Einführung in die Festkörper-Thermodynamik J. Mimkes Inhalt: 1. Größen der Thermodynamik.............................................................................................. 2 1.1 Volumen........................................................................................................................ 2 1.2 Druck............................................................................................................................. 2 1.3 Temperatur.................................................................................................................... 2 2. Wärme.................................................................................................................................. 3 2.1 Konservative Kräfte....................................................................................................... 4 2.2 Nicht konservative Kräfte...............................................................................................4 2.3 Druck und Energie......................................................................................................... 5 2.4 Das totale Differential einer Funktion f(x,y)................................................................... 6 3. Temperatur als integrierender Faktor (Der 2. Hauptsatz)................................................7 4. Deutung der Entropie durch Wahrscheinlichkeit.............................................................9 4.1 Verteilung von N Kugeln auf 2 Kästchen....................................................................... 9 4.2 Verteilungswahrscheinlichkeit beim Gay-Lussac-Versuch............................................ 10 4.3 Log W als Maß der Unordnung..................................................................................... 11 4.4 Deutung der Temperatur als mittlere Energie............................................................... 12 5. Die freie Energie.................................................................................................................. 13 5.1 Temperatur und Volumen als Variablen........................................................................ 13 5.2 Wahrscheinlichkeit der Verteilung von N Kugeln auf k Kästen......................................16 5.3 Statistik mit Nebenbedingungen.................................................................................... 17 5.4 Temperatur und Druck als Variablen............................................................................. 18 5.5 Vergleich der Thermodynamischen Relationen.............................................................20 5.6 Ausdehnung und Kompression des realen Gases........................................................ 22 5.7 Phasendiagramme der homogenen Materie................................................................. 23 6. Festkörper............................................................................................................................27 6.1 Die Wärmeenergie des Festkörpers nach Debye..........................................................27 6.2 Der Druck in Festkörpern nach Grüneisen.................................................................... 28 6.3 Die Berechnung der freien Energie nach Grüneisen..................................................... 29 7. Magnetismus....................................................................................................................... 32 7.1 Paramagnetismus..........................................................................................................32 7.2 Berechnung der Magnetisierung mit Hilfe der Langevin-Funktion.................................33 7.3 Ferromagnetismus.........................................................................................................36 8. Berechnung der freien Enthalpie des Festkörpers - Modell der regulären Lösung (Bragg-Williams)............................................................. 38 8.1 Freie Enthalpie binärer Mischungen.............................................................................. 38 8.2 Phasendiagramme der heterogenen Materie................................................................ 41 8.3 Experimentelle Bestimmung der Phasendiagramme T(x)............................................. 46 1 1. Größen der Thermodynamik 1.1 Volumen (in isotroper Materie) In der Thermodynamik wird die Energie von Materie in verschiedenen Zuständen ( fest, flüssig, gasförmig, magnetisiert, etc. ) beschrieben. Dabei wird die Materie im allgemeinen als isotrop angesehen. Daher kann, statt der in der Mechanik üblichen Ortsvariablen x,y,z, in der Thermodynamik das Volumen V als Variable verwendet werden. Nur bei Einkristallen ist es notwendig, die Richtung x,y,z beizubehalten. 1.2 Druck Der Druck eines Gases, einer Flüssigkeit oder eines isotropen Festkörpers kann mit Membranen oder Druckstempeln mit einer Fläche A über die Kraft gemessen werden. p= F A [p] = 1 Pa = 1 N/m 2 In isotroper Materie stellt sich auch ein isotroper oder hydrostatischer Druck ein. Nur in Einkristallen ergeben sich richtungsabhängige axiale Drücke. Beispiel: Druck eines idealen Gases (bei konst. Temperatur) p= c V mit c = c(T ) = NkT p p × V = konst .! T2 T1 V 1.3 Temperatur 0. Hauptsatz der Thermodynamik: In der Thermodynamik existiert eine neue Zustandsgröße, die Temperatur T. Ist ein thermodynamisches System (Gas, Flüssigkeit) im Gleichgewicht, so hat es eine wohldefinierte Temperatur. a. Deutung der Temperatur Versuch: Brownsche Molekularbewegung: Temperatur ist die mittlere kinetische Energie der Moleküle: T ~ E kin = 1 mv 2 2 2 b. Direkte Messung: Definition der Temperatur über das ideale Gas: Für das ideale Gas gilt: p × V = NkT Erwärmung des idealen Gases von T0=0 C auf T1=1°C. Sei der äußere Druck p = p 0 , dann ist p 0 × V1 = NkT1 = Nk (T0 + 1°) p 0 × V0 = NkT0 Þ p 0 (V1 - V0 ) = Nk ×1° p 0 (V1 - V0 ) Nk ×1° = p 0 V0 NkT0 V1 - V0 1° = V0 T0 Bei T0 = 0°C ergibt sich a= V(1°C) - V(0°C) = 0,0036 V(0°C) a : Volumenausdehnungskoeffizient Damit folgt für T0: To = 1 1 = = 273,16K DV1 / V 0 0,0036 Die Temperatur der absoluten Kelvinskala ist also immer positiv (T > 0). c. Indirekte Messung: Die Temperatur eines Gases, einer Flüssigkeit oder eines festen Körpers läßt sich durch temperaturabhängige Eigenschaften der Materie messen, wie z.B.: - Ausdehnung der Materie: - Elektrischer Widerstand der Materie: - Thermospannung: Hg-Thermometer, Bolometer NTC-, PTC-Widerstände Thermoelemente 2. Wärme Wärme ist eine Energieform und wird in