Zahnmedizin 30 KARIES: EIN UPDATE Aktuelle Aspekte für die Praxis Karies ist (fast) in aller Munde. Unser Update. Dr. Julian Schmoeckel, Dr. Ruth M. Santamaría-Sanchez, Dr. Mohammad Alkilzy, Prof. Dr. Christian H. Splieth Abteilung Präventive Zahnmedizin und Kinderzahnheilkunde, ZZMK Universität Greifswald Definition Epidemiologie Karies wird heute als Prozess eines chronischen Ungleichgewichts zwischen demineralisierenden und remineralisierenden Faktoren begriffen [1], bei dem die kariöse Kavität eine Folge darstellt [2]. Laut der Fünften Deutschen Mundgesundheitsstudie haben 81,3 % der 12-jährigen Kinder in Deutschland sog. kariesfreie Gebisse. Die durchschnittliche Karieserfahrung beträgt in dieser Altersgruppe nur noch 0,5 DMF-Zähne [3]. Dies bedeutet zugleich, dass Karies hochgradig polarisiert auftritt und die anderen ca. 20 % der Kinder im Schnitt 2-3 Zähne mit Karieserfahrung aufweisen. Im Milchgebiss ist die Karieserfahrung deutlich höher, bereits 10-15 % der 3-Jährigen haben frühkindliche Karies [4]. Ungefähr die Hälfte der Kinder insgesamt erkrankt an Milch- Der pathogene Biofilm, also die reife ca. 48 h alte dentale Plaque, verstoffwechselt unter anderem Kohlenhydrate zu Säure, welche die Demineralisation der unter der Plaque liegenden Zahnhartsubstanzen bewirkt [1]. Das „Loch im Zahn“ ist also ein Symptom der Erkrankung. Kariesrisikoeinschätzung anhand der Kriterien der Deutschen Arbeitsgemeinschaft für Jugendzahnpflege e.V. (DAJ) [6] Altersgruppe Hohes Kariesrisiko Bis 3 Jahre dmf(t) > 0, nicht kariesfrei Bis 4 Jahre dmf(t) > 2 Bis 5 Jahre dmf(t) > 4 6-7 Jahre dmf/DMF(t/T) > 5 oder D(T) > 0 8-9 Jahre dmf/DMF(t/T) > 7 oder D(T) > 2 10-12 Jahre DMF(S) an Approximal-/Glattflächen > 0 Tab. 1 a Altersspezifische Hauptlokalisation von kariösen Läsionen bei Kindern und Jugendlichen Altersgruppe Hauptlokalisation von kariösen Läsionen Kleinkind 2-3 Jahre Glattflächen der Oberkieferfrontzähne Kindergartenkind >3 Jahre Approximalflächen der Milchmolaren Tab. 2 Schulkind 6-8 Jahre Okklusalfläche des ersten durchbrechenden Molaren Jugendliche 11-14 Jahre Okklusalfläche des zweiten durchbrechenden Molaren Jugendliche und junge Erwachsene Approximalflächen der permanenten Zähne, bei festsitzender kieferorthopädischer Apparatur auf freien Glattflächen Erwachsene Approximalkaries und „Sekundärkaries“ Senioren Wurzelkaries und „Sekundärkaries“ Wir in der Praxis -- Ausgabe 04 -- Dezember 2016 b c Abb. 1 Oberkieferfrontzähne: Plaquebedeckung vor (a) und nach dem Anfärben (b) sowie nach der Reinigung (c). Die aktiven kariösen Läsionen und die Gingivitis sind erst auf gereinigten Zahnflächen zu diagnostizieren. (Fotos: Schmoeckel) mit freundlicher Genehmigung von Schmoeckel DMF „decayed“ (kariös), „missing“ (fehlend), „filled“ (mit Füllung versehen) zahnkaries. Zudem wird ein Großteil dieser kariösen Milchzähne gar nicht therapiert [5]. Kariesrisikoeinschätzung Das Kariesrisiko kann primär auf Patientenebene anhand der Kriterien der Deutschen Arbeitsgemeinschaft für Jugendzahnpflege e.V. [6], die auf der bisherigen Karieserfahrung (dmft/DMFT) beruhen, erfolgen (Tab. 1). Dies ist abrechnungstechnisch relevant, nicht berücksichtigt wird dabei jedoch, dass bei einem Patienten die gegenwärtige Kariesaktivität auch je nach Zahn und Zahnfläche variieren kann. Somit sollten Präventions- und Therapieplan individuell angepasst werden. Immer ein Grund zum Strahlen! TePe Interdentalbürsten Kariesdiagnostik Meistgek De ut schla uf te rd I * IR a ,G n lb ü r t e* s n d I Der Aktivitätsgrad einer Initialläsion (aktiv/inaktiv, s. Tab. 3) kann nur auf sauberen und getrockneten Zähnen eruiert werden ta Kariesaktivität fK , Nie n Aus der Kariesepidemiologie ist bekannt, dass Karies in den verschiedenen Altersgruppen verschiedene Befallsmuster [7] aufweist und stark polarisiert auftritt [5]. Diese Muster zu kennen, ist für eine fokussierte Diagnostik hilfreich (Tab. 2). Für eine besonders effektive, schonende und einfache Reinigung der Interdentalräume, Zahnspangen und Implantate. TePe steht für höchste Effizienz, Qualität und Komfort bei der Anwendung. In Zusammenarbeit mit Zahnärzten entwickelt. e 20 15 Altersspezifische Hauptlokalisation kariöser Läsionen Inte n ate lsen Absatzd Kunststoffummantelter Draht a mit freundlicher Genehmigung von Schmoeckel Individuelle Größen Verschiedene Borstenstärken b Abb. 2 Inaktive und aktive Dentinkaries in der Gegenüberstellung: Inaktive kariöse Dentinläsionen (a) in der OK-Front: Die Läsionen sind sondenhart, eher glatt und dunkelbraun bis schwarz (Foto: Schmoeckel). Deutliche aktive kariöse Dentinläsionen in der OK Front (b): Die Läsionen sind von Plaque bedeckt, das Dentin erweicht, die Farbe und Beschaffenheit ist eher hellbräunlich und die Schmelzbereiche um die Dentinläsion herum sind kreidig weiß. (Foto: Alkilzy). www.tepe.com Zahnmedizin 32 (Abb. 1a-c). In jedem Stadium von der initialen Schmelzläsion bis zur tiefen Dentinkaries ist eine Inaktivierung möglich (Abb. 2a,b) [2, 8]. Dies geschieht durch die Störung des dentalen Biofilms (z. B. durch Zähneputzen) sowie durch Beeinflussung der Deund Remineralisationsprozesse (z. B. mit Fluoriden). Röntgendiagnostik Bei Verdacht auf oder bei bereits bestehender Approximalkaries ist stets eine röntgenologische Untersuchung in Betracht zu ziehen, da eine Approximalkaries selten isoliert auftritt und insbesondere im Milchgebiss durch die vergleichsweise dünne Schmelz-Dentin-Schicht die Nähe vom Defekt zur Pulpa abgeklärt werden sollte. Dafür bietet sich die Bissflügelaufnahme an [9], die approximal als Goldstandard in der Kariesdiagnostik gilt (Abb. 3). Bei der Indikationsstellung für ein Röntgenbild ist immer die zwar geringe, aber dennoch vorhandene Strahlenbelastung zu berücksichtigen [10]. Ursächliche, non-invasive Kariestherapie in Anlehnung an die „4 Säulen der Prophylaxe“ Maßnahmen Tab.4 Kommentar Regelmäßiges und Mindestens 2x täglich mit einer Zahnputzsystematik sorgfältiges mechanisches Reinigen aller Zahnflächen Ausreichende Fluoridierung zur Remineralisation • Junior-/Erwachsenenzahnpasta mit 1000–1500 ppm Fluoridgehalt anwenden • Zusätzliches wöchentliches Putzen mit einem hoch dosierten Fluoridgel (12.500 ppm Fluorid) • Häusliche Anwendung von fluoridiertem Speisesalz • Applikation von Fluoridlack auf die kariösen Läsionen (22.400 ppm Fluorid) beim Recall in der Praxis Abwechslungsreiche Ernährung Mit wenigen täglichen Zuckerimpulsen insbesondere Vermeidung von süßen Getränken zwischendurch Regelmäßiger Zahnarztbesuch Zur Kariesprophylaxe und -management • bei niedrigem Kariesrisiko halbjährlich • bei hohem Kariesrisiko vierteljährlich mit freundlicher Genehmigung sion detektiert wurde. Mit Kaltlicht ist eine Dentinläsion anhand einer Opazität zu erkennen (Abb. 4), denn die Lichtbrechung der Karies ist im Vergleich zur gesunden Zahnhartsubstanz verändert. Der große Vorteil im Gegensatz zur Röntgendiagnostik ist, dass keine Strahlenbelastung entsteht und dies somit auch routinemäßig erfolgen kann bzw. sollte. Primäre Kariestherapie Abb. 3 Bissflügelaufnahme: Approximalkaries an Milchmolaren (rot umrandet) kann oftmals erst in einem Röntgenbild identifiziert werden. Auch das Risiko einer möglichen Beteiligung der Pulpa kann deutlich besser abgeschätzt werden (Foto: Santamaría). Kaltlichtsonde/faseroptische Transillumination Die Kaltlichtsonde bietet sich insbesondere für die erste Untersuchung „scheinbar gesunder“ Approximalflächen an [11], und dies v. a., wenn bereits an einem anderen Zahn eine approximale LäUnterscheidung von aktiver und inaktiver Initialkaries