DIE GELIEBTE CÄSARS Grünschiefer-Büste Cäsars mit

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DIE GELIEBTE CÄSARS
BILDARCHIV HANSMANN / INTERFOTO
Grünschiefer-Büste
Cäsars mit Augen
aus Kristall, 1. Jahrhundert v. Chr.
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SPIEGEL GESCHICHTE
2 | 2012
m Ufer des Rubikon
sprach Gaius Julius Cäsar
zu seinen Getreuen: „Der
Verzicht auf diesen Übergang würde mir Unglück
bringen, der Übergang aber allen Menschen.“ Der kleine Fluss in Norditalien
markierte die Grenze zwischen der Provinz Gallia Cisalpina und Italien. Es war
der 10. Januar des Jahres 49 v. Chr.
Die politischen Gegner Cäsars hatten
drei Tage zuvor in Rom einen Senatsbeschluss bekräftigt, dass der Feldherr sein
Heer entlassen und seine Befehlsgewalt
für Gallien und Illyrien niederlegen
müsse. Erst dann könne er erneut
für das Amt eines der beiden Konsuln kandidieren, die jedes Jahr vom
römischen Volk gewählt wurden. Zudem sollte Cäsar wegen Gesetzesbrüchen angeklagt werden, die er als
Konsul zehn Jahre zuvor begangen
hatte.
Nun stand der 50-jährige Cäsar
mit seinen Vertrauten am Flussufer
und haderte. „Sind wir erst über diese Brücke gegangen“, sagte er, „muss
alles mit Waffen getan werden.“
Cäsar wusste, dass er mit dieser
Entscheidung einen Bürgerkrieg heraufbeschwor. Er tat es nicht um irgendwelcher Ideale willen – solche
besaß er nicht. Ihm ging es allein um
seine „dignitas“, seine Ehre. Und er
sprach: „Anerriphto kybos.“ Das war
Griechisch und hieß: „Der Würfel soll
geworfen werden.“ Bekannter ist die
ungenaue lateinische Version: „Alea
iacta est“ („Der Würfel ist gefallen“).
Der Mann, der den Rubikon überschritt, verhalf den Herrschern in
zahlreichen Monarchien, seien es
Kaiser oder Zaren, zu ihren Titeln. Der
Schweizer Historiker Jacob Burckhardt
nannte ihn 1848 den „in Betreff der Begabung vielleicht größten Sterblichen“.
A
vorgehalten wurde.“ Als Cäsar später seine Glatze missfiel, versuchte er sie zu
verstecken, indem er die Haare nach
vorn kämmte – und gern trug er einen
Lorbeerkranz, nachdem ihm der Senat
dies gestattet hatte.
Mit 16 Jahren heiratete Cäsar, auch
aus politischem Kalkül, die Tochter eines Führers der Popularen, einer der beiden großen Parteien. Damit brachte er
sich jedoch in Opposition zu Lucius Cornelius Sulla, der sich nach einem erfolgreichen Marsch auf Rom im Jahr 82 v.
Chr. zum Diktator erklärte. Sulla und sei-
In einem Bürgerkrieg
kämpfte sich Cäsar an die
Spitze Roms. Nachdem
er seinen Rivalen Pompeius besiegt hatte, folgte
er ihm bis nach Ägypten.
die Provinzen. An der Südküste des
Schwarzen Meeres schloss er Freundschaft mit dem König Nikomedes von
Bithynien. Bald entstand das hartnäckige Gerücht, dass die beiden eine homoerotische Beziehung pflegten. Noch 35
Jahre später sangen Cäsars eigene Soldaten: „Beide Gallien hat Cäsar bezwungen, den Cäsar jedoch Nikomedes.“ Cäsar war wohl bisexuell.
Nach Sullas Tod im Jahr 78 kehrte Cäsar nach Rom zurück und versuchte,
sich als Politiker einen Namen zu machen. Er klagte politische Konkurrenten
an und hielt öffentliche Reden. Weil
er von Anhängern Sullas immer
noch angefeindet wurde, verließ Cäsar Rom bald wieder und reiste nach
Rhodos, um in einer berühmten Rednerschule die entscheidende Fähigkeit eines Politikers noch zu verfeinern.
