Rundschau - BIOspektrum

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Rundschau
336
Journal-Club
Radikale kommen zu funktionellen Ehren –
mit Lothar Jaenicke
der J. F.-Effekt
E Clostridien haben einen ein-
Kommensale Bakterien beeinflussen
Genexpression in Darmzellen
E Die Darmflora scheint doch
weiterreichende Aufgaben zu erfüllen als die bislang bekannte
Synthese von Vitaminen und die
Platzhalterfunktion zur Verhinderung der Ansiedlung pathogener Keime. Ergebnisse von Untersuchungen mit keimfrei aufgezogenen Mäusen zeigen nämlich in Antwort auf die Ansiedlung des typischen Darmflorabakteriums von Maus und
Mensch Bacteroides thetaiotaomicron eine Einflussnahme auf
die Expression zahlreicher Gene
in Darmzellen (L. V. HOOPER et al.,
J. I. GORDON, Science 291 (2001)
881-884). Über DNA-Chip- und
quantitative Reverse Transkriptase PCR-Analysen konnte zum
Beispiel ein Anstieg der Na+/Glucose-Cotransporter-mRNA sowie verschiedener mRNAs, deren
Produkte an der Resorption von
Lipiden beteiligt sind, festgestellt werden. Weiterhin modulieren die Bakterien die Expression von Genen, die an der Erhöhung der Barrierefunktion der
Schleimhaut, an Entgiftungsvorgängen, sowie der Blutgefäßbildung und nachgeburtlichen Reifungsprozessen im Darm beteiligt sind. Vergleichsexperimente
mit E. coli, Bifidobacterium infantis und einer gemischten natürlichen Darmflora deuten darauf hin, dass einige der Genexpressionsbeeinflussungen von
der Art des kommensalen Organismus abhängen. Somit wirkt
sich die Zusammensetzung der
Mikroflora wahrscheinlich auf
zahlreiche physiologische Mechanismen des Darms aus.
Petra Jacoby, Marburg
Bakterielles Aktin
E Eukaryotische Zellen erhal-
ten und verändern ihre Form mit
Hilfe intrazellulärer Skelettsysteme, den Mikrotubuli und Mikrofilamenten. Letztere bilden
u.a. die Aktin gestützten Lamellipodien sich bewegender
Zellen. Bei Bakterien hingegen
ist die Form ausschließlich durch
die extrazelluläre Zellwand gegeben, so dachte man. L. J. F. JONES et al. zeigen nun, dass die
Proteine MreB und Mbl von Bacillus subtilis eine Art intrabakterielles Gerüst bilden, welches
maßgeblich zur Form des Grampositiven Bakteriums beiträgt.
Mutationen in den Genen mreB
und mbl führen zu einer phäno-
typischen Veränderung der Bakterienmorphologie. Mittels indirekter Immunfluoreszenz-Mikroskopie und GFP-Fusionsproteinen zeigen die Autoren,
dass die MreB und Mbl Proteine zwei verschiedene, helikale
und intrabakterielle Filamente
bilden. Sequenzvergleiche zeigen, dass Bakterien mit komplexen Zellformen, nicht aber sphärische Bakterien, Proteine besitzen, die signifikante Homologie
zu Aktin zeigen. Jetzt fehlt nur
noch die Reinigung dieser Proteine, um auch biochemisch eine Homologie zu Aktin nachzuweisen.
F. Frischknecht, Paris
fallsreichen Hungerstoffwechsel: Sie bauen anaerob die meisten Aminosäuren zu niedrigen
Fettsäuren ab, wobei dann auch
höchst toxische (für Milieukonkurrenten) Restprodukte auf
höchst bemerkenswerten Routen bleiben, zum Beispiel bei
dem pathogenen Clostridium difficile p-Kresol (p-Hydroxytoluol)
aus Tyrosin über p-Hydroxyphenylacetat in solchen Mengen,
dass andere Organismen nicht
daneben bestehen können.
pOH-Ø-CH2-CH(NH3+)COO-
2e-
len über Flavin oder ein (Fe/S)Cluster entstandenes Thiyl
(-S•)-Radikal, sondern ein Glycyl (-CH•)-Radikal am Enzymprotein, das wohl durch einen
Aktivierungsschritt (mittels SAdenosylmethion (?) s. R. KULZER et al., J. KNAPPE, J. Biol. Chem.