Joule gemessen. Wärme und Reibung: Wärme entsteht durch Reibung, z.B. von Elektronen im Draht DQ = P × DT Versuch: Glühender Draht 3 Wärme und Temperatur DQ = C × DT ; C: Wärmekapazität Die Wärmekapazität C ist allg. die Änderung des Wärmeinhalts eines Körpers mit der Temperatur C= dQ dT C= Für das ideale Gas ergibt sich: f Nk 2 , für feste Körper C = 3Nk Zur genaueren Definition der Wärme betrachten wir jetzt etwas genauer: 2.1 Konservative Kräfte r Für konservative Kräfte Fk gilt in der Mechanik: 2· r r ò F ds = 0 A k ·1 a) Nach dem Stokesschen Integralsatz gilt: v v v v F d s = rot F ò òò dA Aus folgt: ò Fds = 0 rot F = 0 F = -grad E b) Das Integral der Kraft verschwindet für jeden geschlossenen Weg. r r 2r r 2r r ò Fk d s = ò Fk d s1 + ò Fk d s2 = 0 1 1 r r 2r r F ò k ds1 = ò Fk d s2 2 1 1 Das Wegintegral über eine konservative Kraft ist unabhängig vom Weg, und hängt nur von den Integrationsgrenzen ab. Damit ist Fkds das totale Differential einer Funktion E. r r E 2 - E1 = ò dE = - ò Fd s dE = 2 2 1 1 oder r r ¶E ¶E dx + dy = -Fd s ¶x ¶y 4 2.2 Nicht konservative Kräfte Für nichtkonservative Kräfte r Fnk gilt in der Mechanik: 2· A r F ò nk ds ¹ 0 ·1 r r 2r r F ò nk ds1 ¹ ò Fnk d s2 2 1 1 Das Integral über nicht konservative Kräfte hängt vom Weg s ab. Im allgemeinen bestehen Kräfte aus konservativen und nicht konservativen Anteilen. F = Fk + Fnk 2.3 Druck und Energie Für den Druck p gilt: F Fk Fnk = + A A A r r r r r r F pdV = A × d s = Fk d s + Fnk d s A p= r r Fk ds führt auf die Energie -dE r r Fnk ds führt auf die Reibungswärme dQ, die dem System (Gas) verloren geht. Þ pdV = -dE + dQ Energiesatz für Systeme mit Reibungswärme: Þ dQ = dE + pdV 1. Hauptsatz Die Wärme dQ eines thermodynamischen Systems (z.B. ideales Gas) setzt sich zusammen aus innerer Energie dE und der Arbeit pdV, die das System verrichten kann. Beispiel: Die Wärme dQ des idealen Gases dQ = dE + pdV f NkT dV = NkdT + 2 V ¶ æf ö ¶ æ NkT ö Nk 0= ç Nk ÷ ¹ ç ÷= ¶V è 2 ø ¶T è V ø V Das Differential der Wärme dQ ist nicht integrabel oder nicht total! 5 2.4 Das totale Differential einer Funktion f(x,y): f ( x , y ) = x 2 y3 ¶f ¶f df = dx + dy ¶x ¶y = 2xy3dx + 3x 2 y 2dy Die gemischten 2. Ableitungen sind gleich ¶ æ ¶f ö ¶ æ ¶f ö ç ÷= ç ÷ ¶y è ¶x ø ¶x çè ¶y ÷ø ¶ ¶ 2 xy 3 = 6 xy 2 = 3x 2 y 2 ¶y ¶x ( ) ( Das Integral des Differentials Integrationsweg, ) df hängt nur von den Integrationsgenzen A und B ab, nicht aber vom B ò df = f ( B) - f ( A ) A Nicht totale Differentialformen Sei df : df eine nicht totale Differentialform, z.B.: df = 1 df = 2xy 2 dx + 3x 2 ydy y Dann sind die gemischten Ableitungen nicht gleich 4xy = ¶ ¶ 2xy 2 ¹ 3x 2 y = 6xy ¶y ¶x ( ) ( ) Das Integral einer nicht totalen Differentialform sondern auch vom Integrationsweg. Beispiel: Die Wärme dg hängt nicht nur von den Grenzen A und B ab, dQ des idealen Gases dQ = dE + pdV f NkT dV = NkdT + 2 V ¶ æf ö ¶ æ NkT ö Nk 0= ç Nk ÷ ¹ ç ÷= ¶V è 2 ø ¶T è V ø V Beispiel: Reibungswärme r r dQ = FR d r 6 Die erzeugte Wärme hängt nicht nur von den Grenzen A und B ab sondern auch vom Weg. Ein wichtiges Beispiel für nicht totale Differentialformen ist der 1. Hauptsatz der Thermodynamik. dQ = dE + pdV ist nicht integrabel, d.h. die Wärmemenge Integrationsweg. dQ hängt ab von den Grenzen A und B und vom Beispiel: Isotherme Zustandsänderung des idealen Gases dQ = (T = T0 ) NkT0 f NkdT0 + dV 2 V Q = NkT0 [ln V ]B A DQ = NkT0 ln VB VA Beispiel: Isochore Zustandsänderung des idealen Gases dQ = ( V = V0 ) f NkT NkdT + dV0 2 V0 f NkdT 2 f DQ = Nk(TB - TA ) 2 = 3. Temperatur als integrierender Faktor (Der 2. Hauptsatz) Integrierender Faktor: Durch einen integrierenden Faktor läßt sich ein nicht totales Differential Differential dg in ein totales df umwandeln. Beispiel: y als integrierender Faktor für dg df = ydg ( = y 2 xy 2 dx + 3x 2 ydy 2 ¶ ¶ 2 xy 3 = 3x 3 y 2 ¶x ¶y ( ) ( ) ) Die reziproke Temperatur ist der integrierende Faktor der Wärme läßt sich unabhängig vom Weg integrieren. dQ . Das totale Differential dS S heißt die Entropie, es gilt: dS = 1 1 dQ = (dE + pdV ) T T 2. Hauptsatz 7 Es gilt außerdem: æ ¶S ö æ ¶S ö dS = ç ÷ dT + ç ÷ dV è ¶V ø T è ¶T ø V = 1 æ ¶E 1 ¶E ö dT + ç + p ÷dV T è ¶V T ¶T ø Für die 2.Ableitung gilt: ¶ æ 1 ¶E ö ¶ æ 1 æ ¶E öö çç ç + p ÷ ÷÷ ç ÷= ¶V è T ¶T ø ¶T è T è ¶V øø 1 ¶ 2E 1 ¶ 2E 1 ¶p 1 æ ¶E ö = + - 2ç + p÷ T ¶V¶T T ¶T¶V T ¶T T è ¶V ø oder ¶p 1 æ ¶E ö ¶S = ç + p÷ = ¶T T è ¶V ø ¶V Beispiel: Der Versuch von Gay-Lussac: Volumenverdopplung des idealen Gases Beim Öffnen des Ventils vergrößert sich das Volumen des Gases von V=V1 auf V=2 V1 Dabei ändert sich die Temperatur des idealen Gases nicht, wenn das Gas langsam ausströmt. 1. Deutung: Für das ideale Gas gilt: ¶p 1 æ ¶E ö = ç + p÷ ¶T T è ¶V ø ¶E ¶p Nk NkT =T -p = T =0 ¶V ¶T V V Þ E = E(T ) E hängt nicht von V ab, d.h. E = E (T) ändert sich nicht bei Volumenänderungen. Damit ändert sich auch T nicht bei Volumenänderungen des idealen Gases. 2. Die Entropieänderung beim Gay-Lussac-Versuch a) Entropie des idealen Gases 1 1 dE + pdV T T 1f Nk = dV NkdT + T2 V ¶ 2S ¶ 2S =0= ¶T¶V ¶V¶T dS = 8 Daher ist dS integrabel und es gilt: ìf ü S = Nk × í ln T + ln V ý + S0 î2 þ b) Entropieänderung des idealen Gases bei Volumenverdoppelung: T=T0 V1=1/2*V T=T0 V2=V Vü ìf S1 = Nk í ln T0 + ln ý + S0 2þ î2 ìf ü S 2 = Nk í ln T0 + ln V ý + S0 î2 þ DS = S2 - S1 = Nk × ln 2 4. Deutung der Entropie durch Wahrscheinlichkeit 4.1. Verteilung von N Kugeln auf 2 Kästchen N Die Zahl der Möglichkeiten N Kugeln auf 2 Kästchen, l und r, zu verteilen ergibt sich aus (l + r) . ( l + r )1 = l + r Für eine Kugel gilt: N=1 1l links rechts 1r ( l + r )2 = l2 + 2lr + r2 Für zwei Kugeln gilt: N=2 1l 2 2lr l 1r 2 r 9 ( l + r )3 = l 3 + 3 l2 r + 3 l r 2 + r 3 Für drei Kugeln gilt: N=3 3 1l 2 3l r 3lr 1r Zahl aller Möglichkeiten: 2 l 3 r ( l + r )N = 2N 4.2 Verteilungswahrscheinlichkeit beim Gay-Lussac-Versuch Wir untersuchen jetzt die Wahrscheinlichkeit für die beiden Zustände des Gay-Lussac-Versuchs unmittelbar vor dem Öffnen des Ventils (t=0) und unmittelbar nach Öffnen des Ventils (t>0). Die Wahrscheinlichkeit ist definiert als: w= h ; h: Häufigkeit åh a) T=0: Die Wahrscheinlichkeit der Fälle, daß sich alle Kugeln links befinden, ist, wie wir oben N gesehen haben, immer 1. Die Summe aller Fälle ist immer 2 . Daraus ergibt sich für den Fall, daß sich alle Kugeln links befinden die Wahrscheinlichkeit: w 1 = w ( n ,0) = h1 1 å h1 2 N b) T>0: Die Wahrscheinlichkeit, daß sich die N Kugeln im gesamten Volumen befinden ist immer 1: w2 =1 Daraus folgt für das Verhältnis der