Allgemeine Psychologie I Literaturzusammenfassung: Anderson, J.- Kognitive Psychologie Kapitel 3: Aufmerksamkeit und Leistung Weitgehende Teile unserer Systeme verarbeiten Informationen aus allen zugehörigen sensorischen Feldern parallel. Allerdings gibt es Stellen, an denen eine parallele Verarbeitung nicht mehr stattfinden kann, an den sog. „Flaschenhälsen“. Solche Einschränkungen des Parallelismus finden sich auch bei den einzelnen motorischen Systemen. Dies macht sich hier insofern bemerkbar, als dass ein System (z.B. Hände) nur schwer 2 Dinge gleichzeitig tun kann. In der Psychologie wird dieses Phänomen mit den sog. „seriellen Flaschenhals“ beschrieben, der bei der menschlichen Informationsaufmerksamkeit auftritt. Unklar ist jedoch die Frage, an welcher Stelle des Prozesses (z.B. vor/nach Wahrnehmung d. Reizes, vorm „Nachdenken“, ...) dieser „serielle“ Flaschenhals auftritt. Hier werden Theorien der „Frühen Auswahl“ (early selection) und der „Späten Auswahl“ (late selection) unterschieden. Diese Fragen sollen hier anhand des visuellen und auditiven Systems bearbeitet werden. Merke: In der Informationsverarbeitung tauchen serielle Flaschenhälse an jenen Stellen auf, wo wir Dinge nicht länger parallel tun können. Auditive Aufmerksamkeit Häufiges experimentelles Paradigma: Dichotisches Hören – der Proband hört mittels eines Kopfhörers zwei Kanäle gleichzeitig. Die Aufgabe dabei ist es, eine der beiden Quellen zu verfolgen, was den meisten auch gelingt. (sog. Shadowing-Aufgaben) Cherry (1953) und Moray (1959) fanden raus, dass bei diesen Shadowing-Aufgaben Informationen d. zweiten Kanals kaum verarbeitet werden. Dies wurde daran festgemacht, dass der Proband nachher nur wenige Infos (z.B. Geschlecht d. Sprechers, Stimme vs. Geräusche) darüber hatte und z.B. die Sprache oder einzelne Wörter nicht angeben konnte. Im wesentlichen Theorie der „Frühen Auswahl“, da die Informationen vor der Verarbeitung bereits selektiert wird. Die Filtertheorie Broadbent (1958): Postulat: Sensorische Info durchläuft das System bis zu einem bestimmten Punkt, an dem nach physikalischen Charakteristika eine Entscheidung über die Weiterverarbeitung oder Filterung der Informationen getroffen wird. ( „Frühe Auswahl“) Dichotisches Hören: Ein Ohr wird ausgewählt, dem man folgt, die andere Info wird zwar auch registriert aber nicht verfolgt. „Partybeispiel“: Auf einer Party wählt man z.B. anhand physikalischer Charakteristika der Stimme aus, ob man der Information folgt. 1 „Physikalische Auswahl“: Diese Annahme geht einher mit neurophysiologischen Beschaffenheiten des Ohres: Z.B. gibt es verschiedene Nervenbahnen für beide Ohren bzw. für verschiedene Frequenzen, die z.B. vom Gehirn „ausgewählt“ werden könnten. Es gibt Cortexzellen, welche nur bei auditiver Aufmerksamkeit auf einen auditiven Stimulus aktiv sind. Bestimmten Areale (40, 41) zeigen erhöhte Aktivität auf auditive Signale des ausgewählten Ohres, welche so schnell ansteigt, dass man Inhalt oder Stimme noch nicht identifiziert haben kann. (2050ms) physikalische Auswahl ist möglich Moray (1959): „Cocktailparty-Phänomen“: Aufmerksamkeitszuwendung (auf einer Party), wenn irgendwo der eigene Name fällt. semantische Auswahl ist möglich Gray & Weddburn (1960): Experiment: Probanden konnten einer bedeutungshaltigen Nachricht, die zwischen beiden Ohren hin und her wechselte, folgen. (links: „dogs six fleas“; rechts: eight scratch two“; wurde bei paralleler Abspielung zu „dogs scratch fleas“ verarbeitet) Auswahl nach semantischem