Referentin: Ute Hellrigel

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Traumapädagogik
in der Praxis
Referentin: Ute Hellrigel
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Inhalte
1. Psychoedukation
2. Symptome als Fachkraft erkennen
3. Stabilisierung
4. Stressregulation
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1. Psychoedukation
3
Grundannahme der Psychoedukation
●
●
Jeder Mensch hat das Bedürfnis sich selbst
(Gefühle und Handeln) zu verstehen = Selbstverstehen
Nicht nur die eigenen Gefühle zu verstehen,
sondern auch das eigene Handeln bestimmen/
steuern zu können ist ein wichtiger Teil des
Selbsterlebens
4
Selbstverstehen und das Gefühl von
Sicherheit
●
●
Den Sinn im eigenen Handeln zu verstehen, trägt zu
einem positiven Bild über sich selbst bei
Selbstwirksam sein zu können ist ein zentraler
Bereich im Leben, der Sicherheit und
Selbstvertrauen ermöglicht
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Das Problem des Selbstverstehens bei
traumatisierten Menschen
●
●
Traumatisierte Menschen leiden darunter ihre
Gefühle und ihr Handeln nicht immer steuern zu
können
Sie spüren, dass etwas in ihnen die Oberhand/
Herrschaft übernimmt und leiden an dem Verlust
von Kontrolle (Emotion, Handeln und
Körperreaktionen)
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Der Verlust der Kontrolle
●
●
Geht Kontrolle und Steuerbarkeit im eigenen
Verhalten verloren, führt dies zu großer
Unsicherheit in Wahrnehmung und Erleben der
eigenen Person
Traumatisierte Menschen erleben sich als
ohnmächtig und hilflos, mitunter als „verrückt“
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Ziel der Psychoedukation
●
●
●
Psychoedukation will traumatisierten Menschen
helfen zu verstehen warum sie so Handeln, wie sie
handeln
Psychoedukation soll verständliche Erklärungen für
das eigene „absurde“ Verhalten liefern
Das eigene Verhalten einordnen und erklären zu
können wirkt beruhigend und kann eine erste,
kleine Distanzierung bewirken
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Welches Wissen sollten Sie als
Fachkraft weitergeben?
●
●
●
Menschen aus Kriegsgebieten, die Flucht, Folter,
Vertreibung erlebt haben, haben ein Trauma, meist
mehrere Traumata (sequentielle Traumatisierung)
erlebt
Trauma = seelischer Schock
Die Auswirkungen sind bei jedem unterschiedlich
und schwer zu begreifen
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Psychoedukation in der Praxis
●
●
Ihre Symptome sind eine ganz normale Reaktion
auf ein nicht normales Ereignis
Ihre Symptome bestehen, weil das Trauma zu einer
Störung der Verarbeitung im Gehirn führt
→ Traumatische Erinnerungen werden dadurch in
Rohform abgespeichert (Erinnerungssplitter mit
verschiedenen Sinneseindrücken z.B. Geruch,
Bild, Körperempfindung, Gedanke, Emotion)
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Psychoedukation in der Praxis
●
Passende Reize, Trigger können plötzlich und
unvorhergesehene Gefühle, Gedanken,
Körperempfindungen etc. aus dem Trauma auslösen
→ Sie werden dann das „Hier und Jetzt“ mit dem
„Damals“ verwechseln, so als würde alles gerade
geschehen
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Psychoedukation in der Praxis
Die konkreten Folgen im Hier und Jetzt sind sehr
verschieden, z.B.:
●
●
●
Leiden unter einem Gefühl der Gefahr, körperliche
Unruhe, Schreckhaftigkeit, erhöhte Wachsamkeit
Körperliche Erregung, Unruhe, Nervosität, Zittern,
Reizbarkeit, Schlafstörungen
Gefühl der Niedergeschlagenheit, Traurigkeit,
Hoffnungslosigkeit, Depression und Taubheit
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Psychoedukation in der Praxis
●
●
●
Konzentrationsschwierigkeiten (Gehirn versucht
traumatisches Erlebnis durchzuarbeiten, um damit
fertig zu werden oder die geistige Kraft wird zum
Wegdrängen der Gedanken benötigt)
Kontrollverlust (Sicherheit geht verloren, Gefühl
verrückt zu werden, durchzudrehen)
Impulsstörungen
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Funktion des Gehirns
Krüger 2011, S. 52
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Traumatischer Stress löst Alarm aus
Krüger 2011, S. 53
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Aktivierung des Notfallprogramms
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Krüger 2011, S. 54
Das Eidechsengehirn wird zum Boss
Krüger 2011, S.55
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2. Symptome als Fachkraft
erkennen
●
PTBS
●
Weitergehende Symptome als Folge von Traumatisierung
●
Ist jedes auffällige Verhalten gleich eine Traumafolgestörung?
