Infektiöse Hirnerkrankungen: Bildgebung und

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Neuroradiologie
207
Infektiöse Hirnerkrankungen: Bildgebung
und differenzialdiagnostische Aspekte
Infectious Diseases of the Brain: Imaging and
differential diagnosis
Zusammenfassung
Zusammenfassung
Abstract
Abstract
Infektionen des Zentralnervensystems müssen
Infectious diseases of the central nervous system
häufig in differenzialdiagnostische Erwägungen
have to be considered in differential diagnosis par-
einbezogen werden, vor allem bei immunge-
ticularly in immunocompromised persons. Neuro-
schwächten Personen. Die neuroradiologische
imaging, specifically advanced techniques such as
Bildgebung, darunter fortgeschrittene Techniken
diffusion weighted MRI and perfusion MRI contrib-
wie diffusionsgewichtete MRT und Perfusions-MRT,
ute much to the differentiation of brain infections
leisten einen entscheidenden Beitrag zur Abgren-
and for differentiating brain infections from other,
zung der verschiedenen Hirninfektionen unter-
for instance, neoplastic diseases. In this review we
einander und gegenüber anderen, z. B. neoplasti-
present the imaging criteria of the most important
schen Erkrankungen. In dieser Übersicht stellen wir
brains infections in adults and in pediatric patients
die radiologischen Phänomene der wichtigsten In-
and discuss differential diagnostic aspects in detail.
fektionen des Gehirns bei Erwachsenen und Kindern vor und diskutieren ausführlich differenzial-
KeyKey
words
words
diagnostische Aspekte.
Central nervous system; Brain; infectious diseases;
Meninges; Inflammation; Imaging
Infektiöse Erkrankungen der
Meningen
Ätiologie. Ursache ist meist eine virale (aseptische)
Meningitis, am häufigsten durch Enteroviren (Echoviren, Coxsackieviren, Epstein-Barr-Virus, Arboviren).
Die häufigsten Erreger eitriger Meningitiden sind:
Die Meningitis ist die am häufigsten vorkommende
n
Infektion des ZNS. Auch wenn die MRT zur Diagnose-
Haemophilus influenzae bei Kindern unter 7 Jahren
1
Abt. Neuroradiologie,
Neurologische Klinik,
Universitätsklinikum
n
Neisseria meningitidis bei älteren Kindern und
ordnete Rolle spielt, ist die Methode umso wichtiger
n
Streptococcus pneumoniae bei Erwachsenen.
zum Nachweis von Komplikationen.
Daneben gibt es sog. chronische Meningitiden (Tab. 1),
wie die tuberkulöse Meningitis oder die Meningitiden
Klinischer Hintergrund
durch Pilze (s. u.).
Epidemiologie. Die häufigste Form ist die akute asep-
Klinik. Die klinische Trias besteht aus Fieber, Kopf-
tische Meningitis. Die Inzidenz dieser Erkrankung liegt
schmerzen und Meningismus. Die Patienten wirken
schwer krank und können innerhalb von wenigen
ten sind Kinder betroffen, und zwar vorwiegend in den
Stunden komatös werden. Fieber, Kopfschmerzen,
Sommermonaten.
Photophobie und Meningismus bestimmen auch den
klinischen Befund bei aseptischen Meningitiden. Al-
Die Meningitis ist die häufigste Infektion des ZNS.
Hagenlocher 2, A.Seitz 1
(70 % der septischen Meningitisfälle),
stellung einer Hirnhautentzündung nur eine unterge-
bei 10 – 30 pro 100.000 Personen pro Jahr. Am häufigs-
S. Hähnel 1, B.Storch-
lerdings ist die Symptomatik oft weniger stark ausgeprägt als bei den eitrigen Formen.
Radiologie up2date 3
Œ 2006 Œ DOI 10.1055/s-2006-944700
Heidelberg
2
Abt. Neurologie, Neurologische Klinik, Universitätsklinikum Heidelberg
208
Infektiöse Hirnerkrankungen: Bildgebung und differenzialdiagnostische Aspekte
Bildmorphologie
Tabelle 1
Typische Erreger einer chronischen infektiösen Meningitis
Typ
Erreger
Bakterien
n
n
n
n
n
n
n
n
n
Pilze
n
n
n
n
Parasiten
n
n
n
n
Der MRT-Befund ist bei der aseptischen Meningitis
meist normal.
Mykobakterien (Mycobacterium tuberculosis, Mycobacterium avium)
Spirochäten (Borrelia burgdorferi, Leptospira interrogans, Treponema
pallidum)
Brucellen
Tropheryma whippelii
Listeria monozytogenes
Neisseria meningitidis
Francisella tularensis
Aktinomyzeten
Nokardien
Auch wenn die MRT zur Diagnosestellung einer
Hirnhautentzündung nur eine untergeordnete Rolle
spielt, ist die Methode umso wichtiger zum Nachweis von Komplikationen.
KM-Aufnahme. Eine vermehrte KM-Aufnahme der
Lepto- oder der Pachymeningen muss, besonders im
Frühstadium, nicht zwingend nachweisbar sein. Besonders bei den viralen Formen fehlt dieses Phänomen
in der Regel.
Cryptococcus neoformans
Coccidioides immitis
Histoplasma capsulatum
Candida species
Verdickung der Meningen. Eine zusätzliche Verdickung der Meningen, die man am besten auf T1w Auf-
Taenia solium (Neurozystizerkose)
Amöben
Angiostrongylus (eosinophile Meningitis)
Toxoplasma gondii
nahmen nach KM-Gabe und oft auch auf T2w und PDw
Aufnahmen, erkennt, ist häufiger bei septischen und
chronischen Meningitiden vorhanden (Abb. 1) als bei
viralen Formen.
Ödematöse Signalveränderungen. Zeigen sich zusätzlich ödematöse Signalveränderungen im angrenzenden Hirngewebe mit Hyperintensität auf FLAIR,
T2w und PDw Aufnahmen, liegt ein Übergreifen der
Entzündung auf das Hirnparenchym im Sinne einer
Enzephalitis vor.
Vaskulitische Veränderungen. MR-angiographisch
sind höhergradige vaskulitische Gefäßstenosen an den
größeren Gefäßen meist gut nachzuweisen. Solche
vaskulitischen Veränderungen kommen besonders bei
Abb. 1 Pneumokokkenmeningitis bei einem 12-jährigen Jungen. a Axiale T2w Aufnahme.
b Axiale FLAIR-Aufnahme. c Axiale T1w Aufnahme nach KM-Gabe. Es zeigen sich beidseits
frontopolar subdurale Flüssigkeitsansammlungen mit gegenüber Liquor cerebrospinalis
leicht erhöhtem Signal auf T2w Aufnahmen (a) und gegenüber Liquor cerebrospinalis
deutlich erhöhtem Signal auf den FLAIR-Aufnahmen (b) als Ausdruck eines erhöhten Proteingehalts. Kräftige KM-Aufnahme der verdickten Pachy- und Leptomeningen frontoparietal (c).
der basal betonten tuberkulösen Meningitis vor und
betreffen vorwiegend das Stromgebiet der A. cerebri
media, hier vor allem die Hauptstämme. Screening und
Verlaufkontrolle bei intrakraniellen Gefäßstenosen ist
heute Domäne der Ultraschalldopplersonographie.
Hirninfarkte. Der frühzeitige Nachweis meningitisch-
Therapie. Generell besteht die Therapie in spezifischer
vaskulitisch bedingter Hirninfarkte gelingt ausge-
antibiotischer Behandlung, allgemeintherapeutischen
zeichnet mit der MRT, in der sich auch kleine frische
Maßnahmen und eventuell in der Gabe von Glucocor-
Infarkte auf diffusionsgewichteten Aufnahmen als Hy-
ticoiden. Subdurale Empyeme werden neurochirur-
perintensität und auf den ADC-Maps als Hypointensi-
gisch entlastet.
tät (zytotoxisches Hirnödem) zeigen.
Die septische Meningitis ist ein neurologischer Notfall. Die Mortalität beträgt 25 %, die Morbidität
Hirndruckzeichen. Vor einer diagnostisch notwendigen Liquorentnahme wird häufig eine Bildgebung
durchgeführt, um abschätzen zu können, wie gefähr-
60 %.
lich die Punktion des Liquorraums ist. Bestehen neuroradiologisch keine Zeichen des erhöhten Hirndrucks
wie verstrichene basale Zisternen oder nicht mehr ab-
Radiologie up2date 3
Œ 2006
Neuroradiologie
grenzbare äußere Liquorräume, kann die Punktion des
Hygrome. Subdurale Hygrome sind im Unterschied zu
lumbalen Liquorraums in der Regel ohne die Gefahr
subduralen Empyemen und Hämatomen typischer-
einer Einklemmung durchgeführt werden.
weise isointens gegenüber Liquor und zeigen im Unterschied zu typischen subduralen Empyemen keine
Subdurales Empyem. Die wichtigste Komplikation
vermehrte KM-Aufnahme der benachbarten Menin-
einer eitrigen Meningitis sind das subdurale Empyem,
gen.
bakterielle Hirnabszesse, Enzephalitis und Hydrozephalus. Auch hier müssen, besonders im Frühstadium,
die angrenzenden Hirnhäute nicht in jedem Falle ver-
Virusenzephalitis
mehrt KM aufnehmen. Der Inhalt des Empyems ist je
nach Proteingehalt hyper-, iso-, seltener hypointens
Die häufigsten Erreger sind Herpes-simplex-Virus-
auf FLAIR- und T2w Aufnahmen. Diffusionsgewichtete
(HSV-)Typ 1 und 2, humane Herpesviren Typ 6 und 7,
Aufnahmen haben bei Empyemen im Unterschied zu
das Cytomegalievirus, das Epstein-Barr-Virus und das
Hirnabszessen nur begrenzte Aussagekraft, weil sie in
Varizella-Zoster-Virus, die sämtlich zur Herpesgruppe
Kalottennähe wegen der Artefakte meist nur einge-
gehören. Mit Ausnahme der HSV-Typ-1-Enzephalitis,
schränkt beurteilbar sind; zu erwarten ist ein Signal
die ein fast pathognomonisches Befallsmuster im MRT
ähnlich dem von Hirnabszessen mit Reduktion des
mit Befall des limbischen Systems aufweist, sind die
scheinbaren Diffusionskoeffizienten („apparent diffu-
radiologischen Befunde bei Virusenzephalitis unspezi-
sion coefficient“; ADC). Proteinreichere Empyem-
fisch und mit einem fokalen oder diffusen Hirnödem in
anteile können je nach Lagerung des Patienten der
der Akutphase und Atrophie mit Gliose im chronischen
Schwerkraft folgend sedimentieren [1, 2].
Stadium verbunden. KM-Aufnahme kann, muss aber
nicht vorhanden sein.
Differenzialdiagnose
HSV-Enzephalitis
Liquorunterdruck. Die Keimbestimmung erfolgt mit-
Klinischer Hintergrund
tels Liquorkultur. Zu beachten ist, dass auch im Rah-
n
men eines Liquorunterdrucksyndroms und nach (wie-
Epidemiologie. Die HSV-Typ-1-Enzephalitis (HSVE)
derholter) Entnahme von Liquor aus dem (lumbalen)
macht 95 % aller Herpesenzephalitiden und 10 – 20 %
Liquorraum eine vermehrte KM-Aufnahme der spina-
aller viralen Enzephalitiden aus. Die Inzidenz beträgt
len und kranialen Hirnhäute auftreten kann, dann al-
2 – 4/1 000 000 Personen pro Jahr.
lerdings nur der Pachymeningen.
ZNS-Manifestation. Nach der Primärinfektion breitet
Eine leptomeningeale KM-Aufnahme ist immer
pathologisch.
sich das Virus transneuronal bis zum Bulbus olfactorius oder entlang eines Astes des N. trigeminus in das
Ganglion Gasseri aus, wo es bei ca. 70 % der Patienten
Tumoren. Bei neoplastischem Befall der Meningen ist
zunächst latent verbleibt. Die Reaktivierung der laten-
die KM-Aufnahme im Unterschied zur eitrigen Menin-
ten Infektion, deren Mechanismen weitgehend unbe-
gitis häufig weniger linear, sondern eher knötchenför-
kannt sind, führt zur weiteren Ausbreitung des Virus
mig, und die Hirnhäute sind unregelmäßig verdickt.
über durale Nervenäste in die vordere und mittlere
Andere wichtige Erkrankungen der Meningen wie Me-
Schädelgrube.
ningeosis carcinomatosa, Lymphombefall der Meningen usw. werden mittels Liquorbefund, Anamnese und
Die meisten Fälle von HSV-Enzephalitis bei Neuge-
vorliegender Grunderkrankung von einer infektiösen
borenen sind durch das HSV Typ 2 verursacht [3].
Erkrankung der Meningen abgegrenzt.
Klinik. Die HSVE geht meist mit einem kurzen „gripAndere Infektionserkrankungen. Differenzialdiag-
palen“ Prodromalstadium mit Fieber, Kopf- und
nostisch müssen auch andere Infektionserkrankungen
Gliederschmerzen einher, gefolgt von einem „enze-
wie tuberkulöse Meningitiden (s. u.) oder Pilzerkran-
phalitischen“ Stadium mit Wesensänderung, epilepti-
kungen und auch nichtinfektiöse Meningitiden wie
schen Anfällen, Aphasie, Halbseitenlähmung und Be-
Erkrankungen aus dem rheumatischen Formenkreis,
wusstseinsstörung. Parallel dazu kann ein
die Sarkoidose und die idiopathische Pachymeningitis
„psychotisches“ Stadium mit einer produktiven para-
in Betracht gezogen werden.
noid-halluzinatorischen Symptomatik bestehen.
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209
210
Infektiöse Hirnerkrankungen: Bildgebung und differenzialdiagnostische Aspekte
Abb. 2 HSV-Typ-1-Enzephalitis. a, b Axiale T2w Aufnahmen. Axiale T1w Aufnahme nach KM-Gabe. Die Hyperintensitäten im rechten Temporallappen auf den
T2w Aufnahmen (a, b) entsprechen einem entzündlich bedingten Hirnödem. Typisch ist die Beteiligung limbischer Strukturen wie der Inselrinde, des kontralateralen Temporallappens und des Gyrus cinguli beidseits (a, b). Das hohe Signal an der kortikomedullären Grenze (c) kommt durch ein Zusammenspiel aus
KM-Aufnahme und Hämorrhagisierung (Methämoglobin) zustande.
Diagnostik. Bereits im Frühstadium der Erkrankung
diagnose der Herpesenzephalitis ist noch nicht ausrei-
kann der Erreger im Liquor mittels PCR (polymerase
chend geprüft; nach eigenen Erfahrungen kann sich
chain reaction; Polymeraskettenreaktion) nachgewie-
bei einzelnen Patienten die initiale Zellschädigung
sen werden. Damit kann die Diagnose innerhalb von
Stunden gestellt werden. Die weiteren Liquorparame-
des scheinbaren Diffusionskoeffizienten (ADC) mani-
ter zeigen eine mäßige Pleozytose und Eiweißerhö-
festieren.
auch als zytotoxisches Hirnödem mit Verminderung
hung und ein normales Lactat.