Inhalt Treisman (1960): Experiment: Bei hin und her wechselndem Kanal der bedeutungsvollen Nachricht folgten einige Probanden trotz der Anweisung stets auf einem Kanal zu bleiben beim Wechsel nun den anderen. Teilweise Auswahl nach semantischen, teilweise nach physikalischen Inhalten (eher physik.) Merke: In der Filtertheorie von Broadbent wird die These vertreten, dass wir physikalische Merkmale verwenden, um die zu verarbeitende Information auszuwählen. Es konnten aber gezeigt werden, dass zur Auswahl auch der semantische Inhalt genutzt werden kann. Die Dämpfungstheorie und die Theorie der späten Auswahl Treisman (1964): Dämpfungstheorie Postulat: Nicht beachtete Informationen werden abgeschwächt, aber nicht komplett eliminiert. Hierbei bleibt eine semantische Auswahlmöglichkeit bei allen Informationen bestehen. (Gray 1960 s.o.: Semantisches Auswwahl ist auch bei Nicht-Beachtung möglich) Das Folgen einer ungedämpften Info ist jedoch leichter als semantische Kriterien einer gedämpften Info zu beachten. (Treisman, s.o.) Deutsch & Deutsch (1963) Theorie d. späten Auswahl: Gesamte Information wird komplett ungedämpft verarbeitet – das Wahrnehmungssystem sei unbegrenzt – aber die Begrenzung d. Reaktionssystems dafür sorge, dass nur eine/Zeitpunkt „beschattet“ (Shadowing-Exp.) werden könne. Kriterium zur Auswahl (z.B. Bedeutung) ist notwendig Vergleich: Treisman und Deutsch & Deutsch Bei Treisman ist der Filter der verbalen Anaylse vorgeschaltet, bei Deutsch & Deutsch ist er erst nach der Analyse aber vor der Auswahl/Reaktionsorganisation. 2 Exp. zur Entscheidung: Dichtotisches Hören: „Beschattung“ eines Kanals aber Reaktion auf ein „Zielwort“, welches auf beiden Kanälen auftauchte. Ergebnis: Zielwort wurde zu 87% auf dem beschatteten Ohr, aber nur zu 8% auf dem anderen identifiziert bzw. in Reaktion „umgesetzt“. spricht für Dämpfungstheorie ABER: Nicht beachtete auditive Info kann für kurze Zeit behalten werden Glucksberg & Cowan (1970) Experiment: Probanden beschatteten Nachricht auf einem Ohr; ab und zu wurde jedoch eine Zahl auf das nichtbeachtete gesprochen. 2 Sekunden danach konnten die Probanden diese Zahl, wenn sie gefragt wurden, entdecken und auch zu 25% die Ziffern wiedergeben. 5 Sekunden später fiel keine erhöhte Entdeckungsrate auf Infos einer unbeachteten Nachricht steht kurz (-5 Sek.) zur Verfügung echoisches Gedächtnis (nach Neisser, 1967) Merke: Welche auditiven Informationen wir verarbeiten, können wir aufgrund ihrer physikalischen Eigenschaften auswählen. Wenn wir nicht umgehend dieser Information Aufmerksamkeit zuteilen, geht sie verloren. Schlussfolgerung: Aufmerksamkeit wird auditiven Reizen wohl über physikalische Eigenschaften zugeordnet. Es gibt physiolog. Belege für eine Verstärkung der beachteten und eine Dämpfung der unbeachteten Info. Die unbeachteten Infos sind nicht komplett geblockt, so dass sie z.B. über physik. Stärke oder hohe Wichtigkeit (Name) unsere Aufmerksamkeit gewinnen können. Visuelle Aufmerksamkeit Bei den Augen wird die maximale Verarbeitungsressource dem fixierten Teil des visuellen Feldes zugewiesen. Im Normalfall richtet man die Aufmerksamkeit auf den fixierten Punkt (z.B. beim Lesen). Posner et al. (1978) Sie konnten experimentell zeigen, dass die Probanden die visuelle Aufmerksamkeit vom Fixationspunkt weg verlagern konnten. Dies konnten sie durch erhöhte Reaktionszeiten zur Erkennung eines Stimulus der, nachdem sie seitenangebendes Warnsignal bekamen, auf der falschen Seite auftauchte. Diese Reaktionszeiten waren entsprechend kürzer, wenn der Reiz auf der erwarteten Seite auftauchte; bei keinem vorangegangenen Hinweisreiz war lag die Reaktionszeit etwa mittig zwischen den anderen. Aufmerksamkeit muss nach Warnreiz, bei konstantem Fixationspunkt, verschoben worden sein. Posner et al. (1980) Experiment: Sie konnten zeigen, dass der Mensch seinen Aufmerksamkeitsfokus um bis zu 24° von der Fovea ablenken konnten. Im Normalfall werden allerdings die Augen mitbewegt, bei der Verschiebung von Aufmerksamkeit. 