273 (1998) 4897-4903) bei der
Pyruvat/Formiat-Lyase) eingeführt wird. Das Glycyl-Radikal
steht in einer, diesen Enzymen,
zu denen auch die Ribonukleotid-Reduktase gehört, gemeinsamen Fingerprint-Sequenz-
OH-Ø-CH -COOII dispr. pOH-Ø-CH3+CO2
Besonders der letzte Schritt dieser Folge, katalysiert durch die
p-Hydroxyphenyl-acetat-Decarboxylase, ist chemisch überaus
schwierig, denn die pOH-Substitution verstärkt die negative
Ladung des aromatischen Systems, erschwert die Disproportionierung der Seitenkette. Mit
dem gereinigten, auch transgenischen und damit Mutationen
zugänglichen, sehr instabilen
und O2-empfindlichen Enzym,
statt wie der große, kürzlich verstorbene Anaerobierforscher H.A.
BARKER mit Bakteriensuspensionen, zeigen T. SELMER und P. I.
ANDREI (Eur. J.Biochem.268 (2001)
1363-1372), dass die Reaktion
tatsächlich eine einelektronische Oxidation mit dem p-Methylenphenoxy-Radikal (pO=
Ø-CH2•) als Zwischenstufe ist.
Der Redox-aktive Cofaktor ist
hier nicht, wie in anderen Fäl-
(I/V)-R-(I/V)-x-G (F/W/Y) nahe
dem C-Terminus. Während der
Reaktion wird das Radikal in
Nachbarschaft zu dem CysteinRest des Aktiven Zentrums
gerückt. Durch die Einelektronen-Oxidation des Phenolats
zum Semichinon erfolgt eine
Umpolung des elektronischen
Systems und damit die Möglichkeit erleichterten CO2-Abgangs. Die Teilnahme einer essentiellen Thiyl-Gruppe und pOH-Funktion lassen auf Radikalbildung durch homolytische
Spaltung der H-O-Bindung,
nicht eine Oxidation des Phenolats, schließen. Eine gewisse Präzedenz zu solchen Fermentationen ist die Skatolbildung aus
Tryptophan-bürtiger Indolylessigsäure, wie sie Fäulnisbakterien (Pseudomonaden) und
Milchsäurebazillen ausführen.
Urzeit: ATP = Phosphatdonator vor Pyrophosphat
E Der ursprüngliche Energie-
speicher und -donator scheint
bereits ATP, nicht anorganisches
Pyrophosphat gewesen zu sein.
A. CHI und R. C. KEMP (J.Biol.Chem.
275 (2000) 35677-35679) fanden
bei Entamoeba histolytica, einem
primitiven parasitischen Protisten, zwar eine vollständige Bevorzugung von Pyrophosphat als
P-Donator der Phosphofruktokinase gegenüber ATP, aber ei-
ne Einzelmutation (D175G) verschiebt die Affinität 8-fach auf
die Seite von ATP, und eine
Doppelmutante (D175G/K201G)
noch drei Zehnerpotenzen weiter, so wie es bei den bekannten
PFKs ist. Offenbar enthält das
Protein von E. histolytica eine sekundär verdeckte ATP-Bindungsstelle, die aber entfaltet werden
kann. Demnach das die Ur-PFK
das ATP-regulierte Enzym.
BIOspektrum . 4/01 . 7. Jahrgang
Rundschau
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Immunglobulinrezeptor tranportiert
Pneumokokken durch das Nasenrachenepithel
E Eine Lungenentzündung be-
ginnt mit der Besiedelung der
Nasenrachenschleimhaut durch
den Erreger Streptococcus pneumoniae (Sp), der dann hier oder
in der Lunge in die Blutbahn gelangt. Wie J.-R. ZHANG et al., E.
(Cell 102 (2000) 827837) zeigen, bindet bei der In-
TUOMANEN
vasion über den NasopharynxBereich das Sp-Oberflächenprotein CbpA an den epithelialen
polymeren Immunglobulinrezeptor hpIgR, der eigentlich Igs
nach außen in den Epithelschleim sezerniert und nun
durch Umkehr des transzellulären Transportmechanismus Sp
einschleust. Dies kann in Kultur
an Detroit (Nasopharyngeal)Zellen durchgeführt werden. SpCbpA--Mutanten zeigen eine
deutlich verminderte Adhäsion
und -Invasion. Ebenso werden
Detroit-Zellen nach Blockierung
von hpIgR seltener infiziert.
Tests mit rekombinanten CbpAFragmenten zeigen, dass zwei
N-terminale Wiederholungssequenzen für die Wechselwirkung
mit der sekretorischen Komponente des Rezeptors verantwortlich sind. Im Lungenepithel vermutet man die Bindung von
Phosphorylcholin der Sp-Zellwand an den Thrombocyten-Aktivierungsfaktor-Rezeptor (PAFR)
als Ursache für den Eintransport
in das Gewebe ( D.R. CUNDELL
et al., Nature 377 (1995) 435-438).
