Universität zu Köln, Seminar für Soziologie HS: Globalisierung und soziale Ungleichheit Leitung: Prof. Dr. Andreß Referat: Globalisierung – Was ist das? Referent: Timo Pförtner 24.10.2006 Globalisierung – Was ist das? 1. Definition und zentrale Annahmen - - eine in der Fachwelt allgemein akzeptierte Definition des Begriffs Globalisierung existiert nicht - Friedrichs definiert Globalisierung als die weltweite Vernetzung ökonomischer Aktivitäten (1997: 3). Der Prozess der Globalisierung ist nichts anderes als die Zunahme dieser Vernetzung. Zentrale Annahmen zum Prozess der Globalisierung Abhängigkeits-Annahme Die Vernetzung wirtschaftlicher Aktivitäten hat Rückwirkungen auf die hieran Beteiligten. Demnach werden Entwicklungen in einem Land stärker als je zuvor durch die Entwicklung in anderen Nationen bestimmt. Diese Vernetzung wirkt nicht nur auf die Entwicklung von Nationen, sondern auch auf Städte, Stadtteile, Haushalte und Individuen. Die Verlagerungs-Annahme Ein Unternehmen wird erst dann Verlagern, wenn es rentabel ist. Das bedeutet, dass die Kosten für Lohn und Übermittlung (Dienstleistung) bzw. Transport (Produktion) in dem jeweiligen Zielland geringer sein müssen, als die anfallenden Lohnkosten im Heimatland. Die Konzentrations-Annahme Durch die zunehmende Globalisierung bilden sich Dienstleistungszentren (sog. Global Cities), die Kontroll- und Koordinierungsaufgaben von Unternehmen übernehmen, die weltweit Standorte besitzen. So sind transnationale Unternehmen aufgrund ihrer weltweiten Präsenz gezwungen auf Dienstleistungsunternehmen zurückzugreifen, die Kontroll- und Koordinierungsaufgaben übernehmen. diese Dienstleistungsunternehmen siedeln sich vorwiegend in sog. Global Cities (nach Saskia Sassen) an. 2. Ursachen der Globalisierung a. Politische Veränderung Bretton Woods Abkommen war Grundlegend für die Zunahme der weltweiten Vernetzung ökonomischer Aktivitäten. Das von 1944 beschlossene und 1946 in Kraft getretene Abkommen sah die Errichtung des internationalen Währungsfond (IWF) und der Weltbank vor. Das Abkommen bildete zudem die Grundlage für eine neue Weltwährungsordnung mit festen Wechselkursen. Wesentliche Ziele des IWF´s ist die Förderung der internationalen Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Währungspolitik, die Beseitigung von Beschränkungen im Devisenverkehr und die Errichtung des multilateralen Zahlungsverkehrs. Aufgabe der Weltbank ist die Förderung der wirtschaftlichen Entwicklung der Mitgliedsländer und des Lebensstandards der Bevölkerung durch Erleichterung der Kapitalanlagen für produktive Zwecke, durch Förderung privater Direktinvestitionen und des Außenhandels. GATT-Abkommen Das 1947 abgeschlossene und 1948 in Kraft getretene Abkommen bildete die Grundlage für die Neuordnung des Welthandels. Das GATT (General Agreement on Traffics and Trade) – heute Welthandelsorganisation - war eigentlich nur ein multilaterales Handelsabkommen, ist aber faktisch anderen internationalen Organisationen gleichgesetzt. Wichtigste Aufgabe der GATT (WTO) waren und sind: Liberalisierung des Welthandels, Senkung der Zölle, Überwachung internationaler Handels- und Dienstleistungsregelungen, Abkommen über Eigentumsrechte, etc. Waren es zur Gründungszeit lediglich 23 Staaten, sind es derzeit 146 Mitgliedsstaaten die sich in der WTO engagieren. Paradigmenwechsel – „mehr Markt, weniger Staat“ Mitte der 80er setzte nach dem Zusammenbruch des Systems fester Wechselkurse (1973) ein allgemeiner Paradigmenwechsel ein, der sich durch die Schlagworte Liberalisierung, Deregulierung und Privatisierung charakterisierte. Durch Liberalisierung werden vorhandene nationale Beschränkungen des grenzüberschreitenden