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Symptome der PTBS
●
●
Intrusion: Wiedererleben (belastendes Wiederleben
im Wachen u. Schlafen, flash-backs, Alpträume,
Belastung bei Konfrontation mit Erinnerungen)
Konstriktion: Vermeidung (von Situationen,
Handlungen und Dingen, die an das belastende
erinnern, nicht sprechen über das Geschehene,
Grübeln)
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vgl. ZPTN, L. Besser
Symptome der PTBS
●
●
Emotionale Taubheit: Negative Veränderung in
Kognition und Stimmung, negative
Zukunftsperspektive, sich nicht freuen können,...
Hyperarrousel: Erhöhtes Erregungsniveau (Ein- und
Durchschlafstörungen, erhöhte Aggressivität,
Reizbarkeit, Störung der Konzentration)
vgl. ZPTN, L. Besser
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Weitergehende Symptome, als Folge
von Traumatisierung
●
Depressionen
●
Angst- und Panikstörungen
●
Impulssteuerungsstörungen, Gewalttätigkeit, SVV,
Suizidalität
●
Somatoforme Störungen
●
Suchterkrankungen
●
Dissoziative Wahrnehmungsstörungen
●
Körperliche Erkrankungen, chronische Schmerzen
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Ist jedes auffällige Verhalten gleich
eine Traumafolgestörung?
●
Akkulturative Auffälligkeiten
●
Jugendspezifisches, auffälliges Verhalten
●
Weitere Probleme von Flüchtlingen, die auffälliges
Verhalten verursachen können (Aufenthaltsstatus,
fehlende gesellschaftliche Teilhabemöglichkeiten,
Trennung von der Familie, Einsamkeit)
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Einsatz von Traumapädagogik
●
Wahrnehmen
●
Erkennen (Symptome, Trigger)
●
Einordnen (traumaspezifische Symptome)
●
Erklären (Psychoedukation)
●
Stabilisierung und Selbstwirksamkeit
●
Stressregulation
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3. Stabilisierung
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Stabilisierung durch gute
Rahmenbedingungen
●
WG als sicherer Ort
●
Alltagsstruktur
●
Voraussagbare Regeln
●
Partizipation
●
Transparenz
●
Bindungsangebot
●
Bekanntes Essen
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Stabilisierung, Schaffung positiver
Gefühle
●
●
Unser Gehirn unterscheidet nicht, ob wir uns Dinge
nur vorstellen oder sie erleben
Mit unserer Vorstellungskraft können wir uns
positive Dinge vorstellen und dadurch positive
Gefühle erzeugen oder uns Negatives vorstellen und
in Angst und Panik geraten = Kraft der Imagination
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Stabilisierung
27
Krüger 2011, S.92 ff.
Stabilisierung
28
Krüger 2011, S. 94
Stabilisierung, Schaffung positiver
Gefühle
●
●
Positive Gefühle zu erzeugen, über Imagination oder
das gemeinsame Tun von allem was Freude macht,
gehört zur stabilisierenden Arbeit in der
Traumapädagogik
Die Waagschale mit positiven Gefühlen füllen ist für
traumatisierte Menschen sehr wichtig
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Stabilisierung in der Praxis
●
●
Welches Hobby könnte ihrem Bezugskind gut tun,
Freude machen, es ablenken, zur Zerstreuung
beitragen, Aggressionen abbauen?