Da Detroit-Zellen auch bei Zusatz von PAFR-Antagonisten unverändert infiziert werden, scheinen bei der Invasion in Nasopharynx und Lunge unterschiedliche Mechanismen zu wirken.
Petra Jacoby, Marburg
Eliminierung DNA-geschädigter Zellen
im frühen Maus-Embryo
E Die Gastrulation, bei der sich
im Embryo die drei Keimblätter
differenzieren, ist durch eine
starke Zellproliferation und sehr
kurze Zellteilungszyklen gekennzeichnet. Daher bleibt in
dieser Phase wenig Zeit zur Reparatur von DNA-Schäden. Mutationen, die während der frühen
Embryogenese auftreten, können sich aber besonders drastisch auswirken, da sie mit fortlaufender Entwicklung an große
Zellpopulationen weitergegeben
werden. B. S. HEYER et al. (Genes &
Dev.14 (2000) 2072-2084) konnten
nun aufklären, wie der frühe
Maus-Embryo auf DNA-Schäden reagiert. Dazu wurden trächtige Mäuse zu verschiedenen
Zeitpunkten nach der Befruchtung niedrigen RöntgenstrahlenDosen ausgesetzt. Die Ergebnisse zeigen, dass der Keim während der Gastrulation schon auf
sehr niedrige Strahlungsdosen
BIOspektrum . 4/01 . 7. Jahrgang
mit gesteigerter Apoptose reagiert. Zum Zellzyklus-Stop
kommt es jedoch nicht. Offenbar teilen sich die Zellen während der Gastrulation zu schnell
als dass eine DNA-Reparatur erfolgen kann, und geschädigte
Zellen geraten daher sofort in
das Apoptoseprogramm. Experimente mit homozygoten NullMutanten liefern Hinweise dafür, dass die embryonale Apoptose-Induktion über einen Atmund p53-abhängigen Mechanismus erfolgt. Die hohe Apoptoserate nach Bestrahlung ist auf
den embryonalen Anteil des
Keims beschränkt. Extraembryonale Regionen (Vorläufer
von zum Beispiel Dottersack
und Amnion) reagieren auch bei
hoher Strahlenbelastung nicht
mit verstärkter Apoptose.
Petra Jacoby, Marburg
Rundschau
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Verschiedene Mechanismen bei der Bildung
NO! Die Natur würfelt nicht!
des SNARE-Komplexes?
E Die physiologische Funktion
E SNAREs sind cytoplasma-
des Radikal-Gases NO• ist, Signalketten in Bewegung zu setzen, die vasodilatatorisch wirken. NO• entsteht in den Epithelien durch die NO•-Synthetase aus Arginin in einer bereits
ausreichend komplexen Weise
unter Mitwirkung von Hämund Pteridin-Cofaktoren (s. H. H.
H. W. SCHMIDT , BIOspektrum 4
(1998) #2: 27-32). Wie kommt es
nun von hier zum Ziel? Man
nahm naiverweise Diffusion an,
bis J. S. STANLER zeigte, dass diese über den Transport im Hämoglobin während dessen Beund Entladung mit O2 aktiv unterstützt wird (A. J. GOW, J. S. STAMLER, Nature 391 (1998) 169-173 ;
S. S. GROSS, P. LANE, Proc. Natl.
Acad. Sci. USA 96 (1999) 9967-9969);
s. Journal Club, BIOspektrum 6
(2000) 16). Aber auch das ist noch
nicht alles. Es wirkt, wie J. R. PAWLOSKI, D. T. HESS, J. S. STAMLER
(Nature 409 (2001) nun berichten,
das Erythrozyten-Anionenaustauschprotein AE1 mit. Dies ist
das häufigste Membranprotein
der Erythrozyten, das an die 106
Knotenpunkte der Zytoskelettproteine mit der Membran bildet, in der es als 9-Passprotein
verankert ist, mit einem cytoplasmatischen C-Terminus, der
zwei essentielle Cysteine enthält. An sich ist es ein Cl-/HCO3-Austauscher, der nachhilft, dass
Hb-transportiertes CO2 in den
Lungen abgegeben wird. Es bindet aber auch einen kleinen Teil
(ca. 10%) der Hb-Moleküle fest
an die Membran, sodass deren
SH-Gruppen wechselwirken können. Dies nun scheint zu sein,
was Transport und Austausch
von NO• bedingt.
In den Arterien wird Hb bei hohem pO2 mit 4 O2 zum (R)Hb(O2)
gesättigt. NO• wird begierig vom
Fe2+ des (R)Hb(O2)4 aufgenommen, ein Teil davon auf die spezifische SH-Gruppe von Cysβ93
zum (R)Hb(O2) SNO übertragen
und gelangt so in die Peripherie,
wo der pO2 gering ist. O2 wird infolgedessen abgegeben, (R)Hb
in (T)Hb verwandelt, wodurch
der Austausch der HbSNOGruppe auf nahe benachbarte
passend aufgereihte Ziel-SHGruppen von AE1 zu AE1-SNO
gefördert wird. Dies kann nun
aus den Erythrozyten zum
Epithel heraustransportiert werden und dort seine Wirkung entfalten.
