Powerpoint-Präsentation

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Berechenbarkeit
Klaus Becker
2011
2
Algorithmen
„Die mathematische Präzisierung des
Algorithmusbegriffs und die
Erkenntnis der Grenzen der
Algorithmisierbarkeit gehören zu den
größten intellektuellen Leistungen des
zwanzigsten Jahrhunderts.“ (Kirchler)
Zielsetzung:

Grenzen der Berechenbarkeit kennen

Methoden zum Nachweis der Grenzen verstehen
3
Teil 1
Das Halteproblem
4
Frustrierende Erlebnisse
Jeder kennt diese Situation: Man hat ein Programm entwickelt und will es testen. Aber, nichts
tut sich, Python liefert kein Ergebnis.
Mein Rechner hat sich
schon wieder
aufgehängt!
5
Endlosschleife
Aufgabe 1
Findest du den Fehler? Korrigiere ihn und
teste dann die Funktion noch einmal.
Aufgabe 2
Es gibt typische Fehler, die eine
Endlosschleife verursachen. Beschreibe den
Fehler, der hier vorliegt.
Aufgabe 3
Es ist nicht immer so einfach wie oben,
Endlosschleifen direkt am Quelltext zu
erkennen. Verdeutliche das mit selbst
gewählten Beispielen.
def primzahl(n):
if n == 1:
prim = False
else:
i = 2
while i < n:
if n % i == 0:
prim = False
return prim
Mein Rechner hat sich
schon wieder
aufgehängt!
Das Halteproblem
6
Gibt es einen Algorithmus / ein Python-Programm (dargestellt als Python-Funktion), mit
dessen Hilfe man Endlosschleifen bei beliebigen Python-Programmen feststellen kann?
True
analyseHaltend
falls
das Python-Programm
bei der Verarbeitung
der Daten hält,
sonst
Python-Programm
+
Daten
False
analyseHaltend
"""
def primzahl(n):
if n == 1:
prim = False
else:
i=2
while i < n:
if n % i == 0:
prim = False
return prim
"""
71
quelltext
False
daten
While-Analyse
7
Vereinfachung des Problems: Getestet werden soll zunächst, ob ein Python-Programm eine
while-Anweisung enthält.
analyseWhile
Python-Programm
True
falls
das Python-Programm
eine While-Anweisung
enthält,
sonst
False
While-Analyse
8
Zur Vereinfachung der Programmanalyse betrachten wir nur solche Programme, die sich ganz
einfach in ihre Bestandteile (man sagt hier auch Token) zerlegen lassen. Mit Hilfe von
Leerzeichen (und Zeilenumbrüchen) sollen hier jeweils alle Programmeinheiten getrennt sein.
Man kann auf diese Vereinfachung verzichten, muss dann aber viel mehr Analysearbeit leisten.
analyseWhile
"""
def primzahl ( n ) :
if n == 1 :
prim = False
else :
i=2
while i < n :
if n % i == 0 :
prim = False
return prim
"""
71
quelltext
True
daten
9
Aufgabe
Teste die Funktion analyseWhile mit verschiedenen Python-Quelltexten und kontrolliere die
Ergebnisse.
def analyseWhile ( quelltext ) :
tokenliste = quelltext . split ( )
gefunden = False
for token in tokenliste :
if token == 'while' :
gefunden = True
return gefunden
# Test
quelltext1 = """
def primzahl ( n ) :
if n == 1 :
prim = False
else:
i = 2
while i < n :
if n % i == 0 :
prim = False
return prim
"""
print(analyseWhile(quelltext1))
Aufgabe
10
Versuche, eine Funktion analyseRekursion zu entwickeln, die überprüft, ob der Funktionsname
in der weiteren Funktionsdefinition noch einmal vorkommt.
Beachte: Mit diesem Test werden nur direkte rekursive Aufrufe einer Funktion erfasst. Denkbar
sind auch rekursive Aufrufe über weitere, zwischengeschaltete Funktionen. Dieser Fall soll hier
aber nicht weiter verfolgt werden.
analyseRekursion
Python-Programm
True
falls
eine PythonFunktionsdefinition den
Funktionsnamen enthält,
sonst
False
Beurteile den eingeschlagenen Weg, die Existenz von Endlosschleifen über Eigenschaften des
Quelltextes herauszufinden. Wie vielversprechend ist dieser Weg? Verdeutliche deine
Argumentation auch mit Beispielen. (vgl. auch www.inf-schule.de: 1.21.1.2)
11
Selbsthaltende Programme
Wir nennen eine Python-Funktion (mit einem Parameter) selbsthaltend, wenn die Funktion bei
der Verarbeitung des eigenen Quelltextes hält.
def analyseWhile ( quelltext ) :
tokenliste = quelltext . split ( )
gefunden = False
for token in tokenliste :
if token == 'while' :
gefunden = True
return gefunden
# Test
quelltextAnalyseWhile = """
def analyseWhile ( quelltext ) :
tokenliste = quelltext . split ( )
gefunden = False
for token in tokenliste :
if token == 'while' :
gefunden = True
return gefunden
"""
print(analyseWhile(quelltextAnalyseWhile))
selbsthaltend
12
Aufgabe
Welche der folgenden Funktionen ist nicht selbsthaltend? Begründe!
def f1 ( x ) :
return True
def f2 ( x ) :
return False
def f3 ( x ) :
while True :
pass
return True
def f4 ( x ) :
while True :
pass
return False
def f5 ( x ) :
liste = x . split ( )
if liste [ 1 ] == "f4" :
return False
else:
return True
def f1 ( x ) :
return True
# Test
quelltext_f1 = """
def f1 ( x ) :
return True
"""
print(f1(quelltext_f1))
13
Das Selbsthalteproblem
Das Selbsthalteproblem besteht darin, eine Funktion (mit Funktionsdefinition) zu entwickeln,
mit der man die Eigenschaft "selbsthaltend" testen kann.
True
analyseSelbsthaltend
falls
das Python-Programm bei
der Verarbeitung des
eigenen Quelltextes hält,
sonst
Python-Programm
False
analyseSelbsthaltend
"""
def f3 ( x ) :
while True :
pass
return True
"""
quelltext
False
Spekulation statt Konstruktion
14
Anstatt nach einer Funktionsdefinition für die Funktion analyseSeltsam zu suchen, schlagen
wir einen anderen Weg ein und überlegen uns Konsequenzen, die sich ergeben würden, wenn
wir die gesuchte Funktionsdefinition hätten.
def analyseSeltsam ( quelltext ) :
def analyseSelbsthaltend ( quelltext ) :
...
return ...
Was wäre, wenn es diese
Funktionsdefinition gäbe?
if analyseSelbsthaltend ( quelltext ) == True :
while True :
pass
else :
return False
Dann könnte man diese
Funktionsdefinition erstellen!
Aufgabe:
Was leistet diese Funktion analyseSeltsam? Überlege dir hierzu, was die Funktion
analyseSeltsam als Ergebnis zurückliefert, wenn man ihr die Quelltexte der Funktionen f1, ...,
f5 (siehe letzter Abschnitt) zur Verarbeitung übergibt.
15
Eine seltsame Analysefunktion
Das Verhalten der Funktion analyseSeltsam lässt sich so beschreiben:
analyseSeltsam
Python-Programm
hält und liefert False
falls
das Python-Programm bei der
Verarbeitung des eigenen
Quelltextes nicht hält,
sonst
hält nicht
Jetzt wird es ganz seltsam!
16
def analyseSeltsam ( quelltext ) :
def analyseSelbsthaltend ( quelltext ) :
Was wäre, wenn es diese
...
Funktionsdefinition gäbe?
return ...
if analyseSelbsthaltend ( quelltext) == True :
while True :
pass
else :
return False
# Test
quelltextAnalyseSeltsam = """
def analyseSeltsam ( quelltext ) :
def analyseSelbsthaltend ( quelltext ) :
...
return ...
if analyseSelbsthaltend ( quelltext) == True :
while True :
pass
analyseSeltsam verarbeitet hier
else :
den eigenen Quelltext!
return False
"""
print(analyseSeltsam(quelltextAnalyseSeltsam))
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Verhalten von analyseSeltsam
Was ergibt sich, wenn die Funktion analyseSeltsam den eigenen Quelltext verarbeitet?
analyseSeltsam
Quelltext von
analyseSeltsam
hält und liefert False
falls
das analyseSeltsam bei der
Verarbeitung des eigenen
Quelltextes nicht hält,
sonst
hält nicht
Fall 1: Angenommen, die Funktion analyseSeltsam ist selbsthaltend. Dann gerät
analyseSeltsam bei der Verarbeitung des eigenen Quelltextes in eine Endlosschleife. Das
würde aber bedeuten, dass die Funktion analyseSeltsam nicht selbsthaltend ist. Es ergibt
sich ein Widerspruch.
Fall 2: Angenommen, die Funktion analyseSeltsam ist nicht selbsthaltend. Dann liefert
analyseSeltsam bei der Verarbeitung des eigenen Quelltextes den Wert False. Das würde
aber bedeuten, dass die Funktion analyseSeltsam selbsthaltend ist. Auch hier ergibt sich
ein Widerspruch.
18
Verhalten von analyseSeltsam
analyseSeltsam
Fall 1: Angenommen, die Funktion analyseSeltsam ist selbsthaltend. Dann gerät
analyseSeltsam bei der Verarbeitung des eigenen Quelltextes in eine Endlosschleife. Das
würde aber bedeuten, dass die Funktion analyseSeltsam nicht selbsthaltend ist. Es ergibt
sich ein Widerspruch.
Fall 2: Angenommen, die Funktion analyseSeltsam ist nicht selbsthaltend. Dann liefert
analyseSeltsam bei der Verarbeitung des eigenen Quelltextes den Wert False. Das würde
aber bedeuten, dass die Funktion analyseSeltsam selbsthaltend ist. Auch hier ergibt sich
ein Widerspruch.
In beiden Fällen verwickelt man sich in einen Widerspruch. Irgendetwas kann hier also nicht
stimmen. Da alle Schlüsse logisch korrekt sind, kann es nur an der Funktion
analyseSelbsthaltend liegen. Wir sind bei unseren Überlegungen davon ausgegangen,
dass es eine Funktionsdefinition für diese Funktion gibt. Es ergeben sich dann aber durch
logisches Schließen Widersprüche. Da wir nicht an der Logik zweifeln, kann das nur heißen:
Es gibt keine Funktionsdefinition (in Python) zur Funktion analyseSelbsthaltend.
19
Lösung des Halteproblems
Gibt es ein Python-Programm (dargestellt als Python-Funktion), mit dessen Hilfe man
Endlosschleifen bei beliebigen Python-Programmen feststellen kann?
True
analyseHaltend
Python-Programm
+
Daten
falls
das Python-Programm
bei der Verarbeitung
der Daten hält,
sonst
False
def analyseSelbsthaltend ( quelltext ) :
def analyseHaltend ( quelltext , daten ) :
...
return ...
Was wäre, wenn es diese
Funktionsdefinition gäbe?
return analyseHaltend ( quelltext , quelltext )
Diese Funktionsdefinition kann
es aber nicht geben!
Dann könnte man diese
Funktionsdefinition erstellen!
20
Unlösbarkeit des Halteproblems
Satz (über die Lösbarkeit des Halteproblems in Python):
Man kann in Python keine Funktion entwickeln, die bei Übergabe einer beliebigen PythonFunktionsdefinition und eines beliebigen Datentupels entscheidet, ob die betreffende Funktion
bei der Verarbeitung der Daten hält oder nicht. Das Halteproblem für Python-Programme ist
demnach nicht mit einer Python-Funktion entscheidbar.
analyseHaltend
True
falls
das Python-Programm
bei der Verarbeitung
der Daten hält,
sonst
Python-Programm
+
Daten
False
existiert nicht!
21
Teil 2
Exkurs - Lösbarkeit von Problemen
22
Ein einfaches Problem
Kann man alle neun Punkte mit vier Strecken verbinden, ohne den Stift abzusetzen?
23
Lösung des 9-Punkte-Problems
Kann man alle neun Punkte mit vier Strecken verbinden, ohne den Stift abzusetzen?
Die oben gezeigte Lösung des Neun-Punkte-Problems benutzt einen kleinen "Trick": Der
Streckenzug verlässt das vorgegebene Punktegitter.
Ist das eigentlich erlaubt?
Das ist hier gar nicht so leicht zu beantworten. Bei der Formulierung des Problems wurde
versäumt, die erlaubten Operationen zur Lösung des Problems zu präzisieren.
24
Ein verschärftes Problem
Kann man das Neun-Punkte-Problem mit vier Strecken auch dann noch lösen, wenn alle
Eckpunkte des Streckenzugs zum vorgegebenen Punktegitter gehören?