Typisch für die HSV-Typ-1-Enzephalitis sind HyTherapie und Prognose. Die Patienten sind meist
perintensitäten auf PDw, T2w oder FLAIR-Aufnah-
schwer krank und bedürfen intensivmedizinischer
men im Gyrus cinguli, im medialen und unteren
Therapie. Unbehandelt führt die HSVE in über 70 % der
Temporallappen und in der Insel.
Fälle zum Tode. Prognostisch entscheidend ist der
frühe Einsatz von Aciclovir, das bereits bei klinischem
KM-Aufnahme. In der Frühphase fehlt KM-Aufnahme.
Verdacht gegeben werden muss. Trotz des Einsatzes
Später kommt es zu KM-Aufnahme der Meningen und
dieser Therapie beträgt die mittelfristige Mortalität
an der kortikomedullären Grenze. Nach Tagen zeigen
20 %, und katamnestische Untersuchungen weisen bei
sich parenchymale petechiale Einblutungen ebenfalls
etwa der Hälfte der Patienten schwere neurologische
häufig an der kortikomedullären Grenze mit zunächst
oder neuropsychologische Langzeitschäden nach.
hohem Signal auf nativen T1w Aufnahmen (Methämoglobin). Im Verlauf von Tagen wird die kontra-
n
Bildmorphologie
Hirnödem. Das MRT-Bild der HSV-Typ-1-Enzephalitis
laterale Hemisphäre befallen. Nach der akuten Entzündung verbleibt meist ein zystisch-gliotisches
ist sehr spezifisch: Als Ausdruck eines fokalen Hirn-
Residuum mit fokaler oder diffuser Hirnatrophie
ödems zeigen sich Hyperintensitäten auf PDw, T2w
(Abb. 2) [3, 5, 6].
oder FLAIR-Aufnahmen im Gyrus cinguli, im medialen
und unteren Temporallappen und in der Insel. Es kann
auch zu einer Beteiligung des Frontal-, Parietal- und
Cytomegalievirus-(CMV-)Enzephalitis
Okzipitallappens sowie des Thalamus und des Hypo-
Klinischer Hintergrund
thalamus, gelegentlich auch des Hirnstamms kom-
n
men. Diese Zeichen sind aber erst ab 48 Stunden nach
Epidemiologie. Die CMV-Durchseuchung in Europa
Einsetzen der Symptomatik zuverlässig nachweisbar.
liegt bei 50 – 60 %.
Für eine schlechte Prognose der Erkrankung spricht
eine fokale unilaterale Hyperperfusion im SPECT [4].
ZNS-Manifestation. Bei nicht immungeschwächten
Der Wert der diffusionsgewichteten MRT zur Früh-
Erwachsenen treten keine neurologischen Komplika-
Radiologie up2date 3
Œ 2006
Neuroradiologie
tionen auf. Bei immungeschwächten Erwachsenen
n
Bildmorphologie
kommt es durch Reaktivierung des CMV zu einer
Meist kommt es zu einem Stammganglienbefall, we-
schweren Enzephalitis, seltener zu Myelitiden und
niger typisch ist eine EBV-Zerebellitis mit meist kräfti-
Radikulomyelitiden. Seit dem Einsatz hochaktiver
antiretroviraler Therapien ist die CMV-Enzephalitis
ger KM-Aufnahme. [5, 6].
bei AIDS allerdings wieder seltener geworden.
Varizella-Zoster-Virus-(VZV-)Enzephalitis
Diagnostik. Der Liquor zeigt eine mäßige entzünd-
Klinischer Hintergrund
liche lymphomonozytäre Pleozytose mit mäßiger
n
Eiweißerhöhung und normalem Lactat. Zur Diagnosesicherung wird der Erreger im Liquor (PCR) und eine
Epidemiologie. Die Inzidenz beträgt 1 – 2/10 000 Personen pro Jahr. Primärinfektion sind die Windpocken.
hohe Viruslast nachgewiesen.
Immungeschwächte Personen haben ein erhöhtes Risiko.
Therapie. Wirksame antivirale Substanzen wie Ganciclovir oder Foscarnet stehen bei ausgebrochener Er-
ZNS-Manifestation. Die Reaktivierung des Virus führt
krankung und für immungeschwächte oder organ-
zu einem Herpes zoster (Gürtelrose) oder zu einer in-
transplantierte Patienten mit hohem CMV-Titer auch
fektiösen Enzephalitis. Weitere Manifestationen im
für eine Prophylaxe zur Verfügung.
ZNS sind eine para- bzw. postinfektiöse Enzephalomyelitis oder Zerebellitis, ein Guillain-BarrØ-Syndrom
n
Bildmorphologie
oder ein Reye-Syndrom [5, 6].
Das Virus hat besondere Affinität gegenüber der subependymalen germinalen Matrix. Es zeigen sich un-
Diagnostik. Im Liquor findet sich eine entzündliche
scharf begrenzte, leicht raumfordernde Hyperinten-
lymphomonozytäre Pleozytose. Etwa 8 – 10 Tage nach
sitäten im periventrikulären und subependymalen
Beginn der Erkrankung lässt sich eine intrathekale Bil-
Marklager auf T2w Aufnahmen mit KM-Aufnahme [7].
dung von VZV-Antikörpern nachweisen.
Therapie. Therapeutisch wird Aciclovir eingesetzt.
Epstein-Barr-Virus-(EBV-)Enzephalitis
Wesentlich sind allgemeinmedizinische Maßnahmen
und eine frühzeitige Rehabilitation.
n
Klinischer Hintergrund
Bildmorphologie
ZNS-Manifestation. Im Rahmen der Primärinfektion,
n
der infektiösen Mononukleose, und bei Virusreaktivie-
Bei immungeschwächten Patienten sind 3 Befallsmus-
rung können eine Enzephalitis oder ein Guillain-
ter charakteristisch:
BarrØ-Syndrom entstehen. Unabhängig von den aku-
n
territoriale, z. T. hämorrhagische Hirninfarkte,
ten ZNS-Infektionen sind Non-Hodgkin-Lymphome
n
ischämische oder demyelinisierende Läsionen in der
tiefen weißen Substanz als Folge eines Befalls klei-
bei immungeschwächten Personen häufig EBV-asso-
ner Gefäße,
ziiert und wahrscheinlich EBV-getriggert. Im Intervall
ist das EBV mit Burkitt-Lymphom und nasopharyn-
n
Ventrikulitis oder Periventrikulitis.
gealen Karzinomen assoziiert.
Typisch sind multiple, oft sphärische Läsionen der
Klinik. Leitsymptome sind exogene Psychose, neuro-
weißen Substanz mit hohem Signal auf T2w Auf-
logische Herdsymptome und EEG-Veränderungen. Ge-
nahmen und Bevorzugung der periventrikulären
legentlich kann eine Hirnnervenneuritis auftreten mit
Region, des Kleinhirns und des Halsrückenmarks.
bilateralen Fazialisparesen.
Die oft in den Basalganglien auftretenden Hirninfarkte
Diagnostik. Diagnostisch beweisend sind ein ent-
entstehen meist auf dem Boden einer VZV-Vaskulitis.
zündlicher Liquorbefund und der Nachweis von EBV-
Angiographisch lassen sich dann häufig Kalibersprün-
DNS im Liquor mittels PCR.
ge nachweisen. Kommt es zu einer Ventrikulitis oder
Periventrikulitis mit hohem Signal periventrikulär auf
Therapie. Zur Therapie werden Aciclovir und Ganciclovir eingesetzt.
T2w Aufnahmen und homogenem Enhancement, kann
der Befund dem einer CMV-Enzephalitis sehr ähneln.
KM-Aufnahme ist möglich [5, 6].
Radiologie up2date 3
Œ 2006
211
212
Infektiöse Hirnerkrankungen: Bildgebung und differenzialdiagnostische Aspekte
Therapie. Die therapeutischen Möglichkeiten sind begrenzt, klinische Verbesserungen wurden nach Gabe
von a-Interferon, Cytarabinosid und Ciclofovir gezeigt
[11].
n
Bildmorphologie
Typischerweise beginnt die Erkrankung in der subkortikalen lobären weißen Substanz. Die U-Fasern (Fibrae
arcuatae) sind im Unterschied zur HIV-Enzephalopathie immer beteiligt, die Hirnrinde wird ausgespart. In
fortgeschrittenen Stadien zeigen sich bilateral-symmetrische, flächige Läsionen im Marklager mit hohem
Signal auf T2w Aufnahmen, die im Verlauf größer
werden und konfluieren. Auch der Thalamus, die Basalganglien, das Corpus callosum und infratentorielle
Strukturen können betroffen sein. Eine KM-Aufnahme
ist fast nie, eine Raumforderung nur selten zu sehen
(Abb. 3) [8 – 10].
Im Unterschied zur HIV-Enzephalopathie sind die
U-Fasern (Fibrae arcuatae) bei der PML immer beteiligt.
Abb. 3 Progressive multifokale Leukenzephalopathie (PML) bei einer 37 Jahre alten Patientin mit AIDS. a, b Axiale FLAIR-Aufnahmen zum Zeitpunkt der stationären Aufnahme.
c, d Aufnahmen 4 Wochen später. Typisch sind die Hyperintensitäten in der okzipitalen
lobären weißen Substanz, in diesem Falle links okzipital (a, c), und an anderen Stellen wie
im rechten Temporallappen (a, c) und rechts parietal (b, d). Im Unterschied zur HIV-Enzephalitis sind auch die U-Fasern (Fibrae arcuatae) beteiligt. Deutliche Größenzunahme der
Veränderungen im zeitlichen Verlauf über 4 Wochen.
Progressive multifokale Leukenzephalopathie (PML)
Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME)
n
Klinischer Hintergrund
Epidemiologie. Die Inzidenz beträgt ca. 1 – 2/100 000
Personen pro Jahr.
Ätiologie. Erreger sind Arboviren (Flaviviren). Die
Übertragung auf den Menschen erfolgt in der Regel
durch Stechmücken oder Zecken, die zu 0,1 % infiziert
n
Klinischer Hintergrund
sind.
Ätiologie. Der Erreger dieser opportunistischen Virusinfektion des ZNS ist das JC-Virus, ein DNA-haltiges
Klinik. Typischerweise verläuft die FSME biphasisch.
Papova-Virus. Zur PML kommt es bei Personen mit
8 – 10 Tage nach der Infektion treten grippeartige
zellulärer Immunschwäche wie AIDS, Leukämie,
Symptome auf. Nach einem fieberfreien Intervall von
Morbus Hodgkin und Autoimmunstörungen [8 – 10].
mehreren Tagen entwickeln sich dann bei 6 – 10 % der
Patienten neurologische Symptome, meist eine Me-
Klinik. Klinisch stehen neuropsychologische Defizite,
ningitis (75 %), seltener eine Enzephalitis (20 %) oder
demenzielle Entwicklung, Gangstörungen, Gesichts-
eine Radikulomyelitis (5 – 10 %).
feldstörungen und Pyramidenbahnläsionen im Vordergrund. Die fortschreitende Demyelinisierung führt
Diagnostik. Der Liquorbefund zeigt eine mäßiggradige
letztlich zu einem vegetativen Status, Koma und Tod.
Pleozytose und Eiweißerhöhung. Häufig können eine
Diagnostik. Der Liquorbefund ist häufig normal, nur
IgG-Produktion nachgewiesen werden.
intrathekale IgM-Produktion, im Verlauf auch eine
gelegentlich sind die Zellzahl, IgG und Eiweiß leicht
erhöht. Die PCR aus dem Liquor sichert mit hoher Spe-
Therapie. Eine spezifische Therapie steht nicht zur
zifität und Sensitivität durch den Nachweis des Virus-
Verfügung. Im Vordergrund stehen symptomatische
genoms die Diagnose.
Therapie, häufig werden intensivmedizinische Maßnahmen notwendig [12].
Radiologie up2date 3
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Neuroradiologie
n
Bildmorphologie
Tabelle 2
Meist ist der MRT-Befund normal. Pathologische Be-
Typische ZNS-Infektionen bei immungeschwächten
Personen
funde umfassen Hyperintensitäten auf T2w Aufnahmen im Thalamus, Kleinhirn, Hirnstamm und im Nucleus caudatus.
Toxoplasmose
JC-Virus-Infektion (progressive multifokale Leukenzephalopathie)
Human-Immunodeficency-Virus-(HIV-)
Enzephalitis und -Enzephalopathie
HIV-Enzephalitis
n
Klinischer Hintergrund
Tuberkulose
Die Begriffe HIV-Enzephalitis, HIV-Enzephalopathie
und „AIDS-Demenz-Komplex“ werden in der Literatur
Neurosyphilis
gelegentlich synonym gebraucht.
Varizella-Zoster-Enzephalitis
Epidemiologie. Es handelt sich um einen bei 60 % der
Patienten mit AIDS auftretenden Virusdirektbefall
Herpesenzephalitis
durch das HIV.
Cytomegalievirus-Enzephalitis
Ätiologie. Die Ätiologie ist komplex, diskutiert wird
Kryptokokkose
die Hochregulierung neurotoxischer Substanzen durch
den Kontakt von HIV-infizierten Makrophagen mit
Gliazellen.
knapp 5 % der Fälle eine akute aseptische Meningitis
ZNS-Manifestation. Bei 3 – 10 % aller AIDS-Patienten
auf. In dieser Frühphase finden sich entzündliche
Liquorveränderungen. Im späteren Stadium der HIV-
zeigt sie sich als Erstmanifestation der Erkrankung.
Enzephalopathie kommt es in ca. 20 % der Fälle zu
Daneben treten bei Immungeschwächten auch zahl-
multiplen ca. 1 cm großen auf T2w Aufnahmen hyper-
reiche andere infektiöse Hirnerkrankungen gehäuft
intensen flächig-konfluierenden, symmetrischen Lä-
auf (Tab. 2). Die HIV-Enzephalopathie ist mit ca. 33 %
sionen der weißen Substanz. Die U-Fasern sind im Un-
das häufigste HIV-assoziierte neurologische Krank-
terschied zur PML ausgespart. Während Läsionen bei
heitsbild. Sie tritt in späteren Krankheitsstadien bei
HIV-Enzephalitis eine Verminderung der Magnetiza-
fortgeschrittener Immunschwäche und koexistieren-
tion Transfer Ratio (MTR) nur um ca. 20 % gegenüber
den systemischen Erkrankungen auf.
Normalwerten zeigen, ist die Magnetization Transfer
Ratio bei PML als Ausdruck der stärkeren Demyelini-
Klinik. Es finden sich Symptome einer subkortikalen
sierung um ca. 45 % vermindert [13,14]. KM-Aufnahme
Demenz mit diffusen kognitiven und mnestischen De-
ist meist nicht vorhanden.
fiziten, psychomotorischer Verlangsamung, motorischen Störungen und Apathie.
