Neuigkeiten vom Buch- und Zeitschriftenmarkt · Articles and Books Verhaltenstherapie 2002;12:334–337 Küchenhoff, H.-J.; Mahrer Klemperer, R. Psychotherapie im psychiatrischen Alltag Stuttgart, Thieme, 2000, 159 S., 29,95 EUR ISBN 3-13-125131-X Seit einigen Jahren, in Deutschland seit 1995, im schweizerischen Facharzt seit 1996, ist die Psychotherapie in die ärztliche Weiterbildung integriert. Um die Frage, wie diese Integration optimal gelehrt und praktiziert werden kann, geht es Küchenhoff und Mahrer Klemperer in ihrem Buch. Die pragmatische Forderung nach einer integrierten Behandlung soll definiert und inhaltlich beschrieben und ein Leitfaden für die praktische Arbeit zur Verfügung gestellt werden. Als ein wichtiges Ziel geben die Autoren an, den Patienten mit einer psychotherapeutischen Haltung zu begegnen. Auch diese psychotherapeutische Grundhaltung soll identifiziert und vermittelt werden, indem die Beziehungsgestaltung mit den Patienten praxisnah im Sinne eines Leitfadens dargestellt wird. Wichtig sei immer wieder, sich Fragen zu stellen, sich in der therapeutischen Tätigkeit zu hinterfragen und scheinbar unwichtige Aspekte wahrzunehmen. Das Buch richtet sich an alle Mitarbeiter, die an der Versorgung psychisch kranker Patienten beteiligt sind. Das sind neben Diplompsychologen und Ärzten auch Mitarbeiter des Pflegebereichs, der Sozialarbeit und Ergotherapeuten. Die insgesamt 11 Kapitel wurden von verschiedenen Autoren, zum Teil in Gemeinschaftsarbeit, geschrieben und folgen stets dem gleichen Algorithmus. Sie beginnen mit dem Abschnitt Lernziele, in denen die Ziele benannt werden und eine kurze Einführung in das Thema gegeben wird. Im anschließenden Abschnitt Lerninhalt werden theoretische und klinische Konzepte dargestellt, danach folgen die Lernschritte. Es werden Beispiele angegeben und verschiedene Alternativen aufgezeigt. Leitfragen fassen den Inhalt eines jeden Kapitels zusammen. Den Abschluss bildet eine Literaturzusammenstellung. Theoretische Hintergründe werden meist nicht explizit genannt. Die Autoren betonen, dass sie kein schulenspezifisches theoretisches Wissen vermitteln wollen; im Vordergrund soll die Reflexion der psychotherapeutischen Grundhaltung mit der Therapeut-Patient-Beziehung stehen. Die Herausgeber arbeiten seit Jahren in Basel an einem Projekt, dem «Basiskursus Psychotherapie». Eine interdisziplinäre Arbeitsgruppe hat die in dem Buch vorgestellten Inhalte erarbeitet und diskutiert. Nach einer Einführung in die Geschichte zum Verhältnis von Psychiatrie und Psychotherapie (Kap. 1) werden aktuelle Entwicklungen im Spannungsfeld beider Fachgebiete beschrie- © 2002 S. Karger GmbH, Freiburg Fax +49 761 4 52 07 14 E-mail [email protected] www.karger.com Accessible online at: www.karger.com/journals/ver ben. Auf die Ausbildungssituation mit beispielhafter Erwähnung der tiefenpsychologisch orientierten Psychotherapie aus den Jahren 1973 und 1993 wird hingewiesen. Zu definieren seien klinische Basisfertigkeiten und wie sie vermittelt werden sollen. Kapitel 2 gibt einen Überblick über Wahrnehmung und Beobachtung. Als Beobachtungsebenen werden Fremdund Selbstbeobachtung sowie Beobachtung des Interaktionsverhaltens beschrieben. Immer wieder wird auf die psychodynamische Theoriebildung Bezug genommen; Übertragung, Gegenübertragung und Widerstand im Interaktionsverhalten werden erläutert. In diesem Kapitel wird betont, dass die Beziehungsdynamik auf pathologische Beziehungsmuster hinweist und die Bedeutung früherer Erfahrung für erlernte Beziehungsmuster im Umgang mit anderen wirksam bleibt und aktuelle Beziehungen beeinflusst. Im Kapitel 3 wird die psychotherapeutische Grundhaltung beschrieben. Diese