Kontrolle der cytosolischen Proteolyse
durch die Energieladung
E Wie kommt es, dass die mei-
sten Proteine im Cytosol durch
das Proteasomensystem und eine ganze Reihe anschließender
Proteasen von Makrophagen vollständig abgebaut, einige, wie
z.B. die Peptid-Epitope des
Haupthistocompatibilitäts-Komplexes (MHC) nicht, sondern sogar durch die Thiol-aktivierten
Zink-Oliopeptidasen (TOP=Thimet =Neurolysin, EC 3.4.24.15)
stabilisiert und nach ChaperoneArt nativ erhalten werden? Dieser Frage sind F. C. V. PORTARO,
M. A. F. HAYASHI, C. L. SILVA und
(Eur. J. Biochem. 268 (2001) 887-894) nachge-
A. C. M. DE CAMARGO
gangen. Sie stellen fest, dass
Thimet, deren Zentralmetall
Zn2+ an His473, His477, Glu502 und,
über eine H 2O-Brücke, Glu 474
tetrakoordiniert ist, in vivo und
ex vitro durch ATP ganz spezifisch in der Peptid-Bindungsund Spaltungsaktivität kontrolliert wird, was nicht-spaltbare
Analoga und andere Nukleosidtriphosphate nicht tun. Das Enzym wird dabei reversibel autophosphoryliert, indem die
..H2O.Glu474-Bindung durch das
β-Phosphat von ATP ersetzt
und das γ-P übertragen wird.
Die Komplexierung inaktiviert,
bewirkt aber die Pyrophosphorolyse. Der Umfang ist von der
ATP-Konzentration abhängig.
seits assoziierte Membranproteine im gesamten ER-System
eukaryontischer Zellen. Eine wesentliche Funktion haben sie bei
der Fusion von Membranen. Auf
einen Fusions-Reiz hin lagern
sich die SNAREs gegenüberliegender Membranen zu einem
SNARE-Komplex zusammen,
wodurch die Verschmelzung erleichtert wird. Bei dem SNARE
Sso1p der Hefe bewirkt der Fusionsreiz die Öffnung einer inaktiven, geschlossenen Konformation, die aus einem Bündel
von 4 Helices besteht (den Nterminalen Helices Ha, Hb und
Hc und der C-terminalen H3Helix). Durch die Öffnung wird
die Habc-Domäne von der H3Helix getrennt, sodass sich H3
mit den Helices anderer SNAREs zur Bildung des SNAREKomplexes zusammenlagern
kann. Man glaubte bisher, dass
diese Reaktionsfolge allgemein
wäre. Nun aber haben I. DULUBOVA et al. (Nature Struct. Biol. 8
(2001) 258-264) bei Vam3p, einem Lysosomen-SNARE der Hefe, durch NMR-spektroskopische Methoden gezeigt, dass das
ein verfrühter Schluss ist. Vam3p
bevorzugt im inaktiven Zustand
die offene Konformation, wobei
der H3-Abschnitt ungefaltet vorliegt. Man muss daraus folgern,
dass die Spezifität von Membran-Fusionen durch unterschiedliche Mechanismen bei
der Bildung des SNARE-Komplexes bewirkt wird.
Christoph Thomas, München
DNA-Pumpen
E Die Systemklassen von Pro-
teinen scheinen, wie diejenigen
der Mineralien, begrenzt; hier
durch die Raumgruppen, dort
durch die Funktion. Immer wieder zeigt sich bei breiterer
Kenntnis, dass Proteine unterschiedlicher Aufgaben prinzipiell ähnliche Quartärstruktur haben. Aktiv und passiv drehende
Protein-Komplexe sind als zentral-symmetrische, meist hexagonale Aggregate aus identischen Untereinheiten aufgebaut. Die Proteine, die DNA
entdrillen, rekombinieren, reparieren oder durch Membranen
schleusen (Recombinasen, Helicasen, Replicasen, Reparasen,
Transcriptasen, sogar, nicht ganz
überraschend, auch der Kernbereich der F1F0-ATP-Synthetasen)
haben grundsätzlich gleichen
Aufbau aus Untereinheiten, die
einen zentralen Freiraum bilden,
in dem oder durch den etwas geschieht; bei den mit DNA-handelnden Proteinen in dem oder
durch den DNA beweglich gefädelt wird.