Zweites Stadium. Das 2. Stadium ist durch eine subakute Enzephalitis mit über Monate fortschreitender
Diagnostik. Eine Liquoruntersuchung ist zum Aus-
Hirnatrophie gekennzeichnet. Im Verlauf können Ver-
schluss einer opportunistischen ZNS-Infektion not-
kalkungen der Basalganglien, der Frontallappen und
wendig. Bei einer HIV-Enzephalopathie findet sich
des Kleinhirns auftreten. Eine Variante der HIV-Enze-
eine normale oder leicht erhöhte Zellzahl und eine
phalopathie ist die sog. progressive diffuse Leukenze-
mäßige Gesamteiweißerhöhung, pathognomonische
phalopathie (PDL). Hier zeigen sich Signalveränderun-
Veränderungen fehlen.
gen vor allem im frontalen Marklager, die ebenfalls die
U-Fasern aussparen (Abb. 4) [10].
Therapie. Unter hochdosierter virostatischer Therapie
sind die Veränderungen partiell reversibel.
n
Bildmorphologie
Masernvirusenzephalitis
Klinischer Hintergrund
Erstes Stadium. Im 1. Stadium, meist bereits zum
n
Zeitpunkt der initialen HIV-Infektion (Virämie) – und
Im Zusammenhang mit einer Maserninfektion können
manchmal sogar noch vor der Serokonversion – tritt in
folgende Formen der Enzephalitis auftreten.
Radiologie up2date 3
Œ 2006
213
214
Infektiöse Hirnerkrankungen: Bildgebung und differenzialdiagnostische Aspekte
Ribavirin einen positiven Effekt auf den Krankheitsverlauf zu haben. Eine definitive Therapie der SSPE ist
bislang nicht etabliert [1, 2, 7,15].
n
Bildmorphologie
Bei akuter Enzephalitis zeigen sich auf T2w Aufnahmen hyperintense Läsionen im subkortikalen Marklager, im Hirnstamm und im Kleinhirn. Bei SSPE ist der
Initialbefund meist regelrecht. Später kommt es zu
Abb. 4 HIV-Enzephalopathie (progressive diffuse Leukenzephalopathie). Axiale T2w Aufnahmen. Flächig-konfluierende Hyperintensitäten der supratentoriellen periventrikulären
(Pfeilspitzen) und subkortikalen (Sterne) weißen Substanz, die im Unterschied zur progressiven multifokalen Leukenzephalopathie (PML) die subkortikalen U-Fasern aussparen.
Hyperintensität auch in der Pyramidenbahn im Mittelhirn (Pfeile).
diffuser Hirnschwellung und Auftreten fokaler, auf
T2w Aufnahmen hyperintenser Läsionen im Marklager, im Kortex, in den Basalganglien, hier besonders
im Putamen und im Nucleus caudatus, und im Kleinhirn. Endzustand ist eine Hirnatrophie [1, 7].
Akute postinfektiöse autoimmunologisch bedingte
Masernenzephalitis. Zu einer akuten postinfektiösen
autoimmunologisch bedingten Masernenzephalitis
Slow-Virus-Infektionen
kam es vor Einführung der Schutzimpfung bei
Infektionen
10/100 000 Kindern unter 16 Jahren. Sie beginnt kurz
n
nach Auftreten des Masernexanthems oder als akute
Einige Autoren [16] subsumieren unter dem Begriff der
progressive Enzephalitis einige Monate danach. Die
„Slow-Virus“-Infektionen die oben erwähnte SSPE,
Wahrscheinlichkeit, nach einer Masernimpfung an
die ebenfalls oben erwähnten HIV-assoziierten
einer Enzephalitis zu erkranken, beträgt 1,8/100 000
Enzephalitiden (PML und HIV-Enzephalitis) und die
Impfungen.
progressive Rötelnpanenzephalitis.
Subakute Masernenzephalitis. Hier handelt es sich
n
um eine subakute Masernenzephalitis, die sich typi-
Es handelt sich um eine subakute, progredient verlau-
Progressive Rötelnpanenzephalitis
scherweise 1 – 10 Monate nach einer Maserninfektion
fende Panenzephalitis, die nach abgelaufener konge-
bei immuninkompetenten Patienten manifestiert.
nitaler oder postnataler Rötelninfektion entstehen
Subakut sklerosierende Panenzephalitis. Eine sub-
männliche Patienten.
kann. Diese Erkrankung ist sehr selten und betrifft nur
akut sklerosierende Panenzephalitis (SSPE) tritt frühestens 6 Jahre nach Maserninfektion auf und betrifft
Pathogenese. Die Pathogenese ist nicht bekannt, es
überwiegend Kinder und Jugendliche, die vor dem
wird ein ähnlicher Pathomechanismus wie bei der
2. Lebensjahr an Masern erkrankt waren. Das typische
SSPE diskutiert.
Erkrankungsalter liegt vor dem 30. Lebensjahr, im
Mittel bei 7 Jahren. Die Inzidenz beträgt 1/1 000 000
Ob eine Rötelnimpfung die progressive Rötelnpan-
Personen der nicht immunisierten Bevölkerung pro
enzephalitis verhindern oder möglicherweise sogar
Jahr. Für die postinfektiöse Enzephalomyelitis sind ein
triggern kann, ist bislang noch ungeklärt [17].
Wiederauftreten von Fieber und eine Bewusstseinsstörung, Krampfanfälle und fokal-neurologische Defi-
Klinik. Die klinische Symptomatik beginnt meist in der
zite Tage oder wenige Wochen nach durchgemachter
ersten Hälfte der 2. Lebensdekade mit einem progre-
Maserninfektion während der Rekonvaleszenzphase
dienten demenziellen Syndrom, hinzu treten früh eine
typisch. Das klinische Bild bei subakuter Masernenze-
ausgeprägte zerebelläre Ataxie und multifokale Herd-
phalitis umfasst therapierefraktäre Anfälle. Fieber tritt
symptome mit spastischen Paresen und fokalen und
nicht auf. Bei der SSPE kommt es zu Myoklonien, epi-
sekundär generalisierten epileptischen Anfällen. Asso-
leptischen Anfällen und psychischen Auffälligkeiten.
ziiert sind häufig Retinopathien und eine Optikusatro-
Periodische Komplexe im EEG begleiten das initiale
phie, eine untergeordnete Rolle spielen Myoklonien
(psychopathologische) und das sich anschließende
und Bewegungsstörungen.
neurologische Stadium. Neueren Berichten zufolge
scheint eine bereits im frühen Stadium verabreichte
Diagnostik. Diagnostisch beweisend ist der Nachweis
Kombinationstherapie, bestehend aus hochdosiertem
hochtitriger intrathekal produzierter Antikörper gegen
Röteln im Liquor bei meist normaler Zellzahl und nur
intrathekalem a-Interferon und intravenösem
Radiologie up2date 3
Œ 2006
Neuroradiologie
gering erhöhtem Protein. Oligoklonale Banden sind
positiv; sie bestehen aus Antikörpern gegen Rötelnvirus [17]. Das EEG zeigt eine diffuse Verlangsamung,
Tabelle 3
Kriterien zur Unterscheidung zwischen Virusenzephalitis und akuter
demyelinisierender Enzephalomyelitis (ADEM)
seltener periodische Entladungen. Bildmorphologisches Korrelat ist eine Kleinhirnatrophie, die vor allem
Kriterium
Virus-Enzephalitis
MRT-Befund
n
die weiße Kleinhirnsubstanz betrifft [7].
Therapie. Eine spezifische Therapie steht nicht zur
Verfügung. Die Maßnahmen müssen sich auf adjuvante Behandlungen und pflegerische Maßnahmen beschränken. Die Prognose ist fatal, der Tod tritt innerhalb von Monaten bis wenigen Jahren ein.
n
flächige Hyperintensitäten
auf T2w Aufnahmen, oft mit
Beteiligung der Hirnrinde, der
Basalganglien, des Hirnstamms
und des Kleinhirns
KM-Aufnahme möglich, dann
aber eher homogen und nicht
ringförmig
Differenzialdiagnose
Akute demyelinisierende
Enzephalomyelitis (ADEM)
n
n
n
multifokale, rundliche
Hyperintensitäten der
weißen Substanz auf T2w
Aufnahmen, graue Substanz
meist nicht beteiligt, Kokardenphänomen
ringförmige KM-Aufnahme,
alle Läsionen im gleichen
Aktivitätsstadium
Rückenmarksbeteiligung
möglich
Neben dem Ausschluss von Komplikationen wie z. B.
Hirnstammbefall ist die wichtigste Aufgabe des Neuroradiologen die differenzialdiagnostische Abgren-
Tage oder Wochen nein
zurückliegende
Impfung
Ja
typisches Alter
keine Altersbevorzugung
Kinder
Fieber
meist vorhanden
möglich
prodromale Beschwerden
gelegentlich
meist vorhanden
zung der entzündlichen gegenüber neoplastischen
oder ischämischen Veränderungen:
n
Eine Veränderung des KM-Aufnahmeverhaltens innerhalb von Tagen bei der Virusenzephalitis, die bei
niedriggradigen Gliomen meist nicht vorhandene
Hämorrhagisierung und die rasche Ausbreitung der
entzündlichen Veränderungen z. B. in limbischen
Strukturen wie bei der HSV-Typ-1-Enzephalitis können für die Eingrenzung der Differenzialdiagnose
ein- oder beidselten
seitiger Sehverlust
möglich
Rückenmarkszeichen
möglich
hilfreich sein.
n
Höhergradige Gliome und Metastasen zeigen im
Perfusions-MRT im Unterschied zu Entzündungen
selten
ein mindestens doppelt so großes regionales
zerebrales Blutvolumen (rCBV) wie normales Hirngewebe.
n
Polymerasekettenreaktion (PCR) als hochsensitiver
Lymphome und Toxoplasmoseherde, die wichtigs-
Virus-DNA-Direktnachweis im Liquor für die Früh-
ten Differenzialdiagnosen bei HIV-assoziierten
diagnose zur Verfügung. Manchmal kann es zudem
Erkrankungen, zeigen immer KM-Aufnahme. Bei
schwierig sein, eine akute Virusenzephalitis von einer
Lymphomen kommt es zu einer massiven Blut-
postinfektiösen akuten demyelinisierenden Enzepha-
Hirn-Schrankenstörung, die den T2*-Effekt durch
lomyelitis (ADEM) zu unterscheiden (Tab. 3).
das (nur leicht) erhöhte rCBV im Perfusions-MRT
meist überwiegt [18].
n
Hirninfarkte zeigen initial immer einen verminder-
Andere, seltenere Virusenzephalitiden
ten ADC, orientieren sich an Gefäßterritorien und
demarkieren sich schneller als Entzündungsherde.
Tick-borne-Virus. In Schweden wird die Hälfte aller
Stadienabhängig haben Hirninfarkte so typische
Enzephalitiden durch das Tick-borne-Virus verursacht.
MR-Charakteristika, dass sie meist von einer Virusenzephalitis, spätestens mit einer Verlaufsuntersuchung, differenziert werden können.
Japanische B-Enzephalitis. Die japanische B-Enzephalitis ist die häufigste Enzephalitis in Asien und wird
durch ein zur Gruppe des St.-Louis-Komplexes der
Bei der Varizella-Zoster-Enzephalitis kommen diffe-
Flaviviren gehörendes Virus verursacht. Die Erkran-
renzialdiagnostisch auch zerebrale Vaskulitiden ande-
kung ist epidemisch in China, den nördlichen Teilen
rer Genese in Betracht. Für die Viren der Herpesgruppe
von Südostasien und in Teilen von Indien und Sri Lan-
und zunehmend viele andere Viren steht heute die
ka. Übertragen wird das Virus von Moskitos. Meist sind
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216
Infektiöse Hirnerkrankungen: Bildgebung und differenzialdiagnostische Aspekte
Tabelle 4
Kriterien zur Unterscheidung ringförmig KM-aufnehmender Hirnläsionen
Kriterien
Bakterieller Hirnabszess
T2w
Aufnahmen
n
n
n
T1w Aufnahmen
(nativ)
n
n
n
T1w Aufnahmen
nach KMGabe
Toxoplasmose-Herd
Akute demyelinisierende Zystisch-nekrotisches
Enzephalomyelitis bzw. anaplastisches Gliom/
Glioblastom/Metastase
akute MS
Zysteninhalt je nach
Proteingehalt hypo-,
iso- oder hyperintens
hypo- bis isointenser
Randsaum (Kapsel)
ausgeprägte perifokale
Hyperintensität (Ödem)
multiple, zentral hyperintense Areale mit ausgeprägter perifokaler Hyperintensität (Ödem) in der
weißen und grauen Substanz (Basalganglien)
n
Zysteninhalt je nach
Proteingehalt hypo-,
iso- oder hyperintens
isointenser Randsaum
perifokale Hypointensität (Ödem)
n
kräftige, ringförmige,
nach außen glatt begrenzte KM-Aufnahme, die an
der Hirnoberfläche dicker
ist als ventrikelnah
n
multiple hypointense
Areale
Hyperintensität ist
Ausdruck einer Verkalkung oder selten
Einblutung
multiple, KM-aufnehmende Herde in der weißen
und grauen Substanz
Bevorzugung der Basalganglien
n
multiple Hyperintensitäten in der weißen
Substanz
evtl. Kokardenphänomen
selten Hyperintensität
(Einblutung)
n
n
n
n
n
n
alle Läsionen zeigen
gleichermaßen Aktivität
(KM-Aufnahme) oder
keine Aktivität (keine
KM-Aufnahme)
n
n
Primäres ZNS-Lymphom
bei Immunschwäche
Zysteninhalt meist
hyperintens
kein durchgehender
Randsaum
Gliome: ausgeprägtes
perifokales Ödem, das
auf den Ventrikel hin
ausgerichtet ist
n
Zysteninhalt meist
hypointens
kein Randsaum
perifokale Hypointensität (Ödem)
inhomogenes, überwiegend hypointenses Signal
kräftige, ringförmige
KM-Aufnahme
Gliome: unscharf
begrenzt; Wachstum
in Richtung auf den
Ventrikel
n
n
n
n
n
solitäre Läsion, meist
größer als 1 ” 1cm
in den soliden Anteilen
hypointens, in den
zystischen Anteilen, die
bei Immunschwäche
häufiger vorkommen,
überwiegend hyperintens
ringförmige KMAufnahme untypisch
inhomogene, in den
soliden Anteilen kräftige
KM-Aufnahme
subependymale
KM-Aufnahme
Eindellung der Ventrikel
diffusionsgewichtete
MRT
meist ADC-Verminderung im zystischen
Anteil
meist ADC-Erhöhung
initial ADC-Verminderung
möglich; danach immer
ADC-Erhöhung
meist ADC-Erhöhung
im zystischen Anteil
meist ADC-Verminderung
im soliden Anteil
PerfusionsMRT
rCBV im soliden Anteil
gegenüber normalem
Hirngewebe nicht oder
höchstens um 50 % erhöht
rCBV im soliden Anteil
gegenüber normalem
Hirngewebe nicht oder
höchstens um 50 % erhöht
rCBV im soliden Anteil
gegenüber normalem
Hirngewebe höchstens
um 50 % erhöht
rCBV im soliden Anteil
gegenüber normalem
Hirngewebe um 100 %
oder mehr erhöht
massive Störung der BlutHirn-Schranke im soliden
Anteil
Liquorbefund positiv für
Toxoplasmose
Verminderung der Magnetization-Transfer-Ratio um
mehr als 45 %
Sonstiges
Liquorbefund positiv für
Epstein-Barr-Virus
Kinder betroffen. Nichtimmune Erwachsene, die in ein
übertragen. Es kann eine Meningitis mit geringer Be-
Epidemiegebiet reisen, können eine schwere Enzepha-
gleitenzephalitis verursachen.
litis erleiden. Die Infektion kann asymptomatisch oder
mit einfacher grippeähnlicher Symptomatik verlaufen.