wird als eine spezifische Kommunikationsform benannt, mit dem Ziel, ein Arbeitsbündnis zwischen Patient und Therapeut zu etablieren, einen Diskurs anzuregen, der dazu dienen soll, die Selbstexploration zu fördern und Ressourcen zu aktivieren. Klassisch-medizinische, klinisch-diagnostische und psychotherapeutische Grundhaltungen werden im Hinblick auf die Konzepte der verschiedenen Therapierichtungen, unter anderem Verhaltenstherapie, psychodynamischen und systemischen Verfahren gegenüber gestellt. Als Beispiel wird die Interaktion mit einer Anorexiepatientin beschrieben. Hier wird aufgezeigt, wie verschiedene Methoden nebeneinander bestehen können. Die Autoren betonen, welche Folgen die psychotherapeutische Grundhaltung für die Beziehungsgestaltung hat und wie diese in den diagnostischen Prozess einbezogen werden kann. Autonomie, Selbstbeobachtung und Selbstbestimmung des Patienten werden immer wieder betont. Nachdem in den ersten drei Kapiteln grundlegende Aspekte aufgezeigt wurden, werden in den folgenden Kapiteln jeweils verschiedene Situationen dargestellt, die im Verlauf einer stationären Behandlung relevant sind, z.B. der Erstkontakt mit dem Patienten, die Behandlungsplanung, die Gruppenbehandlung, Notfall- und Kriseninterventionen und die Planung der abschließenden Behandlung. Im Kapitel 4 mit dem Schwerpunkt auf dem Erstkontakt werden Aufmerksamkeit, Klarheit und Transparenz hervorgehoben. Dies geschieht unter anderem am Beispiel eines psychodynamischen Erstinterviews. Im sich anschließenden 5. Kapitel werden psychotherapeutische Aspekte des Behandlungsplans erörtert, z.B. werden Ziele, Mittel und Zeitraum der Behandlung thematisiert. Auch Medikamente und psychoedukative Maßnahmen finden Eingang in das Buch. Sonderfälle, wie der Umgang mit nicht kooperaDownloaded by: 88.99.70.242 - 11/3/2017 2:06:54 AM Verhaltenstherapie Die Gliederung der Kapitel deckt inhaltlich alle Bereiche ab, die ein Patient von Beginn einer stationären Behandlung bis zum Ende durchläuft. Der Mangel der Beispiele zeigt sich darin, dass sie mit nur einem sehr einseitigen psychodynamischen Blickwinkel, in dem Deutung, Übertragung und Gegenübertragung dominieren, angeführt werden. Inhalt der Kapitel ist dabei immer wieder die Betrachtung der Beziehungsgestaltung Patient – Therapeut auf dem Hintergrund eines tiefenpsychologisch-psychodynamischen Verständnisses. Zu bemängeln ist die fehlende Einbeziehung aktueller Entwicklungen. So findet keine Bestandsaufnahme der Ist-Situation in der Ausbildung statt. Auch die Literatur, z.B. zum Thema Gruppenarbeit, scheint ergänzungsbedürftig. Hier werden nur grundlegende Werke vermittelt. Die Kombination der verschiedenen Verfahren, z.B. bei Teamsitzungen, fehlt. Die Ausbildung der verschiedenen Berufsgruppen hat sich in den letzten Jahren weitgehend geändert, da eine Integration von Methoden zu den Ausbildungsrichtlinien gehört. Wer sich also erhofft, verschiedene Ansätze beschrieben zu sehen, wird enttäuscht. Weniger gut gelungen sind auch Abschnitte, die sich auf die Wechselwirkung und Kombination von psychotherapeutischen Ansätzen und Medikamente bezieht. Hier wird teilweise mit Vorurteilen bezüglich pharmakologischer Behandlungen gearbeitet. Wer sich über verschiedene Aspekte einer psychodynamischen Psychotherapie in der Psychiatrie informieren möchte, kann dieses Buch lesen. Dieser theoretische Hintergrund durchzieht das Buch wie ein roter Faden. Das Buch stellt die Selbstverständlichkeit einer neuen Psychiater-Psychotherapeuten-Generation als etwas Neues dar. Diese neue Generation empfindet es als selbstverständlich, psychiatrisches und psychotherapeutisches Wissen integriert anzuwenden. Dazu