3 Posner (1988): Kontrolle d. Augenbewegungen setzt extra-foveale Aufmerksamkeit voraus, da ansonsten keine interessanten Regionen ausgemacht werden können. Merke: Unsere Aufmerksamkeit liegt auf einem einzigen Teil des visuellen Feldes. Üblicherweise (aber nicht immer) fixieren wir den Teil des visuellen Feldes, auf dem unsere Aufmerksamkeit liegt. Die Spotlight-Metapher Die visuelle Aufmerksamkeit wird im Rahmen dieser Theorien als „Spotlight“ betrachtet, das in seiner Größe allerdings um mehrere Grad variieren kann. Je „größer“ das Spotlight, desto schlechter ist die Verarbeitung d. Information dieses Ausschnitts. Bei Verengung maximale Verarbeitungskapazität auf diesen Ausschnitt, aber auch längere Zeit um Aufmerksamkeit zu verschieben (s.o. Exp. Posner) LaBerge (1983) Experiment: Probanden sahen Ketten von 5 Buchstaben (1,77° Sehwinkel), und mussten Einschätzungen über die Lage des mittleren Buchstaben bezüglich d. Alphabets festellen. Aufmerksamkeit auf mittlere Stelle Gelegentlich kamen keine Buchstaben, sondern entweder eine 7, ein T oder ein Z (auf unterschiedlichen Positionen) Probanden sollten feststellen, ob 7 oder nicht 7 zu sehen war Ergebnis: Die Zeiten zur Feststellung ob 7 oder nicht, waren bei zentraler Lage des Reizes am kürzesten und am längsten an den Extrema (auch die lagen noch in der Fovea, Abb. 3.6). Neisser & Becklen (1975) Experiment: Analogon zu „Shadowing“-Aufgaben um auditiven Bereich Probanden sahen 2 übereinandergeblendete Filme und sollten einem folgen und auf ungewöhnliche Ereignisse (z.B. Pause d. gezeigten Tätigkeit) achten. Ergebnis: Die Probanden konnten jeweils eine Episode zu verfolgen und auf Ungewöhnlichkeiten achten; dies klappte nur schlecht bei 2 verfolgten Episoden. Probanden konnten die Aufmerksamkeit/Augen so bewegen, dass die krit. Elemente einer Episode auf die Fovea und das „Spotlight“ fielen. Andererseits konnten sie durch Berücksichtigung d. Inhalts der verarbeiteten Ereignisse immer einem Ereignis/einer Episode folgen. Die körperlichen Hinweisreize (krit. Elemente) erleichtern die Verarbeitung der krit. Episode; dies wiederum erleichtert es festzustellen, wohin die Augen bewegt werden müssen, um mehr körperliche Hinweisereize zur Verarbeitung zu erhalten usw. Merke: Die Aufmerksamkeit kann auf wenige Grad des visuellen Feldes fokussiert werden. Um ein bedeutungshaltiges Ereignis zu verarbeiten, kann der Aufmerksamkeitsfokus über dem visuellen Feld bewegt werden. 4 Die neuronale Grundlage visueller Aufmerksamkeit Bei der visuellen Aufmerksamkeitsausrichtung auf einen bestimmten Raum wird, genau wie bei der auditiven Aufmerksamkeit, das zugehörige corticale Signal verstärkt. (nach 70-90ms) Mangun et al. (1993) konnten bei Probanden, die ihre Aufmerksamkeit auf verschiedene Orte des visuellen Feldes lenken sollten (bei konstantem Fixationspunkt in der Mitte), zeigen, dass die Aktivität in den jeweilis zugeorndenten Regionen des visuellen Cortex besonders anstieg. (z.B. bei Aufmerksamkeit nach rechts