Paramyxoviren. Enzephalitiden durch Paramyxoviren
Eine Enzephalitis zeichnet sich durch hohes Fieber,
wie dem Parainfluenzavirus sind ebenfalls eine Rarität.
Kopfschmerzen, Krampfanfälle und Koma aus. Tremor
und andere parkinsonähnliche Symptome können
auch vorkommen. Das Virus befällt Hirnstammkerne,
die Basalganglien und den Thalamus.
Choriomeningitis-Virus. Das lymphozytäre Choriomeningitis-Virus (Gruppe der Arenaviren) wird von in
der Wohnung gehaltenen Mäusen und Hamstern
Radiologie up2date 3
Œ 2006
Neuroradiologie
Eitrige Zerebritis und
bakterieller Hirnabszess
Klinischer Hintergrund
Die Zerebritis ist das früheste Stadium eitriger Hirninfektionen und mündet in der Regel in der Ausbildung eines Hirnabszesses. Die Aufgabe des Neuroradiologen besteht in der differenzialdiagnostischen
Abgrenzung gegenüber anderen ringförmig KM-aufnehmenden Läsionen wie Metastasen und Hirntumoren (Tab. 4).
Epidemiologie. Die Inzidenz von Hirnabszessen ist
von ca. 3 : 100 000 Personen pro Jahr am Anfang des
20. Jahrhunderts auf weniger als 1 : 100 000 Personen
pro Jahr am Ende des 20. Jahrhunderts gesunken. Immungeschwächte Personen haben ein erhöhtes Risiko.
Pathogenese. Die Hälfte aller Hirnabszesse entsteht
per continuitatem aus benachbarten Strukturen, dann
meist auf dem Boden einer Sinusitis oder Otitis, in 10 %
der Fälle durch Zahnabszesse. 25 % aller Hirnabszesse
entstehen hämatogen z. B. auf dem Boden einer bakteriellen Endokarditis oder eitrigen Pneumonie (sog.
septische Herdenzephalitis). Typische Erreger sind in
Abb. 6 Hämatogener, pyogener Hirnabszess. a Axiale T2w Aufnahme. b, d Axiale T1w
Aufnahmen nach KM-Gabe vor (b) und nach (d) antibiotischer Behandlung. c Axiale ADCMap. Ringförmig KM-aufnehmende Raumforderung links temporal (b, d). Typisch ist das
ausgeprägte perifokale Hirnödem (a), die auf der T2w Aufnahme signalarme Abszesskapsel (a) und der im Vergleich zum angrenzenden Hirngewebe verminderte ADC (c).
Wegen der geringen Größe des Abszesses wurde in diesem Fall auf eine operative Entlastung verzichtet. Nach 14-tägiger antibiotischer Behandlung war der Abszess deutlich
geschrumpft (d).
70 % der Fälle Streptokokkenspezies, besonders häufig
Streptococcus milleri. Staphylococcus aureus kommt
on und Metronidazol und, bei posttraumatischen oder
in 10 – 30 % der Fälle vor [5,19].
postoperativen Hirnabszessen, zusätzlich Vancomycin.
Klinik. Klinisch stehen Kopfschmerzen im Vorder-
Prognose. Die Prognose ist abhängig vom Alter, der
grund, daneben klagen mehr als 50 % der Patienten
Grunderkrankung, der Größe und der Lokalisation des
über Übelkeit, Bewusstseinsstörungen oder Fieber.
Abszesses und dem Beginn der Therapie. Die Gesamt-
Häufige Symptome sind außerdem epileptische Anfäl-
mortalität beträgt 5 – 10 %, ca. 2/3 der Patienten sind
le und Halbseitenlähmungen.
nach 5 Jahren vollständig rehabilitiert.
Diagnostik. C-reaktives Protein (CRP) und Procalcitonin sind in über 80 % erhöht, BSG-Erhöhung und Leu-
Bildmorphologie
kozytose bestehen in ca. 50 – 60 % der Fälle. Die Liquoruntersuchungen zeigen sehr variable Befunde, die
Abszessentwicklung. Häufigste Lokalisation ist die
Zellzahl und Gesamtprotein können normal oder stark
kortikomedulläre Grenze einer Großhirnhemisphäre,
erhöht sein. Wesentlich ist die Fokussuche; positive
meist des Frontal- oder Parietallappens. Multiple
Blutkulturen sind allerdings selten (10 %). Die Diagno-
Abszesse kommen besonders häufig bei immunge-
sesicherung erfolgt über eine stereotaktische Aspirati-
schwächten Patienten vor. Die Abszessentwicklung
on des Abszesses mit Gramfärbung des Ausstrichs und
verläuft in 4 Phasen:
Kultivierung.
n
Frühe Zerebritis: Die frühe Zerebritis (3. – 5. Tag)
zeigt sich als fokales Hirnödem mit Hyperintensität
Therapie. Therapeutisch sollte ein solitärer abgekap-
auf T2w und FLAIR-Aufnahmen. KM-Aufnahme ist
selter Hirnabszess in günstiger Lokalisation operativ
entfernt werden, daneben ist eine parenterale Antibiose über 8 – 10 Wochen notwendig – nach Antibiogramm oder mit einem Cephalosporin der 3. Generati-
zwar möglich, aber nicht obligat (Abb. 5).
n
Späte Zerebritis: Im Stadium der späten Zerebritis
(4. – 14. Tag) grenzen sich zunehmend Nekrosezonen
als liquorisointense Areale innerhalb des Ödems ab.
Radiologie up2date 3
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Infektiöse Hirnerkrankungen: Bildgebung und differenzialdiagnostische Aspekte
Ein auf T1w Aufnahmen iso- bis leicht hyperintenser, auf T2w und PDw Aufnahmen iso- bis leicht hypointenser ringförmiger Randsaum kann als Frühmanifestation der Abszesskapsel bereits erkennbar
sein. Als Ursache für die Hypointensität der Abszesskapsel wird deren hoher Gehalt an Kollagen und
paramagnetischen freien Radikalen angesehen [5].
n
Frühes und spätes Kapselstadium: Diese Abszesskapsel nimmt kräftig und homogen KM auf, ist im
frühen und späten Kapselstadium (ab der 2. Woche)
immer nachzuweisen (Abb. 6, 7) und ist auf der
ventrikelnahen Seite dünner als auf der der Hirnoberfläche zugewandten Seite des Abszesses [5].
Hämatogene Abszesse sind meist multifokal und
haben ein Verteilungsmuster entlang des Stromgebietes der A. cerebri media (sog. septische Herdenzephalitis). Das Vorhandensein multipler, nur
wenige Millimeter großer, konzentrischer Ringstrukturen mit Hypointensität auf T2w Aufnahmen
ist relativ typisch für Abszesse durch Nocardia asteroides (Abb. 8).
Der zeitliche Ablauf der Abszessentwicklung ist nicht
gleichförmig, sondern hängt vom immunologischen
Status des Patienten und vom Beginn der antibiotischen Behandlung ab; unter Corticoidtherapie sind die
Abb. 7 Hämatogener, pyogener Hirnabszess. a Axiale T2w Aufnahme. b Koronare T1w
Aufnahme nach KM-Gabe. c Axiale diffusionsgewichtete Aufnahme. d Axiale ADC-Map.
Ringförmig KM-aufnehmende Raumforderung an der kortikomedullären Grenze. Typisch
sind die auf der T2w Aufnahme signalarme Abszesskapsel (a), das hohe Signal auf den diffusionsgewichteten Aufnahmen (c) und der verminderte ADC (d). Typisch für Hirnabszesse
ist außerdem das Phänomen, dass die KM-aufnehmende Kapsel auf der ventrikelnahen
Seite des Abszesses dünner ist (b Pfeilspitzen) als auf der der Hirnrinde zugewandten Seite
(b Pfeile).
Dicke der Kapsel und die Intensität der KM-Aufnahme
geringer als normalerweise. Unter erfolgreicher antibiotischer Therapie bildet sich der auf T2w Aufnahmen
hypointense Ring innerhalb von Tagen zurück. KMAufnahme kann noch monatelang persistieren
(Abb. 6).
Abb. 8 Multiple hämatogene Hirnabszesse bei Nokardiose. a Axiale T2w Aufnahme. b Axiale FLAIR-Aufnahme. c Axiale T1w Aufnahme nach KM-Gabe. Typisch für
Nokardiose sind multiple 2 – 6 mm große ringförmig KM-aufnehmende Herde mit niedrigem Signal auf T2w Aufnahmen (a Pfeile).
Radiologie up2date 3
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Neuroradiologie
Komplikationen. Komplikationen bzw. spezielle Verlaufsformen eines Hirnabszesses sind die Ausbildung
Neurotuberkulose (Neuro-Tbc)
von Tochterabszessen, die Entwicklung einer eitrigen
Meningitis oder einer Ependymitis bzw. Ventrikulitis
Klinischer Hintergrund
[5,19, 20]. Eine komplizierende Ventrikulitis bzw.
Ependymitis zeigt sich als vermehrte KM-Aufnahme
Epidemiologie. Bei 2 – 5 % aller Patienten mit Tuber-
des Ependyms mit Signalveränderungen (Hyperinten-
kulose und bei 10 % der Patienten mit Tuberkulose bei
sität auf T2w Aufnahmen) im angrenzenden Hirn-
AIDS kommt es zu Neuro-Tbc, die sich als tuberkulöse
parenchym und einem häufig resultierenden Hydro-
Meningitis oder als parenchymale Neuro-Tbc äußern
zephalus.
kann.
Häufigste Lokalisation des Abszesses ist die korti-
Klinik. Häufig beginnt die Erkrankung mit unspezifi-
komedulläre Grenze einer Großhirnhemisphäre,
meist des Frontal- oder Parietallappens.
schen Symptomen wie Kopfschmerzen, Fieber, Müdigkeit und Myalgien. Im Stadium II treten Symptome
einer basalen Meningitis hinzu mit Meningismus und
Hirnnervenausfällen sowie milden Vigilanz- und We-
Differenzialdiagnose
sensänderungen. Im Stadium III kommt es, meist als
Der KM-aufnehmende Randsaum ist bei Abszessen im
epileptischen Anfällen, fokal-neurologischen Defiziten
Unterschied zu zentral nekrotischen Metastasen oder
und schwerer Bewusstseinsstörung. Tuberkulome
Folge von Vaskulitis und Liquorzirkulationsstörung, zu
hirneigenen Tumoren glatt begrenzt, dünner und im-
können, je nach Lokalisation, auch nur milde fokal-
mer durchgängig abgrenzbar. Diese Abszesskapsel ist
neurologische Symptome verursachen.
auf T2w bzw. PDw Aufnahmen als nicht unterbrochene
hypointense Ringstruktur abgrenzbar, was auch zur
Diagnostik. Die Diagnostik umfasst die Serumanalyse
Abgrenzung gegenüber Neoplasien dienen kann
zum Nachweis systemischer Entzündungszeichen,
(Tab. 4, 5). Darüber hinaus zeigen Abszesse in etwa
Röntgenthoraxaufnahme, Tuberkulintest und Liquor-
70 – 80 % der Fälle im zystischen Anteil eine Vermin-
diagnostik. Typische Liquorbefunde sind mäßige ge-
derung des ADC [21, 22]. Als Ursache dafür werden die
mischtzellige Pleozytose, Lactaterhöhung und massive
hohe Viskosität und Zellularität von Eiter angesehen,
Gesamtproteinerhöhung. Diagnostisch beweisend ist
die die Protonenmobilität im Unterschied zu nekroti-
der Erregernachweis im Liquor mittels PCR (mit einer
schen Tumoren behindern [18]. Während das rCBV im
Sensitivität von 50 – 90 %), Erregeranzucht (Sensitivi-
soliden Anteil von höhergradigen Hirntumoren und
tät = 60 %) oder mikroskopisch.
Metastasen meist mehr als doppelt so groß ist wie in
entzündlichen Veränderungen, zeigen Abszesse und
Therapie. Therapeutisch wird eine Vierfachkom-
Strahlennekrosen allenfalls eine mäßiggradige Erhö-
bination aus Isoniazid, Rifampicin, Pyrazinamid und
hung des rCBV [18]. Antibiotisch nicht behandelte
Ethambutol für die Dauer von 2 Monaten empfohlen,
Abszesse zeigen im zystischen Anteil MR-spektrosko-
anschließend für 9 – 12 Monate eine Zweifachkombi-
pisch hohe Konzentrationen an Aminosäuren, Acetat
nation aus Isoniazid und Rifampicin.
und Sukzinaten, was bei zentral nekrotischen Metastasen oder hirneigenen Tumoren nicht der Fall ist.
Tumorzysten weisen typischerweise hohe Lactatkon-
Bildmorphologie
zentrationen auf. Zeigt sich MR-spektroskopisch im
soliden Anteil der Läsion eine erhöhte Konzentration
n
Tuberkulöse Leptomeningitis
an Lipiden und Cholin, ist eine Neoplasie wahrschein-
Die klassischen Befunde bei tuberkulöser Leptome-
licher als ein Abszess. Umgekehrt darf bei verminder-
ningitis sind eine KM-Aufnahme der basalen Menin-
ten Cholinkonzentrationen nicht automatisch die
gen, Hydrozephalus und Hirninfarkte in supratento-
Diagnose Abszess gestellt werden, da dieses Phäno-
riellen Strukturen und im Hirnstamm.
men häufig auch bei nekrotischen Tumoren nachweisbar ist [23].
KM-Aufnahme der Meningen. Die Entzündungsreaktion der Meningen kann im Frühstadium auf T1w Aufnahmen dem Nachweis entgehen, später wird das Signal des Liquor cerebrospinalis sowohl auf nativen T1w
als auch auf T2w Aufnahmen höher als normal. Nach
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Infektiöse Hirnerkrankungen: Bildgebung und differenzialdiagnostische Aspekte
tis mit sekundärer Thrombose und Gefäßverschluss.
Tabelle 5
Empfehlungen zum Untersuchungsprotokoll bei infektiösen Hirnerkrankungen
Die Infarkte sind meist im Versorgungsgebiet der lentikulostriären Äste nachweisbar, also in den Basalganglien und in der inneren Kapsel (Abb. 9). Meist zeigt
Standard-Protokoll
n
n
n
n
n
axiale FLAIR- oder PDw und T2w Aufnahmen,
6 mm Schichtdicke
axiale diffusionsgewichtete Aufnahmen, 6 mm
Schichtdicke, mit Berechnung einer ADC-Map
axiale T1w Aufnahmen, 6 mm Schichtdicke vor
und nach KM-Gabe
koronare, evtl. auch sagittale T1w Aufnahmen,
3 – 4 mm nach KM-Gabe
zusätzliche Scanebenen je nach Lokalisation
des Befundes
bei Verdacht auf Hirnnervenbeteiligung
axiale, koronare, evtl. auch sagittale T1w Aufnahmen, 2 – 3 mm Schichtdicke
bei soliden Raumforderungen,
die größer als ca. 1 cm sind zur
Differenzialdiagnose zwischen
Abszess und malignem Tumor
n
sich eine hämorrhagische Transformation, im chronischen Stadium auch eine Kavitation mit liquorisointensen Zysten. Sonst ist das MR-Erscheinungsbild
nicht anders als das anderer Stammganglieninfarkte.
