Praxis 18 timm © Fo z / fo tolia .com MATERIAL- UND WERKSTOFFKUNDE ZUR HERSTELLUNG VON KRONEN UND BRÜCKEN Ein allgemeiner Überblick über Materialien für festsitzenden Zahnersatz Die Vielfalt der Materialien zur Herstellung von festsitzendem Zahnersatz ist groß und wächst mit zunehmender Etablierung der CAD/CAM-gestützten Fertigung. Die Autoren geben einen Überblick zu häufig verwendeten Materialien und zeigen deren jeweilige Indikationen auf. Annett Kieschnick1, Christian Lang2 1 Fachjournalistin Zahnmedizin/Zahntechnik, Berlin, 2ZTM und Laborinhaber, Köln „A m liebsten, wie echte Zähne“, diese Antwort kommt von Patienten häufig, wenn sie nach Art und/oder Material ihres neuen Zahnersatzes gefragt werden. Eine konkrete Vorstellung haben sie nicht. Sie vertrauen auf die Kompetenz des Zahnarztes. Auch das Behandlungsteam kann Informationen vermitteln und dem Patienten so eine wertvolle Hilfe sein. Die Materialvielfalt ist groß. Grundsätzlich werden Materialien benötigt, die eine lange Mundbeständigkeit und eine ausreichende Festigkeit haben. Grob unterschieden wird zwischen vollkeramischen, metallkeramischen und metallischen Restaurationen. Nachfolgender Überblick soll etwas Licht in den Dschungel der Materialien für eine festsitzende prothetische Versorgung bringen. Es stehen Keramiken mit Glasphase und Keramiken ohne Glasphase zu Auswahl. In der transparenten Glasphase befinden sich Kristalle, über welche die Hersteller die ästhetischen Eigenschaften sowie die Stabilität der Keramik steuern. Je höher der kristalline Anteil (geringe bis keine Glasphase), desto stabiler die Keramik – aber das geht auch zu Lasten der ästhetischen Eigenschaften. Einfach ausgedrückt: Die Zunahme an Festigkeit führt zu einem Verlust an Transluzenz. Keramiken ohne Glasphase finden daher ausschließlich für die Gerüstherstellung Anwendung. Der bekannteste Vertreter ist Zirkondioxid. Zur großen Familie der „Vollkeramik“ zählen zum Beispiel Oxidkeramik, Glaskeramik, Feldspatkeramik und Lithium-Disilikat. Zirkondioxid Zirkondioxid wird in die Familie der Vollkeramiken geordnet. Rein werkstoffkundlich handelt es sich allerdings eher um eine Legierung. Zirkondioxid hat eine hohe Festigkeit (zirka 1000 MPa) und dient hauptsächlich als stabiles Gerüstmaterial. Die weiße Farbe und die hohe Opazität, die viele Patienten zunächst Diese monolithische Krone aus Zirkondioxid (Vollkrone) wird im Bereich der Kaufläche farblich etwas charakterisiert. Das Brückengerüst ist aus Zirkondioxid und wird nachfolgend mit einer Keramik individuell verblendet. Vollkeramik Wir in der Praxis -- Ausgabe 03 -- Oktober 2015 Praxis __ __ __ __ __ __ __ __ __ __ __ __ __ __ __ __ __ __ __ __ __ __ __ __ __ __ __ __ __ __ __ __ __ __ __ __ __ 19 Begriffserklärung als vorteilhaft erachten, schränkt die Indikationsvielfalt ein. Das Material hat nicht die guten lichtoptischen Eigenschaften einer Glaskeramik (hohe Glasphase), dafür allerdings ausgesprochen gute mechanische Eigenschaften. Seit einigen Jahren werden transluzente Zirkondioxide angeboten. Diese haben eine geringere Opazität und können somit – im Seitenzahnbereich – auch für Vollkronen eingesetzt werden (monolithisch). • Indikationen: Brückengerüste (auch große Spannweiten), unter Umständen vollanatomische Versorgungen im Seitenzahnbereich (geringere Ästhetik) • Einsetzprozedere: Zementierung (adhäsive Befestigung nach Behandlung mit speziellen Primern). Glaskeramik Keramiken mit Glasphase bieten lichtoptische Eigenschaften (Transluzenz, Lichtreflektion), die dem natürlichen Zahn ähneln und gewähren damit die Herstellung ästhetischer Restaurationen (Frontzahngebiet). Allerdings ist die Biegefestigkeit von herkömmlicher Glaskeramik relativ gering (zirka 120 MPa), weshalb sich das Material vornehmlich für kleine Versorgungen eignet. Vollanatomische Restaurationen können durch Politur oder Glanzbrand einfach fertiggestellt werden. Daher sind Glaskeramiken oft die erste Wahl bei der Chairside-Fertigung. Bei hohen ästhetischen Ansprüchen erfolgt eine individuelle Verblendung durch den Zahntechniker. • Indikationen: Veneers, Inlays, vollanatomische Einzelkronen, kleine Brücken, Gerüstverblendungen • Einsetzprozedere: adhäsiv. Feldspatkeramik Feldspatkeramiken sind traditionelle Verblendkeramiken und werden sowohl auf Metall- als auch auf Keramikgerüsten verwendet. Die ästhetischen Eigenschaften sind sehr gut; sodass mit etwas zahntechnischem Geschick naturnahe Ergebnisse erzielt • Vollanatomisch: Eine Restauration, die mittels CAD/CAM (computer aided design/computer aided modelling) anhand des natürlichen Vorbildes konstruiert und gefertigt wird. • Monolithisch: eine aus einem keramischen Block gefräste Restauration, die nur durch Bemalung charakterisiert wird. Die Restaurationsart kann mit einer Vollkrone verglichen werden, nur dass sie nicht metallisch glänzend, sondern zahnfarben ist. • Transluzenz: Der natürliche Zahn weist Bereiche auf, die lichtdurchlässig und somit transluzenter als andere Bereiche des Zahnes sind. • Opazität: Opazität ist das Gegenteil von Transluzenz. Weist ein Werkstoff eine hohe Opazität (Lichtundurchlässigkeit) auf, bezeichnet man diesen als opak. • Legierung: Legierungen bestehen aus mindestens zwei Metallen, deren Bestandteile in einem bestimmten Mischungsverhältnis zusammengeschmolzen werden. werden können. Die notwendige Stabilität der Restauration wird über das Gerüst geschaffen. Zudem gibt es FeldspatkeramikBlöcke für die CAD/CAM-gestützte Fertigung von kleinen monolithischen Restaurationen (z.B. Inlays, Teilkronen). • Indikationen: Verblendungen • Einsetzprozedere: abhängig vom Gerüstmaterial. Lithium-Disilikat Lithium-Disilikat zählt zu den Glaskeramiken, hat aber aufgrund der Materialzusammensetzung eine höhere Festigkeit. Bei einer initialen Biegefestigkeit von 360 bis 420 MPa erfüllt eine ästhetische Lithium-Disilikat-Restauration die gewünschte Stabilität. Kronen und Brücken können bei Bedarf vollanatomisch gefertigt werden (optional mit Malfarben charakterisiert). Bei hohen ästhetischen Ansprüchen wird das Gerüst oberflächlich (Schmelzbereich) zurückgeschliffen und mit Schichtkeramik verblendet. • Indikationen: Veneers, Kronen, Onlays, dreigliedrige Brücken (bis zum zweiten Prämolaren), Abutments • Einsetzprozedere: Verklebung, adhäsiv. ▶ Schutzgebiet Monoart® Mund- und Nasenschutz ... in jedem Fall richtig. Alle Farben im Überblick NEU Flower Platin Schwarz lila Oktober 2015 -- Ausgabe 03 -- Wir in der Praxis EURONDA Deutschland GmbH · Siemensstraße 46 · 48341 Altenberge · Tel. 02505 / 9389-0 · www.euronda.de · [email protected] 20 Praxis Ein mit einer Feldspatkeramik (Sinterkeramik) individuell vom Zahntechniker verblendetes