Doch in der Nähe von Milet fiel
Cäsar Piraten in die Hände. „Sie verlangten 20 Talente Lösegeld von
ihm“, heißt es bei Plutarch, „er aber
lachte ihnen ins Gesicht, sie wüssten
ja gar nicht, was sie für einen Fang
getan, und versprach, deren 50 anzuliefern.“
Triumphe
eines
Egomanen
Während Vertraute das Lösegeld
auftrieben, verfasste Cäsar Reden
und Gedichte, die er den Piraten vortrug. Als die Seeräuber ihn nach seinem Empfinden nicht ausreichend
bewunderten, rief er: „Was seid ihr
für ungebildete Barbaren! Ich werde
euch alle kreuzigen lassen.“
Von MICHAEL SONTHEIMER
Kaum war Cäsar freigekauft, rüstete er eine kleine Flotte aus, mit der
er einige Schiffe der Piraten kaperte
ne Unterstützer verlangten, dass Cäsar oder versenkte. Die Seeräuber, die nicht
sich von seiner Frau Cornelia trennen mehr fliehen konnten, ließ er ans Kreuz
sollte. Cäsar verweigerte sich diesem schlagen.
Ansinnen, obwohl er wusste, wie der
Zurück in Rom, rückte Cäsar für eiDiktator mit politischen Gegnern ver- nen Onkel in das Kollegium der PontiCäsar wurde in Rom geboren, am fuhr – zu Tausenden wurden deren Na- fices, der obersten Behörde der Priester,
13. Juli des Jahres 100 v. Chr. Seine Fa- men öffentlich angeschlagen, auf ihre nach, und im Jahr 73 v. Chr. errang er
milie gehörte in der Stadt zum Uradel Ermordung stand eine Belohnung, und seinen ersten Wahlerfolg: Er wurde als
und führte ihren Ursprung auf die ihre Vermögen verfielen dem Staat.
Militärtribun gewählt.
Cäsar durfte sein Amt als Priester des
Liebesgöttin Venus zurück. Vorfahren
Wie es sich für junge Patrizier in dem
hatten als Konsuln das höchste Amt der obersten Gottes Jupiter nicht antreten expandierenden Reich gehörte, sammelRepublik erreicht, doch zu den einfluss- und wurde geächtet, worauf er in die Sa- te Cäsar Verwaltungserfahrung außerreichsten Sippen zählten die Julier nicht biner Berge floh und jede Nacht das halb Roms. Er ging als Quästor, als FiQuartier wechselte. Als ihn ein Häscher nanzverwalter, nach Spanien. In Rom
mehr.
Der Schriftsteller Sueton berichtet Sullas dennoch fasste, bestach er ihn. wurde er anschließend zu einem der
von der Eitelkeit des jungen Cäsar: „So Schließlich erreichten Verwandte, die Ädile ernannt, die für die öffentlichen
ließ er sich nicht nur sorgfältig das Sullas Partei, den Optimaten, angehör- Spiele, Märkte und andere kommunale
Haupthaar schneiden und sich rasieren, ten, dass Cäsar begnadigt wurde.
Einrichtungen zuständig waren.
Da ihm Rom dennoch zu unsicher ersondern auch die Körperbehaarung entIn diesem Amt konnte Cäsar öffentlifernen, was ihm von gewissen Leuten schien, ging er im Jahr 81 als Offizier in che Bauten errichten lassen und große
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DIE GELIEBTE CÄSARS
Gladiatorenkämpfe veranstalten. Brot
und Spiele trugen wesentlich zur Popularität eines Politikers in Rom bei. Hilfreich für die Karriere war auch, die Gefolgschaft anderer Politiker zu kaufen –
Korruption war das bestimmende Element der römischen Politik.
Einer der reichsten Männer seiner
Zeit war Marcus Licinius Crassus, der
unter Sulla ein Vermögen zusammengerafft hatte. Gnaeus Pompeius Magnus
ihn die Mär von großen Perlenschätzen 19. Jahrhunderts, es sei das Schicksal der
anlockte.