Folgezustände. Normalerweise gilt eine wieder normale KM-Aufnahme der Leptomeningen als einer der
Indikatoren für eine erfolgreiche Therapie. Allerdings
gibt es auch Fälle, in denen die vermehrte leptomeningeale KM-Aufnahme auch nach erfolgreichem Abschluss der tuberkulostatischen Behandlung, d. h.
selbst bei ausgeheilter Leptomeningitis, noch Jahre
n
Perfusions-MRT, axial, 6 mm Schichtdicke
axiale PDw und T2w Aufnahmen, 6 mm
Schichtdicke
persistieren kann. Meningeale oder ependymale Verkalkungen können neben dieser persistierenden KMAufnahme der Leptomeningen als Residuen auch nach
erfolgreichem Abschluss der Therapie nachweisbar
bei zystischen Raumforderungen, Magnetresonanzspektroskopie
die größer als ca. 1 cm sind zur
Differenzialdiagnose zwischen
Abszess und malignem Tumor
zur Differenzialdiagnose
zwischen pyogenem und tuberkulösem Abszess
Magnetresonanzspektroskopie
bei Frage nach Verkalkung
CT
bei Frage nach frischer Blutung
CT
bei Frage nach Residuen einer
Blutung
axiale oder koronare T2*w (suszeptibilitätsgewichtete) Aufnahmen
sein. Weitere Defektzustände sind fokale Hirnatrophie
bei alten Infarkten, persistierender Hydrozephalus und
selten Syringobulbie oder Syringomyelie. Befallene
Hirnnerven nehmen vermehrt KM auf und sind verdickt, was man am besten auf dünnschichtigen T2w
(sog. CISS-)Sequenzen erkennt.
Die klassischen Befunde bei tuberkulöser Leptomeningitis sind eine KM-Aufnahme der basalen Meningen, Hydrozephalus und Hirninfarkte in supratentoriellen Strukturen und im Hirnstamm.
n
Pachymeningeale Tuberkulose
Bei pachymeningealer Tuberkulose zeigen sich uniform und homogen KM-aufnehmende duraständige
KM-Gabe zeigt sich bereits im Frühstadium eine kräf-
Raumforderungen, die auf nativen T1w Aufnahmen
tige KM-Aufnahme der Meningen. Wegen der insuffi-
isointens, auf T2w Aufnahmen iso- bis hypointens ge-
zienten Immunantwort ist das KM-Enhancement bei
genüber Hirngewebe erscheinen. Die pachymeningea-
AIDS-Patienten oft geringer.
le Tuberkulose ist eine isolierte durale Manifestation
oder eine überwiegend durale Beteiligung mit sekun-
Hydrozephalus. Zu einem Hydrozephalus kommt es
därer pialer oder parenchymaler Komponente. Es gibt
in erster Linie bei Kindern. Es handelt sich fast immer
fokale („en-plaque“-Tuberkulom) und diffuse Formen
um einen malresorptiven, seltener um einen obstruk-
der duralen Manifestation. Nicht verkäsende Granulo-
tiven Hydrozephalus durch eine Ependymitis oder ei-
me sind auf T1w Aufnahmen hypointens, auf T2w Auf-
nen raumfordernden parenchymalen Tbc-Herd. Neben
nahmen hyperintens im Vergleich zu Hirngewebe und
der Ventrikelerweiterung sind meist periventrikuläre
nehmen homogen KM auf. Im frühen Stadium sind
Hyperintensitäten auf T2w Aufnahmen als Ausdruck
diese Läsionen von einem perifokalen Ödem umgeben.
eines interstitiellen Hirnödems durch transependy-
Solide verkäsende Granulome zeigen ein heterogenes
male Liquorabpressung nachweisbar.
Enhancement im zentralen Anteil mit einer ringförmigen, nicht unterbrochenen, gleichförmig dicken peri-
Hirninfarkte. Hirninfarkte entstehen durch ein Über-
pheren KM-Aufnahme. Auf nativen Aufnahmen sind
greifen der Entzündung von den Meningen auf die Ad-
sie hypo- bis isointens in T1-Gewichtung und iso- bis
ventitia der Hirngefäße mit der Folge einer Panarterii-
hypointens in T2-Gewichtung (Abb. 10). Eine Verflüs-
Radiologie up2date 3
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Neuroradiologie
sigung des Granulomzentrums zeigt sich als Hypointensität auf T1w und Hyperintensität auf T2w Aufnahmen. Auch in diesem Stadium kommt es zu einer
typisch ringförmigen KM-Aufnahme, sodass das Granulom dann MR-tomographisch nicht von einem tuberkulösen (s. u.) oder pyogenen (s. o.) Hirnabszess
unterschieden werden kann. Bei Therapieerfolg sollte
sich die neuroradiologischen Befunde innerhalb von
4 – 6 Wochen bessern [24, 25]. Trotz wirksamer tuberkulostatischer Therapie können allerdings unmittelbar
nach Therapiebeginn auch neue KM-aufnehmende
Herde nachweisbar sein. Eine mögliche Ursache dafür
liegt in der medikamentösen Zerstörung der Tuberkelbazillen, die dann vermehrt Tuberkuloprotein freisetzen, welches eine Entzündungsreaktion auslöst.
Chronische Residuen sind als Verkalkungen oder als
regionale Hirnatrophie nachweisbar [24, 25].
Differenzialdiagnose
Hirnabszesse. Unbehandelte pyogene Hirnabszesse
zeigen in der Einschmelzungszone erhöhte Aminosäure-, Acetat- und Sukzinatkonzentrationen; TbcAbszesse nur erhöhte Lipid- und Lactatkonzentrationen. Die Magnetization-Transfer-Ratio in der Kapsel
nichttuberkulöser bakterieller (pyogener) Hirnabszes-
werden.
Abb. 9 Tuberkulöse Leptomeningitis. 43 Jahre alter Mann mit AIDS. a, b Koronare T1w
Aufnahmen nach KM-Gabe. c Axiale T2w Aufnahme. d Axiale diffusionsgewichtete
Aufnahme. Vermehrte KM-Aufnahme der Leptomeningen entlang der Sylvi-Fissur links
(a Pfeile, b und frontobasal, links stärker als rechts. Demarkierte vaskulitische Hirninfarkte
im Caput nuclei caudati links und in der Insel links (c, d).
Tumoren. Für die parenchymale Tuberkulose ist das
Toxoplasmose
se ist höher als die in Tbc-Abszessen. Die endgültige
Diagnose kann nur durch Anzüchtung und Identifizierung des Erregers Mycobacterium tuberculosis gestellt
iso- bis hypointense Signal auf T2w Aufnahmen im
Klinischer Hintergrund
Zentrum solider verkäsender Granulome relativ spezi-
n
fisch [24, 25]: Die meisten Tumoren zeigen Hyperin-
Mit einer Häufigkeit von 15 % ist die Toxoplasmose die
tensität auf T2w Aufnahmen.
häufigste opportunistische Infektion des ZNS bei Patienten mit AIDS.
Parasitäre Hirnerkrankungen
Ätiologie. Die typischen Infektionsquellen sind infizierte Nahrung und Katzenfäkalien. Bei immunge-
Parasitäre Erkrankungen können gleichermaßen im-
schwächten Personen kann es zu einer progredienten,
mungeschwächte und nicht immungeschwächte
in unbehandelten Fällen oft tödlichen Enzephalitis
Personen befallen, Letztere vor allem in den Entwick-
kommen. Für nicht immungeschwächte Erwachsene
lungsländern Asiens, Afrikas und Zentral- und Süd-
ist der Erreger nicht oder nur schwach pathogen [26].
amerikas. Hauptaufgabe des Neuroradiologen ist auch
hier weniger die Erregertypisierung als mehr die Ab-
Klinik. Am häufigsten manifestiert sich die zerebrale
grenzung gegenüber anderen, vor allem neoplasti-
Toxoplasmose als multifokale oder diffuse Enzephali-
schen Erkrankungen, der Nachweis von Komplikatio-
tis. Im Vordergrund stehen Kopfschmerzen, Vigilanz-
nen wie Hirnstammbefall und die Erfolgskontrolle
minderung und Fieber: Je nach Lokalisation der Hirn-
unter Therapie [26].
abszesse kommt es zu fokal-neurologischen Ausfällen
und epileptischen Anfällen.
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Œ 2006
221
222
Infektiöse Hirnerkrankungen: Bildgebung und differenzialdiagnostische Aspekte
Therapie. Die Therapie erfolgt mit Sulfadiazin und Pyrimethamin, alternativ stehen Clindamycin und Azithromycin zur Verfügung. Bei immungeschwächten
Erkrankten ist eine lebenslange Erhaltungstherapie
notwendig, bei noch nicht manifest erkrankten, aber
seropositiven Personen ist eine medikamentöse Prophylaxe indiziert.
n
Bildmorphologie
Toxoplasmoseherde sind typischerweise hypo- oder
isointens auf T1w Aufnahmen und iso- bis hyperintens
auf T2w Aufnahmen. Die Herde befinden sich im subkortikalen Marklager, meist an der kortikomedullären
Grenze, daneben aber auch in den Basalganglien und
in der Hirnrinde. Meist ist die KM-Aufnahme aufgrund
der zentralen Nekrosezone ringförmig. Kleinere Herde
können auch knötchenförmig KM aufnehmen. Die
Größe der Herde variiert von 1 – 3 cm mit oft unproportional großem perifokalem Ödem. Allerdings wurde bei Patienten ohne AIDS auch über Toxoplasmoseherde ohne Ödem und ohne Raumforderung berichtet.
Unter spezifischer Behandlung können die Herde kalAbb. 10 Tuberkulöses Granulom. a, b Axiale T2w Aufnahme (a) und T1w Aufnahme nach
KM-Gabe (b) zum Zeitpunkt der Diagnosestellung (a, b). c, d Axiale T2w Aufnahme (c) und
T1w Aufnahme nach KM-Gabe (d) 4 Jahre später. Charakteristisch für Tbc-Granulome ist
das inhomogene, niedrige Signal auf T2w Aufnahmen (a). Die im Vergleich zum Initialbefund verminderte KM-Aufnahme 4 Jahre später (d) und das fehlende Hirnödem in
angrenzenden Hirnstrukturen (c) ist als Zeichen der verminderten Aktivität des Entzündungsherdes zu werten. Das niedrige Signal auf T2w Aufnahmen zum Zeitpunkt der Verlaufskontrolle (c) ist überwiegend auf den hohen Kalkgehalt des residuellen Granuloms
zurückzuführen (c).
zifizieren und einbluten. Feindisperse Verkalkungen
lassen sich am besten mit der CT nachweisen, können
aber auch als Hyperintensität auf T1w Aufnahmen in
Erscheinung treten (Abb. 11) [26].
Toxoplasmoseherde sind typischerweise hypo- oder
isointens auf T1w Aufnahmen und iso- bis hyperintens auf T2w Aufnahmen.
n
Differenzialdiagnose
Differenzialdiagnostisch kommen in absteigender
Häufigkeit ZNS-Lymphome (Tab. 4, 5), granulomatöse
Erkrankungen wie die Tbc und die Neurolues und Pilzerkrankungen infrage. Ein Ansprechen der spezifischen Therapie mit Pyrimethamin und Sulfmethoxazol
ist bei Toxoplasmose innerhalb von 1 – 2 Wochen zu
erwarten. Gegebenfalls sind die Herde zur Befundklärung zu biopsieren [26].
Neurozystizerkose
n
Klinischer Hintergrund
Epidemiologie. Die Neurozystizerkose ist die weltweit
häufigste parasitäre ZNS-Erkrankung. Sie ist endemisch in Mexiko, Zentral- und Südamerika, Indien,
Abb. 11 Zerebrale Toxoplasmose unter Therapie bei einer 47-jährigen immunsupprimierten Patientin. a, b Axiales CT. c, d Axiale T2w Aufnahmen. e, f Axiale T1w Aufnahmen vor
(e) und nach (f) KM-Gabe. Multiple z. T. verkalkte (a, b) raumfordernde Herde mit perifokalem Ödem (c, d), die ringförmig KM aufnehmen (f). Unter anderem sind die Basalganglien befallen. Die Hyperintensitäten auf den T1w Aufnahmen vor KM-Gabe (e) sind Ausdruck einer beginnenden Verkalkung oder einer kleinflächigen Hämorrhagisierung der
Herde unter der Therapie.
Radiologie up2date 3
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Osteuropa und Afrika. Die weltweite Durchseuchung
mit Zystizerkose wird auf 20 Millionen Menschen geschätzt.
Neuroradiologie
Ätiologie und Pathogenese. Der Erreger ist die Larvenform des Schweinebandwurms Taenia solium. Das
Schwein ist Zwischenwirt, der Mensch beherbergt
normalerweise als Endwirt den reifen Wurm im
Dünndarm, was meist asymptomatisch ist. Bei Zystizerkose figuriert der Mensch als Zwischenwirt. Die
Übertragung geschieht durch kontaminiertes Wasser
oder kontaminierte Speisen bei schlechten hygienischen Verhältnissen. Nach Ingestion der Bandwurmeier wird im Gastrointestinaltrakt aus dem Bandwurmei
die Onkosphäre freigesetzt, die über das Blutgefäßsystem hämatogen in zahlreiche Organe gelangt (z. B.
Hirn, Auge, Skelettmuskulatur). In diesen Geweben
entwickeln sich die Onkosphären innerhalb von 2 Monaten zu Larven (Zystizerken) weiter. Das ZNS wird bei
60 – 90 % der Patienten mit Zystizerkose befallen. Cysticercus cellulosae (Larve mit Blase und Skolex) und
Cysticercus racemosus (Larve ohne Skolex) sind die
beiden Erreger der zisternalen Form [26 – 28]. Zystizerken siedeln sich meist intraparenchymal, seltener
intraventrikulär oder subarachnoidal ab.
Klinik. Klinisch kommt es häufig zu Kopfschmerzen,
epileptischen Anfällen und fokal neurologischen Defiziten. Je nach Lokalisation treten ein obstruktiver Hydrozephalus, eine Vaskulitis, Zeichen der basalen Meningitis und Wesensänderung auf.