steigt links die Aktivität) eine verstärkte neuronale Verarbeitung erfolgt in Bereichen des vis. Cortex, der in Bezug zur Aufmerksamkeitsausrichtung steht. entspricht Theorie der „Frühen Auswahl“ (Vgl. auditive Aufmerksamkeit) Auswahl geschieht nach physik. Eigenschaften und auf der Basis von Orten im Raum. Merke: Wenn die Aufmerksamkeit auf bestimmte Raumregionen gerichtet wird, dann ist eine verstärkte neuronale Verarbeitung in den Teilen des visuellen Cortex festzustellen, die mit diesen Raumregionen korrespondieren. Das visuelle sensorische Gedächtnis Bei der kurzzeitigen Betrachtung (50ms) einer Buchstabentafel (z.B. 12 Buchstaben in 4erReihen) mit dem Fokus auf die Mitte der Tafel werden von den Probanden danach ca. 3-6 Buchstaben erinnert. Sperling (1960) variierte diese Bedingung in einem Experiment: Teilberichtsverfahren: Durch einen akustischen Reiz wurden die Probanden nach der Reizdarbietung auf eine bestimmte zu replizierende Reihe hingewiesen. Die Probanden erinnerten beinahe alle Items einer Reihe Da sie vorher nicht wussten welche, postulierte Sperling eine Art visuellen Kurzzeitspeicher (analog zum echoischen Gedächtnis) Bei Aufmerksamkeitszuwendung zu einer best. Reihe verblassten die Items nicht, sondern konnten genannt werden. Das akust. Signal muss jedoch möglichst schon nach 1 Sekunde erfolgen, sonst ist alles bereits verblasst. Es scheint einen kurzen visuellen sensorischen Speicher zu geben Visueller sensorischer Kurzzeitspeicher: Bei Aufmerksamkeitszuwendung zu Infos im Speicher können diese wiedergegeben werden. Bei weißem Hintergrund nach Reizexposition bleibt die Info kürzer erhalten als bei schwarzem Hintergrund (1s vs. 5s) spezieller visueller Charakter Bei neuer Tafel nach Reizexposition wird komplett überschrieben Neisser (1967) nannte diese kurzlebige Info auch „Icon“ ikonisches Gedächtnis (analog zu echoischem Speicher) Die Zumessung von Bedeutung zu diesem „ikonischen“ Gedächtnis ist sehr unterschiedlich: Nach Sakitt ist es quasi ein „Nachbildeffekt“ (siehe Sinnesphysiologie ), Haber (1983) betrachtete es als alltagsirrelevant und Coltheart sah in den „Icons“ eine wichtige Komponente der Info-Verarbeitung. Merke: Visuelle Informationen werden in einem visuell-sensorischen Kurzzeitspeicher abgelegt. Wir haben durch Aufmerksamkeitsprozesse Zugriff auf darin enthaltene Items und können sie verarbeiten. 5 Mustererkennung und Aufmerksamkeit Merkmals-Integrations-Theorie von Treisman Postulat: Bevor Merkmale zu Mustern zusammengesetzt werden können, muss die Aufmerksamkeit auf den Stimulus gelenkt werden. Exp.: Erkennen eines Ts aus vielen Is und Ys (Abb 3.11) ca. 400ms; es muss nur auf QuerstrichMerkmal geachtet werden muss Erkennen eines Ts aus vielen Is und Zs ca. 800ms; hier musste der vertikale Strich mit dem Querstrich verbunden werden Bei der 2. Bedingung hatte auch die Anzahl der Distraktoren (Is, Zs) einen signifikanten Einfluss spricht für das Postulat der M-I-Theorie: Anscheinend muss eine Stelle, um eine Verknüpfung von Merkmalen (z.B. beim T) auszumachen, fixiert werden; im Gegensatz dazu konnte bei einem einzelnen Merkmal eine Entscheidung über das Vorhandensein sogar ohne Kenntnis des genauen Ortes getroffen werden. Experiment von Treisman % Schmidt (1982) Merkmalskombinationen bei Stimuli außerhalb des Aufmerksamkeitsfokus: Probanden sollten schwarze Zahlen, die in einem best. Bereich d. visuellen Feldes auftauchten, identifizieren. ( Fokus auf den Bereich) In einem anderen Teil d. visuellen Feldes wurden