an Glattflächen Tab.3 mit freundlicher Genehmigung von Schmoeckel Eigenschaften Das alte Konzept von der Kariestherapie als das Entfernen von brauner, weicher Substanz und das Auffüllen mit einer Restauration greift viel zu kurz. Die eigentliche Therapie von Karies ist, das chronische Ungleichgewicht zu korrigieren, indem die Demineralisationsfaktoren reduziert und Faktoren der Remineralisation gestärkt werden [12]. Der Patient leistet also durch das tägliche Zähneputzen mit fluoridhaltiger Zahnpasta Kariesprävention und zugleich viel mehr „Kariestherapie“ als der Zahnarzt z. B. mit einer Füllung. Diese Gleichgewichtsverschiebung hin zur Remineralisation ist prinzipiell durch die bekannten vier Säulen Aktive Glattflächenläsion Inaktive Glattflächenläsion Farbe Kreidig weiß Weißlich, gelblich, bräunlich Oberfläche nach Trocknung Matt Glänzend Lage Direkt am Gingivarand Oft minimal (1-2mm) über Gingiva Belag Meist mit Plaque Oft ohne Plaque Gingiva Meist Gingivitis mit Blutungsneigung Gesunde Gingiva ohne Blutungsneigung Wir in der Praxis -- Ausgabe 04 -- Dezember 2016 Abb. 4 Approximalkariesdiagnostik mit Kaltlicht (Foto: Alkilzy) 33 Zahnmedizin der Prophylaxe (Tab. 4) zu erzielen: Mundhygieneverbesserung und Ernährungslenkung können den Angriffsdruck der Mikroorganismen, des Substrats und der Säureproduktion reduzieren. Zugleich verbessern regelmäßige Fluoridierungen die Abwehr und ermöglichen die Remineralisation sowie Inaktivierung von kariösen (Initial-)Läsionen. Im Gegensatz zur Beratung und Therapie mit Fluoriden sind eine ausführliche Ernährungsanamnese und -beratung nur bei hoher Kariesaktivität angezeigt, z. B. bei der „Nuckelflaschenkaries“, da in der Regel Ernährungsberatungen wenig wirksam sind und Verhaltensänderungen bei der Ernährung nur schwer zu erreichen sind. Moderne „Kariesentfernung“ Im Rahmen verschiedener Studien mit hohem Evidenzgrad wurde gezeigt, dass durch eine schrittweise, teilweise/selektive bzw. sogar gar keine Kariesentfernung von kariös infiziertem Zahnhartgewebe im Gegensatz zur sog. konventionellen, kompletten Kariesexkavation signifikant mehr Zähne vital erhalten werden konnten. Die selektive bzw. auch partielle Kariesexkavation zeichnet sich dadurch aus, dass zirkulär vollständiges, jedoch pulpanah kariöses Dentin belassen wird, um die Pulpa nicht zu eröffnen. Insbesondere bei kavitierten kariösen Läsionen wird durch eine schrittweise, partielle oder gar keine Entfernung [13] kariös infizierten Zahnhartgewebes mit anschließendem bakteriendichtem Verschluss (z. B. Füllung oder Stahlkrone) eine Arretierung der Läsionen ermöglicht. Dadurch kann das Risiko einer Pulpaexposition in der primären sowie der bleibenden Dentition v. a. bei tiefen pulpanahen Läsionen signifikant reduziert werden [14] . Fazit • Karies ist nicht das „Loch im Zahn“, sondern ein Prozess mit chronischem Ungleichgewicht von De- und Remineralisation. • Entkalkungen des kristallinen Zahnschmelzes werden durch Säuren verursacht, die aus Zucker im bakteriellen Zahnbelag gebildet werden. • Der kariöse Prozess kann in jedem Stadium inaktiviert werden. • Der Patient selbst hat die eigentliche Kariesprävention und -therapie in der Hand: Zähneputzen mit fluoridhaltiger Zahnpasta und die Vermeidung eines Zuckerabusus. • Selektive/schrittweise Kariesexkavationstechniken verbessern die Chance auf einen Vitalerhalt des Zahns v. a. bei tiefen Läsionen. Literatur beim Verlag ([email protected]) Natürlich medizinisch aminomed – bei gereiztem Zahnfleisch und empfindlichen Zähnen Optimale Parodontitis-Prophylaxe durch natürliche entzündungshemmende und antibakterielle Wirkstoffe wie Bisabolol, Panthenol, Xylit und Kamillenblüten-Extrakt, die das Zahnfleisch pflegen und kräftigen. 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