Diagnostik. Der Liquor ist bei der parenchymalen
Form normal, bei der meningealen und ventrikulären
Form bestehen entzündliche Veränderungen mit Pleo-
Abb. 12 Neurozystizerkose im Initialstadium (einfacher Vesikel) bei einem 53-jährigen
Patienten. a Axiale CT. b, c Axiale FLAIR-Aufnahmen. d Axiale T1w Aufnahme nach KMGabe. Multiple infra- und supratentoriell gelegene intraparenchymal gelegene Zysten
ohne KM-Aufnahme. Der Skolex des Bandwurms ist innerhalb der Zysten als knötchenförmige, randständige Struktur erkennbar (Pfeile).
zytose und Eosinophilie, Eiweiß- und Lactaterhöhung
und dem Nachweis oligoklonaler Banden. Diagnos-
liquorisointense Zyste ohne perifokales Hirnödem
tisch beweisend ist ein histologischer Parasitennach-
und ohne KM-Aufnahme mit einem randständigen,
weis im ZNS-Biopsat oder ein subretinaler Parasiten-
gegenüber Hirnparenchym isointensen Knötchen,
nachweis in der Funduskopie.
das dem Skolex entspricht (Abb. 12). Zystizerkusherde sind meist 1 – 2 cm groß und häufig multipel.
Therapie. Therapeutisch werden Albendazol oder Praziquantel eingesetzt.
n
Im 2. Stadium (Kolloidvesikel) wird die Zyste auf
T2w und T1w Aufnahmen wegen des zunehmenden
Proteingehalts hyperintens im Vergleich zu Liquor.
n
Bildmorphologie
Daneben zeigt sich jetzt ein perifokales Hirnödem
Parenchymale Zystizerkose. Bei der parenchymalen
und wieder eine ringförmige KM-Aufnahme. Die
Zystizerkose sind 4 Stadien zu unterscheiden:
Zystenwand und das randständige Knötchen (Sko-
n
Im Initialstadium (einfacher Vesikel), also unmittel-
lex) sind hypo- bis isointens relativ zu Hirngewebe.
bar nachdem die Onkosphäre das Hirn befallen hat,
In diesem Stadium kann die Abgrenzung gegenüber
ist allenfalls ein fokales Ödem als Hyperintensität in
Abszessen oder hirneigenen Tumoren schwierig
der weißen Substanz auf T2w Aufnahmen erkenn-
sein. Der Nachweis des Skolex gilt aber als wichtiges
bar. Sehr selten kann es während der Erregerinva-
differenzialdiagnostisches Abgrenzungskriterium
sion kurzzeitig zur KM-Aufnahme kommen. Bevor-
gegenüber diesen Entitäten. Je nach Ausmaß der
zugt befallen wird die kortikomedulläre Grenze.
entzündlichen Reaktion ist das perifokale Ödem
Innerhalb von Monaten entwickelt sich ein wenige
mehr oder weniger ausgeprägt. Unter anthelminthi-
Millimeter großer KM-aufnehmender Herd. Der voll
scher Therapie kann sich die Degeneration des
entwickelte, noch lebende Zystizerkus zeigt sich als
Wurms beschleunigen, was sich in wieder stärkerer
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224
Infektiöse Hirnerkrankungen: Bildgebung und differenzialdiagnostische Aspekte
n
n
Ausprägung der Entzündung mit Zunahme von
Pathogenese. Der Mensch infiziert sich durch Ingesti-
Ödem und KM-Aufnahme zeigt.
on von Hundefäkalien, die mit den Eiern des Hunde-
Im 3. Stadium (granuläres Knötchen) ist die Läsion
bandwurms Echinokokkus granulosus kontaminiert
im Vergleich zum angrenzenden Hirngewebe isointens auf T1w Aufnahmen und iso- bis hypointens auf
sind. Der Hund beherbergt den reifen Wurm als Endwirt im Darm; Schaf und Rind figurieren als Zwi-
T2w Aufnahmen. Nach KM-Gabe zeigt die Läsion
schenwirte. Die menschliche Echinokokkose kann
knötchen- oder ringförmiges Enhancement.
auch durch den Fuchsbandwurm (Echinokokkus mul-
Im Endstadium (verkalktes Knötchen) zeigt sich eine
tilocularis) hervorgerufen werden. Die Echinokokkose
komplett verkalkte, nur wenige Millimeter große
des Menschen ist eine Larveninfektion, d. h. der
Läsion.
Mensch ist in diesem Falle auch Zwischenwirt. Nach
Ingestion der Eier werden aus diesen im Gastrointesti-
Zisternale (razemöse) Zystizerkose. Bei der zisterna-
naltrakt Embryonen freigesetzt, die sich sich über das
len (razemösen) Zystizerkose kommt es zu multilobu-
Gefäßsystem verteilen und sich zu zystischen Larven
lierten, zystischen liquorisointensen Raumforderun-
(Hydatiden) entwickeln. Ein zerebraler Befall kommt
gen in den Basalzisternen, der Sylvi-Fissur oder in den
bei 2 – 5 % aller Patienten vor [26].
Ventrikeln. Es sind weder ein Skolex noch KM-Aufnahme um die Zysten nachweisbar. Manchmal ist die
Die Zysten des Echinokokkus granulosus sind meist
razemöse Zystizerkose nicht von einer einfachen Er-
solitär und wachsen langsam verdrängend. Die Zys-
weiterung der Liquorräume zu differenzieren.
ten des Echinokokkus multilocularis haben keine
Wand und wachsen multizystisch-invasiv.
Intraventrikuläre Zystizerkose. Die intraventrikuläre
Zystizerkose macht 7 – 20 % aller intrakraniellen Zysti-
Klinik. Je nach Lokalisation der Zysten treten fokal
zerkosefälle aus. Häufigste Lokalisation ist der IV.
neurologische Defizite, epileptische Anfälle und Hirn-
Ventrikel. Der Nachweis einer Zystenwand, eine sub-
drucksteigerung auf.
ependymale Gewebereaktion mit hohem Signal auf
T2w und FLAIR-Aufnahmen, Signalunterschiede zwi-
Diagnostik. Systemisch lassen sich häufig eine
schen Liquor und Zysteninhalt und leptomeningeale
Bluteosinophilie, Erhöhung des Serum-IgE und eine
KM-Aufnahme sind die entscheidenden diagnosti-
positive Echinokokkenserologie nachweisen. Der Li-
schen Kriterien. Fibrotische Adhäsionen können auch
quorbefund ist dagegen häufig normal.
eine Aquäduktstenose mit der Folge eines okklusiven
Hydrozephalus hervorrufen [26 – 28]. Verkalkungen
Therapie. Solitäre Zysten sollten, wenn möglich, ope-
lassen sich am besten mit der CT nachweisen.
riert werden. Bei multilokulären Zysten wird eine Therapie mit Benzoimidazolderivaten empfohlen.
n
Differenzialdiagnose
Im 1. Stadium müssen einfache neuroepitheliale Zysten
n
Bildmorphologie
oder auch Echinokokkuszysten, im 2. Stadium Metas-
Meist zeigt sich eine dünnwandige, sphärisch liquori-
tasen und höhergradige hirneigene Tumoren in die
sointense Zyste in einer Großhirnhemisphäre. Bei Zys-
neuroradiologische Differenzialdiagnose einbezogen
tenruptur kommt es zu einer ausgedehnten Entzün-
werden. Im 3. Stadium sind die wichtigsten Differenzi-
dungsreaktion mit KM-Aufnahme. Selten kann sich ein
aldiagnosen Tuberkulom, Granulom, Hirnabszess oder
Befall der Schädelkalotte bis nach intrakraniell aus-
Metastasen. Höhergradige Gliome und Metastasen
dehnen und so als leptomeningeale oder intrakranielle
zeigen in der Perfusions-MRT im Unterschied zu Ent-
extradurale Hydatide in Erscheinung treten [26]. Ein
zündungen ein mindestens doppelt so hohes rCBV wie
Knochenbefall kann am besten mit der CT nachgewie-
normales Hirngewebe. Im 4. Stadium ist die wichtigste
sen werden.
Differenzialdiagnose das kavernöse Hämangiom
[26 – 28].
Neuroborreliose
Echinokokkose
n
Klinischer Hintergrund
Diese Parasitose ist endemisch in Mittel- und Südamerika und in Australien.
Klinischer Hintergrund
Ätiologie. Borrelia burgdorferi ist der Erreger der Lyme-Borreliose, einer Infektionserkrankung, die in verschiedenen Stadien abläuft und von Zecken übertragen
wird.
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Neuroradiologie
Abb. 13 Neuroborreliose mit
Hirnnervenbefall.
a, d Koronare T1w
Aufnahmen nach
KM-Gabe. b, c Axiale T1w Aufnahmen
nach KM-Gabe. Die
Aufnahmen (a) und
(b – d) stammen
von verschiedenen
Patienten. Vermehrte KM-Aufnahme des N. trigeminus links (a Pfeil)
und des N. facialis
links (b – d Pfeile).
Klinik. Im Stadium 1 der Bakteriämie treten unspezifische grippeähnliche Symptome auf. Bei ca. 15 % der
Infizierten kommt es nach 3 – 4 Wochen zu Organmanifestationen. Neurologisch findet sich charakteristischerweise das „Bannwarth-Syndrom“ mit:
n
radikulären Schmerzen,
n
peripheren Paresen und
n
entzündlichem Liquorsyndrom (lymphozytäre Pleozytose, Transformation und 3-Klassen-Immunglobulinreaktion mit IgM-Dominanz).
Vaskulitische Komplikationen können bereits in diesem Stadium, häufiger im Stadium 3, der Spätmani-
Bildmorphologie
festation nach Monaten und Jahren, vorkommen. In
diesem chronischen Spätstadium sind als Ausdruck
Es zeigen sich fokale Hyperintensitäten auf T2w Auf-
einer chronischen Enzephalitis oder Enzephalomyeli-
nahmen, die raumfordernd wirken können und eine
tis progrediente demenzielle Entwicklungen und pro-
flächig-diffuse KM-Aufnahme aufweisen. Daneben
grediente motorische Defizite beschrieben.
zeigen sich kleine Abszesse mit knötchenförmiger oder
randständiger KM-Aufnahme, oft im Hirnstamm
Diagnostik. Die Diagnose wird gesichert durch den
(Rhombenzephalitis) und im Kleinhirn. Wie bei ande-
Nachweis einer intrathekalen borrelienspezifischen
ren granulomatösen Erkrankungen ist das Signal der
Antikörperproduktion über den Liquor-Serum-Index.
Abszesse auf T2w Aufnahmen typischerweise hypobis isointens. Der MRT-Befund sollte sich unter anti-
Therapie. Therapie der Wahl ist die parenterale Gabe
biotischer Therapie innerhalb von 14 Tagen bessern.
von Cephalosporinen der 3. Generationen über 14 bzw.
Allerdings kann der MRT-Befund auch von vornherein
21 Tage [29, 30].
völlig normal sein [5, 31] (Abb. 13).
Wie bei anderen granulomatösen Erkrankungen ist
das Signal der Borrelioseabszesse auf T2w Aufnahmen typischerweise hypo- bis isointens.
Radiologie up2date 3
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226
Infektiöse Hirnerkrankungen: Bildgebung und differenzialdiagnostische Aspekte
Bildmorphologie
Neurosyphilis
Im MRT können sich Hirninfarkte und knotig verdickte
Klinischer Hintergrund
Meningen mit vermehrter KM-Aufnahme zeigen, daneben parenchymatöse Entzündungsherde (zerebrale
Epidemiologie. Im deutschsprachigen Raum ist seit
Gummen) mit kräftiger KM-Aufnahme im Größenbe-
den 70er Jahren bis Ende der 90er Jahre ein kontinu-
reich von 2 mm bis mehreren Zentimetern. Prädilek-
ierlicher Rückgang der Syphilisneuinfektionen zu ver-
tionsstellen sind der Hirnstamm, das Kleinhirn und die
zeichnen gewesen, seit etwa 2001 nimmt die Häufig-
Schädelbasis. Ein perifokales Ödem ist typischerweise
keit jedoch wieder zu.
vorhanden. Im Rahmen der Meningitis können auch
Hirnnerven, vor allem der VII. und VIII. Hirnnerv betroffen sein und dann verdickt erscheinen und ver-
Ätiologie und Pathogenese. Die Neurosyphilis ist
eine ZNS-Infektion durch die Spirochäte Treponema
mehrt KM aufnehmen. Gummen haben das typische
pallidum. Syphilis wird durch ungeschützten Ge-
Erscheinungsbild granulomatöser Erkrankungen mit
schlechtsverkehr übertragen. Die Bakterien dringen
zentral hypo- bis isointensem Signal auf T2w Aufnah-
von einem Syphilisgeschwür eines Erkrankten in den
men. Vaskulitisch bedingte Gefäßstenosen oder -ab-
Körper des anderen ein.
brüche im Versorgungsgebiet mittlerer und größerer
Klinik. Die Syphilis selbst verläuft in 3 Krankheitspha-
Arterien (Nissl-Alzheimer-Arteriitis) und zerebrale
sen, dem Primosekundärstadium, dem Latenzstadium
Aneurysmen können neben der DSA auch mit der MR-
Arterien (Heubner-Arteriitis) oder, seltener, kleinerer
und dem Tertiär- oder Spätstadium. Im 2. Stadium
Angiographie nachweisbar sein. Ein (okklusiver) Hy-
kann es zu einer ZNS-Symptomatik im Sinne eines
drozephalus und eine Orbitabeteiligung sind ebenfalls
„Meningealkatarrhs“ kommen; die typischen ZNS-
möglich (Abb. 14).
Manifestationen (progressive Paralyse, meningovaskuläre Neurosyphilis, Tabes dorsalis) sind dem Tertiäroder Spätstadium zuzuordnen:
n
Hirnnervenausfällen und Neurasthenie einher,
n
Differenzialdiagnose
Die blande Meningitis im Sekundärstadium geht mit
In die neuroradiologische Differenzialdiagnose müs-
außerdem ist eine Polyradikulitis möglich, die von
sen andere granulomatöse Erkrankungen des ZNS, vor
einem klassischen Guillain-BarrØ-Syndrom nicht zu
allem die Tbc und Pilzerkrankungen, einbezogen wer-
unterscheiden ist.
den.
Die meningovaskuläre Neurosyphilis des Tertiärstadiums kann mit Hirninfarkten, vaskulitisch bedingten Aneurysmen und Subarachnoidalblutung ein-
Rickettsiosen
hergehen. Bei älteren Patienten wurden auch rein
intrazerebrale Blutungen beschrieben.
n
mit zunehmender Demenz, Sprachstörungen, Psy-
n
Klinischer Hintergrund
Eine progressive Paralyse entwickelt sich langsam
Rickettsien können im Rahmen einer sog. Rocky-
chose, abnormer Pupillenreaktion und progressiver
Mountain-Spotted-Fieber-Erkrankung (Rickettsia
Tetraparese.
rickettsia) oder einer Q-Fieber-Erkrankung (Coxiella
Zur Tabes dorsales gehören spinale Ataxie, gestörtes
burnetti) eine akute Meningoenzephalitis auslösen.
Lageempfinden, Blasenstörungen, Impotenz und
Therapie der Wahl ist Doxycyclin.
Areflexie.
Diagnostik. Die Diagnose wird mittels serologischer
Bildmorphologie
Tests aus Liquor und Blut gestellt.