25
Lösung des verschärften Problems
Um Aussagen über die (Un-) Lösbarkeit eines Problems zu ermöglichen, muss man in der
Regel genaue Vereinbarungen über die erlaubten Operationen machen.
Wir haben gesehen, dass das Neun-Punkte-Problem lösbar ist, wenn man Streckenzüge
zulässt, die das vorgegebene Punktegitter verlassen.
Wir verschärfen jetzt die Anforderungen an die erlaubten Operationen und betrachten im
Folgenden ausschließlich Streckenzüge mit den folgenden Eigenschaften:
Der Streckenzug besteht aus aneinandergefügten Strecken, deren Anfangs- und Endpunkte
jeweils Punkte des vorgegebenen Punktegitters sind. Mittelpunkte der Strecken können dabei
ebenfalls Punkte des vorgegebenen Punktegitters sein. Wir nennen solche Streckenzüge
"gitterbasiert".
Beispiele für gitterbasierte Streckenzüge: (ADG)(GHI)(IFC)(CE) und (AE)(EC)(CFI)(ID)
26
Lösung des verschärften Problems
Das zu klärende Problem lautet jetzt: Gibt es einen gitterbasierten Streckenzug mit 4
Teilstrecken, der alle 9 Punkte des vorgegebenen Punktegitters umfasst?
Wir können jetzt wie folgt argumentieren: Wenn alle 9 Punkte in einem gitterbasierten
Streckenzug vorkommen sollen, dann muss dieser Streckenzug aus 4 Teilstrecken bestehen,
die alle jeweils 3 Punkte des Gitters erfassen (beachte, dass es 3 Nahtstellen geben muss und
4*3-3 = 9). Es gibt insgesamt 8 Strecken mit 3 Gitterpunkten: (ADG), (BEH), (CFI), (ABC),
(DEF), (GHI), (AEI), (CEG). Jetzt kann man (mit etwas Fleiß) alle Fälle durchspielen. Dabei
zeigt sich, dass man einen Streckenzug mit 3 aneinanderhängenden Strecken (mit jeweils 3
Gitterpunkten) nicht mit einer der vorgegebenen 8 Strecken fortsetzen kann.
27
Zwischenfazit
Der Nachweis, dass ein Problem lösbar ist, wird meist durch Angabe einer Lösung erbracht.
Viel schwieriger ist es in der Regel nachzuweisen, dass ein Problem unlösbar ist. Man muss
dann Aussagen über alle denkbaren Problemlösemöglichkeiten machen, also sowohl über die,
die man schon erprobt hat, als auch über die, an die man noch gar nicht gedacht hat.
Ein sicheres Fundament erhalten Unlösbarkeitsnachweise, wenn die zur Lösung einsetzbaren
Mittel präzisiert werden. Im Fall des Neun-Punkte-Problems wurde hierzu zunächst der Begriff
"gitterbasierter Streckenzug" geklärt. Mit Hilfe dieses Begriffes konnte dann die Unlösbarkeit
bzgl. der vorgenommenen Präzisierung begründet werden.
28
Algorithmische Lösbarkeit v. Problemen
Halteproblem:
Gibt es einen Algorithmus, mit dessen Hilfe man Endlosschleifen bei beliebigen Algorithmen
feststellen kann?
Satz (über die Lösbarkeit des Halteproblems in Python):
Man kann in Python keine Funktion entwickeln, die bei Übergabe einer beliebigen PythonFunktionsdefinition und eines beliebigen Datentupels entscheidet, ob die betreffende Funktion
bei der Verarbeitung der Daten hält oder nicht. Das Halteproblem für Python-Programme ist
demnach nicht mit einer Python-Funktion entscheidbar.
Wir haben gezeigt, dass das Halteproblem mit den Mitteln von Python nicht lösbar ist. Ist es
damit aber auch algorithmisch unslösbar?
Wie die Betrachtungen zum Neun-Punkte-Problem zeigen, sollte man eher vorsichtig sein. Über
unkonventionelle Wege könnte es ja durchaus möglich sein, das Halteproblem algorithmisch zu
lösen
Die einzige Möglichkeit, um zu einem befriedigenden und nicht auf Spekulation basierenden
Ergebnis zu gelangen, besteht darin, die Mittel beim algorithmischen Problemlösen zu
präzisieren. Hierzu ist muss der Algorithmusbegriff präzisiert werden.
29
Intuitiver Algorithmusbegriff
Ein Algorithmus ist eine Verarbeitungsvorschrift, die so präzise formuliert ist, dass sie auch von
einer Maschine abgearbeitet werden kann.
Ein Algorithmus ist
 eindeutig,
d. h.: die einzelnen Schritte und ihre Abfolge sind unmissverständlich beschrieben
 ausführbar,
d. h.: der "Prozessor" muss die Einzelschritte abarbeiten können
 endlich,
d. h.: seine Beschreibung besteht aus einem Text endlicher Länge
 allgemein,
d. h.: es wird nicht nur ein Problem, sondern eine ganze Klasse von Problemen gelöst
Die oben aufgeführte Begriffsklärung ist keine präzise Definition im mathematischen Sinne. Ziel
ist es, die informelle Begriffsklärung durch eine präzise Definition im mathematischen Sinne zu
ersetzen.
30
Ausführbarkeit als Problem
Handelt es sich bei der vorliegenden Beschreibung um einen Algorithmus? Was spricht dafür,
was spricht dagegen?
Eingabe: Polynomgleichung p mit ganzzahligen Koeffizienten,
in der verschiedene Variablen
mit verschiedenen Exponenten vorkommen können
z.B.: x3 + 5x2y2z – xz + 37 = 0
WENN p ganzzahlige Lösungen hat:
weise allen Variablen den Wert 0 zu
SOLANGE noch keine Lösung gefunden wurde:
verändere systematisch die Werte der Variablen
Ausgabe: Lösungstupel
SONST:
Ausgabe: "Es gibt keine Lösungen."
Unklar ist z.B., ob eine Bedingung wie "p hat ganzzahlige Lösungen" ausführbar ist. Kann der oben nicht näher beschriebene - "Prozessor" eine solche Bedingung überhaupt überprüfen? An
diesem einfachen Beispiel sieht man bereits, wie wenig aussagekräftig das oben formulierte
Kriterium der Ausführbarkeit ist.
Ziel ist es im Folgenden, diese Lücke zu schließen und den Algorithmusbegriff formal zu
definieren. Mit einem solchermaßen präzisierten Algorithmusbegriff kann dann die
algorithmische Lösbarkeit von Problemen argumentativ klar geklärt werden.
31
Teil 3
Turingmaschine als Berechnungsmodell
32
Ein erstes Berechnungsmodell
http://www.alanturing.net/
Alan Mathison Turing FRS OBE (born 23 June 1912 at 2 Warrington Crescent,
London W9, died 7 June 1954 at his home in Wilmslow, Cheshire) contributed to
mathematics, cryptanalysis, logic, philosophy, biology, and formatively to
computer science, cognitive science, Artificial Intelligence and Artificial Life.
Educated at Sherborne School in Dorset, Turing went up to King's College,
Cambridge in October 1931 to read Mathematics. He was elected a Fellow of
King's in March 1935, at the age of only 22. In the same year he invented the
abstract computing machines - now known simply as Turing machines - on which
all subsequent stored-program digital computers are modelled. ...
Ein erstes Berechnungsmodell wurde 1936 von A. Turing entwickelt - die sog. Turingmaschine.
33
Turings Idee
"Computing is normally done by writing certain symbols on paper. We may suppose this paper
is divided into squares like a child's arithmetic book."
"Let us imagine the operations performed by the computer to be split up into “simple
operations” which are so elementary that it is not easy to imagine them further divided. [...]
The simple operations must therefore include: (a) Changes of the symbol on one of the
observed squares. (b) Changes of one of the squares observed to another square within L
squares of one of the previously observed squares."
aus: Alan Turing: On Computable Numbers, with an Application to the Entscheidungsproblem. Proceedings of the London
Mathematical Society
34
Turings Idee
"Computing is normally done by writing certain symbols on paper. We may suppose this paper
is divided into squares like a child's arithmetic book."
"The behaviour of the computer at any moment is determined by the symbols which he is
observing and his “state of mind” at that moment."
"We may suppose that there is a bound B to the number of symbols or squares which the
computer can observe at one moment."
"Let us imagine the operations performed by the computer to be split up into “simple
operations” which are so elementary that it is not easy to imagine them further divided. [...]
The simple operations must therefore include: (a) Changes of the symbol on one of the
observed squares. (b) Changes of one of the squares observed to another square within L
squares of one of the previously observed squares."
"It may be that some of these changes necessarily involve a change of state of mind. The
most general single operation must therefore be taken to be one of the following: A. A
possible change (a) of symbol together with a possible change of state of mind. B. A possible
change (b) of observed squares, together with a possible change of state of mind."
aus: Alan Turing: On Computable Numbers, with an Application to the Entscheidungsproblem. Proceedings of the London
Mathematical Society
35
Simulation einer Rechenmaschine
Wir benutzen das Programm
TuringKara zur Simulation der von
Turing entwickelten Rechenmaschine.
Aufgabe:
(a) Erzeuge zunächst die
Ausgangssituation. Der Schreib-LeseKopf der Rechenmaschine soll so wie in
der Abbildung zunächst auf dem
Symbol "#" ganz rechts stehen.
36
Simulation einer Rechenmaschine
(b) Öffne jetzt mit der Schaltfläche
[Programmieren] das
Programmierfenster und lade das
Steuerprogramm binaddition.kara.
Im Ausführfenster kannst du jetzt
dieses Steuerprogramm ausführen.
Beobachte genau, was passiert.
Analysiere anschließend das
Steuerprogramm. Welche Funktion
haben die Zustände s0ü0, s1ü0, s0ü1,
s1ü1, weiter, stopp? Wie sind die
Zustandsübergänge hier festgelegt?
(c) Lies dir noch einmal die
Ausführungen von Turing durch (s.o.)
und erläutere die Entscheidungen von
Turing anhand der durchgeführten
Simulation (zur Addition von
Dualzahlen).
37
Aufgabe
Entwickle selbst ein Steuerprogramm für eines der beiden folgenden Probleme:
(a) Eine 0-1-Folge soll invertiert werden. Z.B. soll aus der Folge 10011 die Folge 01100 erzeugt
werden. Entscheide selbst, wie dieser Invertierungsvorgang im Detail ablaufen soll.
(b) Eine Dualzahl soll um 1 erhöht werden. So soll aus der Dualzahl 1010 die neue Zahl 1011,
aus der Dualzahl 10111 die neue Zahl 11000 erzeugt werden.
Beachte, dass beide Probleme auch in einer eindimensionalen Welt gelöst werden können. Eine
solche eindimensionale Welt kannst du im Bereich [Größe] festlegen.
38
Ein Marienkäfer als Rechenmaschine
Kara ist ein Marienkäfer. Kara lebt in einer Welt mit
 unbewegliche Baumstümpfen,
 Pilzen, die Kara verschieben kann und
 Kleeblättern, die Kara legen und aufnehmen kann.
39
Kara´s Sicht der Welt
Kara hat Sensoren, mit denen
er/sie die Umwelt wahrnimmt:
Kara versteht einige Befehle,
die er/sie folgsam ausführt:
stehe ich vor einem
Baumstumpf?
mache einen Schritt
vorwärts!
ist links von mir
ein Baumstumpf?
drehe um 90° nach
links!
ist rechts von mir
ein Baumstumpf?
drehe um 90° nach
rechts!
stehe ich vor
einem Pilz?
lege ein Kleeblatt hin!
stehe ich auf
einem Kleeblatt?
nimm ein Kleeblatt auf!
40
Kara soll ein Problem lösen
Kara steht auf dem ersten Kleeblatt
einer Reihe von Kleeblättern. Kara soll
ein Kleeblatt am Ende der Reihe
hinzufügen und zurück zur
Ausgangsposition laufen.
Steuerung von Kara