Waren-, Dienstleistungs-, Zahlungs-, und Kapitalverkehrs beseitigt, die dem freien Wettbewerb zwischen den Staaten entgegenstehen. Deregulierung verfolgt das Ziel, ineffiziente Normen und ordnungsrechtliche Vorschriften und Marktzutrittsbeschränkungen abzubauen, um für Unternehmen größere Entscheidungsspielräume zu schaffen, wirtschaftliches Wachstum zu begünstigen, etc. b. Technische Veränderungen Fortschritt in der Informations- und Kommunikationstechnologie Haben nachdrücklich den Prozess der Marktöffnung für Waren, Dienstleistungen und Geld beschleunigt, durch Innovationen im Bereich der Mikroelektronik der Telekommunikation sowie durch Methoden zur Gewinnung, Übertragung und Speicherung von Informationen. Die Entwicklungen in diesem Bereich führten unter anderem zu einer gewaltigen Erhöhung der Informationsgeschwindigkeit bei gleichzeitiger radikaler Senkung der Informationskosten. Fortschritt in der Produktionstechnologie Der Fortschritt in der Produktionstechnologie ermöglicht es Unternehmen nahezu überall in kurzer Zeit die Voraussetzung für eine planmäßige Massenproduktion zu schaffen. So wurde einerseits die Komplexität von Produktionsprozessen reduziert und andererseits Fertigungsprozeduren standardisiert. Fortschritt in der Transporttechnologie Die Entwicklungen in der Transporttechnologie begünstigt die Ausweitung der Handelsbeziehung, der weltweiten Produktion und der Inanspruchnahme ausländischer Dienstleistungen. So sind die Transportkosten und die Transportzeiten in den letzten Jahrzehnten enorm gesunken, so dass nun auch verderbliche Waren weltweit gehandelt werden können. 3. Indikatoren der Globalisierung a. Makroökonomische Indikatoren Exporte/Importe In diesem Fall können die Exporte/Importe Aufschluss über die Beteiligung am internationalen Handel eines Landes geben. Prozentuale Veränderung aber auch Volumen betrachtungswürdig Problem: Ergebnisse können je nach Studie variieren, zudem sind nicht alle Länder exakt erfasst. Welthandel Unter Welthandel wird die Gesamtheit des Warenhandels zwischen allen Ländern verstanden. Prozentuale Veränderung aber auch Volumen betrachtungswürdig Problem: Ergebnisse können je nach Studie variieren, zudem sind nicht alle Länder exakt erfasst. Handel in Relation zum Bruttoinlandsprodukt Zeigt an wie viel der im Inland erwirtschafteten Güter und Dienstleistungen importiert bzw. exportiert worden sind. b. Ausländische Direktinvestitionen und Firmenverhalten Ausländische Direktinvestitionen Ausländische Direktinvestitionen sind Kapitalanlagen eines Unternehmens im Ausland zur Gründung von oder zur Beteiligung mit unternehmerischer Verantwortung an Unternehmen, Produktionsstätten oder Niederlassungen. Steigende FDI´s (Foreign Direct Investments) sind Anzeichen für die zunehmende weltweite Verflechtung von ökonomischen Aktivitäten und gilt zudem als Indikator für die zunehmende Transnationalisierung von Unternehmen. In diesem Zusammenhang können einerseits die Ströme der ausländischen Direktinvestitionen und andererseits die Bestände der Auslandsdirektinvestitionen betrachtet (relativ/absolut) werden. Diese geben einerseits Aufschluss über die geographische Verteilung der FDI´s und über ihre generelle Entwicklung. Firmenverhalten In diesem Zusammenhang gilt es zu klären, ob Firmen zunehmend im Ausland produzieren. Dies gilt als ein weiterer Indikator für Globalisierung. Die ausländische Produktion von transnationalen Unternehmen wird durch den Umsatz der Tochterunternehmen, die im Ausland produzieren, gemessen. c. Der Finanzmarkt Entwicklung auf dem Finanzmarkt gelten im Zusammenhang mit dem Thema Globalisierung als Schlagwort und als ein weiterer Indikator. Gerade weil die am Finanzmarkt handelbaren Objekte, aufgrund der politischen sowie technischen Entwicklungen, keine nationale Grenzen mehr kennen, gelten sie als ein wesentlicher Indikator für den Globalisierungsprozess. Revolutionäre Entwicklung prägt den Finanzmarkt seit den 80er Jahren. Die am Finanzmarkt handelbaren Objekte wie Aktien, Anleihen, Derivate oder Devisen konnten seitdem einen enormen Anstieg verzeichnen. 