Adel und Königtum im

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Zitierhinweis
Jens Lieven: Rezension von: Andreas Bihrer / Mathias Kälble / Heinz
Krieg (Hgg.): Adel und Königtum im mittelalterlichen Schwaben.
Festschrift für Thomas Zotz zum 65. Geburtstag, Stuttgart: W.
Kohlhammer 2009, in sehepunkte 11 (2011), Nr. 1 [15.01.2011],
URL:http://www.sehepunkte.de/2011/01/16399.html
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sehepunkte 11 (2011), Nr. 1
Andreas Bihrer / Mathias Kälble / Heinz Krieg
(Hgg.): Adel und Königtum im
mittelalterlichen Schwaben
Der Sammelband Adel und Königtum im mittelalterlichen Schwaben
umfasst insgesamt 24 Aufsätze, die sich - den Forschungsfeldern des
Jubilars, dem der Band gewidmet ist, entsprechend - insbesondere mit
dem Verhältnis von königlicher Zentralgewalt und regionalen
Herrschaftsträgern vom Früh- bis ins Spätmittelalter befassen.
Geographisch konzentrieren sich die Beiträge auf den deutschsprachigen
Südwesten, der in einem diachronen Längsschnitt aus unterschiedlichen
Perspektiven in den Blick genommen wird. Vier Gesichtspunkte
strukturieren dabei den Inhalt: 1. Grundlagen und Voraussetzungen: Die
Alemannia im Frühmittelalter 2. Schwaben und das Reich: Karolinger,
Ottonen und frühe Salier 3. Politische und geistige Kräfte im
hochmittelalterlichen Schwaben sowie 4. Stadt - Adel - Königtum:
Schwaben im späten Mittelalter. Die große Materialfülle und der
inhaltliche Reichtum des Bandes können hier jedoch allenfalls in
Ansätzen gewürdigt werden.
Den alemannischen Raum im Frühmittelalter nehmen unter anderen
Sebastian Brather, Dieter Geuenich und Wolfgang Haubrichs in den
Blick. Sebastian Brather geht dabei bis in die Frühgeschichte vor
Einsetzen der schriftlichen Überlieferung zurück und untersucht die
Merowingerzeit aus archäologischem Blickwinkel. Im Mittelpunkt seines
Beitrags steht die Analyse von Bestattungen, die mit Hilfe der
Grabbeigaben und der gleichzeitigen Bestimmung des Lebens- und
Sterbealters präzise Aussagen über den Status der Bestatteten und
insofern über frühmittelalterliche Gesellschaftsstrukturen ermöglichen.
Dieter Geuenich nimmt dagegen die schriftliche Überlieferung in den
Blick und lotet mit ihrer Hilfe die Frühzeit der alemannischen Geschichte
aus. Dabei gelangt er zu dem Ergebnis, dass die als Alamanni
bezeichneten Personengruppen erst mit ihrer Unterwerfung unter die
Franken und die Eingliederung in die merowingische Reichsorganisation
zu Beginn des 6. Jahrhunderts zu einer Einheit und Identität gefunden
haben. Wolfgang Haubrichs wendet sich demgegenüber der
"germanischen" Aufsiedlung des Landes zwischen Rhein und Vogesen zu
und fragt nach den Anteilen, die dabei alemannischen und fränkischen
Gruppen zukamen. Indem er die frühmittelalterlichen Orts- und
Personennamen des Elsasses analysiert stellt Haubrichs fest, dass die
"Integration der Romanenreste der Alsastia " während des 6. und 7.
Jahrhunderts nicht erst allmählich begann, sondern bereits weit
fortgeschritten war. Eine Reihe von Namen lassen dabei zum einen das
fränkische Königtum als Integrationsfaktor erkennen, zugleich ist aber
auch ein erheblicher Teil von Personen auszumachen, die anscheinend
aus der Francia oder auch aus Burgund stammten.