41
Akt. Zustand:
Bedingung:
Aktionen:
Neuer Zustand:
endeSuchen
ja
endeSuchen
endeSuchen
nein
anfangSuchen
anfangSuchen
ja
anfangSuchen
anfangSuchen
nein
stop
Auf Blatt? ja /
vorwärts
ende
Suchen
Auf Blatt? ja /
vorwärts
Auf Blatt? nein /
hinlegen; ...
zurück
Auf Blatt? nein /
links; links
stop
Steuerung von Kara
42
Auf Blatt? ja /
vorwärts
ende
Suchen
Auf Blatt? ja /
vorwärts
Auf Blatt? nein /
hinlegen; ...
Akt. Zustand:
Bedingung:
zurück
Auf Blatt? nein /
links; links
Aktionen:
stop
Neuer Zustand:
endeSuchen
ja
endeSuchen
endeSuchen
nein
anfangSuchen
anfangSuchen
ja
anfangSuchen
anfangSuchen
nein
stop
43
Aufgabe
Kara soll Kleeblätter benutzen, um einfache Rechenoperationen
auszuführen. Zahlen sollen dabei mit Kleeblättern dargestellt werden. So
soll z.B. die Zahl 4 mit einer Kleeblattreihe bestehend aus 4 Kleeblättern
codiert werden. Im Beispiel oben kann dann das Hinzufügen eines
Kleeblatts als Rechenoperation "+1" gedeutet werden.
Im Folgenden betrachten wir die Rechenoperation "*2". Zur Ausführung
dieser Rechenoperation muss also die Länge einer Kleeblattreihe
verdoppelt werden. Schaffst du das?
AZ: Kara steht vor einer Blattreihen der
Länge n (die auch 0 sein kann).
ZZ: Kara hat eine Blattreihen der
Länge 2*n erzeugt.
44
Aufgabe
Kara soll Nachrichten verschlüsseln. Jeder Buchstabe wird durch eine Kleeblattreihe (bzw. Zahl)
codiert, der Buchstabe A durch eine Kleeblattreihe der Länge 1, der Buchstabe B durch eine
Kleeblattreihe der Länge 2 usw.. Beim Verschlüsseln sollen 3 Schritte im Alphabet
weitergegangen werden.
Entwickle ein Kara-Steuerprogramm zur Ausführung der Verschlüsselung.
Überlege dir selbst, was am Ende des Alphabets geschehen soll und ob bzw. wie das mit Kara
realisierbar ist.
AZ:
ZZ:
45
Präzisierung der Turingmaschine
Schreib-/Lese-Kopf
1
Band mit Feldern
0
1
1
q0
Zustandsbasierte
Verarbeitungseinheit
Eine (Ein-Band-) Turingmaschine verfügt über ein nach rechts und links unbegrenztes Band,
das in einzelne Felder aufgeteilt ist. In diesen Felder können Symbole einer vorgegebenen
Symbolmenge abgelegt werden. Die einzelnen Felder des Bandes können mit einem Lese/Schreibkopf angesteuert werden. Dieser Lese-/Schreibkopf kann den Inhalt eines Feldes lesen
und auch Symbole in die Felder schreiben. Zudem kann er sich jeweils einen Schritt nach
rechts und nach links bewegen. Die Verarbeitungseinheit zur Steuerung des Lese/Schreibkopfes befindet sich stets in einem bestimmten Zustand. Die Verarbeitung selbst wird
über ein Steuerprogramm festgelegt.
46
Präzisierung der Turingmaschine
Die Arbeitsweise einer Turingmaschine soll anhand einer konkreten Verarbeitungsaufgabe
erläutert werden: Die Turingmaschine befindet sich zunächst im Anfangszustand. Auf dem
Band befinden sich die Symbole, die verarbeitet werden sollen. Im vorliegenden Beispiel sind
das die Symbole "0" und "1", mit denen hier eine Dualzahl dargestellt ist. Der Lese/Schreibkopf verarbeitet jetzt Schritt für Schritt die Symbole auf dem Band gemäß des
Steuerprogramms.
47
Präzisierung der Turingmaschine
Zustandsdiagramm
Das Verhalten einer Turingmaschine beschreibt man oft mit einem Zustandsdiagramm:
Die Turingmaschine hat eine nichtleere endliche Menge Z von Zuständen. Im vorliegenden Fall
ist das die Menge Z = {q0, q1, q2, q3, q4, q5}. Der Zustand q0 ist hier als Anfangszustand
ausgezeichnet, der Zustand q5 als ein Endzustand.
Eine Verarbeitung wird durch einen Zustandsübergang (von einem Zustand in einen anderen,
gegebenenfalls denselben Zustand) beschrieben. Ein Zustandsübergang erfolgt nur in
Abhängigkeit vom gelesenen Symbol. Ein Zustandsübergang beschreibt zusätzlich, wie das
gelesene Symbol überschrieben wird (ggf. durch dasselbe Symbol) und wie sich anschließend
der Lese-Schreibkopf bewegt. R steht für einen Schritt nach rechts und L für einen Schritt nach
links. Im Zustandsdiagramm werden diese Informationstripel in der Gestalt (gelesenes Symbol;
geschriebenes Symbol, Bewegung) an die Übergangspfeile geschrieben.
48
Präzisierung der Turingmaschine
Zustandsdiagramm
Eine (einfache) Turingmaschine ist eine Verarbeitungseinheit, die durch folgende Bestandteile
festgelegt wird:
 eine nichtleere, endliche Menge von Zuständen
 eine nichtleere, endliche Menge von Eingabesymbolen, die das Symbol B (für ein leeres
Feld) nicht enthält
 eine nichtleere, endliche Menge von Bandsymbolen, die alle Eingabesymbole,
gegebenenfalls weitere Hilfssymbole und das Symbol B für ein leeres Feld enthält
 eine Überführungsfunktion, die dem aktuellem Zustand in Abhängigkeit von einem
gelesenen Symbol den Folgezustand zuordnet, zudem das zu schreibende Symbol und die
Bewegung des Lese-Schreibkopfes festlegt
 einen ausgezeichneten Zustand - den Anfangszustand  eine Menge von Endzuständen
49
Turingmaschinenvarianten
I
AZ:
2-Band-Turingmaschine
z0
I
I
I
I ;II;RR
z0
I ;I ;LS
; ;LS
z1
I ;II;RR
; ;RS
z2
; ;SS
2-dimensionale
Turingmaschine
z3
50
Turingmaschinenvarianten
Satz (über die Gleichmächtigkeit von Turingmaschinenvarianten)
Alle (hier betrachteten) Turingmaschinenvarianten sind im folgenden Sinn gleichmächtig: Ein
Problem ist genau dann mit einer einfachen Turingmaschine lösbar, wenn es mit einer
zweidimensionalen Turingmaschine lösbar ist, genau dann, wenn es mit einer ...Turingmaschinenvariante lösbar ist.
51
Probleme lösen - Funktionen berechnen
Invertierproblem:
Invertierfunktion:
AZ:
f: 101011#  010100#
ZZ:
Die beabsichtigte Verarbeitung von Symbolfolgen kann mit einer Funktion f beschrieben
werden, die bestimmten Symbolfolgen (bestehend aus Symbolen einer vorgegebenen
Symbolmenge) neue Symbolfolgen zuordnet, für bestimmte Symbolfolgen aber auch nicht
definiert sein kann. Solche Funktionen werden auch partiell definierte Funktionen genannt.
52
Turingmaschinen-berechenbar
Eine partiell definierte Funktion f, die (bestimmten) Symbolfolgen über einer vorgegebenen
Symbolmenge neue Symbolfolgen zuordnet, heißt Turingmaschinen-berechenbar genau dann,
wenn gilt: Es gibt eine Turingmaschine T mit der folgenden Eigenschaft:
Ausgangszustand: Auf dem Band befindet sich eine Symbolfolge w. Die Turingmaschine
befindet sich im Anfangszustand, der Lese-/Schreibkopf am Anfang der Symbolfolge.
Fall 1: f(w) ist definiert.
Zielzustand: Die Turingmaschine T hält und hat f(w) auf dem Band erzeugt.
Fall 2: f(w) ist nicht definiert.
Zielzustand: Die Turingmaschine T hält nicht.
53
Berechnungen mit natürlichen Zahlen
Additionsproblem:
Additionsfunktion:
AZ:
f(m, n) = m+n
ZZ:
Subtraktionsproblem:
Subtraktionsfunktion:
AZ:
f(m, n) =
ZZ:
m-n
,falls m >= n
undefiniert ,falls m < n
Rechenprobleme bei natürlichen Zahlen lassen sich mit Hilfe von (mehrstelligen) partiellen
Funktionen beschreiben.
54
Turingmaschinen-berechenbar
Eine k-stellige Funktion f: N,...,N -> N heißt Turingmaschinen-berechenbar genau dann, wenn
gilt: Es gibt eine Turingmaschine T mit der folgenden Eigenschaft:
Ausgangszustand: Auf dem Band befindet sich ein k-Tupel (n1, ..., nk) aus natürlichen Zahlen
n1, ..., nk, die alle als Strichzahlen dargestellt sind und mit dem Symbol "#" verbunden sind.
Die Turingmaschine befindet sich im Anfangszustand, der Lese-/Schreibkopf am Anfang der
Strichzahl.
Fall 1: f(n1, ..., nk) ist definiert.
Zielzustand: Die Turingmaschine T hält und hat f(n1, ..., nk) als Strichzahl auf dem Band
erzeugt.
Fall 2: f(n1, ..., nk) ist nicht definiert.
Zielzustand: Die Turingmaschine T hält nicht.
55
Aufgaben
Zeige, dass die folgenden Rechenprobleme mit einer Turingmaschine lösbar sind bzw., dass die
entsprechenden Funktionen Turingmaschinen-berechnenbar sind:
(a) Additionsproblem: Das Symbol "#" wird als "plus" gedeutet. Das Rechenergebnis soll die
Summe der beiden vorgegebenen Strichzahlen darstellen.
(b) Subtraktionsproblem: Das Symbol "#" wird als "minus" gedeutet. Das Rechenergebnis soll
die Differenz der beiden vorgegebenen Strichzahlen darstellen. Wenn die erste Strichzahl
kleiner als die zweite Strichzahl ist, dann soll die Turingmaschine nicht mehr klarkommen und
in einer Endlosschleife irgendetwas machen.
(c) Verdopplungsproblem: Hier wird das Symbol "#" nicht benötigt. Das Rechenergebnis soll
das Doppelte einer vorgegebenen Strichzahl darstellen.
(d) Multiplikationsproblem: Das Symbol "#" wird als "mal" gedeutet. Das Rechenergebnis soll
das Produkt der beiden vorgegebenen Strichzahlen darstellen.
(e) Divisionsproblem: Das Symbol "#" wird als "durch" gedeutet. Das Rechenergebnis soll den
ganzzahligen Quotienten (ohne Rest) der beiden vorgegebenen Strichzahlen darstellen. Wenn
die zweite Strichzahl eine Null ist, dann soll die Turingmaschine nicht mehr klarkommen und in
einer Endlosschleife irgendetwas machen.
56
Probleme - Rechenprobleme
Problem:
Rechenproblem:
Kommt ein Zeichen in einer
Zeichenkette vor?
f: (n1, n2) -> n
n1: Zeichen; n2: Zeichenkette; n: ja/nein
Bsp.: Kommt das Zeichen 'E' in der
Zeichenkette 'TURING' vor?
f: (5, 202118091407) -> 0
Codierung:
A -> 1; B -> 2; C -> 3; ...
TURING -> 202118091407
ja ->1; nein -> 0
Rechenprobleme kann man allgemein so charakterisieren, dass aus bestimmten natürlichen
Zahlen eine neue natürliche Zahl bestimmt wird. Auf den ersten Blick scheint es so, dass
Rechenprobleme eher spezielle, in der Mathematik auftretende Probleme sind. Es zeigt sich
aber, dass man sehr viele Probleme als Rechenprobleme deuten kann. Es ist daher durchaus
sinnvoll, sich auf das Lösen von Rechenproblemen zu konzentrieren.
57
Eine Zwischenbilanz
Was leistet das Berechnungsmodell "Turingmaschine"? Es soll die „Idee Computer“ erfassen,
d. h.
 es kann Rechenoperationen ausführen (z. B. Addieren)
 es kann Problemlösungen (in geeignet beschriebener Form) selbstständig ausführen (z. B.
Texte verschlüsseln)
 es ist universell programmierbar in dem Sinn, dass es beliebige Programme bei beliebigen
Daten ausführen kann
 es ist so mächtig, dass es alle Algorithmen (in geeignet kodierter Form) ausführen kann
Zielsetzung:
Die Turingmaschine ist ein auf den ersten Blick sehr primitives Rechner-Modell. Zu klären ist,
ob sie auch im oben beschriebenen Sinn programmierbar ist.
58
Spezielle Verarbeitungssysteme
Wir haben Turingmaschinen bisher als spezielle Verarbeitungssysteme benutzt: Für jedes
Problem wurde hierzu eine spezielle Turingmachine entwickelt.
59
Universelle Verarbeitungssysteme
Reale Computer sind programmierbare Systeme und somit universelle Verarbeitungssysteme:
Sie sind in der Lage, beliebige vorgegebene Programme bei beliebig vorgegebenen Daten
auszuführen. Sie sind also universell in dem Sinne, dass sie nicht nur für eine Aufgabe
konzipiert sind, sondern zur Ausführung beliebiger Lösungsalgorithmen.
