A c a d e m y o f E s t h e t i c D e n t i s t r y e . V. D e u t s c h e G e s e l l s c h a f t f ü r Ä s t h e t i s c h e Z a h n m e d i z i n e . V. / G e r m a n DIE SPEZIALISTEN FÜR ÄSTHETISCHE ZAHNMEDIZIN Gerd Reichardt Im Zuge meiner Masterarbeit Stuttgart der Donau an Uni- versität in Krems Einer schwäbischen Handwerkerfamilie lernte entstammend begann ich 1985 das Stu- Kieferorthopäden dium der Zahnheilkunde an der Univer- Prof. Sadao Sato sität Tübingen. Die Begegnung mit dem aus damaligen OA Freesmayer im Staats- nen, der in engs- examen setzte den Grundstein für mein Interesse an der Funktion. ich Japan den ken- tem wissenschaftDr. Gerd Reichardt, lichem MSc, PhD mit Prof. Slavicek Kontakt In Esslingen am Neckar gründete ich steht. Er war zehn 1993 eine Gemeinschaftspraxis und Jahre lang Mentor für meine wissen- begann mit den Kursen in Westerburg schaftlichen Arbeiten an der Kanagawa bei Dieter Reusch. Dental University in Japan, welche ich 2013 mit dem PhD erfolgreich abschlie- 1997 belegte ich den ersten Pilotkurs bei ßen konnte. Im selben Jahr erlangte ich Prof. Rudolf Slavicek in Wien. Er lehrte den Status des Spezialisten sowohl bei uns alles über seine Betrachtungsweise der DGÄZ, als auch bei der DGFDT. des Kauorgans als funktionelle Einheit im Gesamtorganismus Mensch und 2004 fusionierte die Esslinger Gemein- verlässt damit den Focus der gängigen schaftspraxis mit der renommierten Pra- Zahnheilkunde auf die Einzelstruktur xis in der Landhausstrasse in Stuttgart, Zahn. Seine Interpretation der komple- die ich seit 2014 mit meinem japani- xen Zusammenhänge bündelt die wis- schen Partner, dem Kieferorthopäden senschaftlichen Postulate seiner Lehrer Yukimitsu Miyakawa, führe. Gysi, Posselt oder Stuart, um nur einige wenige namentlich zu erwähnen, mit Die Behandlung von funktionsgestörten seinen eigenen Erfahrungen als Zahn- Patienten im interdisziplinären Netz mit arzt, Forscher und Wissenschaftler über allen externen medizinischen Diszipli- viele Jahrzehnte hinweg. nen ist seit Jahren integrativer Bestandteil unserer gemeinsamen Arbeit. Die Mathematisierung der Biologie bietet uns heute profunde Möglichkeiten in der Diagnostik als Basis jeder therapeu- Strategische Rehabilitation eines tischen Intervention. Ob kleine zahnärzt- hochkomplexen Patientenfalls liche Maßnahmen oder hochkomplexe Gesamtrestaurationen, die exakte Dia- Der vorgestellte Fall wurde mir 2006 gnose ist und bleibt die ubiquitäre Vor- von Prof. Slavicek zur therapeutischen aussetzung für den nachhaltigen Erfolg Umsetzung jedweder Behandlung. wurden sämtliche therapierelevanten 10 THE INTERNATIONAL JOURNAL OF ESTHETIC DENTISTRY JAHRGANG 12 • NUMMER 1 • FRÜHJAHR 2017 empfohlen. Im Vorfeld der „Wiener Schule“ erfasst, ausgewertet und in ein systematisches Behandlungskonzept überführt, in dem sich der Patient wiederfand. Seine primären Anliegen strebten nach einer ästhetischen Gesamtrekonstruktion und nach einer erfolgreichen Behandlung der schmerzhaften Kieferge- Abb. 2: die typische Physiognomie der Habsburger lenkssperre und der seit vielen Jahren chronischen, fast permanenten Kopf- Die chronische, über viele Jahre anhal- und Kiefergelenksschmerzen (CMD). tende, funktionelle Überlastung ließ die Dabei sollte die Behandlung ausdrück- Strukturen des Kausystems kollabieren, lich ohne MKG-Eingriffe einer bis dahin was sich sehr deutlich in den condylo- angeratenen bi-maxillären Osteotomie graphischen Aufzeichnungen der Kie- und unter Erhalt der vor 16 Jahren inse- fergelenke darstellt. rierten Implantate im Unterkiefer durchgeführt