Heimbeatmungspflege (ausserklinische Beatmung) aus ärztlicher Sicht OA Dr. Markus STEIN Abteilung für Pneumologie Respiratory Care Unit LKH Hochzirl-Natters Standort Natters Velden, 29.09.2017 Herzlich Willkommen! Heimbeatmung • Heimbeatmung ≠ Heimbeatmung Klingt komisch? Ist aber so! Die vielen Gesichter der Heimbeatmung Das respiratorische System Lunge Atempumpe Lungenversagen Atempumpversagen • PaO2 • PaO2 • PaCO2 • PaCO2 Hypoxisches respiratorisches Versagen Hyperkapnisches respiratorisches Versagen ZNS Atemzentrum 1. Motoneuron PNS 2. Motoneuron Atempumpe Motorische Endplatte neuromuskuläre Verbindung Inspiratorische Atemmuskulatur Rippenthorax Pleuradruck Alveolardruck INSPIRATION Courtesy Wolfram Windisch ZNS Atemzentrum 1. Motoneuron PNS 2. Motoneuron Motorische Endplatte neuromuskuläre Verbindung Inspiratorische Atemmuskulatur Rippenthorax Atemantriebsstörung, z.B . Medikamente Neuromuskuläre Erkrankungen ALS, Myasthenia gravis, Duchenne Muscular Dystrophy, myopathy Mechanische Störungen Überblähung, Rippenthoraxdeformitäten Thoraxinstabilität Pleuradruck Verminderte Compliance Alveolardruck Erhöhter Atemwegswiderstand INSPIRATION Courtesy Wolfram Windisch Das respiratorische System Lunge Atempumpe Lungenversagen Atempumpversagen • PaO2 • PaO2 • PaCO2 • PaCO2 Sauerstofftherapie Mechanische Beatmung Mechanische Beatmung invasiv nichtinvasiv Indikation für Heimbeatmung • Chronisch ventilatorische Insuffizienz bei – Obstruktiven Atemwegserkrankungen – Thorakal-restriktiver Erkrankung – OHS (Obesitas-Hypoventilations-Syndrom) – NMD (neuromuscular disease) – Hoher Querschnitt 1. 3. Krankheit mit Störung der Atempumpe Symptome der Hypoventilation Chronisch Indikation für Heimbeatmung 2. ventilator. Versagen Symptome und klinische Zeichen Kabitz et al. 2007, Anonymous 1999, Mehta et al. 2001 Neuromuskuläre Erkrankungen • Ausmass und Häufigkeit der Beteiligung der Atemmuskulatur unterschiedlich • Oft Korrelation mit Grad der allgemeinen Muskelschwäche • Erstsymptom: – ALS – M. Pompe (adulte Form der Glycogenose Typ II) Neuromuskuläre Erkrankungen • Symptome der Hypoventilation und mindestens ein Befund: • Chronische Tageshyperkapnie PaCO2 ≥ 45 mm Hg • Nächtl. Hyperkapnie PaCO2 > 50 mm Hg • Anstieg des PTcCO2 um ≥ 10 mm Hg während des Schlafes • Rasche relevante Abnahme der VC Neuromuskuläre Erkrankungen • Problem Beatmungsbeginn bei Patienten mit langsam progredienter NMD • Prophylaktische Beatmung ist keine Indikation – Duchenne Patienten: verschlechterte Prognose Raphael et al, 1994 – Ausnahme: geplante WS-Korrektur, VC < 60% Soll oder FEV1 < 40% Soll Neuromuskuläre Erkrankungen • Empfehlungen: – Klinische Beurteilung und Bestimmung der VC alle 3-12 Monate, bei VC < 70% PG und PTcCO2 – NIV ist die primäre Therapieoption – Messung der Hustenkapazität und Sekretmanagement (air stacking, manuelle Hyperinflation, assistierte Hustentechniken) Trends in survival in Duchenne MD Eagle et al Neuromusc Dis 2002 Survival and lung function in MND/ALS with NIV Kleopa et al 1999 J Neurol Sci NIV use Group 1 > 4hrs Group 2 < 4 hrs Group 3 Nil Survival Gp 1: 14.2 mths Gp 2: 7.0 mths Gp 3 :3.0 mths Obstruktive