Das Protein TrwB, das für den
Pendeltransport von einsträngiger DNA zwischen Bakterien
und damit auch für Resistenzübertragungen verantwortlich ist,
kommt ebenfalls als Sechserring
in der Außenmembran der Bakterien vor (F. X. GOMIS-RÜTH et al.,
M. COLE, Nature 409 (2001) 637641), ähnelt den genannten Proteinen auffallend und wird durch
eine kleine zirkuläre DNA, die
nicht im Genom integriert ist,
codiert. Das macht Sinn, denn
der konjugative DNA-Transport
verbraucht ATP. TrwB ist also,
wie die bakterielle Helicase
RuvB oder das DNA in die Spore pumpende Protein SpoIIE
von B. subtilis, eine Art energiegetriebener Motor für den aktiven Transport von DNA, indem
sie an der DNA hin- und herwandern, voranschieben oder
twisten und kneten.
BIOspektrum . 4/01 . 7. Jahrgang
Rundschau
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Ort und Art der Blei-Vergiftung
Seide ist ein Faserpolymer
aus Sechserbündeln
E Die Seidenspinnerraupe spei-
chert vor der Verpuppung in
ihren beiden hinteren Spinndrüsen große Mengen SeidenRohstoff aus einem Gemisch
von Seidenfibroin-Schwer(H)ketten (350kDa), Leicht(L)ketten (26kDa) und dem DrillingsHochmannose-Glykoprotein P25
(30kDa) im konstanten Verhältnis 6:6:1. H- und L-Ketten sind
je durch eine Disulfidbrücke distal verbunden; P25 hält proximal das 6er-Bündel nichtkovalent, aber sehr fest zusammen.
Die Glykosidketten sind so verborgen, dass sie nicht von GolgiTrimmenzymen angegriffen werden. Die an membrangebundenen Polysomen in das ER synthetisierten H-Ketten werden
dort mit den L-Ketten verknüpft
und mittels dem P25 durch hydrophile und Wasserstoffbindungs-Kräfte gebündelt. Dies erfüllt dabei die Funktion eines
Aggregations - verhindernden
(ähnlich BiP in den Antikörperbildenden T-Zellen) und formbildenden Chaperonins zur Fertigung der Elementareinheit. Diese wird zum Golgi-Kompartiment transportiert, dort aber
nicht deglykosyliert, sondern,
noch immer wasserlöslich, in das
Lumen sezerniert und gespeichert. Bei der Kokon-Verfertigung wird das Gel ausgepresst
und dabei zum wasserunlöslichen
Faden durch Kopf/Schwanz-Polymerisation der lang-konischen
Elementareinheiten versponnen. (S. INOUE, K. TANAKA, F. ARISAKA, S. KIMURA, K. OHTOMO, S.
MIZUNO, J. Biol. Chem. 275 (2000)
40517-40528.)
Peptid-L/DIsomerisierung
E Es gibt bestimmte hormon-
wirksame Peptide, die mindestens eine D-Aminosäure, meist
übernächst zum N-Terminus,
seltener an entsprechender Stelle des C-Terminus enthalten.
Die Umwandlung geschieht in
situ als Ausreifungsschritt des
Hormons nach Abspaltung der
Prosequenz. Die neurosekretorischen Zellen des Flusskrebses
besitzen im Perikaryon entsprechende L/D-Isomerasen, die von
D. SOYEZ et al. (J. Biol. Chem. 275
(2000) 37870-37975) mit Modell-
peptiden identifiziert wurden.
Es ist eine neue Klasse von Enzymen, aber ihr Mechanismus
(Pyridoxalphosphat?) ist noch
unerforscht. Die Reaktion ist
spezifisch und effizient.
E Schwermetallvergiftungen
sind sicher nicht an einem einzigen Enzym zu verorten. Aber für
das Blei ist ein recht spezifischer
Angriffsort die PorphobilinogenSynthase, die 2 Moleküle 5-Aminolävulinsäure (DALA) unsymmetrisch zu Porphobilinogen
kondensiert, aus dem dann die
Tetrapyrrol-Coenzyme entstehen. Sie ist ein entwicklungsgeschichtlich sehr konserviertes,
aber im Detail divergentes ZinkEnzym mit einem Substratbindenden und aktivierenden Lysin. Von den 8 Atomen Zn2+ sind
im Säugerenzym (im Gegensatz
zu dem aus Hefe) nur die 4 vorwiegend Thiol-komplexierten
(ZnB) essentiell, nicht die His/
Cys-komplexierten (ZnA). Das
in E. coli exprimierte Leber-Enzym hat offensichtlich Halbseiten-Aktivität. Nach den Mes-
sungen von E.K. JAFFE et al., J. Biol. Chem. 276 (2001) 1531-1537,
bindet Pb2+ stärker an Stelle von
ZnB; aber für die nachfolgende
völlige Inaktivierung ist auch ein
ZnA verantwortlich. ZnB-Ersatz
durch Pb2+ hemmt den steady
state; die ZnA-Bindestelle ist
dann nicht zugänglich. In beiden
Fällen scheint das einsame Elektronenpaar von Pb2+ die Umgebung des Aktiven Zentrums zu
verändern und dadurch die Substrat-Bindung und -Kondensation zu verhindern. Für diese ist
ein Lysin (#252) verantwortlich,
mit dem DALA eine Schiff-Base
bildet (L.W. MITCHELL et al., E. K.