gehören differenziertes Psychotherapiewissen, Psychoeduktion, Angehörigenarbeit und Psychopharmakawissen. Auch auf den Stationen werden dieses Wissen und diese Konzepte in den modernen Arbeitsablauf der Behandlungsteams und in den Teambesprechungen einbezogen. Das Buch geht hier einen Schritt zurück. Immer wieder wird erwähnt, dass es ambulant und stationär noch eine Trennung der Psychotherapie von der Psychiatrie gibt. Aber die Psychotherapie bezieht biologische Faktoren ein, die Integration von Psychiatrie, Psychotherapie, Biologie und sozialem Umfeld wird mehr und mehr eine Selbstverständlichkeit. Je nach Dauer und Schweregrad der psychiatrischen Syndrome werden Behandlungsziele, Ressourcen und Beziehungsgestaltung der Patienten in die Behandlung integriert und mit den Patienten besprochen. Auch Psychotherapie und Psychopharmakotherapie ergänzen sich in ihrer Wirkung und sind aus dem Gesamtkonzept nicht mehr wegzudenken. Flexibilität im Hinblick auf unterschiedliche Patienten mit unterschiedlichem Schweregrad ihrer Erkrankung und unterschiedlichen Behandlungsmethoden mit Betrachtung des Kontextes ist gefragt. Barbara Alm, Mannheim Neuigkeiten vom Buch- und Zeitschriftenmarkt Verhaltenstherapie 2002;12:334–337 335 Downloaded by: 88.99.70.242 - 11/3/2017 2:06:54 AM tionswilligen Patienten zu gestalten ist, werden erörtert. Kapitel 6 widmet sich der therapeutischen Beziehung in Institutionen. Die Wichtigkeit einer vertrauensvollen Atmosphäre wird betont, damit der Patient anstehende Konflikte lösen kann und sich Reifungsschritte zeigen. Die verschiedenen Berufsgruppen sollen ihre spezifischen Interaktionen mit den Patienten als Bausteine zusammentragen, aber, darauf weisen die Autoren hin, auch die Psychotherapie muss als gemeinsames Konzept von allen Beteiligten akzeptiert und umgesetzt werden. Ziel ist es, ein befriedigendes Beziehungserleben des Patienten durch Spiegelung seines Beziehungsverhaltens zu erreichen. Als therapeutische Grundhaltung wird eine Haltung beschrieben, die von unbewussten Prozessen ausgeht und Phänomene wie Übertragung, Gegenübertragung und Widerstand akzeptiert. Kapitel 7, 8 und 9 widmen sich jeweils spezifischen Situationen, wie der Notfall- und Krisenintervention, der Gruppenarbeit und der Angehörigenarbeit. Notfälle und Krisen werden definiert und einzelne Schritte zu Kriseninterventionsprinzipien erläutert. In der Gruppen- und Angehörigenarbeit wird betont, dass die Mitarbeiter für diese Arbeit oft nicht vorbereitet sind. Als Ziele werden unter anderem benannt, die Dynamik der ablaufenden Prozesse zu erkennen und zu beeinflussen, auch Interventionstechniken zu kennen und anzuwenden. Kapitel 10 befasst sich mit dem Abschluss der Behandlung. Die Autoren weisen darauf hin, dass das Therapieende vorbereitet werden muss und einerseits Trauer und Ablösung, andererseits aber auch Aufbruch und Neubeginn bedeuten kann. Es wird auf Regeln hingewiesen, die zur Vorbereitung des Endes der Therapie hilfreich sind. Im letzten Kapitel wird die Evaluation des Basiskurses Psychotherapie näher beschrieben. Die Autoren möchten kein schulenspezifisches Wissen vermitteln, sondern sehen das Buch als Leitfaden, um Patienten im psychiatrischen Arbeitsalltag in einer psychotherapeutischen Haltung zu begegnen. Die Autoren wollen Fragen aufwerfen, denn Fragen zu stellen ermöglicht, neue Perspektiven zu sehen. Aber: Als einziges Konzept haben fast alle Kapitel als theoretischen Hintergrund ein psychodynamisches Verständnis, die psychotherapeutische Haltung wird durch ein sicher explizit psychodynamisch-psychoanalytisches Verständnis und Konzept vermittelt. Verhaltenstherapeutische Konzepte fehlen ganz bzw. werden