Kelten gewesen, „als Gärungsstoff künfIn Gallien ging Cäsar skrupellos vor. tiger Entwicklung aufzugehen in eine
Als Führer der germanischen Usipeter staatlich überlegene Nationalität“.
und Tenkterer einwilligten, sich mit ihm
Als Feldherr und Stratege schlug Cäzu treffen, ließ er sie ermorden, ihre Sol- sar Generationen von Herrschern in seidaten niedermachen und die Zivilisten nen Bann. Der römisch-deutsche Kaiser
vom Säugling bis zum Greis umbringen. Karl V. schickte Wissenschaftler nach
Der Gallierfürst Vercingetorix ver- Frankreich, um dort die topografischen
langte Cäsar militärisch alles ab, doch Gegebenheiten von Cäsars siegreichen
die römische Belagerungstechnologie Schlachten kartografieren zu lassen. Der
Gallierfürst
Vercingetorix
legt seine
Waffen vor
Cäsar nieder
Gemälde, 1899
60
und die taktische Innovation einer mobilen Reserve, die in kritischen Situationen in die Schlacht geworfen werden
konnte, ermöglichte Cäsar, was er die
„Befriedung“ Galliens nannte.
osmanische Herrscher Sultan Süleyman
II. ließ Cäsars „Commentarii“ ins Türkische übersetzen. Mommsen schwärmte: „Was er (Cäsar) angriff und tat, war
von der genialen Nüchternheit durchdrungen und getragen, die seine innerste
Cäsars Rechenschaftsbericht über Eigentümlichkeit bezeichnet.“
Dabei waren Cäsars strategisch-milidiesen Feldzug, der das römische Imperium erheblich erweiterte, hat Gene- tärischen Fähigkeiten erst spät gefordert.
rationen von Gymnasiasten beschäftigt, Seinen Aufstieg hatte er als gewinnender
die sich am klassisch-schlichten La- Redner und Politiker begonnen.
Nachdem Cäsar das Triumvirat mit
tein von „De bello gallico“ abarbeiten
Crassus und Pompeius hatte erneuern
mussten.
Die Römer löschten unter Cäsars können, gelang es ihm, seine StatthalterFührung ein Drittel der waffenfähigen schaft in Gallien zu verlängern und sein
Bevölkerung Galliens aus, ein weiteres Heer zu vergrößern. Als Crassus Cäsar
Drittel verkauften sie in die Sklaverei. nacheifern und sich als Feldherr unDer italienische Cäsar-Biograf Luciano sterblich machen wollte, fiel er im Jahr
Canfora nennt die Unterwerfung und 53 v. Chr. bei einem desaströsen Feldzug
Romanisierung der Kelten einen „erbar- gegen die Parther in Syrien.
Nun bildete Cäsar mit Pompeius, der
mungslosen Völkermord“.
Er kann sich dabei auf Plinius den Äl- Statthalter in Spanien war und zum alteren stützen, der schätzte, dass 1,2 Mil- leinigen Konsul bestimmt wurde, ein Dulionen Gallier den Tod fanden. Der deut- umvirat. Das alte Einvernehmen aber
sche Historiker Theodor Mommsen, der schwand dahin. Je mehr sich Pompeius
Cäsar verherrlichte, schrieb Mitte des von den Popularen, der Partei Cäsars, zu
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UNITED ARCHIVES / MAURITIUS IMAGES
war der erfolgreichste Heerführer. Mit
diesen beiden Männern schloss Cäsar
ein geheimes Abkommen, ein Triumvirat. Laut Sueton vereinbarten sie, „dass
nichts im Staate geschehen sollte, was
einem der drei missfiele“.
Das Bündnis mit derart potenten Politikern löste jedoch nicht Cäsars größtes
Problem. Er hatte sich hoch verschuldet,
auch um erfolgreiche Kampagnen für seine Wahl zum Konsul und zum Pontifex
Maximus, dem ranghöchsten Priester
und Aufseher über die Vesta-Priesterinnen, führen zu können. Die Ernennung
zum Statthalter der gallischen Provinzen
im Jahr 59 v. Chr. kam ihm deshalb wie
gerufen.
Den blutigsten Eroberungskrieg der
gesamten römischen Geschichte, den in
Gallien, führte Cäsar in den folgenden
Jahren nicht zuletzt, um seine zerrütteten Finanzen zu sanieren. Als der Römer
nach Siegen gegen die Helvetier, die Belger, Veneter und andere keltische Stämme mit nur zwei Legionen nach Britannien übersetzte, tat er dies auch, weil
den Optimaten bewegte, umso mehr
drängte Cäsar danach, Konsul zu werden. Mit dem Gold, das er den Galliern
abpresste, kaufte er sich politische Unterstützung zusammen. Als „Höllenmeute“ schmähte Cicero einmal diese Parteigänger. „Alles, was in Italien nichts
taugt“, sei unter ihnen.