Universelle Turingmaschine
60
Eine universelle Turingmaschine besitzt die Fähigkeit, beliebige andere Turingmaschinen zu
simulieren. Als Eingabe erhält sie die Beschreibung der zu simulierenden Turingmaschine und
der Daten auf dem Eingabeband für diese Turingmaschine. Die universelle Turingmaschine
erzeugt dann die Daten, die die zu simulierende Turingmaschine bei der Verarbeitung der
übergebenen Daten erzeugen würde.
Eingabeband
10110111#
universelle
Turingmaschine
1;0;R
0;1;R
z1
Eingabeband
#;#;S
01001000#
z0
Turingmaschine zum Invertieren einer 0-1-Zeichenkette
Simulation mit Turing-Kara
61
Aktueller
Zustand
Kodierung der TM
1;0;R
0;1;R
z1
#;#;S
z0
101010101#
Ein-/Ausgabeband
Vgl.: Turingkara – Aufgaben: Die universelle Turingmaschine
62
Aufgabe
Wenn man im Weltfenster von TuringKara die Schaltfläche [Aufgaben] anklickt, erhält man ein
Auswahlmenu mit vielen Aufgaben, von leichten bis sehr schwierigen. Zu den sehr
schwierigen gehört auch die Aufgabe "Die Universelle Turingmaschine".
(a) Wähle die Welt "Invertieren einer Zeichenkette" aus und führe das vorgegebene
Steuerprogramm aus. Die Arbeitsweise dieser Turingmaschine ist zunächst etwas
undurchsichtig. Aber mit etwas Geduld kann man doch einige Verhaltensmuster erkennen.
Kannst du insbesondere nachvollziehen, in welcher Weise hier eine Zeichenkette invertiert
wird?
(b) Lies dir jetzt auch die Hinweise unter "Codierung" durch. Hier erfährst du, wie eine
(einfache) Turingmaschine auf dem zweidimensionalen Raster dargestellt wird.
(c) Wenn Du alles verstanden hast, dann solltest du in der Lage sein, eine (einfache)
Turingmaschine zur Verdopplung einer Strichzahl mit der universellen Turingmaschine zu
simulieren.
63
Existenz universeller Turingmaschinen
Die universelle Turingmaschine ist bisher als zweidimensionale Turingmaschine konzipiert. Um
von einem universellen Berechnungsmodell sprechen zu können, müsste die universelle
Turingmaschine vom selben Typ wie die zu simulierenden Turingmaschinen sein (also eine
einfache Turingmaschine).
Mit dem Satz über die Gleichmächtigkeit von Turingmaschinenvarianten ergibt sich, dass es
auch universelle Turingmaschinen als einfache Turingmaschinen gibt.
Band
Zweidimensionale
Turingmaschine
einfache TM
Band
64
Existenz universeller Turingmaschinen
Satz (über die Existenz universeller Turingmaschinen)
Es gibt eine (einfache) Turingmaschine, die als universelle Turingmaschine jede andere
(einfache) Turingmaschine simulieren kann.
Band
einfache
Turingmaschine
Band
einfache TM
Was leistet das Berechnungsmodell "Turingmaschine"?
 es ist universell programmierbar in dem Sinn, dass es beliebige Programme bei beliebigen
Daten ausführen kann
 es ist so mächtig, dass es alle Algorithmen (in geeignet kodierter Form) ausführen kann
65
Teil 4
Weitere Berechnungsmodelle
Berechnungsmodelle
66
Die Turingmaschine ist letztlich eine mathematische Präzisierung des "Prozessors". Hier wird
eine Art Modell-Maschine festgelegt, die die "Idee Computer" erfassen soll. Weitere ModellMaschinen sind möglich.
Eingaben
Verarbeitungsanweisungen
“Prozessor”
Ausgaben
Maschinenorientierter Ansatz: Präzisierung des Prozessors
Beispiel: Turingmaschine, Registermaschine
Anweisungsorientierter Ansatz: Präzisierung der zulässigen Anweisungen
Beispiel: While
Zuordnungsorientierter Ansatz: Präzisierung der E/A-Zuordnungen
Registermaschine
67
Das Registermaschinenmodell orientiert sich stärker am Aufbau realer Computer.
Programm
Daten
> x INC i
Erhöhe Register i um 1. Gehe zu Zeile x+1.
> x DEC i
Erniedrige Register i um 1. Gehe zu Zeile x+1.
> x JMP i
Gehe zu Zeile i.
> x TST i
Wenn Register i ungleich 0 ist,
dann gehe zu Zeile x+1, sonst zu Zeile x+2.
> x HLT
Beende die Bearbeitung.
Eine Registermaschine ist eine Verarbeitungseinheit, die beliebig viele Register zur Speicherung
von Daten hat und durch maschinennahe Programme gesteuert wird.
68
Registermaschinen-berechenbar
Eine k-stellige Funktion f: N,...,N -> N heißt Registermaschinen-berechenbar genau dann,
wenn gilt: Es gibt eine Registermaschine mit der folgenden Eigenschaft:
Ausgangszustand:
In den Registern R1, ..., Rk
befinden sich die zu verarbeitenden
natürlichen Zahlen.
Fall 1: f(n1, ..., nk) ist definiert.
Zielzustand:
Die Registermaschine hält
und in R0 befindet sich der
Funktionswert f(n1, ..., nk).
Fall 2: f(n1, ..., nk) ist nicht definiert.
Zielzustand:
Die Registermaschine hält nicht.
69
Aufgaben
Zeige, dass die folgenden Funktionen Registermaschinen-berechenbar sind. Suche dir ein
Berechnungsproblem aus und entwickle ein geeignetes Registermaschinenprogramm.
(a) Subtraktionsproblem:
Berechnet werden soll die Subtraktionsfunktion f: N, N -> N mit f(n1, n2) = n1 - n2, sofern n1
größer oder gleich n2 ist, bzw. f(n1, n2) ist nicht definiert, sofern n1 kleiner als n2 ist.
(b) Verdopplungsproblem:
Berechnet werden soll die Verdopplungsfunktion f: N -> N mit f(n) = 2*n.
(c) Multiplikationsproblem:
Berechnet werden soll die Multiplikationsfunktion f: N, N -> N mit f(n1, n2) = n1 * n2.
(d) Divisionsproblem:
Berechnet werden soll die Divisionsfunktion f: N, N -> N mit f(n1, n2) = n1 // n2, sofern n2
ungleich 0 ist, bzw. f(n1, n2) ist nicht definiert, sofern n2 gleich 0 ist.
70
Aufgaben
Zum Testen kannst du das Bonsai-Simulationsprogramm benutzen. Beachte aber, dass die
Nummerierungen hier mit 1 anfangen.
While-Programme
71
Bestandteile von While-Programmen:
Aufbau von While-Programmen:
Variablen:
x0, x1, x2, ...
Konstanten:
Zuweisungen: Jede Zuweisung mit dem
folgenden Aufbau ist ein While-Programm:
0, 1, 2 ...
Symbole:
=, :, !=
Operatoren:
+ -
Schlüsselwörter:
while, #while
x0 = x1
while x2 != 0:
x0 = x0 + 1
x2 = x2 - 1
#while
Die Programmiersprache While ist eine sehr
einfache Programmiersprache, die nur mit
den oben genannten Programmierelementen
auskommt.
variable
variable
variable
variable
=
=
=
=
konstante
variable
variable + konstante
variable - konstante
Sequenzen: Falls P1 und P2 WhileProgramme sind, dann ist auch die
folgende Sequenz ein WHILE-Programm.
P1
P2
Wiederholungen: Falls P ein WhileProgramm ist und x eine Variable ist, dann
ist auch
while x != 0:
P
#while
ein While-Programm.
72
While-berechenbar
Eine (k-stellige) Funktion f: N, ..., N -> N heißt While-berechenbar genau dann, wenn gilt: Es
gibt ein While-Programm mit der folgenden Eigenschaft:
Ausgangszustand:
Die Variablen x1, ..., xk verwalten die zu verarbeitenden natürlichen Zahlen n1, ..., nk.
{x0 -> 0; x1 -> 7; x2 -> 3; ...}
Fall 1: f(n1, ..., nk) ist definiert.
Zielzustand:
Die Variable x0 verwaltet den Funktionswert f(n1, ..., nk).
{x0 -> 10; x1 -> ...; x2 -> ...; ...}
Fall 2: f(n1, ..., nk) ist nicht definiert.
Zielzustand:
Die Ausführung des While-Programms hält nicht.
Aufgaben
73
Was leistet das gezeigte While-Programm?
Stelle eine Vermutung auf. Überprüfen
kannst du sie mit einem geeigneten PythonProgramm.
# Initialisierung der Variablen
x0 = 0
x1 = 3
x2 = 7
# Registermaschinenprogramm
x0 = x1
while x2 != 0:
x0 = x0 + 1
x2 = x2 - 1
#while
# Ausgabe der
print('x0: ',
print('x1: ',
print('x2: ',
Variablen
x0)
x1)
x2)
x0 = x1
while x2 != 0:
x0 = x0 + 1
x2 = x2 - 1
#while
74
Aufgaben
Zeige, dass die folgenden Funktionen While-berechenbar sind. Suche dir ein
Berechnungsproblem aus und entwickle ein geeignetes While-Programm.
(a) Subtraktionsproblem:
Berechnet werden soll die Subtraktionsfunktion f: N, N -> N mit f(n1, n2) = n1 - n2, sofern n1
größer oder gleich n2 ist, bzw. f(n1, n2) ist nicht definiert, sofern n1 kleiner als n2 ist.
(b) Verdopplungsproblem:
Berechnet werden soll die Verdopplungsfunktion f: N -> N mit f(n) = 2*n.
(c) Multiplikationsproblem:
Berechnet werden soll die Multiplikationsfunktion f: N, N -> N mit f(n1, n2) = n1 * n2.
(d) Divisionsproblem:
Berechnet werden soll die Divisionsfunktion f: N, N -> N mit f(n1, n2) = n1 // n2, sofern n2
ungleich 0 ist, bzw. f(n1, n2) ist nicht definiert, sofern n2 gleich 0 ist.
75
Äquivalenzsatz
Satz (über die Äquivalenz von Berechnungsmodellen)
Eine (k-stellige) Funktion f ist Turingmaschinen-berechenbar genau dann, wenn sie
Registermaschinen-berechenbar ist bzw. genau dann, wenn sie While-berechenbar ist.
x0 = x1
while x2 != 0:
x0 = x0 + 1
x2 = x2 - 1
#while
0 TST 1
1 JMP 3
2 JMP 6
3 DEC 1
4 INC 0
5 JMP 0
6 TST 2
7 JMP 9
8 JMP 11
9 DEC 2
10 INC 0
11 HLT
76
Church-Turing-These
Church-Turing-These
Eine Funktion ist im intuitiven Sinn berechenbar genau dann, wenn sie Turingmaschinenberechenbar ist bzw. genau dann, wenn sie Registermaschinen-berechenbar ist bzw. genau
dann, wenn sie While-berechenbar ist bzw. genau dann, ...
Die Tatsache, dass alle Versuche, den Berechbarkeitsbegriff mathematisch zu präzisieren, zur
gleichen Klasse berechenbarer Funktionen geführt hat, sehen viele als Bestätigung dafür, dass
der intuitive Berechnebarkeitsbegriff durch die bisher entwickelten Berechnungsmodelle
adäquat erfasst wird. Diese These wurde erstmals von Alonzo Church und Alan Turing - den
Entwicklern der ersten Berechnungsmodelle - formuliert. Beachte, dass die Chuch-Turing-These
keine mathematisch präzise Aussage ist, da hier der nicht präzisierte Begriff "im intuitiven
Sinne berechenbar" vorkommt. Die Chuch-Turing-These drückt vielmehr die Erfahrung vieler
Informatiker aus, die sich mit der Präzisierung des Algorithmusbegriffs beschäftigt haben.
Was leistet das Berechnungsmodell "Turingmaschine" / "Python-programmierbar" / ...?
es kann Problemlösungen (in geeignet beschriebener Form) selbstständig ausführen (z. B.
sortieren)
 es kann Rechenoperationen ausführen (z. B. Addieren)
 es ist universell programmierbar in dem Sinn, dass es beliebige Programme bei beliebigen
Daten ausführen kann
 es ist so mächtig, dass es alle Algorithmen (in geeignet kodierter Form) ausführen kann
77
Teil 5
Grenzen der Berechenbarkeit
78
Vorbemerkungen
Um Aussagen über die Grenzen der Berchenbarkeit machen zu können, müssen wir ein
präzise beschriebenes Berechnungsmodell verwenden. Nach dem Satz über die Äquivalenz
von Berechnungsmodellen ist es dabei egal, welches Berechnungsmodell wir verwenden.
Hier soll im Folgenden die Turingmaschine als Berechnungsmodell benutzt werden. Dabei
werden wir ausschließlich einfache Turingmaschinen betrachten. Wir setzen zudem voraus,
dass auf dem Band außer dem speziellen Bandsymbol B für ein leeres Feld nur das Symbol I
vorkommen soll - weiter unten wird auch noch das Symbol # hinzukommen. Schließlich
setzen wir voraus, dass die betrachteten Turingmaschinen genau einen Endzustand stop
haben.
Ziel ist es, einen Überblick über alle Turingmaschinen mit den eben formulierten