Wahrscheinlichkeiten: 10 w2 1 = 1 w 1 2N Für den Logarithmus der Wahrscheinlichkeiten gilt dann: ln w2 = ln w 2 - ln w 1 = ln 2 N w1 Multipliziert man mit k, so ergibt sich: k ln w2 = k ln w 2 - k ln w 1 = Nk ln 2 w1 Der Vergleich mit der Entropieänderung beim Gay-Lussac-Versuch zeigt, daß die Entropie durch den Logarithmus der Wahrscheinlichkeit des Zustandes bestimmt ist DS = S2 - S1 = Nk ln 2 S = k ln W + S0 4.3 Log W als Maß der Unordnung DS = k log W = k ln W - k ln W0 = S - S0 W0 Beispiel: Lottospiel, 6 aus 49 Die Wahrscheinlichkeit für 6 Richtige im Lotto (6 aus 49), beträgt: 1 æ 49 ö = ç ÷ = 1 / 14.000.000 W0 çè 6 ÷ø Toleriert man n Fehler in der Lottoreihe, so erhöht sich die Gewinnchance um den Faktor W n / W 0: 0 Fehler: W 0/W 0 = 1 log(W 0/W 0) = 0 1 Fehler: W 1/W 0 = 259 log(W 1/W 0) = 2,4 2 Fehler: W 2/W 0 = 13.804 log(W 2/W 0) = 4,1 3 Fehler: W 3/W 0 = 260.624 log(W 3/W 0) = 5,4 6 Fehler: W 6/W 0 = 14.000.000 log(W 6/W 0) = 7,1 ®max. Ordnung ® Chaos log(W n / W 0) ist ein Maß für die Anzahl der Fehler in einem Spiel. Die Spielregeln begrenzen die Chancen des Spielers zu gewinnen. Je toleranter die Regeln werden, in diesem Fall je mehr Fehler zugelassen sind, desto größer die Gewinnchance. log W ist also ein Maß für die Ordnung des Spiels. Bei null tolerierten Fehlern gibt es nur eine gültige Kombination. Dieser Zustand besitzt also die größtmögliche Ordnung, d.h. die geringste Entropieänderung. Bei 6 Fehlern werden die Regeln bedeutungslos, da jede Kombination gewinnt. Dies kennzeichnet den Übergang ins Chaos. Die Entropieänderung ist hierbei maximal. 11 4.4 Deutung der Temperatur als mittlere Energie Die mittlere Energie E ist also gegeben durch: ¥ E= å Nk × Ek k =0 ¥ å Nk ¥ = N × å Ek vke k =0 ¥ N × å vke k =0 (mit E - k k BT - Ek k BT k =0 f' = ln f ' ) f E - k ö - ¶ æç kT ÷ v e k ÷ 1 çè å k ø E ¶ ¥ - k ¶ k BT kT = - 1 ln å v k e = E ¶ k BT k = 0 - k ö æ ç å v k e kT ÷ ÷ ç k ø è Dies gilt für diskrete Energien Ek. Betrachtet man eine kontinuierliche Energieverteilung, so folgt entsprechend: E=- ¥ ¶ ¶ k 1BT ln ò v( E )e - E k BT dE 0 Speziell für konstante Volumina V(E)=V0 folgt: E==== ¶ 1 k BT ¶ 1 k BT ¶ ¶ k B1T 1 k BT ln ò e - E k BT dE 0 ; mit u= E k BT ¥ ¶ ¶ ¶ ¥ ¶ ln k B T ò e -u du = 0 ln k B T ×1 = æ 1 ö ÷÷ lnçç è k BT ø Þ E = kBT Die Temperatur, bzw. kBT, läßt sich demnach als mittlere Energie der Teilchen interpretieren. 12 5. Die freie Energie 5.1 Temperatur und Volumen als Variablen Der 2. Hauptsatz läßt sich in Abhängigkeit von Temperatur und Volumen folgendermaßen schreiben: 1 1 dE(T, V ) + p(T, V )dV T T 1 ¶E 1 ¶E 1 dT + dV + pdV = T ¶T T ¶V T 1 ¶E 1 æ ¶E ö dT + ç = + p ÷dV T ¶T T è ¶V ø dS = Bei totalen Differentialen gilt ja, daß die gemischten Ableitungen gleich sind: ¶ 2S 1 ¶ 2E = = ¶T¶V T ¶V¶T 1 ¶ 2E 1 æ ¶p ö 1 æ ¶E ö = + ç ÷ - 2ç + p÷ T ¶T¶V T è ¶T ø V T è ¶V ø ö æ ¶S ö 1 æ æ ¶E ö æ ¶p ö ç ÷ = çç ç ÷ + p ÷÷ = ç ÷ è ¶T ø V T è è ¶V ø T ø è ¶V ø T Berechnung der freien Energie anhand der Entropie Aus dS(T,V) folgt also: ¶S ¶p = ¶V ¶T Diese Gleichung kann man als gemischte Ableitung des totalen Differentials - dF = SdT + pdV ¶S ¶p = ¶V ¶T auffassen. Es existiert also eine Funktion -F(T,V), deren Ableitung nach T die Entropie S und nach V den Druck p ergibt. F ist die freie Energie. Man kann F auch durch integrieren erhalten: dF = - pdV - SdT Nach dem 2. Hauptsatz ist pdV = TdS - dE , es gilt: dF = dE - TdS - SdT = dE - d(TS) = d (E - TS) Þ F = E - TS 13 Definitionen 1 æ ¶V ö ç ÷ V çè ¶p ÷ø T Kompressibilität: bT = - Kompressionsmodul: BT = 1 æ ¶p ö = -Vç ÷ bT è ¶V ø T Volumanausdehnungskoeffizient: ap = 1 æ ¶V ö ç ÷ V è ¶T ø p Wärmekapazität bei konst. Volumen: dQ = dE + pdV æ dQ ö æ ¶E ö cV = ç ÷ =ç ÷ è dT ø V è ¶T ø V P DV V Es gilt für die Ableitungen der freien Energie: 1.) p=- ¶F ¶V 2.) S=- ¶F ¶T 3.) E= ¶ æ Fö 1 ¶F 1 ¶F dT ¶F = F+ = F-T = F + TS ç ÷ = F+ 1 1 1 ¶T T¶T T ¶T d T ¶ T èTø 4.) c 1 æ ¶E ö ¶ 2F æ ¶S ö = -ç ÷ = - ç ÷ = - V 2 ¶T T è ¶T ø V T è ¶T ø V ;cV: Wärmekapazität bei konst. Volumen 5.) æ ¶ 2F ö B æ ¶p ö çç 2 ÷÷ = -ç ÷ = T V è ¶V ø T è ¶V ø T ;BT: Kompressionsmodul ¶S ¶ 2F æ ¶p ö 6.) = -a p × B T = -ç ÷ = ¶V ¶V¶T è ¶T ø a p : Volumenausdehnungskoeffizient ; Den Zusammenhang zwischen diesen abgeleiteten Größen kann man in einem “Baum” darstellen: F (V, T ) ¶ ¶ ¶V ¶T - p (V, T ) BT V - S (V, T ) ¶ ¶ ¶ ¶ ¶V ¶T ¶V ¶T - a p BT - cV T 14 Beispiel: Die abgeleiteten Größen für das ideale Gas E= Gegeben sind: f NkT NkT , p = 2 V Entropie: dS = S= 1f 1 NkT Nk dT + dV T2 T V æ f ö f Nk d ln T + Nk d ln V = Nk d lnçç T 2 V ÷÷ 2 ø è æ f ö f S = Nk lnçç T 2 V ÷÷ + S0 = Nk ln T + Nk ln V + S0 2 ø è Freie Energie: F = E - TS f æf ö NkT - Tç Nk ln T + Nk ln V + S0 ÷ 2 è2 ø f f = NkT - T Nk ln T - NkT ln V - TS0 2 2 = Kompressionsmodul: æ ¶p ö B T = - Vç ÷ è ¶V ø T æ NkT ö ¶ç ÷ 1 NkT V ø è = -V = NkT 2 V = ¶V V V BT = p Ausdehnungskoeffizient: æ NkT ö ÷÷ ¶çç 1 æ ¶V ö 1 è p øp ap = ç ÷ = ¶T V è ¶T ø p V 1 Nk Nk = pV NkT 1 ap = T = Wärmekapazität: ¶ æf ö æ dE ö CV = ç ÷ = ç NkT ÷ ø è dT ø V ¶T è 2 f C V = Nk 2 Þ 3 Nk beim einatomigen Gas 2 15 5.2 Wahrscheinlichkeit der Verteilung von N Kugeln auf k Kästen Die Zahl der Möglichkeiten, N Teilchen auf K Kästchen der Größe V zu verteilen, ergibt sich aus N der Potenzsumme von (V1 + V2 + ... + Vk ) . Ein Beispiel ist in folgender Abbildung dargestellt. Es gilt: vk = Vk V (rel. Volumen) Verteilung von 10 Kugeln auf 5 Kästchen || |||| | k=1 N1=2 v1=0,2 k=2 N2=4 v2=0,3 k=3 N3=1 v3=0,2 ||| k=4 N4=0 v4=0,1 k=5 N5=3 v5=0,2 N = 10 Kugeln sind auf K = 5 Kästchen verteilt. Dabei hat das 1. Kästchen ein rel. Volumen v1 = 0,2 und enthält N1 = 2 Kugeln 2. Kästchen ein rel. Volumen v2 = 0,3 und enthält N2 = 4 Kugeln 3. Kästchen ein rel. Volumen v3 = 0,2 und enthält N3 = 1 Kugeln 4. Kästchen ein rel. Volumen v4 = 0,1 und enthält N4 = 0 Kugeln 5. Kästchen ein rel. Volumen v5 = 0,2 und enthält N5 = 3 Kugeln. Das gesamte Volumen ist dabei gleich 1. Die Wahrscheinlichkeit, im 1. Kasten N1 Teilchen, im 2. Kasten N2 und im k. Kasten Nk Teilchen zu finden, ist allgemein gegeben durch N N 1 2 N! æV ö æV ö æV ö * ç 1 ÷ ç 2 ÷ ...ç 3 ÷ W( N1 , N 2 ,..., N k ) = N1! N 2 !...N k ! è V ø è V ø èVø Nk (1) Das Gesamtvolumen ist dabei gleich 1. Hieraus lassen sich alle Verteilungen ohne Nebenbedingungen berechnen. Speziell für den in oben gezeigter Abbildung dargestellten Fall ergibt sich W( 2,4,1,0,3) = 10! 0,2 2 0,34 0,21 0,10 0,23 2! 