farbige Buchstaben eingeblendet. Nach der Zahlidentifikation sollten die Buchstaben und deren Farben angegeben werden, was zu ca. 50% zu falschen Kombinationen führte (bei richtigen Buchstaben bzw. Farben) Merkmalskombination (Buchstabe zu Farbe) verlangt nach einer Zuweisung des Aufmerksamkeitsfokus; die Merkmale werden sonst zwar gut wahrgenommen, aber falsch kombiniert. Kontroversen gibt es allerdings um die Anzahl der Merkmale, auf die Aufmerksamkeit gelenkt werden kann. Merke: Die Merkmalsinformation muss sich im Zentrum unserer Aufmerksamkeit befinden, um zu einem Muster zusammengesetzt zu werden. Neglect des visuellen Feldes Rückblick: Auf einen best. Ort gelenkte visuelle Aufmerksamkeit führt zu verstärkter neuronaler Aktivität im zugehörigen Teil d. primären visuellen Cortex. Die neuronalen Strukturen, welche die Kontrolle der Aufmerksamkeitsverschiebung innehaben, liegen in anderen Strukturen. Affenexperimente: Colliculus superior, der hintere Parietallappen, Pulvinar Posner et al. (1984) Experiment: Menschen mit Parietallappen-Schädigungen hatten Schwierigkeiten Aufmerksamkeit von einer Seite auf die andere zu verlagern. Schädigung rechts: Erschwerte Verschiebung von rechts nach links Schädigung links: Erschwerte Verschiebung von links nach rechts 6 Die Probanden erhielten wie schon 1978 einen Warnreiz, der zu 80% die Seite des Auftretens eines Reizes angab und maß die Reaktionszeiten bei verschiedenen Konstellationen (s.o.) Bei Personen mit einem geschädigten rechten Parietallappen war z.B. die Reaktionszeit für einen rechts angekündigten, aber links auftauchenden Stimulus deutlich erhöht (Abb. 3.13). es konnte herausgestellt werden, dass dies dem klinischen Phänomen der visuellen Löschung gleicht. (Schädigung d. parieto-occipitalen Cortex) z.B. Schädigung links keine Schwierigkeiten mit der Zuweisung von Aufmerksamkeit auf die rechte Seite; wenn aber links ein Reiz zusätzlich “angeboten”, dann kann das Objekt auf der rechten Seite nicht mehr wahrgenommen werden. Extremere Form: unilateraler visueller Neglect (siehe Biologische Psychologie) Merke: Patienten mit einer unilateralen Schädigung des Parietallappens haben Schwierigkeiten, die Aufmerksamkeit auf jene Hälfte des visuellen Feldes zu lenken, die durch diese Hirnregion gesteuert wird. Objektzentrierte Aufmerksamkeit Es gibt Belege, dass Aufmerksamkeit, anders als bislang beschrieben, nicht nur auf Räume sondern auch auf Objekte gerichtet sein kann; dies kann mit oder ohne Augenbewegungen geschehen. Experiment von Behrmann et al. (1988) Bei zwei gekreuzten „Objekten“ waren an jeweils 2 der insgesamt 4 Enden unterschiedliche Anzahlen von Einbuchtungen (siehe Abb. 3.15), welche von den Probanden auf die Übereinstimmung der Anzahl hin überprüft werden sollten. Ergebnis: Die Probanden konnten ihre Entscheidungen schneller fällen, wenn an den gegenüberliegenden Seiten eines Objektes die Einbuchtungen waren, waren an jedem der Objekte an einem Ende Einbuchtungen, konnte die Entscheidung trotz größerer räumlicher Nähe nur langsamer getroffen werden. spricht für die Hypothese, dass Aufmerksamkeit auf Objekte gerichtet ist; bei notwendiger Verschiebung dauert es dann entsprechend länger. „Hemmung der Rückkehr“ – Phänomen (inhibition of return): Wenn man auf eine best. Raumregion geblicht hat, fällt es schwerer mit der Aufmerksamkeit erneut zur gleichen Region zurückzukehren. Experiment von Tipper et al (1991): 1. In einer Anordnung von 3 Quadraten blinkte zuerst das rechte, 200ms später