Atemwegserkrankungen • Symptome der Hypoventilation und mindestens ein Befund: • Chronische Tageshyperkapnie PaCO2 ≥ 50 mm Hg • Nächtl. Hyperkapnie PaCO2 > 55 mm Hg • Stabile Tages-Hyperkapnie mit PaCO2 4650 mm Hg und Anstieg des PTcCO2 um ≥ 10 mm Hg während des Schlafes Obstruktive Atemwegserkrankungen • Stabile Tages-Hyperkapnie mit PaCO2 4650 mm Hg und mindestens 2 akute, hospitalpflichtige Exacerbationen mit respiratorischer Acidose in den letzten 12 Monaten • Im direkten Anschluss an eine akute, beatmungspflichtige Exacerbation Einleiten einer Heimbeatmung • Feststellung der persönlichen Ressourcen des Patienten – – – – Physiotherapeutischer Performancestatus Kognitive Fähigkeiten Ergotherapeutischer Übungsbedarf Prognoseeinschätzung der Grundkrankheit • Feststellung des Patientenumfeldes durch die Pflege – Humane Ressourcen: Wie viel Hilfestellung braucht der Patient (personelle Ressourcen)? Schenk et al, Nichtinvasive und invasive außerklinische Beatmung beim chronisch respiratorischen Versagen, Konsensus-Report, Wiener klinische Wochenschrift S1/2016 Einleiten einer Heimbeatmung • Feststellung des Patientenumfeldes durch die Pflege – Räumlich: Ist die Wohnumgebung für die Adaptierung der Beatmung geeignet, ist die Mobilität des Patienten gewährleistet (Lift, rollstuhlgerecht etc.)? • Finanzielle Ressourcen: Klärung des Versorgungsplans mit dem Sozialarbeiter/Entlassungsmanager in Abstimmung mit dem Pflegegeld Schenk et al, Nichtinvasive und invasive außerklinische Beatmung beim chronisch respiratorischen Versagen, Konsensus-Report, Wiener klinische Wochenschrift S1/2016 Indikation für Tracheostoma • Schwere Schluckstörungen und Aspirationen • Fehlende Sekretmobilisation trotz adäquater atemphysiotherapeutischer Unterstützung • Exzessive Sekretbildung der Atemwege • Massive gastrointestinale Überblähung • Kontinuierlicher Beatmungsbedarf • Fehlende Spontanatmung • Fixierte oder funktionelle Verlegung der Atemwege Schenk et al, Nichtinvasive und invasive außerklinische Beatmung beim chronisch respiratorischen Versagen, Konsensus-Report, Wiener klinische Wochenschrift S1/2016 Beatmungsgeräte • Leichte Bedienbarkeit (On/Off-Schalter) • Sperrfunktion • Beleuchtete Tasten oft störend • Netzunabhängige Stromversorgung • Alarme: Stummschaltung bei nicht abhängigen Patienten Beatmungsgeräte Schenk et al, Nichtinvasive und invasive außerklinische Beatmung beim chronisch respiratorischen Versagen, Konsensus-Report, Wiener klinische Wochenschrift S1/2016 Beatmungsgeräte Schenk et al, Nichtinvasive und invasive außerklinische Beatmung beim chronisch respiratorischen Versagen, Konsensus-Report, Wiener klinische Wochenschrift S1/2016 Beatmungsform Kontrolliert Assistierte Spontanatmung Druckkrontolliert Spontanatmung Volumenkontrolliert Aufbau der Atemwege Befeuchtung, Erwärmung • Bei der invasiven Beatmung Befeuchtung/Erwärmung zum Verhindern der Austrocknung der Bronchial- schleimhaut und des Eindickens von Sekret • Bei NIV vom Patienten abhängig Schenk et al, Nichtinvasive und invasive außerklinische Beatmung beim chronisch respiratorischen Versagen, Konsensus-Report, Wiener klinische Wochenschrift S1/2016 