Einschränkungen zu gewinnen. Wenn dieser Überblick vorliegt, können wir eventuell
Aussagen über die mit diesen Turingmaschinen berechenbaren Funktionen treffen.
79
Aufzählung von Turingmschinen
Wir betrachten zunächst nur Turingmaschinen mit nur einem Zustand (außer dem Endzustand
stop). Wie dieser Zustand benannt wird, spielt dabei keine Rolle. Wir gehen von der
Bezeichnung z0 aus. Dieser Zustand ist dann auch der Startzustand.
z0 B z0 B L; z0 I z0 B L;
Kurzschreibweise für Turingmaschinen:
z0 B z0 B L; z0 I z0 B R;
z0 B z0 B L; z0 I z0 I L;
z0 B z0 B L; z0 I z0 I R;
z0 B z0 B L; z0 I zS B L;
z0 B z0 B L; z0 I z0 B L;
z0 B z0 B L; z0 I zS B R;
z0 B z0 B L; z0 I zS I L;
Aufgabe:
z0 B z0 B L; z0 I zS I R;
(a) Kannst du die begonnene Aufzählung
fortsetzen? Zur Kontrolle: Es gibt 64
verschiedene Möglichkeiten.
z0 B z0 B R; z0 I z0 B L;
...
z0 B zS I R; z0 I zS I R;
(b) Begründe, dass es 64 verschiedene
Turingmaschinen (mit den gemachten
Einschränkungen) mit genau einem
Zustand (außer dem Endzustand) gibt.
80
Aufzählung von Turingmschinen
Wir betrachten jetzt Turingmaschinen mit genau 2 Zuständen (außer dem Endzustand stop).
Die Zustände sollen mit z0 und z1 bezeichnet werden. Der Zustand z0 soll auch hier der
Startzustand sein.
z0 B z0 B L; z0 I z0 I L; z1 B z0 B L; z1 I z0 I L;
z0 B z0 B L; z0 I z0 I L; z1 B z0 B L; z1 I z0 I R;
...
z0 B zS I R; z0 I zS I R; z1 B zS I R; z1 I zS I R;
Aufgabe:
(a) Kannst du die begonnene Aufzählung um einige wenige Turingmaschinen fortsetzen?
(b) Wie viele Turingmaschinen gibt es hier?
Aufzählung von Turingmschinen
81
Satz (über die Aufzählbarkeit von Turingmaschinenvarianten)
Turingmaschinen mit einer fest vorgegebenen Symbolmenge (Eingabesymbole +
Bandsymbole) kann man systematisch (algorithmisch) erzeugen.
T0, T1, T2, ...
Jede Turingmaschine kommt in dieser Auflistung vor. Man kann (mit einem geeigneten
Algorithmus) zu jeder natürlichen Zahl n die zugehörige Turingmaschine Tn bestimmen.
Umgekehrt kann man (mit einem geeigneten Algorithmus) zu jeder Turingmaschine T die
Platznummer n in der Auflistung bestimmen.
T0:
z0 B z0 B L; z0 I z0 B L;
T1:
z0 B z0 B L; z0 I z0 B R;
...
T64:
z0 B z0 B L; z0 I z0 I L; z1 B z0 B L; z1 I z0 I L;
T65:
z0 B z0 B L; z0 I z0 I L; z1 B z0 B L; z1 I z0 I R;
...
T20800: z0 B z0 B L; z0 I z0 I L; z1 B z0 B L; z1 I z0 I L; z2 B z0 B
L; z2 I z0 I L;
...
Problem
82
Ist jede Funktion f: N  N (Turingmaschinen-) berechenbar? Wie kann man nachweisen,
dass es Funktionen f: N  N gibt, die nicht (Turingmaschinen-) berechenbar sind?
?
Menge der Funktionen
von N nach N
n  prim(n)
n  2n
n  s(n)
?
Menge der
berechenbaren Funktionen
von N nach N
83
Abzählen unendlicher Mengen
Eine Menge M heißt abzählbar genau dann, wenn es eine Nummerierungsabbildung i von der
Menge der natürlichen Zahlen in die Menge M gibt, bei der alle Elemente aus M als
Bildelemente natürlicher Zahlen erfasst werden. Die Abbildung i ordnet in diesem Fall den
Elementen von M ihre jeweiligen Nummern zu.
Eine Menge M heißt überabzählbar genau dann, wenn sie nicht abzählbar ist.
Beispiel:
Die Menge der geraden Zahlen ist abzählbar. Die folgende Auflistung liefert implizit eine
mögliche Nummerierung.
0, 2, 4, 6, ...
Beispiel:
Die Menge der ganzen Zahlen ist abzählbar. Die folgende Auflistung liefert implizit eine
mögliche Nummerierung.
0, 1, -1, 2, -2, 3, -3, ...
84
Abzählen von Turingmaschinen
Satz (über die Abzählbarkeit von Turingmaschinen)
Die Menge aller Turingmaschinen über dem Eingabealphabet {I} und dem Bandlaphabet {I, B}
ist abzählbar.
Beachte, dass im letzten Abschnitt sogar mehr gezeigt wurde. Es wurde dort gezeigt, dass
die Zuordnung Turingmaschine - Nummer in beide Richtungen berechnet werden kann.
Satz (über die Abzählbarkeit von Turingmaschinen-berechenbaren Funktionen)
Die Menge aller Turingmaschinen-berechenbaren Funktionen von N nach N ist abzählbar.
85
Abzählen von partiellen Funktionen
Satz (über die Überabzählbarkeit der Menge aller Funktionen)
Die Menge aller (partiellen) Funktionen von N nach N ist überabzählbar.
Angenommen, die Menge aller (partiellen) Funktionen von N nach N ist abzählbar.
Dann gibt es eine nummerierte Auflistung, mit der alle diese Funktionen erfasst werden:
f0, f1, f2, f3, f4, ...
Jeder dieser Funktionen ordnet allen natürlichen Zahlen eine natürliche Zahl oder den Wert u
(für undefiniert) zu. Eine Zuordnungstabelle für alle Funktionen der Auflistung könnte z.B. so
aussehen:
86
Abzählen von partiellen Funktionen
Wir konstruieren jetzt eine weitere Funktion f von N nach N nach dem folgenden Schema:
Wir benutzen also die Funktionswerte in der Diagonalen der Ausgangstabelle und ändern sie
alle systematisch ab.
Die Funktion f ist so definiert, dass sie sich an mindestens einer Stelle von jeder Funktion der
Auflistung f0, f1, f2, f3, f4, ... unterscheidet.
87
Abzählen von partiellen Funktionen
Satz (über die Überabzählbarkeit der Menge aller Funktionen)
Die Menge aller (partiellen) Funktionen von N nach N ist überabzählbar.
Angenommen, die Menge aller (partiellen) Funktionen von N nach N ist abzählbar.
Dann gibt es eine nummerierte Auflistung, mit der alle diese Funktionen erfasst werden:
f0, f1, f2, f3, f4, ...
...
Wir konstruieren jetzt eine weitere Funktion f von N nach N nach dem folgenden Schema: ...
Die Funktion f ist so definiert, dass sie sich an mindestens einer Stelle von jeder Funktion der
Auflistung f0, f1, f2, f3, f4, ... unterscheidet.
Argumentation:
Damit sind wir aber an einem Punkt angelangt, an dem wir uns in Widersprüche verwickeln.
Wir sind von der Annahme ausgegangen, dass die Menge aller (partiellen) Funktionen von N
nach N abzählbar ist. Aus einer möglichen Abzählung (in Form einer nummerierten
Auflistung) haben wir eine Funktion f von N nach N konstruiert. Diese Funktion f muss
Element der Menge M sein (da sie ja eine Funktion von N nach N ist) und gleichzeitig
unterscheidet sie sich von allen Elementen von M (an mindestens einer Stelle). So etwas ist
unmöglich. Die einzige Möglichkeit, aus diesem Dilemma herauszukommen, ist die Folgerung,
dass wir von einer falschen Annahme ausgegangen sind.
88
Existenz nicht-berechenbarer Funktion.
Satz (über die Abzählbarkeit von Turingmaschinen-berechenbaren Funktionen)
Die Menge aller Turingmaschinen-berechenbaren Funktionen von N nach N ist abzählbar.
Satz (über die Überabzählbarkeit der Menge aller Funktionen)
Die Menge aller (partiellen) Funktionen von N nach N ist überabzählbar.
Satz (über die Existenz nicht-berechenbarer Funktionen)
Es gibt (partielle) Funktionen von N nach N, die nicht Turingmaschinen-berechenbar sind.
es gibt nicht-berechenbare
Funktionen
?
Menge der Funktionen
von N nach N
n  prim(n)
Analog kann man zeigen,
dass es partielle
Funktionen f: N, N -> N
gibt, die nicht
Turingmaschinenberechenbar sind.
n  2n
n  s(n)
?
Menge der
berechenbaren Funktionen
von N nach N
Die Haltefunktion
89
Turingmaschinen:
Zahlen:
T0:
z0 B z0 B L; z0 I z0 B L;
w0:
T1:
z0 B z0 B L; z0 I z0 B R;
w1:
I
T2:
z0 B z0 B L; z0 I z0 I L;
w2:
II
T3:
z0 B z0 B L; z0 I z0 I R;
w3:
III
T4:
z0 B z0 B L; z0 I zS B L;
w4:
IIII
T5:
z0 B z0 B L; z0 I zS B R;
w5:
IIIII
...
...
Im Folgenden wollen wir die Turingmschine Ti mit der zugehörigen Nummer i codieren. Die
zu verarbeiten Daten sind (evtl. auch leere) Folgen des Symbols "I". Diese Folgen können als
Codierungen natürlicher Zahlen aufgefasst werden.
Mit der Funktion h soll jetzt das Halterverhalten von Turingmaschinen bei der Verarbeitung
natürlicher Zahlen beschrieben werden.
Die Haltefunktion
90
Turingmaschinen:
T0:
z0 B z0 B L; z0 I z0 B L;
T1:
z0 B z0 B L; z0 I z0 B R;
T2:
z0 B z0 B L; z0 I z0 I L;
T3:
z0 B z0 B L; z0 I z0 I R;
T4:
z0 B z0 B L; z0 I zS B L;
T5:
z0 B z0 B L; z0 I zS B R;
...
Zahlen:
w0:
w1:
I
w2:
II
w3:
III
w4:
IIII
w5:
IIIII
Aufgabe: In der Wertetabelle sind bereits
einige Funktionswerte von h eingetragen.
Dabei werden die beschriebenen Codierungen
zu Grunde gelegt. Ergänze die fehlenden
Funktionswerte.
91
Berechnung der Haltefunktion
Annahme: Es gibt eine Turingmaschine Th, die die Funktion h berechnet.
Die Abbildung verdeutlicht das Verhalten von Th, wenn die übergebene Turingmschine bei
dem übergebenen Wort hält.
Wenn die übergebene Turingmschine bei dem übergebenen Wort nicht hält, dann erzeugt Th
ein leeres Band und geht in den Stop-Zustand über.
92
Berechnung der Haltefunktion
Wir benutzen jetzt ein Diagonalisierungsverfahren, um aus Th eine neue Turingmaschine T zu
konstruieren.
Die folgende Tabelle zeigt, wie das Halteverhalten aller möglichen Turingmaschinen bei
bestimmten zu verarbeitenden Wörtern aussehen könnte.
Wenn der Eintrag in der Tabelle zu einer bestimmten Turingmaschine und einem bestimmten
Datum ein "ja" ist, dann soll die betreffende Turingmaschine bei der Verarbeitung des
betreffenden Datums halten, bei "nein" entsprechend nicht.
Ziel ist es, eine Turingmaschine T zu entwickeln, die das Halteverhalten der aufgelisteten
Turingmaschinen in gewisser Weise umkehrt. T soll also genau dann bei der Verarbeitung des
Wortes wi halten, wenn die Turingmaschine Ti bei der Verarbeitung des Wortes wi nicht hält.
93
Berechnung der Haltefunktion
T gewinnen wir mit Hilfe von Th,
indem wir zunächst das zu
verarbeitende Wort duplizieren,
anschließend die dargestellte
Zahl (i, i) von Th verarbeiten
lassen und abschließend den
Übergang zum Stop-Zustand
etwas abändern. Vorab wird
geprüft, ob das gelesene Zeichen
ein "I" ist. Wenn das der Fall ist,
dann soll endlos ein "I" auf das
Band geschrieben werden und
eine Bewegung nach rechts
erfolgen. Ist das gelesene
Zeichen dagegen ein "B(lank)",
dann soll ein Übergang in den
Stop-Zustand erfolgen.
94
Nicht-Berechenbarkeit der Haltefunktion
T entpuppt sich als höchst merkwürdige Turingmaschine: Einerseits muss T in der Auflistung
aller Turingmaschinen vorkommen, also mit irgendeiner Turingmaschinen Ti der Auflistung
übereinstimmen. Andererseits verhält sich T anders als jede der in der Auflistung
vorkommenden Turingmaschinen. Es ergeben sich also zwei widersprüchliche Aussagen.
Die Annahme, dass es eine Turingmaschine Th gibt, die die Funktion h berechnet, führt also
zu einem Widerspruch. Die Annahme muss folglich falsch sein.
Satz (über die Unlösbarkeit des Halteproblems bei Turingmaschinen)
Es gibt keine Turingmaschine, die die Haltefunktion h berechnet. Es gibt folglich keine
Turingmaschine, mit der man das Halteverhalten beliebiger Turingmaschinen bei beliebigen zu
verarbeitenden Daten entscheiden kann.
Die Rado´sche Funktionen
95
Ziel ist es, eine weitere nicht-berechenbare Funktion konkret zu beschreiben.
Rado´sche -Funktion