JAFFE, l.c. 1538-1544 ). Dies bewirkt eine Konformationsänderung, die zu der funktionellen
4A/4B-Asymmetrie im Leberenzym führt.
Molybdän-Cofaktor-Biogenese
E Molybdän-Enzyme der allge- her einfacher zu handhabenden
meinen N-, C- und S-Zyklen
(außer Nitrogenase) (C. KISKER,
H. SCHINDELIN, D. C. REES, Annu.
Rev. Biochem. 66 (1997) 233-267)
enthalten einen MolybdopterinCofaktor (Moco) an ein Apoprotein gebunden. Er ist so tief in
die Struktur gebunden, dass nur
das Zentralmetall und einige der
koordinierenden Liganden von
außen durch einen Tunnel des
Aktiven Zentrums zugänglich
sind. Molybdopterin ist ein mit
einem Dithiolen-phosphat substituiertes Pteridin, das das Metall (MoVI, aber auch WVI) in einem bis-Chelat bindet. Der Phosphatrest kann und ist in vielen
Fällen mit einem Adenin-, Guanin-, Inosin- oder Cytosin-Nukleotid zu einem Molybdopterin-Dinukleotid verknüpft. Diese Mg2+ benötigende Reaktion
mit den entsprechenden Triphosphaten geschieht durch ein
spezielles Übertragungsenzym,
MobA (22kDa). Dies zeigen C. A.
TEMPLE und K. V. RAJAGOPALAN
am Beispiel der monomeren, da-
Dimethylsulfoxid-Reduktase
von Rhodobacter sphaeroides (J. Biol. Chem. 275 (2000) 40202-40210).
Die Kristallstruktur des Enzyms
(M. W. LAKE, C. A. TEMPLE, K. V. RAJAGOPALAN, H. SCHINDELIN, I.c.
40211-40217) zeigt α/β-Architektur mit einer Rossman-Faltung
der N-terminalen Halbdomäne,
die dem Sporulierungsenzym
SpsA von Bacillus subtilis, einer
NukleosiddiphosphatzuckerTransferase, auffallend ähnelt.
Was das Begleitprotein MobB
(19kDa) tut, ist unbekannt; die
Holoenzymbildung fördert es
nicht. Ebenfalls unbekannt ist,
wie das Molybdän durch ein
Gephyrin-Isoprotein (G. FENG, H.
TINTRUP, J. KIRSCH, M. C. NICHOL,
J. KUHSE, H. BETZ, J. R. SANES,
Science 282 (1998) 1321-1324) be-
reitgestellt wird. Das „Brücken“Protein Gephyrin hat an den
neuronalen Synapsen die Funktion, die Transmitter-Rezeptoren zur Funktion zu bündeln,
aber bei der Moco-Synthese?
BIOspektrum . 4/01 . 7. Jahrgang
Rundschau
341
CoF-Abbau
E Die Tetrahydrofolsäure, das
Coenzym der Ein-KohlenstoffÜbertragungen, steht im Stoffwechsel, wie jedes andere Biomolekül. Bei der Rezyklisierung
geht immer ein beträchtlicher
Anteil, etwa 5%, in der Leber
durch oxidative Vorgänge verloren. Wenn es nur die Oxidation
zu Dihydrofolsääure und Fol-
Hydrophobine
hydrophobieren Titan,
hydrophilieren Teflon
E Hydrophobine sind bemer-
kenswerte oberflächenaktive
Proteine, die von Pilzen und
Farnen gebildet werden, um ihre Lufthyphen und Sporenkörper oder die Anheftungsstellen
an Oberflächen zu hydrophobieren. Sie sind etwa 100 Reste
lang, bilden monomer in Wasser
α-helikale Strukturen, die an
strategischen Stellen, je nach
Typ, kürzere oder längere Achterschleifen durch zwei mal zwei
Disulfidbrücken tragen, wodurch sie durch Parallellagerung
amphiphile Membranen ausbilden, auf der einen Seite stark hydrophil, auf der anderen stark lipophil. Die Hydrophobierung
gleicht der einer Teflonschicht.
