Prof. Dr. H.–J. Reinhardt FB Mathematik Univ. Siegen Theoretische Übungen (2) zur Vorlesung Numerik gewöhnlicher Differentialgleichungen“ ” (Abgabetermin: Mittwoch, 16.04.08, 10 Uhr) 6. (ICE-Bremsweg) Es soll der Bremsweg eines Zuges, z.B. ICE, bestimmt werden, der lediglich durch seine Rollreibung und den Luftwiderstand abgebremst wird. Gegeben seien folgende physikalische Größen, Maßeinheit Daten – Masse des Zuges m [t] 450 – Stirnfläche A [m2 ] 11 – Luftwiderstandsbeiwert cw [-] 0,2 – Rollreibungswert µ [-] 0,01 – Luftdichte ρL [kg/m3 ] 1,25 – Anfangsgeschwindigkeit v0 [km/h] 300 [m/s] 83,33 [m/s2 ] 9,81 entspricht: – Erdbeschleunigung g Aus einem Kräftegleichgewicht leitet man die folgende gewöhnliche Differentialgleichung für die Geschwindigkeit her, (1) v 0 (t) − cw AρL 2 v (t) = −µg , t > 0 . 2m Dies ist eine nichtlineare gewöhnliche Differentialgleichung, die man in der Form (2) v 0 (t) = Bv 2 (t) − C, t > 0 mit B = cw AρL /(2m), C = µg schreiben kann. Gewöhnliche Differentialgleichungen der Form (2) sind Spezialfälle sogenannter Riccatischer Differentialgleichungen. Im vorliegenden Fall kann man die Lösung explizit angeben. Durch die Transformation, R u(t) = e−B v(t) dt = e−Bx(t) R mit x(t) = v(t) dt = zurückgelegter Weg, geht (2) über in eine lineare Differentialgleichung zweiter Ordnung. √ (4) u00 − α2 u = 0 mit α = BC , (3) deren allgemeine Lösung durch (5) u(t) = c1 eαt + c2 e−αt gegeben ist. Die Koeffizienten c1 , c2 bestimmen sich aus den Anfangsbedingungen. Bestimmen Sie – – – – u aus den Anfangsbedingungen x(0) = 0, v(0) = v0 ; x und v aus der Transformationsformel (3); eine Formel für den Zeitpunkt T , für den der Zug zum Stillstand kommt; für die obigen konkreten Daten den Zeitpunkt T und den Weg x(T ). 7. Die instationäre, 1-dimensionale Wärmeleitungsgleichung hat bekanntlich die Form einer parabolischen Differentialgleichung µ ¶ ∂ ∂T ∂T λ = ρc , t > 0, x ∈ [0, L] , ∂x ∂x ∂t wobei T = T (x, t) =Temperaturverteilung in einem Stab der Länge L, λ =Wärmeleitfähigkeit, ρ =Dichte und c =spezifische Wärmeleitfähigkeit; zusätzlich bezeichnet man λ noch α2 = ρc als Temperaturleitfähigkeit (eine typische Größenordnung ist zum Beispiel 2 W α2 = 10−5 ms und λ = 75 m·K für Stahl; die Temperatur wird dabei in K(elvin) angegeben). Grundlage hierfür ist das Fouriersche Gesetz, das den Zusammenhang zwischen 2 der örtlichen Änderung der Temperatur und dem Wärmefluß herstellt, q = λ ∂T ∂x . Ist α konstant (in x, t) und unabhängig von T selbst, dann läßt sich die Wärmeleitungsgleichung schreiben als ∂T ∂2T (6) = α2 2 , t > 0, x ∈ [0, L] . ∂t ∂x Zur Lösung benötigt man noch eine Anfangstemperatur T |t=0 = T0 und Randbedingungen bei x = 0 und x = L. Schreiben Sie Gleichung (6) um in dimensionslose Form, wobei x+ = Lx die dimensionslose Ortsvariable und T+ = T − T0 qc Lλ die dimensionslose Temperatur bezeichnet; hier ist noch qc ein konstanter (Referenz-) Wärmefluß und T0 wird als konstant (im Ort) angenommen. Was ist die dimensionslose Zeit? Welche Dimensionen vorkommenden Größen? 8. Seien z1 , z2 Lösungen der Differentialgleichung z 00 + pz 0 + qz = 0 , x ∈ [a, b], mit z1 (a) = 0 , z10 (a) = 1 , Sei Z x P (x) = a z2 (b) = 0 , z20 (b) = 1 . p(s)ds , und D0 = z1 (a) z20 (a) − z2 (a)z10 (a) . Beweisen Sie: Wenn die homogene Randwertaufgabe z 00 + pz 0 + qz = 0 , z(a) = z(b) = 0 nur die triviale Lösung hat, dann ist z1 (b) 6= 0 , z2 (a) 6= 0 und für w1 ∈ C[a, b] ist die Funktion Z β z2 (x) x α z2 (x) + z1 (x) + z1 (s)w1 (s)eP (s) ds + u(x) = z2 (a) z1 (b) D0 a Z z1 (x) b + z2 (s)w1 (s)eP (s) ds D0 x für x ∈ [a, b], ist eindeutig bestimmte Lösung der Randwertaufgabe u(a) = α , u(b) = β , u00 + pu0 + qu = w1 . Hinweise: Zeigen Sie zuerst indirekt, dass z1 (b) 6= 0 und z2 (a) 6= 0 sind. Benutzen Sie dann die Darstellung der Wronski-Determinante in [Rei08], Satz A.8, mit τ = a und verifizieren Sie, dass die angegebene Funktion u die Differentialgleichung erfüllt und eindeutige Lösung ist.