4!1!0!3! Als Zahlenwert ergibt sich daraus W = 0,0065 oder 0,65 %. Mit Hilfe der Stirlingformel ln N != N ln N - N (Näherung für große N) läßt sich die Funktion W in Gl. (1) umformen und es gilt ln W (N k ) = N ln N - å (N k ln N k ) + å (N k ln v k ) = Max! Das Maximum der Funktion läßt sich dann aus der Ableitung nach den Variablen Nk berechnen, ¶ ln W( N k ) = ln N - å (ln N k ) + å (ln v k ) = 0 ¶N l N k Vk = = vk N V Im statistischen Mittel enthält jedes Kästchen genau den Anteil an Kugeln, der seinem Volumen Vk entspricht. Im Falle der 10 Kugeln in Abb. 9 wäre dann die statistisch wahrscheinlichste Verteilung 16 gegeben durch N k = N × v k , also durch die Verteilung (2,3,2,1,2), entsprechen der Kastengröße. Die Wahrscheinlichkeit für diesen Fall beträgt: W( 2,3,2,1,2) = 10! 0,2 2 0,33 0,2 2 0,11 0,2 2 = 0,0131 = 1,31% 2!3! 2!1! 2! 5.3 Statistik mit Nebenbedingungen Die statische Wahrscheinlichkeit unter Nebenbedingungen behandelt man im allgemeinen wieder mit dem Kugelmodell (siehe Abb. unten). ||| || |||| E1=0 E2=1 | E3=2 E4=3 E5=4 Die speziellen Nebenbedingungen für jedes Kästchen k bezeichnet man durch Ek. Benötigt man z. B. für das k. Kästchen eine Energie Ek, dann ist die Gesamtenergie E gleich: E = å (N k E k ) Nach Lagrange gilt allgemein: L = ln W + l f ® Max! wobei f die Nebenbedingung und l der Lagrange-Faktor ist. In der Thermodynamik ist die Nebenbedingung durch die Gesamtenergie E gegeben, und der Lagrange-Parameter l wird durch die Temperatur interpretiert, l=- 1 . kT Nach Multiplikation mit kT, ergibt sich dann: kT × L = kT ln W - E ® Max! - kT × L = E - kT ln W ® Min! Der Vergleich mit der Funktion F zeigt, daß die Lagrange-Funktion L direkt mit der freien Energie zusammenhängt: F = - kT × L F = E - TS ® Min! Die (Helmholtzsche) freie Energie eines Systems im Gleichgewicht befindet sich immer im Minimum. 17 Speziell für die Verteilung von N Kugeln auf k Kästchen gilt: F = å N k E k - kT{N ln N - å N k ln N k - å N k ln v k } Das Maximum der Funktion läßt sich dann wieder aus der Ableitung nach den Variablen Nl berechnen. ¶ ln W( N k ) = ln N - ln N1 + ln v1 - b E1 = 0, ¶N l b= 1 kT E - 1 N1 = v1 e kT N Dies ist die Boltzmann - Verteilung. Im statistischen Mittel enthält jedes Kästchen genau den Anteil an Kugeln, der seinem Volumen V und seiner Nebenbedingung El entspricht. 5.4 Temperatur und Druck als Variablen In vielen Fällen kann das Volumen nicht als Variable verwendet werden, da es nicht konstant gehalten werden kann. Beispiel: - strömendes Gas: V läßt sich nicht einstellen - Festkörper: V ändert sich immer bei Änderung von T ! Eine mögliche Variable ist dann der Druck p. - strömendes Gas: p läßt sich einstellen - Festkörper: p läßt sich von außen einstellen. Beispiel: ideales Gas: V(T, p ) = NkT p Der 1. Hauptsatz mit p,T als Variablen: dQ(V, T ) = dE + pdV = dE + d(pV ) - Vdp dQ = d(E + pV ) - Vdp d(pV ) = pdV + Vdp dQ(p, T ) = dH - Vdp H heißt Enthalpie! Daraus folgt für die Wärmekapazität bei konst. Druck: æ ¶H ö æ dQ ö cp = ç ÷ =ç ÷ è dT ø p è ¶T ø p Der 2. Hauptsatz mit p,T als Variablen: Der 2. Hauptsatz läßt sich auch in Abhängigkeit von Druck p und Temperatur T schreiben: dS = 1 1 V dQ = dH - dp T T T Diese Form wird bei Strömungen und in festen Körpern verwendet, wenn V=V0 keinen Sinn mehr ergibt. Meist kann dann p=p0 definiert werden. 18 Es folgt dann dS(p, T ) = ö 1 æ ¶H 1 ¶H - V ÷÷dp dT + çç T è ¶p T ¶T ø Dies ist ein totales Differential, d.h. die gemischten Ableitungen müssen gleich sein öù ¶ é 1 ¶H ù ¶ é 1 æ ¶H = - V ÷÷ ú ê çç ê ú ¶p ë T ¶T û ¶T ë T è ¶p øû ö 1 ¶ 2 H 1 ¶ 2 H 1 æ ¶V ö 1 æ ¶H = - ç - V ÷÷ ÷ - 2 çç T ¶p¶T T ¶T¶p T è ¶T ø p T è ¶p ø ö 1 æ ¶H ¶V = - çç - V ÷÷ T è ¶p ¶T ø æ ¶S ö æ ¶V ö ç ÷ = -çç ÷÷ è ¶T ø p è ¶p ø T Berechnung der freien Enthalpie anhand der Entropie Aus dS(T,p) folgt also: æ ¶S ö æ ¶V ö ÷ = -çç ÷÷ ç è ¶T ø p è ¶p ø T Diese Gleichung kann man als gemischte Ableitung des totalen Differentials dG = Vdp - SdT ¶V ¶S =¶T ¶p auffassen. Es existiert also eine Funktion G(T,p), deren Ableitung nach T die Entropie S und nach p das Volumen V ergibt. G heißt freie Enthalpie (oder auch Gibbsche freie Energie). Analog zur freien Energie F kann man die freie Enthalpie G auch durch integrieren erhalten: dG = Vdp - SdT Nach dem 1. Hauptsatz ist Vdp = dH - TdS , also gilt wieder analog zur freien Energie F: dG = dH - TdS - SdT = dH - dTS = d (H - TS) Þ G = H - TS ® Min! 19 Es gilt für die Ableitungen der freien Enthalpie: 1.) ¶G = -S( p, T ) ¶T 2.) ¶G = V( p, T ) ¶p 3.) æ ¶ 2G ö æ ¶V ö çç 2 ÷÷ = çç ÷÷ = - V × bT è ¶p ø T è ¶p ø T ; bT cp æ ¶ 2G ö æ ¶S ö ÷ 4.) çç = = ÷ ç 2 ÷ T è ¶T ø p è ¶T ø p 5.) = 1 Kompressibilität BT ;cp: Wärmekapazität bei konst. Druck ¶ 2 G æ ¶V ö =ç ÷ = ap ×V ¶T¶p è ¶T ø p ; a p : Volumenausdehnungskoeffizient Auch hier kann man den Zusammenhang der abgeleiteten Größen als “Ableitungsbaum” darstellen: G (p, T ) ¶ ¶ ¶p ¶T V (p, T ) - S (p, T ) ¶ ¶ ¶ ¶ ¶p ¶T ¶p ¶T - V bT ap V - Cp T 5.5 Vergleich der Thermodynamischen Relationen F(V,T) ist im allgemeinen eine stetig differenzierbare Funktion in V und T, daher lassen sich auch die ersten Ableitungen p(V,T) und S(V,T) sowie die entsprechenden zweiten Ableitungen als Funktionen von T und V berechnen. In Kapitel 5.6 sind T(V,p0) und p(V,T0) für das reale Gas explizit als Funktion angegeben und graphisch dargestellt. Allerdings gelingt es in vielen Fällen nicht, V beim Ableiten von F(V,T) nach T festzuhalten, dies gilt besonders bei Flüssigkeiten, Festkörpern und in Strömungen. Daher wird F(V,T) im allgemeinen für Berechnungen verwendet, obgleich es experimentell nicht gemessen werden kann (z.B. cV nach Debye). G(p,T) läßt sich vielfach nicht explizit angeben. Dies ist für die Ableitung V(T,p) in Kapitel 5.6 dargestellt. V ist in Bezug auf T und p mehrdeutig und läßt sich daher nicht überall differenzieren. Jedoch ist G(p,T) und seine Ableitungen im Gegensatz zu F(T,V) fast immer experimentell meßbar. 20 Daher ist es beim Vergleich von Theorie und Experiment notwendig, F und G vergleichen zu können. Es gilt: G = F+ p×V H = E + p×V ap = T und V variabel T und p variabel F(T, V ) = E - TS ¶F p(T , V ) = ¶V ¶F S(T , V ) = ¶T æ ¶p ö B T = - Vç ÷ è ¶V ø T G (T, p ) = H - TS ¶G V(T, p ) = ¶p ¶G S(T , p ) = ¶T 1 æ ¶V ö ÷ bT = - çç V è ¶p ÷ø T 1 æ ¶p ö 1 æ ¶S ö ÷ ç ç ÷ = B T è ¶T ø V B T è ¶V ø T ap = 1 æ ¶V ö 1 æ ¶S ö çç ÷÷ = - çç ÷÷ V è ¶p ø p V è ¶p ø T æ ¶S ö c v = Tç ÷ è ¶T ø V æ ¶S ö c p = Tç ÷ è ¶T ø p Hieraus ergeben sich die 3 Maxwell - Relationen: S(T, p ) = S(T, V ) = S(T, V(T, p )) 1.) 