4. Folgen der Globalisierung Transnationale Unternehmen Aufgrund des gestiegenen Wettbewerbs sind Unternehmen gezwungen ihren Betrieb auch weiterhin zu internationalisieren und sich räumlich auszudehnen. Transnationale Unternehmen sind aufgrund der erhöhten Transparenz des Marktes der Unternehmen und des Finanzmarktes stärker von den Schwankungen des Aktienmarktes und den Interessen der Anleger abhängig. Nationale Regierungen Aufgrund des erhöhten Wettbewerbs der verschiedenen Nationen untereinander um Investitionen, Arbeitsplätze und Steuern geraten nationale Regierungen zunehmend unter Druck sozioökonomische Errungenschaften abzubauen und sich anderen Staaten mit geringerem Sozialniveau anzupassen. Davon betroffen sind auch Unternehmensverbände und Gewerkschaften. Beschäftigungsstruktur Eine schwerwiegende Folge der Globalisierung stellt die Veränderung der Beschäftigungsstruktur dar, die ihrerseits zu einer Veränderung der Einkommensstruktur führt. Es findet eine Polarisierung (in industriellen Ländern) statt, bei der immer mehr Personen mit entweder sehr hoher Qualifikation oder solche mit sehr geringer Qualifikation nachgefragt werden. So wird der Lebensstil der Hochqualifizierten, durch die Geringqualifizierten garantiert. Folge: strukturelle Arbeitslosigkeit; Personen mit „mittlerer“ Qualifikation werden nicht mehr nachgefragt. Einkommen sind zunehmend ungleicher verteilt und die Armut steigt. Städte Die Verlagerung von Arbeitsplätzen sowie die Veränderung der Beschäftigungsstruktur haben vorwiegend Städte in die Krise geführt (siehe Städte des Ruhrgebiets). Durch die steigende Arbeitslosigkeit und den abnehmenden Beschäftigungsmöglichkeiten sinken die Steuereinnahmen und erhöhen sich die Belastungen für solche Städte. Ungleiche Verteilung der Einkommen, erhöhte Arbeitslosigkeit und zunehmende Armut führt zu einer Verdrängung von niedrigen Einkommensgruppen aus der Innenstadt, führt zu einer Zunahme ethnischer und sozialer Segregation und zu einer steigenden Anzahl von sog. Armutsvierteln. 5. Fazit - - In der Fachwelt existiert keine allgemein akzeptierte Definition des Begriffs Globalisierung. Ursächlich für den zunehmenden Globalisierungsprozess sind die jeweiligen Veränderungen der politischen und technischen Rahmenbedingungen, die wiederum interdependent zusammenhängen. Um Globalisierung messen können, ist es notwendig die jeweiligen Indikatoren (Handel, ausländische Direktinvestitionen, Finanzmark) zu betrachten. Von den Folgen des Globalisierungsprozess sind die verschiedensten Bereiche (Politik, Wirtschaft, Umwelt, etc.) betroffen, die bis auf den Einzelnen hinaus reichen. Literatur: - - Bundeszentrale für politische Bildung, 2004: Das Lexikon der Wirtschaft. Mannheim: Institut & F.A. Brockhaus AG. Friedrichs, Juergen, 1997: Globalisierung – Begriff und grundlegende Annahmen, Aus Politik und Zeitgeschichte, Band 33/34: 3-11. Busch, Andreas, 1999: Die Globalisierungsdebatte: Ein einführender Überblick über Ansätze und Daten. S. 13-40 in: Andreas Busch und Thomas Plümper (Hg.): Nationaler Staat und internationale Wirtschaft. Baden-Baden: Nomos. Koch, Eckhart, 2000: Globalisierung der Wirtschaft. München: Verlag Franz Vahlen. Plate, Bernhard, 2003: Grundzüge der Globalisierung, Informationen zur politischen Bildung, Nr. 280/2003: 3-6.