Der berühmte Redner betrachtete Cäsars Ambitionen immer skeptischer. Er
fürchtete, dass dieser die Alleinherr-
so schnell auf Rom vor, dass Senatoren
und Beamte Hals über Kopf flohen. Er
schloss die beiden amtierenden Konsuln
ein, veranstaltete aber kein Strafgericht
über sie, sondern ließ sie ziehen. Sein
einstiger Partner Pompeius und dessen
Truppen zogen sich nach Griechenland
zurück.
Cäsars Versuch, Cicero, den legendären Redner der Republik, für sich zu
gewinnen, scheiterte allerdings. Als
Die Zerstörung der Republik sollte
nach Recht und Gesetz erfolgen.
schaft anstrebte. Wie Cicero erging es
der Mehrheit der Senatoren in Rom.
Cäsar versuchte gleichwohl, einen
Kompromiss mit seinen Gegnern zu finden. Er bot an, auf Gallien zu verzichten,
wenn ihm Illyrien und zwei Legionen
blieben. Seine Gegner sahen das Angebot als Zeichen der Schwäche und lehnten es ab. Der Senat beschloss, dass Cäsar den Befehl über seine Truppen abzugeben habe. Anderenfalls gälte er als
Staatsfeind.
Am 7. Januar des Jahres 49 v. Chr. verhängte der Senat den Belagerungszustand und übertrug Pompeius das Kommando über Rom. Cäsar glaubte, alles
getan zu haben, um legal an die Spitze
der Republik zu kommen. Jetzt wählte
er den Weg der Gewalt.
Nach der Überquerung des Rubikon
setzte er das wichtigste Mittel erfolgreicher Feldherren ein – die Geschwindigkeit. Er marschierte mit seinen Truppen
überzeugter Republikaner sah Cicero in
Cäsar den kommenden Diktator und
schloss sich Pompeius und der Mehrheit des Senats an. Cäsar plünderte in
Rom die Staatskasse: 45 000 Goldbarren
und 30 Millionen Sesterzen. Dann zog
er nach Spanien und schlug ein Heer
des Pompeius. Er ließ sich zum Diktator ausrufen, seine Zerstörung der Republik sollte nach Recht und Gesetz erfolgen.
Der Krieg gegen Pompeius und den
Senat war indes noch schwieriger als die
Niederwerfung der Gallier. Cäsar beherrschte zwar den Westen des Reiches,
aber in Nordafrika wurde einer seiner
Heerführer vernichtend geschlagen.
Nachdem er nach Albanien übergesetzt hatte, gelang es Cäsar, erneut die
Initiative zu gewinnen. Mit seinen Soldaten schloss er Pompeius und dessen
Truppen ein. Die schafften es auszubrechen, doch ihr Kommandeur ließ sie
nicht entschlossen zuschlagen. „Heute
hätten die Feinde gesiegt“, sagte Cäsar,
„wenn sie einen Feldherrn gehabt hätten,
der weiß, wie man siegt.“
Cäsars Widersacher in Rom, die
Optimaten, waren derart siegesgewiss,
dass sie schon für die nächsten Jahre die
Posten und Güter der Anhänger Cäsars
unter sich aufteilten. Das erwies sich als
voreilig.
Als sie Pompeius aufstachelten, bei
Pharsalos im griechischen Thessalien
die Entscheidungsschlacht gegen Cäsar
zu suchen, verfügte ihr Feldherr über
mehr als doppelt so viele Soldaten wie
dessen Gegner. Doch Cäsar hatte die besseren Offiziere und schlug mit seiner
mobilen Reserve im entscheidenden Moment zu. Pompeius flüchtete nach Ägypten, wo er auf Betreiben des Königshofes
ermordet wurde.
Rund 24 000 seiner Soldaten ergaben
sich, 15 000 waren gefallen oder verwundet. „Sie wollten es so haben“, sagte der
Mann, dem der Historiker Christian
Meier, „maßlose Selbstbezogenheit“ attestierte.
Als der siegreiche Feldherr das von
Leichen übersäte Schlachtfeld inspizierte, erklärte er: „Nach so großen Taten
wäre ich, Gaius Cäsar, verurteilt worden,
wenn ich nicht bei meinem Heer Hilfe
gesucht hätte.“
Cäsar verfolgte Pompeius nach Alexandria. Als er dort Anfang Oktober 48
v. Chr. eintraf, präsentierte ihm ein
Vertrauter des Königs Ptolemäus den
einbalsamierten Kopf des ermordeten
Rivalen.
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