meist nur marginal einbezogen. Wer sich mit einer psychotherapeutischen Grundhaltung in einem tiefenpsychologischen Betrachtungssetting vertraut machen möchte, dem sei dieses Buch empfohlen. Weiter erläutern die Autoren, dass sich das Buch an alle Mitarbeiter richtet, die in die Versorgung psychisch kranker Patienten einbezogen sind Aber: Der Inhalt des Buches kann für die eine Gruppe beim Lesen als banal empfunden werden, für eine andere Gruppe ist der Text möglicherweise zu schwierig. Die Kapitel sind alle einheitlich gegliedert, wobei der «rote Faden» nicht immer konsequent ersichtlich ist (gut z.B. im Notfallkapitel, fehlend z.B. im Kapitel Gruppenarbeit). Auch die angeführten Beispiele sind nicht immer gut ausgewählt. Nach seinem 1998 erschienenen «Angststörungen» legt Hans Morschitzky nun eine Literaturübersicht zum Störungsbild der somatoformen Störungen vor. Sein Ziel ist es, somatoformen Störungen in der Öffentlichkeit einen größeren Bekanntheitsgrad zu verleihen und Praktiker mit dieser Störungsgruppe vertrauter zu machen. Es enthält keine eigenen theoretischen, empirischen oder therapeutischen Beiträge. Statt dessen versteht sich der Autor als Wissenschaftsjournalist, der den aktuellen Forschungsstand in verständlicher Form komprimiert. Dabei referiert der Autor Befunde aus Originalarbeiten und bezieht sich auf Buchveröffentlichungen des deutschen und englischen Sprachraums. Das Buch ist gegliedert in die Hauptkapitel: Historische Aspekte, Diagnostik, Differenzialdiagnostik, Statistik somatoformer Störungen, Konzepte, Behandlung, Anmerkungen und Literaturverzeichnis. Im 1. Kapitel zu den historischen Wurzeln somatoformer Störungen wird verdeutlicht, dass körperliche Beschwerden ohne organische Ursache bereits im Altertum und in der Antike bekannt waren. Es wird anschaulich, wie sich Erklärungsmodelle und Bezeichnungen für diese Beschwerden im Wandel der Zeitepochen veränderten. Das mit 100 Seiten bei weitem umfangreichste Kapitel 2 befasst sich mit der aktuellen Diagnostik somatoformer Syndrome. In Anlehnung an die Gliederung von ICD-10 werden zunächst die dissoziativen und anschließend die somatoformen Störungen vorgestellt. Die einführenden Fallbeispiele sind sehr hilfreich, um sich als Leser ein besseres Bild von den wichtigsten Störungen machen zu können. Für die einzelnen Untergruppen werden diagnostische Kennzeichen und die genauen Kriterien nach ICD-10 und DSM-IV gegenübergestellt. Gelungen ist hier die Integration der so genannten funktionellen Störungen, die ihre Tradition in der inneren Medizin haben. Berücksichtigt werden darüber hinaus die in jüngerer Zeit diskutierten Beschwerdebilder des chronischen Erschöpfungssyndroms, der Fibromyalgie und umweltbezogener Körperbeschwerden. Ein kurzer Abschnitt ist den diagnostischen Verfahren zur Erfassung somatoformer Störungen gewidmet. Kapitel 3 dient der differentialdiagnostischen Abgrenzung. Dies ist eine wichtige Ergänzung zum vorgeschalteten Kapitel, da verschiedene diagnostische Kategorien in Frage kommen, wenn ein Patient ein Beschwerdebild mit primär körperlichen Symptomen präsentiert. Aus den im Kapitel 4 zitierten epidemiologischen Daten, Angaben zur Komorbidität und zum Verlauf geht die Relevanz organisch nicht hinreichend begründbarer körperlicher Beschwerden in der Allgemeinbevölkerung, besonders aber in medizinischen Behandlungseinrichtungen hervor. Die Skiz- 336 Verhaltenstherapie 2002;12:334–337 zierung der vielen Studien hätte noch durch eine zusammenfassende Übersicht oder Bewertung aufgewertet werden können. Aufgrund des Mangels einer einheitlichen Theorie zur Erklärung somatoformer Störungen werden im Kapitel 5 zunächst einige vom Autor