Fragen wie z.B.: Was kannst du gut? Worauf bist du
stolz? Was magst du an dir?
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4. Stressregulation
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4. Stressregulation
Trauma ist eine Stressverarbeitungsstörung
→ Stressvermeidung = oberstes Gebot
→ Überforderung vermeiden
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Prophylaxe, Stressregulation
●
●
Sport hilft Stress abzubauen
Fußball eignet sich besonders, auch zum Kontakt
knüpfen
●
Fitnessstudios oder auch Fitnessgeräte in der WG
●
Progressive Muskelentspannung
●
Körperliche Aktivitäten aller Art
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Prophylaxe, Stressregulation
●
●
●
●
●
Konkrete Vereinbarungen mit Jugendlichen, was
ihnen bei Stress im Allgemeinen hilft
Förderung der Selbstwahrnehmung
Schulung der Achtsamkeit für Gefühl,
Körperempfinden, Verhalten
Wie kann ich in Balance bleiben zur Ruhe kommen?
Notfallpläne mit Bezugsjugendlichen erstellen: Was
hilft diesem Jugendlichen am besten (z.B. Ablenken,
Bewegung, Atemtechniken, einen Freund anrufen) 34
Häufig auftretende Trigger
●
●
●
Einschränkung beim Essen z.B. absperren der
Küche, triggert die existentielle Bedrohung des
Hungerns
Verweigern von Geldern, triggert Situationen der
Flucht mit existentieller Bedrohung durch Betrug
von Schleusern, Diebstahl, Raub
Situationen, die Gefühle der Ohnmacht,
Hilflosigkeit und des Ausgeliefertseins auslösen
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Wie erkenne ich
Eskalationsentstehung?
●
●
●
Kampf: Hinweise auf Erregung, Anspannung,
schnelle, laute Sprache, Blick nach vorn fokussiert,
Fixierung des Gegners
Flucht: an Tür stehen, auf Stuhlkante sitzen,
körperliche Unruhe, unsteter Blick
Erstarrung: Steifheit, Starrheit in Haltung, Blick,
ausdruckslose Mimik, flache Atmung
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Baierl 2014, S.92
Hilfreiches Verhalten bei Hinweisen
auf Kontrollverluste
●
●
●
eingehen auf das was Angst macht, d.h.
Thematisieren was man sieht
Abbau der Gefühle ermöglichen (auf Kissen
einprügeln, sich ausschütteln, Musik,...)
Konflikte müssen nicht immer sofort gelöst werden
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Baierl 2014,S. 93
Umgang mit Eskalationen
Wenn die Alarmanlage angesprungen ist, ist kein
überlegtes Handeln möglich
→ Deeskalation hat in diesen Situationen
oberste Priorität
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Umgang mit Eskalationen
●
●
●
Keine pädagogischen Diskussionen in
eskalierenden Situationen
Zuvor erstellte Notfallpläne helfen einen Umgang
ohne gewalttätige Eskalationen zu finden
Aktivierung anderer Sinneskanäle, um von
dominierenden, unangenehmen Gefühlen
wegzukommen (Skills)
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Umgang mit Kontrollverlusten
●
●
●
●
Suchen Sie Unterbrecher, trauen Sie sich kreativ zu
sein
Reize, die Aufmerksamkeit fordern: laute
Geräusche, starke Gerüche
Aktivitäten, die im Hier und Jetzt halten:
Zähltechniken
Aktivitäten, die Erregung Raum geben oder
beruhigen: Atemtechniken, Entspannungstechnik,
ums Haus laufen
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Baierl 2014, S. 94
Vielen Dank für ihre Aufmerksamkeit
41
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