Die zwei Klassen der Hydrophobine aus dem Basidiomyceten
Schizophyllum commune unterscheiden sich in der Löslichkeit
ihrer Aggregatmembranen. Klasse 1 ist nur in Ameisen- oder
Trifluoressigsäure löslich; Klasse 2 bereits in 60 % EtOH oder
2 % SDS. Hydrophobine lagern
auf hydrophoben Festphasen
oder an Wasser/Luft-Grenzschichten zu Stäbchen aus 4-6 Protofilamenten zu einer β-Faltblattstruktur zusammen, die auffallend in Bild, Verhalten und Färbbarkeit den Fasern von Amyloidproteinen ähnelt (hoffentlich
nicht auch in der Keimbildung).
(H. A. B. WÖSTEN, M. L. DE VOCHT,
Biochem. Biophys. Acta 1469 (2000)
79-86)
BIOspektrum . 4/01 . 7. Jahrgang
säure ist, macht das nicht viel
aus, denn diese können durch
Dihydrofolatreduktase reaktiviert werden. Anders aber ist es
mit der oxidativen Spaltung der
9
CH2-10 NH-Bindung zu Tetrahydropteridin-6-Aldehyd und
p-AminobenzoyIglutaminsäure;
dies ist ein endgültiger Verlust
für den Körper. Was katalysiert
diese Reaktionen? R. J. SUH et al.
P. J. STOVER (J. Biol. Chem. 275 (2000)
33646-33655) haben den Kataly-
sator aus Rattenleber gereinigt.
Er ist Fe-beladenes Ferritin. Fefreies Ferritin ist inaktiv. Das
24mere Protein kann an die 2000
Atome FeIII aufnehmen. Die
Reaktion, die mit Fenton-Zwischenstufe O2 zu H2O2 reduziert,
hat Burst-Kinetik und wird ohne Reduktionssystem nicht rezyklisiert. Die Zwischenstufen
sind auf dem Weg zur Folsäure
zunächst das chinoide 6,7-, dann
5,8-Dihydrofolat; bei der Spaltung zunächst das 9=10-Aldimin,
das dann hydrolysiert wird. Mutative Überexpression von Schwerketten-Ferritin in Leberzellen
vermindert folgerichtig deren
Folatgehalt. Ferritin ist also, gemeinsam mit Fe3+-Ionen und
Elektronendonatoren, ein natürlicher Regulator des Folatspiegels.
Rundschau
342
Tetra-ether-Membranlipide aus normophilen
Entmischungs-Inseln charakterisieren die
Organismen
spezifischen Eigenschaften der Zellmembran
E Hyperthermophile Organis-
E Die Flüssig-Doppelschichten
der tierischen Zellmembranen
sind alles andere als ideale Flüssigkeiten aus Phospholipiden,
Glyko(sphingo)lipiden und Steroiden. Ihre thermodynamischen
Eigenschaften lassen sich theoretisch durch ein Modell mit
„kondensierten Komplexen“ von
Cholesterin und spezifischen
Phospholipiden in spezifischer
Mischung mit endlichen Gleichgewichtskonstanten angenähert
beschreiben. Dann ergeben sich
drei Flüssigphasen: eine Phospholipid-reiche, eine Cholesterin-reiche und eine Komplex-reiche Phase. Diese bildet schwimmende Inseln („Rafts“, K. SIMONS und E. IKONEN, Science. 290
(2000) 1721 –1726) aus Cholesterin und Sphingolipiden, die für
die Funktionalität der Membran
als Signalübermittler, Sortierer
und Transporteur von größeren
Molekülen wesentlich sind. Die
Komplexe können in ModellMonolayers unterschiedlicher Zusammensetzung mit fluoreszenzmarkierter Choleratoxin B (CT-B)Untereinheit, die spezifisch am
Gangliosid GM1 bindet, kombiniert werden. Mit dieser Technik wurde von A. RADHAKRISHNAN, T. G. ANDERSEN und H. M.
MCCONNELL (Proc. Natl. Acad. Sci.
USA 97 (2000) 12422-12427; Biochemistry 39 (2000) 8119-8124) CT-
B tatsächlich ausschließlich in
den „Rafts“ gefunden. Diese bestimmen somit die chemische
Aktivität des Cholesterins und
diese wiederum rückkoppelt die
Cholesterin-Synthese und damit
die Fluidität der Membran in
nahezu gestufter Form.
1-O-Acetyl-ADP-Ribose als Produkt
der Histon-Deacetylierung
E Stark kondensiertes (Hetero)
GLANZ und J. M. DENU (Proc. Natl.
Chromatin wird nicht transkribiert. Wenn ein Gen aus einer
euchromatischen an eine heterochromatische Position rückt,
wird es stillgelegt („silenced“).