als relevant erachtete Konzepte erläutert (z.B. Konversion, Somatisierung, Alexithymie, somatosensorische Verstärkung, abnormes Krankheitsverhalten). Gemäß der angenommenen multifaktoriellen Erklärungsmodelle werden biologische, psychologische und psychosoziale Bedingungs- und Risikofaktoren in diesem Kapitel unterschieden. In diesem Abschnitt fehlt insbesondere eine Kommentierung oder Diskussion der Befundlage durch den Autor. Leider geht hier nicht ausreichend hervor, welche Fragestellungen noch unbefriedigend beantwortet sind. Im Kapitel 6 wird eine Übersicht über gegenwärtige Behandlungsansätze bei somatoformen Störungen gegeben. Schwerpunkt bilden kognitiv-verhaltenstherapeutische Maßnahmen in Anlehnung an Rief und Hiller (1998). Die Bedeutung einer genauen Verhaltensanalyse und die Notwendigkeit einer gemeinsamen Zielfindung werden mit hilfreichen praxisnahen Informationen betont. Die meisten spezifischen Interventionsmethoden werden dagegen nur kurz skizziert. Auf die Wirksamkeit der kognitiven Verhaltenstherapie bei somatoformen Störungen wird zwar verwiesen, eine Zusammenfassung der wichtigsten inhaltlichen Effekte wäre jedoch wünschenswert. Der Schwerpunkt und die Stärke des Buches liegen in der Verdeutlichung der verschiedenen somatoformen Störungsbilder, ihrer historischen Verankerungen und der gegenwärtigen internationalen Klassifikationsansätze. Eine Zielgruppe dieses Buches sind Vertreter von medizinischen, psychotherapeutischen, und psychologischen Berufsgruppen. Dieser Personenkreis erhält ein Kompendium detaillierter Informationen zu diesen Bereichen, so dass das Erkennen einer somatoformen Störung und ihre differentialdiagnostische Abklärung gefördert wird. Da die meisten Originalarbeiten in englischer Sprache und in Fachzeitschriften publiziert sind, ermöglicht eine deutschsprachige Literaturübersicht in Buchform einem breiteren Personenkreis, Kenntnis von der aktuellen Befundlage zu gewinnen. Zu den Schwächen des Buches zählt aus meiner Sicht, dass die Abschnitte zu Bedingungsfaktoren und Therapie nicht mit der gleichen Detailtreue ausgearbeitet sind wie die ersten Kapitel. So enthält beispielsweise das Kapitel zur Therapie kaum Anleitungen, um die dargestellten Behandlungsansätze in die Praxis zu übertragen, und auch kein Fallbeispiel, um das Vorgehen zu illustrieren. Für die wissenschaftlich interessierten Leser, die weiterreichende Informationen wünschen, ist es bedauerlich, dass bis auf einige Ausnahmen auf die Quellenangaben bzw. Zitierungen im laufenden Text verzichtet wurde. Statt dessen enthält das Buch eine Zusammenstellung der wichtigsten Literaturangaben zu den jeweiligen Kapiteln und ein umfassendes Literaturverzeichnis am Ende des Buches. Neuigkeiten vom Buch- und Zeitschriftenmarkt Downloaded by: 88.99.70.242 - 11/3/2017 2:06:54 AM Morschitzky, H. Somatoforme Störungen. Diagnostik, Konzepte und Therapie bei Körpersymptomen ohne Organbefund Berlin, Springer, 2000, 267 S., 38,– EUR ISBN 3-211-83508-3 Essau, C.A. Depression bei Kindern und Jugendlichen München, Ernst-Reinhard-Verlag, 2002, 220 S., 19,90 EUR ISBN 3-8252-2294-2 Depressionen gehören bei Kindern und Jugendlichen zu den häufigsten psychischen Störungen, deren Bedeutung in den letzten Jahren zunehmend erkannt und denen in vielfältigen Forschungsarbeiten Rechnung getragen wurde – wenngleich bis zu den frühen 1970er Jahren das Auftreten depressiver Störungen bei Heranwachsenden generell in Frage gestellt wurde. Mit dem vorliegenden Lehrbuch bezweckt die Autorin, einen umfassenden Überblick über den derzeitigen Forschungsstand zur Depression im Kindes- und Jugendalter zu geben, der sowohl wissenschaftlich als auch praktisch-klinisch