Schwaben und das Reich im 9. und 10. Jahrhundert untersuchen sodann
Alfons Zettler, Felix Heinzer und Hans Werner Goetz. Der Beitrag von
Alfons Zettler macht dabei deutlich, dass zur Zeit der Karolinger eine
stärkere Bindung der alemannischen Führungsschicht, die insbesondere
für die Italienpolitik Karls des Großen und seiner Nachfolger von großer
Bedeutung war, an das Königtum auszumachen ist. Der Beitrag von Felix
Heinzer behandelt das frühe 10. Jahrhundert. Er stellt dabei den um 940
entstandenen Tropar Cod. 381 der Sankt Galler Stiftsbibliohtek mit dem
unter dem Namen Waldrams aufgezeichneten Versus Rex benedicite veni
in den Mittelpunkt seiner Ausführungen. Dabei gelingt es ihm in
überzeugender Weise, die Entstehung des Gedichts in Zusammenhang zu
bringen mit dem von Ekkehard IV. geschilderten Weihnachtsbesuch
Konrads I. im Kloster an der Steinach. Die Begegnung zwischen dem
König und der Mönchsgemeinschaft, interpretiert er dabei als "eine
kontraktartige, auf realer gegenseitiger Leistung beruhende
Übereinkunft der Akteure, die in der Situation des Jahres 911 von hoher
politischer Bedeutung war." Zeitlich knüpft daran Hans-Werner Goetz an,
der die ottonische und salische Historiografie daraufhin untersucht, wie
die Zeitgenossen das alemannische Herzogtum wahrgenommen haben.
Ausgehend von dem Befund, dass das Herzogtum oft nur am Rande
erwähnt wird, gelangt er dabei zu dem Schluss, dass das Amt für die
Zeitgenossen bereits selbstverständlich war und insofern nicht weiter
reflektiert wurde.
Mit den politischen und geistigen Kräften im hochmittelalterlichen
Schwaben befassen sich sodann Joachim Wollasch, Helmut Maurer,
Sönke Lorenz, Matthias Becher und Werner Rösener. Die Diskussion um
die schon von den Zeitgenossen vielbeachtete Konversion des
Markgrafen Hermann von Verona, der sein Grafenamt im Breisgau
aufgab, um sich ins Kloster nach Cluny zurückzuziehen, greift Joachim
Wollasch auf. Ausgehend von der Chronik Bernolds von Konstanz, der
Chronik Bertholds von Reichenau, den Annales Palidenses sowie den
cluniazensischen Necrologzeugnissen hebt er hervor, dass Hermann als
vere monachus in Cluny aufgenommen worden sei, und deutet den
Entschluß zur Konversion vor dem Hintergrund der persönlichen
Beziehungen Hermanns zu Abt Hugo von Cluny und Ulrich, dem Prior
des Schwarzwaldklosters Zell. Helmut Maurer gelingt es, die bisherige
Kenntnis über die Anhänger Heinrichs IV. im schwäbischen Adel zu
erweitern, indem er das Zeugnis der um 1100 entstandenen Abschrift der
St. Galler Annalen heranzieht und auf die beiden dort im Zusammenhang
mit der Eroberung der Leostadt (1083) genannten Namen Ulrichs von
Gammertingen und Ulrichs von Kyburg hinweist. Sönke Lorenz
unterzieht die Pfalzgrafen von Schwaben in vorstaufischer Zeit einer
eingehenden Untersuchung. In diesem Zusammenhang macht er die
Ablösung der Pfalzgrafen karolingischen Typs von "Provinzialpfalzgrafen"
im späteren 9. Jahrhundert wahrscheinlich, die ihrerseits durch das
Herzogtum im 10. Jahrhundert verdrängt wurden. Erst als das salische
Königtum wieder unmittelbar auf Schwaben zugreifen konnte, wurde das
Pfalzgrafenamt im Auftrag des Königs erneut eingeführt, um die
Kontrolle wichtiger Verkehrswege sowie die Aufsicht über Reichsgut und
Reichskirchengut in der nördlichen Randzone des Herzogtums Schwaben
zu gewährleisten.