2.) æ ¶S ö æ ¶S ö æ ¶V ö ÷÷ çç ÷÷ = ç ÷ çç è ¶p ø T è ¶V ø T è ¶p ø T Þ - a p × V = (a p BT ) × ( -bT V ) bT = 1 BT æ ¶S ö æ ¶S ö æ ¶V ö æ ¶S ö ç ÷ =ç ÷ +ç ÷ ç ÷ è ¶T ø p è ¶T ø V è ¶V ø T è ¶T ø p Þ cp cV + a p × BT × a p × V T T c p = c V + a 2p × B T × V × T = 3.) p(V, T ) = p 0 æ ¶p ö æ ¶p ö Þ dp = ç ÷ dV + ç ÷ dT = 0 è ¶T ø V è ¶V ø T æ ¶p ö æ ¶p ö æ ¶T ö Þ ç ÷ = -ç ÷ ç ÷ è ¶V ø T è ¶T ø V è ¶V ø p æ ¶p ö æ ¶T ö æ ¶V ö ÷÷ = -1 Þ ç ÷ ç ÷ çç è ¶T ø V è ¶V ø p è ¶ p ø T 21 5.6 Ausdehnung und Kompression des realen Gases 1. Ausdehnung: a ö aæ bö æ RT = ç p + 2 ÷(V - b ) = p(V - b ) + ç1 - ÷ Vè Vø V ø è T (van der Waals) V aP p=p1 g p=p0 p=0 aP l b V 0 b TS T ¶V = V ×ap ¶T - Freie Energie F als Grundlage - Funktion eindeutig - Freie Enthalpie als Grundlage - Umkehrfunktion mehrdeutig Während die T( V ) - Kurven für die Flüssigkeit fast identisch sind, d.h. nur schwach vom Druck abhängt, ist a gp (die Steigung der Umkehrfunktion) stärker vom Druck abhängig; die Kurve wird also steiler. 2. Kompressibilität: p(T, V ) = RT a - 2 V-b V p V T=T0 pd(T0) b 0 V b 1 ¶ 2 F ¶p = = - BT 2 V ¶V ¶V - Freie Energie F als Grundlage - p ist eindeutig in V und T 0 pd p ¶ 2 G ¶V = = - VbT ¶p 2 ¶p - Freie Enthalpie als Grundlage - V ist mehrdeutig (man nimmt im Gleichgewicht die durchgezogene Linie an) 22 5.7 Phasendiagramme der homogenen Materie Gibbsches Phasengesetz P: K: F: Sei Zahl der Phasen Zahl der Komponenten Zahl der frei wählbaren Variablen (Freiheitsgrade) Dann gilt das Gibbsche Phasengesetz P+F=K+2 1. Eine Phase in homogener Materie Mit P=1 und K=1 folgt nach Gibbs: F=2, d.h. es sind 2 Freiheitsgrade vorhanden, z.B. p und T Beispiel: reales Gas p p pC pC s TC l p1 g T1 V Beispiel: Wasser: T1 TC T P = 1, K = 1 p l F= K-P+2= 2 s g T Das thermodynamische System Wasser wird durch zwei freie Variablen bestimmt, z.B. oder ( p, T ) ( V , T ) Þ F = F( V , T ) oder G = G ( p, T ) 23 2. Zwei Phasen in homogener Materie Nach Gibbs gilt: P=2, K=1 Þ F=1 (T oder p) Beispiel: kochendes Wasser: P = 2(l, g ) , K = 1 p l s F = K - P + 2 =1 g T Die beiden Phasen Wasser und Dampf lassen sich im Gleichgewicht mit einer Variablen beschreiben z.B. gilt bei der Dampfdruckkurve: P = p T oder T = T p . ( ) () a. Phasenübergänge 1. Ordnung Beispiel: liquidus - solidus G(p0,T) Gg G(p,T0) Gl Gs Gl T0 P0 T0 T P0 P Trägt man G gegen einen beliebigen Parameter auf, z.B. T oder P, stellt sich immer die Phase ein, bei der G ein Minimum hat. In den Diagrammen sieht man, wie am Schnittpunkt von fester/flüssiger bzw. gasförmiger/flüssiger Phase ein Übergang stattfindet. Bei einem Phasenübergang 1. Ordnung ist die 1. Ableitung an einer Stelle unstetig. Für das erste Diagramm gilt (für das zweite entsprechend): æ ¶G ö æ ¶G ö T0 : ç ÷ -ç ÷ ¹0 è ¶T ø1 è ¶T ø 2 Þ Sl - Ss = DS > 0 Es gilt: dS = 1 1 dQ = (dH - Vdp ) T T In diesem Fall ist p=p0=konst., also dp=0: 24 1 1 dQ = dH T T 1 1 DS = DQ = DH T0 T0 Þ dS = Das heißt also, beim Phasenübergang erster Ordnung haben wir eine Schmelzwärme DQ bzw. DH, da sich die Entropie S an der Unstetigkeitsstelle schlagartig ändert. Ein Phasenübergang kostet also Energie, entweder um die Moleküle zu ordnen (gasförmig ® fest) bzw. die Ordnung aufzubrechen. b. Phasenübergänge 2. Ordnung Zwei Funktionen können sich auch mit gleicher Steigung schneiden: G(xi) xC xi Hier gilt dann am Schnittpunkt xC: G1 (x C ) = G 2 (x C ) ¶G 1 (x C ) ¶G 2 (x C ) = ¶x ¶x ¶ 2 G1 (x C ) ¶ 2 G 2 (x C ) ¹ ¶x 2 ¶x 2 Erst die 2. Ableitungen sind ungleich => Phasenübergang 2. Art ! Beispiel: Temperatur als Variable S G1 (TC ) = G 2 (TC ) ¶G 1 (TC ) ¶G 2 (TC ) = ¶T ¶T S1 (TC ) = S2 (TC ) Þ DS = ¶ 2 G1 (TC ) ¶ 2 G 2 (TC ) ¹ ¶T 2 ¶T 2 C1V C 2V ¹ TC TC 1 DQ = 0 TC TC T cV TC T 25 Beispiel: Phasenübergang paramagnetisch à ferromagnetisch ferromagn. paramagn. TC Es gilt: T ¶G 1 (TC ) ¶G 2 (TC ) = M1 (TC ) = M 2 (TC ) = =0 ¶H ¶H Die erste Ableitung von G nach H ist also stetig! 3. 3 Phasen in homogener Materie Beispiel : P = 3(l, g , s ) , K = 1 (Tripelpunkt) p l F=K-P+2=0 s g T Der Tripelpunkt eines reinen Stoffes hat keinen Freiheitsgrad, d.h. er liegt für jeden Stoff fest. 4. Die Berechnung der Dampfdruck – Kurve nach Clausius-Clapeyron Entlang der Dampfdruckkurve gilt: p Gg = Gl dG g = dG l dG g = Vg dp - Sg dT = Vl dp - Sl dT = dG l (V Û g - Vl )dp = (Sg - Sl )dT dp Sg - Sl = dT Vg - Vl = T (Steigung der Dampfdruckkurve bei festem T, p) 1 DQ 1 DH = T Vg - Vl T Vg - Vl 26 Þ dp 1 DH V ® , dT T Vg Vg >> Vl (z.B. Wasser Vgmol = 22,4 l , Vlmol = 0,018 l ) p dp id .Gas 1 DH V ¾¾¾® ×p dT T NkT T1 dp DH V dT = p Nk T 2 DH V 1 p ln = × p0 Nk T V ln p x p = p0e - DH V NkT x T 6. Festkörper 6.1 Die Wärmeenergie des Festkörpers nach Debye Nach Debye ergibt sich für die Schwingungsenergie des dreidimensionalen Festkörpers bei konstantem Volumen die freie Energie: Q - ö æ æQö FD (T ) = 3 NkT lnçç1 - e T ÷÷ - NkTD1 ç ÷ èT ø è ø æQö æQö D 1 ç ÷ und D0 ç ÷ sind hierbei die sogenannten Debye-Funktionen. Sie ergeben sich aus der èT ø èTø Zustandsdichte der Phononen g(w) und lauten: 3 æQö D1 ç ÷ = 3 èT ø æQö ç ÷ èT ø æQö ç ÷ èT ø ò 0 x x Q T 3 e -1 dx 3 x 4e x æQö D0 ç ÷ = dx x 3 ò 2 è T ø æ Q ö 0 (e - 1) ç ÷ èT ø mit 4 D1 ( x) = D0 ( x) + 3x e -1 x Mit der freien Energie kann man S und Cv für den Festkörper berechnen: C V ¶S ¶ 2 F 3Nk æ Q ö D0 ç ÷ = =- 2 = T ¶T T ¶T èTø Die rechte Seite des „Ableitungsbaumes“, d.h. die Ableitung nach T, läßt sich also somit problemlos berechnen. Schwierigkeiten macht dagegen die linke Seite, da wir die Volumenabhängigkeit beim Festkörper noch nicht kennen. Zur Berechnung dieser Volumenabhängigkeit kann man die Grüneisenrelation benutzen. 27 6.2 Der Druck in Festkörpern nach Grüneisen Im folgenden Graphen ist die Abhängigkeit von Cp und a p von der Temperatur schematisch dargestellt. Cp(T) ap(T) Cp ap T Schematische Abhängigkeit der spezifischen Wärme und des Wärmeausdehnungskoeffizienten von der Temperatur. Man erkennt deutlich den parallelen Verlauf beider Funktionen mit der Temperatur. Grüneisen hat diesen parallelen Verlauf für kubische Festkörper durch die Relation a p B T V = GC V beschrieben. Darin ist G der Grüneisenparameter. Die Werte des Grüneisenparameters bei 300K sind für die 18 kubischen Elemente in der Tabelle auf S.31 dargestellt. Die Relation läßt sich auch darstellen in der Form a p BT = - C ¶ 2F G ¶E = =G V V ¶V¶T V ¶T Die Grüneisenrelation läßt sich bei konstantem Volumen über T integrieren und ergibt den Druck p, wenn G konstant bzw. keine Funktion von T ist. Für den Druck ergibt sich dann p(T, V ) = G [E(V, T ) + G(V )] V Der Druck in kubischen Festkörpern hängt nach Grüneisen von der Energie E(V,T) und einer Integrationskonstanten G(V) ab. Die Bedeutung des Grüneisenparameters (siehe Ableitungsbaum F(T,V)). G ergibt sich aus dem Vergleich der 2. Ableitungen ¶2 G ¶ 2S ¶ 2p [E(V, T ) + G (V )] = = ¶T¶V ¶T 2 ¶T 2 V G ¶ 3NkD 0 (x ) = V ¶T G 1 = 3NkD¢0 (x ) Q V Aus der Gleichheit der beiden Ableitungen (totales Differential) folgt: 28 G 1 dQ =Q dV V G æV ö Q(V ) = Q 0 ç 0 ÷ , èVø V0 = V(T, p = 0 ) Damit läßt sich der Grüneisenparameter als Exponent der Volumenabhängigkeit der DebyeTemperatur verstehen. 