von Relevanz ist. Dieser Zielsetzung ist die Verfasserin mit dem ausgezeichnet strukturierten Buch in hohem Maß gerecht geworden. Das Buch ist nicht nur als Lehrbuch für Studierende der Psychologie, der Pädagogik und Medizin bestens geeignet, es ist darüber hinaus auch eine anregende Informationsquelle für WissenschaftlerInnen und für TherapeutInnen, die auf dem Gebiet der klinischen Kinder- und Jugendpsychologie tätig sind, sowie für Eltern und LehrerInnen depressiver Kinder. Das Buch gliedert sich in drei Teile. Im ersten Teil werden die Merkmale der Depression dargestellt. Dabei geht die Autorin auf die Beschreibung und Klassifikation depressiver Störungen ein, zeigt diagnostische Verfahren und Erhebungsmethoden auf und beschäftigt sich mit der Epidemiologie, Komorbi- Neuigkeiten vom Buch- und Zeitschriftenmarkt dität, psychosozialen Beeinträchtigung sowie dem Verlauf von Depression. Im zweiten Teil des Buches, der mit «Theorien und Risikofaktoren» überschrieben ist, werden zunächst verschiedene Entstehungsmodelle von Depression behandelt. Die folgenden Kapitel dieses Teils befassen sich mit familiären und kognitiven Faktoren wie auch mit Lebensereignissen und Bewältigungsstrategien. Der letzte Teil des Buches ist der psychologischen Prävention und Intervention gewidmet und ist daher für TherapeutInnen von besonderem Interesse. Es werden kognitiv verhaltenstherapeutische, psychoanalytische und familientherapeutische Ansätze vorgestellt, wobei das Schwergewicht auf die Ansätze der kognitiven Verhaltenstherapie gelegt wird, die wohl am häufigsten Anwendung finden. Abschließend wird auf Evaluationsstudien zur Effektivität von psychologischen Interventionen eingegangen. Wiewohl inhaltlich sehr umfassend informiert wird, könnten im Verständnis der Rezensentin zwei Aspekte stärker betont bzw. untergebracht werden. Erstens: In Hinblick darauf, dass Kinder und Jugendliche einen Großteil ihrer Zeit in der Schule verbringen, wäre ein Abschnitt über Depression und Schule auch in Hinblick auf die Involvierung von Lehrern wünschenswert. Zweitens: Wenngleich die medikamentöse Depressionstherapie im Kindes- und Jugendalter besonders problematisch ist, wäre ein Hinweis auf psychopharmakotherapeutische Ansätze von Interesse. Ein besonders hervorzuhebendes Kennzeichen des Buches ist die amerikanischen Lehrbüchern nachempfundene didaktische Gestaltung: An jedes Kapitel schließen sich Übungsfragen an, die den Studierenden zur Rekapitulation des Gelesenen anregen. Durch zahlreiche gut strukturierte tabellarische Zusammenstellungen, durch eine Marginalienspalte mit Schlüsselbegriffen sowie ein umfangreiches Glossar ist das Buch zum Studium und als Nachschlagewerk besonders geeignet. Dieses Buch zeigt, dass gute Lesbarkeit und ein hohes wissenschaftliches Niveau einander nicht zu widersprechen brauchen. Zusammenfassend ist das Buch als Lehrbuch und Nachschlagewerk uneingeschränkt zu empfehlen. Es ist der Autorin hervorragend gelungen, das gegenwärtig zur Verfügung stehende Wissen aufzubereiten und zu vermitteln. Elfriede M. Ederer, Graz Verhaltenstherapie 2002;12:334–337 337 Downloaded by: 88.99.70.242 - 11/3/2017 2:06:54 AM Der Autor wendet sich auch an Betroffene und ihre Angehörige. Für diese Zielgruppe erscheint das vorliegende Buch nur sehr eingeschränkt empfehlenswert: Zwar sind die Sachverhalte in verständlicher Sprache zusammengefasst, aber gerade die differenzierte Darstellung der diagnostischen Gruppen nach verschiedenen Klassifikationssystemen kann bei fehlendem Vorwissen eher verwirren als aufklären. Ein spezielles Kapitel, welches sich an Betroffene richtet, wäre hier wünschenswert gewesen. Alexandra Nanke, Marburg/Lahn