Im MRT zeigen sich im frontalen, temporalen oder okTherapie. Eine hochdosierte Penicillingabe ist die
Therapie der Wahl.
zipitalen Marklager unspezifische Hyperintensitäten
auf T2w Aufnahmen ohne KM-Aufnahme. Speziell bei
Rocky-Mountain-Spotted-Fieber sollen häufiger auch
die Basalganglien, der Thalamus und die tiefe weiße
Substanz beteiligt sein.
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Neuroradiologie
Abb. 14 Neurosyphilis. a Axiale T2w Aufnahme. b Axiale T1w Aufnahme nach KM-Gabe. c Digitales Subtraktionsangiogramm nach Injektion der A. vertebralis
links, frontaler Strahlengang. Auf der T2w Aufnahme signalinhomogene, z. T. hypointense, z. T. hyperintense Raumforderung in den Stammganglien rechts mit
ausgeprägtem perifokalem Ödem (a). Kräftige KM-Aufnahme (b). Proximal des Abgangs der Aa. cerebelli anteriores zeigt die A. basilaris eine vaskulitisch bedingte Stenose (c).
Übertragbare spongiforme
Enzephalopathien
und Ziegen und der bei Rindern epidemischen bovinen
spongiformen Enzephalopathie.
Prionen. Der beweisende diagnostische Befund ist der
Klinischer Hintergrund
Nachweis von Ablagerungen (Plaques) des partiell
proteaseresistenten Prionenproteins (PRPsc). Dieses
Zu den übertragbaren spongiformen Enzephalopa-
Protein wird als das infektiöse Agens der übertragba-
thien zählen die Creutzfeldt-Jakob- (CJD) und andere
ren spongiformen Enzephalopathien angesehen und
durch Prionen übertragene Erkrankungen, die sämtlich
als „Prion“ bezeichnet. Prionen bestehen aus einem
durch einen tödlichen Verlauf gekennzeichnet sind.
körpereigenen Protein, dem Prionprotein (PRPc), das
sich in die infektiöse Proteinform (PRPsc) mit identi-
Epidemiologie und Formen. Häufigste Form ist die
scher Aminosäuresequenz, aber anderer Proteinstruk-
weltweit auftretende sporadische CJD mit einer Inzi-
tur umwandelt.
denz von 0,25 – 2/1 000 000 Personen und Jahr. Das
mittlere Erkrankungsalter liegt bei 60 Jahren. Seltenere
Klinik. Klinisch steht eine subakute progressive
Formen sind die iatrogene CJD, die über infektiöse chi-
Demenz im Vordergrund. Hinzu kommen Myoklonien,
rurgische Instrumente, Gewebe- oder Hormonpräpa-
visuelle oder zerebelläre Störungen, pyramidale oder
rate übertragen wird und die familiäre CJD, die mit
extrapyramidale Symptome oder ein akinetischer
Mutationen des Prionenproteingens assoziiert ist. Zu
Mutismus. Patienten mit der neuen Variante der CJD
iatrogener CJD gibt es etwa 300 Fallberichte in den
weisen frühzeitig psychopathologische Auffälligkeiten
letzten 30 Jahren. Seit 1996 kennt man eine neue Va-
und häufig eine Ataxie auf. Das klassische Befalls-
riante der CJD, die als vCJD bezeichnet wird. Bisher
muster der sog. Heidenhain-Variante sind die gyralen
wurden über 100 Fälle von vCJD weltweit beschrieben,
Kronen, vor allem im Bereich des Okzipital- und
die meisten in Großbritannien. Man nimmt daher an,
Parietallappens, aber auch die graue Substanz der
dass vCJD als Folge der in Großbritannien bei Rindern
anderen supratentoriellen kortikalen Areale kann
epidemischen bovinen spongiformen Enzephalopathie
betroffen sein. Aufgrund der okzipitalen Prädilek-
(BSE) auftritt und durch infektiöses Rindfleisch über-
tionsstellen können visuelle Symptome mögliche
tragen wird. Das mittlere Erkrankungsalter der vCJD
Frühsymptome sein. Der Verlauf ist meist
liegt bei 29 Jahren [32 – 34].
protrahiert.
Verwandt ist die CJD mit dem Gerstmann-Sträussler-
Diagnostik. Die Diagnose kann gegenwärtig nur aus
Schenker-Syndrom, der fatalen familiären Insomnie
Hirn- oder Tonsillengewebe gesichert werden. Die
und der Kuru bei Menschen, der Skrapie bei Schafen
Verdachtsdiagnose auf CJD ergibt sich aus:
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228
Infektiöse Hirnerkrankungen: Bildgebung und differenzialdiagnostische Aspekte
Das sog. Pulvinar-Zeichen hat bei der vCJD eine fast
100 %ige Sensitivität; es ist auch bei einem Teil der
Tabelle 6
Klinische und radiologische Unterschiede zwischen CJD und vCJD
CJD-Patienten zu finden.
Kriterium
CJD
vCJD
mittleres Todesalter
66 Jahre
29 Jahre
Differenzialdiagnose
14 Monate
Mehrere Erkrankungen können spongiforme Enzepha-
mittlere Erkrankungsdauer 4 Monate
lopathien klinisch und neuroradiologisch imitieren:
MRT-Befunde (T2w und
FLAIR-Aufnahmen)
EEG-Befund
Hyperintensität im Nucleus Hyperintensität im Pulvinar
caudatus und Putamen in thalami in 90 % der Fälle
60 % der Fälle
immer periodische SharpWave-Komplexe
keine periodischen SharpWave-Komplexe
Plaques in 10 % der Fälle
floride Plaques in 100 % der
Fälle
n
Bei Demenz vom Alzheimer-Typ ist eine temporomesiale und perisylvische Volumenminderung
nachweisbar.
n
Bei kortikobasaler Degeneration zeigt sich der Linsenkern auf T2w Aufnahmen hypointens bei asymmetrischer kortikaler Volumenminderung.
Neuropathologie
n
Die progressive supranukleäre Paralyse ist durch
Volumenminderung des Mittelhirns bei Hyperintensität des Tegmentum mesencephali auf T2w Auf-
n
dem klinischen Symptomenkomplex,
n
dem Nachweis periodischer Sharp-Wave-Komplexe
nahmen gekennzeichnet.
n
n
men hyperintens.
dem Nachweis des 14-3-3-Proteins im Liquor bei
sonst normalem Liquorbefund.
Bei amyotropher Lateralsklerose ist die Capsula interna und der Gyrus praecentralis auf T2w Aufnah-
(triphasische Potenziale) im EEG und
n
Für Chorea Huntington ist eine Volumenminderung
n
Der Morbus Wilson geht mit Hyper- oder Hypoin-
des Caput nuclei caudati typisch.
Es gibt bestimmte Kriterien, mit deren Hilfe man CJD
von vCJD abgrenzen kann (Tab. 6).
tensität des Linsenkerns auf T2w Aufnahmen einher
[35].
Therapie. Eine spezifische Therapie steht nicht zur
Verfügung.
Pilzinfektionen
Bildmorphologie
Je nach Pilzart kommen sie als Einzelzelle (Hefe) oder
in Form von Kolonien vor. Wegen ihrer geringeren
CJD. Neben einer fortschreitenden Hirnvolumenmin-
Größe können sich Hefepilze leichter hämatogen aus-
derung findet man bei CJD Hyperintensitäten auf
breiten und die meningeale Mikrozirkulation befallen,
FLAIR- und T2w Aufnahmen im Striatum, im Pulvinar
weswegen Hefepilze zunächst meist eine Meningitis
thalami und in der Rinde von Groß- und Kleinhirn. Bei
hervorrufen. Pilzkolonien befallen eher größere hirn-
CJD werden 3 Befallsmuster unterschieden:
versorgende Gefäße und führen damit initial meist zu
n
Befall von Kortex und Basalganglien (49 %),
Enzephalitis, Hirnabszess oder Vaskulitis mit Ausbil-
n
eine frontoparietale Variante (33 %),
dung von Aneurysmen (Tab. 7) [37].
n
eine okzipitoparietale Variante (18 %).
vCJD. Bei vCJD zeigen sich Hyperintensitäten auf
FLAIR- und T2w Aufnahmen im Pulvinar thalami, in
den dorsomedialen Thalamuskernen, im Caput nuclei
caudati und in der periaquäduktalen grauen Substanz.
Tabelle 7
Erreger von Pilzerkrankungen des ZNS
Immungeschwächte
Personen
Nicht immungeschwächte
Personen
Nahezu 100 % Sensitivität hat bei vCJD der Nachweis
von Veränderungen im Pulvinar thalami (sog.
n
Pulvinar-Zeichen); allerdings kann man auch bei ei-
n
nem Teil der Patienten mit CJD das Pulvinar-Zeichen
n
n
nachweisen (Abb. 15). Die spongiösen Veränderungen
weisen meist einen verminderten ADC auf [1, 6, 35, 36].
Radiologie up2date 3
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Histoplasmose
Blastomykose
Kokzidioidomykose
selten: Aspergillose
n
n
n
n
n
Aspergillose
Kandidose
Kryptokokkose
Rhizopus
Nokardiose
Neuroradiologie
Abb. 15 Creutzfeldt-Jakob-Erkrankung. Verschiedene Manifestationsformen bei unterschiedlichen Patienten. a, b Hyperintensität der Basalganglien und des
Caput nuclei caudati auf T2w (a) und FLAIR-Aufnahmen (b). c Positives Pulvinar-Zeichen mit hohem Signal im Pulvinar thalami auf FLAIR-Aufnahmen (Pfeile).
d Hyperintensität des parietalen Kortex auf FLAIR-Aufnahmen, im vorliegenden Fall rechts (Pfeile) ausgeprägter als links. e, f Wegen der Diffusionseinschränkung
zeigen sich die betroffenen Rindenareale auf diffusionsgewichteten Aufnahmen (e) hyperintens bei vermindertem ADC (f ADC-Map). Die Aufnahmen a – c wurden freundlicherweise vom Deutschen Referenzzentrum für Creutzfeldt-Jakob-Erkrankung, Universitätsklinikum Göttingen, zur Verfügung gestellt.
Aspergillose
ZNS-Manifestationen. Die Krankheit manifestiert
sich überwiegend durch solitäre oder multiple Hirn-
n
Klinischer Hintergrund
Die ZNS-Aspergillose ist selten, sie macht 5 % aller My-
abszesse oder Granulome, seltener durch Meningitiden und Ventrikulitiden.
kosen des ZNS aus. Die Erkrankung hat eine Letalität
von über 90 %.
Diagnostik. Der Erregernachweis ist sehr schwierig,
ein mikroskopischer, kultureller oder PCR-Nachweis
Pathogenese. Aspergillus ist ein ubiquitär vorkommen-
gelingt selten.
der Pilz. Typischerweise werden die Sporen inhaliert. In
der Lunge kommt es bei nicht immungeschwächten
n
Bildmorphologie
Personen zu einer suffizienten Abwehrreaktion. Nur bei
Drei Erscheinungsformen werden unterschieden:
einer Immunschwäche resultiert eine pulmonale Su-
n
kortikale und subkortikale parenchymale Hyperin-
n
ringförmig KM-aufnehmende Läsionen (Abb. 16),
perinfektion mit hämatogener Streuung des Erregers
und ZNS-Befall. Eine weitere Infektionsmöglichkeit be-
tensitäten auf T2w Aufnahmen,
steht bei invasiver rhinozerebraler Aspergillose [37].
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Infektiöse Hirnerkrankungen: Bildgebung und differenzialdiagnostische Aspekte
n
durale KM-Aufnahme angrenzend an Regionen mit
sinonasalem oder orbitalem Befall oder Befall der
Schädelkalotte.
Zerebraler Befall. Bei zerebralem Befall sind oft die
Abb. 16 Aspergillusabszess bei einer 56-jährigen wegen Lebertransplantation immunsupprimierten Patientin. a, d, e Axiale
FLAIR-Aufnahmen. c Axiale T1w Aufnahme nach KM-Gabe. b Axiale
ADC-Map. Zwei Untersuchungszeitpunkte [(a – c) und (d, e)] im
Abstand von 5 Tagen. Zentral nekrotische, peripher kräftig KM
aufnehmende Raumforderung links parietal. Typisch sind das
niedrige Signal der Kapsel auf FLAIR-Aufnahmen (a, e), der verminderte ADC (b) und die Ausbildung von Tochterabszessen (c).
Rasche Größenzunahme der Raumforderung und des Ödems innerhalb von wenigen Tagen. Zum zweiten Untersuchungszeitpunkt zeigen sich neu aufgetretene, frische Kleinhirninfarkte bds.,
wahrscheinlich auf dem Boden ein Vaskulitis (d).
Basalganglien und der Thalamus beteiligt, weil Aspergillus als „angioinvasiver“ Pilz vor allem die langen
Cryptococcus neoformans, kommt ubiquitär im Erd-
perforierenden Arterien befällt. 50 % der Patienten
reich vor. Der Infektionsweg ist die Inhalation. Risiko-
entwickeln hämorrhagische Hirninfarkte auf dem Bo-
patienten sind solche mit Immunschwäche [37].
den einer Vaskulitis (Abb. 16). Auch kann es zu pilzinfektionsbedingten Aneurysmen mit Subarachnoi-
Klinik. Die Lungeninfektion verläuft meist asympto-
dalblutung kommen.
matisch, einige Wochen danach kommt es zu einer
hämatogenen Streuung, meist ausschließlich in das
Sinonasaler Befall. Bei sinonasalem Befall ist niedri-
ZNS. Hierbei sind Symptome einer basalen Meningitis
ges Signal auf T1w und T2w Aufnahmen typisch, oft
führend, häufig mit Hirnnervenausfällen und Hirn-
mit ringförmiger KM-Aufnahme. Im CT zeigen sich oft
druckzeichen.
Verkalkungen.
Diagnostik. Die Diagnose gelingt meist durch den diMykotische Hirnabszesse haben ein unspezifisches
rekten Erregernachweis im Liquor (Tuschepräparat),
Erscheinungsbild mit auf T2w Aufnahmen hypoin-
durch kulturelle Anzucht oder Latexagglutinationstest.
tenser Kapsel wie bei bakteriellen Abszessen, peri-
Liquorpleozytose und Gesamtproteinerhöhung kön-
fokalem Ödem und ringförmiger KM-Aufnahme
nen bei immungeschwächten Patienten auch fehlen.
[37].
Therapie. Eine Behandlung mit Amphotericin führt zu
einer Heilungsrate von über 50 %.
Kryptokokkose
n
n
Klinischer Hintergrund
Bildmorphologie
Immungeschwächte Personen. Für immunge-
Die Kryptokokkose ist die am häufigsten vorkommen-
schwächte Personen typisch ist liquorisointenses Sub-
de Pilzinfektion des ZNS. Der Erreger, der Hefepilz
strat, das die basalen perivaskulären Räume (Virchow-
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Neuroradiologie
Robin-Räume) ausfüllt. Dabei handelt es sich um sog.
ZNS-Manifestationen. Eine neonatale bakterielle Me-
gelatinöse Pseudozysten, die sich bis in das periventri-
ningitis ist oft mit einem eitrigen leptomeningealen
kuläre Hirnparenchym ausbreiten können. Oft zeigt
Exsudat assoziiert, das die frontoparietalen Liquorräu-
sich ein nichtkommunizierender Hydrozephalus, und
zwar häufiger bei nicht immungeschwächten Perso-
me und die basalen Zisternen über der Haube ausfüllt.