6.3 Die Berechnung der freien Energie nach Grüneisen Aus der Gleichung für den Druck in kubischen Festkörpern - ¶F G = p(V, T ) = [E(V, T ) + G (V )] ¶V V läßt sich die freie Energie des kubischen Festkörpers durch eine Volumenintegration berechnen. Das kann allerdings nicht bei beliebigen Temperaturen erfolgen, weil wir E T , V nicht explizit kennen. Bei dieser Integration bleibt jedoch T konstant und wir können daher für T auch den Wert T=0 frei wählen. Für T>0 läßt sich dann die Funktion E T , V nach Debye berechnen. Bei T=0 gilt nun: ( ( ) ) E = F + TS ® F Die Druckgleichung des kubischen Festkörpers nach Grüneisen lautet dann: - ¶F G = [F(V ) + G (V )] ¶V V Dies ist eine lineare, inhomogene Differentialgleichung. Zur Lösung dieser DGL betrachten wir zunächst den homogenen Teil - ¶F G = F ¶V V æV ö Lösung: F = Cç 0 ÷ èVø G Für die inhomogene DGL gilt dann: æV ö F(V ) = C(V )ç 0 ÷ èVø G Durch Einsetzen ergibt sich: G ¶C(V ) G æ V ö = çç ÷÷ G (V ) ¶V V è V0 ø 29 Für G(V) wird, analog zur Debye - Temperatur æV ö G (V ) = e c ç 0 ÷ èVø Q(V ) , folgender Ansatz benutzt: d Die Integration der inhomogenen Differentialgleichungen ergibt dann für die freie Energie F(V) des kubischen Festkörpers bei T=0 die Lösung: F(V ) = E(V ) = G d e é æ V0 ö æ V0 ö ù d G ç ÷ ú ê ç ÷ G - d ëê è V ø è V ø ûú Für den Druck erhält man durch Ableitung nach V die Zustandsgleichung: G d d G éæ V0 ö æ V0 ö ù pV = e êç ÷ - ç ÷ ú d - G ëêè V ø è V ø ûú Diese Lösung der Grüneisenrelation stimmt mit der Zustandsgleichung nach Born überein: n m é ù 3 3 V V æ ö æ ö 0 0 ê pV = C ç ÷ - ç ÷ ú êè V ø èVø ú ë û Der Vergleich zeigt, daß die Parameter entsprechen. Die Bedeutung des Parameters Mit G bzw. d den Bornschen Parametern m/3 bzw. n/3 e ergibt sich aus der Energiegleichung E(V). V0 = V(p = 0) folgt für p=0, T=0: E(V0 ) = -e e ist also die Bindungsenergie des kubischen Festkörpers bei p=0, T=0. Für beliebige Temperaturen setzt sich die freie Energie des kubischen Festkörpers F(T,V) aus den Anteilen nach Debye und Grüneisen zusammen: d Q é æ V0 ö G ù - ö æ V Q e æ ö æ ö 0 T F(T , V ) = 3RT lnçç1 - e ÷÷ - RTD1 ç ÷ + êdç ÷ - Gç ÷ ú è T ø G - d êë è V ø è V ø úû è ø mit 3 æQö D0 ç ÷ = 3 è T ø æQö ç ÷ èTø æQö ç ÷ èTø ò 0 x3 dx e x -1 30 Aus der freien Energie lassen sich sämtliche thermodynamischen Funktionen berechnen, wenn die Parameter V0 , e, Q 0 , G , d des kubischen Elementes bekannt sind. Kristallstruktur Element é cm 3 ù e c V0 ê ë mol û Q 0 [K ] G d é kJ ù ê mol ú ë û G+d+2 K ¢0 k.r.z. Li Na K 12.71 22.60 43.28 158 107 90 344 158 91 0.86 1.16 1.38 1.20 1.36 1.38 4.06 4.52 4.10 3.52 4.2 4.21 k.f.z. Cu Ag Au Ni Pd Pt Fe Nb Ta Al Pb 7.04 10.145 10.105 6.55 8.82 9.02 7.05 10.811 10.827 9.87 17.88 336 284 368 428 376 564 413 730 782 327 196 343 225 165 450 274 240 470 275 240 428 105 2.03 2.48 3.05 1.82 (2.33) (2.58) 1.69 1.61 1.64 2.30 2.70 1.49 1.61 1.66 1.60 (1.93) (1.80) 1.74 1.61 1.64 1.10 1.67 5.52 6.09 6.71 5.42 (6.26) (6.38) 5.43 4.23 4.25 5.40 6.37 5.48 6.12 6.43 5.5 5.42 5.2 5.29 4.06 3.79 4.85 5.53 Ne Ar Kr Xe 13.39 22.56 27.10 34.73 1.92 7.74 11.2 15.9 75 92 72 64 2.71 2.86 2.75 2.72 2.92 3.07 3.00 2.96 7.63 7.93 7.75 7.68 9.2 7.2 5.9 7.69 k.f.z. k.r.z. k.f.z. k.f.z. k.r.z. Die folgenden Diagramme zeigen die Übereinstimmung experimentell bestimmter Meßreihen mit den aus F(T,V) berechneten Funktionen V , a p , C p , K T , K ¢0 für zwei kubische Elemente aus unterschiedlichen Gruppen des Periodensystems, Aluminium und Xenon: V: Volumen a p : Volumenausdehnungskoeffizient 31 CP: Wärmekapazität bei konst. Druck KT: Kompressionsmodul K 0¢ : Druckabhängigkeit des Kompressionsmoduls: 7. Magnetismus 7.1 Paramagnetismus Eine weitere wichtige Größe im Festkörper ist das Magnetfeld. Die freie Energie des Festkörpers ist nicht nur von T und V abhängig, sondern auch vom Magnetfeld H. F(T , V, H ) = E(T, V, H ) - TS = - NkT ln ò e - Em kT dW Die Energie eines magnetischen Dipols mit dem magnetischen Moment m ist im magnetischen Feld H: r v E1 ( H ) = -m × H = -m × H × cos Q1 32 33 E H Q m p Q Die magnetischen Momente stellen sich parallel zum magnetischen Feld H, da die magnetische Energie bei Q=0 ein Minimum hat. In einem paramagnetischen Stoff stellen sich die N magnetischen Dipole in viele Richtungen cos Q i und es gilt für die Magnetisierung des Stoffes durch das äußere Feld H: E = - N × m × H × cos Q = -M × V × H M= N m × cos Q = n × m × cos Q V Die Magnetisierung ergibt sich als Mittelwert aller magnetischen Momente. 7.2 Berechnung der Magnetisierung mit Hilfe der Langevin-Funktion Paramagnetismus: Magnetisierung M und freie Energie F Die freie Energie F des Festkörpers im Magnetfeld: F = E - TS = - MVH - TS läßt sich aus der Summe der möglichen Energiezustände Ei berechnen: F = - NkT ln å e - Ei kT (bei diskreter Energieverteilung) i F = - NkT ln ò e mH cos Q kT dW (bei kontinuierlicher Energieverteilung) Die Magnetisierung M ergibt sich aus: M=- 1 ¶F × V ¶H N ¶ = kT × ln e V ¶H òò m H×cos q kT sin Q × dQ × dj 1 = nkT × m cos Q 2p × ln ò ×e kT -1 1 2p × ò e mH×cos Q kT mH×cos Q kT × d cos Q × d cos Q -1 1 = nm × ò cos Q × e -1 1 òe mH×cos Q kT mH×cos Q kT × d cos Q × d cos Q -1 34 Dieser Quotient entspricht aber gerade dem Mittelwert des cos Q, der sich ausdrücken läßt durch die Langevin-Funktion L(a); denn es gilt: 1 cos Q = x = ò x ×e ax dx -1 1 òe ax dx 1 1 é e ax ù d d = × ln ò e ax dx = × ln ê ú da ë a û -1 da -1 -1 e a + e -a 1 d a -a = × ln e - e - ln(a ) = a da e - e -a a 1 = coth(a ) - = L(a ) a [ ( a= mit ) ] mH ; kT Somit ergibt sich also für die Magnetisierung M: æm×Hö M = n × m × Lç ÷ è kT ø L(a)=cotha-1/a Da der mittlere Kosinus nie größer als 1 werden kann, ergibt sich für die Magnetisierung M ein Sättigungswert bei nm . Dieser tritt ein, wenn sich alle Elementarmagnete nach dem äußeren Magnetfeld ausgerichtet haben. 