Überwachung • Pulsoxymeter – Beatmungsabhängiger Patient (> 16 h/Tag) – Invasive außerklinische Beatmung und Gefahr von Entsättigungen bei Sekretproblemen – Trachealkanüle mit fehlender Möglichkeit zur Kommunikation und Husteninsuffizienz bzw. Gefahr von Sekretobstruktionen – In Ausnahmefällen bei nichtinvasiv Beatmeten • Kapnometrie – Nicht sinnvoll Schenk et al, Nichtinvasive und invasive außerklinische Beatmung beim chronisch respiratorischen Versagen, Konsensus-Report, Wiener klinische Wochenschrift S1/2016 Sonstiges Zubehör • Absauggerät – Elektrisch + Akku – „High vacuum/high flow“ (bis mindestens 20 l/min) – Reserve mechanisch (Fußpumpe) • Inhalation – Möglichst geringe Partikelgrösse – Die applizierte Dosis sollte erhöht werden Schenk et al, Nichtinvasive und invasive außerklinische Beatmung beim chronisch respiratorischen Versagen, Konsensus-Report, Wiener klinische Wochenschrift S1/2016 Tracheostomamanagement • Epithelialisiertes Tracheostoma • Auswahl der Kanüle (high-volume, lowpressure cuffs) • Wechsel: 4-6 Wochen, abh. von Sekret • Stomapflege • Sekretmanagement • Absaugsonden sind sterile Einmalsonden • Endoskopische Kontrolle 1-2x/a Schenk et al, Nichtinvasive und invasive außerklinische Beatmung beim chronisch respiratorischen Versagen, Konsensus-Report, Wiener klinische Wochenschrift S1/2016 1 0 Transport Ethische Aspekte bzgl. Heimbeatmung • • • • Patientenautonomie Information Dauernde Betreuung Adäquate Therapie Patienten sollten Grenzen der Therapie kennen, insbesondere der Tracheotomie Patienten können ihre Meinung (oder Direktiven) jederzeit ändern Organisation • Laienhelfer • Fremdhilfe aus pflegerisch geschulten Berufsgruppen • Therapie nach Bedarf organisieren • 24-Stundenservice für alle Hilfsmittel • Nachweisliche Schulung des Patienten und der Hilfspersonen • Transfer Patient, m, geb. 1935 • Keine wesentlichen Vorerkrankungen, Raucher • 02/2002 Postinfektionsasthma, geringgradige Obstruktion • 08/2003 seit Monaten zunehmende Dyspnoe, FVC 3.89 (89 %), FEV1 2.45 (71 %), FEV1/FVC 62 %, PO2 73.8 mm Hg, PCO2 41.0 mm Hg, Dg.: COPD Patient, m, geb. 1935 • 02/2004 Verschlechterung, Spiro diskret schlechter • 09/2004 zunehmende Belastungsdyspnoe, Leistungsknick, pH 7,38, pCO2 54 mm Hg, pO2 64 mm Hg • Frage Procedere: Heim NIV, weitere Untersuchungen? Welche? Patient, m, geb. 1935 • Schlaflabor • AHI: 91.5, Anzahl der Apnoen: 65 (1 zentrale, 64 obstruktive), Dg. OSAS • pH 7.33, PCO2 64.6 mmHg, PO2 55.5 mmHg 08/2003 • Bi-PAP (Druck 13/6 mbar) • 12/2004 pH 7.32, PCO2 63.1mm Hg, PO2 61.2 mm Hg Patient, m, geb. 1935 • 02/2005 klinisch weitere Verschlechterung (Tagesmüdigkeit, Leistungsabfall) • VC 3.16 (75 %), FEV1 2.6 (76 % bzw. 82 % der FVC) • pH 7.4, PO2 72 mm Hg, PCO2 53.9 mm Hg, AaDO2 4.2, • Frage: weitere Abklärung? Patient, m, geb. 1935 • 03/2005 Diagnose ALS • 04-05/2005 Beatmungseinstellung • AVAPS (average volume assured pressure support), 12-20/8 mbar, Atemfrequenz 18, • Ziel VT 500 ml Patient, m, geb. 1935 • 12/2005 AVAPS 20-26/9 mbar, AF 18, Ziel – VT 700 ml • 02/2006 VCV • 08/2006 Letztkontakt, Hospiz Familie/ Organisation Zentrum Physio/ Ergo Sozial Arzt Pflege Diätologie Logo