das mittlere. Wenn nun wieder eines der äußeren Quadrate blinkte, dann war die Reaktionszeit der Probanden höher, wenn erneut das rechte Quadrat blinkte, im Gegensatz zum linken (40ms Differenz) Über Raum definierte Hemmung der Rückkehr 2. Beim prinzipiell gleichen Aufbau rotierten diesmal die Quadrate im Uhrzeigersinn: Das rechte Quadrat, das zuerst blinkte, war nun zum Zeitpunkt des 2. Blinkens auf der gegenüberliegenden Seite. Wenn beim 2.Blinken das linke Quadrat blinkte, war hier die Reaktionszeit um 20ms langsamer als beim wenn das rechte (vorher linke) blinkte Hemmung zur Rückkehr zum selben Objekt und nicht zum selben Ort Bei Patienten mit einem Neglect gibt es z.B. viele, die z.B. nur die linke Seite eines Objektes nicht wahrnehmen, egal in welchem Teil d. visuellen Feldes man sich befindent. objektzentrierte Aufmerksamkeit Merke: Die visuelle Aufmerksamkeit kann auf Objekte gelenkt werden, unabhängig von deren Raumposition. 7 Ein zentraler Flaschenhals Kann man 2 verschiedene Aufgaben, deren Stimuli über verschiedene Modalitäten dargeboten werden, parallel verarbeiten? Experiment mit dual-task (Zweitaufgaben) Karlin & Kerstenbaum (1968): Die Probanden sollten 2 Aufgaben, die jeweils das Drücken einer von zwei Tasten durch einen bestimmten Finger einer Hand beinhalteten, ausführen, wobei sie mit der ersten beginnen sollten. Die erste Aufgabe wurde über einen visuellen Stimulus und die zweite über einen akustischen Reiz „gestartet“. Die Zeit zwischen den Stimuli variierte zwischen 90ms und 1150ms. Die erste Aufgabe wurde unabhängig von der Zeit zwischen den Stimuli in ca. 400ms ausgeführt verständlich, da diese zuerst ausgeführt werden sollte. Die zweite Aufgabe war abhängig vom Intervall zwischen beiden Reizen. ein „Flaschenhals“ ist vorhanden Bei kurzen Zeiten ist die Ausführung der 2. Aufg. verzögert, da die erste noch abgeschlossen werden muss. Interferenz zwischen beiden Aufgaben Es zeigte sich allerdings, dass sie ca. um 60ms überlappen: Der auditive Stimulus wird schon mal enkodiert, während die 1. Aufgabe noch abgeschlossen wird. Bei der Enkodierung wird dann ein „zentraler Flaschenhals“ erreicht, der sie daran hindert, mit der 2.Aufgabe fortzufahren. die Aufgaben können nicht komplett parallel, müssen aber auch nicht komplett disjunkt ablaufen der „zentrale Flaschenhals“ tritt bei der Denkarbeit für die 2. Aufgabe auf; die simultane Verarbeitung jedoch ist kein Problem bei zwei nicht konfligierenden Modalitäten. Gleichzeitiges Ausführen zweier Aufgaben ist aber dennoch möglich, z.B. wenn eine der beiden hoch automatisiert ist (z.B. Autofahren) Merke: Wir können mehrere perzeptuelle Modalitäten gleichzeitig verarbeiten oder mehrere Aktionen gleichzeitig ausführen, aber wir können nicht über zwei Dinge gleichzeitig nachdenken. Automatisiertheit Von Automatisierung einer Aufgabe spricht man, wenn die zentrale kognitive Komponente durch Training so reduziert ist, dass die Aufgabe mit wenig oder keinem Denkaufwand durchgeführt werden. Spelke et al. (1976) Probanden sollten still einen Text lesen und dabei diktierte Wörter aufschreiben. anfangs ging die Lesegeschwindigkeit stark runter nach ca. 6 Wochen: normale Lesegeschwindigkeit bei gleichem Verständnis; sie berichteten von unbewusstem Schreiben der diktierten Wörter wie z.B. beim Autofahren verloren sie das Bewusstsein über die automatisierte Aktivität Die verschiedene perzeptuellen und motorischen Systeme sind untereinander und von der zentralen Kognition unabhängig; sie können parallel