1,0 0,8 0,6 0,4 0,2 vgl. Curie-Gesetz 0 1 2 3 4 5 6 a=mH/kB T Die Langevin-Funktion 35 Beispiel: Magnetisches Moment von Alaunen Bei Alaunen ist der Paramagnetismus an die Elektronen mindestens einer der Ionen, aus denen die Verbindung besteht, gebunden. Nur die paramagnetischen Ionen reagieren (näherungsweise) auf ein magnetisches Feld, sie beeinflussen aber den Rest des Kristalls und können daher nicht getrennt betrachtet werden. Für das magnetische Moment m gilt: m = g × mB × J mit J = L+S Hierbei ist J der Betrag des Gesamtdrehimpulses, der sich aus den Bahndrehimpulsen L und den Spindrehimpulsen S zusammensetzt. Für Alaune gilt: L=0. g ist der Landé-Faktor und beträgt bei Alaunen 2. Daraus folgt: m = 2 × mB × S Þ M(T ) æ mH ö = 2 × S × Lç ÷ n × mB è kT ø 36 Curie-Gesetz: Für kleine a oder für werden: mH << k B T kann die Langevin-Funktion linear angenähert ö 1 æ 1 a a3 1 + ... ÷÷L L(a ) = coth a - = çç + a è a 3 45 a ø a Þ L(a ) = 3 Daraus folgt für die Magnetisierung: 1 mH nm 2 M (T ) = n × m × = H = c(T ) × H 3 k B T 3k B T Die Magnetisierung des Paramagneten ist also annähernd proportional zum anliegenden Magnetfeld. Für die Suszeptibilität folgt: c(T ) = nm 2 C = 3k B T T Curie-Gesetz der Suszeptibilität Die Suszeptibilität ist also nur von der reziproken Temperatur abhängig. Die Curiekonstante C ist eine materialabhängige Konstante. 7.3 Ferromagnetismus Bei einem Ferromagneten stellt sich ein magnetisches Moment auch ohne äußerem Feld ein. Es gibt eine Wechselwirkung zwischen den einzelnen Dipolen, so daß sich diese alle in eine Richtung einstellen. Dieser Wechselwirkung steht die Wärmebewegung entgegen. Bei höheren Temperaturen geht die ordnende Tendenz im Ferromagneten verloren. Oberhalb einer gewissen Temperatur TC (Curietemperatur) wird die Wärmebewegung stärker als die Ausrichtung der Dipole, der Magnet geht dann in den paramagnetischen Zustand über. Bei der Berechnung der Magnetisierung eines Ferromagneten muß man also neben dem äußeren Feld H das innere Feld H i = lM berücksichtigen. l ist dabei eine von der Temperatur unabhängige Konstante. Daraus ergibt sich für die Magnetisierung M: æ m ö M = n × m × Lç ( H + H i ) ÷ è kT ø æ m = n × m × Lç (H + lM )ö÷ = n × m × L(a + b) è kT ø Dies ist der sogenannte Mean-Field Ansatz. Um nun die Magnetisierung M zu berechnen, wollen wir den Ferromagneten zunächst ohne äußeres Feld (H=0 bzw. a=0) betrachten: M æ mlM ö = Lç ÷ = L(b) n ×m è kT ø 37 kT mlM æ mlM ö × = Lç ÷ 2 nm l kT è kT ø kT Y2 (b) = 2 × b = L(b) = Y1 (b) nm l Man hat also zwei implizite Gleichungen, Y1 und Y2, deren Schnittpunkte die Lösung angeben. Löst man diese Gleichung graphisch, so erhält man: Y1,Y2 =L(b) M/nm Y2(b)T2 Y2(b)T1 Y1 Tc Ferromagn. T2 M =- T1 b 0 T1 T2 Paramagn. TC T ¶F ist die 1. Ableitung von F. ¶H M(T) geht für T ® TC stetig gegen Null und bleibt Null in der paramagnetischen Phase. Erst die zweite Ableitung von F ist unstetig, daher ist der Übergang Ferro- Paramagnetismus ein Übergang 2. Ordnung. Legt man nun ein äußeres Magnetfeld an, so wird die Langevin-Funktion zu L(a + b) Þ mH ö æ Lç b + ÷ kT ø è Ist das innere Feld Null und wird dann ein äußeres Feld angelegt, so erhält man die Neukurve. Wird dann das äußere Feld wieder verringert, so bleibt aufgrund der ferromagnetischen Eigenschaften das Material magnetisiert (Remanenz). Um diese Magnetisierung aufzuheben ist ein Gegenfeld nötig (Koerzitivkraft). Daraus ergibt sich schließlich die Hysteresekurve. B Remanenz Neukurve H Koerzitivkraft Hysteresekurve des Ferromagnetismus 38 8. Berechnung der freien Enthalpie des Festkörpers Modell der regulären Lösung (Bragg-Williams) Für heterogene Systeme ist die freie Enthalpie von der Temperatur T, Druck p und vom Verhältnis x beider Komponenten abhängig: G = G (T, p, x ) mit x= NB (Anteil einer Komponente ,z.B. B ) NA + NB G = H - T ×S 8.1 Freie Enthalpie binärer Mischungen Es gilt: G (T, p, X ) = H(T , p, X ) - T × S(T, p, X ) = G (T , p,0) + DH T ,p (x ) - T × DS(x ) Mischenthalpie Mischentropie 1. Mischentropie Die Entropie eines binären Systems (z.B. die Mischung aus A und B) beträgt S = (1 - x ) × S A + x × S B + DS(x ) Sie enthält den Anteil der Entropien für die beiden Komponenten und außerdem einen Anteil DS, der in den Entropien der einzelnen Komponenten nicht enthalten ist. Die Mischentropie entsteht, wenn Atome der verschiedenen Komponenten ihre Positionen vertauschen und so neue Zustände entstehen. Die Zahl der Möglichkeiten, NA Atome der Sorte A und NB Atome der Sorte B auf N=(NA+NB) Plätze zu verteilen, ergibt sich aus der Kombinatorik: W (N A , N B ) = 1 N! × , N 2 NA !NB! Unter Zuhilfenahme der Stirlingschen Formel für große N; ln N! = N ln N - N folgt für die Mischentropie: DS(x ) = k × ln W (N A , N B ) [ ] = k ln N!- ln 2 N - ln N A !- ln N B ! = - Nk[x ln x + (1 - x )ln(1 - x )] = N × Ds(x ) Ds(x) kln2 0 A X 1 B 39 Bei einem Mischungsverhältnis von 0 bzw. 1 ist die Steigung unendlich, d.h. von der freien Energie her ist es sehr schwierig, absolut reine Materialien zu bekommen. 2. Mischenthalpie: Ein Festkörper mit den Komponenten A und B sei wie folgt aufgebaut: A B B A A B Für die Gesamtbindungsenthalpie H ergibt sich: H = (N A w A × h AA + N A w B × h AB + N B w A × h BA + N B w B × h BB ) NA = 1- x N N wB: Wahrscheinlichkeit, daß Atom B der Nachbar ist, w B = B = x N wA: Wahrscheinlichkeit, daß Atom A der Nachbar ist, wA = Wenn hAB und hBA gleich sind, folgt: éN ù N N æN ö H = N ê A w A h AA + ç A w B + B w A ÷ h AB + B w B h BB ú N N è N ø ë N û 2 2 Þ H = N (1 - x ) × h AA + 2 x × (1 - x )× h AB + x × h BB H Þ h = = h AA × (1 - x ) - x × (1 - x ) × (h AA + h BB - h AB - h BA ) + x × h BB N Þ h = h AA + (h BB - h AA )× x + (h AB + h BA - h AA - h BB ) × x × (1 - x ) [ ] e Die Energie e gibt an, um wieviel die Bindungsenergie zwischen ungleichen Nachbarn höher liegt als zwischen gleichen. Dabei bedeutet ein negatives e, daß die Bindung ungleicher Nachbarn höher ist (Überstruktur bzw. Antiferromagnetismus), ein positives e bedeutet, daß die Bindung gleicher Nachbarn bevorzugt wird (Ausscheidung oder Ferromagnetismus). Zu beachten ist, daß die Enthalpien in der Physik stets negativ sind. h (x ) = h AA + (h BB - h AA )x + e × x (1 - x ) e>0: Segregation (z.B. AuPt) 1,2 1 0,8 h(x) 0,6 0,4 0,2 0 0 0,5 1 x 40 e=0: Integration (z.B. CuNi) 0,5 0,4 0,3 0,2 0,1 h(x) 0 -0,1 -0,2 -0,3 -0,4 -0,5 0 0,5 1 x e<0: Partnerschaft (z.B. NaCl) 0 -0,2 0 0,5 1 -0,4 h(x) -0,6 -0,8 -1 -1,2 x 3. Freie Enthalpie der Mischung Die freie Enthalpie setzt sich aus den Anteilen der Mischenthalpie und der Mischentropie zusammen: g = h - T ×S g(x ) = h AA + (h BB - h AA )x + e × x (1 - x ) + kT[x ln x + (1 - x )ln(1 - x )] Die freie Energie wird im folgenden für die verschiedenen e dargestellt. Aufgrund T>0 kommt es zu vereinzelten Störungen im