Ventrikulitis und Vaskulitis mit venöser und arterieller
nen, da bei immungeschwächten Personen entzünd-
Thrombose können komplizierend hinzutreten. Zu
lich bedingte Verklebungen der basalen Zisternen
einem hämorrhagischen arteriellen oder venösen
häufig ausbleiben.
Hirninfarkt kommt es in 30 % der Fälle.
Nicht immungeschwächte Personen. Nicht immun-
n
geschwächte Personen entwickeln häufiger KM-auf-
Bei unkomplizierter Meningitis kann das MRT normal
nehmende Granulome [37].
sein oder eine diffuse leptomeningeale KM-Aufnahme
n
Differenzialdiagnose
Differenzialdiagnostisch kommen andere granuloma-
Bildmorphologie
zeigen. Sterile subdurale Flüssigkeitsansammlungen,
die auf T1w und T2w Aufnahmen gegenüber Liquor
isointens sind, verschwinden oft spontan. Aufnahmen
töse Erkrankungen wie Tbc, Neurosarkoidose, parasi-
ohne und mit KM sind hilfreich, Komplikationen der
täre Erkrankungen, aber auch multifokal wachsende
subakuten und chronischen Phase wie Empyem, Zere-
Hirntumoren in Betracht. Bei duralem Befall ist auch
britis, Hirnabszess, zystische Enzephalomalazie und
an Meningeome oder maligne duraständige Tumoren
Hirninfarkte nachzuweisen.
zu denken [37].
Besonderheiten postnataler
(kongenitaler) ZNS-Infektionen
Infektiöse Meningitis bei Säuglingen und
Kleinkindern
n
Für postnatale Infektionen kommen viele Erreger
Klinischer Hintergrund
Die Meningitis bei bis dahin gesunden Säuglingen und
(Viren, Bakterien, Pilze, Parasiten, Prionen) infrage. Bei
Kleinkindern ist typischerweise aseptisch, kann aber
einigen der jungen Patienten bleibt es unklar, ob die
selten auch bakteriell bedingt sein. Typische Erreger
neurologische Ausfallssymptomatik durch eine direkte
sind folgende Keime:
Gewebeschädigung oder durch immunvermittelte
n
Mechanismen verursacht ist wie z. B. bei einer akuten
disseminierten Enzephalomyelitis. Die Residualzustände nach abgelaufener Entzündung des Hirnpa-
dern, die jünger als 7 Jahre sind und oft mit einer
Pharyngitis oder Otitis verbunden,
n
Neisseria meningitidis, häufig in Epidemiegebieten
n
Streptococcus pneumoniae, oft assoziiert mit Pneu-
renchyms können je nach Schwere und Zeitpunkt der
Infektion (intrauterin, peripartal, postnatal) Migrati-
Haemophilus influenzae, für gewöhnlich bei Kin-
bei älteren Kindern,
onsstörungen, Enzephalomalazie, Hirnatrophie oder
monie, Otitis media, Mastoiditis, Sinusitis und En-
parenchymale Verkalkungen umfassen.
dokarditis.
Risikofaktoren sind Schädeltrauma, neurochirurgische
Infektiöse Meningitis bei Neugeborenen
Eingriffe, Immunschwäche, Defekte im Komplementsystem und Sichelzellanämie. Gramnegative Bakterien
n
Klinischer Hintergrund
Prädisposition und Ätiologie. Die Häufigkeit beträgt
wie Klebsiellen, Escherichia coli und Pseudomonas
aeruginosa können in seltenen Fällen vorkommen.
2 – 3 : 1000 Lebendgeburten bei Frühgeborenen, die
das größte Risiko aufweisen, an einer aseptischen Me-
n
Bildmorphologie
ningitis zu erkranken. Andere prädisponierende Fak-
Bei unkomplizierter bakterieller Meningitis kann das
toren sind mütterliche Sepsis, erschwerte Geburt und
initiale MRT normal sein. Ein leichter Hydrozephalus
Defekte in der zellulären Immunabwehr. Mit 65 – 70 %
und eine leichte Erweiterung der extraventrikulären
der Fälle sind Escherichia coli und Streptokokken der
Gruppe B die häufigsten Erreger. Andere Erreger sind
Liquorräume kommen häufig vor und verschwinden
meist schnell. Erst wenn das entzündliche Exsudat die
Enterobakterien, Listeria monocytogenes, Enterokok-
basalen Zisternen bzw. die Liquorabflusswege direkt
ken, Klebsiellen, Proteus und Citrobacter species.
oder indirekt durch entzündliche Verklebungen oder
Verwachsungen längerfristig blockiert, kommt es zum
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Infektiöse Hirnerkrankungen: Bildgebung und differenzialdiagnostische Aspekte
Hydrozephalus. Eine leptomeningeale KM-Aufnahme
enzephalitis, die Herpes-simplex-Virus-(HSV-)Typ-
ist typisch bei bakterieller Meningitis. Bei Kindern un-
2-Enzephalitis und die HIV-Enzephalitis (Eselsbrücke:
ter einem Jahr werden am häufigsten sterile subdurale
ToRCHH). Einzelheiten sind in den Kapiteln parasitäre
Effusionen, die isointens auf T1w und T2w Aufnahmen
sind, gesehen. Solche sterilen Effusionen kommen be-
Erkrankungen und Virusenzephalitiden zu finden.
sonders häufig bei Haemophilus-influenzae-Meningitis vor. Selten entstehen Empyeme, die dann subdural
Seltenere kindliche Enzephalitiden
oder epidural lokalisiert sind. Das MR-Signal von Empyemen entspricht wegen des erhöhten Eiweißgehalts
Exanthema subitum. Humanes Herpesvirus Typ 6
mehr oder weniger dem von Hirnparenchym. Exsuda-
und 7 sind Erreger des Exanthema subitum, einer häu-
tive Infiltrationen im perivaskulären Raum können
figen Infektionserkrankung des Kindesalters. Die
Vasospasmen mit der Folge von Hirninfarkten hervor-
meisten Erwachsenen sind seropositiv. Der klinische
rufen. Bei bakterieller Meningitis führt eine Zerebritis
Befund umfasst fokale oder generalisierte Krampfanfälle, fokal neurologische Ausfälle und Bewusstseins-
normalerweise nicht zu einem Hirnabszess. Bei jüngeren Kindern mit Meningitis, Sepsis, Dehydratation und
störung bis hin zu Lethargie und Koma. Somit besteht
Hypernatriämie kommt es dagegen häufiger zu Sinusthrombosen.
klinisch große Ähnlichkeit mit der Herpes-simplexVirus-(HSV-)Typ-1-Enzephalitis. Es ist ein vorwiegend
kortikaler Befall beschrieben.
Tuberkulöse Meningitis
Rasmussen-Enzephalitis. Die Rasmussen-Enzephali-
Der Altersgipfel der tuberkulösen Meningitis bei Kin-
Die Pathogenese scheint komplex zu sein: Bestimmte
tis ist eine seltene chronische Enzephalitis bei Kindern.
dern liegt bei 3 Jahren. Die Kinder leiden unter Menin-
virale Antigene wie EBV oder CMV werden als mög-
gismus, Kopfschmerzen und Augenmuskelparesen.
liche Trigger angesehen. Bei einigen Patienten kommt
Der N. abducens ist häufig betroffen. Pathologie und
es zur Ausbildung von Autoantikörpern, die gegen die
MRT-Befunde unterscheiden sich nicht von denen der
Untereinheit 3 des Glutamatrezeptors des ZNS ge-
tuberkulösen Meningitis Erwachsener.
richtet sind. Der Nachweis von CD8+-Zellen vom zytotoxischen Typ spricht für eine T-Zell-vermittelte
Pathogenese, eine eingeschränkte Zahl von B-Zell-
Hirnabszess
Lymphozyten-Klonen für eine B-Zell-vermittelte
Pathogenese. Das klinische Bild umfasst schwer be-
Typische Erreger von Hirnabszessen bei Kindern sind
handelbare Krampfanfälle und eine progressive Hemi-
gramnegative Bakterien wie Citrobacter species, Ente-
parese. Wiederholte Gaben von Immunglobulin i. v.
robakterien und Proteus, vor allem bei jüngeren Kin-
oder von Immunsuppressiva wie Takrolimus wurden
dern. Seltenere Ursachen sind Streptokokken,
als medikamentöse Therapie versucht. MR-tomo-
Staphylococcus aureus, Pneumokokken, Haemophilus
graphisch zeigen sich eine unspezifische zerebrale
influenzae, Parasiten, Pilze und Tbc-Bakterien. Neben
Hemiatrophie und multifokale oder diffuse Signalstei-
Infektionen der Nasennebenhöhlen oder des Mastoi-
gerungen auf T2w Aufnahmen, die nur eine Großhirn-
dalzellsystems kommen bei Kindern besonders häufig
hemisphäre betreffen.
auch zyanotische Herzfehler, bakterielle Endokarditis
und chronische Infektionen der unteren und oberen
Mykoplasmeninfektion. Mykoplasmen sind eine
Luftwege mit hämatogener Erregeraussaat als Ursa-
häufige Ursache einer Pneumonie bei Kindern; dane-
chen infrage. Bei 20 – 30 % der Kinder kann die Ursache
ben können Mykoplasmen ursächlich sein für eine
für den Hirnabszess nicht gefunden werden. Die pa-
Meningoenzephalitis, Polyradikulitis oder eine akute
thologischen und radiologischen Befunde entsprechen
disseminierte Enzephalomyelitis. Als MRT-Befunde
im Wesentlichen denen bei Erwachsenen.
wurden Hyperintensitäten der grauen und weißen
Substanz auf T2w Aufnahmen beschrieben, die Großhirn, Kleinhirn, Basalganglien, Thalamus, Hirnstamm
Enzephalitis bei Kindern
und Rückenmark betreffen können. Tetracyclin und
Erythromycin sind Mittel der Wahl.
Neben der kongenitalen Toxoplasmose sind die
häufigsten kongenitalen Enzephalitiden die Röteln-
Poliovirus-Enzephalitis. Wegen des Impfschutzes ist
virusenzephalitis, die Cytomegalie-(CMV-)Virus-
die Poliovirus-Enzephalitis in den westlichen Ländern
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Neuroradiologie
sehr selten geworden. Das Poliomyelitis-Virus wird
intrakranieller Gefäße; endovaskuläre Behandlung ze-
durch direkten Kontakt mit kontaminierten Ausschei-
rebraler Aneurysmen.
dungen (Fäkalien, Körpersekrete) übertragen. Die Inkubationszeit beträgt 1 – 3 Wochen. Husten, Fieber
und Bauchschmerzen sind die typischen Symptome.
Brigitte Storch-Hagenlocher
Oft verläuft die Infektion ohne neurologische Komplikationen. Diese treten bei 0,1 – 1 % der Patienten auf
Jahrgang 1953, Dr. med., 1972 – 1979 Studium der
und umfassen dann eine aseptische Meningitis, Polio-
Medizin in Heidelberg, 1979 Promotion zur Dr. med.,
myelitis und Polioenzephalitis oder eine bulbäre Polio.
1979 – 1984 Weiterbildung in Neurologie in der
Am häufigsten kommt es zu spinalen Manifestationen.
Neurologischen und Psychiatrischen Klinik des Uni-
In 10 – 15 % der Fälle tritt eine bulbäre Polio mit Betei-
versitätsklinikums Heidelberg. Aufbau und Leitung des
ligung der Hirnnerven IX-XI auf, seltener der Hirn-
Liquorlabors der Neurologischen Klinik. 1984 Aner-
nerven V, VII und XII. Im MRT zeigen sich Hyperinten-
kennung als Ärztin für Neurologie. Seit 1986 Oberärz-
sitäten im Hirnstamm (bulbäre Polio) oder in den
tin an der Neurologischen Klinik. Forschungsschwer-
Hemisphären (Polioenzephalitis).
punkte: Neuroimmunologische Erkrankungen des
Nervensystems, Neuroonkologie, molekulare Liquordiagnostik bei neuroimmunologischen und neuroon-
Pilzerkrankungen bei Kindern
kologischen Erkrankungen.
Die häufigsten Pilzerkrankungen sind verursacht
durch Candida albicans, daneben durch Aspergillus
Angelika Seitz
fumigatus, Cryptococcus neoformans und Coccidioides
immitis. Erhöhtes Risiko haben immunsupprimierte
Jahrgang 1960, Dr. med., 1980 – 1986 Studium der Me-
Kinder, Kinder mit Venenverweilkathetern, mukoku-
dizin in Göttingen, 1986 Approbation als Ärztin, 1987
taner Kandidose und Frühgeborene, die sich in Lang-
Promotion zur Dr. med. (Universität Göttingen),
zeit-Intensivbehandlung befinden. Klinik, Therapie
1987 – 1992 Weiterbildung in Radiologie, 1987 – 1990
und MR-Erscheinungsbild entsprechen den Pilzerkrankungen bei Erwachsenen.
krankenhaus Rotenburg/Wümme, 1989 Anerkennung
Tätigkeit in der Abteilung Radiologie am Diakonieals „Ärztin im Rettungsdienst“ durch das DRK und die
Ärztekammer Niedersachsen, 1990 – 1992 Tätigkeit in
Lebensläufe
der Strahlentherapie der Abteilung Klinische Radiologie der Radiologischen Klinik des Universitätsklini-
Stefan Hähnel
kums Heidelberg, 1992 Anerkennung als Ärztin für
Jahrgang 1966, Prof. Dr. med. 1987 – 1993 Studium der
radiologie der Neurologischen Klinik des Universitäts-
Medizin in Halle/S. und Heidelberg, 1994 Promotion,
klinikums Heidelberg, seit 1999 Oberärztin für den
1993 – 1995 und 1996 – 1998 Arzt und wissenschaftli-
Bereich Pädiatrische Neuroradiologie. Forschungs-
cher Mitarbeiter in der Abteilung Neuroradiologie der
schwerpunkte: MRT samt funktionellen Verfahren und
Neurologischen Klinik, Universitätsklinikum Heidel-
MRS des kindlichen Gehirns bei Tumoren, Epilepsie
berg, 1995 – 1996 Tätigkeit in der Abteilung Neurologie
und Stoffwechselerkrankungen; Klassifizierung unkla-
am Nervenkrankenhaus Bayreuth, 1998 – 1999 Tätig-
rer Leukodystrophien.
Radiologie, seit 1992 Tätigkeit in der Abteilung Neuro-
keit in den Abteilungen Klinische Radiologie und Radiodiagnostik des Universitätsklinikums Heidelberg,
seit 2000 Oberarzt und seit 2004 Geschäftsführender
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Korrespondenzadresse
Prof. Dr. med. Stefan Hähnel
Abt. Neuroradiologie
Universitätsklinikum Heidelberg
Im Neuenheimer Feld 400
Rofo Fortschr Geb Rontgenstr Neuen Bildgeb Verfahr 2003;
69120 Heidelberg
175 (10): 1317 – 1329
Tel: 06221 56-7566
Fax: 06221 56-4673
E-mail: [email protected]
Radiologie up2date 3
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