Metallgerüstgerüst. Lithium-Silikat Ein relativ junges Material in der Familie der Vollkeramiken ist zirkonoxid-verstärktes Lithium-Silikat (ZLS). Die Mikrostruktur dieses Materials besteht aus einem hohen Glasanteil, feinen Lithium-Silikat-Kristallen und einem Zirkondioxid-Anteil (10 Prozent). Mit einer Biegefestigkeit von 420 MPa (nach Glasurbrand 370 MPa) vereint ein Zirkondioxid-verstärktes LithiumSilikat natürliche Transluzenz und naturnahe lichtoptische Eigenschaften mit einer adäquaten Festigkeit (siehe Indikationen). Ein Kristallisationsbrand ist nicht erforderlich. • Indikationen: Veneers, Onlays, Kronen (Front- und Seitenzahngebiet), Abutments • Einsetzprozedere: Zementierung, adhäsiv. Hybridkeramik Die Hybridkeramik ist ebenfalls ein noch recht junges CAD/ CAM-Material. Die duale Netzwerkstruktur besteht aus einem dominierenden keramischen Netzwerk, das durch ein Polymernetzwerk verstärkt wird. Der Werkstoff ist sehr belastbar, verfügt über zahnähnliche Materialeigenschaften und ermöglicht ansprechende ästhetische Ergebnisse. Die CAD/CAM-gefertigten Restaurationen können einfach poliert oder über lichthärtende Malfarben charakterisiert werden. Da der Rohling bereits über seine Endfestigkeit verfügt, ist keine Brandführung erforderlich. • Indikationen: Seitenzahnkrone, Non-Prep-Veneer, limitiertes Platzangebot • Einsetzprozedere: adhäsiv. Veneer und Krone aus Lithium-Disilikat Metall-Legierungen Auch die Familie der „Metalle“ ist groß. Familienmitglieder sind goldhaltige Legierungen, goldreduzierte Legierungen und Nichtedelmetall-Legierungen. Die Verarbeitung erfolgt über das Gussverfahren sowie zunehmend auch CAD/CAM-gestützt. Legierungen sind seit vielen Jahrzehnten bewährt und gelten als Maßstab, an denen sich Vollkeramiken hinsichtlich ihrer Langzeitstabilität messen lassen müssen. Goldhaltige Legierungen Goldlegierungen bestehen überwiegend aus Gold und Platin. Gold hat als zahnärztliches Restaurationsmaterial eine lange Geschichte – seit der Einführung des Wachsausschmelz-Gießverfahrens um 1900 ist es möglich, hochpräzise Goldrestaurationen zu fertigen. Da reines Gold für einen Zahnersatzes zu weich ist, werden weitere Metallen zulegiert (hochgoldhaltig, goldreduziert). Goldlegierungen gelten für viele Zahnärzte nach wie vor als die Metalle der ersten Wahl. • Indikationen: Kronen, Brücken, VMK-Restaurationen, Geschiebe, Stege et cetera • Einsetzprozedere: Zementierung. Nichtedelmetall-Legierungen Edelmetallfreie Legierungen bestehen aus Chrom, Kobalt und Molybdän. Die silberfarbenen Legierungen sind aus der Modellgusstechnik bekannt und wurden für den Einsatz als aufbrennfähige Legierung (keramische Verblendung) optimiert. Aus wirtschaftlicher Sicht ist in vielen Ländern ein Trend hin zur edelmetallfreien Legierung erkennbar. • Indikationen: Vollkrone, Vollbrücke, VMK-Gerüst, Kombinationsprothetik • Einsetzprozedere: Zementierung Fazit Das edelmetallfreie Gerüst vor der individuellen Verblendung mit Keramik. Wir in der Praxis -- Ausgabe 03 -- Oktober 2015 Dieser grobe Einblick in die Werkstoffkunde zeigt die Materialvielfalt für einen festsitzenden Zahnersatz. Eines ist klar: Es gibt keine Universallösung. Die indikationsgerechte Werkstoffauswahl erfolgt durch den Zahnarzt. Ihm obliegt entsprechend des Medizinproduktegesetzes die Verantwortung über das eingegliederte Therapiemittel.