Matthias Becher wendet sich schließlich dem auf Herkunft und Geblüt
beruhenden adligen Selbstverständnis der Welfen zu. Die
Selbstwahrnehmung der Welfen untersucht er vor allem mit Blick auf den
Tod Welfs III. und die damit verbundene Zäsur in der welfischen
Familiengeschichte - den Übergang des welfischen Erbes auf Welf IV.,
den Sohn des Markgrafen Azzo aus dem Haus der Otbertiner. Neben der
Namengebung nimmt er dabei auch die welfische Hausüberlieferung in
den Blick und zeigt, wie Kontinuitäten absichtsvoll konstruiert und mit
dem bewußten Verzicht auf die Erinnerung an bestimmte Namen und
Personen der Familiengeschichte Besitz und Herrschaftsrechte des
eigenen Hauses gesichert werden sollten. Als im 12. Jahrhundert das
schwäbische Herzogtum direkt mit dem Königtum der Staufer verbunden
war, gewann der staufische Hof für Adel und Ministerialen zunehmende
Bedeutung - insbesondere mit Blick auf ihre politischen
Handlungsspielräume und sozialen Aufstiegsmöglichkeiten. An diesem
Punkt setzt Werner Rösener an und macht deutlich, dass der Hofdienst
an weltlichen Fürstenhöfen, wie nicht zuletzt auch am Königshof, "eine
wichtige Rolle bei der Entwicklung und Konsolidierung der
Ministerialität spielte". Die Stauferzeit markiert einen Höhepunkt in der
Geschichte für Reichsministerialität, wobei man in der zweiten Hälfte des
12. Jahrhunderts bei den königlichen Hofämtern einer Reihe von
Reichsministerialen wie den Münzenberg, Bolanden und Pappenheim
begegnet, "die für die Hofverwaltung und die Reichspolitik der Staufer
eine eminente Bedeutung erlangten." Zugleich unterstreicht Rösener die
enge Verbindung zwischen der Ministerialität, dem Hofdienst und der
Entfaltung der höfisch-ritterlichen Lebensweise, die eine wichtige
Triebkraft des sozialen Aufstiegs darstellten, parallel dazu aber auch der
Selbstdarstellung des Fürsten dienten und zudem die gesellschaftliche
wie auch die kulturelle Identität eines Fürstenhofes stärkten.
Die zunehmende Dichte von Städten und Stadtgemeinden veränderte den
Raum im deutschsprachigen Südwesten nachhaltig. Die Ansprüche im
"neuen urbanistisch-politischen Programm" Rudolfs von Habsburg, so
Gerhard Fouquet, machten einen neuen Ausgleich zwischen dem König
und den Städten in Schwaben notwendig. Am königlichen Privileg für
Heilbronn von 1281 zeigt er, wie über das Recht eine
Interessenangleichung "zwischen dem normativen Vorbild Speyers, dem
priviglegierenden König und der begünstigten civitas Heilbronn" erreicht
wurde. Peter Kurmann nimmt dagegen die in der neueren
kunsthistorischen Literatur wenig beachteten vier hochgotischen
Sitzfiguren der Freiburger Grafen in den Blick, die das Untergeschoss
am Westturm des Freiburger Münsters schmücken. Dabei deutet er die
um 1270 geschaffenen Figuren nicht unter dynastischen
Gesichtspunkten, sondern bringt sie in Verbindung mit dem
heilsgeschichtlich aufgeladenen Bildprogramm des Tympanons am Portal
in der Turmvorhalle. Auf diese Weise "gelesen" versinnbildlichen die
Figuren die "enge Einbindung der weltlichen Machthaber in das
Heilssystem der Kirche", die insofern als "Garanten der Heilsordnung"
verstanden werden konnten. Die Festschrift, die mit ihren fundierten
Beiträgen ebenso tiefe wie facettenreiche Einblicke in die mittelalterliche
Geschichte des deutschsprachigen Südwestens vermittelt und in vielen
Fällen Impulsgeber für weitere Untersuchungen sein dürfte, wird in
willkommener Weise durch ein Schriftenverzeichnis von Thomas Zotz aus
den Jahren 2003 bis 2008 sowie durch ein ausführliches Orts- und
Personennamenregister ergänzt.
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