Damit zusammenhängen kann
auch die Kontrolle homöotischer
Gen-Expressionszustände. Der
Vorgang ist also grundsätzlich
und der Mechanismus der „silent information regulator“- (sir)Gene daher interessant. Man
weiß, dass er am Histon der Nucleosomen deacetylierend angreift und NAD+ braucht. K. G.
Acad. Sci. USA 97 (2000) 1417814182) haben das Reaktionspro-
TANNER, L. LANDRY, E. STERN-
dukt der SIR2-Histon-Protein
Deacetylase der Hefe identifiziert und damit deren Katalysemechanismus aufgeklärt.
Durch Angriff der Acetylgruppe von (Histon-gebundenem) εAcetyllysin auf das Oxycarboniumion der ADP-Ribose aus
NAD+ entsteht 1-O-Acetyl-ADPRibose in einer stufigen oder
konzertierten Umsetzung (bei
der als geringes Nebenprodukt
auch Histon ADP-ribosyliert
werden kann).
men sind solche, die oberhalb
60°C ihr Lebensoptimum haben.
Eine voreilige Generalisierung
hat damit die spezielle Struktur
der Ether-Membranlipide von Archaebakterien in Zusammenhang
gebracht, die vornehmlich aus
sehr lang-prenylkettigen Glycerol-dialkylglycerol-tetra-ethern
(GDGTs) bestehen. Nun zeigt
sich bei genauer Untersuchung
mit speziellen biogeochemischen
Methoden, die zunächst für die
Analyse von Bohrkernen ausgearbeitet wurden, dass solche Lipide auch von nicht-thermophilen marinen Crenarchaeonten und
Eubakterien, zum Beispiel in rezentem Torf, gebildet werden und
in der Natur sehr weit verbreitet
sind. Sie entstehen durch Kopf/
Kopf Zusammenschluss von prenoiden und nichtprenoiden Dialkylglycerol-ethern, wobei auch
vorausgesetzt werden muss, dass
sowohl typische archae- wie eubakterielle Stoffwechselwege im
gleichen (noch unbekannten) Organismus vorhanden sind.
S. Schouten et al., Proc. Natl. Acad. Sci.
97 (2000) 14421-14426
Eine Cytidindesaminase beeinflusst
Antikörperdiversität
E Die Vielfalt der Antikörper, die
von unterschiedlichen B-ZellKlonen exprimiert wird, lässt sich
auf mehrere DNA-Rekombinationsereignisse und Mutationen
zurückführen. Während der Reifung der B-Zellen im Knochenmark werden die Gene der variablen Region der Antikörper durch
somatische Rekombination verschiedener DNA-Segmente, V(D)J,
umgelagert. Werden reife B-Lymphocyten im Rahmen einer Immunantwort stimuliert, wird ein
Klassenwechsel (CSR, class switch
recombination) zwischen den Immunglobulinen durch weitere
DNA-Umlagerungen oder RNASpleißen ermöglicht. Gleichzeitig
kommt es bei Stimulierung durch
ein Antigen zu einer Modifizierung der variablen Region exprimierter Antikörper durch somatische Hypermutation. Eine Cytidindesaminase, AID (activationinduced desaminase), wird beim
Klassenwechsel einer B-Zelllinie
induziert. M. MURAMATSU et al., T.
HONJO (Cell 102 (2000) 553-563) ist
die Deletion des AID-Genes in
Mäusen gelungen. Die B-Zellen
dieser AID-/- Mäuse können interessanterweise nicht nur keine
CSR mehr durchführen; auch somatische Hypermutation findet
nicht mehr statt, was auf einen
mechanistischen Zusammenhang
zwischen beiden Prozessen hinweist. Beim Menschen tritt ein
ähnlicher Phänotyp bei Mutationen im AID-Gen auf. P. REVY et al.
(Cell 102 (2000) 565575) konnten zeigen, dass diese
A. DURANDY
Mutationen Ursachen der seltenen Immunschwäche Hyper-IgM
Syndrom (HIGM2) sind. B-Zellen
der Patienten produzieren ausschließlich Antikörper der IgMKlasse, da sie keine CSR mehr
durchführen können. Wie in den
AID-/- Mäusen findet auch keine
somatische Hypermutation mehr
statt. AID gehört zu einer Familie RNA-editierender Enzyme,
die aus Cytosin durch Desaminierung Uridin machen. Die Beteiligung eines solchen Enzyms an
zwei scheinbar verschiedenen
Prozessen wirft ein neues Licht
auf die Entstehung der Antikörpervielfalt.
A. Moreno Borchart, München
BIOspektrum . 4/01 . 7. Jahrgang
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