arbeiten. Jedes System für sich ist allerdings seriell, was z.B. dazu führt, dass z.B. zwei motorische Systeme, welche beide die zentrale Kognition zur Koordination benötigen, nicht parallel laufen können. Zentrale Kognition als „Flaschenhals“ 8 Aber auch z.B. innerhalb eines peripheren Systems können nicht 2 Aufgaben parallel laufen, wie z.B. zwei Räume gleichzeitig fokussieren. Merke: Mit steigender Übung wird eine Aufgabe stärker automatisiert und erfordert dadurch bei ihrer Ausführung zunehmend geringer zentrale Kognition. Der Stroop-Effekt Weiteres Merkmal automatisierter Prozesse (neben der geringen Aufmerksamkeitserfordernis): Die Ausführung kann nur schwer unterbrochen werden. Beispiel: Lesen konkreteres Beispiel: Benennen der Druckfarbe von Farbwörtern, ohne das jeweilige, nicht immer zur Druckfarbe „passende“ Farbwort vorzulesen. Experiment von Stroop (1935): Probanden sollten eben diese oben beschriebene Aufgabe durchführen, wobei hier auch neutrale „Nicht-Farb-Wörter“ eingebaut waren. Abb. 3.18 zeigt, dass bei der Kongruenz von Farbwort und Farbe eine geringere Zeit benötigt wurde, als bei der Kontrollwortgruppe. Die mit Abstand längsten Reaktionszeiten liegen jedoch dann vor, wenn die Druckfarbe und das Farbwort zueinander im Konflikt standen. Lesen ist derart automatisiert, dass es (es kam auch zu Fehlern) in der Konfliktbedingung oft sehr schwer fällt, die Farbe zu nennen und eben nicht zu lesen Beim Lesen der Wörter zeigten sich kaum unterschiede in den 3 Bedingungen spricht für den hochautomatisierten Charakter von „Lesen“ MacLeod & Dunbar (1988) Exp. zu Übungseffekten bei Stroop-Tasks Probanden sollten bestimmte Formen nach zugeordneten Farbwörtern benennen lernen. Anschließend sollten sie bei bei best. Formen entweder die Druckfarbe oder die zugeordnete Farbe benennen. Als Kontrollbedingung gab es weiße Formen für die Benennung der Form und farbige Quadrate (mit keiner Farbe assoziiert) für die Farbnennungsaufgabe. Ergebnisse: In einem ersten Durchgang zeigte sich eine von der Form relativ unbeeinflusste Farbbenennung aber eine deutlich von der Farbe abhängige Formbenennung die Konfliktbedingung war deutlich langsamer als die anderen. 20 Übungstage später zeigte sich in einer 2. Erhebung der umgekehrte Effekt: Die Formbenennung war unabhängig von der Druckfarbe, aber die Farbbenennung war stark abhängig von der Form (langsamer in Konfliktbedingung) (Abb. 3.20) 9 Schlussfolgerungen Die „historische“ Annahme, dass Aufmerksamkeit stets ein bewusster Prozess ist, kann revidiert werden, denn viele Aufmerksamkeitsphänomene scheinen stark unbewusst zu sein (z.B. Augenbewegungen) Ebenfalls muss revidiert werden, dass die Aufmerksamkeit ein einheitliches System ist. Hier wurde deutlich, dass man sowohl auditive und visuelle, als auch Aufmerksamkeit in der perzeptuellen Verarbeitung und der Reaktionserzeugung unterscheiden muss. Das Gehirn kann als Reihe parallel laufender Systeme mit unterschiedlichen Zuständigkeitsbereichen verstanden werden, wobei alle Systeme (perzeptuelle, motorische, zentrale Kognition) durch einen sog. „Flaschenhals“ eingeschränkt sind und sich auf einen Task fokussieren müssen. „Aufmerksamkeit lässt sich als ein Prozess verstehen, durch den jedes dieser Systeme den eventuell konkurrierenden Anforderungen der Informationsverarbeitung zugeordnet wird. Die Höhe der Interferenzen zwischen Aufgaben ist eine Funktion der Überlappung der Anforderungen, die diese Aufgaben an dasselbe System richten.“ (Anderson, S.105) 10