Kristallgitter. e>0 (T>0): leicht gestörte Segregation g(x) 0,02 0,01 0 0 0,2 0,4 0,6 0,8 1 x 41 e=0 (T>0): Integration 0 0 0,2 0,4 0,6 0,8 1 g(x) -0,1 -0,2 -0,3 x e<0 (T>0): leicht gestörte Partnerschaft 0 0 0,2 0,4 0,6 0,8 1 g(x) -0,1 -0,2 -0,3 x 8.2 Phasendiagramme der heterogenen Materie Gibbsches Phasengesetz Sei P: K: F: Zahl der Phasen Zahl der Komponenten Zahl der frei wählbaren Variablen (Freiheitsgrade) Dann gilt das Gibbsche Phasengesetz P+F=K+2 1. Eine Phase in heterogener Materie Nach dem Gibb’schen Phasengesetz gilt in homogenen, binären Systemen: F=K-P+2=3 Man hat also 3 Freiheitsgrade: den Druck p, die Temperatur T und den Anteil x der Komponente B. In der Praxis hält man eine Variable konstant (meist p = p0 ), damit man nur mit 2 Variablen rechnen muß (T, x). Natürlich gilt auch hier: 42 g(x ) = h AA + (h BB - h AA )x + e × x (1 - x ) + kT[x ln x + (1 - x )ln(1 - x )] Die Bedingung für das Einnehmen einer bestimmten Phase ist ein Minimum für G, d.h. die 1. Ableitung von g(X) muß gleich Null sein. Daraus folgt: 0= ¶g = e(1 - 2 x ) + kT[ln x - ln(1 - x )] ¶x nach T(x) aufgelöst ergibt sich: T(x ) = - e(1 - 2x ) ³0 k[ln x - ln(1 - x )] Diese Formel gilt nur für e>0, da die Temperatur nur positive Werte annehmen kann. Aufgetragen in einem Diagramm erhält man folgende Kurve, an der man ablesen kann, welche Temperatur mindestens nötig ist, um ein ideales Gemisch zu erhalten. Dabei verschiebt sich die Lage der Minima im Graphen der freien Enthalpie mit der Änderung der Temperatur: Aus diesen läßt sich das Phasendiagramm konstruieren: g(x) T1 T2 0 0,2 0,4 0,6 0,8 1 x 0,2 0,4 0,6 0,8 1 x T(x) T2 T1 0 43 Beispiel: Gold-Platin-Gemisch 1400 1200 T(x) 1000 [°C] 800 600 0 0,2 A 0,4 0,6 x 0,8 1 B Au-Pt Legierung: Phasendiagramm T(x) einer Gold-Platin bei To = 1000°C als Funktion des Platingehaltes x. Entlang der Kurve T(x) ist die Legierung ideal gemischt, die Oberfläche (links) ist hell und weitgehend homogen. Unterhalb der Kurve zerfällt die Legierung in eine helle gold- und eine dunkle platinreiche Phase. Die Oberfläche ist inhomogen (rechts). 44 Für e<0 (Ordnung), also wenn die Bindung zwischen ungleichen Nachbarn höher ist, liefert die Formel ¶g = e(1 - 2x ) + kT[ln x - ln(1 - x )] = 0 ¶x zwei Lösungen: a) T<0 ,offensichtlich keine Lösung, da T<0 nicht existiert b) x= ½ für alle T Beispiel: Zustandsdiagramm von Galliumarsenid 45 2. Zwei Phasen in heterogener Materie Für P=2, K=2 gibt es nach Gibbs 2 Freiheitsgrade, z.B. x und p. Hält man nun p konstant (p=p0), so läßt sich aus den freien Enthalpien g(x) der einzelnen Phasen das Phasendiagramm konstruieren. a) liquidus und solidus: e=0 g T l Tschmelz,B T=T1 T1 s s Tschmelz,A l xs xl A B xl A xs B Im ersten Diagramm sind die freien Energien der festen (solidus) und der flüssigen (liquidus) Phase einer bestimmten Temperatur aufgetragen. Diese schneiden sich bei einer bestimmten Zusammensetzung x. Nun wird eine gemeinsame Tangente angelegt, die den Weg der minimalen freien Enthalpie beschreibt. Somit lassen sich drei Bereiche definieren: x<xl, xl<x<xs und x>xs. Im ersten Bereich x<xl ist das System eine homogene Flüssigkeit, im dritten Bereich x>xs ein homogener Festkörper. Im mittleren Bereich besteht das System aus einem Zweiphasengemisch. Das Phasendiagramm wird aus den jeweiligen Kurven der freien Enthalpien für die verschiedenen Temperaturen konstruiert. b) liquidus: e=0, solidus: e>0 g T l T=T1 T1 s s l A 1 2 3 4 5 6 B A 1 2 3 4 56 B Hierbei lassen sich mehrere Tangenten anlegen, da die Solidus-Kurve aufgrund e>0 zwei Tiefpunkte hat. Daraus läßt sich wiederum das Phasendiagramm konstruieren. Dabei geben die Tangenten zwischen Solidus und Liquidus-Kurve (1,3 und 4,6) die beiden Mischbereiche an, die Tangente an den Tiefpunkten der Solidus-Kurve (2,5) den Bereich der festen Phase. 46 8.3 Experimentelle Bestimmung der Phasendiagramme T(x) Wird nun ein binäres System mit Komponenten A und B betrachtet, so lassen sich experimentell folgende Möglichkeiten der Mischbarkeit unterscheiden: a. b. c. d. A und B flüssig und fest mischbar (ideal) A und B flüssig und fest nicht mischbar A und B flüssig mischbar, fest nicht mischbar A und B flüssig mischbar, fest beschränkt mischbar a. Flüssig und fest ideal mischbar A 2/3A +1/3B 1/3A +2/3B In diesem Bereich liegt keine Phase vor, es tritt Entmischung in die entsprechenden Anteile Schmelze und Mischkristall auf (2-Phasengebiet) B T T TSA liquidus T l+s TSB solidus t 0 100% A 1/3 2/3 X 1 100% B Abkühlungskurven und Zustandsdiagramm Beim Erstarren der Schmelze bleibt der Lösungszustand voll erhalten und es bilden sich Mischkristalle. Im 2-Phasengebiet tritt Entmischung auf, wobei sich die Konzentration der jeweiligen Komponenten in der Schmelze und im Mischkristall ändert. Ein Beispiel sind Legierungen auf Nickel-Kupfer-Basis (z.B. Konstantan). b. Flüssig und fest nicht mischbar Hierbei sind die Komponenten erst im Gaszustand mischbar (z.B. Eisen-Blei). An der gestrichelten Linie kann man allerdings erkennen, daß für sehr hohe Konzentrationen von Fe bzw. Pb eine Mischung möglich ist, wenn die entsprechende Komponente in der flüssigen Phase vorliegt. 47 Eine Verbindung derartiger Materialien kann aber z.B. durch Verpressen von Pulvern und anschließendes Sintern erzeugt werden. c. Flüssig mischbar und fest nicht mischbar Das folgende Bild stellt die Abkühlungskurven und das Zustandsdiagramm für das System WismutCadmium dar. Darunter ist schematisch das Legierungsgefüge für die unterschiedlichen Konzentrationen abgebildet. Betrachtet man die Abkühlung einer Legierung mit 20% Cd (Kurve b), so trifft man bei 200°C auf die Liquiduslinie. Ab hier kristallisieren sich reine Wismutkristalle, weshalb in der Restschmelze der Cd-Gehalt ansteigt. Man läuft also die Liquidusline in Pfeilrichtung entlang bis zum eutektischen Punkt E, an welchem die eutektisch zusammengesetzte Restschmelze als Ganzes erstarrt. Das entstandene Gefüge (Bild b) besteht also aus reinen Wismutkristallen, die von einem Eutektikum umhüllt sind, welches seinerseits aus einem fein verteiltem Gemenge von Bi- und Cd-Kristallen in einem Mischungsverhältnis von 40% Cd und 60% Bi besteht. d. Flüssig mischbar und fest beschränkt mischbar p=p0 T l l+sa l+sb sa sb sa+sb 0 A ½ x 1 B 48 Diese Phasendiagramm ist im wesentlichen mit dem obigen identisch. Bei diesen Mischungen werden aber bei geringen Zusätzen der anderen Komponente noch Mischkristalle gebildet, bei größeren Zusätzen findet Entmischung statt und es entsteht ein heterogenes Phasengemisch mit Eutektikum. 49