Menge der Funktionen
von N nach N
f0, f1, f2, f3, ...
?
Menge der
berechenbaren Funktionen
von N nach N
Biber-Turingmaschinen
96
Eine Biber-Turingmaschine ist eine (einfache) Turingmaschine, die in jedem Arbeitsschritt
genau eine "Baumaktion" durchführt (Baumstamm hinlegen oder wegnehmen) und einen
Schritt nach rechts oder links geht. Eine Biber-TM startet in einer leeren Welt, erzeugt
„Baumstämme“ und hält nach endlich vielen Arbeitsschritten.
Vorher:
z0 B z1 I R;
Biber-TM:
z0 I zS I R;
z1 B z0 I L;
z1 I z0 I L;
Nachher:
97
Aufgabe
Aufgabe 1: Biber-Turingmaschinen-Wettberwerb
Die gezeigte Biber-Turingmaschine mit 2 Zuständen (außer dem
Stop-Zustand zS) sammelt genau 2 Baumstämme, bevor sie hält.
Gesucht ist eine Biber-Turingmaschine mit genau 2 Zuständen
(außer dem Stop-Zustand), die möglichst viele Baumstämme
sammelt, bevor sie hält. Eine solche Turingmschine heißt „fleißiger
Biber“ (mit 2 Zuständen) bzw. „busy beaver turing maxchine“.
z0 B z1 I R;
z0 I zS I R;
z1 B z0 I L;
z1 I z0 I L;
98
Aufgabe
Aufgabe 2: Biber-Turingmaschinen-Wettberwerb
Wer schafft die meisten Baumstämme? Gesucht ist eine Biber-Turingmaschine
mit genau 3 bzw. 4 Zuständen (außer dem Stop-Zustand), die möglichst viele
Baumstämme sammelt, bevor sie hält.
Fleißige Biber
99
Fleißiger Biber mit 2 Zuständen:
alter
Zustand
gelesenes
Zeichen
geschrieb. KopfZeichen
bewegung
neuer
Zustand
Z0
Z0
I
' '
I
I
L
R
Z1
Z1
Z1
Z1
I
' '
I
I
S
L
Z0
Z0
Fleißiger Biber mit 3 Zuständen:
alter
Zustand
gelesenes
Zeichen
geschrieb. KopfZeichen
bewegung
neuer
Zustand
Z0
Z0
I
' '
I
I
L
R
Z2
Z1
Z1
Z1
I
' '
I
I
S
L
Z1
Z0
Z2
Z2
I
' '
I
I
S
L
Z2
Z1
100
Rado´sche Funktion
Im Jahr 1962 hat der ungarische Mathematiker Tibor Rado ein bemerkenswerte Funktion
definiert. Die Funktion Σ: N -> N ordnet jeder natürlichen Zahl n aus N nach der folgenden
Berechnungsvorschrift eine natürliche Zahl zu:
Σ(n) beschreibt die maximale Anzahl von Baumstämmen, die eine Biber-Turingmaschine mit
genau n Zuständen (außer dem Stop-Zustand) ausgehend von einem leeren Band sammeln
kann.
n
(n)
0
0
1
1
2
4
3
6
4
13
5
...
6
...
Aufgabe:
(a) Schätze erst einmal, wie groß die Funktionswerte Σ(5) und Σ(6) sind.
(b) Recherchiere anschließend, wie groß die Funktionswerte Σ(5) und Σ(6) sind. Wie gut
waren deine Schätzungen?
101
Nicht-Berechenbarkeit d. Rado-Funktion
Satz (über die Nicht-Berechenbarkeit der Rado-Funktion)
Die Rado-Funktion Σ ist nicht Turingmaschinen-berechenbar.
Bemerkung:
Dass man die Funktionswerte der Σ-Funktion nicht so einfach berechnen kann, liegt nach
dem oben angegebenen Satz an der Nicht-Berechenbarkeit der Funktion. Es gibt (nach der
Chuch-Turing-These) kein algorithmisches Verfahren, mit dem man alle Funktionswerte der ΣFunktion berechnen kann. Diese Tatsache schließt aber nicht aus, dass man einzelne
Funktionswerte der Σ-Funktion bestimmen kann. Im Fall n = 2 kann man beispielsweise alle
Turingmaschinen mit 2 Zuständen (außer dem Stop-Zustand) erzeugen und jede dieser
endlichen vielen Turingmaschinen unsersuchen, ob sie hält und wie viele Baumstämme sie in
diesem Fall erzeugt.
102
Satz von Rado
Satz (über die Nicht-Berechenbarkeit der Rado-Funktion)
Die Rado-Funktion Σ ist nicht Turingmaschinen-berechenbar.
Beweis:
Der Beweis benutzt die folgenden (leicht zu zeigenden) Eigenschaften der -Funktion:

(n)  n für alle n N,

(n) < (n+1) für alle n N (Monotonie von ).
Der Beweis wird durch Widerspruch geführt.
Annahme: Es gibt eine Turingmaschine T, mit der  berechnet werden kann. Die Anzahl der
Zustände von T bezeichnen wir mit k.
T :
I I
z0
ZZ:
I
AZ:
I
I
I
103
Satz von Rado
Man zeigt zunächst, dass es eine Turingmaschine Tn mit n+1 Zuständen (außer dem StopZustand) gibt, der auf einem leeren Band eine Baumstammreihe mit genau n Baumstämmen
erzeugt:
AZ:
T2:
z0
ZZ:
I
I
Man zeigt anschließend, dass es eine Turingmaschine TV mit 6 Zuständen (außer dem StopZustand) gibt, der eine gegebene, beliebig lange Baumstammreihe verdoppelt:
AZ:
I
TV:
z0
ZZ:
I
I
I
I
I
104
Satz von Rado
Wir verknüpfen die 3 Turingmaschinen jetzt wie folgt zu einer neuen Turingmaschine Tn,V, :
z0
AZ:
T n:
erzeugt eine Baumstammreihe der Länge n
ZZ:
I
TV:
erzeugt eine Baumstammreihe der Länge 2n
ZZ:
I
T :
ZZ:
I
I
I
I
erzeugt eine Baumstammreihe der Länge (2n)
I
I
I
I
I
I
I
I ...
Beachte: Tn,V,  hat n+7+k Zustände und erzeugt eine Baumstammreihe der Länge (2n).
105
Satz von Rado
Wir vergleichen jetzt diese zusammengesetzte Turingmaschine Tn,V,  mit einem fleißigen Biber
TFB(n+7+k) mit n+7+k Zuständen:

Tn,V,  hat n+7+k Zustände und erzeugt (2n) Baumstämme.