werden. Die zentrale Schwierigkeit des Falles findet sich im brachyfazialen skeletalen Wachstumsmuster der Klasse III und der dentalen Situation im Sinne eines profunden, umgekehrten Überbisses. Abb. 3: condylographische Aufzeichnung (Öffnen/Schließen) Die Anfertigung und Auswertung eines MRT bestätigte die Befunde der Condylographie. Es liegt in beiden Gelenken eine eindeutige Diskusverlagerung vor. A c a d e m y o f E s t h e t i c D e n t i s t r y e . V. Parameter entsprechend dem Konzept D e u t s c h e G e s e l l s c h a f t f ü r Ä s t h e t i s c h e Z a h n m e d i z i n e . V. / G e r m a n www.dgaez.de Diagnose: Es handelt sich im vorliegenden Fall um ein schwer funktionell gestörtes Abb. 1: intraoraler Situs vor Therapie Kausystem. In beiden Kiefergelenken liegt eine Diskusverlagerung vor. Der Hinzu kommt die ausgeprägte geneti- kapsuläre Stützapparat ist beidseits sche Determinante. Der Patient ist ein- überdehnt (loose ligaments). Die retra- deutig der Linie „Habsburger Familie“ len Gelenksräume sind beidseits ent- zuzuordnen. zündet. Beide Gelenke sind instabil. 11 THE INTERNATIONAL JOURNAL OF ESTHETIC DENTISTRY JAHRGANG 12 • NUMMER 1 • FRÜHJAHR 2017 A c a d e m y o f E s t h e t i c D e n t i s t r y e . V. D e u t s c h e G e s e l l s c h a f t f ü r Ä s t h e t i s c h e Z a h n m e d i z i n e . V. / G e r m a n DIE SPEZIALISTEN FÜR ÄSTHETISCHE ZAHNMEDIZIN Therapieplanung: November 2009 völlig beschwerdefrei Rekonstruktion des Kausystems unter und freut sich täglich über seine wieder­ funktionellen Gesichtspunkten, um die gewonnene Ästhetik, welche er ganz Kiefergelenke zu entlasten und langfris- individuell über sein Diastema definiert. tig zu stabilisieren. Eine stabile posteriore Abstützung ist dringend erforderlich. Diese ist momentan aufgrund der parodontalen Situation der Molaren, sowie Neigung der Okklusionsebene und der umfangreichen funktionellen Befunde nicht gewährleistet. Des Weiteren sollte eine störungsfreie Okklusion in Statik und Dynamik aufgebaut werden, um die Kiefergelenke und die Zähne langfristig zu entlasten und zu schützen. Momentan liegen umfangreiche occlusale Interferenzen vor, die zur Überlastung der Gelenke und einzelner Abb. 4: Erfolgskontrolle im September 2016 Zähne führen. Schlussfolgernd ist festzuhalten, dass Um das Behandlungsziel zu erreichen, eine kausale Korrektur solch schwer- muss die Behandlung in mehreren Pha- wiegender sen ablaufen: über die Zähne und die Okklusion um- Fehlfunktionen lediglich zusetzen ist. Eine höchst individuelle I:Wax-Up/Set-Up in therapeutischer Position (TRP) Diagnose und die patientenindividuelle Planung und Therapieumsetzung unter II: Transfer in Langzeitprovisorien ständiger III:Kieferorthopädie kritischer (Selbst-)Kontrol- le sind eine Grundvoraussetzung, um IV:Reevaluation: derartig komplexe Fälle erfolgreich be- V:Posteriore Abstützung durch handeln zu können. So durchgeführt Implantate im Oberkiefer entspricht die vorgestellte Behandlung VI:Reevaluation: den international anerkannten Richt- VII:Definitive prothetische Versorgung linien von Evidenzbasierter-Medizin (EbM). Therapeutische Umsetzung/ Ergebnis www.landhausstrasse.com Die konsequente, schrittweise Umset- www.dgaez-spezialisten.de zung des Therapieplans führte nach [email protected] einer Behandlungsdauer von drei Jah- Zahntechnik: ZTM Volker Röthele ren zu einem validen Ergebnis. Der Pa- Behandler: Dr. Gerd Reichardt, tient ist seit Behandlungsabschluss im MSc, PhD 12 THE INTERNATIONAL JOURNAL OF ESTHETIC DENTISTRY JAHRGANG 12 • NUMMER 1 • FRÜHJAHR 2017