelzuflüssen internationaler Entwicklungsbanken und sonstiger Geberorganisationen. Für Infrastrukturinvestitionen gibt der Staatshaushalt strukturell und konjunkturell wenig her. Gleichwohl plant die Regierung eine Bewerbung für die Olympischen Winterspiele 2022 in den Karpaten. Im Infrastrukturbau der Ukraine gibt es viele Projekte. Chancen für ausländische Anbieter ergeben sich vor allem in Nischen-Segmenten. Die Ukraine will sich trotz der mehr als holprigen, die Planungskompetenz der Regierung und die finanziellen Möglichkeiten des Landes überstrapazierenden Vorbereitungen zur FußballEM im kommenden Jahr nun auch im Jahr 2014 um die Ausrichtung der Olympischen Winterspiele 2022 in den Karpaten bewerben. Das diesbezügliche Projekt "Olimpiyska nadiya-2022" (Olympische Hoffnung 2022) soll vom ukrainischen Staat mit öffentlichen Mitteln in Höhe von 70% der auf 22 Mrd bis 25 Mrd UAH geschätzten Gesamtkosten der Ausrichtung der Winterspiele bezuschusst werden. Das hieße mit 15,4 Mrd bis 17,5 Mrd UAH (etwa 1,36 Mrd bis 1,55 Mrd EUR). Vor Jahresfrist war die Regierung noch von öffentlichen Zuschüssen für die Ausrichtung der Winterspiele 2022 in der Ukraine - sofern die Bewerbung zum Zuge kommen sollte - in Höhe von 11 Mrd UAH ausgegangen. Das IOC wird voraussichtlich 2015 über die Vergabe der Spiele entscheiden. Die Staatliche Gesellschaft Olympische Hoffnung-2022 hat kürzlich bereits einen Auftrag über Planungs- und Projektierungsarbeiten im Rahmen der vorgesehenen Bewerbung der Ukraine vergeben. Die Finanzierung dieses Auftrags liegt bei der Staatlichen Agentur für Investitionen und die Administration nationaler Projekte, Kiew. Im Einzelnen geht es um die Errichtung eines Olympiastadions und eines Olympischen Dorfs in den Karpaten sowie um den Bau einer Reihe von Sportstätten für 15 Wintersportarten. Die Finanzierung dieses möglichen Großprojekts würde erhebliche Probleme bereiten. Im Vorfeld der Fußball-EM 2012, die in Polen und in der Ukraine stattfindet, hat Kiew eine ganze Reihe großer Vorhaben im Verkehrswege- und sonstigen Infrastrukturbau erheblich zusammenstreichen müssen, und das nicht nur wegen der vielfältigen Planungs- und Bauverzögerungen, sondern auch infolge von Finanzierungsschwierigkeiten. Die ukrainische Regierung ist beim Internationalen Währungsfonds (IWF) im Wort, im Rahmen eines breit angelegten Programms zur fiskalischen Konsolidierung das Staatshaushaltsdefizit von 9% des Bruttoinlandsprodukts (2009) beziehungsweise 7% im vergangenen Jahr auf circa 3,5% im laufenden Jahr und 3% in den Folgejahren zu verringern. Diese Ziele lassen sich kaum allein durch die geplante Rentenreform und durch weitere Anhebungen der staatlich administrierten Energiepreise und Kommunaltarife bewerkstelligen. Vielmehr müssten auch die Staatsausgaben gedrosselt werden, darunter die öffentlichen Bauinvestitionen. Der ukrainische Markt für Bauausführungen ist für Anbieter aus Hochlohnländern ein schwieriges Pflaster. Chancen bestehen in Nischen-Segmenten wie dem Sportstättenbau oder dem Bau provisorischer Abfertigungsterminals für Flughäfen, ferner bei Architekten-, Baudesign- und Planungsdienstleistungen. Im Frühstadium befinden sich mehrere Projekte zum Bau mautpflichtiger Autobahnen in der Ukraine. Zuletzt hat laut ukrainischen Pressemeldungen vom Mai das indische Unternehmen IL&FS Transportation Networks Ltd (ITNL) sein Interesse am Bau einer Mautautobahn vom zentralukrainischen Ulyanovka nach Simferopol auf der Krim signalisiert. Wie es heißt, soll die Trasse entlang der Städte Mykolayiv, Kherson und Krasnoperekopsk führen. ITNL wolle auch eine entsprechende Betreiber-Konzession erwerben. Das indische Unternehmen hatte mit der ukrainischen staatlichen Straßenverwaltung Ukrawtodor in der Vergangenheit bereits Gespräche über mehrere Großvorhaben geführt, die als Konzessionsprojekte realisiert werden sollen, wie zum Beispiel über den Bau einer zweiten Ringautobahn um Kiew, einer Autobahn Krakovets von der polnischen Grenze über Lviv und Lugansk zur russischen Grenze als West-Ost-Transversale mit 1.400 km Länge sowie einer Brücke über die Meerenge von Kertsch. Ebenfalls im Mai ließ demgegenüber der zugleich als Vizepremier amtierende Infrastrukturminister Borys Kolesnikov verlauten, dass in der Ukraine kein Markt für die Schaffung von Bezahl-Autobahnen vorhanden sei. Mehrere seiner Amtsvorgänger, darunter vor allem der ehemalige Verkehrsminister Mykola Rutkovsky, hatten sich in früheren Jahren ohne Erfolg darum bemüht, für Projekte zum Bau und Betrieb mautpflichtiger Autobahnen ausländische Investoren und Konzessionäre zu gewinnen. Der geplante Bau einer zweiten Ringstraße um die Hauptstadt Kiew ist auf unbestimmte Zeit verschoben worden. Als Grund hierfür gab im März der Leiter der Staatlichen Verwaltung der Kiewer Region, Anatoli Pirsyanyuk, das Fehlen staatlicher Haushaltsmittel an. Ältere Kostenvoranschläge sahen Mittelbereitstellungen von insgesamt 20,6 Mrd UAH vor. Die neue Ringstraße soll eine Reihe von Brücken umfassen. Ein überarbeiteter Projektentwurf beinhaltet eine auf 100 km verkürzte Gesamtlänge der Ringstraße. Auch was andere konkrete Projekte im Verkehrswegebau sowie in den übrigen Sektoren des Infrastrukturbaus wie dem Kraftwerks- und Rohrfernleitungsbau anbetrifft, so steht die schwere Finanzkrise des ukrainischen Staates der Inangriffnahme selbst äußerst dringlicher Infrastrukturinvestitionen - oder auch nur der Fortführung von vor dem Hereinbrechen der Krise begonnenen Baumaßnahmen an Infrastruktureinrichtungen - entgegen. H.M./NfA/1.11.2011