TFB(n+7+k) hat n+7+k Zustände und erzeugt (n+7+k) Baumst
Da ein fleißiger Biber die maximal mögliche Anzahl von Baumstämmen erzeugt, gilt (für alle
n N): (n+7+k)  (2n).
Sei n = 2(7+k). Dann gilt:

n+7+k = 3(7+k)

2n = 4(7+k), also n+7+k < 2n.
Aus der Monotonie von  folgt: (n+7+k) < (2n).
Es ergibt sich also ein Widerspruch. Da alle Schlüsse korrekt sind, muss die Annahme falsch
sein.
106
Teil 6
Ein Blick in die Geschichte
107
David Hilbert
108
Hilbert´s Rede
Wer von uns würde nicht gern den Schleier lüften, unter dem die Zukunft verborgen liegt, um
einen Blick zu werfen auf die bevorstehenden Fortschritte unsrer Wissenschaft und in die
Geheimnisse ihrer Entwickelung während der künftigen Jahrhunderte! Welche besonderen
Ziele werden es sein, denen die führenden mathematischen Geister der kommenden
Geschlechter nachstreben? welche neuen Methoden und neuen Thatsachen werden die neuen
Jahrhunderte entdecken - auf dem weiten und reichen Felde mathematischen Denkens?
Die Geschichte lehrt die Stetigkeit der Entwickelung der Wissenschaft. Wir wissen, daß jedes
Zeitalter eigene Probleme hat, die das kommende Zeitalter löst oder als unfruchtbar zur Seite
schiebt und durch neue Probleme ersetzt. Wollen wir eine Vorstellung gewinnen von der
muthmaßlichen Entwickelung mathematischen Wissens in der nächsten Zukunft, so müssen
wir die offenen Fragen vor unserem Geiste passiren lassen und die Probleme überschauen,
welche die gegenwärtige Wissenschaft stellt, und deren Lösung wir von der Zukunft erwarten.
Zu einer solchen Musterung der Probleme scheint mir der heutige Tag, der an der
Jahrhundertwende liegt, wohl geeignet; denn die großen Zeitabschnitte fordern uns nicht blos
auf zu Rückblicken in die Vergangenheit, sondern sie lenken unsere Gedanken auch auf das
unbekannte Bevorstehende.
[...]
109
Hilbert´s Rede
2. Die Widerspruchslosigkeit der arithmetischen Axiome
Wenn es sich darum handelt, die Grundlagen einer Wissenschaft zu untersuchen, so hat man
ein System von Axiomen aufzustellen, welche eine genaue und vollständige Beschreibung
derjenigen Beziehungen enthalten, die zwischen den elementaren Begriffen jener Wissenschaft
stattfinden. Die aufgestellten Axiome sind zugleich die Definitionen jener elementaren Begriffe
und jede Aussage innerhalb des Bereiches der Wissenschaft, deren Grundlagen wir prüfen, gilt
uns nur dann als richtig, falls sie sich mittelst einer endlichen Anzahl logischer Schlüsse aus
den aufgestellten Axiomen ableiten läßt. Bei näherer Betrachtung entsteht die Frage, ob etwa
gewisse Aussagen einzelner Axiome sich untereinander bedingen und ob nicht somit die
Axiome noch gemeinsame Bestandteile enthalten, die man beseitigen muß, wenn man zu
einem System von Axiomen gelangen will, die völlig von einander unabhängig sind.
Vor Allem aber möchte ich unter den zahlreichen Fragen, welche hinsichtlich der Axiome
gestellt werden können, dies als das wichtigste Problem bezeichnen, zu beweisen, daß
dieselben untereinander widerspruchslos sind, d.h. daß man auf Grund derselben mittelst einer
endlichen Anzahl von logischen Schlüssen niemals zu Resultaten gelangen kann, die
miteinander in Widerspruch stehen.
[...]
Ein besonderes Anliegen war ihm, der Mathematik ein solides Fundament zu verleihen.
110
Hilbert´sches Programm
Hilbert´sches Programm: Formalisierung der Mathematik
Widerspruchsfreiheit:
Die Formalisierung soll widerspruchsfrei sein (d. h.: keine zwei sich ausschließenden Aussagen
können hergeleitet werden).

Vollständigkeit:
Jede wahre mathematische Aussage kann hergeleitet werden.

Entscheidbarkeit:
Es gibt ein Verfahren, mit dem man für jede beliebige Aussage in endlich vielen Schritten
entscheiden kann, ob sie wahr oder falsch ist.

Das Hilbert´sche Entscheidungsproblem verlangt den Nachweis, dass es einen Algorithmus
gibt, mit dessen Hilfe man die Wahrheit mathematischer Aussagen "berechnen" kann.
111
Ergebnisse von Gödel
Gödelsche Unvollständigkeitssätze
(Widerspruchsfreiheit) (a) Wenn ein formales System widerspruchsfrei ist, dann kann man
innerhalb des Systems nicht herleiten, dass es widerspruchsfrei ist.
(Vollständigkeit) (b) In jedem formalen System, das widerspruchsfrei ist, existieren Aussagen,
die wahr sind, aber innerhalb des Systems nicht hergeleitet werden können. Das bedeutet, es
bleiben immer wahre Aussagen übrig, die nicht logisch herleitbar sind.
Gödel gelang es mit seinen Resultaten, auf eine grundlegende Schwäche der beweisenden
Methode hinzuweisen. Mathematiker sind nicht in der Lage, fundamentale Eigenschaften der
Mathematik nachzuweisen.
Hilbert´sches Programm:
 Widerspruchsfreiheit:
Die Formalisierung soll widerspruchsfrei sein (d. h.: keine zwei sich ausschließenden Aussagen
können hergeleitet werden).
 Vollständigkeit:
Jede wahre mathematische Aussage kann hergeleitet werden.
 Entscheidbarkeit:
Es gibt kein Verfahren, mit dem man für jede beliebige Aussage in endlich vielen Schritten
entscheiden kann, ob sie wahr oder falsch ist.
112
Ergebnisse von Turing und Church
Satz von Turing und Church
Es gibt kein algorithmisches Verfahren, mit dem man für jede beliebige mathematische
Aussage in endlich vielen Schritten entscheiden kann, ob sie (aus den Grundannahmen)
logisch herleitbar ist oder nicht.
Zur Klärung der Frage, ob es ein Verfahren gibt, mit dem man für jede beliebige Aussage in
endlich vielen Schritten entscheiden kann, ob sie wahr oder falsch ist, sahen sich Turing und
Church veranlasst, erst einmal zu präzisieren, was ein "Verfahren" ist. Turing entwickelte die
nach ihm benannte Turingmaschine, Chuch ein alternatives Berechnungsmodell.
Hilbert´sches Programm:
 Widerspruchsfreiheit:
Die Formalisierung soll widerspruchsfrei sein (d. h.: keine zwei sich ausschließenden Aussagen
können hergeleitet werden).
 Vollständigkeit:
Jede wahre mathematische Aussage kann hergeleitet werden.
 Entscheidbarkeit:
Es gibt kein Verfahren, mit dem man für jede beliebige Aussage in endlich vielen Schritten
entscheiden kann, ob sie wahr oder falsch ist.
113



Ein Blick über den Zaun
Informatik:

Methode: Ein Problem mit Hilfe eines Algorithmus lösen.

Grenze der Methode: Das Entscheidungsproblem (... Halteproblem ...) ist
algorithmisch nicht lösbar. (Turing)
Mathematik:

Methode: Einen Satz beweisen.

Grenze der Methode: In jedem formalen System, das widerspruchsfrei ist, existieren
Aussagen, die wahr sind, aber innerhalb des Systems nicht hergeleitet werden
können. Das bedeutet, es bleiben immer wahre Aussagen übrig, die nicht beweisbar
sind. (Gödel)
Physik:

Methode: Eigenschaften eines Systems messen.

Grenze der Methode: Man kann Ort und Impuls eines Teilchens nicht gleichzeitig
exakt bestimmen. (Heisenberg)
114
Literaturhinweise
U. Schöning: Theoretische Informatik – kurzgefasst. Spektrum Akademischer Verlag 2001.
Gasper, Leiß, Spengler, Stimm: Technische und theoretische Informatik. Bayerischer
Schulbuch-Verlag 1992.
Reichert, Nievergelt, Hartmann: Programmieren mit Kara. Springer-Verlag 2004.
D. Harel: Das Affenpuzzle und weitere bad news aus der Computerwelt. Springer-Verlag 2002.
J. Casti: Das Cambridge Quintett. Berlin Verlag 1998.
D. R. Hofstadter: Gödel, Escher, Bach. Klett-Cotta 1985.
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